Die öffentliche Debatte um den Hochfrequenzhandel wird nach wie vor auf der Basis von Emotion, mangelndem Wissen und undifferenziert hinsichtlich der am jeweiligen Handelsplatz geltenden Regularien und Sicherheitsvorkehrungen geführt. Im Rahmen eines Presseworkshops hat die Deutsche Börse Wirtschafts- und Finanzjournalisten anhand dieser Präsentation erklärt, dass die Situation in Europa nicht mit der in den USA zu vergleichen ist und die Gruppe Deutsche Börse hinsichtlich Sicherheitsvorkehrungen vorbildlich aufgestellt ist.
2. Agenda
1. Rückblick: Grundlagen Hochfrequenzhandels (Presseworkshop 2012)
2. Marktvergleich Europa vs. USA
3. Verhalten von Hochfrequenzhändlern im Orderbuch
4. Anmerkungen zum Hochfrequenzhandelsgesetz
1
3. 1. Rückblick: Hochfrequenzhandel (HFT)
Bedeutung* Beschreibung
Allgemein akzeptierte Definition existiert nicht**
Hochfrequenzhandel ist ein Teilbereich des
HOCH algorithmischen Handels
FREQUENZ Handel in Millisekunden auf fragmentierten
Handelsfrequenz
HANDEL
Märkten mit geringen Preisunterschieden
40 %
MiFID ermöglichte Fragmentierung der
europäischen Finanzmärkte
Typischerweise Intraday Handel
Manueller Handel Schnelle Analyse, Entscheidung und Ausführung
als Wettbewerbsvorteil
Liquidität
Fokus liegt auf hochliquiden Wertpapieren
*) Nach Aldridge, I. (2010): High-frequency trading: A practical guide to algorithmic strategies and trading system. Wiley trading series. Hoboken N.J.: Wiley.
**) EU COM Definition: „it is perhaps best defined as trading that uses sophisticated technology to try to interpret signals from the market and, in response, executes high volume, automated trading
2
strategies, usually either quasi market making or arbitraging, within very short time horizons. It usually involves execution of trades as principal (rather than for a client) and involves positions being closed out at
the end of the day.”
4. 1. Rückblick: Klassische Handelsstrategien; technologische
Möglichkeiten für schnellere Umsetzung
• Ein signifikanter Anteil des HFT entfällt auf Liquiditätsanbieter: Sie stellen dem
Markt auf der Kauf- ebenso wie auf der Verkaufsseite handelbare Preise zur
Verfügung („Quotes“)
• Arbitrage-Händler beseitigen kurzfristig auftretende Bewertungsdifferenzen. So
werden auch Preisunterschiede ausgeglichen, die durch viele verschiedene
Liquiditätspools entstanden sind
• Die dritte Kategorie sind die Momentum-Händler, die auf neue im Markt
auftauchende Informationen schnell reagieren. Als Information dient auch die
Analyse der Bewegungen des Auftragsvolumens an den Märkten
3
5. 1. Rückblick: Elektronischer Handel hat Liquidität der Märkte
erhöht
Xetra Liquiditätsmaß (XLM) nimmt bei steigender Liquidität ab
Kundenvorteil: Implizite Handelskosten rückläufig
DAX XLM für 100.000 Euro Volumenklasse, in Basispunkten
4
6. 1. Rückblick: Geld/Brief Spanne durch elektronischen Handel
enger
Vorteil: Preisqualität deutlich verbessert
DAX Spreads auf Xetra (in Basispunkten)
5
7. 1. Rückblick: Spektakuläre Krisen im elektronischen Handel
• Flash Crash im Dow Jones Index (Mai 2010)
• Abgebrochener Börsengang von BATS auf eigenes Börsenplattform (März 2012)
• Börsengang von Facebook (Mai 2012)
• Beinahe-Konkurs des bedeutenden Handelshauses Knight Capital (August 2012)
US-Marktstruktur grundsätzlich unterschiedlich zu Europa
6
8. 1. Rückblick: Populäre Behauptungen zum
Hochfrequenzhandel
