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Tax Compliance im Unternehmen: schlichte Anzeige ( § 153 AO ) vs.
Selbstanzeige
Von Dr. Christian-Alexander Neuling, Hamburg*
Der Beitrag nimmt die jüngste Verschärfung der strafbefreienden Selbstanzeige (§ 371 AO)
zum Anlass darzustellen, wie prekär die steuerverfahrens- und steuerstrafrechtliche Frage
der Abgrenzung schlichter Korrekturen von Steuererklärungen im Unternehmen (§ 153 AO)
gegenüber der Selbstanzeige sich zugespitzt hat. Anschließend wird aus Beratersicht und -
praxis dargestellt, wie diese Abgrenzung als Element von Tax Compliance anhand eines 2-
Stufen-Modells durchgeführt werden kann, um Risiken für das Unternehmen, seine Organe
und Mitarbeiter zu minimieren.
1. Zuletzt: erneute Verschärfung der strafbefreienden Selbstanzeige
Diese jüngste Verschärfung ist am 1.1.2015 in Kraft getreten.1
Sie hat folgende Konsequenzen für
Unternehmen (auszugsweise):
1.1 Steuererklärungen
Für Steuererklärungen (§ 149 Abs. 1 S. 1, § 181 Abs. 1 S. 2 AO iVm zB KStG, GewStG, EStG, GrEStG,
InvStG, AStG) bedeutet das Vollständigkeitsgebot nunmehr auch, dass die Selbstanzeige mindestens
die letzten zehn Kalenderjahre2
abdecken muss (Mindestberichtigungsverbund, § 371 Abs. 1 S. 2 AO
nF). Die fristgerechte Nachzahlung erstreckt sich auch auf Zinsen (§ 371 Abs. 3 S. 1 AO nF).
Der Sperrbetrag ist halbiert worden auf 25.000 € (pro Tat, § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AO nF). In einem
mittelständischen Unternehmen mit einem Umsatzvolumen von 1 Mrd € entspricht dies einer
Abweichung bei der USt im Promillebereich (rd. 0,008 %).3
Der Zuschlag ist gestaffelt verdoppelt bis
vervierfacht worden (10 %, 15 % oder 20 % bei Hinterziehungsbeträgen bis einschl. 100.000 €, 1
Mio € oder über 1 Mio €), § 398a Abs. 1 Nr. 2 AO nF. Seine Bemessungsgrundlage (der
Hinterziehungsbetrag) ist unter Beachtung des Kompensationsverbots zu ermitteln (§ 398a Abs. 2 AO
nF iVm § 370 Abs. 4 AO), dh (mehrfache) Zuschläge drohen selbst dann, wenn sich materiell-steuerlich
überhaupt kein Steuerschaden ergibt.
1.2 Steueranmeldungen
Bei Steueranmeldungen (§ 150 Abs. 1 S. 3 AO) ist nunmehr wie folgt zu unterscheiden:
Für die USt-Voranmeldung (regelm. monatlich § 18 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2 UStG) und LSt-Anmeldung
(grds. monatlich, § 41a Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1 EStG) soll wohl eine Teil-Selbstanzeige4
ebenso
wieder möglich sein (§ 371 Abs. 2a S. 1 AO nF) wie Mehrfach-Berichtigungen (§ 371 Abs. 2a S. 2 AO
nF). Der reduzierte Sperrbetrag iVm den höheren Zuschlägen gilt nicht (§ 371 Abs. 2a S. 1 AO nF).
Für andere Steueranmeldungen, die auch regelmäßig nicht jährlich abgegeben werden (zB
Kapitalertrag-, Versicherung-, Feuerschutz-, Bauabzug-, Energie- oder Stromsteuer), gelten die og
Erleichterungen (Teil-Selbstanzeige, Mehrfach-Berichtigungen) nicht, und es dürften sämtliche og
Verschärfungen (Mindestberichtigungsverbund, reduzierter Sperrbetrag iVm höheren Zuschlägen)
greifen (§ 371 Abs. 2a Sätze 1, 2 AO nF Umkehrschluss).
Neuling: Tax Compliance im Unternehmen: schlichte Anzeige (§ 153 AO) vs.
Selbstanzeige
DStR 2015,
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Für Jahresanmeldungen, va USt (regelm. jährlich, § 16 Abs. 1 S. 2, § 18 Abs. 3 S. 1 UStG), gelten die
og Erleichterungen ebenfalls nicht, und es dürften wiederum sämtliche og Verschärfungen greifen
(§ 371 Abs. 2a S. 3 AO nF). Das Vollständigkeitsgebot ist insoweit nur hinsichtlich folgender
Voranmeldungen gelockert worden (§ 371 Abs. 2a S. 4 AO nF).
2. In den letzten Jahren: erhebliche Verschärfung des Steuerstrafrechts
Diese jüngste Verschärfung der strafbefreienden Selbstanzeige ist vorläufiger Schlusspunkt einer mE
unumkehrbaren, harten Linie von Finanzverwaltung, Rechtsprechung und Gesetzgebung im deutschen
Steuerstrafrecht in den letzten Jahren:
Anfang 2008 war infolge der Durchsuchung im sog Fall Zumwinkel medienöffentlich geworden, dass
deutsche Behörden gestohlene Kundendaten ausländischer Banken ankaufen. Das Fernsehen war zur
besten Frühstückszeit live vor Ort, als die Durchsuchung stattgefunden hat und der Beschuldigte
abgeführt worden ist. Anschließend titelte Der Spiegel:5
„Der Schatz des BND“. Seither hat ein
ungehemmter Handel mit gestohlenen Kundendaten ausländischer Banken existiert.
Im Sommer 2008 hat der 1. Strafsenat des BGH die Zuständigkeit für Steuerstrafverfahren
übernommen und im Winter 2008 in einer ersten Aufsehen erregenden Entscheidung6
ua Grundsätze
zur Strafzumessung im Steuerstrafrecht formuliert. Es folgten weitere Aufsehen erregende
Entscheidungen, zB zur Anzeige- und Berichtigungspflicht nach
Neuling: Tax Compliance im Unternehmen: schlichte Anzeige (§ 153 AO) vs. Selbstanzeige
(DStR 2015, 558)
§ 153 AO bei voriger bedingt vorsätzlicher Steuerverkürzung7
und zum Vorsatz.8
Auch der Gesetzgeber war inzwischen aktiv geworden und hat die strafrechtliche Verjährungsfrist für
schwere Steuerhinterziehungen ebenfalls im Winter 2008 auf 10 Jahre verlängert (§ 376 AO).9
Im
Frühjahr 2010 folgte eine weitere kontrovers diskutierte Entscheidung des 1. Strafsenats des BGH10
,
wonach der Steuerhinterzieher kurz gefasst „reinen Tisch“ machen müsse. Eine Teil-Selbstanzeige sei
unwirksam.
