In dem Artikel geht es um die Frage, ob sich Anleger und Trader rational oder irrational verhalten und welche psychologischen und physiologischen Gründe dies hat. Die typischen Fallen werden aufgezeigt sowie deren Konsequenzen. Zum Schluss folgen einige Tipps für besseres, erfolgreicheres Agieren an der Börse.
Good Stuff Happens in 1:1 Meetings: Why you need them and how to do them well
Behavioral Finance - Grundlagen für Anleger und Trader
1. TRADERS´COVERSTORY
Der Schlüssel zu besseren Trading-Entscheidungen
Behavioral Finance
Die vorherrschende Kapitalmarkttheorie basiert auf der Annahme, dass alle Individuen ein rationales Verhalten an den Tag legen. Dabei wird unterstellt,
dass die Nutzenmaximierung im Mittelpunkt des Handelns aller Akteure steht und Entscheidungen stets auf der Basis einer vollständigen Verarbeitung
aller wesentlichen Informationen getroffen werden. Dass dem in der Praxis nicht so ist, kann wohl jeder Trader bestätigen. Daher sorgte nicht zuletzt die
Finanzmarktkrise für ein Umdenken und machte deutlich, dass die bisherigen Theorien der Realität angepasst und deshalb neu überdacht werden müssen.
o Behavioral Finance = Ökonomie + Psychologie
Der noch relativ junge Forschungszweig der Behavioral
Finance, der Ökonomie mit Psychologie verknüpft, setzt
genau hier an. Der Psychologe Amos Tversky legte mit dem
späteren Ökonomie-Nobelpreisträger Daniel Kahnemann die
Grundlagen für die verhaltensorientierte Kapitalmarktfor-schung.
Die Wissenschaftler machten Verhaltensmuster trans-parent,
die bis dahin von den Verfechtern rationaler Entschei-dungen
ignoriert wurden. Diese Verhaltensmuster entstehen,
weil das logische Denken – insbesondere in Situationen der
Unsicherheit – häufig von Gefühlen überlagert und außer
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Kraft gesetzt wird. Nicht nur für Wissenschaftler, sondern
gerade für Anleger und Trader lohnt sich daher ein genauer
Blick hinter die Kulissen des menschlichen Handelns.
Warum sich der Mensch selbst im Weg steht
Zu den wichtigsten Ursachen für das irrationale Verhalten
gehören – neben der Gehirnarchitektur selbst – psycho-logische
Beweggründe. Zum einen möchte der Mensch
seine eigene Lage und die der unmittelbaren Umwelt so
gut wie möglich unter Kontrolle halten. Aber weshalb hat
der Mensch ein Kontrollbedürfnis? Die Theorie des Kont-rollmotivs
geht davon aus, dass jeder Mensch das Bedürfnis
hat, sich als Verursacher von Veränderungen seiner Umwelt
wahrzunehmen, genauer gesagt: Ein Bedürfnis, der Über-zeugung
zu sein, Kontrolle über seine Umwelt und sein
Handeln zu besitzen. Hierdurch entsteht das Gefühl der
Kompetenz und der eigenen Wertschätzung, was zu einer
Steigerung des Selbstwertgefühls führt. Ein Verlust der Kon-trolle
kann dagegen schwerwiegende negative Auswirkun-gen
auf das Wohlbefinden haben.
Ein typischer Fall beim Trading: Viele Trader – aber auch
Analysten – wollen mit aller Gewalt die zukünftige Kursent-wicklung
vorhersagen statt einfach dem jeweiligen Markt
zu folgen und sich bei Bedarf schnell anzupassen. Dabei
sollte jedem klar sein, dass die krampfhafte Suche nach dem
Kognitive Dissonanzen
Nach fast allen Entscheidungen, bei denen die Wahl zwischen mehreren
Alternativen bestand, geraten Menschen in einen Zwiespalt. Dieser entsteht, wenn
die Alternative, für die sich die Person entschieden hat, negative Eigenschaften
besitzt und die verworfene Möglichkeit positive Merkmale aufweist. Dieser Zustand
löst ein unangenehmes Gefühl aus und wird in der Psychologie als „kognitive
Dissonanz“ bezeichnet. Die Dissonanztheorie besagt, dass jeder Mensch versucht,
Unstimmigkeiten in Wahrnehmung und Denken möglichst schnell zu beseitigen,
weil diese ein unangenehmes Gefühl auslösen. Je größer die kognitive Dissonanz
ist, desto stärker ist der Drang, sie zu reduzieren. Besteht eine starke emotionale
Bindung zwischen Entscheider und der Entscheidung selbst (hohes Commitment),
kann ein Rückgängigmachen der Entscheidung unmöglich werden.