„Hochfrequenzhandel kann zu einem Börsencrash führen“
„Hochfrequenzhändler manipulieren Preise durch schnelles
Einstellen und Löschen von Orders“
„HFT-Händler erzielen dank überragender Technik immer Gewinne“
„Privatanleger sind im Markt gegenüber HFT-Händlern immer benachteiligt“
„Keine Aufsicht kontrolliert die HFT-Händler“
7
9. 2. Marktvergleich: Viele kritische Marktlagen in den USA
sind der dortigen Börsenstruktur geschuldet
Europa USA
• Geringe bis moderate • Hohe Fragmentierung
Fragmentierung (etablierte Börsen
haben jeweils mind. 50 Prozent
Marktanteil)
• „Best Execution“ (nach MiFID): • „Best Execution“ (nach Reg NMS)
Verpflichtung für Broker, prinzipiell Verpflichtung für Börsen, eine
bestes Ergebnis hinsichtlich der konkrete Order an andere
Kosten, des Preises, der Börsenplätze weiterzuleiten, wenn
Ausführungs-wahrscheinlichkeit dort ein besserer Preis zu erzielen
und –schnelligkeit zu erzielen - ist (auf der Basis von „National
unabhängig von einer konkreten Best Bid Best Offer“)
Order
• Vollelektronischer Börsenhandel • Vollelektronischer Börsenhandel
nebst Sicherheitsvorkehrungen ab Mitte der 2000er Jahre
bereits seit Mitte der 1990er Jahre
10. Schutzmechanismen Deutsche Börse
Eingebaute Schutzmechanismen stellen faire und ordnungsgemäße
Preisfeststellung im Hochgeschwindigkeitshandel sicher
Darstellung Beschreibung
Etablierte Mechanismen werden
Handels- eingesetzt, um Risiken aus
Teilnehmer (Hochgeschwindigkeits-)Handel
zu steuern
Mechanismen sind in der
gesamten Wertschöpfungskette
Zentraler Clearing
verankert und betreffen
Kontrahent Teilnehmer
Händler, Marktbetreiber, Clearer
und CCP.
Mechanismen greifen auf
Ebene der Ordereinstellung (“fat
finger”), einer vorschnellen
Handelsplatz Eingabe eines Händlers oder
fehlerhafter Algorithmen.
= Schutzmechanismus
9
11. 1 von 7: DMA Filter
Direkter Marktzugang erfordert elektronische Filter seitens des
Handelsteilnehmers
Darstellung Beschreibung
Über ein Order-Routing System
Handels- eingestellte Orders müssen vom
Teilnehmer Teilnehmer elektronisch gefiltert
werden. Der Filter verifiziert
ausgehende Orders im Bezug auf
Parameter, die vom Teilnehmer
festgelegt werden.
Zentraler Clearing
Kontrahent Teilnehmer
Der Teilnehmer muss den
Marktplatzbetreiber über die Trader-
ID des einstellenden Händlers
informieren.
Der Marktplatzbetreiber kann die
Handelsplatz Anbindung eines automatischen
Order Eingabe Systems
verbieten, wenn die Anbindung den
ordnungsgemäßen Handel gefährdet.
10
12. 2 von 7: Plausibilitätskontrollen
Plausibilitätskontrollen der Börse zur Vermeidung von „Fat Finger Errors“
Darstellung Beschreibung
Ein “Fat Finger Error” ist ein
Handels- typographischer Fehler („Typo“)
Teilnehmer bei der Eingabe von Text über
die Tastatur, obwohl der Nutzer
eine andere Eingabe tätigen
wollte. Im Handel verändert ein
„Typo“ eine Order in ungewollter
Zentraler Clearing
Art und Weise (z.B.
Kontrahent Teilnehmer
Vertauschen von Limit oder
Volumen).
Xetra überprüft die Ordergröße
beim Eingang der Order.
Handelsplatz
11
13. 3 von 7: Drossel-Mechanismus
Ein „Drossel-Mechanismus“ begrenzt den maximalen Durchsatz, um
Datenstau oder Verlangsamung des Systems zu vermeiden
Darstellung Beschreibung
Jede technische „Trading
Session“ eines Teilnehmers
Handels- beinhaltet einen Drossel-
Teilnehmer Mechanismus (engl.:
Throttle), der den maximalen
Durchsatz pro Sekunde limitiert.