Dies hat den Gesetzgeber erneut auf den Plan gerufen, der die Selbstanzeige (§ 371 AO) im Frühjahr
2011 verschärft und ua das Vollständigkeitsgebot sowie den Sperrbetrag (50.000 € pro Tat) iVm dem
Zuschlag (5 %) eingeführt hat.11
Diese Ereignisse und anschließende sog prominente
Selbstanzeigefälle mündeten schließlich in der jüngsten Verschärfung der strafbefreienden
Selbstanzeige.
3. Kriminalisierung von Unternehmen
Mit diesen Verschärfungen einhergegangen ist eine Kriminalisierung12
von Unternehmen durch
Steuerpolitik und Steuervollzug in Deutschland.
3.1 Steuerpolitik: tendenziöse Diskussion in der deutschen Medienöffentlichkeit
International geraten Unternehmen in den Fokus der Steuerpolitik. Ein Beispiel ist der Aktionsplan
gegen „Base Erosion and Profit Shifting“ (sog BEPS) der OECD, den die Finanzminister der G20-Staaten
im Juli 2013 gebilligt haben und auf dessen Grundlage bis Ende 2015 international abgestimmte
Regelungen gegen Steuervermeidung und „aggressive“ Steuerplanung multinationaler Konzerne
erarbeitet werden sollen. Der Aktionsplan enthält Maßnahmen ua in den Bereichen
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Hinzurechnungsbesteuerung (AStG, sog CFC-Rules), Abkommensrecht (DBA), Verrechnungspreise,
Offenlegung mutmaßlich aggressiver oder missbräuchlicher Steuerplanungsmodelle.13 Seit Herbst 2014
stellt die OECD Empfehlungen14
öffentlich zur Diskussion.15
In Deutschland geht hiermit eine mE tendenziöse steuerpolitische Diskussion in der
Medienöffentlichkeit einher, die teilweise sogar in einer undifferenzierten Gleichsetzung von
„Steuerbetrug und Steuerumgehung“16
gipfelt.
3.2 Steuervollzug: steuerstrafrechtliche Vorwürfe als Kollateralschäden
steuerverfahrensrechtlicher Vorstöße
Das Steuerstrafrecht ist auch im Steuervollzug viel präsenter als früher. Unternehmen, ihre Organe,
Mitarbeiter sehen sich in Deutschland va im Zusammenhang mit Betriebsprüfungen immer häufiger mit
steuerstrafrechtlichen Vorwürfen konfrontiert.
Es ist eine Entwicklung zu beobachten, die mir Sorgen bereitet: Die Finanzverwaltung erhebt
steuerstrafrechtliche Vorwürfe mE häufig nicht oder nicht primär deshalb, weil sie strafbares Verhalten
tatsächlich annimmt, sondern um steuerverfahrensrechtliche Sondervorschriften zu nutzen und
dadurch Mehrergebnisse zu erzielen. Ursache ist das Ineinandergreifen von Steuerverfahrensrecht und
Steuerordnungswidrigkeitenrecht, Steuerstrafrecht:17
– Die steuerliche Festsetzungs-/Feststellungsverjährung beträgt nicht 4 Jahre (§ 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2
AO, § 181 Abs. 1 S. 1 AO) bzw. 1 Jahr (§ 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO: zB Verbrauchsteuern), sondern 5
Jahre (§ 169 Abs. 2 S. 2 Fall 2 AO) oder sogar 10 Jahre (§ 169 Abs. 2 S. 2 Fall 1 AO), wenn eine
leichtfertige Steuerverkürzung oder sogar vorsätzliche Steuerverkürzung (sog Steuerhinterziehung)
vorliegt.
Beispiel:
Anlässlich einer Umstrukturierung im internationalen Konzern werden grunderwerbsteuerbare
Erwerbsvorgänge ausgelöst, die erst viel später in einer Betriebsprüfung entdeckt werden. Dann ist
die reguläre 4-jährige Festsetzungsfrist jedoch schon abgelaufen. Die Erfahrung zeigt, dass die
Betriebsprüfung in dieser Situation den Vorwurf der leichtfertigen oder, falls 5 Jahre nicht „reichen“,
sogar vorsätzlichen Steuerverkürzung (auch) deshalb erhebt, um noch grunderwerbsteuerliche
Feststellungen und Festsetzungen zu erreichen.
Hinzu kommt, dass die Finanzverwaltung die Steuerhinterziehung nicht nur den Organen des
betroffenen Unternehmens selbst, sondern grundsätzlich auch Dritten vorwerfen kann, um eine
Verlängerung der Festsetzungsfrist zu erreichen (§ 169 Abs. 2 S. 3 AO).
– Steuerbescheide, die aufgrund Betriebsprüfung geändert sind, dürfen ausnahmsweise nach § 173 AO
(„neue“ Tatsachen) abermals geändert werden, wenn eine leichtfertige Steuerverkürzung oder
Steuerhinterziehung vorliegt (§ 173 Abs. 2 AO).
Beispiel:
Die BP ist abgeschlossen. Die geänderten Nach-BP-Bescheide (ohne Nebenbestimmungen) sind
formell bestandskräftig (unanfechtbar). Später werden neue Tatsachen bekannt, die zu einer höheren
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Steuer führen, weshalb die Finanzverwaltung den Vorwurf der leichtfertigen Steuerverkürzung oder
sogar Steuerhinterziehung erhebt und die Nach-BP-Bescheide nach § 173 AO abermals ändert.
Neuling: Tax Compliance im Unternehmen: schlichte Anzeige (§ 153 AO) vs. Selbstanzeige
(DStR 2015, 558)
4. Konsequenz für Tax Compliance im Unternehmen
Die geschilderten Entwicklungen in Deutschland beeinflussen mE ein zentrales Element von Tax
Compliance im Unternehmen: die Einhaltung der Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 AO.