2. TRADERS´COVERSTORY
Relativer Gewinn
B1) Dispositionseffekt
Relativer Verlust
Euro
Bewertung
Die Grafik zeigt, wie der Mensch Wertveränderungen wahrnimmt. Der Bezugspunkt in der Mitte repräsentiert
den Einstandskurs. Rechts vom Bezugspunkt zeigt sich eine positive (Gewinnzone), links davon eine negative
Bewertung (Verlustzone). Mit zunehmender Entfernung vom Bezugspunkt nimmt die Bewertung eines identischen
Geldbetrags ab. Zudem sieht man, dass die Wertfunktion im Verlustbereich steiler als im Gewinnbereich verläuft,
Verluste werden also meist stärker bewertet als Gewinne gleicher Höhe. Mit diesem Konzept lässt sich u.a. der
Dispositionseffekt erklären.
Quelle: TRADERS´ Grafik
perfekten Einstieg und Ausstieg unmöglich ist. Und auch gar
nicht nötig, um beim Trading Geld zu verdienen.
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Um dieses Kontrollbedürfnis befriedigen zu können, ist
eine Auflösung sogenannter „kognitiver Dissonanzen“notwendig,
die nach einer Entscheidung entstehen können.
Diese treten dann auf, wenn der Mensch bemerkt, dass eine
getroffene Entscheidung ungünstig war. Ist dies der Fall, lässt
sich die Dissonanz auf zwei Wegen verringern: Entweder
wird die Entscheidung – in der rationalen Variante – revidiert
oder man „korrigiert“ seine Einstellung mittels selektiver
Wahrnehmung so, dass die Entscheidung anscheinend nicht
mehr im Widerspruch zur Realität steht. Beispielsweise nei-gen
Anleger dazu, schlechte Nachrichten zu einer Aktie, die
sie im Depot haben, herunterzuspielen, während positive
Informationen übergewichtet werden.
Vereinfachen und schnell urteilen – Heuristiken
Menschen, die sich am Börsengeschehen beteiligen, stehen
häufig vor der schwierigen Aufgabe, in kurzer Zeit aus der
Menge der Informationen richtige Schlüsse ziehen zu müs-sen.
Die Behavioral Finance beschäftigt sich daher intensiv
mit der Anwendung von Daumenregeln, den sogenannten
„Heuristiken“. Es handelt sich hierbei um einen Automatis-mus,
der zur Reduzierung der Komplexität sowie zu einer
schnellen – aber in vielen Fällen nicht optimalen – Urteils-findung
eingesetzt wird. Dies kann sowohl bewusst als auch
unbewusst geschehen. Nachfolgend werden die wichtigsten
Heuristiken beschrieben.
Mentale Buchführung
Mit mentaler Buchführung wird die Gewohnheit des Men-schen
bezeichnet, die mögliche Abhängigkeit zwischen
den einzelnen in Frage kommenden Engagements und
Projekten zu vernachlässigen. Menschen haben daher nicht
die Gesamtheit aller Projekte und deren wechselseitigen
Auswirkungen im Kopf, sondern führen mehrere separate,
sogenannte „mentale“ Konten. Werden zum Beispiel das
Engagement in Aktie A und Aktie B (Annahme: Aktien wei-sen
keine Korrelation auf) isoliert voneinander bewertet,
könnte sich der Anleger aufgrund des hohen Risikos der bei-den
einzelnen Aktien dazu entschließen, von einem Invest-ment
abzusehen. Dabei übersieht er den Diversifikationsef-fekt
und verschenkt mögliche Gewinnchancen.
