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Bertelsmann Stiftung,
Institut für Schulentwicklungsforschung der
Technischen Universität Dortmund,
Institut für Erziehungswissenschaft der
Friedrich-Schiller-Universität Jena (Hrsg.)
Chancenspiegel 2013
Zur Chancengerechtigkeit und Leistungsfähigkeit der deutschen
Schulsysteme mit einer Vertiefung zum schulischen Ganztag
Zusammenfassung zentraler Befunde
Eine Studie des Instituts für Schulentwicklungsforschung (IFS)
der Technischen Universität Dortmund und des Instituts für
Erziehungswissenschaft (IfE) der Friedrich-Schiller-Universität Jena
in Kooperation mit der Bertelsmann Stiftung
Online unter www.chancen-spiegel.de
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten
sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2013 Verlag Bertelsmann Stiftung, Gütersloh
Verantwortlich: Christian Ebel
Lektorat: Heike Herrberg, Bielefeld
Herstellung: Sabine Reimann
Umschlaggestaltung: Elisabeth Menke
Umschlagabbildung: Ulfert Engelkes, Kassel
Satz und Druck: Hans Kock Buch- und Offsetdruck GmbH, Bielefeld
ISBN 978-3-86793-505-0
www.bertelsmann-stiftung.de/verlag
3
Inhalt
Bildungschancen in Deutschland:
Weiterhin großer Handlungsbedarf trotz positiver Trends.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .   5
I	 Der Chancenspiegel im Überblick .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .   7
	 1.	Integrationskraft, Durchlässigkeit, Kompetenzförderung und
Zertifikatsvergabe sind entscheidend für faire Chancen
im Schulwesen. .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .   7
	 2.	Die Chancenprofile der Bundesländer zeigen relative Stärken und
Entwicklungsbedarfe. .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .   8
II	Die Bildungschancen für die Schüler1 in Deutschland
verbessern sich leicht .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 11
	 1.	 Die Chancen auf höhere Schulabschlüsse in Deutschland steigen. .  .  .  .  .  .  . 11
	 2.	 Die Schulsysteme in Deutschland integrieren etwas besser . . . . . . . . . . . . 12
	 3.	Die Schulsysteme in Deutschland werden nur geringfügig
durchlässiger .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 14
	 4.	Im Grundschulbereich hängt der Bildungserfolg bei
relativ konstanter Leistung – wie im Sekundarbereich –
stark von der sozialen Herkunft ab .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 16
1	 In dieser Broschüre verwenden wir keine durchgängig geschlechterneutrale Sprache. Mit
»Schülern«, »Abgängern« etc. sind immer auch Schülerinnen und Absolventinnen gemeint.
III	Die Bildungschancen sind in den Bundesländern noch immer
sehr unterschiedlich verteilt. .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 17
	 1.	Die Integrationskraft der Schulsysteme ist in den nördlichen
Bundesländern und in Rheinland-Pfalz stärker ausgeprägt . .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 17
	 2.	Durchlässiger sind die Schulsysteme in den östlichen Bundesländern
und in Hamburg.. .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 21
	 3.	Kompetenzen werden im Osten und im Süden besser gefördert .  .  .  .  .  .  .  .  . 26
	 4.	Bei den Schulabschlüssen bieten Nordrhein-Westfalen, Hessen
und der Südwesten mit Baden-Württemberg und dem Saarland
größere Chancen .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 32
IV	Rückblick Ganztagsschulausbau: Die meisten Bundesländer
investieren nur wenig in den gebundenen Ganztag. .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 37
4
5
Bildungschancen in Deutschland: Weiterhin großer
Handlungsbedarf trotz positiver Trends
Wie gerecht es im deutschen Bildungswesen zugeht, wurde schon länger heftig dis-
kutiert – oft aufgrund von Einzelbeobachtungen oder eines Bauchgefühls. Erst die
PISA-Premiere vor gut zehn Jahren warf ein empirisches Schlaglicht auf die Chan-
cengerechtigkeit in Deutschlands Schulen. Ein zentraler Befund lautete damals: In
keinem anderen OECD-Land hängt der Bildungserfolg so stark von der sozialen
Herkunft ab. Diese Diagnose hat dazu beigetragen, die bildungspolitische Debatte
hierzulande zu konkretisieren und etwas zu entideologisieren. Aber noch immer
schlagen die Wogen von Zeit zu Zeit hoch – auch weil die Definition von Chancen-
gerechtigkeit als ungeklärt gilt, wie auch die Frage, anhand welcher Indikatoren sie
zu messen ist.
Der Chancenspiegel, der im vergangenen Jahr erstmals erschien, versucht, diese
Lücke zu schließen. Er fokussiert, anders als andere Formate der Bildungsberichter-
stattung, auf ein einzelnes Thema: die Chancengerechtigkeit der Schulsysteme
Deutschlands. Ein Überblick über das Grundverständnis, den Ansatz und die Me-
thodik steht dem Kapitel I dieser Publikation voran. Ein Jahr nach seiner Erstauflage
analysiert der Chancenspiegel die Veränderungen in den letzten beiden Jahren. Ver-
glichen werden vorrangig Zahlen und Daten aus dem Schuljahr 2011/12 mit denen
aus dem Schuljahr 2009/10. Gewisse Einschränkungen mussten die Autorinnen
und Autoren erfahren, weil einige Daten im Bereich der Kompetenzförderung nicht
verfügbar oder kaum zugänglich waren. Trotzdem lassen sich leichte Tendenzen
ablesen.
Das zentrale Ergebnis für die Entwicklung der Bildungschancen lautet: Die
Chancengerechtigkeit hat sich in den vergangenen zwei Jahren tendenziell verbes-
sert. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Das Risiko, die Schule ohne Abschluss zu
verlassen, ist gesunken und die Chancen, die Hochschulreife zu erwerben, sind in
fast allen Bundesländern gestiegen. Auf der anderen Seite besteht nach wie vor gro-
ßer Handlungsbedarf. Immer noch ist das Risiko für Schüler mit besonderen För-
derbedarfen hoch, separat unterrichtet zu werden. Und die Aussicht auf einen Platz
in einer gebundenen Ganztagsschule ist weiterhin sehr gering. Nicht zuletzt des-
6
Bildungschancen in Deutschland
halb hat die soziale Herkunft nach wie vor großen Einfluss auf den Bildungserfolg.
Das gilt für den Primarbereich – der im Fokus dieses Chancenspiegels steht – wie
auch für den Sekundarbereich.
Unverändert stark ausgeprägt ist das Gefälle zwischen den Bundesländern. So
kann der unterschiedliche Umgang mit Inklusion und schulischem Ganztag darauf
hinweisen, dass es für diese zentralen Herausforderungen kein gemeinsames Ver-
ständnis der Länder oder bundesweite Standards gibt. Im Ergebnis bedeutet dies
nichts anderes, als dass die Schulsysteme der Länder den Kindern und Jugendli-
chen höchst unterschiedliche Bildungschancen bieten – auch wenn kein Land über-
all vorbildlich und kein Land überall Schlusslicht ist. Wir freuen uns, wenn der
Ländervergleich im Chancenspiegel für die Stärken und Schwächen der jeweiligen
Schulsysteme sensibilisiert und Impulse gibt, woran sich Politik im Bildungsföde-
ralismus orientieren kann.
Wir sind überzeugt, dass die Debatte über gerechte Chancen von Kindern und
Jugendlichen in unserem Schulsystem weiter intensiv und lösungsorientiert ge-
führt werden muss. Mit dem Chancenspiegel 2013 laden wir erneut alle Bildungsin-
teressierten ein, sich an der Debatte über die Bildungschancen von Kindern und
Jugendlichen in unserem Land zu beteiligen. Wir hoffen, alle Verantwortlichen in
den Bundesländern dabei zu unterstützen, voneinander zu lernen.
Dr. Jörg Dräger	 Prof. Dr. Wilfried Bos	 Prof. Dr. Nils Berkemeyer
Mitglied des Vorstands	 Direktor des Instituts	 Inhaber des Lehrstuhls
der Bertelsmann Stiftung	 für Schulentwicklungs-	 für Schulpädagogik und
	 forschung der TU	 Schulentwicklung an der
	 Dortmund	Friedrich-Schiller-
		 Universität Jena
7
I  Der Chancenspiegel im Überblick
1. Integrationskraft, Durchlässigkeit, Kompetenzförderung und
Zertifikatsvergabe sind entscheidend für faire Chancen im Schulwesen.
Angesichts der Fülle von Daten, mit denen die Schulsysteme in Statistiken und Be-
richten vermessen werden, lenkt der Chancenspiegel den Blick auf die Faktoren, die
in besonderer Weise faire Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen in den
Schulen ermöglichen. Er schaut besonders auf die Chancengerechtigkeit der deut-
schen Schulsysteme. Darunter versteht der Chancenspiegel die faire Chance zur
freien Teilhabe an der Gesellschaft, die auch gewährleistet wird durch eine gerechte Insti-
tution Schule, in der Schüler aufgrund ihrer sozialen und natürlichen Merkmale keine
zusätzlichen Nachteile erfahren, durch eine Förderung der Befähigung aller und durch
eine wechselseitige Anerkennung der an Schule beteiligten Personen. Ein solches gerech-
tigkeits- und schultheoretisch fundiertes Verständnis von Chancengerechtigkeit be-
zieht sich sowohl auf die Überwindung von Nachteilen als auch auf die Entwicklung
von Potenzialen. Demnach bieten Schulsysteme den Kindern und Jugendlichen
dann eine faire Chance, ihre Möglichkeiten zu entfalten, wenn sie integrieren,
durchlässig sind, Kompetenzen fördern und Leistungen durch entsprechende Zer-
tifikate anerkennen. Auf diese vier theoretisch hergeleiteten Gerechtigkeitsdimensi-
onen fokussiert der Chancenspiegel.
Zu jeder dieser Dimensionen – Integrationskraft, Durchlässigkeit, Kompetenzförde-
rung, Zertifikatsvergabe – werden unter Rückgriff auf verfügbare quantitative Daten
der amtlichen Statistiken aus Bund und Ländern sowie aus Studien der empiri-
schen Bildungsforschung besonders aussagekräftige Indikatoren in den Blick ge-
nommen. Diese sind sicher nicht die einzig möglichen, haben aber eine hohe Rele-
vanz für die Darstellung von Bildungschancen. Innerhalb jedes Indikators wiede-
rum werden drei Ländergruppen gebildet: Die obere Gruppe umfasst die Länder,
die in Bezug auf den berichteten Indikator zu den oberen 25 Prozent aller Bundes-
länder gehören. Diese Gruppe umfasst also im Blick auf die jeweilige Bildungs-
chance der Schüler die »erfolgreicheren« Bundesländer. Die mittlere Ländergruppe
8
Der Chancenspiegel im Überblick
bündelt die mittleren 50 Prozent, die untere Ländergruppe die unteren 25 Prozent
der Bundesländer.
Der Chancenspiegel ist erstmals im letzten Jahr erschienen und bezog sich meist
auf Daten aus dem Schuljahr 2009/10. Die Daten des Chancenspiegels 2013 basie-
ren auf Zahlen, die bis Februar 2013 in der amtlichen Statistik und in vorliegenden
Studien verfügbar waren, in der Regel also Daten aus dem Schuljahr 2011/12. Mit
dem aktuellen Chancenspiegel werden also zum ersten Mal Veränderungen zwi-
schen den Berichtsjahren 2009/10 und 2011/12 dokumentiert, zumindest für die
Indikatoren, zu denen vergleichbare Daten beider Berichtsjahre verfügbar sind.
Diese Broschüre bietet einen Überblick über zentrale Ergebnisse des Chancen-
spiegels. Weitere Informationen gibt die ausführliche Publikation, die auch eine
qualitative Analyse von Strategien zum Ausbau des schulischen Ganztags in den
Bundesländern enthält und im Internet unter www.chancen-spiegel.de zu finden ist.
2. Die Chancenprofile der Bundesländer zeigen relative Stärken und
Entwicklungsbedarfe.
Der Ländervergleich verdichtet die Informationen des Chancenspiegels auf der
Grundlage besonders relevanter und für alle Länder verfügbarer Indikatoren zu
Chancenprofilen. Der Vergleich zeigt, in welchen Gerechtigkeitsdimensionen die
einzelnen Bundesländer im innerdeutschen Vergleich ihre relativen Stärken und
Entwicklungsbedarfe haben.
In der vorliegenden Zusammenfassung der Befunde zum Chancenspiegel 2013
wird bei der Integrationskraft auf den Förderbedarf fokussiert, auf das Risiko, vom
Regelschulbesuch ausgeschlossen zu werden, sowie die Chance, ein Ganztagsange-
bot nutzen zu können. Bei der Dimension der Durchlässigkeit geht es um die Chance
auf einen Gymnasialbesuch, das Risiko, sitzen zu bleiben oder auf eine niedrigere
Schulart wechseln zu müssen, sowie die Chance, mit maximal Hauptschulab-
schluss in das Berufsbildungssystem einmünden zu können. In der Dimension der
Kompetenzförderung werden vier Indikatoren berücksichtigt: die durchschnittliche
Lesekompetenz im Primarbereich, die Kompetenzen der leistungsstärksten sowie
leistungsschwächsten Schüler sowie der Abstand zwischen Schülern aus oberen
und unteren Sozialschichten. Bei der Dimension der Zertifikatsvergabe werden das
Risiko, die Schule ohne Abschluss zu verlassen, und die Chance auf den Erwerb der
Hochschulreife in den Blick genommen.
Die Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg zeigen im Bundesvergleich ein
uneinheitliches Bild, weisen aber in der Kompetenzförderung Entwicklungsbedarf
auf. Die ostdeutschen Bundesländer dagegen sind in ihrem Bemühen, die Kompe-
tenzen zu fördern, vergleichsweise gut platziert. Hier liegt der Entwicklungsbedarf
mehr bei der Integrationskraft (Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt)
und bei der Zertifikatsvergabe (Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-
Anhalt und Sachsen).
9
Die Chancenprofile der Bundesländer zeigen relative Stärken und Entwicklungsbedarfe
untere Ländergruppemittlere Ländergruppe
I = Integrationskraft D = Durchlässigkeit K = Kompetenzförderung Z = Zertifikatsvergabe
Thüringen
Schleswig-Holstein
Sachsen-Anhalt
Sachsen
Saarland
Rheinland-Pfalz
Nordrhein-Westfalen
Niedersachsen
Mecklenburg-Vorpommern
Hessen
Hamburg
Bremen
Brandenburg
Berlin
Bayern
Baden-Württemberg
obere Ländergruppe
ZKDI
ZKDI
ZKDI
ZKDI
ZKDI
ZKDI
ZKDI
ZKDI
ZKDI
ZKDI
ZKDI
ZKDI
ZKDI
ZKDI
ZKDI
ZKDI
10
Der Chancenspiegel im Überblick
Die Schulsysteme der norddeutschen Flächenländer Niedersachsen und Schles-
wig-Holstein haben eine vergleichsweise hohe Integrationskraft, während sie in der
Dimension der Durchlässigkeit weniger gut platziert sind.
Nordrhein-Westfalen (NRW) und Hessen sind im Bundesländervergleich erfolg-
reich bei der Vergabe von Zertifikaten. NRW hat jedoch besonderes Entwicklungs-
potenzial in der Durchlässigkeit und Hessen in der Kompetenzförderung. Rhein-
land-Pfalz ist in der Integrationskraft besonders gut platziert, während das Saarland
dort besonderen Entwicklungsbedarf hat. Stark ist das Saarland dagegen in der
Zerti­fikatsvergabe.
Die süddeutschen Flächenländer Baden-Württemberg und Bayern sind in den
Dimensionen des Chancenspiegels, die stärker die Outputleistungen von Schulsys-
temen in den Blick nehmen, vergleichsweise gut platziert, nämlich in der Kompe-
tenzförderung (Bayern) und in der Zertifikatsvergabe (Baden-Württemberg). Auch
in der Kompetenzförderung ist Baden-Württemberg vergleichsweise stark, vor ­allem
wenn man – zusätzlich zu den für den Ländervergleich ausgewählten Indikatoren
bei der Kompetenzförderung – noch die Leistungsstreuung im Kompetenz­erwerb
berücksichtigt.2 Entwicklungsbedarf besteht in den süddeutschen Flächenländern
eher in den Dimensionen des Chancenspiegels, die die Gerechtigkeitsaspekte
­Integrationskraft und Durchlässigkeit in den Blick nehmen.
Die Chancenprofile der Bundesländer haben sich zwischen den Schuljahren
2009/10 und 2011/12 kaum verändert. Besonders bedeutsam im Sinne der Methode
des Gruppenvergleichs im Chancenspiegel (vgl. Informationen zu den Chancenpro-
filen der Länder in der Hauptpublikation) wäre nur der Wechsel eines Bundeslandes
in einer der vier Dimensionen von der oberen Gruppe in die untere Gruppe oder
umgekehrt. Dazu ist es aber im Berichtszeitraum nicht gekommen. Allerdings sind
mehr oder weniger relevante Veränderungen in Bezug auf einzelne Indikatoren des
Chancenspiegels festzustellen. Diese werden im Folgenden beleuchtet.
	
2	 Die Implikationen der stärkeren Berücksichtigung der Leistungsstreuung für die Dimension
der Kompetenzförderung in der Gesamtbetrachtung werden in der ausführlichen Publika-
tion zum Chancenspiegel näher beleuchtet. Infolge des Einbezugs des Leistungsstreuungs-
indikators ergeben sich in dieser Dimension auch andere Zuordnungen zu den Ländergrup-
pen (siehe Hauptpublikation).
11
II Die Bildungschancen für die Schüler in
Deutschland verbessern sich leicht	
Der Chancenspiegel ermöglicht einen Blick auf erste Entwicklungstendenzen in der
Chancengerechtigkeit der Schulsysteme in Deutschland über einen Zeitraum von
drei Schuljahren (Schuljahr 2009/10 bis 2011/12). Dieser relativ kurze Betrachtungs-
zeitraum kann sicher keine grundlegenden Veränderungen innerhalb der Schulsys-
teme aufzeigen. Dennoch liefert der Vergleich Anhaltspunkte für die Annahme,
dass sich die Chancen in Bezug auf den Erwerb von Schulabschlüssen sowie auf die
Integrationskraft und Durchlässigkeit des Schulwesens zumindest teilweise positiv
entwickelt haben.
1. Die Chancen auf höhere Schulabschlüsse in Deutschland steigen:
Immer weniger Schüler verlassen die Schule ohne Abschluss,
immer mehr Schüler erwerben die Hochschulreife.
Anteil der Abgänger ohne Hauptschulabschluss an der gleichaltrigen
Wohnbevölkerung, 2009 und 2011, in Prozent
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
2009
2011 6,2
6,9
Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 11, Reihe 1, 2011/2012; Statistisches Bundesamt und Statistische Landesämter:
Bevölkerungsstatistik; eigene Berechnungen
12
Die Bildungschancen für die Schüler in Deutschland verbessern sich leicht	
Eine der positiven Tendenzen, die der Chancenspiegel feststellen kann, ist die Tatsa-
che, dass immer weniger Schüler die Schule ohne Abschluss verlassen. So sinkt der
Anteil der Schulabgänger ohne Abschluss um 0,7 Prozentpunkte von bundesweit
6,9 auf 6,2 Prozent, was einem absoluten Rückgang von rund 8.800 Abgängern ent-
spricht.