4.1 Verdachtsorientiertes Compliance-Verständnis
Tax Compliance bedeutet kurz gefasst die Befolgung des formellen und materiellen Steuer- und
Zollrechts18
zur Vermeidung von Risiken, aber auch zur Nutzung von Gestaltungsspielräumen und zur
Durchsetzung legitimer Interessen.19
Die nachfolgende Darstellung wird sich konzentrieren auf die Befolgung des formellen Steuerrechts in
Gestalt der Einhaltung der Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 AO zur Vermeidung von
Risiken für Unternehmen, ihre Organe, Mitarbeiter.
Tax Compliance soll nach bisherigem Verständnis der Begehung von (Steuer-)Ordnungswidrigkeiten
oder Steuerstraftaten vorbeugen.20
Angesichts der geschilderten Entwicklungen bzw. des geschilderten
„Klimas“ in Deutschland erscheint es mE angezeigt, dieses Verständnis auch ausdrücklich21
zu
verändern: Tax Compliance soll möglichst schon einem derartigen Vorwurf vorbeugen. Denn schon
dieser Vorwurf kann Strafe sein. Die mit ihm einhergehenden Folgen für Unternehmen, Organe und
Mitarbeiter verursachen große materielle Schäden und, wird der Vorwurf öffentlich, außerdem große
immaterielle Schäden für das steuerliche Renommée des betroffenen Unternehmens. So titelte zB Der
Spiegel:22
„Die Deutsche Skandal-Bank“, „Eine Institution ruiniert ihren Ruf“. Ob das betroffene
Kreditinstitut, betroffene Personen sich von dieser Berichterstattung infolge der Durchsuchung im Jahr
2012 und deren Folgen vollständig erholen werden, erscheint fraglich – und zwar unabhängig vom
Ausgang der Verfahren. Semper aliquid haeret.
Die nachfolgende Darstellung wird sich also nicht daran orientieren, ob anlässlich einer Korrektur von
Steuererklärungen im Unternehmen eine (Steuer-)Ordnungswidrigkeit oder Steuerstraftat vorliegt,
sondern ob ein derartiger Vorwurf droht.
4.2 Sanktionen gegen Unternehmen, ihre Organe, ihre Mitarbeiter
Die Sanktionen bei (Steuer-)Ordnungswidrigkeiten (insb. leichtfertiger Steuerverkürzung, § 378 AO;
Verletzung der Aufsichtspflicht, § 130 OWiG) oder Steuerstraftaten (insb. Steuerhinterziehung, § 370
AO) können erheblich sein:
Bei (Steuer-)Ordnungswidrigkeiten kann die Geldbuße mittlerweile bis zu 10 Mio € betragen (§ 130
Abs. 3 S. 2 iVm § 30 Abs. 2 S. 3 OWiG). Es drohen Abschöpfungen (§ 17 Abs. 4, § 29a OWiG): 148
Mio €23
(2012: CS, Beihilfe zur Steuerhinterziehung), 300 Mio €24
(2014: UBS, Beihilfe zur
Steuerhinterziehung).
Bei Steuerstraftaten kann die Geldstrafe bis zu rd 20 Mio € (§ 369 Abs. 2 AO iVm § 40, § 54 Abs. 2
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StGB), die Freiheitsstrafe bis zu 10 Jahre (§ 370 Abs. 3 S. 1 AO) betragen. Und die Abwendung von
Strafen (insb. § 153a StPO) erreicht inzwischen ebenso enorme Größenordnungen, wie der sog Fall
Ecclestone gezeigt hat ( 100 Mio USD).
4.3 Einhaltung der Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 AO
4.3.1 Das Problem: Kriminalisierung von Korrekturen
Die Praxis der letzten Jahre zeigt, dass Korrekturen von Steuererklärungen durch Unternehmen immer
häufiger kriminalisiert werden. Insbesondere Betriebsprüfungen konfrontieren Unternehmen
erfahrungsgemäß zunehmend mit Vorwürfen und der Androhung, den Fall an die Bußgeld- und
Strafsachenstelle25
abzugeben.
Diese Praxis steht mE in krassem Gegensatz zur Realität: Korrekturen nach § 153 AO sind im
Unternehmen naturgemäß allgegenwärtig und haben in den allermeisten Fällen nichts mit
vorwerfbarem Verhalten zu tun. Sie sind vielmehr zwangsläufige Konsequenz des unternehmerischen
Organismus, selbst bei bestem Wissen und Wollen aller beteiligten Personen. Sie müssen regelmäßig
wiederkehrend (zB USt, LSt: monatlich) die steuerliche Beurteilung massenhafter Geschäftsvorfälle
verantworten. In einem ertragsteuerlichen Organkreis mit ein-/zweistelligem Milliardenumsatz
existieren zwei-/dreistellige Millionen-Buchungsvorgänge, die in zT bis zu 500 HGB-Einzelabschlüsse
nebst Steuerbilanzen und sodann konsolidiert in die steuerlichen Erklärungen der Organträgerin
einfließen.26
Es ist praktisch unmöglich, dass dies stets fehlerfrei gelingt. Rechtlich erfüllt die Korrektur
nach § 153 AO jedoch nicht zugleich die (viel komplexeren) Voraussetzungen einer wirksamen
Selbstanzeige. Deshalb stehen Unternehmen, ihre Organe und Mitarbeiter vor der Frage der
Abgrenzung beider Institute.
Aus Beratersicht und -praxis kann diese Abgrenzung mE nach folgendem 2-Stufen-Modell
vorgenommen werden:
4.3.2 Erste Stufe: schlichte Anzeige ( § 153 AO ) vs. Selbstanzeige
Bei Aufgriff von möglichem Korrekturbedarf im Unternehmen sollte im Regelfall zuerst geprüft werden,
ob ein Fall der Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 AO27 – nachfolgend: schlichte Anzeige –
vorliegt.
Neuling: Tax Compliance im Unternehmen: schlichte Anzeige (§ 153 AO) vs. Selbstanzeige
(DStR 2015, 558)
4.3.2.1 „Organhaftung“ für die Richtigkeit unternehmerischer Steuererklärungen
Anzeige- und berichtigungsverpflichtet ist der „Steuerpflichtige“ (§ 153 Abs. 1 S. 1 iVm § 33 AO), dh
bei Unternehmen (zB AG, GmbH, GmbH & Co. KG) an vorderster Front deren gesetzliche Vertreter bzw.