Wie uns Erfahrungen
und Zufallszahlen beeinflussen
Zur Reduzierung der Komplexität eines Sachverhalts wird
auch die Verfügbarkeitsheuristik eingesetzt. So hält ein
Anleger, der bereits einen Aktienmarktcrash miterlebt hat,
die Wahrscheinlichkeit eines Kurseinbruchs für viel höher als
ein Anleger, der bisher keine derartigen Erfahrungen gesam-melt
hat. Um schnell zu einem Urteil zu kommen, erfolgt
häufig der Rückgriff auf den „Ankereffekt“. So wird die Nei-gung
der Menschen bezeichnet, ihre Einschätzungen mit –
oftmals willkürlichen und daher falschen – Referenzwerten
ihres Gedächtnisses zu verknüpfen. Dies geschieht insbe-sondere
dann, wenn bestimmte Informationen nicht sofort
eingeordnet und bewertet werden können. Bei Kursprogno-sen
dienen meist „runde“ Kursniveaus, Höchst- oder Tiefst-kurse
oder das aktuelle Niveau als Anker. So dürfte aktuell
Mentale Buchführung
Fall A: Herr Mustermann hat eine Theaterkarte zum Preis von 100 Euro erworben.
Vor dem Theater angekommen, stellt er fest, dass er die Karte verloren hat. An der
Kasse gibt es noch Karten der gleichen Preisklasse. Wird Herr Mustermann eine
neue Karte kaufen?
Fall B: Herr Mustermann hat sich eine Theaterkarte an der Abendkasse reservieren
lassen. Vor dem Schauspielhaus angekommen, stellt er fest, dass er 100 Euro aus
seinem Geldbeutel verloren hat. Wird er die Karte kaufen, wenn er noch genügend
Geld dabei hat?
Aus ökonomischer Sicht sind beide Fälle identisch. Empirische Untersuchungen
zeigen jedoch, dass die Mehrheit der Befragten im Fall A von einem Theaterbesuch
absieht, aber im Fall B die reservierte Eintrittskarte einlöst. Man erkennt an
diesem Beispiel, dass durch das Führen zweier separater Konten („Theaterkonto“
und „Geldkonto“) das Entscheidungsverhalten in einer ökonomisch identischen
Situation unterschiedlich sein kann.
Der Ankereffekt
In einem Experiment wurden Probanden befragt, wie hoch sie den prozentualen
Anteil der afrikanischen Staaten an den Vereinten Nationen schätzen. Dazu wurden
sie in mehrere Gruppen eingeteilt. Vor dem Beantworten der Frage wurde jeder
Gruppe eine Zufallszahl zwischen null und 100 präsentiert. Anschließend mussten
die Versuchspersonen angeben, ob ihre Schätzung über oder unter der Zufallszahl
lag. In einem weiteren Schritt wurden die Teilnehmer des Experiments nach
der konkreten Zahl befragt. Hierbei zeigte sich, dass die vom Glücksrad zufällig
ermittelte Zahl eine deutliche Auswirkung auf das Resultat hatte: In der Gruppe,
bei der die Zufallszahl zehn lautete, betrug die Antwort 25 Prozent. Die andere
Gruppe, bei der die Zufallszahl 65 ermittelt wurde, kam auf einen deutlich höheren
Wert von 45 Prozent.
3. TRADERS´COVERSTORY
B2a) Trade-Phase 1: Long-Einstieg
Nach einem erfolgreichen Pullback an die 6500er Zone leitet der DAX im März 2011 eine dynamische
Aufwärtsbewegung ein. Wenige Wochen später wird das letzte Verlaufshoch bei 7442 Punkten geknackt, sodass
der Trader am 29. April eine Long-Position bei 7475 Punkten eröffnet. Als Ziel wird der Bereich der 8000-Punkte-
Marke angepeilt, ein Stopp für die Position existiert nicht.
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B2b) Trade-Phase 2: Breakout mutiert zum Fakeout
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beim DAX die 6000-Punkte-Marke für viele Anleger im Fokus
stehen, obwohl sie aus dem analytischen Betrachtungswin-kel
irrelevant ist. Die Orientierung an einem willkürlichen
und damit falschen Bezugspunkt verhindert eine neutrale
Bewertung und führt daher häufig zu Fehlentscheidungen.
Der Ankereffekt ist auch beim täglichen Einkaufen zu beob-achten:
Hier dient die unverbindliche Preisempfehlung des
Herstellers, die meist vom jeweiligen Händler unterboten
wird, als Anker für den Kaufinteressenten. Empirische Unter-suchungen
zeigen, dass selbst Zufallszahlen die Einschät-zung
stark beeinflussen können.
Zusammenhänge, die es gar nicht gibt
Ein anderes Phänomen zur schnellen Urteilsfindung ist die
sogenannte „Repräsentativitätsheuristik“. Repräsentativität
lässt sich am einfachsten mit dem Begriff „Schema“ erklären.
