Video ist "the next big thing", heißt es. Auch Unternehmen nutzen diese Möglichkeit zunehmend - mit Mitarbeitern als Darsteller, etwa auf Videoplattformen wie YouTube und Whatchado oder auf der eigenen Homepage. Oft werden im bestehenden Arbeitsverhältnis die Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichlaufen: Sie wollen das Unternehmen bestmöglich präsentieren. Nicht selten sinkt aber die Identifikation des Arbeitnehmers mit dem Arbeitgeber, wenn das Arbeitsverhältnis endet. Wie in einer Liebesbeziehung spielen natürlich die Umstände der "Trennung" eine große Rolle. So oder so stellt sich die Frage, ob das Unternehmen Werbeprodukte wie Videofilme, in denen der ausgeschiedene Mitarbeiter auftaucht, weiter nutzen darf. Das BAG hat hierzu jetzt wesentliche Punkte geklärt - und dabei ganz nebenbei eine grundlegende Frage des Arbeitnehmerdatenschutzes beantwortet (Urteil vom 11.12.2014 - 8 AZR 1010/13, DB 2015 S. 1296).
Werbefilme mit Arbeitnehmern - Corporate Publishing vs. Persönlichkeitsrecht
1. Arbeitsrecht Kurz Kommentiert DB vom 19.06.2015 , Heft 25, Seite 1471 - 1473 DB0697318
Werbefilme mit Arbeitnehmern - Corporate Publishing vs. Persönlich-
keitsrecht
RA/FAArbR Dr. André Zimmermann, LL.M.
Video ist "the next big thing", heißt es. Auch Unternehmen nutzen diese Möglichkeit
zunehmend - mit Mitarbeitern als Darsteller, etwa auf Videoplattformen wie YouTube und
Whatchado oder auf der eigenen Homepage. Oft werden im bestehenden Arbeitsverhältnis
die Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichlaufen: Sie wollen das Unternehmen
bestmöglich präsentieren. Nicht selten sinkt aber die Identifikation des Arbeitnehmers mit
dem Arbeitgeber, wenn das Arbeitsverhältnis endet. Wie in einer Liebesbeziehung spielen
natürlich die Umstände der "Trennung" eine große Rolle. So oder so stellt sich die Frage, ob
das Unternehmen Werbeprodukte wie Videofilme, in denen der ausgeschiedene Mitarbeiter
auftaucht, weiter nutzen darf. Das BAG hat hierzu jetzt wesentliche Punkte geklärt - und dabei
ganz nebenbei eine grundlegende Frage des Arbeitnehmerdatenschutzes beantwortet (Urteil
vom 11.12.2014 - 8 AZR 1010/13, DB 2015 S. 1296).
I. Der Fall
Der Arbeitnehmer war bei der Arbeitgeberin seit Sommer 2007 als Monteur tätig. Im Herbst 2008
erklärte er durch Unterschrift auf einer Einverständniserklärung mit der Überschrift "Thema:
Filmaufnahmen", dass Filmaufnahmen von ihm für die Öffentlichkeitsarbeit der Arbeitgeberin
verwendet und ausgestrahlt werden dürfen.
Danach ließ die Arbeitgeberin zur Vorbereitung ihres neuen Internetauftritts ein Werbevideo drehen. Zu
Beginn sieht man kurz einen vom Arbeitnehmer gesteuerten Pkw. Ob er in dieser Sequenz selbst
erkennbar ist, blieb strittig. Gegen Ende des Videos ist der Arbeitnehmer für etwa zwei Sekunden auf
einem Gruppenbild zusammen mit rund 30 weiteren Mitarbeitern zu sehen. Das Video konnte von der
Homepage der Arbeitgeberin aus angesteuert und angesehen werden.
Anfang 2011 endete das Arbeitsverhältnis. Im November 2011 widerrief der Arbeitnehmer eine
"möglicherweise" erteilte Einwilligung. Er forderte die Arbeitgeberin auf, das Video von der Homepage
zu entfernen. Dem folgte die Arbeitgeberin unter dem Vorbehalt, es später erneut einzustellen. Der
Arbeitnehmer verlangt die Unterlassung weiterer Veröffentlichung und Schmerzensgeld.
Das ArbG hat der Klage im Unterlassungsanspruch stattgegeben und i.Ü. abgewiesen. Das LAG hat
die Klage insgesamt abgewiesen.
II. Die Entscheidung
Die Revision des Arbeitnehmers blieb ohne Erfolg. Der 8. Senat hält die vom Arbeitnehmer erteilte
Einwilligung für wirksam. Sie sei auch weder auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses befristet gewesen
noch vom Arbeitnehmer wirksam widerrufen worden.