Organe (§ 153 Abs. 1 S. 2 iVm § 34 Abs. 1 S. 1 AO), dh deren Vorstand (§ 78 Abs. 1 AktG),
Geschäftsführer (§ 35 Abs. 1 GmbHG).
Diese Personen müssen handeln, wenn sie als amtierende oder wirksam neu bestellte Organe
nachträglich erkennen, dass eine unrichtige oder unvollständige (= fehlerhafte) Steuererklärung für
das Unternehmen abgegeben worden ist und dadurch eine Steuerverkürzung eingetreten ist oder
eintreten kann.28
Sonst riskieren sie den Vorwurf der Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370
Abs. 1 Nr. 2 iVm § 153 AO) – mögen sie an der Abgabe dieser ursprünglichen Steuererklärung noch so
unbeteiligt gewesen sein. § 153 AO sichert die Vollständigkeits- und Wahrheitspflicht für Angaben in
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Steuererklärungen (§ 90 Abs. 1 S. 2, § 150 Abs. 2 S. 1 AO) ab, lässt diese Pflicht nach Abgabe
fortbestehen und begründet eine gesetzliche Garantenpflicht, die durch ihre Verletzung
(vorangegangenes pflichtwidriges Tun: Abgabe der fehlerhaften Steuererklärung) begründet wird.29
Mit anderen Worten: Organe „haften“ für die Richtigkeit unternehmerischer Steuererklärungen.
Dies gilt grundsätzlich auch für Organe von Unternehmen, die durch Transaktionen bzw.
Umstrukturierungen Gesamtrechtsnachfolger anderer Unternehmen geworden sind, hinsichtlich der
abgegebenen Steuererklärungen dieser anderen Unternehmen (§ 153 Abs. 1 S. 2 AO).30
4.3.2.2 Nachträgliches Erkennen
Zentrales Tatbestandsmerkmal – weil Kriterium für die Abgrenzung gegenüber der Selbstanzeige – ist
das nachträgliche Erkennen, dass eine fehlerhafte Steuererklärung abgegeben worden und dass es
dadurch zu einer Steuerverkürzung gekommen ist oder kommen kann (§ 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 iVm
§ 370 Abs. 4 S. 1 AO).
Nachträgliches Erkennen bedeutet Gutgläubigkeit bei Abgabe der ursprünglichen Steuererklärung, liegt
vor, wenn deren Fehlerhaftigkeit erst nach ihrer Abgabe entdeckt wird, und löst die Anzeige- und
Berichtigungspflicht nach § 153 AO aus (die gegenwärtig im Prinzip selbstanzeigefest erfüllt werden
sollte31). Besteht hingegen das Risiko, dass die Finanzverwaltung Bösgläubigkeit behauptet, ist zu
differenzieren: Droht der Vorwurf der leichtfertigen oder bedingt vorsätzlichen Abgabe der fehlerhaften
Ursprungserklärung, so besteht nach maßgeblicher Auffassung32
ebenfalls die Anzeige- und
Berichtigungspflicht nach § 153 AO (die selbstanzeigefest erfüllt werden sollte33); droht der Vorwurf,
die Ursprungserklärung sei bewusst fehlerhaft abgegeben worden, liegt kein Fall von § 153 AO,
sondern ein Fall von § 371 AO vor.
Praktisch bedeutet dies, dass der Prüfung des nachträglichen Erkennens bei der Aufarbeitung von
möglichem Korrekturbedarf im Unternehmen zentrale Bedeutung zukommt. Diese Prüfung ist praktisch
schwierig, wenn sie – wie regelmäßig – länger zurückreichende (Dauer-)Sachverhalte betrifft. Ihr sollte
deshalb besondere Sorgfalt gewidmet werden. Das nachträgliche Erkennen sollte in der späteren
schriftlichen Korrespondenz mit dem zuständigen Finanzamt ggf. unter ausdrücklicher Bezugnahme auf
§ 153 AOprägnant dargestellt werden.34
4.3.2.3 Vor Ablauf der Festsetzungsfrist
Außerdem ist zu prüfen und entscheiden, welchen Zeitraum die schlichte Anzeige umfassen soll, denn
§ 153 AO setzt nachträgliches Erkennen tatbestandlich „vor Ablauf der Festsetzungsfrist“ (bzw.
Feststellungsfrist, § 181 Abs. 1 S. 1 AO) voraus, die regelmäßig 4 Jahre bzw. 1 Jahr beträgt, aber auch
5 oder sogar 10 Jahre35
jeweils ggf. zzgl. An- (insb. § 170 Abs. 2 ff., § 175 Abs. 1 S. 2 AO) und/oder
Ablaufhemmung (insb. § 171 AO) betragen kann.
4.3.2.4 „Enthaftung“ – Das Korrektur-Verfahren
Rechtsfolgeseitig löst das nachträgliche Erkennen der Fehlerhaftigkeit der Steuererklärung(en) – bei
Vorliegen auch der übrigen Tatbestandsmerkmale – die Pflicht zur unverzüglichen Anzeige (1. Schritt)
36
und zur Berichtigung im Einzelnen (2. Schritt) aus (§ 153 Abs. 1 S. 1 AO).37
Nachträgliches Erkennen bedeutet nach gegenwärtig maßgeblicher Auffassung38sichere Erkenntnis und
kann angesichts der Komplexität des Steuerrechts sowie unternehmerischer Organisationsstrukturen
allenfalls infolge unternehmensinterner Aufarbeitung des möglichen Korrekturbedarfes und/oder
Hinzuziehung eines externen Beraters entstehen. Regelmäßig sind länger zurückliegende/-reichende
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(Dauer-)Sachverhalte, dh mehrere Steuererklärungen, betroffen. Überdies müssen die Unternehmen
prüfen (lassen) dürfen, ob vorsorglich mittels Selbstanzeige reagiert werden sollte.39 Dementsprechend
sollte diese Aufarbeitung folgende Module beinhalten:
(1) Materiell-steuerliche Prüfung
Prüfung der betroffenen Steuererklärung(en) hinsichtlich der Anwendung des materiellen Steuerrechts
dem Grunde und ggf. zumindest geschätzt der Höhe nach.