So hat jeder Mensch eine Vielzahl von Schemata im Kopf, die
er sich durch Erfahrungen oder durch Lernen angeeignet hat.
Probanden, die beurteilen sollen, welche Folge von Münz-würfen
wahrscheinlicher ist – KKKK oder KZZK (K = Kopf, Z
= Zahl) – halten meist die letztere Konstellation für wahr-scheinlicher.
Statistisch betrachtet handelt es sich jedoch um
jeweils unabhängige Ereignisse und die Wahrscheinlichkeit
für beide Szenarien beträgt 6,25 Prozent.
Da das menschliche Gehirn dafür gemacht ist, Muster
intuitiv zu erkennen, führt uns das Denksystem oft in die Irre.
So ist zu beobachten, dass Menschen Wahrscheinlichkei-ten
von repräsentativen Ereignissen überschätzen. Ebenso
häufig werden empirische und kausale Zusammenhänge
überbewertet beziehungsweise auch dann gesehen, wenn
gar keine vorhanden sind. Letzteres kann mit dem eingangs
beschriebenen Kontrollbedürfnis in Verbindung gebracht
werden. Per Saldo zeigt sich, dass die Anwendung von Heu-ristiken
häufig zu Fehleinschätzungen und zu nicht optima-len
Entscheidungen führt.
Renditekiller Nummer Eins: Der Dispositionseffekt
Neben den aufgeführten Heuristiken spielt die Tatsache, dass
Menschen stets relativ bewerten, eine große Rolle innerhalb
der Behavioral Finance und erklärt damit zahlreiche Verhal-tensanomalien.
Beispielsweise belegen Studien, dass die
meisten Menschen lieber in einer Umwelt leben würden,
in der sie 100 000 Euro besäßen und der Durchschnitt der
Bevölkerung nur 50 000 Euro, als in einer Umwelt, in der sie
200 000 Euro, alle anderen aber noch mehr, nämlich 300 000
Euro hätten. Die relative Wahrnehmung und Bewertung hin-terlässt
auch beim Investorenverhalten deutliche Spuren.
Jeder Anleger hat schon einmal die Erfahrung gemacht, dass
er Aktien, die über die Jahre hohe Kursgewinne verzeichnet
haben, zu früh verkauft hat und diejenigen, die von Tief zu
Tief dümpeln, immer noch besitzt. Selbst erfahrene Investo-ren
laufen immer wieder in die gleiche Falle. Woran liegt das?
Die Wissenschaft erklärt dieses Verhalten so: Für den
Anleger fungiert der Einstiegskurs als Bezugspunkt und defi-niert
damit die Gewinn- und Verlustzone. Fällt der Kurs unter
den Einstandswert, fällt der Verkauf des Wertpapiers des-halb
so schwer, weil Gewinne und Verluste nicht gleich stark
empfunden werden. Verluste wiegen schwerer als Gewinne.
Der Reflection-Effekt
Es stehen folgende Alternativen zur Auswahl:
Fall A: Sicherer Gewinn von 1000 Euro
Fall B: Gewinn von 2000 Euro mit 50 Prozent Wahrscheinlichkeit
Die Mehrheit wählt A und verhält sich damit risikoavers. Bei einer Wiederholung
des Versuchs mit umgekehrten Vorzeichen – es stehen 1000 Euro sicherer Verlust
oder 2000 Euro Verlust mit 50 Prozent Wahrscheinlichkeit zur Auswahl – werden
die Probanden überraschenderweise risikofreudig und wählen die letztgenannte
Alternative. Grund: Der unsichere Verlust wird subjektiv weniger negativ bewertet
als der sichere Verlust in Höhe von 1000 Euro.
Die Freude nach dem Einstieg in die Long-Position währt nicht lange. Nach einem kurzen Sprung auf 7600 Punkte dreht
der DAX wieder gen Süden. Der Trader befindet sich nunmehr im Minus und wird nervös. Als der Leitindex wieder an der
7000-Punkte-Marke nach oben dreht, keimt aber wieder Hoffnung auf, sodass der Trader weiter an der Position festhält.