Die in der zweiten Sequenz des Videos unstreitig identifizierbare Abbildung des Arbeitnehmers sei
durch eine Einwilligung des Arbeitnehmers gedeckt. Bei einer Abwägung des Verwendungsinteresses
2. des Arbeitgebers und des Rechts der [DB 2015 S. 1472]Arbeitnehmer auf informationelledes Arbeitgebers und des Rechts der [DB 2015 S. 1472]Arbeitnehmer auf informationelle
Selbstbestimmung sei § 22 KUG verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Einwilligung
der Arbeitnehmer der Schriftform bedürfe.
Die vom Arbeitnehmer erteilte Einwilligung genüge diesen Anforderungen. Es handele sich um eine
anlassbezogene Einwilligung, die im Einzelfall eingeholt, klar bezeichnet und nicht zusammen mit
anderen Erklärungen schriftlich erteilt worden sei. Insb. sei die Einwilligung nicht vorab in allgemeiner
Form im Arbeitsvertrag erteilt worden.
Der Senat sieht keine Hinweise dafür, dass die Einwilligung nicht auf einer freien Entscheidung des
Arbeitnehmers beruht. Er tritt insb. ausdrücklich der zu § 4a BDSG vertretenen Auffassung entgegen,
die eine freiwillige Einwilligung im Arbeitsverhältnis für generell ausgeschlossen hält. Auch im Rahmen
eines Arbeitsverhältnisses könnten Arbeitnehmer grds. frei entscheiden, wie sie ihr Grundrecht auf
informationelle Selbstbestimmung ausüben wollten. Dem stehe weder entgegen, dass Arbeitnehmer
abhängig beschäftigt sind, noch dass sie dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegen.
Die Einwilligung sei auch nicht automatisch mit Ende des Arbeitsverhältnisses erloschen. Dem
Wortlaut nach sei sie unbefristet erteilt worden. Jedenfalls dann, wenn das Bild oder der Film reinen
Illustrationszwecken diene und keinen auf die individuelle Person des Arbeitnehmers Bezug
nehmenden Inhalt transportiere, wie im vorliegenden Fall, ende das Einverständnis des Arbeitnehmers
nicht automatisch mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Der Arbeitnehmer habe seine Einwilligung auch nicht wirksam widerrufen. Der Widerruf einer erteilten
Einwilligung sei zwar grds. möglich. Jedoch habe der Arbeitnehmer für diese gegenläufige Ausübung
seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung keinen plausiblen Grund angegeben. Bei der
Frage der Wirksamkeit eines Widerrufs einer bereits erteilten Einwilligung müsse man die Interessen
des Arbeitgebers gegen die des Arbeitnehmers abwägen. Der Arbeitnehmer könne als
Widerrufsgrund grds. anführen, dass mit seiner Abbildung nach Ende des Arbeitsverhältnisses nicht
weiter für das Unternehmen geworben werden solle, jedenfalls wenn er für die Verwendung zu
Werbezwecken keine Vergütung erhalten habe. Es müsse aber mit seiner Person oder mit seiner
Funktion im Unternehmen geworben werden.
Bei einer allgemeinen Darstellung des Unternehmens, auch wenn sie zu Werbezwecken erfolgt sei und
ins Internet gestellt werde, bei der die Person und Persönlichkeit des Arbeitnehmers nicht
hervorgehoben, sein Name nicht genannt und die Identität seiner Person auch sonst nicht
herausgestellt werde und bei der zudem beim Betrachter nicht zwingend der Eindruck entstehe, es
handele sich um die aktuelle Belegschaft, könne von einer wirtschaftlichen und
persönlichkeitsrelevanten Weiterverwertung der Abbildung des Arbeitnehmers nicht ausgegangen
werden. Allein die Beendigung des Arbeitsverhältnisses genüge dann nicht als Widerrufsgrund. Der
widerrufende Arbeitnehmer müsse vielmehr einen Grund nennen, warum er nunmehr, anders als bei
der Erteilung der Einwilligung, sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung gegenläufig ausüben
will. Eine in diesem Sinne plausible Erklärung für den Widerruf habe der Arbeitnehmer nicht gegeben.
III. Folgen für die Praxis
Unternehmen, die Bilder oder Videos im Internet veröffentlichen, auf denen ihre Mitarbeiter erkennbar
sind, sollten dringend schriftliche Vereinbarungen mit den Mitarbeitern treffen, in denen die Einzelheiten
der Veröffentlichung vereinbart werden. Insb. muss die Vereinbarung die Einwilligung des Mitarbeiters
zur Veröffentlichung enthalten.