Eine zumindest geschätzte Prüfung auch der betragsmäßigen Folgen ist regelmäßig schon für die
unverzügliche Anzeige (1. Schritt) erforderlich, um sichere Erkenntnis auch dahingehend zu erlangen,
ob letztlich eine Steuerverkürzung eingetreten ist oder eintreten kann. Deren Konkretisierung
Neuling: Tax Compliance im Unternehmen: schlichte Anzeige (§ 153 AO) vs. Selbstanzeige
(DStR 2015, 558)
bleibt ggf. der Berichtigung im Einzelnen (2. Schritt) vorbehalten.
(2) Steuerverfahrensrechtliche Prüfung
Prüfung der betroffenen Steuererklärung(en) hinsichtlich der vollständigen, wahrheitsgemäßen
Offenlegung steuerlich erheblicher Tatsachen (§ 90 Abs. 1 S. 2, § 150 Abs. 2 S. 1 AO).40
(3) Steuerstrafrechtliche Prüfung
Nur wenn danach unzweifelhaft feststeht, dass die betroffene(n) Steuererklärung(en) materiell
und/oder formell richtig ist (sind), hätte der mögliche Korrekturbedarf sich nicht erhärtet, dh bestünde
keine Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 AO. Anderenfalls sollte die steuerstrafrechtliche
Prüfung folgen, ob die schlichte Anzeige (§ 153 AO) selbstanzeigefest erfolgen sollte:
– Sind sowohl das nachträgliche Erkennen als auch das unverzügliche Handeln unzweifelhaft gegeben
und droht hinsichtlich der Abgabe der fehlerhaften Ursprungserklärung(en) kein Vorwurf, ist die
Korrektur „nur“ mittels schlichter Anzeige denkbar.
Auch nach der jüngsten Verschärfung der Selbstanzeige (§ 371 AO) verbleibt es gegenwärtig jedoch
vorerst dabei, dass es im Prinzip der sicherste Weg ist, jede schlichte Anzeige selbstanzeigefest
auszugestalten.41 Diese Lage ist für Unternehmen aus den geschilderten Gründen42 nicht hinnehmbar.
Sie müssen im Korrekturfall rechtssicher und praktikabel bestimmen (lassen) können, ob (vs.
Selbstanzeige) und wie (nach welchem Verfahren43
) sie die schlichte Anzeige vollziehen können, ohne
dass sie, ihre Organe, Mitarbeiter, kriminalisiert werden. Nur so kann die schlichte Anzeige auch
rechtlich – der unternehmerischen Realität folgend – zum sichersten Weg für den Regelfall werden.
– Besteht das Risiko, dass die Finanzverwaltung das nachträgliche Erkennen (dh die gutgläubige
Abgabe der Ursprungserklärung/en) oder das „jetzige“ unverzügliche Handeln44
bezweifelt, sollte die
schlichte Anzeige selbstanzeigefest ausgestaltet werden.
(4) Das Verfahren: „Enthaftung“ durch unverzügliche Aufarbeitung und Anzeige
Die unverzügliche Aufarbeitung von möglichem Korrekturbedarf im Unternehmen ist ratsam – sei es,
um schnell Sicherheit zu erhalten, dass kein Korrekturbedarf besteht oder dass Korrekturbedarf besteht
und eine (selbstanzeigefeste) schlichte Anzeige (die unverzüglich erfolgen muss) oder Selbstanzeige
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(die regelmäßig baldmöglich erfolgen sollte) erforderlich ist.
Diese unverzügliche Aufarbeitung sollte in gebotener Form dokumentiert werden.45
Dies betrifft va
ihren Ablauf – dh insb. Aufgriff, Untersuchungsbeginn (ggf. Beauftragung eines externen Beraters),
Fortschritt (insb. Ermittlung der Sach- und Rechtslage) und endgültiges Ergebnis – und ihr vorrangiges
Voranbringen.
Ist Ergebnis dieser Aufarbeitung die sichere Erkenntnis, dass Korrekturbedarf existiert, wird dann – dh
nach endgültigem Abschluss der internen und/oder externen Aufarbeitung – die Pflicht zur
unverzüglichen Anzeige ausgelöst. Unverzüglich bedeutet ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 S. 1
BGB).46
Die Frage, welches konkrete Zeitfenster existiert, ist soweit ersichtlich nicht abschließend
geklärt. Im Schrifttum werden unterschiedliche47
Zeiträume vertreten (zB 2 Wochen48
, 1 Monat49
).
Praktisch können nach Feststellung von Korrekturbedarf zB noch notwendige unternehmensinterne
Prozesse zusätzliche Zeit beanspruchen. Die Erfahrung zeigt, dass es im Regelfall bis zu 10 Werktage
dauert, bis die unverzügliche Anzeige schließlich beim zuständigen Finanzamt schriftlich eingereicht
werden kann.
Bei Organwechsel oder Gesamtrechtsnachfolge durch Transaktionen bzw. Umstrukturierungen50
kann
die Frist frühestens durch wirksamen Eintritt in die entsprechende Rechtsstellung ausgelöst werden.51
4.3.3 Zweite Stufe: bußbefreiende vs. strafbefreiende Selbstanzeige
Ergibt die Aufarbeitung, dass selbstanzeigefest bzw. mittels Selbstanzeige reagiert werden sollte,
existieren im Prinzip zwei Möglichkeiten: die bußbefreiende (§ 378 Abs. 3 AO) oder die strafbefreiende
Selbstanzeige (§ 371 AO).
Deren Voraussetzungen klaffen seit der letzten Verschärfung der strafbefreienden Selbstanzeige im
Frühjahr 2011 immer weiter auseinander: Die bußbefreiende Selbstanzeige unterliegt nicht dem
Vollständigkeitsgebot und ist auch noch inmitten einer Betriebsprüfung möglich – egal wie hoch der
Steuerschaden ist (§ 378 Abs. 3 AO Umkehrschluss).52 Die jüngsten Verschärfungen (insb.
Mindestberichtigungsverbund, reduzierter Sperrbetrag iVm erhöhten Zuschlägen) gelten nicht (§ 378
Abs. 3 AO Umkehrschluss). Die fristgerechte Nachzahlung erstreckt sich nicht auch auf Zinsen (§ 378
Abs. 3 S. 2 AO nF).