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4. TRADERS´COVERSTORY
14 August 2012 | www.traders-mag.com
Verlustbereich zeigt die abnehmende Sensitivität zunächst
die gleiche Wirkung: Der Ärger über den ersten Euro Verlust
ist am höchsten und nimmt dann immer mehr ab. Dies hat
fatale Folgen, denn mit jedem weiteren Abgleiten in die Ver-lustzone
gewinnt der Faktor Hoffnung an Bedeutung – meist
mit negativem Ausgang. Die Bilder 2a bis 3b zeigen den Dis-positionseffekt
in der Praxis: Verluste werden laufen gelas-sen
und Gewinne begrenzt.
Total irrational: Der Reflection-Effekt
Eine höchst irrationale Verhaltensform, die sich aus der
abnehmenden Sensitivität gegenüber Wertveränderungen
ergibt, ist der Reflection-Effekt. So ist hinsichtlich riskanter
Alternativen zu beobachten, dass sich die Entscheider beim
Übergang von Gewinnen zu Verlusten genau umgekehrt
und damit in höchstem Maße irrational verhalten. Das Bei-spiel
aus dem Infokasten soll dies im Detail verdeutlichen.
Hinterher ist jeder klüger
Nachdem die wichtigsten „Rationalitätsfallen“ dargestellt
wurden, stellt sich nun die Frage nach der Umsetzbarkeit
in der Praxis. Gerade an der Börse zeigt sich nämlich, dass
immer wieder aufs Neue klassische Fehler begangen wer-den.
Zum Beispiel ist der sogenannte „Rückschaueffekt“ oft
zu beobachten. Fragt man heute beispielsweise einen Inves-tor,
Analyst oder Wissenschaftler, ob er den Dotcom-Crash
oder die Finanzkrise vorausgesehen hat, dürfte die Antwort
sehr häufig mit einem Kopfnicken bejaht werden – auch
wenn die damalige Einschätzung komplett daneben lag.
Woran liegt das? Hand aufs Herz: Keiner gibt gerne zu, wenn
er falsch lag. Die Gefahr dieser Neigung liegt vor allem in der
Überschätzung. Wer glaubt, er habe in der Vergangenheit
vieles richtig prognostiziert, wird dies fälschlicherweise auch
von der Zukunft annehmen. Ein Lerneffekt kann sich folglich
nicht einstellen.
Professionelle Trader und vor allem diejenigen, die es
werden wollen, kommen daher nicht um ein Trading-Tage-buch
herum. Erst mit dem Führen eines Journals, das alle
Parameter der Trades enthält und damit die Basis für eine
umfassende Fehleranalyse darstellt, lässt sich die Perfor-mance
so richtig erhöhen.
Überlisten Sie sich selbst
Die Behavioral Finance zeigt, dass das Verhalten der Markt-teilnehmer
alles andere als vollständig rational ist. Emotionen
und Erfahrungen spielen eine große Rolle. Die Rationalitätsfal-len
– zum Beispiel das Anwenden von Heuristiken, das relative
Bewerten und das Streben nach Dissonanzfreiheit – stehen im
klaren Gegensatz zur Theorie des Homo Oeconomicus und
machen klar, dass erst die Zusammenführung von Finanz- und
Sozialwissenschaft zu einem besseren Verständnis über die
Finanzmärkte beiträgt. Der einzelne Anleger kann von den
Erkenntnissen ebenfalls profitieren; denn wer typische Ver-haltensfehler
bei sich selbst erkennt, kann seine eigenen Ent-scheidungen
verbessern. Gleichzeitig kann man die durch das
Fehlverhalten anderer entstehenden Ineffizienzen nutzen.
Der Contrarian-Ansatz, also das „Schwimmen
gegen den Strom“, wird am Kapitalmarkt oft mit einer
Als die 7000-Punkte-Marke beim vierten Test unterschritten wird, kommt es zu einer Verkaufslawine, die den
Index bis September um rund 2000 Punkte einbrechen lässt. Der Trader missachtet selbst glasklare Verkaufssignale
und bleibt in der Long-Position, weil die Hoffnung auf einen Turnaround mit jedem weiteren Absturz größer wird,
die Verluste aber immer weniger wahrgenommen werden. Ein klassischer Fall des Dispositionseffekts, der zeigt,
dass ein Absicherungsstopp und ein Trading-Plan das A und O beim Trading sind.