Zugleich ist festzustellen, dass der Anteil an Absolventen mit Hochschulreife in
Deutschland nie höher gewesen ist als jetzt. Bundesweit erwerben 453.774 Absol-
venten der allgemeinbildenden und beruflichen Schulen eine Hochschulzugangs-
berechtigung (allgemeine Hochschulreife oder Fachhochschulreife). Im Vergleich
zum Abschlussjahr 2009 steigt der Anteil der Absolventen mit Hochschulreife um
4,4 Prozentpunkte; absolut besehen sind dies 7.641 Schüler mit erworbener Hoch-
schulzugangsberechtigung mehr.
2. Die Schulsysteme in Deutschland integrieren etwas besser:
Das Risiko, eine Förderschule zu besuchen, sinkt, die Chance auf Besuch
einer Ganztagsschule steigt.
Bei der Integrationskraft des Schulwesens sind ebenfalls einige positive Tendenzen
festzustellen. Beim gemeinsamen Lernen gibt es Fortschritte: Die Inklusionsanteile
nehmen im Bundesdurchschnitt um fast fünf Prozentpunkte zu, sodass mittler-
weile ein Viertel der Kinder mit besonderem Förderbedarf im Regelschulsystem
unterrichtet wird. Auch die Zahl der Schüler, die separat in Förderschulen unter-
richtet werden, ist rückläufig, wenn auch nur in sehr geringem Maße: Immer noch
bleiben bundesweit durchschnittlich 4,8 Prozent aller Schüler vom Regelschulbe-
such ausgeschlossen. Im Berichtsjahr 2009 lag die Exklusionsquote bei 5,0 Prozent;
die Quote ist also in drei Jahren um lediglich 0,2 Prozentpunkte gesunken.
Anteil der Absolventen mit Hochschulreife an der gleichaltrigen Wohnbevölkerung
aus den allgemeinbildenden und beruflichen Schulen, 2009 und 2011, in Prozent
0 10 20 30 40 50 60
51,1
46,72009
2011
Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 11, Reihe 1, 2011/2012; Statistisches Bundesamt und Statistische
Landesämter: Bevölkerungsstatistik; eigene Berechnungen
13
Die Schulsysteme in Deutschland integrieren etwas besser
Anteil der Schüler mit besonderem Förderbedarf, die gesondert in Förderschulen
unterrichtet werden, an allen Schülern, Schuljahre 2009/10 und 2011/12, in Prozent
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
2009/10
2011/12 4,8
5,0
Schüler der Jahrgangsstufe 1 bis 10
Angaben in Prozent
Quelle: KMK: Sonderpädagogische Förderung in allgemeinen Schulen 2011/2012; Sonderpädagogische Förderung
in Förderschulen 2011/2012; KMK: Schüler, Klassen, Lehrer und Absolventen der Schulen 2002 bis 2011; eigene
­Berechnungen
Positiv ist auch die Veränderung im schulischen Ganztag: Immer mehr Schüler
haben Zugang zu einer Ganztagsschule. Hier konnte sich der Vergleich nur auf
zwei Jahre beziehen, da die Daten des Schuljahres 2011/12 für die Auswertung im
Chancenspiegel zu spät vorlagen. Innerhalb dieses Zeitraums ist der Anteil von
Ganztagsschülern um 1,2 Prozentpunkte gestiegen. Der Anstieg erscheint moderat,
ist aber angesichts des kurzen Betrachtungszeitraums bemerkenswert. Für 2011/12
ist aufgrund der anhaltenden Bemühungen der Bundesländer um den Ausbau der
Ganztagsangebote mit einer weiteren Steigerung zu rechnen.
Anteil der Schüler im Ganztagsbetrieb an allen Schülern, Primarstufe und
Sekundarstufe I, 2009 und 2010, in Prozent
2009
2010 28,1
26,9
0 10 20 30 40
Schüler der Jahrgangsstufe 1 bis 10
Angaben in Prozent
Quelle: KMK: Allgemeinbildende Schulen in Ganztagsform in den Ländern in der Bundesrepublik Deutschland 2006–2010;
KMK: Schüler, Klassen, Lehrer und Absolventen der Schulen 2001 bis 2010; eigene Berechnungen
14
Die Bildungschancen für die Schüler in Deutschland verbessern sich leicht	
3. Die Schulsysteme in Deutschland werden nur geringfügig durchlässiger:
Die Anteile des Übergangs auf das Gymnasium und des Aufstiegs in eine
höhere Schulart verändern sich kaum, aber das Risiko von Klassenwieder­
holungen geht zurück.
Bei der Durchlässigkeit der Schulsysteme in Deutschland gibt es keine großen Ver-
änderungen. Vergleicht man die aktuelle Verteilung der Fünftklässler auf die Schul-
arten mit der Verteilung im Schuljahr 2009/10, so spiegelt sich hier bereits tenden-
ziell die aktuelle Umstrukturierung des Sekundarbereichs: Neben sinkenden Schü-
lerzahlen der Hauptschule verzeichnen Schularten mit mehreren Bildungsgängen
zunehmend mehr Schüler. Dennoch ist das Gymnasium mit 42,1 Prozent weiterhin
die Schulart, die im Anschluss an die Primarstufe am stärksten frequentiert wird.
Im Schuljahr 2011/12 wechseln insgesamt 306.425 Schüler von der Grundschule
aufs Gymnasium. Im Vergleich zum Jahr 2009 ist der Anteil der Fünftklässler, die
zum Gymnasium übergehen, damit um 0,4 Prozentpunkte leicht gestiegen.
Anteil der Fünftklässler, die nach der Grundschule auf ein Gymnasium übergingen,
Schuljahre 2009/10 und 2011/12, in Prozent
0 10 20 30 40 50
2009/10
2011/12 42,1
41,7
Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 11, Reihe 1, 2011/2012; eigene Berechnungen
Auch das Verhältnis von Aufwärts- zu Abwärtswechseln der Schüler in den Jahr-
gangsstufen 7 bis 9 bleibt im Vergleich zum Jahr 2009 nahezu konstant: Bundesweit
kommen auf einen Wechsel von einer niedrigeren zu einer höheren Schulart durch-
schnittlich 4,2 Wechsel von einer höheren zu einer niedrigeren Schulart. Im letzten
Berichtszeitraum lag das Verhältnis bei 1 zu 4,3 – es hat sich demnach leicht zu-
gunsten der Aufstiegswechsel verbessert. Auf einen Aufstiegswechsel kommen
demnach nun geringfügig weniger Abwärtswechsel, nach wie vor gibt es aber in
keinem Land ein ausgewogenes Verhältnis, geschweige denn mehr Aufstiegswech-
sel.
15
Die Schulsysteme in Deutschland werden nur geringfügig durchlässiger
Verhältnis von Aufwärts- zu Abwärtswechseln der Schüler in den
Jahrgangsstufen 7 bis 9, Schuljahre 2009/10 und 2011/12
0 1 2 3 4 5 6
2009/10
2011/12 4,2
4,3
Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 11, Reihe 1, 2011/2012; eigene Berechnungen
Wie steht es um das Risiko, eine Klasse wiederholen zu müssen? Im Schuljahr
2011/12 wiederholen bundesweit 142.018 Schüler in der Sekundarstufe eine Klasse.
Dies entspricht einem Anteil von 2,7 Prozent aller Schüler im Bereich der Sekun-
darstufe I und II. Im Vergleich zum Jahr 2009 ist damit bundesweit ein Rückgang
der Wiederholerquote um 0,2 Prozentpunkte zu verzeichnen.
Die Chancen junger Menschen mit höchstens einem Hauptschulabschluss, in
ein Ausbildungsverhältnis einzutreten, haben sich im Beobachtungszeitraum ge-
ringfügig verschlechtert. Im Jahr 2011 mündeten bundesweit 169.006 Neuzugänge
mit maximal Hauptschulabschluss neu in das Duale System ein. Dies entspricht
einem Anteil von 40,9 Prozent an allen Neuzugängen mit maximal Hauptschulab-
schluss im Berufsbildungssystem. Im Jahr 2009 waren es noch 41,5 Prozent.
Anteil der Wiederholer in der Sekundarstufe der Regelschulen an allen Schülern in
der Sekundarstufe, Schuljahre 2009/10 und 2011/12, in Prozent
0 1 2 3 4 5
2009/10
2011/12 2,7
2,9
Angaben in Prozent
Sekundarstufe als Zusammenfassung von Sekundarstufe I und II
Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 11, Reihe 1, 2011/2012; eigene Berechnungen
16
Die Bildungschancen für die Schüler in Deutschland verbessern sich leicht	
Neuzugänge im Dualen System mit maximal Hauptschulabschluss an allen
Neuzugängen mit maximal Hauptschulabschluss, 2009 und 2011, in Prozent
0 10 20 30 40 50
2009
2011 40,9
41,5
Angaben in Prozent
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder: Anzahl Neuzugänge verteilt auf die drei Sektoren des beruflichen
Ausbildungssystems im Jahr 2011; eigene Berechnungen
4. Im Grundschulbereich hängt der Bildungserfolg bei relativ konstanter
Leistung – wie im Sekundarbereich – stark von der sozialen Herkunft ab.
Betrachtet man die Leistungsentwicklung im Grundschulbereich im Licht der
IGLU-Studien, so zeigt sich eine Konstanz: Mit einem Mittelwert im Leseverständ-
nis von 541 Punkten erreichten die untersuchten Schüler aus deutschen Schulen
bei IGLU 2011 in etwa dieselben Ergebnisse wie 2001 und 2006.
Allerdings gibt es weiterhin eine ausgeprägte Abhängigkeit zwischen Bildungs-
erfolg und Herkunft. Das belegt auch die Überprüfung der Bildungsstandards im
Primarbereich, die im aktuellen Chancenspiegel für die Dimension Kompetenzför-
derung herangezogen wurde, da die IGLU-Daten von 2011 nur für Deutschland ins-
gesamt, nicht aber für die einzelnen Bundesländer vorliegen.
Bei Kindern aus Familien höherer Sozialschichten lässt sich bei der Lesekompe-
tenz bundesweit ein durchschnittlicher Vorsprung vor Kindern aus Familien nied-
rigerer Sozialschichten von 81 Punkten messen. Das entspricht einem Leistungs-
vorsprung von etwa einem Schuljahr. Ein Vergleich mit dem ersten Chancenspiegel
ist in der Dimension der Kompetenzförderung nicht möglich, weil dieser sich –
­neben den IGLU-Daten für 2006, die noch Ergebnisse für die Bundesländer auswie-
sen – auf die Überprüfung der Bildungsstandards im Sekundarbereich bezog. In
beiden Bereichen ist aber der nach wie vor existente Zusammenhang zwischen Bil-
dungserfolg und Herkunft in Deutschland festzustellen.
17
III Die Bildungschancen sind in den Bundesländern
noch immer sehr unterschiedlich verteilt
Ein Befund des ersten Chancenspiegels war, dass die Länder ihren Schülern sehr
unterschiedliche »Chancenmilieus« bieten. Nach wie vor bestehen erhebliche Diffe-
renzen zwischen den Ländern. Diese Unterschiede in der Verteilung von Chancen
werden anhand ausgewählter Indikatoren des Chancenspiegels in den vier Gerech-
tigkeitsdimensionen Integrationskraft, Durchlässigkeit, Kompetenzförderung und Zer-
tifikatsvergabe ausführlicher in den Blick genommen.
1. Die Integrationskraft der Schulsysteme ist in den nördlichen Bundesländern
und in Rheinland-Pfalz stärker ausgeprägt.
Die Dimension »Integrationskraft« gibt Auskunft darüber, welche Chancen Kinder
und Jugendliche haben, in eine Regelschule zu gehen und ein Ganztagsangebot
wahrzunehmen. Die Dimension zielt damit auf die systemische und soziale Integ-
ration der Schüler: Chancengerechte Schulsysteme fördern den Regelschulbesuch
und versuchen, so wenig Schüler wie möglich durch separate Beschulung auf einer
Förderschule auszuschließen. Zudem ermöglichen sie durch den schulischen
Ganztag, zusätzliche zeitliche Lernangebote bereitzustellen.
Die Ergebnisse im Einzelnen
Förderquoten in Deutschland: In ostdeutschen Ländern wird bei Schülern deutlich mehr
Förderbedarf festgestellt als in westdeutschen Bundesländern.
Im Schuljahr 2011/12 befanden sich in den Jahrgangsstufen 1 bis 10 insgesamt
487.718 Schüler mit besonderem Förderbedarf in Regel- und Förderschulen. Dies
18
Nach wie vor unterschiedliche Bildungschancen in den Bundesländern
entspricht einem Anteil von 6,4 Prozent an allen Schülern im allgemeinbildenden
Schulsystem. Die Diagnose des Förderbedarfs stellt sich in den Ländern sehr unter-
schiedlich dar: Während die obere Gruppe bzw. die vier Bundesländer mit den nied-
rigsten Förderquoten eine im Vergleich eher geringe durchschnittliche Quote von
5,1 Prozent aufweisen, liegt der Anteil der Kinder und Jugendlichen mit diagnos­
tiziertem Förderbedarf in der unteren Gruppe bzw. den vier Bundesländern mit
den höchsten Quoten bei durchschnittlich 9,0 Prozent. Zudem weisen die Werte
der unteren Gruppe eine relativ hohe Streuung auf – sie liegen zwischen 8,4 und
10,9 Prozent. Die Differenzen zwischen den Ländern können unter anderem auf die
je unterschiedliche Diagnosepraxis zurückgeführt werden.
Die Zuschreibung von Förderbedarf ist nicht per se problematisch. Da allerdings
immer noch drei Viertel der Förderschüler in Deutschland nicht inklusiv beschult
werden, erhöht sich für den betroffenen Schüler das Risiko, vom Regelschulbesuch
ausgeschlossen zu werden und die Schule im ungünstigsten Fall ohne Hauptschul-
abschluss zu verlassen.
Anteil der Schüler mit besonderem Förderbedarf an allen Schülern im
allgemeinbildenden Schulsystem, Schuljahr 2011/12 (Förderquote)
Länder mit niedrigeren
Förderquoten
Hessen
Niedersachsen
Rheinland-Pfalz
Schleswig-Holstein
Länder mit mittleren
Förderquoten
Baden-Württemberg
Bayern
Berlin
Bremen
Hamburg
Nordrhein-Westfalen
Saarland
Thüringen
Länder mit höheren
Förderquoten
Brandenburg
Mecklenburg-Vorpommern
Sachsen
Sachsen-Anhalt
Förderquote
5,1
6,6
9,0
0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 5,0 5,5 6,0 6,5 7,0 7,5 8,0 8,5 9,0 9,5 10,0 10,5 11,0
Schüler der Jahrgangsstufen 1 bis 10
Angaben in Prozent
Quellen: KMK: Sonderpädagogische Förderung in allgemeinen Schulen 2011/2012; Sonderpädagogische Förderung in För-
derschulen 2011/2012; KMK: Schüler, Klassen, Lehrer und Absolventen der Schulen 2002 bis 2011; eigene Berechnungen
19
Die Integrationskraft der Schulsysteme ist unterschiedlich ausgeprägt
In der unteren Gruppe finden sich, analog zum letzten Berichtsjahr, ausschließlich
ostdeutsche Länder. Im Osten werden demnach weiterhin anteilig mehr Kinder und
Jugendliche als Förderschüler eingestuft als im Westen.
Exklusionsquoten in Deutschland: In Berlin, Bremen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-­
Holstein ist das Risiko, eine Förderschule zu besuchen, am geringsten.
Der Anteil der Schüler mit besonderem Förderbedarf, der gesondert in Förder­
schulen unterrichtet wird, ist bundesweit in den letzten Jahren zwar von 5,0 auf
4,8 Prozent zurückgegangen; mit Blick auf die Schulsysteme in den Bundesländern
zeigt sich aber, dass der Anteil der abseits des Regelschulsystems in Förderschulen
unterrichteten Schüler in einigen Ländern sogar bei über 7 Prozent liegt. In der
Anteil der Schüler mit besonderem Förderbedarf, die gesondert in Förderschulen
unterrichtet werden, an allen Schülern, Schuljahr 2011/12 (Exklusionsquote)
Länder mit niedrigeren
Exklusionsquoten
Berlin
Bremen
Rheinland-Pfalz
Schleswig-Holstein
Länder mit mittleren
Exklusionsquoten
Baden-Württemberg
Bayern
Brandenburg
Hamburg
Hessen
Niedersachsen
Saarland
Thüringen
Länder mit höheren
Exklusionsquoten
Mecklenburg-Vorpommern
Nordrhein-Westfalen
Sachsen
Sachsen-Anhalt
Exklusionsquote
3,5
4,7
5,7
0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 5,0 5,5 6,0 6,5 7,0 7,5 8,0
Schüler der Jahrgangsstufen 1 bis 10
Angaben in Prozent
Quelle: KMK: Sonderpädagogische Förderung in allgemeinen Schulen 2011/2012; Sonderpädagogische ­Förderung in
­Förderschulen 2011/2012; KMK: Schüler, Klassen, Lehrer und Absolventen der Schulen 2002 bis 2011;
eigene Berechnungen
20
Nach wie vor unterschiedliche Bildungschancen in den Bundesländern
oberen Gruppe bzw. den vier Ländern mit den vergleichsweise niedrigsten Exklusi-
onsquoten werden durchschnittlich nur halb so viel, nämlich 3,5 Prozent der Schü-
ler, gesondert in Förderschulen unterrichtet wie in einzelnen Ländern der unteren
Gruppe.
Tendenziell werden Schüler mit besonderem Förderbedarf im Osten Deutsch-
lands eher separat unterrichtet als im Westen. Die östlichen Bundesländer mit den
zumeist höheren Exklusionsquoten konnten aber im Berichtszeitraum den Aus-
schluss aus der Regelschule deutlich verringern: Der Anteil der Förderschüler
sank etwa in Mecklenburg-Vorpommern von 8,9 Prozent im Schuljahr 2009/10 auf
7,6 Prozent im Schuljahr 2011/12 oder in Sachsen-Anhalt von 8,3 auf 7,5 Prozent.
Die Chancen, eine Ganztagsschule zu besuchen, sind in den Stadtstaaten und im Osten
höher als im Süden Deutschlands.