Abgrenzt wird danach, ob Leichtfertigkeit (dann: § 378 Abs. 3 AO) oder Vorsatz (dann: § 371 AO)
vorliegt. Deren Definitionen53
sind extrem wertungsanfällig, weshalb die Behandlung des Einzelfalles
durch die Finanzverwaltung und ggf. Gerichte nicht vorhersehbar ist. Die Praxis zeigt, dass die
Finanzverwaltung regelmäßig automatisch und formel
Neuling: Tax Compliance im Unternehmen: schlichte Anzeige (§ 153 AO) vs. Selbstanzeige
(DStR 2015, 558)
haft behauptet, die objektive Steuerverkürzung sei wenigstens bedingt vorsätzlich verursacht worden.
Nach alledem sollte möglichst mit strafbefreiender Selbstanzeige (§ 371 AO) reagiert werden. Deren
Abgrenzung zur bußbefreienden Selbstanzeige bzw. die hiermit einhergehende Prüfung von
Leichtfertigkeit und Vorsatz ist gleichwohl stets ratsam: So kann im späteren Verlauf einer etwaigen
Auseinandersetzung mit der Finanzverwaltung ggf. vertreten werden, dass allenfalls leichtfertiges
Verhalten vorliegt, um so zB inmitten einer Betriebsprüfung möglichst trotzdem zu einer wirksamen
Selbstanzeige zu gelangen oder einer aufgedrängten (strafbefreienden) Selbstanzeige und dadurch
aufgedrängten Zuschlägen erfolgreich entgegentreten zu können.
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5. Schlussbemerkung
Finanzverwaltung, Rechtsprechung und Gesetzgebung verfolgen eine mE unumkehrbare, harte Linie im
Steuerstrafrecht. Die Finanzverwaltung nutzt das Steuerstrafrecht erfahrungsgemäß häufig für
steuerverfahrensrechtliche Vorstöße. Die Abgrenzung der schlichten Anzeige (§ 153 AO) von der
Selbstanzeige (§ 378 Abs. 3, § 371 AO) stellt deshalb einen Brennpunkt von Tax Compliance dar. Zu
deren Schwerpunkten sollte dementsprechend die Implementierung eines Verfahrens für den Umgang
mit Korrekturen von Steuererklärungen im Unternehmen gehören, um Risiken für das Unternehmen,
seine Organe und Mitarbeiter zu minimieren.
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Dr. Christian-Alexander Neuling, Rechtsanwalt und Steuerberater, ist Senior Manager
(Steuerstrafrecht, Steuerprozessrecht, Steuerverfahrensrecht) bei EY in Hamburg, Berlin sowie
Eschborn (Frankfurt/Main) und Dozent (Steuerstrafrecht, Steuerprozessrecht) beim
Lehrgangswerk HAAS. Der Beitrag basiert auf seinen beruflichen Erfahrungen und gibt seine
persönliche Sicht wieder.
Art. 3 des Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur
Abgabenordnung v. 22.12.2014, BGBl. I 2014, 2416. Dazu zB JoecksDStR 2014, 2261 ff.;
Habammer/PflaumDStR 2014, 2267 ff.; Schwartz PStR 2015, 37 ff.; BenekeBB 2015, 407.
Habammer/Pflaum (Fn. 1), 2268 u. Schwartz (Fn. 1), 38 f. zum problematischen Wortlaut von
§ 371 Abs. 1 S. 2 AO nF, wonach bei Anknüpfung an die Steuerstraftaten (einer Steuerart) mehr
als die letzten 10 Kalenderjahre betroffen sein können.
Bsp. nach: Spitzenverbände Stellungnahme v. 10.9.2014, 6/11 zum Referenten-Entwurf v.
27.8.2014 dieser jüngsten Verschärfung.
Erdbrügger/Jehke DStR 2015, 385 zum problematischen Wortlaut von § 371 Abs. 2a S. 1 AO nF,
wonach nur verspätete USt-Voranmeldungen und LSt-Anmeldungen teilselbstanzeigefähig sein
könnten.
Nr. 8/2008 v. 18.2.2008, 20.
BGH v. 2.12.2008, 1 StR 416/08, BGHSt 53, 84 ff. = NJW 2009, 528.
BGH v. 17.3.2009 iVm 27.5.2009, 1 StR 479/08, BGHSt 53, 210 ff. = NJW 2009, 1984.
BGH v. 8.9.2011, 1 StR 38/11, wistra 2011, 465 ff. = NStZ 2012, 160 iVm Jäger in Klein, AO,
12. Aufl. 2014, § 370 Rz. 172 ff.
JStG 2009 v. 19.12.2008, BGBl. I 2008, 2828.
BGH v. 20.5.2010, 1 StR 577/09, BGHSt 55, 182 f. = DStR 2010, 1133.
Schwarzgeldbekämpfungsgesetz v. 28.4.2011, BGBl. I 2011, 676 f.
So ausdrücklich: Spitzenverbände (Fn. 3), 4/11 f.
Aktionsplan (dt. Arbeitsübersetzung):
http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/FAQ/2014-06-05-faq-beps.html#doc-
301330bodyText1; zum Ganzen zB Gillamariam/BindingDStR 2013, 1153 ff.
Http://www.oecd.org/ctp/beps-2014-deliverables-explanatory-statement.pdf.
Http://www.oecd.org/ctp/beps-2014-deliverables.htm.
So zB der Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen Dr. Norbert Walter-Borjans in
„Europäisches FBI soll Steuersünder jagen“, Handelsblatt online v. 15.10.2014.
Weitere Fälle: Festsetzung von Hinterziehungs-Zinsen (§ 235 AO) in Fällen, in denen die übliche
Verzinsung (§ 233a AO) nicht anwendbar ist (zB Grunderwerb-, Erbschaft-/Schenkungsteuer),
Haftung des Steuerhinterziehers (§ 71 AO), Ablaufhemmung der Festsetzungsverjährung (§ 171
Abs. 7, 9 AO).
Das Zollrecht wird im Folgenden ausgeklammert. Dies liegt keinesfalls an seiner mangelnden
Relevanz. Allerdings würde die Betrachtung auch des Zollrechts den Umfang dieses Beitrages
„sprengen“.