Zentraler Clearing Der Mechanismus beschränkt
Kontrahent Teilnehmer den hereinkommenden
Datenfluss. Er vermeidet, dass
Anwendungen mit extrem
hohen Datenaufkommen die
Integrität des Handelssystems
gefährdet.
Handelsplatz Der maximale Durchsatz kann
während des Handelstages
angepasst werden, sofern das
Marktumfeld dies erfordert.*
* Zusätzlich zu diesen Maßnahmen kann der Datenverkehr durch zusätzliche Entgelte gesteuert werden. Xetra hat im April 2012 ein Entgelt für exzessive Systemnutzung eingeführt. 12
14. 4 von 7: Volatilitätsunterbrechung
Sicherungsmechanismen im Handel gewährleisten vernünftige
Transaktionspreise und schützen vor „Flash Crashes“
Darstellung Beschreibung
Sicherungsmechanismen im Handel
existieren zum Schutz des
Handels- ordnungsgemäßen
Teilnehmer Preisindungsprozesses
Sicherungsmechanismus bei Xetra
und Eurex heisst „Volatilitäts-
unterbrechung“ (kurz: Vola)
Zentraler Clearing
Kontrahent Teilnehmer Handel wird unterbrochen,* bevor
„der Schaden angerichtet ist“ –
d.h., bevor ein Handelsabschluss zu
volatilen Preisen erfolgt ist
Handelsplatz
* Aus technischen Gesichtspunkten wird der Handel nicht unterbrochen, sondern ein Wechsel des Marktmodells vom „kontinuierlichen Handel“ zur „Auktion“ durchgeführt. Deshalb ist 13
es Teilnehmern weiterhin möglich, Orders einzustellen, zu löschen oder zu ändern bevor der nächste Abschluss stattfindet.
15. 4 von 7: Volatilitätsunterbrechung
„Vola“ wird ausgelöst, wenn der nächste potentielle Preis
außerhalb eines zuvor definierten Korridors ist
Die Volatilitätsunterbrechung Beschreibung
Der kontinuierliche Handel wird
eingestellt, sobald der potentielle
nächste Preis außerhalb eines vorher
definierten Preiskorridors liegt.
Der dynamische Preiskorridor liegt
um den letzten gehandelten Preis
und schützt vor abrupten
Preissprüngen.
Der statische Preiskorridor liegt um
den letzten Auktionspreis und schützt
vor starken kumulativen
Preisänderungen.
14
16. 4 von 7: Volatilitätsunterbrechung
Vola stoppt kontinuierlichen Handel durch Wechsel zum Auktionsaufruf –
Handel wird verlangsamt
Darstellung
15
17. 4 von 7: Volatilitätsunterbrechung
Verlängerte Vola wird aufgerufen, wenn der nächste Auktionspreis zu stark
abweicht: Im Zweifel löst ein Mensch die Situation auf
Darstellung
16
18. 5 von 7: Stop Button
STOP Button: Der Clearing Teilnehmer kann alle Handelsaktivitäten eines
Handelsteilnehmers unterbrechen
Darstellung Beschreibung
Die Stop-Button Funktionalität
ermöglicht Clearing Teilnehmern die
Handels- Steuerung der Transaktionen ihrer Non-
Teilnehmer Clearing Teilnehmer
(Handelsteilnehmer)
Anwendungsbereiche: Probleme
technischer oder operativer Art.
Zentraler Clearing Ebenfalls kann der Stop-Button
Kontrahent Teilnehmer eingesetzt werden bei Überschreiten
der Risiko/Positionslimite eines
Handelsteilnehmers.
Handelsplatz
17
19. 6 von 7: Echtzeit Risikomanagement
Echtzeit-Informationen über alle Positionen ermöglichen effizientes
Risikomanagement
Darstellung Beschreibung
Echtzeit-Informationen und
Sicherheitsleistungen aller Positionen
Handels- werden während des Handelstages
Teilnehmer berechnet und an den Clearing-
Teilnehmer weitergeleitet.
Untertägiges Margining ist ein wichtiger
Teil des Risikomanagements, denn es
Zentraler Clearing reduziert das Gegenparteirisko im CCP.