Anteil der Schüler im Ganztagsbetrieb an allen Schülern, Primarstufe und
Sekundarstufe I, 2010
Länder mit höheren Anteilen
an Ganztagsschülern
Berlin
Hamburg
Sachsen
Thüringen
Länder mit mittleren
Anteilen an Ganztagsschülern
Brandenburg
Bremen
Hessen
Mecklenburg-Vorpommern
Niedersachsen
Nordrhein-Westfalen
Sachsen-Anhalt
Schleswig-Holstein
Länder mit niedrigeren
Anteilen an Ganztagsschülern
Baden-Württemberg
Bayern
Rheinland-Pfalz
Saarland
Anteil der Ganztagsschüler
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75
58,4
31,2
14,2
Angaben in Prozent
Quelle: KMK: Allgemeinbildende Schulen in Ganztagsform in den Ländern in der Bundesrepublik Deutschland 2006–2010;
KMK: Schüler, Klassen, Lehrer und Absolventen der Schulen 2001 bis 2010; eigene Berechnungen
21
Durchlässiger sind die Schulsysteme in den östlichen Bundesländern und in Hamburg
Der vermehrte Ausbau ganztagsschulischer Angebote der letzten Jahre setzt sich
fort. So sind im Jahr 2010 in der Primarstufe und der Sekundarstufe I bundesweit
über die Hälfte aller Schulen in Ganztagsform organisiert. Zugleich nutzen die
Schüler dieses Angebot häufiger: Insgesamt sind 28,1 Prozent aller Schüler der Pri-
mar- und Sekundarstufe I Ganztagsschüler. Der Blick in die Bundesländer offen-
bart, dass die Angebote sehr unterschiedlich genutzt werden: So liegt der Mittelwert
der oberen Gruppe bei 58,4 Prozent Schüler im Ganztagsbetrieb, während der Wert
der unteren Ländergruppe mit 14,2 Prozent knapp 45 Prozentpunkte unter dem
Mittelwert der erfolgreicheren Länder liegt.
Im Vergleich zum Jahr 2009 haben sich in allen drei Ländergruppen die durch-
schnittlichen Werte der Anteile von Schülern im Ganztag an allen Schülern erhöht.
Wie im letzten Berichtsjahr besuchen in den Stadtstaaten sowie in den östlichen
Ländern vermehrt Schüler den Ganztag, während die Beteiligung im Süden
Deutschlands deutlich weniger ausgeprägt ist.
2. Durchlässiger sind die Schulsysteme in den östlichen Bundesländern
und in Hamburg.
Die Dimension »Durchlässigkeit« informiert darüber, inwiefern die Schulsysteme
den Schülern Zugangsmöglichkeiten zu und Übergangsmöglichkeiten zwischen
den verschiedenen Schulstufen und Schularten gewähren. Konkret geht es um Auf-
und Abwärtsbewegungen sowie um Anschlüsse und Übergänge. Um zu schauen,
wie durchlässig ein Schulsystem ist, werden etwa der Übergang auf das Gymna-
sium und die Wechsel auf höhere oder niedrigere Schularten in den Blick genom-
men. Ebenso werden das Risiko einer Klassenwiederholung und die gewährten An-
schlussmöglichkeiten der Schulsysteme betrachtet.
In jedem der hier betrachteten Schulsysteme sind Selektionsmechanismen be-
sonders an den Übergangsschwellen zu beobachten. Wenn es diese Mechanismen
gibt, muss dafür gesorgt werden, dass sie so fair wie möglich erfolgen, beispiels-
weise unabhängig vom sozialen Hintergrund der Schüler.
Die Ergebnisse im Einzelnen
Während in Berlin, Brandenburg, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern durchschnitt-
lich etwa jeder zweite Schüler nach der Grundschule auf ein Gymnasium übergeht, wech-
seln in Bayern, Baden-Württemberg, Bremen und Schleswig-Holstein durchschnittlich
40 Prozent eines Jahrgangs auf das Gymnasium.
Im Schuljahr 2011/12 wechseln insgesamt 727.312 Schüler von der Grundschule in
die weiterführende Schule. Dabei verzeichnet der Übergang auf das Gymnasium
22
Nach wie vor unterschiedliche Bildungschancen in den Bundesländern
mit bundesweit gut 42 Prozent den größten Anteil gegenüber anderen weiterführen-
den Schularten.
Vergleicht man die Übergangsanteile einzelner Bundesländer, zeigen sich sehr
unterschiedliche Anteile im Übergang von der Grundschule auf das Gymnasium –
also der Schulart, die in allen 16 Bundesländern zum Abitur führt. Während in der
oberen Gruppe knapp die Hälfte aller Kinder auf das Gymnasium übergeht, gelingt
dies in der unteren Ländergruppe um zehn Prozentpunkte weniger Schülern. Die
Stadtstaaten stechen beim Vergleich besonders heraus: In Hamburg und Berlin ge-
lingt der Übergang mehr als der Hälfte aller Schüler, Bremen dagegen erreicht ei-
nen Tiefstwert von 27,2 Prozent. Im letzten Berichtsjahr wechselten in Bremen
noch 41,6 Prozent der Schüler von der Grundschule auf das Gymnasium. Hier
Anteil der Fünftklässler, die nach der Grundschule auf ein ­Gymnasium übergingen,
Schuljahr 2011/12
Länder mit höheren Anteilen
des Übergangs zum Gymnasium
Berlin*
Brandenburg*
Hamburg
Mecklenburg-Vorpommern*
Länder mit mittleren Anteilen
des Übergangs zum Gymnasium
Hessen
Niedersachsen
Nordrhein-Westfalen
Rheinland-Pfalz
Saarland
Sachsen
Sachsen-Anhalt
Thüringen
Länder mit niedrigeren Anteilen
des Übergangs zum Gymnasium
Baden-Württemberg
Bayern
Bremen
Schleswig-Holstein
49,6
Anteile Übergang zum Gymnasium
42,3
39,6
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55
* In Berlin und Brandenburg werden neben den Übergängen aus der 6-jährigen Grundschule auch die Übergänge von Jahr-
gangsstufe 6 in Jahrgangsstufe 7 des Gymnasiums einbezogen, also jene Schüler, deren Übergang bereits zwei Jahre zuvor
(in Jahrgangsstufe 5) auf ein grundständiges Gymnasium erfolgte. Besonderheiten wurden auch in Mecklenburg-Vorpom-
mern berücksichtigt: Dort besuchen die Schülerinnen und Schüler seit 2006/07 die Jahrgangsstufen 5 und 6 als Orientie-
rungsstufe (vorwiegend an Schulen mit mehreren Bildungsgängen). Betrachtet werden daher in Jahrgangsstufe 7 die Über-
gänge aus dieser Schulart. Dazu kommen diejenigen Schüler, die sich in Jahrgangsstufe 7 an Sport- und Musikgymnasien
oder integrierten Gesamtschulen befinden (hier erfolgte der Übergang in die Sekundarschulart bereits in Jahrgangsstufe 5)
(vgl. zu diesem Vorgehen: Nationaler Bildungsbericht 2012, Tab. D1-2A).
Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 11, Reihe 1, 2011/2012; eigene Berechnungen
23
Durchlässiger sind die Schulsysteme in den östlichen Bundesländern und in Hamburg
könnte der Schwund mit der Einführung der Oberschule als neuer Schulart zu er-
klären sein, die ebenfalls den Weg zum Abitur ermöglicht.
Dieser Befund zeigt exemplarisch, dass es zukünftig schwierig sein wird, die
Durchlässigkeit der Schulsysteme anhand des Gymnasialübergangs abzubilden, da
sich viele Länder in Richtung Zweigliedrigkeit bewegen. Die vermehrte Entkopp-
lung von Schulart und Schulabschluss durch neu etablierte Schularten lässt nicht
mehr zwangsläufig einen Rückschluss von besuchter Schulart auf den wahrschein-
lich zu erwerbenden Abschluss zu.
Schulartwechsler in Deutschland: Das Risiko, in der Mittelstufe in eine niedrigere Schulart
wechseln zu müssen, ist im Durchschnitt in Berlin, Bremen, Hessen und Niedersachsen
viermal so hoch wie in Baden-Württemberg, Brandenburg, Hamburg und Mecklenburg-
Vorpommern.
Alle 16 Schulsysteme in Deutschland sehen die Möglichkeit eines Schulartwechsels
innerhalb der Sekundarstufe vor, der zumeist auf Basis der schulischen Leistung
erfolgt. Generell gibt es kein Bundesland, das mehr Aufwärts- als Abwärtswechsel
verzeichnet. Betrachtet man die Schulwechsel in den Ländern, können sehr unter-
Verhältnis von Aufwärts- zu Abwärtswechseln der Schüler in den Jahrgangsstufen
7 bis 9 im Schuljahr 2011/12
Länder mit niedrigeren
Verhältniswerten
Baden-Württemberg
Brandenburg
Hamburg
Mecklenburg-Vorpommern
Länder mit mittleren
Verhältniswerten
Bayern
Nordrhein-Westfalen
Rheinland-Pfalz
Saarland
Sachsen
Sachsen-Anhalt
Schleswig-Holstein
Thüringen
Länder mit höheren
Verhältniswerten
Berlin
Bremen
Hessen
Niedersachsen
Durchschnittliche Anzahl der Abwärtswechsel im Verhältnis zu einem Aufwärtswechsel
2,2
3,8
9,1
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 11, Reihe 1, 2011/2012; eigene Berechnungen
24
Nach wie vor unterschiedliche Bildungschancen in den Bundesländern
schiedliche Aufwärts-Abwärtswechsel-Verhältnisse beobachtet werden: Das Risiko
eines Abwärtswechsels ist in den vier Bundesländern der unteren Gruppe mit den
vergleichsweise meisten Abwärtswechseln im Verhältnis zu den Aufwärtswechseln
mit einem Durchschnittswert von einem Aufwärts- zu rund neun Abwärtswech-
seln mehr als viermal so hoch wie in den Ländern der oberen Gruppe: Hier kom-
men auf einen Aufwärtswechsel durchschnittlich 2,2 Abwärtswechsel.
Klassenwiederholungen in Deutschland: Das Risiko des Sitzenbleibens ist in der Gruppe
der Länder mit den höchsten Wiederholeranteilen im Durchschnitt doppelt so hoch wie in
der Gruppe der Länder mit den niedrigsten Wiederholeranteilen.
Das Wiederholen einer Klasse wird hierzulande zunehmend kritisch gesehen und
die pädagogische Wirksamkeit dieser Maßnahme infrage gestellt. Alle Bundeslän-
Anteil der Wiederholer in der Sekundarstufe der Regelschulen an allen Schülern
der Sekundarstufe (Schuljahr 2011/12)
Länder mit niedrigeren
Wiederholerquoten
Baden-Württemberg
Brandenburg
Sachsen
Schleswig-Holstein
Thüringen
Länder mit mittleren
Wiederholerquoten
Hamburg
Nordrhein-Westfalen
Rheinland-Pfalz
Saarland
Sachsen-Anhalt
Länder mit höheren
Wiederholerquoten
Bayern
Berlin
Bremen
Hessen
Mecklenburg-Vorpommern
Niedersachsen
Wiederholerquote
1,6
2,3
3,6
0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5
Sekundarstufe als Zusammenfassung von Sekundarstufe I und II
Angaben in Prozent
Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 11, Reihe 1, 2011/2012; eigene Berechnungen
25
Durchlässiger sind die Schulsysteme in den östlichen Bundesländern und in Hamburg
der bemühen sich mittlerweile darum, die Quote der Klassenwiederholungen zu
reduzieren. Trotz dieser Bemühungen wiederholen im Schuljahr 2011/12 bundes-
weit 142.018 Schüler in der Sekundarstufe eine Klasse. Dies entspricht einem Anteil
von 2,7 Prozent aller Schüler im Bereich der Sekundarstufe I und II.
Dass Klassenwiederholungen in der Praxis der Bundesländer sehr unterschied-
lich angewendet werden, zeigen die stark abweichenden Gruppenwerte: In der obe-
ren Gruppe der Bundesländer mit niedrigen Wiederholerquoten, zu der Baden-
Württemberg, Brandenburg, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen gehören,
wiederholen durchschnittlich 1,6 Prozent der Sekundarstufenschüler eine Klasse;
dagegen trifft dieses Los 3,6 Prozent der Schüler in der unteren Gruppe mit höheren
Wiederholerquoten, zu der Bayern, Berlin, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpom-
mern und Niedersachsen gehören.
Neuzugänge im Dualen System mit maximal Hauptschulabschluss an allen Neuzu­
gängen mit maximal Hauptschulabschluss, 2011
Länder mit höheren Anteilen
an Neuzugängen mit
max. Hauptschulabschluss
Bayern
Brandenburg
Mecklenburg-Vorpommern
Sachsen
Länder mit mittleren
Anteilen an Neuzugängen mit
max. Hauptschulabschluss
Berlin
Bremen
Hamburg
Hessen
Rheinland-Pfalz
Saarland
Thüringen
Länder mit niedrigeren
Anteilen an Neuzugängen mit
max. Hauptschulabschluss
Baden-Württemberg
Niedersachsen
Nordrhein-Westfalen
Sachsen-Anhalt
Schleswig-Holstein
Anteil Neuzugänge im Dualen System mit max. Hauptschulabschluss
51,2
41,4
37,2
0 2,5 5,0 7,5 10,0 12,5 15,0 17,5 20,0 22,5 25,0 27,5 30,0 32,5 35,0 37,5 40,0 42,5 45,0 47,5 50,0 52,5 55,0 57,5 60,0
Angaben in Prozent
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder: Anzahl Neuzugänge verteilt auf die drei Sektoren des beruflichen
Ausbildungssystems im Jahr 2011; eigene Berechnungen
26
Nach wie vor unterschiedliche Bildungschancen in den Bundesländern
Übergänge in das Duale System im Bundesländervergleich: Bayern, Brandenburg, Meck-
lenburg-Vorpommern und Sachsen bieten Schülern mit maximal Hauptschulabschluss ver-
gleichsweise bessere Chancen, einen Ausbildungsplatz zu erhalten.
Das Berufsbildungssystem in Deutschland lässt sich in die drei Sektoren Duales
System, Schulberufssystem und Übergangssystem gliedern. Der Besuch des ­Dualen
Systems als beruflich qualifizierendes Angebot im berufsbildenden Sektor ver-
spricht mit die größten Chancen auf einen späteren Arbeitsplatz. Somit ist der faire
Zugang zum Dualen System bedeutsam. Es zeigt sich jedoch eine deutliche Be-
nachteiligung gering qualifizierter Schüler ohne oder mit maximal Hauptschulab-
schluss gegenüber höher Qualifizierten.
Bundesweit münden 169.006 Neuzugänge mit maximal Hauptschulabschluss
neu in das Duale System ein. Dies entspricht einem Anteil von 40,9 Prozent an allen
Neuzugängen im Berufsbildungssystem mit maximal Hauptschulabschluss. Wäh-
rend die durchschnittliche Chance in Bayern sowie in den drei ostdeutschen Län-
dern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen mit 51,2 Prozent am
höchsten ist, gelingt dies nur 37,2 Prozent der Neuzugänge mit maximal Haupt-
schulabschluss in den Ländern der unteren Gruppe, zu der Baden-Württemberg,
Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein ge-
hören. Bei der Interpretation dieser Ergebnisse fallen neben schulischen besonders
auch demographische Aspekte und die aktuelle wirtschaftliche Lage des jeweiligen
Bundeslandes ins Gewicht.
Im Vergleich zum Jahr 2009 geht der Anteil der Neuzugänge im Dualen System
mit maximal Hauptschulabschluss bundesweit sogar um 0,6 Prozentpunkte zu-
rück. Die Aussichten der Schüler mit maximal Hauptschulabschluss, in eine Aus-
bildung einzumünden, haben sich also eher noch etwas verschlechtert.
3. Kompetenzen werden im Osten und im Süden besser gefördert.
Wie gut gelingt es den Schulsystemen, die Lesekompetenzen der Schüler zu fördern –
angemessen und ungeachtet ihres sozioökonomischen und ethnischen Hintergrunds?
Darüber gibt die Dimension »Kompetenzförderung« Auskunft. Die herangezogenen
Schulleistungsdaten aus den Untersuchungen zu den Bildungsstandards geben die
Kompetenzstände für den Primarbereich (Viertklässler) im Jahr 2011 wieder.
Die Lesekompetenz wird stellvertretend für alle Kompetenzen untersucht, da ihr
eine Schlüsselrolle zugeschrieben wird: Sie ist auch für den Erwerb anderer Kompe-
tenzen zentral und gilt als Grundvoraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe.
Schwächen in der Lesekompetenz können zu Bildungsungleichheit und materieller
Ungleichheit führen.
Zu den untersuchten Indikatoren innerhalb dieser Dimension gehören die Lese-
kompetenzen der Viertklässler in den Ländern sowie die Unterschiede zwischen
27
Kompetenzen werden im Osten und im Süden besser gefördert
den stärksten und schwächsten Schülern. Ein neu hinzugenommener Indikator im
Chancenspiegel 2013 ist die Leistungsstreuung um den Ländermittelwert. Dieser
Indikator drückt aus, inwiefern die jeweiligen Schulsysteme alle ihre Schüler errei-
chen. Außerdem wird sichtbar, inwiefern es den Ländern gelingt, sowohl hohe Leis-
tungsmittelwerte als auch geringe Streuungen zu erreichen.
Die Ergebnisse im Einzelnen
Lesekompetenz in der Primarstufe: Die Schüler in den Stadtstaaten bleiben etwa ein hal-
bes Jahr hinter den Schülern in Bayern sowie in den drei ostdeutschen Ländern Sachsen,
Sachsen-Anhalt und Thüringen zurück.
Der Blick in die Bundesländer offenbart eine ausgeprägte Leistungsheterogenität
der Schulsysteme. Der nationale Mittelwert bezogen auf die Lesekompetenz liegt
bei 500 Leistungspunkten. Die Länder der oberen Gruppe, zu der Bayern, Sachsen,
Erreichte Mittelwerte in der Lesekompetenz von Schülern der ­Klasse 4 in den
Untersuchungen zu den Bildungsstandards, 2011
Länder mit höheren
Kompetenzwerten
Bayern
Sachsen
Sachsen-Anhalt
Thüringen
Länder mit mittleren
Kompetenzwerten
Baden-Württemberg
Brandenburg
Mecklenburg-Vorpommern
Niedersachsen
Nordrhein-Westfalen
Saarland
Schleswig-Holstein
Länder mit niedrigeren
Kompetenzwerten
Berlin
Bremen
Hamburg
Hessen
Rheinland-Pfalz
Lesekompetenzpunkte
512
498
479
450 455 460 465 470 475 480 485 490 495 500 505 510 515 520
Quelle: Stanat et al. 2012; eigene Berechnungen
28
Nach wie vor unterschiedliche Bildungschancen in den Bundesländern
Sachsen-Anhalt und Thüringen gehören, erreichen durchschnittlich 512 Punkte
und liegen damit 33 Punkte über dem Durchschnitt der Länder der unteren Gruppe
(479 Punkte). Dies bedeutet, dass Kinder in Bayern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und
Thüringen bereits in der Grundschule einen Leistungsvorsprung von ungefähr ei-
nem halben Schuljahr vorweisen im Vergleich zu den Stadtstaaten sowie zu Hessen
und Rheinland-Pfalz. Auffällig ist zudem die relativ hohe Streuung der Werte in der
unteren Ländergruppe. Sie beträgt bis zu 30 Leistungspunkten; es handelt sich also
wieder um eine Differenz von etwa einem halben Schuljahr.