Ähnlich zB Streck in Streck/Mack/Schwedhelm, Tax Compliance, 2010, Rz. 1.15 mwN.
So wohl bspw. Streck (Fn. 19) Rz. 1.29: „Gefahren einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung
(§ 370 AO), einer leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378 AO)“.
In diese Richtung: Geuenich/KieselBB 2012, 157.
Nr. 51/2012 v. 17.12.2012.
LG Düsseldorf v. 21.11.2011 – 10 KLs 14/11, wistra 2013, 80 = BeckRS 2012, 24554.
Abschöpfung u. Ahndung, StA Bochum, Pressemitteilung über Ermittlungsabschluss, 2014:
http://www.sta-bochum.nrw.de/behoerde/presse/pressemitteilungen/index.php.
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Bsp. nach: Spitzenverbände (Fn. 3), 5/11.
§ 3 SubvG bei der Korrektur von IZ-Anträgen, vgl. JesseBB 2011, 1435.
Vgl. zB TalaskaAG 2013, 875 f. mwN zur Wirkung der Korrektur des amtierenden Organs für
ausgeschiedene Organe (§ 371 Abs. 4 iVm § 153 AO), der zutr. empfiehlt, die ausgeschiedenen
Organe ggf. vorab zu informieren und einzubeziehen.
BGH (Fn. 7), 217.
Dazu ausf. Jesse (Fn. 27), 1432 ff. u. 1443.
S.u. 4.3.2.4 (3).
So BGH (Fn. 7), 215 f.
S.u. 4.3.2.4 (3).
Vgl. auch: Ziff. 132 Abs. 1 S. 3 Anweisung für das Straf- und Bußgeldverfahren (Steuer) – AStBV
(St) 2014, 1.11.2013, BStBl. I 2013, 1394: „Keine Vorlagepflicht besteht für Erklärungen, die
zweifelsfrei auf nachträglichen Erkenntnissen des Steuerpflichtigen beruhen (vgl. § 153 AO).“
S.o. 3.2.
Auf diesen 1. Schritt konzentriert sich die nachfolgende Darstellung.
Wulf SAM 2014, 132 f. mwN zur strafgerichtl. Rspr. u. steuerl. Lit. zu dieser Zweistufigkeit.
BGH (Fn. 7); Lit. zB Jesse (Fn. 27), 1438 mwN. AA zB Wulf (Fn. 37) (134) mwN zur FG-Rspr.
(konkret für möglich halten, Eventualvorsatz).
Vgl. auch: Jehke/DreherDStR 2012, 2470.
BGH v. 10.11.1999, 5 StR 221/99, wistra 2000, 137 (139 f.) = NStZ 2000, 203 zur Offenlegung
abw. Rechtsauffassungen; dazu ferner Jäger (Fn. 8) Rz. 44.
So zutr. Wulf/KampsDB 2011, 1717 nach der letzten Verschärfung der Selbstanzeige (§ 371 AO)
im Frühjahr 2011 (s. o. 2.).
S.o. 4.3.1.
S.u. (4).
Vgl. dazu: Wulf (Fn. 37), 135, der rechtl. zutr. anmerkt, dass eine verspätete Anzeige (§ 153 AO)
solange einen Rücktritt vom Versuch (§ 369 Abs. 2 AO iVm § 24 StGB) darstellt, bis der
Zeitpunkt verstrichen ist, zu dem der geänderte Steuerbescheid hypothetisch (dh bei
unverzüglicher Anzeige) ergangen wäre.
Vgl. auch: Jehke/Dreher (Fn. 39), 2471 u. 2472.
BGH (Fn. 7), 214.
Vgl. zB Jehke/Dreher (Fn. 39), 2469 mwN.
Jesse (Fn. 27), 1439.
Wulf (Fn. 37), 134.
Siehe oben: 4.3.2.1.
So zutr. Jesse (Fn. 27), 1439.
Vgl. auch Wulf/Kamps (Fn. 41), 1716 f. Außerdem scheiden Hinterziehungszinsen (wenn und
soweit relevant) tatbestandlich aus (§ 235 Abs. 1 S. 1 AO Umkehrschluss).
Dazu ausf. Jäger (Fn. 8), § 378 Rz. 20; ders. (Fn. 8), § 370 Rz. 175 iVm 170 ff.; jew. mwN zu
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Neuling DStR 2015 558

  • 1. Tax Compliance im Unternehmen: schlichte Anzeige ( § 153 AO ) vs. Selbstanzeige Von Dr. Christian-Alexander Neuling, Hamburg* Der Beitrag nimmt die jüngste Verschärfung der strafbefreienden Selbstanzeige (§ 371 AO) zum Anlass darzustellen, wie prekär die steuerverfahrens- und steuerstrafrechtliche Frage der Abgrenzung schlichter Korrekturen von Steuererklärungen im Unternehmen (§ 153 AO) gegenüber der Selbstanzeige sich zugespitzt hat. Anschließend wird aus Beratersicht und - praxis dargestellt, wie diese Abgrenzung als Element von Tax Compliance anhand eines 2- Stufen-Modells durchgeführt werden kann, um Risiken für das Unternehmen, seine Organe und Mitarbeiter zu minimieren. 1. Zuletzt: erneute Verschärfung der strafbefreienden Selbstanzeige Diese jüngste Verschärfung ist am 1.1.2015 in Kraft getreten.1 Sie hat folgende Konsequenzen für Unternehmen (auszugsweise): 1.1 Steuererklärungen Für Steuererklärungen (§ 149 Abs. 1 S. 1, § 181 Abs. 1 S. 2 AO iVm zB KStG, GewStG, EStG, GrEStG, InvStG, AStG) bedeutet das Vollständigkeitsgebot nunmehr auch, dass die Selbstanzeige mindestens die letzten zehn Kalenderjahre2 abdecken muss (Mindestberichtigungsverbund, § 371 Abs. 1 S. 2 AO nF). Die fristgerechte Nachzahlung erstreckt sich auch auf Zinsen (§ 371 Abs. 3 S. 1 AO nF). Der Sperrbetrag ist halbiert worden auf 25.000 € (pro Tat, § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AO nF). In einem mittelständischen Unternehmen mit einem Umsatzvolumen von 1 Mrd € entspricht dies einer Abweichung bei der USt im Promillebereich (rd. 0,008 %).3 Der Zuschlag ist gestaffelt verdoppelt bis vervierfacht worden (10 %, 15 % oder 20 % bei Hinterziehungsbeträgen bis einschl. 