Kontrahent Teilnehmer Der untertägige Marginaufruf erlaubt eine
schnelle Reaktion auf steigende
Preisvolatilität oder zunehmende
Positionen einzelner Teilnehmer und
führt damit zu reduziertem Exposure
gegenüber dem CCP.
Handelsplatz
(Eurex)
18
20. 7 von 7: Erweiterte Risikomanagement Funktionalitäten
Erweiterte Risikomanagement-Funktionalitäten sichern fairen und
ordnungsgemäßen Handel
Darstellung Beschreibung
Erweiterte Risikomanagement Funktio-
nalitäten ermöglichen dem Clearing-
Handels- Teilnehmer die Definition von bis zu drei
Teilnehmer Grenzen einer Risikokennzahl, wie z.B
der absoluten Margin Anforderung.
Bei Überschreiten der ersten Grenze
wird ein Alarm ausgelöst.
Zentraler Clearing
Kontrahent Teilnehmer Bei Überschreiten der zweiten Grenze
werden Orders und Quotes automatisch
gedrosselt.
Bei Überschreiten der dritten Grenze
wird automatisch die Stop Button
Funktionalität ausgelöst.
Handelsplatz
19
22. 3. Verhalten von Hochfrequenzhändlern im Orderbuch
[Excel-basierte Präsentation]
21
23. 4. Anmerkungen zum Hochfrequenzhandelsgesetz
Gesetzentwurf führt folgenden Änderungen ein, die begrüßenswert sind:
Zusätzliche Rechte für die Börsenaufsichtsbehörde / Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)
Maßzahlen zur Systemlaststeuerung, z.B. Order-Transaktions-Verhältnis
und Gebühren bei exzessiver Nutzung des Handelssystems
Sicherstellung ordnungsgemäßer Börsenpreise
(Volatilitätsunterbrechungen, etc.)
Anforderungen für die Einhaltung der Mindestpreisänderungsgröße
Organisatorische Anforderungen für
Wertpapierdienstleistungsunternehmen
22
24. Zulassung von Hochfrequenzhändler über Börsengesetz
besser geeignet via Kreditwesengesetz
Erlaubnispflicht für Finanzdienstleister via Kreditwesengesetz (KWG)
(Regierungsentwurf)
• Erweiterung des KWG um folgende Finanzdienstleistung:
„Kaufen oder Verkaufen von Finanzinstrumenten für eigene Rechnung als unmittelbarer
oder mittelbarer Teilnehmer eines inländischen organisierten Marktes oder multilateralen
Handelssystems mittels des Einsatzes von Rechnern, die in Sekundenbruchteilen
Marktpreisänderungen erkennen, Handelsentscheidungen nach vorgegebenen Regeln
selbständig treffen und die zugehörigen Auftragsparameter entsprechend dieser Regeln
selbständig bestimmen, anpassen und übermitteln, auch ohne Dienstleistung für andere.“
Zulassungspflicht über Börsengesetz (Stellungnahme des Bundesrats)
• Ersetzung der Erlaubnispflicht für Hochfrequenzhandel im KWG durch zusätzliche
Anforderungen an die Zulassung von unmittelbaren und mittelbaren Marktteilnehmern, die
algorithmischen Handel betreiben, an den Börsen sowie zusätzliche Eingriffsbefugnisse
der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).
23
25. Regierungsentwurf sieht zurecht von Mindesthaltefristen für
Orders ab
Mindesthaltefrist führt für Marktteilnehmer zu Nachteilen, die Liquidität
bereitstellen wollen, da sie gezwungen sind „still“ zu halten
Vorteile haben nur die Liquiditätsnehmer
Entschleunigung tritt nicht ein, da Teilnehmer sich ein „Wettrennen“ um die
schnellste Stornierung oder Modifizierung ihrer Orders am Ende der Stillhaltezeit
liefern
Komplexität der Märkte erhöht sich
Einige Marktsteilnehmer werden durch Mindesthaltefrist systematisch
benachteiligt und deutsche Handelsplätze verlassen.
Liquidität wandert an andere Handelsplätze ab (OTC oder außerhalb
Deutschlands)
24