Leistungsstreuungen und Kompetenzwerte der Schüler in der Primarstufe: Thüringen und
Baden-Württemberg gelingt es am besten, hohe Kompetenzwerte zu erzielen und dabei
die Leistungsabstände gering zu halten.
Anhand der Leistungsstreuung können Aussagen darüber gemacht werden, inwie-
weit alle Schüler eines Jahrgangs erreicht bzw. gefördert werden. Eine hohe Streu-
Leistungsstreuungen der Schüler der Klasse 4, gemessen an den Standard­
abweichungen im Kompetenzbereich Lesen in den Untersuchungen zu den
­Bildungsstandards, 2011
Länder mit niedrigerer
Leistungsstreuung
Baden-Württemberg
Brandenburg
Nordrhein-Westfalen
Thüringen
Länder mit mittlerer
Leistungsstreuung
Bremen
Hamburg
Niedersachsen
Rheinland-Pfalz
Sachsen
Schleswig-Holstein
Länder mit höherer
Leistungsstreuung
Bayern
Berlin
Hessen
Mecklenburg-Vorpommern
Saarland
Sachsen-Anhalt
Standardabweichung
95
101
104
85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108
Quelle: Stanat et al. 2012; eigene Berechnungen
29
Kompetenzen werden im Osten und im Süden besser gefördert
ung bedeutet, dass die Leistungsunterschiede größer sind. Weisen etwa Länder mit
hoher Kompetenzausprägung eine breite Wertestreuung auf, bedeutet dies, dass sie
nicht nur sehr gute, sondern gleichzeitig auch Schüler mit Kompetenzdefiziten her-
vorbringen. Im Optimalfall sollte das Kompetenzniveau hoch und die Streuung
gleichzeitig niedrig sein: Ein Schulsystem sollte also das Leistungsvermögen stei-
gern und dabei den Abstand zwischen den erfolgreichen Schülern und den Schü-
lern mit Schwierigkeiten verringern.
Bezüglich der Leistungsstreuung schneiden im Bundesländervergleich Baden-
Württemberg, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Thüringen besser ab als an-
dere Bundesländer. Auffällig ist, dass mit Bayern und Sachsen-Anhalt zwei Länder
mit höheren mittleren Kompetenzwerten zur unteren Gruppe der sechs Länder mit
den größeren Leistungsstreuungen gehören.
Führt man jetzt die Merkmale »Leistungsmittelwert« und »Leistungsstreuung«
zusammen, wird deutlich, dass es nur wenigen Ländern gelingt, in beiden Berei-
chen erfolgreich abzuschneiden. Die Ergebnisse aus Baden-Württemberg und Thü-
ringen zeigen, dass auch Länder mit überdurchschnittlichen Kompetenzwerten die
geringsten Leistungsunterschiede innerhalb der Schülerschaft aufweisen. Auf der
anderen Seite weisen unter anderem diejenigen Länder hohe Varianzen auf, deren
Schüler im Vergleich die niedrigsten Kompetenzwerte erzielen. Dies trifft vor allem
für die Stadtstaaten zu.
Mittlere Kompetenzwerte im Lesen von Schülern der Klasse 4 und Leistungs­
streuungen, gemessen an den Standardabweichungen, 2011
Lesekompetenzpunkte
Standard-
abweichung
Baden-Württemberg
Sachsen
Thüringen
Bayern
Niedersachsen
Sachsen-Anhalt
Berlin
Bremen
Hamburg
Hessen
Mecklenburg-Vorpommern
Rheinland-Pfalz
Saarland
Brandenburg
Nordrhein-Westfalen
Schleswig-Holstein
450 460 470 480 490 500 510 520 530
106
104
102
100
98
96
94
92
90
Quelle: Stanat et al. 2012; eigene Berechnungen
30
Nach wie vor unterschiedliche Bildungschancen in den Bundesländern
Lesekompetenz der leistungsschwächsten und leistungsstärksten Schüler: Sachsen und
Sachsen-Anhalt fördern die Potenziale der leistungsstärksten wie der leistungsschwächs-
ten Schüler am besten.
Vergleicht man die Länder hinsichtlich der leistungsstärksten wie der leistungs-
schwächsten zehn Prozent der getesteten Schüler, wird erneut deutlich, dass sich
die Schulsysteme stark unterscheiden.
Die vier Bundesländer der oberen Gruppe, die die leistungsstärksten zehn Prozent
der Schüler am erfolgreichsten fördern, weisen in der Lesekompetenz einen durch-
schnittlichen Wert von 633 Punkten auf. Zur durchschnittlichen Lesekompetenz der
unteren Gruppe der Bundesländer besteht ein Abstand von 30 Kompetenzpunkten.
Ähnlich verhält es sich im Hinblick auf die leistungsschwächsten zehn Prozent
der getesteten Schüler. Vergleicht man die erreichten Kompetenzwerte der Länder,
so besteht zwischen der oberen und der unteren Gruppe sogar ein Abstand von
46 Punkten. Innerhalb der unteren Gruppe ist sowohl bei den stärksten als auch bei
den schwächsten Schülern eine sehr breite Streuung vorhanden. Das bedeutet für
Mindestens erreichte Kompetenzwerte der leistungsstärksten zehn Prozent der
Schüler in den Untersuchungen zu den Bildungsstandards Lesekompetenz Deutsch,
2011
Quelle: Stanat et al. 2012; eigene Berechnungen
Länder mit höheren
Kompetenzwerten
Bayern
Niedersachsen
Sachsen
Sachsen-Anhalt
Länder mit mittleren
Kompetenzwerten
Baden-Württemberg
Brandenburg
Hessen
Nordrhein-Westfalen
Rheinland-Pfalz
Saarland
Schleswig-Holstein
Thüringen
Länder mit niedrigeren
Kompetenzwerten
Berlin
Bremen
Hamburg
Mecklenburg-Vorpommern
Lesekompetenzpunkte
633
620
603
585 590 595 600 605 610 615 620 625 630 635 640
31
Kompetenzen werden im Osten und im Süden besser gefördert
die Gruppe der Leistungsschwachen, dass es hier einen großen Anteil an Schülern
gibt, die nochmals unter dem unteren durchschnittlichen Leistungsniveau liegen –
ein bedenklicher Zustand.
Soziale Herkunft und Kompetenzerwerb in der Primarstufe: In Sachsen liegen Schüler aus
sozial schwachen Familien gegenüber den privilegierteren Schülern ein Dreivierteljahr zurück;
in Bayern, Bremen, Hamburg und Hessen beträgt der Abstand dagegen mehr als ein Jahr.
Der Zusammenhang von Leistung und sozialer Herkunft war einer der auffälligs-
ten Befunde der ersten internationalen Leistungsvergleichsstudien.
Die im Chancenspiegel herangezogene Untersuchung des Instituts für Quali-
tätsentwicklung im Bildungswesen belegt diesen Zusammenhang erneut für den
Primarbereich in Deutschland. Bei Kindern höherer sozialer Herkunft lässt sich
bundesweit ein durchschnittlicher Kompetenzvorsprung von 81 Punkten messen.
Unter diesem Durchschnittswert, der einem Lernvorsprung von etwa einem Schul-
Höchstens erreichte Kompetenzwerte der leistungsschwächsten zehn Prozent
der Schüler in den Untersuchungen zu den Bildungsstandards, Lesekompetenz
Deutsch, 2011
Quelle: Stanat et al. 2012; eigene Berechnungen
Länder mit höheren
Kompetenzwerten
Baden-Württemberg
Sachsen
Sachsen-Anhalt
Thüringen
Länder mit mittleren
Kompetenzwerten
Bayern
Brandenburg
Hessen
Mecklenburg-Vorpommern
Niedersachsen
Nordrhein-Westfalen
Rheinland-Pfalz
Schleswig-Holstein
Länder mit niedrigeren
Kompetenzwerten
Berlin
Bremen
Hamburg
Saarland
Lesekompetenzpunkte
387
369
341
320 325 330 335 340 345 350 355 360 365 370 375 380 385 390 395
32
Nach wie vor unterschiedliche Bildungschancen in den Bundesländern
jahr gleichkommt, bleiben die Länder der oberen Gruppe wie Brandenburg, Meck-
lenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und Sachsen mit einem durchschnittlichen
Vorsprung von 62 Punkten. In der unteren Gruppe der vier Bundesländer mit den
größeren Abständen beträgt der Vorsprung 92 Punkte: In Bayern, Bremen, Ham-
burg und Hessen bleiben Kinder aus sozial schwachen Familien im Durchschnitt
also mehr als ein Jahr hinter Schülern aus oberen Sozialschichten zurück.
4. Bei den Schulabschlüssen bieten Nordrhein-Westfalen, Hessen und der
­Südwesten mit Baden-Württemberg und dem Saarland größere Chancen.
Die Chancengerechtigkeit eines Schulsystems bemisst sich auch an der Hochwer-
tigkeit seiner Abschlüsse. Denn höherwertige Abschlüsse führen zu mehr An-
schlussmöglichkeiten, die gleichzeitig als Lebenschancen aufzufassen sind. Als an-
gemessen gilt eine Zertifikatsvergabe dann, wenn Abschlüsse nach den an sie ge-
stellten Anforderungen vergeben werden und sie über die Bundesländer hinweg
Abstände von Kindern in den erreichten Kompetenzpunkten im Lesen aus
den oberen Sozialschichten (EGP-Klassen I–II) zu denen aus den unteren
Sozialschichten (EGP-Klassen V–VII), 2011
Quelle: Stanat et al. 2012; eigene Berechnungen
Länder mit geringeren
Abständen in den
Kompetenzwerten
Brandenburg
Mecklenburg-Vorpommern
Rheinland-Pfalz
Sachsen
Länder mit mittleren
Abständen in den
Kompetenzwerten
Baden-Württemberg
Berlin
Niedersachsen
Nordrhein-Westfalen
Saarland
Sachsen-Anhalt
Schleswig-Holstein
Thüringen
Länder mit größeren
Abständen in den
Kompetenzwerten
Bayern
Bremen
Hamburg
Hessen
Abstände in Kompetenzpunkten
62
80
92
40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 100 105
33
Bei den Schulabschlüssen bieten einige Bundesländer größere Chancen
vergleichbar sind. So sollten etwa in Bayern dieselben Kenntnisse und Fähigkeiten
zum Abitur führen wie in Mecklenburg-Vorpommern. In dieser Dimension wird
sowohl der maximale Erfolg (der Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung) als
auch der maximale Misserfolg (kein schulischer Abschluss) in den Schulsystemen
der Länder betrachtet.
Die Ergebnisse im Einzelnen
Erwerb der Hochschulreife in den allgemeinbildenden und beruflichen Schulen: Die besten
Chancen auf eine Hochschulzugangsberechtigung bestehen für die Schüler in Baden-
Württemberg, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und im Saarland.
Anteil der Absolventen mit Hochschulreife an der gleichaltrigen Wohnbevölkerung
aus den allgemeinbildenden und beruflichen Schulen, 2011
* Für Bayern und Niedersachsen werden aufgrund des doppelten Abiturjahrgangs 2011 die Daten aus dem Jahr 2010
verwendet.
Anteil an der gleichaltrigen Wohnbevölkerung nach dem Quotensummenverfahren; gleichaltrige Wohnbevölkerung zum
Stichtag 31.12. des jeweiligen Vorjahres
Angaben in Prozent
Quellen: Statistisches Bundesamt, Fachserie 11, Reihe 1, 2011/2012; Statistisches Bundesamt und Statistische ­Landesämter:
Bevölkerungsstatistik; eigene Berechnungen
Länder mit höheren
Absolventenquoten
Baden-Württemberg
Hamburg
Nordrhein-Westfalen
Saarland
Länder mit mittleren
Absolventenquoten
Berlin
Brandenburg
Bremen
Hessen
Niedersachsen*
Rheinland-Pfalz
Schleswig-Holstein
Thüringen
Länder mit niedrigeren
Absolventenquoten
Bayern*
Mecklenburg-Vorpommern
Sachsen
Sachsen-Anhalt
Absolventenquote
58,3
49,6
40,6
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65
34
Nach wie vor unterschiedliche Bildungschancen in den Bundesländern
Die Fachhochschulreife und die allgemeine Hochschulreife sind die beiden höchs-
ten allgemeinbildenden Schulabschlüsse. Bundesweit erwerben im Abschlussjahr
2011 insgesamt 453.774 Absolventen die Hochschulreife in den allgemeinbildenden
und beruflichen Schulen. Dies entspricht einem Anteil von 51,1 Prozent, gemessen
an der gleichaltrigen Bevölkerung. Nach Ländergruppen differenziert zeichnet sich
ab, dass innerhalb der oberen Gruppe sogar durchschnittlich über 58 Prozent der
gleichaltrigen Wohnbevölkerung die Hochschulreife erwerben. In der unteren
Gruppe sind hingegen mit 40,6 Prozent – trotz der gestiegenen Absolventenanteile
– Länder auszumachen, in denen deutlich weniger Hochschulzugangsberechtigun-
gen vergeben werden. Dies ist vor allem in Bayern sowie in den ostdeutschen Län-
dern Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt der Fall.
Im Vergleich zum Abschlussjahr 2009 ist eine insgesamt positive Tendenz fest-
zustellen: Sowohl der bundesweite Anteil als auch die Ländergruppenwerte ver-
zeichnen einen Zuwachs an Absolventen mit (Fach-)Abitur. Jedoch sinkt die Absol-
Anteil der Abgänger ohne Hauptschulabschluss an der ­gleichaltrigen
Wohnbevölkerung, 2011
Anteil an der gleichaltrigen Wohnbevölkerung nach dem Quotensummenverfahren; gleichaltrige Wohnbevölkerung zum
Stichtag 31.12. des jeweiligen Vorjahres
Angaben in Prozent
Quellen: Statistisches Bundesamt, Fachserie 11, Reihe 1, 2011/2012; Statistisches Bundesamt und Statistische ­Landesämter:
Bevölkerungsstatistik; eigene Berechnungen
Länder mit niedrigeren
Abgängerquoten
Baden-Württemberg
Bayern
Hessen
Saarland
Länder mit mittleren
Abgängerquoten
Brandenburg
Bremen
Hamburg
Niedersachsen
Nordrhein-Westfalen
Rheinland-Pfalz
Schleswig-Holstein
Thüringen
Länder mit höheren
Abgängerquoten
Berlin
Mecklenburg-Vorpommern
Sachsen
Sachsen-Anhalt
Abgängerquote
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
5,2
6,1
10,5
35
Bei den Schulabschlüssen bieten einige Bundesländer größere Chancen
ventenquote in einigen ostdeutschen Bundesländern (Brandenburg, Sachsen, Sach-
sen-Anhalt und Thüringen).
Das Risiko eines fehlenden Schulabschlusses ist in Ostdeutschland höher als in West-
deutschland. In Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt ist dieses
Risiko im Durchschnitt doppelt so hoch wie in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und
im Saarland.
Im Abgangsjahr 2011 verlassen deutschlandweit 49.560 Schüler ihre Schulen, ohne
einen Hauptschulabschluss erworben zu haben. Dies entspricht einem Anteil von
6,2 Prozent. Auffällig: Während in der oberen Gruppe 5,2 Prozent der Jugendlichen
die Schule ohne Abschluss verlassen, trifft dieses Risiko 10,5 Prozent der gleichalt-
rigen Wohnbevölkerung aus der unteren Gruppe – also doppelt so häufig. Zudem ist
die Wertespanne in der unteren Gruppe im Vergleich relativ weit: von über 9 Pro-
zent bis zu 13,3 Prozent Abgänger ohne Hauptschulabschluss. Auch bei diesem
Indikator sind die ostdeutschen Länder in besonderem Maße negativ betroffen.
Während in den südwestlichen Flächenländern Baden-Württemberg und Bayern
sowie in Hessen und im Saarland das Risiko, die Schule ohne einen Abschluss zu
verlassen, am geringsten ist, fällt es in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-
Vorpommern sowie im Stadtstaat Berlin am höchsten aus.
Im Vergleich zum Abgangsjahr 2009 verlassen im Jahr 2011 bundesweit und
gruppenbezogen weniger Abgänger ohne Abschluss die Schule. Einzig in Bremen
ist der Anteil der Abgänger ohne Hauptschulabschluss leicht gewachsen (um
0,5 Prozent). In den Ländern Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein ist der Anteil
gleich geblieben.
37
IV Rückblick Ganztagsschulausbau:
Die meisten Bundesländer investieren nur
wenig in den gebundenen Ganztag
Bis auf Niedersachsen haben die Bundesländer beim Ausbau der Ganztagsschule vor allem
in die offene Form investiert – und nicht in die gebundene Form, die eher allen Schülern
zugutekommt und soziale Benachteiligungen mindert.
Die im Chancenspiegel vorgenommene Analyse der finanziellen Fördermaßnah-
men der Bundesländer im Rahmen des bundesweiten Programms »Investition Zu-
kunft Bildung und Betreuung« zeigt, dass in erster Linie die offene Ganztagsform
monetär bezuschusst wurde. Lediglich Niedersachsen hat den gebundenen Ganz-
tag im Vergleich häufiger gefördert. Mit Blick auf die empirische Forschung gilt
aber gerade die gebundene Ganztagsschule als wirksamer im Hinblick auf die Bil-
dungschancen der Kinder und Jugendlichen.
Diese Investitionsentscheidungen stehen in einem Kontrast zu den hohen Er-
wartungen an die Verbesserung von Bildungschancen, die in den Bundesländern
mit dem Ausbau des Ganztags verbunden werden. Das zeigt sich auch in der ver-
gleichsweise geringfügigen Bereitstellung zusätzlicher Lehrerstellen für Ganztags-
schulen, wie weitergehende Analysen in der Hauptpublikation des Chancenspiegels
zeigen.
38
Rückblick Ganztagsschulausbau
Verteilung der IZBB-Fördermaßnahmen auf die Organisations­formen des
Ganztags je Land*, 2003–2009
0,5
0,6
20,00,0 40,0 60,0 80,0 100,0
BW
BY
BE
BB
HB
HH
HE
MV
NI
NW
RP
SL
SN
ST
SH
TH
Offene Form/Hort Teilgebundene Form Gebundene Form
19,8
13,5
7,2
45,0
16,0
10,8
32,7
36,3
23,8
13,6
21,1
20,0
20,7
17,5
15,0
10,6
20,7
59,1
4,8
4,1
16,3
17,9
8,1
20,4
59,1
84,9
80,0
72,1
37,5
69,1
78,6
46,6
31,0
94,6
95,4
47,5
58,3
91,9
66,0
10,0
0,0
0,0
1,6
Angaben in Prozent
*Für Rheinland-Pfalz liegen keine relevanten Informationen vor (Angaben zur Organisationsform).
Die Langfassung der Ergebnisse des
Chancenspiegels ist erhältlich als
Printausgabe und als E-Book.