Geklärt ist weiter, dass eine einschränkungslos erteilte Einwilligung nicht automatisch erlischt mit dem
Ende des Arbeitsverhältnisses. Sie kann aber widerrufen werden, wenn dafür ein plausibler Grund
angegeben wird. Das gilt jedenfalls dann, wenn das Bild oder der Film reinen Illustrationszwecken dient
3. und nicht auf die individuelle Person Bezug nimmt (vgl. andererseits zu besonders hervorgehobener
Qualifikation einer Rechtsanwältin: LAG Hessen, Beschluss vom 24.01.2012 - 19 SaGa 1480/11). Der
Mitarbeiter muss darlegen, warum die erteilte Einwilligung nicht mehr gelten soll. Nicht ausreichend ist
der bloße Verweis auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
En passant und in nur wenigen Sätzen beantwortet der 8. Senat eine grundlegende Frage des
Arbeitnehmerdatenschutzes: Ist im Arbeitsverhältnis, das geprägt ist durch "strukturelle Unterlegenheit"
(BVerfG, Beschluss vom 26.06.1991 - 1 BvR 779/85, DB 1991 S. 1678) und Weisungsgebundenheit
des Arbeitnehmers, überhaupt eine freie Entscheidung i.S.d. § 4a Abs. 1 Satz 1 BDSG möglich? Das
ist auch deshalb bemerkenswert, weil nicht nur gewichtige Literaturstimmen (insb. Simitis/Simitis,
BDSG, 8. Aufl. 2014, § 4a Rn. 62) und viele Aufsichtsbehörden (vgl. etwa den 42. Tätigkeitsbericht des
Hessischen Datenschutzbeauftragten, S. 248) Freiwilligkeit im Arbeitsverhältnis grds. verneinen,
sondern auch der BGH Zweifel hegt an einer freien Entscheidung i.S.d. § 4a Abs. 1 Satz 1 BDSG,
"wenn die Einwilligung in einer Situation wirtschaftlicher oder sozialer Schwäche oder Unterordnung
erteilt wird” (BGH, Urteil vom 16.07.2008 - VIII ZR 348/06, DB 2008 S. 2188).
Mit Blick darauf war die Einwilligung bislang keine rechtssichere Grundlage der Datenverwendung im
Arbeitsverhältnis: Soweit kein gesetzlicher Erlaubnistatbestand oder eine Betriebsvereinbarung die
Datenverwendung legitimierte, war der Umgang mit Arbeitnehmerdaten trotz Einwilligung für den
Arbeitgeber risikoreich. Vor allem drohten hohe Bußgelder (§ 43 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 BDSG).
Dieses Risiko ist nun bedeutend kleiner geworden, wenn auch nicht vollständig ausgeschlossen. Grds.
ist eine Einwilligung nunmehr auch im Arbeitsverhältnis möglich und belastbare Rechtsgrundlage der
Datenverwendung. Voraussetzung ist, dass die hohen inhaltlichen und formellen Anforderungen des §
4a BDSG eingehalten werden. Die Einwilligung muss schriftlich erfolgen und es ist auf den Zweck, die
Art und den Umfang der Datenverwendung - hier: die Veröffentlichung - hinzuweisen.
Blankoeinwilligungen im Arbeitsvertrag reichen nicht, selbst wenn sie drucktechnisch hervorgehoben
sind.
Freilich werden die ArbG auch im Einzelfall die Umstände prüfen, unter denen die Einwilligung erteilt
wurde, sodass auch eine formal wirksame Einwilligung ausnahmsweise ihre Legitimationswirkung
einbüßen kann. Im Grundsatz ist aber davon auszugehen, dass sie die Datenverwendung trägt.
Das Instrument der Einwilligung wurde auch deshalb deutlich aufgewertet, weil das BAG der freien
Widerruflichkeit hier klare Grenzen gezogen hat: Der Mitarbeiter kann eine einmal erteilte Einwilligung
nicht grundlos jederzeit widerrufen. Das Gericht verlangt vielmehr eine Abwägung zwischen den
Interessen des Unternehmens und des Mitarbeiters.
[DB 2015 S. 1473][DB 2015 S. 1473]
Einschränkungen der neuen Freiheit können sich aber vielleicht schon sehr bald aus der
Datenschutzgrundverordnung ergeben: Nach Erwägungsgrund 34 des Kommissions-Entwurfs
(KOM/2012/011 endgültig - 2012/0011 (COD)) soll eine Einwilligung bei klarem Ungleichgewicht
zwischen der betroffenen Person und dem für die Verarbeitung Verantwortlichen nicht möglich sein.
Explizit genannt wird das Arbeitsverhältnis als Abhängigkeitsverhältnis. Im vom Parlament mit
Änderungen im März 2014 angenommenen Entwurf ist dieser Erwägungsgrund gestrichen.
Stattdessen verweist Art. 82 Nr. 1b im geänderten Entwurf darauf, dass im Arbeitsverhältnis nur eine
freiwillige Einwilligung die Datenverwendung legitimiert. Anfang Juni 2015 leakte statewatch.org eine
konsolidierte Fassung der aktuellen Position des Rates der EU (abrufbar unter
www.statewatch.org/news/2015/jun/eu-council-dp-re-consolidated-position-5-june-9657-15.pdf [letzter
Abruf: 12.06.2015]).
Hier wird die Position des Rates in Erwägungsgrund 34 im Kern dahingehend zusammengefasst, dass