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B2c) Trade-Phase 3: DAX-Crash
So ärgern wir uns über einen Verlust von X Euro mehr, als wir
uns über einen Gewinn von X Euro freuen. Anfängliche Kurs-gewinne
sorgen für Freude beim Anleger, die Intensität des
positiven Gefühls nimmt jedoch mit dem weiteren Anstieg
der Buchgewinne nur noch unterproportional zu. Bei zwi-schenzeitlichen
Rückschlägen steigt daher die Tendenz
deutlich an, den Gewinn – meist zu früh – mitzunehmen. Im
Die Flaggen-Formation bei der Apple-Aktie liefert Anfang Juli 2011 ein Kaufsignal. Der Trader eröffnet am 7. Juli
folglich eine Long-Position bei 355 Dollar und freut sich über den schnellen und dynamischen Anstieg in den
Folgemonaten. Als die Aktie im Bereich der 426-Dollar-Marke zweimal nicht mehr weiterkommt und mit einer
Inselumkehr reagiert, entscheidet sich der Trader am 10. November für einen Ausstieg bei 391 Dollar – ganz nach
dem Motto: „Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach“. Der Trade generiert damit einen Gewinn
von zehn Prozent.
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B3a) Long-Einstieg und Sicherheitsverkauf
5. TRADERS´COVERSTORY
August 2012 | www.traders-mag.com 15
überdurchschnittlichen Rendite belohnt, insbesondere
dann, wenn Extreme wie Gier und Panik zu beobachten
sind. Die Aktienmarktentwicklung im Jahr 2009 bietet sich
hierzu als exzellentes Beispiel an. Per saldo gilt: Je neutra-ler
und rationaler eine Entscheidung getroffen wird, desto
besser – auch wenn wir uns der Tatsache hingeben müs-sen,
dass wir auch in Finanzfragen wohl niemals vollständig
rational handeln werden. Die nachfolgenden Tipps sollen
Anlegern und Tradern helfen, ihre Performance nachhaltig
zu verbessern:
• Konzentrieren Sie sich auf die wesentlichen Informatio-nen
und analysieren Sie diese genau.
• Nachrichten, die schnell und einfach greifbar erscheinen,
sind auch für andere leicht verfügbar. Die Gefahr, dass
diese bereits in die Kurse eingeflossen sind, ist daher
hoch.
• Wenn Sie eine Meinung zu einem bestimmten Markt
oder Wertpapier haben, versuchen Sie Menschen zu
finden, die eine konträre Sicht haben. Marktteilnehmer,
die Ihren Analysen zustimmen, haben häufig die gleiche
Position wie Sie selbst und sind daher alles andere als
neutral.
• Lassen Sie sich nicht von „Stimmungsmache“ ablenken,
sondern treffen Sie Ihre eigene Entscheidung.
• Sorgen Sie für eine ausreichende Diversifikation Ihrer
Anlagen.
• Gehen Sie diszipliniert vor. Setzen Sie sich bereits vor der
Transaktion Kauf- und Verkaufsziele. Eine gute Trade-
Planung leistet hierbei wertvolle Dienste.
• Behalten Sie das große Bild im Auge, anstatt auf jede
gerade verfügbare Neuigkeit zu reagieren.
• Vermeiden Sie Entscheidungen, die von Panik oder
Euphorie getragen werden.
• Erkennen Sie eigene Fehler und sehen Sie diese als
Chance an, daraus zu lernen. n
Bereits wenige Tage nach dem Verkauf der Apple-Aktie kommt es zu einer massiven Rallye, die den Titel
binnen weniger Monate von 363 Dollar auf über 600 Dollar katapultiert. Der Trader, der nun realisiert, dass er
zu früh ausgestiegen ist, bereut seine Entscheidung; er schafft es aber nicht mehr, auf den fahrenden Zug
aufzusteigen. Zu frühe Gewinnmitnahmen lassen sich – ebenso wie das Laufenlassen von Verlusten – anhand
des Dispositionseffekts erklären.
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B3b) Die Rallye geht weiter
David Pieper verfügt über das Analystendiplom CIIA und
beschäftigt sich seit Ende der 1990er Jahre mit dem Thema
Börse. Schon während seines BWL-Studiums und seiner späteren
Tätigkeit als Investmentanalyst bei einer Bank verknüpfte er die
Fundamentalanalyse mit den Vorzügen der Technischen Analyse.
Pieper konzentriert sich auf den Handel mit CFDs und ist als freier
Autor im Bereich Kapitalmärkte tätig. Weitere Informationen
finden Sie unter www.trade4life.de.
Kontakt: david.pieper@traders-mag.com
David Pieper