Faire Chancen für alle Schülerinnen und Schüler – das bleibt eine zentrale Heraus-
forderung für die deutschen Schulsysteme. Die Studie »Chancenspiegel 2013«
­belegt, wie integrativ und durchlässig die Schulsysteme in den 16 Bundesländern
sind, wie erfolgreich sie Kompetenzen fördern und hochwertige Abschlüsse ermög-
lichen. Sie ­basiert auf vorhandenen Daten der Schulstatistik und der Schulleis-
tungsvergleiche. Beschrieben werden im quantitativen Teil der aktuelle Status quo
sowie erste ­Veränderungen in den Schulsystemen. Der anschließende Thementeil
stellt Strategien vor, mit denen die Bundes­länder an besseren Chancen für alle Kin-
der und Jugend­lichen arbeiten. Im Fokus der diesjährigen Ausgabe steht der schu-
lische Ganztag.
www.bertelsmann-stiftung.de/verlag
www.chancen-spiegel.de
Bertelsmann Stiftung,
Institut für Schulentwicklungsforschung Dortmund,
Institut für Erziehungswissenschaft Jena (Hrsg.)
Chancenspiegel 2013
Zur Chancengerechtigkeit und Leistungsfähigkeit
der deutschen Schulsysteme mit einer Vertiefung
zum schulischen Ganztag
260 Seiten, Broschur
¤ 22,– (D) / sFr. 31,50
ISBN 978-3-86793-505-0
Bertelsmann Stiftung,
Institut für Schulentwicklungsforschung Dortmund,
Institut für Erziehungswissenschaft Jena (Hrsg.)
Chancenspiegel 2013
Zur Chancengerechtigkeit und Leistungsfähigkeit
der deutschen Schulsysteme
Chancenspiegel 2013 - Zusammenfassung

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  • 1. Bertelsmann Stiftung, Institut für Schulentwicklungsforschung der Technischen Universität Dortmund, Institut für Erziehungswissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena (Hrsg.) Chancenspiegel 2013 Zur Chancengerechtigkeit und Leistungsfähigkeit der deutschen Schulsysteme mit einer Vertiefung zum schulischen Ganztag Zusammenfassung zentraler Befunde Eine Studie des Instituts für Schulentwicklungsforschung (IFS) der Technischen Universität Dortmund und des Instituts für Erziehungswissenschaft (IfE) der Friedrich-Schiller-Universität Jena in Kooperation mit der Bertelsmann Stiftung Online unter www.chancen-spiegel.de
  • 2. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2013 Verlag Bertelsmann Stiftung, Gütersloh Verantwortlich: Christian Ebel Lektorat: Heike Herrberg, Bielefeld Herstellung: Sabine Reimann Umschlaggestaltung: Elisabeth Menke Umschlagabbildung: Ulfert Engelkes, Kassel Satz und Druck: Hans Kock Buch- und Offsetdruck GmbH, Bielefeld ISBN 978-3-86793-505-0 www.bertelsmann-stiftung.de/verlag
  • 3. 3 Inhalt Bildungschancen in Deutschland: Weiterhin großer Handlungsbedarf trotz positiver Trends. . . . . . . . . . . . . . . . . .   5 I Der Chancenspiegel im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   7 1. Integrationskraft, Durchlässigkeit, Kompetenzförderung und Zertifikatsvergabe sind entscheidend für faire Chancen im Schulwesen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   7 2. Die Chancenprofile der Bundesländer zeigen relative Stärken und Entwicklungsbedarfe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   8 II Die Bildungschancen für die Schüler1 in Deutschland verbessern sich leicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1. Die Chancen auf höhere Schulabschlüsse in Deutschland steigen. . . . . . . . 11 2. Die Schulsysteme in Deutschland integrieren etwas besser . . . . . . . . . . . . 12 3. Die Schulsysteme in Deutschland werden nur geringfügig durchlässiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 4. Im Grundschulbereich hängt der Bildungserfolg bei relativ konstanter Leistung – wie im Sekundarbereich – stark von der sozialen Herkunft ab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 1 In dieser Broschüre verwenden wir keine durchgängig geschlechterneutrale Sprache. Mit »Schülern«, »Abgängern« etc. sind immer auch Schülerinnen und Absolventinnen gemeint.
  • 4. III Die Bildungschancen sind in den Bundesländern noch immer sehr unterschiedlich verteilt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 1. Die Integrationskraft der Schulsysteme ist in den nördlichen Bundesländern und in Rheinland-Pfalz stärker ausgeprägt . . . . . . . . . . . . . 17 2. Durchlässiger sind die Schulsysteme in den östlichen Bundesländern und in Hamburg.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 3. Kompetenzen werden im Osten und im Süden besser gefördert . . . . . . . . . 26 4. Bei den Schulabschlüssen bieten Nordrhein-Westfalen, Hessen und der Südwesten mit Baden-Württemberg und dem Saarland größere Chancen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 IV Rückblick Ganztagsschulausbau: Die meisten Bundesländer investieren nur wenig in den gebundenen Ganztag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 4
  • 5. 5 Bildungschancen in Deutschland: Weiterhin großer Handlungsbedarf trotz positiver Trends Wie gerecht es im deutschen Bildungswesen zugeht, wurde schon länger heftig dis- kutiert – oft aufgrund von Einzelbeobachtungen oder eines Bauchgefühls. Erst die PISA-Premiere vor gut zehn Jahren warf ein empirisches Schlaglicht auf die Chan- cengerechtigkeit in Deutschlands Schulen. Ein zentraler Befund lautete damals: In keinem anderen OECD-Land hängt der Bildungserfolg so stark von der sozialen Herkunft ab. Diese Diagnose hat dazu beigetragen, die bildungspolitische Debatte hierzulande zu konkretisieren und etwas zu entideologisieren. Aber noch immer schlagen die Wogen von Zeit zu Zeit hoch – auch weil die Definition von Chancen- gerechtigkeit als ungeklärt gilt, wie auch die Frage, anhand welcher Indikatoren sie zu messen ist. Der Chancenspiegel, der im vergangenen Jahr erstmals erschien, versucht, diese Lücke zu schließen. Er fokussiert, anders als andere Formate der Bildungsberichter- stattung, auf ein einzelnes Thema: die Chancengerechtigkeit der Schulsysteme Deutschlands. Ein Überblick über das Grundverständnis, den Ansatz und die Me- thodik steht dem Kapitel I dieser Publikation voran. Ein Jahr nach seiner Erstauflage analysiert der Chancenspiegel die Veränderungen in den letzten beiden Jahren. Ver- glichen werden vorrangig Zahlen und Daten aus dem Schuljahr 2011/12 mit denen aus dem Schuljahr 2009/10. Gewisse Einschränkungen mussten die Autorinnen und Autoren erfahren, weil einige Daten im Bereich der Kompetenzförderung nicht verfügbar oder kaum zugänglich waren. Trotzdem lassen sich leichte Tendenzen ablesen. Das zentrale Ergebnis für die Entwicklung der Bildungschancen lautet: Die Chancengerechtigkeit hat sich in den vergangenen zwei Jahren tendenziell verbes- sert. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Das Risiko, die Schule ohne Abschluss zu verlassen, ist gesunken und die Chancen, die Hochschulreife zu erwerben, sind in fast allen Bundesländern gestiegen. Auf der anderen Seite besteht nach wie vor gro- ßer Handlungsbedarf. Immer noch ist das Risiko für Schüler mit besonderen För- derbedarfen hoch, separat unterrichtet zu werden. Und die Aussicht auf einen Platz in einer gebundenen Ganztagsschule ist weiterhin sehr gering. Nicht zuletzt des-
  • 6. 6 Bildungschancen in Deutschland halb hat die soziale Herkunft nach wie vor großen Einfluss auf den Bildungserfolg. Das gilt für den Primarbereich – der im Fokus dieses Chancenspiegels steht – wie auch für den Sekundarbereich. Unverändert stark ausgeprägt ist das Gefälle zwischen den Bundesländern. So kann der unterschiedliche Umgang mit Inklusion und schulischem Ganztag darauf hinweisen, dass es für diese zentralen Herausforderungen kein gemeinsames Ver- ständnis der Länder oder bundesweite Standards gibt. Im Ergebnis bedeutet dies nichts anderes, als dass die Schulsysteme der Länder den Kindern und Jugendli- chen höchst unterschiedliche Bildungschancen bieten – auch wenn kein Land über- all vorbildlich und kein Land überall Schlusslicht ist. Wir freuen uns, wenn der Ländervergleich im Chancenspiegel für die Stärken und Schwächen der jeweiligen Schulsysteme sensibilisiert und Impulse gibt, woran sich Politik im Bildungsföde- ralismus orientieren kann. Wir sind überzeugt, dass die Debatte über gerechte Chancen von Kindern und Jugendlichen in unserem Schulsystem weiter intensiv und lösungsorientiert ge- führt werden muss. Mit dem Chancenspiegel 2013 laden wir erneut alle Bildungsin- teressierten ein, sich an der Debatte über die Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen in unserem Land zu beteiligen. Wir hoffen, alle Verantwortlichen in den Bundesländern dabei zu unterstützen, voneinander zu lernen. Dr. Jörg Dräger Prof. Dr. Wilfried Bos Prof. Dr. Nils Berkemeyer Mitglied des Vorstands Direktor des Instituts Inhaber des Lehrstuhls der Bertelsmann Stiftung für Schulentwicklungs- für Schulpädagogik und forschung der TU Schulentwicklung an der Dortmund Friedrich-Schiller- Universität Jena
  • 7. 7 I  Der Chancenspiegel im Überblick 1. Integrationskraft, Durchlässigkeit, Kompetenzförderung und Zertifikatsvergabe sind entscheidend für faire Chancen im Schulwesen. Angesichts der Fülle von Daten, mit denen die Schulsysteme in Statistiken und Be- richten vermessen werden, lenkt der Chancenspiegel den Blick auf die Faktoren, die in besonderer Weise faire Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen in den Schulen ermöglichen. Er schaut besonders auf die Chancengerechtigkeit der deut- schen Schulsysteme. Darunter versteht der Chancenspiegel die faire Chance zur freien Teilhabe an der Gesellschaft, die auch gewährleistet wird durch eine gerechte Insti- tution Schule, in der Schüler aufgrund ihrer sozialen und natürlichen Merkmale keine zusätzlichen Nachteile erfahren, durch eine Förderung der Befähigung aller und durch eine wechselseitige Anerkennung der an Schule beteiligten Personen. Ein solches gerech- tigkeits- und schultheoretisch fundiertes Verständnis von Chancengerechtigkeit be- zieht sich sowohl auf die Überwindung von Nachteilen als auch auf die Entwicklung von Potenzialen. Demnach bieten Schulsysteme den Kindern und Jugendlichen dann eine faire Chance, ihre Möglichkeiten zu entfalten, wenn sie integrieren, durchlässig sind, Kompetenzen fördern und Leistungen durch entsprechende Zer- tifikate anerkennen. Auf diese vier theoretisch hergeleiteten Gerechtigkeitsdimensi- onen fokussiert der Chancenspiegel. Zu jeder dieser Dimensionen – Integrationskraft, Durchlässigkeit, Kompetenzförde- rung, Zertifikatsvergabe – werden unter Rückgriff auf verfügbare quantitative Daten der amtlichen Statistiken aus Bund und Ländern sowie aus Studien der empiri- schen Bildungsforschung besonders aussagekräftige Indikatoren in den Blick ge- nommen. Diese sind sicher nicht die einzig möglichen, haben aber eine hohe Rele- vanz für die Darstellung von Bildungschancen. Innerhalb jedes Indikators wiede- rum werden drei Ländergruppen gebildet: Die obere Gruppe umfasst die Länder, die in Bezug auf den berichteten Indikator zu den oberen 25 Prozent aller Bundes- länder gehören. Diese Gruppe umfasst also im Blick auf die jeweilige Bildungs- chance der Schüler die »erfolgreicheren« Bundesländer. Die mittlere Ländergruppe
  • 8. 8 Der Chancenspiegel im Überblick bündelt die mittleren 50 Prozent, die untere Ländergruppe die unteren 25 Prozent der Bundesländer. Der Chancenspiegel ist erstmals im letzten Jahr erschienen und bezog sich meist auf Daten aus dem Schuljahr 2009/10. Die Daten des Chancenspiegels 2013 basie- ren auf Zahlen, die bis Februar 2013 in der amtlichen Statistik und in vorliegenden Studien verfügbar waren, in der Regel also Daten aus dem Schuljahr 2011/12. Mit dem aktuellen Chancenspiegel werden also zum ersten Mal Veränderungen zwi- schen den Berichtsjahren 2009/10 und 2011/12 dokumentiert, zumindest für die Indikatoren, zu denen vergleichbare Daten beider Berichtsjahre verfügbar sind. Diese Broschüre bietet einen Überblick über zentrale Ergebnisse des Chancen- spiegels. Weitere Informationen gibt die ausführliche Publikation, die auch eine qualitative Analyse von Strategien zum Ausbau des schulischen Ganztags in den Bundesländern enthält und im Internet unter www.chancen-spiegel.de zu finden ist. 2. Die Chancenprofile der Bundesländer zeigen relative Stärken und Entwicklungsbedarfe. Der Ländervergleich verdichtet die Informationen des Chancenspiegels auf der Grundlage besonders relevanter und für alle Länder verfügbarer Indikatoren zu Chancenprofilen. Der Vergleich zeigt, in welchen Gerechtigkeitsdimensionen die einzelnen Bundesländer im innerdeutschen Vergleich ihre relativen Stärken und Entwicklungsbedarfe haben. In der vorliegenden Zusammenfassung der Befunde zum Chancenspiegel 2013 wird bei der Integrationskraft auf den Förderbedarf fokussiert, auf das Risiko, vom Regelschulbesuch ausgeschlossen zu werden, sowie die Chance, ein Ganztagsange- bot nutzen zu können. Bei der Dimension der Durchlässigkeit geht es um die Chance auf einen Gymnasialbesuch, das Risiko, sitzen zu bleiben oder auf eine niedrigere Schulart wechseln zu müssen, sowie die Chance, mit maximal Hauptschulab- schluss in das Berufsbildungssystem einmünden zu können. In der Dimension der Kompetenzförderung werden vier Indikatoren berücksichtigt: die durchschnittliche Lesekompetenz im Primarbereich, die Kompetenzen der leistungsstärksten sowie leistungsschwächsten Schüler sowie der Abstand zwischen Schülern aus oberen und unteren Sozialschichten. Bei der Dimension der Zertifikatsvergabe werden das Risiko, die Schule ohne Abschluss zu verlassen, und die Chance auf den Erwerb der Hochschulreife in den Blick genommen. Die Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg zeigen im Bundesvergleich ein uneinheitliches Bild, weisen aber in der Kompetenzförderung Entwicklungsbedarf auf. Die ostdeutschen Bundesländer dagegen sind in ihrem Bemühen, die Kompe- tenzen zu fördern, vergleichsweise gut platziert. Hier liegt der Entwicklungsbedarf mehr bei der Integrationskraft (Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt) und bei der Zertifikatsvergabe (Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen- Anhalt und Sachsen).
  • 9. 9 Die Chancenprofile der Bundesländer zeigen relative Stärken und Entwicklungsbedarfe untere Ländergruppemittlere Ländergruppe I = Integrationskraft D = Durchlässigkeit K = Kompetenzförderung Z = Zertifikatsvergabe Thüringen Schleswig-Holstein Sachsen-Anhalt Sachsen Saarland Rheinland-Pfalz Nordrhein-Westfalen Niedersachsen Mecklenburg-Vorpommern Hessen Hamburg Bremen Brandenburg Berlin Bayern Baden-Württemberg obere Ländergruppe ZKDI ZKDI ZKDI ZKDI ZKDI ZKDI ZKDI ZKDI ZKDI ZKDI ZKDI ZKDI ZKDI ZKDI ZKDI ZKDI
  • 10. 10 Der Chancenspiegel im Überblick Die Schulsysteme der norddeutschen Flächenländer Niedersachsen und Schles- wig-Holstein haben eine vergleichsweise hohe Integrationskraft, während sie in der Dimension der Durchlässigkeit weniger gut platziert sind. Nordrhein-Westfalen (NRW) und Hessen sind im Bundesländervergleich erfolg- reich bei der Vergabe von Zertifikaten. NRW hat jedoch besonderes Entwicklungs- potenzial in der Durchlässigkeit und Hessen in der Kompetenzförderung. Rhein- land-Pfalz ist in der Integrationskraft besonders gut platziert, während das Saarland dort besonderen Entwicklungsbedarf hat. Stark ist das Saarland dagegen in der Zerti­fikatsvergabe. Die süddeutschen Flächenländer Baden-Württemberg und Bayern sind in den Dimensionen des Chancenspiegels, die stärker die Outputleistungen von Schulsys- temen in den Blick nehmen, vergleichsweise gut platziert, nämlich in der Kompe- tenzförderung (Bayern) und in der Zertifikatsvergabe (Baden-Württemberg). Auch in der Kompetenzförderung ist Baden-Württemberg vergleichsweise stark, vor ­allem wenn man – zusätzlich zu den für den Ländervergleich ausgewählten Indikatoren bei der Kompetenzförderung – noch die Leistungsstreuung im Kompetenz­erwerb berücksichtigt.2 Entwicklungsbedarf besteht in den süddeutschen Flächenländern eher in den Dimensionen des Chancenspiegels, die die Gerechtigkeitsaspekte ­Integrationskraft und Durchlässigkeit in den Blick nehmen. Die Chancenprofile der Bundesländer haben sich zwischen den Schuljahren 2009/10 und 2011/12 kaum verändert. Besonders bedeutsam im Sinne der Methode des Gruppenvergleichs im Chancenspiegel (vgl. Informationen zu den Chancenpro- filen der Länder in der Hauptpublikation) wäre nur der Wechsel eines Bundeslandes in einer der vier Dimensionen von der oberen Gruppe in die untere Gruppe oder umgekehrt. Dazu ist es aber im Berichtszeitraum nicht gekommen. Allerdings sind mehr oder weniger relevante Veränderungen in Bezug auf einzelne Indikatoren des Chancenspiegels festzustellen. Diese werden im Folgenden beleuchtet. 2 Die Implikationen der stärkeren Berücksichtigung der Leistungsstreuung für die Dimension der Kompetenzförderung in der Gesamtbetrachtung werden in der ausführlichen Publika- tion zum Chancenspiegel näher beleuchtet. Infolge des Einbezugs des Leistungsstreuungs- indikators ergeben sich in dieser Dimension auch andere Zuordnungen zu den Ländergrup- pen (siehe Hauptpublikation).
  • 11. 11 II Die Bildungschancen für die Schüler in Deutschland verbessern sich leicht Der Chancenspiegel ermöglicht einen Blick auf erste Entwicklungstendenzen in der Chancengerechtigkeit der Schulsysteme in Deutschland über einen Zeitraum von drei Schuljahren (Schuljahr 2009/10 bis 2011/12). Dieser relativ kurze Betrachtungs- zeitraum kann sicher keine grundlegenden Veränderungen innerhalb der Schulsys- teme aufzeigen. Dennoch liefert der Vergleich Anhaltspunkte für die Annahme, dass sich die Chancen in Bezug auf den Erwerb von Schulabschlüssen sowie auf die Integrationskraft und Durchlässigkeit des Schulwesens zumindest teilweise positiv entwickelt haben. 1. Die Chancen auf höhere Schulabschlüsse in Deutschland steigen: Immer weniger Schüler verlassen die Schule ohne Abschluss, immer mehr Schüler erwerben die Hochschulreife. Anteil der Abgänger ohne Hauptschulabschluss an der gleichaltrigen Wohnbevölkerung, 2009 und 2011, in Prozent 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 2009 2011 6,2 6,9 Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 11, Reihe 1, 2011/2012; Statistisches Bundesamt und Statistische Landesämter: Bevölkerungsstatistik; eigene Berechnungen
  • 12. 12 Die Bildungschancen für die Schüler in Deutschland verbessern sich leicht Eine der positiven Tendenzen, die der Chancenspiegel feststellen kann, ist die Tatsa- che, dass immer weniger Schüler die Schule ohne Abschluss verlassen. So sinkt der Anteil der Schulabgänger ohne Abschluss um 0,7 Prozentpunkte von bundesweit 6,9 auf 6,2 Prozent, was einem absoluten Rückgang von rund 8.800 Abgängern ent- spricht. Zugleich ist festzustellen, dass der Anteil an Absolventen mit Hochschulreife in Deutschland nie höher gewesen ist als jetzt. Bundesweit erwerben 453.774 Absol- venten der allgemeinbildenden und beruflichen Schulen eine Hochschulzugangs- berechtigung (allgemeine Hochschulreife oder Fachhochschulreife). Im Vergleich zum Abschlussjahr 2009 steigt der Anteil der Absolventen mit Hochschulreife um 4,4 Prozentpunkte; absolut besehen sind dies 7.641 Schüler mit erworbener Hoch- schulzugangsberechtigung mehr. 2. Die Schulsysteme in Deutschland integrieren etwas besser: Das Risiko, eine Förderschule zu besuchen, sinkt, die Chance auf Besuch einer Ganztagsschule steigt. Bei der Integrationskraft des Schulwesens sind ebenfalls einige positive Tendenzen festzustellen. Beim gemeinsamen Lernen gibt es Fortschritte: Die Inklusionsanteile nehmen im Bundesdurchschnitt um fast fünf Prozentpunkte zu, sodass mittler- weile ein Viertel der Kinder mit besonderem Förderbedarf im Regelschulsystem unterrichtet wird. Auch die Zahl der Schüler, die separat in Förderschulen unter- richtet werden, ist rückläufig, wenn auch nur in sehr geringem Maße: Immer noch bleiben bundesweit durchschnittlich 4,8 Prozent aller Schüler vom Regelschulbe- such ausgeschlossen. Im Berichtsjahr 2009 lag die Exklusionsquote bei 5,0 Prozent; die Quote ist also in drei Jahren um lediglich 0,2 Prozentpunkte gesunken. Anteil der Absolventen mit Hochschulreife an der gleichaltrigen Wohnbevölkerung aus den allgemeinbildenden und beruflichen Schulen, 2009 und 2011, in Prozent 0 10 20 30 40 50 60 51,1 46,72009 2011 Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 11, Reihe 1, 2011/2012; Statistisches Bundesamt und Statistische Landesämter: Bevölkerungsstatistik; eigene Berechnungen
  • 13. 13 Die Schulsysteme in Deutschland integrieren etwas besser Anteil der Schüler mit besonderem Förderbedarf, die gesondert in Förderschulen unterrichtet werden, an allen Schülern, Schuljahre 2009/10 und 2011/12, in Prozent 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 2009/10 2011/12 4,8 5,0 Schüler der Jahrgangsstufe 1 bis 10 Angaben in Prozent Quelle: KMK: Sonderpädagogische Förderung in allgemeinen Schulen 2011/2012; Sonderpädagogische Förderung in Förderschulen 2011/2012; KMK: Schüler, Klassen, Lehrer und Absolventen der Schulen 2002 bis 2011; eigene ­Berechnungen Positiv ist auch die Veränderung im schulischen Ganztag: Immer mehr Schüler haben Zugang zu einer Ganztagsschule. Hier konnte sich der Vergleich nur auf zwei Jahre beziehen, da die Daten des Schuljahres 2011/12 für die Auswertung im Chancenspiegel zu spät vorlagen. Innerhalb dieses Zeitraums ist der Anteil von Ganztagsschülern um 1,2 Prozentpunkte gestiegen. Der Anstieg erscheint moderat, ist aber angesichts des kurzen Betrachtungszeitraums bemerkenswert. Für 2011/12 ist aufgrund der anhaltenden Bemühungen der Bundesländer um den Ausbau der Ganztagsangebote mit einer weiteren Steigerung zu rechnen. Anteil der Schüler im Ganztagsbetrieb an allen Schülern, Primarstufe und Sekundarstufe I, 2009 und 2010, in Prozent 2009 2010 28,1 26,9 0 10 20 30 40 Schüler der Jahrgangsstufe 1 bis 10 Angaben in Prozent Quelle: KMK: Allgemeinbildende Schulen in Ganztagsform in den Ländern in der Bundesrepublik Deutschland 2006–2010; KMK: Schüler, Klassen, Lehrer und Absolventen der Schulen 2001 bis 2010; eigene Berechnungen
  • 14. 14 Die Bildungschancen für die Schüler in Deutschland verbessern sich leicht 3. Die Schulsysteme in Deutschland werden nur geringfügig durchlässiger: Die Anteile des Übergangs auf das Gymnasium und des Aufstiegs in eine höhere Schulart verändern sich kaum, aber das Risiko von Klassenwieder­ holungen geht zurück. Bei der Durchlässigkeit der Schulsysteme in Deutschland gibt es keine großen Ver- änderungen. Vergleicht man die aktuelle Verteilung der Fünftklässler auf die Schul- arten mit der Verteilung im Schuljahr 2009/10, so spiegelt sich hier bereits tenden- ziell die aktuelle Umstrukturierung des Sekundarbereichs: Neben sinkenden Schü- lerzahlen der Hauptschule verzeichnen Schularten mit mehreren Bildungsgängen zunehmend mehr Schüler. Dennoch ist das Gymnasium mit 42,1 Prozent weiterhin die Schulart, die im Anschluss an die Primarstufe am stärksten frequentiert wird. Im Schuljahr 2011/12 wechseln insgesamt 306.425 Schüler von der Grundschule aufs Gymnasium. Im Vergleich zum Jahr 2009 ist der Anteil der Fünftklässler, die zum Gymnasium übergehen, damit um 0,4 Prozentpunkte leicht gestiegen. Anteil der Fünftklässler, die nach der Grundschule auf ein Gymnasium übergingen, Schuljahre 2009/10 und 2011/12, in Prozent 0 10 20 30 40 50 2009/10 2011/12 42,1 41,7 Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 11, Reihe 1, 2011/2012; eigene Berechnungen Auch das Verhältnis von Aufwärts- zu Abwärtswechseln der Schüler in den Jahr- gangsstufen 7 bis 9 bleibt im Vergleich zum Jahr 2009 nahezu konstant: Bundesweit kommen auf einen Wechsel von einer niedrigeren zu einer höheren Schulart durch- schnittlich 4,2 Wechsel von einer höheren zu einer niedrigeren Schulart. Im letzten Berichtszeitraum lag das Verhältnis bei 1 zu 4,3 – es hat sich demnach leicht zu- gunsten der Aufstiegswechsel verbessert. Auf einen Aufstiegswechsel kommen demnach nun geringfügig weniger Abwärtswechsel, nach wie vor gibt es aber in keinem Land ein ausgewogenes Verhältnis, geschweige denn mehr Aufstiegswech- sel.
  • 15. 15 Die Schulsysteme in Deutschland werden nur geringfügig durchlässiger Verhältnis von Aufwärts- zu Abwärtswechseln der Schüler in den Jahrgangsstufen 7 bis 9, Schuljahre 2009/10 und 2011/12 0 1 2 3 4 5 6 2009/10 2011/12 4,2 4,3 Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 11, Reihe 1, 2011/2012; eigene Berechnungen Wie steht es um das Risiko, eine Klasse wiederholen zu müssen? Im Schuljahr 2011/12 wiederholen bundesweit 142.018 Schüler in der Sekundarstufe eine Klasse. Dies entspricht einem Anteil von 2,7 Prozent aller Schüler im Bereich der Sekun- darstufe I und II. Im Vergleich zum Jahr 2009 ist damit bundesweit ein Rückgang der Wiederholerquote um 0,2 Prozentpunkte zu verzeichnen. Die Chancen junger Menschen mit höchstens einem Hauptschulabschluss, in ein Ausbildungsverhältnis einzutreten, haben sich im Beobachtungszeitraum ge- ringfügig verschlechtert. Im Jahr 2011 mündeten bundesweit 169.006 Neuzugänge mit maximal Hauptschulabschluss neu in das Duale System ein. Dies entspricht einem Anteil von 40,9 Prozent an allen Neuzugängen mit maximal Hauptschulab- schluss im Berufsbildungssystem. Im Jahr 2009 waren es noch 41,5 Prozent. Anteil der Wiederholer in der Sekundarstufe der Regelschulen an allen Schülern in der Sekundarstufe, Schuljahre 2009/10 und 2011/12, in Prozent 0 1 2 3 4 5 2009/10 2011/12 2,7 2,9 Angaben in Prozent Sekundarstufe als Zusammenfassung von Sekundarstufe I und II Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 11, Reihe 1, 2011/2012; eigene Berechnungen
  • 16. 16 Die Bildungschancen für die Schüler in Deutschland verbessern sich leicht Neuzugänge im Dualen System mit maximal Hauptschulabschluss an allen Neuzugängen mit maximal Hauptschulabschluss, 2009 und 2011, in Prozent 0 10 20 30 40 50 2009 2011 40,9 41,5 Angaben in Prozent Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder: Anzahl Neuzugänge verteilt auf die drei Sektoren des beruflichen Ausbildungssystems im Jahr 2011; eigene Berechnungen 4. Im Grundschulbereich hängt der Bildungserfolg bei relativ konstanter Leistung – wie im Sekundarbereich – stark von der sozialen Herkunft ab. Betrachtet man die Leistungsentwicklung im Grundschulbereich im Licht der IGLU-Studien, so zeigt sich eine Konstanz: Mit einem Mittelwert im Leseverständ- nis von 541 Punkten erreichten die untersuchten Schüler aus deutschen Schulen bei IGLU 2011 in etwa dieselben Ergebnisse wie 2001 und 2006. Allerdings gibt es weiterhin eine ausgeprägte Abhängigkeit zwischen Bildungs- erfolg und Herkunft. Das belegt auch die Überprüfung der Bildungsstandards im Primarbereich, die im aktuellen Chancenspiegel für die Dimension Kompetenzför- derung herangezogen wurde, da die IGLU-Daten von 2011 nur für Deutschland ins- gesamt, nicht aber für die einzelnen Bundesländer vorliegen. Bei Kindern aus Familien höherer Sozialschichten lässt sich bei der Lesekompe- tenz bundesweit ein durchschnittlicher Vorsprung vor Kindern aus Familien nied- rigerer Sozialschichten von 81 Punkten messen. Das entspricht einem Leistungs- vorsprung von etwa einem Schuljahr. Ein Vergleich mit dem ersten Chancenspiegel ist in der Dimension der Kompetenzförderung nicht möglich, weil dieser sich – ­neben den IGLU-Daten für 2006, die noch Ergebnisse für die Bundesländer auswie- sen – auf die Überprüfung der Bildungsstandards im Sekundarbereich bezog. In beiden Bereichen ist aber der nach wie vor existente Zusammenhang zwischen Bil- dungserfolg und Herkunft in Deutschland festzustellen.
  • 17. 17 III Die Bildungschancen sind in den Bundesländern noch immer sehr unterschiedlich verteilt Ein Befund des ersten Chancenspiegels war, dass die Länder ihren Schülern sehr unterschiedliche »Chancenmilieus« bieten. Nach wie vor bestehen erhebliche Diffe- renzen zwischen den Ländern. Diese Unterschiede in der Verteilung von Chancen werden anhand ausgewählter Indikatoren des Chancenspiegels in den vier Gerech- tigkeitsdimensionen Integrationskraft, Durchlässigkeit, Kompetenzförderung und Zer- tifikatsvergabe ausführlicher in den Blick genommen. 1. Die Integrationskraft der Schulsysteme ist in den nördlichen Bundesländern und in Rheinland-Pfalz stärker ausgeprägt. Die Dimension »Integrationskraft« gibt Auskunft darüber, welche Chancen Kinder und Jugendliche haben, in eine Regelschule zu gehen und ein Ganztagsangebot wahrzunehmen. Die Dimension zielt damit auf die systemische und soziale Integ- ration der Schüler: Chancengerechte Schulsysteme fördern den Regelschulbesuch und versuchen, so wenig Schüler wie möglich durch separate Beschulung auf einer Förderschule auszuschließen. Zudem ermöglichen sie durch den schulischen Ganztag, zusätzliche zeitliche Lernangebote bereitzustellen. Die Ergebnisse im Einzelnen Förderquoten in Deutschland: In ostdeutschen Ländern wird bei Schülern deutlich mehr Förderbedarf festgestellt als in westdeutschen Bundesländern. Im Schuljahr 2011/12 befanden sich in den Jahrgangsstufen 1 bis 10 insgesamt 487.718 Schüler mit besonderem Förderbedarf in Regel- und Förderschulen. Dies
  • 18. 18 Nach wie vor unterschiedliche Bildungschancen in den Bundesländern entspricht einem Anteil von 6,4 Prozent an allen Schülern im allgemeinbildenden Schulsystem. Die Diagnose des Förderbedarfs stellt sich in den Ländern sehr unter- schiedlich dar: Während die obere Gruppe bzw. die vier Bundesländer mit den nied- rigsten Förderquoten eine im Vergleich eher geringe durchschnittliche Quote von 5,1 Prozent aufweisen, liegt der Anteil der Kinder und Jugendlichen mit diagnos­ tiziertem Förderbedarf in der unteren Gruppe bzw. den vier Bundesländern mit den höchsten Quoten bei durchschnittlich 9,0 Prozent. Zudem weisen die Werte der unteren Gruppe eine relativ hohe Streuung auf – sie liegen zwischen 8,4 und 10,9 Prozent. Die Differenzen zwischen den Ländern können unter anderem auf die je unterschiedliche Diagnosepraxis zurückgeführt werden. Die Zuschreibung von Förderbedarf ist nicht per se problematisch. Da allerdings immer noch drei Viertel der Förderschüler in Deutschland nicht inklusiv beschult werden, erhöht sich für den betroffenen Schüler das Risiko, vom Regelschulbesuch ausgeschlossen zu werden und die Schule im ungünstigsten Fall ohne Hauptschul- abschluss zu verlassen. Anteil der Schüler mit besonderem Förderbedarf an allen Schülern im allgemeinbildenden Schulsystem, Schuljahr 2011/12 (Förderquote) Länder mit niedrigeren Förderquoten Hessen Niedersachsen Rheinland-Pfalz Schleswig-Holstein Länder mit mittleren Förderquoten Baden-Württemberg Bayern Berlin Bremen Hamburg Nordrhein-Westfalen Saarland Thüringen Länder mit höheren Förderquoten Brandenburg Mecklenburg-Vorpommern Sachsen Sachsen-Anhalt Förderquote 5,1 6,6 9,0 0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 5,0 5,5 6,0 6,5 7,0 7,5 8,0 8,5 9,0 9,5 10,0 10,5 11,0 Schüler der Jahrgangsstufen 1 bis 10 Angaben in Prozent Quellen: KMK: Sonderpädagogische Förderung in allgemeinen Schulen 2011/2012; Sonderpädagogische Förderung in För- derschulen 2011/2012; KMK: Schüler, Klassen, Lehrer und Absolventen der Schulen 2002 bis 2011; eigene Berechnungen
  • 19. 19 Die Integrationskraft der Schulsysteme ist unterschiedlich ausgeprägt In der unteren Gruppe finden sich, analog zum letzten Berichtsjahr, ausschließlich ostdeutsche Länder. Im Osten werden demnach weiterhin anteilig mehr Kinder und Jugendliche als Förderschüler eingestuft als im Westen. Exklusionsquoten in Deutschland: In Berlin, Bremen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-­ Holstein ist das Risiko, eine Förderschule zu besuchen, am geringsten. Der Anteil der Schüler mit besonderem Förderbedarf, der gesondert in Förder­ schulen unterrichtet wird, ist bundesweit in den letzten Jahren zwar von 5,0 auf 4,8 Prozent zurückgegangen; mit Blick auf die Schulsysteme in den Bundesländern zeigt sich aber, dass der Anteil der abseits des Regelschulsystems in Förderschulen unterrichteten Schüler in einigen Ländern sogar bei über 7 Prozent liegt. In der Anteil der Schüler mit besonderem Förderbedarf, die gesondert in Förderschulen unterrichtet werden, an allen Schülern, Schuljahr 2011/12 (Exklusionsquote) Länder mit niedrigeren Exklusionsquoten Berlin Bremen Rheinland-Pfalz Schleswig-Holstein Länder mit mittleren Exklusionsquoten Baden-Württemberg Bayern Brandenburg Hamburg Hessen Niedersachsen Saarland Thüringen Länder mit höheren Exklusionsquoten Mecklenburg-Vorpommern Nordrhein-Westfalen Sachsen Sachsen-Anhalt Exklusionsquote 3,5 4,7 5,7 0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 5,0 5,5 6,0 6,5 7,0 7,5 8,0 Schüler der Jahrgangsstufen 1 bis 10 Angaben in Prozent Quelle: KMK: Sonderpädagogische Förderung in allgemeinen Schulen 2011/2012; Sonderpädagogische ­Förderung in ­Förderschulen 2011/2012; KMK: Schüler, Klassen, Lehrer und Absolventen der Schulen 2002 bis 2011; eigene Berechnungen
  • 20. 20 Nach wie vor unterschiedliche Bildungschancen in den Bundesländern oberen Gruppe bzw. den vier Ländern mit den vergleichsweise niedrigsten Exklusi- onsquoten werden durchschnittlich nur halb so viel, nämlich 3,5 Prozent der Schü- ler, gesondert in Förderschulen unterrichtet wie in einzelnen Ländern der unteren Gruppe. Tendenziell werden Schüler mit besonderem Förderbedarf im Osten Deutsch- lands eher separat unterrichtet als im Westen. Die östlichen Bundesländer mit den zumeist höheren Exklusionsquoten konnten aber im Berichtszeitraum den Aus- schluss aus der Regelschule deutlich verringern: Der Anteil der Förderschüler sank etwa in Mecklenburg-Vorpommern von 8,9 Prozent im Schuljahr 2009/10 auf 7,6 Prozent im Schuljahr 2011/12 oder in Sachsen-Anhalt von 8,3 auf 7,5 Prozent. Die Chancen, eine Ganztagsschule zu besuchen, sind in den Stadtstaaten und im Osten höher als im Süden Deutschlands. Anteil der Schüler im Ganztagsbetrieb an allen Schülern, Primarstufe und Sekundarstufe I, 2010 Länder mit höheren Anteilen an Ganztagsschülern Berlin Hamburg Sachsen Thüringen Länder mit mittleren Anteilen an Ganztagsschülern Brandenburg Bremen Hessen Mecklenburg-Vorpommern Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Sachsen-Anhalt Schleswig-Holstein Länder mit niedrigeren Anteilen an Ganztagsschülern Baden-Württemberg Bayern Rheinland-Pfalz Saarland Anteil der Ganztagsschüler 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 58,4 31,2 14,2 Angaben in Prozent Quelle: KMK: Allgemeinbildende Schulen in Ganztagsform in den Ländern in der Bundesrepublik Deutschland 2006–2010; KMK: Schüler, Klassen, Lehrer und Absolventen der Schulen 2001 bis 2010; eigene Berechnungen
  • 21. 21 Durchlässiger sind die Schulsysteme in den östlichen Bundesländern und in Hamburg Der vermehrte Ausbau ganztagsschulischer Angebote der letzten Jahre setzt sich fort. So sind im Jahr 2010 in der Primarstufe und der Sekundarstufe I bundesweit über die Hälfte aller Schulen in Ganztagsform organisiert. Zugleich nutzen die Schüler dieses Angebot häufiger: Insgesamt sind 28,1 Prozent aller Schüler der Pri- mar- und Sekundarstufe I Ganztagsschüler. Der Blick in die Bundesländer offen- bart, dass die Angebote sehr unterschiedlich genutzt werden: So liegt der Mittelwert der oberen Gruppe bei 58,4 Prozent Schüler im Ganztagsbetrieb, während der Wert der unteren Ländergruppe mit 14,2 Prozent knapp 45 Prozentpunkte unter dem Mittelwert der erfolgreicheren Länder liegt. Im Vergleich zum Jahr 2009 haben sich in allen drei Ländergruppen die durch- schnittlichen Werte der Anteile von Schülern im Ganztag an allen Schülern erhöht. Wie im letzten Berichtsjahr besuchen in den Stadtstaaten sowie in den östlichen Ländern vermehrt Schüler den Ganztag, während die Beteiligung im Süden Deutschlands deutlich weniger ausgeprägt ist. 2. Durchlässiger sind die Schulsysteme in den östlichen Bundesländern und in Hamburg. Die Dimension »Durchlässigkeit« informiert darüber, inwiefern die Schulsysteme den Schülern Zugangsmöglichkeiten zu und Übergangsmöglichkeiten zwischen den verschiedenen Schulstufen und Schularten gewähren. Konkret geht es um Auf- und Abwärtsbewegungen sowie um Anschlüsse und Übergänge. Um zu schauen, wie durchlässig ein Schulsystem ist, werden etwa der Übergang auf das Gymna- sium und die Wechsel auf höhere oder niedrigere Schularten in den Blick genom- men. Ebenso werden das Risiko einer Klassenwiederholung und die gewährten An- schlussmöglichkeiten der Schulsysteme betrachtet. In jedem der hier betrachteten Schulsysteme sind Selektionsmechanismen be- sonders an den Übergangsschwellen zu beobachten. Wenn es diese Mechanismen gibt, muss dafür gesorgt werden, dass sie so fair wie möglich erfolgen, beispiels- weise unabhängig vom sozialen Hintergrund der Schüler. Die Ergebnisse im Einzelnen Während in Berlin, Brandenburg, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern durchschnitt- lich etwa jeder zweite Schüler nach der Grundschule auf ein Gymnasium übergeht, wech- seln in Bayern, Baden-Württemberg, Bremen und Schleswig-Holstein durchschnittlich 40 Prozent eines Jahrgangs auf das Gymnasium. Im Schuljahr 2011/12 wechseln insgesamt 727.312 Schüler von der Grundschule in die weiterführende Schule. Dabei verzeichnet der Übergang auf das Gymnasium
  • 22. 22 Nach wie vor unterschiedliche Bildungschancen in den Bundesländern mit bundesweit gut 42 Prozent den größten Anteil gegenüber anderen weiterführen- den Schularten. Vergleicht man die Übergangsanteile einzelner Bundesländer, zeigen sich sehr unterschiedliche Anteile im Übergang von der Grundschule auf das Gymnasium – also der Schulart, die in allen 16 Bundesländern zum Abitur führt. Während in der oberen Gruppe knapp die Hälfte aller Kinder auf das Gymnasium übergeht, gelingt dies in der unteren Ländergruppe um zehn Prozentpunkte weniger Schülern. Die Stadtstaaten stechen beim Vergleich besonders heraus: In Hamburg und Berlin ge- lingt der Übergang mehr als der Hälfte aller Schüler, Bremen dagegen erreicht ei- nen Tiefstwert von 27,2 Prozent. Im letzten Berichtsjahr wechselten in Bremen noch 41,6 Prozent der Schüler von der Grundschule auf das Gymnasium. Hier Anteil der Fünftklässler, die nach der Grundschule auf ein ­Gymnasium übergingen, Schuljahr 2011/12 Länder mit höheren Anteilen des Übergangs zum Gymnasium Berlin* Brandenburg* Hamburg Mecklenburg-Vorpommern* Länder mit mittleren Anteilen des Übergangs zum Gymnasium Hessen Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Rheinland-Pfalz Saarland Sachsen Sachsen-Anhalt Thüringen Länder mit niedrigeren Anteilen des Übergangs zum Gymnasium Baden-Württemberg Bayern Bremen Schleswig-Holstein 49,6 Anteile Übergang zum Gymnasium 42,3 39,6 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 * In Berlin und Brandenburg werden neben den Übergängen aus der 6-jährigen Grundschule auch die Übergänge von Jahr- gangsstufe 6 in Jahrgangsstufe 7 des Gymnasiums einbezogen, also jene Schüler, deren Übergang bereits zwei Jahre zuvor (in Jahrgangsstufe 5) auf ein grundständiges Gymnasium erfolgte. Besonderheiten wurden auch in Mecklenburg-Vorpom- mern berücksichtigt: Dort besuchen die Schülerinnen und Schüler seit 2006/07 die Jahrgangsstufen 5 und 6 als Orientie- rungsstufe (vorwiegend an Schulen mit mehreren Bildungsgängen). Betrachtet werden daher in Jahrgangsstufe 7 die Über- gänge aus dieser Schulart. Dazu kommen diejenigen Schüler, die sich in Jahrgangsstufe 7 an Sport- und Musikgymnasien oder integrierten Gesamtschulen befinden (hier erfolgte der Übergang in die Sekundarschulart bereits in Jahrgangsstufe 5) (vgl. zu diesem Vorgehen: Nationaler Bildungsbericht 2012, Tab. D1-2A). Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 11, Reihe 1, 2011/2012; eigene Berechnungen
  • 23. 23 Durchlässiger sind die Schulsysteme in den östlichen Bundesländern und in Hamburg könnte der Schwund mit der Einführung der Oberschule als neuer Schulart zu er- klären sein, die ebenfalls den Weg zum Abitur ermöglicht. Dieser Befund zeigt exemplarisch, dass es zukünftig schwierig sein wird, die Durchlässigkeit der Schulsysteme anhand des Gymnasialübergangs abzubilden, da sich viele Länder in Richtung Zweigliedrigkeit bewegen. Die vermehrte Entkopp- lung von Schulart und Schulabschluss durch neu etablierte Schularten lässt nicht mehr zwangsläufig einen Rückschluss von besuchter Schulart auf den wahrschein- lich zu erwerbenden Abschluss zu. Schulartwechsler in Deutschland: Das Risiko, in der Mittelstufe in eine niedrigere Schulart wechseln zu müssen, ist im Durchschnitt in Berlin, Bremen, Hessen und Niedersachsen viermal so hoch wie in Baden-Württemberg, Brandenburg, Hamburg und Mecklenburg- Vorpommern. Alle 16 Schulsysteme in Deutschland sehen die Möglichkeit eines Schulartwechsels innerhalb der Sekundarstufe vor, der zumeist auf Basis der schulischen Leistung erfolgt. Generell gibt es kein Bundesland, das mehr Aufwärts- als Abwärtswechsel verzeichnet. Betrachtet man die Schulwechsel in den Ländern, können sehr unter- Verhältnis von Aufwärts- zu Abwärtswechseln der Schüler in den Jahrgangsstufen 7 bis 9 im Schuljahr 2011/12 Länder mit niedrigeren Verhältniswerten Baden-Württemberg Brandenburg Hamburg Mecklenburg-Vorpommern Länder mit mittleren Verhältniswerten Bayern Nordrhein-Westfalen Rheinland-Pfalz Saarland Sachsen Sachsen-Anhalt Schleswig-Holstein Thüringen Länder mit höheren Verhältniswerten Berlin Bremen Hessen Niedersachsen Durchschnittliche Anzahl der Abwärtswechsel im Verhältnis zu einem Aufwärtswechsel 2,2 3,8 9,1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 11, Reihe 1, 2011/2012; eigene Berechnungen
  • 24. 24 Nach wie vor unterschiedliche Bildungschancen in den Bundesländern schiedliche Aufwärts-Abwärtswechsel-Verhältnisse beobachtet werden: Das Risiko eines Abwärtswechsels ist in den vier Bundesländern der unteren Gruppe mit den vergleichsweise meisten Abwärtswechseln im Verhältnis zu den Aufwärtswechseln mit einem Durchschnittswert von einem Aufwärts- zu rund neun Abwärtswech- seln mehr als viermal so hoch wie in den Ländern der oberen Gruppe: Hier kom- men auf einen Aufwärtswechsel durchschnittlich 2,2 Abwärtswechsel. Klassenwiederholungen in Deutschland: Das Risiko des Sitzenbleibens ist in der Gruppe der Länder mit den höchsten Wiederholeranteilen im Durchschnitt doppelt so hoch wie in der Gruppe der Länder mit den niedrigsten Wiederholeranteilen. Das Wiederholen einer Klasse wird hierzulande zunehmend kritisch gesehen und die pädagogische Wirksamkeit dieser Maßnahme infrage gestellt. Alle Bundeslän- Anteil der Wiederholer in der Sekundarstufe der Regelschulen an allen Schülern der Sekundarstufe (Schuljahr 2011/12) Länder mit niedrigeren Wiederholerquoten Baden-Württemberg Brandenburg Sachsen Schleswig-Holstein Thüringen Länder mit mittleren Wiederholerquoten Hamburg Nordrhein-Westfalen Rheinland-Pfalz Saarland Sachsen-Anhalt Länder mit höheren Wiederholerquoten Bayern Berlin Bremen Hessen Mecklenburg-Vorpommern Niedersachsen Wiederholerquote 1,6 2,3 3,6 0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 Sekundarstufe als Zusammenfassung von Sekundarstufe I und II Angaben in Prozent Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 11, Reihe 1, 2011/2012; eigene Berechnungen
  • 25. 25 Durchlässiger sind die Schulsysteme in den östlichen Bundesländern und in Hamburg der bemühen sich mittlerweile darum, die Quote der Klassenwiederholungen zu reduzieren. Trotz dieser Bemühungen wiederholen im Schuljahr 2011/12 bundes- weit 142.018 Schüler in der Sekundarstufe eine Klasse. Dies entspricht einem Anteil von 2,7 Prozent aller Schüler im Bereich der Sekundarstufe I und II. Dass Klassenwiederholungen in der Praxis der Bundesländer sehr unterschied- lich angewendet werden, zeigen die stark abweichenden Gruppenwerte: In der obe- ren Gruppe der Bundesländer mit niedrigen Wiederholerquoten, zu der Baden- Württemberg, Brandenburg, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen gehören, wiederholen durchschnittlich 1,6 Prozent der Sekundarstufenschüler eine Klasse; dagegen trifft dieses Los 3,6 Prozent der Schüler in der unteren Gruppe mit höheren Wiederholerquoten, zu der Bayern, Berlin, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpom- mern und Niedersachsen gehören. Neuzugänge im Dualen System mit maximal Hauptschulabschluss an allen Neuzu­ gängen mit maximal Hauptschulabschluss, 2011 Länder mit höheren Anteilen an Neuzugängen mit max. Hauptschulabschluss Bayern Brandenburg Mecklenburg-Vorpommern Sachsen Länder mit mittleren Anteilen an Neuzugängen mit max. Hauptschulabschluss Berlin Bremen Hamburg Hessen Rheinland-Pfalz Saarland Thüringen Länder mit niedrigeren Anteilen an Neuzugängen mit max. Hauptschulabschluss Baden-Württemberg Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Sachsen-Anhalt Schleswig-Holstein Anteil Neuzugänge im Dualen System mit max. Hauptschulabschluss 51,2 41,4 37,2 0 2,5 5,0 7,5 10,0 12,5 15,0 17,5 20,0 22,5 25,0 27,5 30,0 32,5 35,0 37,5 40,0 42,5 45,0 47,5 50,0 52,5 55,0 57,5 60,0 Angaben in Prozent Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder: Anzahl Neuzugänge verteilt auf die drei Sektoren des beruflichen Ausbildungssystems im Jahr 2011; eigene Berechnungen
  • 26. 26 Nach wie vor unterschiedliche Bildungschancen in den Bundesländern Übergänge in das Duale System im Bundesländervergleich: Bayern, Brandenburg, Meck- lenburg-Vorpommern und Sachsen bieten Schülern mit maximal Hauptschulabschluss ver- gleichsweise bessere Chancen, einen Ausbildungsplatz zu erhalten. Das Berufsbildungssystem in Deutschland lässt sich in die drei Sektoren Duales System, Schulberufssystem und Übergangssystem gliedern. Der Besuch des ­Dualen Systems als beruflich qualifizierendes Angebot im berufsbildenden Sektor ver- spricht mit die größten Chancen auf einen späteren Arbeitsplatz. Somit ist der faire Zugang zum Dualen System bedeutsam. Es zeigt sich jedoch eine deutliche Be- nachteiligung gering qualifizierter Schüler ohne oder mit maximal Hauptschulab- schluss gegenüber höher Qualifizierten. Bundesweit münden 169.006 Neuzugänge mit maximal Hauptschulabschluss neu in das Duale System ein. Dies entspricht einem Anteil von 40,9 Prozent an allen Neuzugängen im Berufsbildungssystem mit maximal Hauptschulabschluss. Wäh- rend die durchschnittliche Chance in Bayern sowie in den drei ostdeutschen Län- dern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen mit 51,2 Prozent am höchsten ist, gelingt dies nur 37,2 Prozent der Neuzugänge mit maximal Haupt- schulabschluss in den Ländern der unteren Gruppe, zu der Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein ge- hören. Bei der Interpretation dieser Ergebnisse fallen neben schulischen besonders auch demographische Aspekte und die aktuelle wirtschaftliche Lage des jeweiligen Bundeslandes ins Gewicht. Im Vergleich zum Jahr 2009 geht der Anteil der Neuzugänge im Dualen System mit maximal Hauptschulabschluss bundesweit sogar um 0,6 Prozentpunkte zu- rück. Die Aussichten der Schüler mit maximal Hauptschulabschluss, in eine Aus- bildung einzumünden, haben sich also eher noch etwas verschlechtert. 3. Kompetenzen werden im Osten und im Süden besser gefördert. Wie gut gelingt es den Schulsystemen, die Lesekompetenzen der Schüler zu fördern – angemessen und ungeachtet ihres sozioökonomischen und ethnischen Hintergrunds? Darüber gibt die Dimension »Kompetenzförderung« Auskunft. Die herangezogenen Schulleistungsdaten aus den Untersuchungen zu den Bildungsstandards geben die Kompetenzstände für den Primarbereich (Viertklässler) im Jahr 2011 wieder. Die Lesekompetenz wird stellvertretend für alle Kompetenzen untersucht, da ihr eine Schlüsselrolle zugeschrieben wird: Sie ist auch für den Erwerb anderer Kompe- tenzen zentral und gilt als Grundvoraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe. Schwächen in der Lesekompetenz können zu Bildungsungleichheit und materieller Ungleichheit führen. Zu den untersuchten Indikatoren innerhalb dieser Dimension gehören die Lese- kompetenzen der Viertklässler in den Ländern sowie die Unterschiede zwischen
  • 27. 27 Kompetenzen werden im Osten und im Süden besser gefördert den stärksten und schwächsten Schülern. Ein neu hinzugenommener Indikator im Chancenspiegel 2013 ist die Leistungsstreuung um den Ländermittelwert. Dieser Indikator drückt aus, inwiefern die jeweiligen Schulsysteme alle ihre Schüler errei- chen. Außerdem wird sichtbar, inwiefern es den Ländern gelingt, sowohl hohe Leis- tungsmittelwerte als auch geringe Streuungen zu erreichen. Die Ergebnisse im Einzelnen Lesekompetenz in der Primarstufe: Die Schüler in den Stadtstaaten bleiben etwa ein hal- bes Jahr hinter den Schülern in Bayern sowie in den drei ostdeutschen Ländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zurück. Der Blick in die Bundesländer offenbart eine ausgeprägte Leistungsheterogenität der Schulsysteme. Der nationale Mittelwert bezogen auf die Lesekompetenz liegt bei 500 Leistungspunkten. Die Länder der oberen Gruppe, zu der Bayern, Sachsen, Erreichte Mittelwerte in der Lesekompetenz von Schülern der ­Klasse 4 in den Untersuchungen zu den Bildungsstandards, 2011 Länder mit höheren Kompetenzwerten Bayern Sachsen Sachsen-Anhalt Thüringen Länder mit mittleren Kompetenzwerten Baden-Württemberg Brandenburg Mecklenburg-Vorpommern Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Saarland Schleswig-Holstein Länder mit niedrigeren Kompetenzwerten Berlin Bremen Hamburg Hessen Rheinland-Pfalz Lesekompetenzpunkte 512 498 479 450 455 460 465 470 475 480 485 490 495 500 505 510 515 520 Quelle: Stanat et al. 2012; eigene Berechnungen
  • 28. 28 Nach wie vor unterschiedliche Bildungschancen in den Bundesländern Sachsen-Anhalt und Thüringen gehören, erreichen durchschnittlich 512 Punkte und liegen damit 33 Punkte über dem Durchschnitt der Länder der unteren Gruppe (479 Punkte). Dies bedeutet, dass Kinder in Bayern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen bereits in der Grundschule einen Leistungsvorsprung von ungefähr ei- nem halben Schuljahr vorweisen im Vergleich zu den Stadtstaaten sowie zu Hessen und Rheinland-Pfalz. Auffällig ist zudem die relativ hohe Streuung der Werte in der unteren Ländergruppe. Sie beträgt bis zu 30 Leistungspunkten; es handelt sich also wieder um eine Differenz von etwa einem halben Schuljahr. Leistungsstreuungen und Kompetenzwerte der Schüler in der Primarstufe: Thüringen und Baden-Württemberg gelingt es am besten, hohe Kompetenzwerte zu erzielen und dabei die Leistungsabstände gering zu halten. Anhand der Leistungsstreuung können Aussagen darüber gemacht werden, inwie- weit alle Schüler eines Jahrgangs erreicht bzw. gefördert werden. Eine hohe Streu- Leistungsstreuungen der Schüler der Klasse 4, gemessen an den Standard­ abweichungen im Kompetenzbereich Lesen in den Untersuchungen zu den ­Bildungsstandards, 2011 Länder mit niedrigerer Leistungsstreuung Baden-Württemberg Brandenburg Nordrhein-Westfalen Thüringen Länder mit mittlerer Leistungsstreuung Bremen Hamburg Niedersachsen Rheinland-Pfalz Sachsen Schleswig-Holstein Länder mit höherer Leistungsstreuung Bayern Berlin Hessen Mecklenburg-Vorpommern Saarland Sachsen-Anhalt Standardabweichung 95 101 104 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 Quelle: Stanat et al. 2012; eigene Berechnungen
  • 29. 29 Kompetenzen werden im Osten und im Süden besser gefördert ung bedeutet, dass die Leistungsunterschiede größer sind. Weisen etwa Länder mit hoher Kompetenzausprägung eine breite Wertestreuung auf, bedeutet dies, dass sie nicht nur sehr gute, sondern gleichzeitig auch Schüler mit Kompetenzdefiziten her- vorbringen. Im Optimalfall sollte das Kompetenzniveau hoch und die Streuung gleichzeitig niedrig sein: Ein Schulsystem sollte also das Leistungsvermögen stei- gern und dabei den Abstand zwischen den erfolgreichen Schülern und den Schü- lern mit Schwierigkeiten verringern. Bezüglich der Leistungsstreuung schneiden im Bundesländervergleich Baden- Württemberg, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Thüringen besser ab als an- dere Bundesländer. Auffällig ist, dass mit Bayern und Sachsen-Anhalt zwei Länder mit höheren mittleren Kompetenzwerten zur unteren Gruppe der sechs Länder mit den größeren Leistungsstreuungen gehören. Führt man jetzt die Merkmale »Leistungsmittelwert« und »Leistungsstreuung« zusammen, wird deutlich, dass es nur wenigen Ländern gelingt, in beiden Berei- chen erfolgreich abzuschneiden. Die Ergebnisse aus Baden-Württemberg und Thü- ringen zeigen, dass auch Länder mit überdurchschnittlichen Kompetenzwerten die geringsten Leistungsunterschiede innerhalb der Schülerschaft aufweisen. Auf der anderen Seite weisen unter anderem diejenigen Länder hohe Varianzen auf, deren Schüler im Vergleich die niedrigsten Kompetenzwerte erzielen. Dies trifft vor allem für die Stadtstaaten zu. Mittlere Kompetenzwerte im Lesen von Schülern der Klasse 4 und Leistungs­ streuungen, gemessen an den Standardabweichungen, 2011 Lesekompetenzpunkte Standard- abweichung Baden-Württemberg Sachsen Thüringen Bayern Niedersachsen Sachsen-Anhalt Berlin Bremen Hamburg Hessen Mecklenburg-Vorpommern Rheinland-Pfalz Saarland Brandenburg Nordrhein-Westfalen Schleswig-Holstein 450 460 470 480 490 500 510 520 530 106 104 102 100 98 96 94 92 90 Quelle: Stanat et al. 2012; eigene Berechnungen
  • 30. 30 Nach wie vor unterschiedliche Bildungschancen in den Bundesländern Lesekompetenz der leistungsschwächsten und leistungsstärksten Schüler: Sachsen und Sachsen-Anhalt fördern die Potenziale der leistungsstärksten wie der leistungsschwächs- ten Schüler am besten. Vergleicht man die Länder hinsichtlich der leistungsstärksten wie der leistungs- schwächsten zehn Prozent der getesteten Schüler, wird erneut deutlich, dass sich die Schulsysteme stark unterscheiden. Die vier Bundesländer der oberen Gruppe, die die leistungsstärksten zehn Prozent der Schüler am erfolgreichsten fördern, weisen in der Lesekompetenz einen durch- schnittlichen Wert von 633 Punkten auf. Zur durchschnittlichen Lesekompetenz der unteren Gruppe der Bundesländer besteht ein Abstand von 30 Kompetenzpunkten. Ähnlich verhält es sich im Hinblick auf die leistungsschwächsten zehn Prozent der getesteten Schüler. Vergleicht man die erreichten Kompetenzwerte der Länder, so besteht zwischen der oberen und der unteren Gruppe sogar ein Abstand von 46 Punkten. Innerhalb der unteren Gruppe ist sowohl bei den stärksten als auch bei den schwächsten Schülern eine sehr breite Streuung vorhanden. Das bedeutet für Mindestens erreichte Kompetenzwerte der leistungsstärksten zehn Prozent der Schüler in den Untersuchungen zu den Bildungsstandards Lesekompetenz Deutsch, 2011 Quelle: Stanat et al. 2012; eigene Berechnungen Länder mit höheren Kompetenzwerten Bayern Niedersachsen Sachsen Sachsen-Anhalt Länder mit mittleren Kompetenzwerten Baden-Württemberg Brandenburg Hessen Nordrhein-Westfalen Rheinland-Pfalz Saarland Schleswig-Holstein Thüringen Länder mit niedrigeren Kompetenzwerten Berlin Bremen Hamburg Mecklenburg-Vorpommern Lesekompetenzpunkte 633 620 603 585 590 595 600 605 610 615 620 625 630 635 640
  • 31. 31 Kompetenzen werden im Osten und im Süden besser gefördert die Gruppe der Leistungsschwachen, dass es hier einen großen Anteil an Schülern gibt, die nochmals unter dem unteren durchschnittlichen Leistungsniveau liegen – ein bedenklicher Zustand. Soziale Herkunft und Kompetenzerwerb in der Primarstufe: In Sachsen liegen Schüler aus sozial schwachen Familien gegenüber den privilegierteren Schülern ein Dreivierteljahr zurück; in Bayern, Bremen, Hamburg und Hessen beträgt der Abstand dagegen mehr als ein Jahr. Der Zusammenhang von Leistung und sozialer Herkunft war einer der auffälligs- ten Befunde der ersten internationalen Leistungsvergleichsstudien. Die im Chancenspiegel herangezogene Untersuchung des Instituts für Quali- tätsentwicklung im Bildungswesen belegt diesen Zusammenhang erneut für den Primarbereich in Deutschland. Bei Kindern höherer sozialer Herkunft lässt sich bundesweit ein durchschnittlicher Kompetenzvorsprung von 81 Punkten messen. Unter diesem Durchschnittswert, der einem Lernvorsprung von etwa einem Schul- Höchstens erreichte Kompetenzwerte der leistungsschwächsten zehn Prozent der Schüler in den Untersuchungen zu den Bildungsstandards, Lesekompetenz Deutsch, 2011 Quelle: Stanat et al. 2012; eigene Berechnungen Länder mit höheren Kompetenzwerten Baden-Württemberg Sachsen Sachsen-Anhalt Thüringen Länder mit mittleren Kompetenzwerten Bayern Brandenburg Hessen Mecklenburg-Vorpommern Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Rheinland-Pfalz Schleswig-Holstein Länder mit niedrigeren Kompetenzwerten Berlin Bremen Hamburg Saarland Lesekompetenzpunkte 387 369 341 320 325 330 335 340 345 350 355 360 365 370 375 380 385 390 395
  • 32. 32 Nach wie vor unterschiedliche Bildungschancen in den Bundesländern jahr gleichkommt, bleiben die Länder der oberen Gruppe wie Brandenburg, Meck- lenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und Sachsen mit einem durchschnittlichen Vorsprung von 62 Punkten. In der unteren Gruppe der vier Bundesländer mit den größeren Abständen beträgt der Vorsprung 92 Punkte: In Bayern, Bremen, Ham- burg und Hessen bleiben Kinder aus sozial schwachen Familien im Durchschnitt also mehr als ein Jahr hinter Schülern aus oberen Sozialschichten zurück. 4. Bei den Schulabschlüssen bieten Nordrhein-Westfalen, Hessen und der ­Südwesten mit Baden-Württemberg und dem Saarland größere Chancen. Die Chancengerechtigkeit eines Schulsystems bemisst sich auch an der Hochwer- tigkeit seiner Abschlüsse. Denn höherwertige Abschlüsse führen zu mehr An- schlussmöglichkeiten, die gleichzeitig als Lebenschancen aufzufassen sind. Als an- gemessen gilt eine Zertifikatsvergabe dann, wenn Abschlüsse nach den an sie ge- stellten Anforderungen vergeben werden und sie über die Bundesländer hinweg Abstände von Kindern in den erreichten Kompetenzpunkten im Lesen aus den oberen Sozialschichten (EGP-Klassen I–II) zu denen aus den unteren Sozialschichten (EGP-Klassen V–VII), 2011 Quelle: Stanat et al. 2012; eigene Berechnungen Länder mit geringeren Abständen in den Kompetenzwerten Brandenburg Mecklenburg-Vorpommern Rheinland-Pfalz Sachsen Länder mit mittleren Abständen in den Kompetenzwerten Baden-Württemberg Berlin Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Saarland Sachsen-Anhalt Schleswig-Holstein Thüringen Länder mit größeren Abständen in den Kompetenzwerten Bayern Bremen Hamburg Hessen Abstände in Kompetenzpunkten 62 80 92 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 100 105
  • 33. 33 Bei den Schulabschlüssen bieten einige Bundesländer größere Chancen vergleichbar sind. So sollten etwa in Bayern dieselben Kenntnisse und Fähigkeiten zum Abitur führen wie in Mecklenburg-Vorpommern. In dieser Dimension wird sowohl der maximale Erfolg (der Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung) als auch der maximale Misserfolg (kein schulischer Abschluss) in den Schulsystemen der Länder betrachtet. Die Ergebnisse im Einzelnen Erwerb der Hochschulreife in den allgemeinbildenden und beruflichen Schulen: Die besten Chancen auf eine Hochschulzugangsberechtigung bestehen für die Schüler in Baden- Württemberg, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und im Saarland. Anteil der Absolventen mit Hochschulreife an der gleichaltrigen Wohnbevölkerung aus den allgemeinbildenden und beruflichen Schulen, 2011 * Für Bayern und Niedersachsen werden aufgrund des doppelten Abiturjahrgangs 2011 die Daten aus dem Jahr 2010 verwendet. Anteil an der gleichaltrigen Wohnbevölkerung nach dem Quotensummenverfahren; gleichaltrige Wohnbevölkerung zum Stichtag 31.12. des jeweiligen Vorjahres Angaben in Prozent Quellen: Statistisches Bundesamt, Fachserie 11, Reihe 1, 2011/2012; Statistisches Bundesamt und Statistische ­Landesämter: Bevölkerungsstatistik; eigene Berechnungen Länder mit höheren Absolventenquoten Baden-Württemberg Hamburg Nordrhein-Westfalen Saarland Länder mit mittleren Absolventenquoten Berlin Brandenburg Bremen Hessen Niedersachsen* Rheinland-Pfalz Schleswig-Holstein Thüringen Länder mit niedrigeren Absolventenquoten Bayern* Mecklenburg-Vorpommern Sachsen Sachsen-Anhalt Absolventenquote 58,3 49,6 40,6 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65
  • 34. 34 Nach wie vor unterschiedliche Bildungschancen in den Bundesländern Die Fachhochschulreife und die allgemeine Hochschulreife sind die beiden höchs- ten allgemeinbildenden Schulabschlüsse. Bundesweit erwerben im Abschlussjahr 2011 insgesamt 453.774 Absolventen die Hochschulreife in den allgemeinbildenden und beruflichen Schulen. Dies entspricht einem Anteil von 51,1 Prozent, gemessen an der gleichaltrigen Bevölkerung. Nach Ländergruppen differenziert zeichnet sich ab, dass innerhalb der oberen Gruppe sogar durchschnittlich über 58 Prozent der gleichaltrigen Wohnbevölkerung die Hochschulreife erwerben. In der unteren Gruppe sind hingegen mit 40,6 Prozent – trotz der gestiegenen Absolventenanteile – Länder auszumachen, in denen deutlich weniger Hochschulzugangsberechtigun- gen vergeben werden. Dies ist vor allem in Bayern sowie in den ostdeutschen Län- dern Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt der Fall. Im Vergleich zum Abschlussjahr 2009 ist eine insgesamt positive Tendenz fest- zustellen: Sowohl der bundesweite Anteil als auch die Ländergruppenwerte ver- zeichnen einen Zuwachs an Absolventen mit (Fach-)Abitur. Jedoch sinkt die Absol- Anteil der Abgänger ohne Hauptschulabschluss an der ­gleichaltrigen Wohnbevölkerung, 2011 Anteil an der gleichaltrigen Wohnbevölkerung nach dem Quotensummenverfahren; gleichaltrige Wohnbevölkerung zum Stichtag 31.12. des jeweiligen Vorjahres Angaben in Prozent Quellen: Statistisches Bundesamt, Fachserie 11, Reihe 1, 2011/2012; Statistisches Bundesamt und Statistische ­Landesämter: Bevölkerungsstatistik; eigene Berechnungen Länder mit niedrigeren Abgängerquoten Baden-Württemberg Bayern Hessen Saarland Länder mit mittleren Abgängerquoten Brandenburg Bremen Hamburg Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Rheinland-Pfalz Schleswig-Holstein Thüringen Länder mit höheren Abgängerquoten Berlin Mecklenburg-Vorpommern Sachsen Sachsen-Anhalt Abgängerquote 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 5,2 6,1 10,5
  • 35. 35 Bei den Schulabschlüssen bieten einige Bundesländer größere Chancen ventenquote in einigen ostdeutschen Bundesländern (Brandenburg, Sachsen, Sach- sen-Anhalt und Thüringen). Das Risiko eines fehlenden Schulabschlusses ist in Ostdeutschland höher als in West- deutschland. In Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt ist dieses Risiko im Durchschnitt doppelt so hoch wie in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und im Saarland. Im Abgangsjahr 2011 verlassen deutschlandweit 49.560 Schüler ihre Schulen, ohne einen Hauptschulabschluss erworben zu haben. Dies entspricht einem Anteil von 6,2 Prozent. Auffällig: Während in der oberen Gruppe 5,2 Prozent der Jugendlichen die Schule ohne Abschluss verlassen, trifft dieses Risiko 10,5 Prozent der gleichalt- rigen Wohnbevölkerung aus der unteren Gruppe – also doppelt so häufig. Zudem ist die Wertespanne in der unteren Gruppe im Vergleich relativ weit: von über 9 Pro- zent bis zu 13,3 Prozent Abgänger ohne Hauptschulabschluss. Auch bei diesem Indikator sind die ostdeutschen Länder in besonderem Maße negativ betroffen. Während in den südwestlichen Flächenländern Baden-Württemberg und Bayern sowie in Hessen und im Saarland das Risiko, die Schule ohne einen Abschluss zu verlassen, am geringsten ist, fällt es in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg- Vorpommern sowie im Stadtstaat Berlin am höchsten aus. Im Vergleich zum Abgangsjahr 2009 verlassen im Jahr 2011 bundesweit und gruppenbezogen weniger Abgänger ohne Abschluss die Schule. Einzig in Bremen ist der Anteil der Abgänger ohne Hauptschulabschluss leicht gewachsen (um 0,5 Prozent). In den Ländern Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein ist der Anteil gleich geblieben.
  • 36.
  • 37. 37 IV Rückblick Ganztagsschulausbau: Die meisten Bundesländer investieren nur wenig in den gebundenen Ganztag Bis auf Niedersachsen haben die Bundesländer beim Ausbau der Ganztagsschule vor allem in die offene Form investiert – und nicht in die gebundene Form, die eher allen Schülern zugutekommt und soziale Benachteiligungen mindert. Die im Chancenspiegel vorgenommene Analyse der finanziellen Fördermaßnah- men der Bundesländer im Rahmen des bundesweiten Programms »Investition Zu- kunft Bildung und Betreuung« zeigt, dass in erster Linie die offene Ganztagsform monetär bezuschusst wurde. Lediglich Niedersachsen hat den gebundenen Ganz- tag im Vergleich häufiger gefördert. Mit Blick auf die empirische Forschung gilt aber gerade die gebundene Ganztagsschule als wirksamer im Hinblick auf die Bil- dungschancen der Kinder und Jugendlichen. Diese Investitionsentscheidungen stehen in einem Kontrast zu den hohen Er- wartungen an die Verbesserung von Bildungschancen, die in den Bundesländern mit dem Ausbau des Ganztags verbunden werden. Das zeigt sich auch in der ver- gleichsweise geringfügigen Bereitstellung zusätzlicher Lehrerstellen für Ganztags- schulen, wie weitergehende Analysen in der Hauptpublikation des Chancenspiegels zeigen.
  • 38. 38 Rückblick Ganztagsschulausbau Verteilung der IZBB-Fördermaßnahmen auf die Organisations­formen des Ganztags je Land*, 2003–2009 0,5 0,6 20,00,0 40,0 60,0 80,0 100,0 BW BY BE BB HB HH HE MV NI NW RP SL SN ST SH TH Offene Form/Hort Teilgebundene Form Gebundene Form 19,8 13,5 7,2 45,0 16,0 10,8 32,7 36,3 23,8 13,6 21,1 20,0 20,7 17,5 15,0 10,6 20,7 59,1 4,8 4,1 16,3 17,9 8,1 20,4 59,1 84,9 80,0 72,1 37,5 69,1 78,6 46,6 31,0 94,6 95,4 47,5 58,3 91,9 66,0 10,0 0,0 0,0 1,6 Angaben in Prozent *Für Rheinland-Pfalz liegen keine relevanten Informationen vor (Angaben zur Organisationsform).
  • 39. Die Langfassung der Ergebnisse des Chancenspiegels ist erhältlich als Printausgabe und als E-Book. Faire Chancen für alle Schülerinnen und Schüler – das bleibt eine zentrale Heraus- forderung für die deutschen Schulsysteme. Die Studie »Chancenspiegel 2013« ­belegt, wie integrativ und durchlässig die Schulsysteme in den 16 Bundesländern sind, wie erfolgreich sie Kompetenzen fördern und hochwertige Abschlüsse ermög- lichen. Sie ­basiert auf vorhandenen Daten der Schulstatistik und der Schulleis- tungsvergleiche. Beschrieben werden im quantitativen Teil der aktuelle Status quo sowie erste ­Veränderungen in den Schulsystemen. Der anschließende Thementeil stellt Strategien vor, mit denen die Bundes­länder an besseren Chancen für alle Kin- der und Jugend­lichen arbeiten. Im Fokus der diesjährigen Ausgabe steht der schu- lische Ganztag. www.bertelsmann-stiftung.de/verlag www.chancen-spiegel.de Bertelsmann Stiftung, Institut für Schulentwicklungsforschung Dortmund, Institut für Erziehungswissenschaft Jena (Hrsg.) Chancenspiegel 2013 Zur Chancengerechtigkeit und Leistungsfähigkeit der deutschen Schulsysteme mit einer Vertiefung zum schulischen Ganztag 260 Seiten, Broschur ¤ 22,– (D) / sFr. 31,50 ISBN 978-3-86793-505-0 Bertelsmann Stiftung, Institut für Schulentwicklungsforschung Dortmund, Institut für Erziehungswissenschaft Jena (Hrsg.) Chancenspiegel 2013 Zur Chancengerechtigkeit und Leistungsfähigkeit der deutschen Schulsysteme