100.000 €, 1 Mio € oder über 1 Mio €), § 398a Abs. 1 Nr. 2 AO nF. Seine Bemessungsgrundlage (der Hinterziehungsbetrag) ist unter Beachtung des Kompensationsverbots zu ermitteln (§ 398a Abs. 2 AO nF iVm § 370 Abs. 4 AO), dh (mehrfache) Zuschläge drohen selbst dann, wenn sich materiell-steuerlich überhaupt kein Steuerschaden ergibt. 1.2 Steueranmeldungen Bei Steueranmeldungen (§ 150 Abs. 1 S. 3 AO) ist nunmehr wie folgt zu unterscheiden: Für die USt-Voranmeldung (regelm. monatlich § 18 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2 UStG) und LSt-Anmeldung (grds. monatlich, § 41a Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1 EStG) soll wohl eine Teil-Selbstanzeige4 ebenso wieder möglich sein (§ 371 Abs. 2a S. 1 AO nF) wie Mehrfach-Berichtigungen (§ 371 Abs. 2a S. 2 AO nF). Der reduzierte Sperrbetrag iVm den höheren Zuschlägen gilt nicht (§ 371 Abs. 2a S. 1 AO nF). Für andere Steueranmeldungen, die auch regelmäßig nicht jährlich abgegeben werden (zB Kapitalertrag-, Versicherung-, Feuerschutz-, Bauabzug-, Energie- oder Stromsteuer), gelten die og Erleichterungen (Teil-Selbstanzeige, Mehrfach-Berichtigungen) nicht, und es dürften sämtliche og Verschärfungen (Mindestberichtigungsverbund, reduzierter Sperrbetrag iVm höheren Zuschlägen) greifen (§ 371 Abs. 2a Sätze 1, 2 AO nF Umkehrschluss). Neuling: Tax Compliance im Unternehmen: schlichte Anzeige (§ 153 AO) vs. Selbstanzeige DStR 2015, 558 Page 1 of 10DStR 2015, 558 - beck-online 13.03.2015https://beck-online.beck.de/default.aspx?printmanager=print&VPATH=bibdata%2Fze...
  • 2. Für Jahresanmeldungen, va USt (regelm. jährlich, § 16 Abs. 1 S. 2, § 18 Abs. 3 S. 1 UStG), gelten die og Erleichterungen ebenfalls nicht, und es dürften wiederum sämtliche og Verschärfungen greifen (§ 371 Abs. 2a S. 3 AO nF). Das Vollständigkeitsgebot ist insoweit nur hinsichtlich folgender Voranmeldungen gelockert worden (§ 371 Abs. 2a S. 4 AO nF). 2. In den letzten Jahren: erhebliche Verschärfung des Steuerstrafrechts Diese jüngste Verschärfung der strafbefreienden Selbstanzeige ist vorläufiger Schlusspunkt einer mE unumkehrbaren, harten Linie von Finanzverwaltung, Rechtsprechung und Gesetzgebung im deutschen Steuerstrafrecht in den letzten Jahren: Anfang 2008 war infolge der Durchsuchung im sog Fall Zumwinkel medienöffentlich geworden, dass deutsche Behörden gestohlene Kundendaten ausländischer Banken ankaufen. Das Fernsehen war zur besten Frühstückszeit live vor Ort, als die Durchsuchung stattgefunden hat und der Beschuldigte abgeführt worden ist. Anschließend titelte Der Spiegel:5 „Der Schatz des BND“. Seither hat ein ungehemmter Handel mit gestohlenen Kundendaten ausländischer Banken existiert. Im Sommer 2008 hat der 1. Strafsenat des BGH die Zuständigkeit für Steuerstrafverfahren übernommen und im Winter 2008 in einer ersten Aufsehen erregenden Entscheidung6 ua Grundsätze zur Strafzumessung im Steuerstrafrecht formuliert. Es folgten weitere Aufsehen erregende Entscheidungen, zB zur Anzeige- und Berichtigungspflicht nach Neuling: Tax Compliance im Unternehmen: schlichte Anzeige (§ 153 AO) vs. Selbstanzeige (DStR 2015, 558) § 153 AO bei voriger bedingt vorsätzlicher Steuerverkürzung7 und zum Vorsatz.8 Auch der Gesetzgeber war inzwischen aktiv geworden und hat die strafrechtliche Verjährungsfrist für schwere Steuerhinterziehungen ebenfalls im Winter 2008 auf 10 Jahre verlängert (§ 376 AO).9 Im Frühjahr 2010 folgte eine weitere kontrovers diskutierte Entscheidung des 1. Strafsenats des BGH10 , wonach der Steuerhinterzieher kurz gefasst „reinen Tisch“ machen müsse. Eine Teil-Selbstanzeige sei unwirksam. Dies hat den Gesetzgeber erneut auf den Plan gerufen, der die Selbstanzeige (§ 371 AO) im Frühjahr 2011 verschärft und ua das Vollständigkeitsgebot sowie den Sperrbetrag (50.000 € pro Tat) iVm dem Zuschlag (5 %) eingeführt hat.11 Diese Ereignisse und anschließende sog prominente Selbstanzeigefälle mündeten schließlich in der jüngsten Verschärfung der strafbefreienden Selbstanzeige. 3. Kriminalisierung von Unternehmen Mit diesen Verschärfungen einhergegangen ist eine Kriminalisierung12 von Unternehmen durch Steuerpolitik und Steuervollzug in Deutschland. 3.1 Steuerpolitik: tendenziöse Diskussion in der deutschen Medienöffentlichkeit International geraten Unternehmen in den Fokus der Steuerpolitik. Ein Beispiel ist der Aktionsplan gegen „Base Erosion and Profit Shifting“ (sog BEPS) der OECD, den die Finanzminister der G20-Staaten im Juli 2013 gebilligt haben und auf dessen Grundlage bis Ende 2015 international abgestimmte Regelungen gegen Steuervermeidung und „aggressive“ Steuerplanung multinationaler Konzerne erarbeitet werden sollen. Der Aktionsplan enthält Maßnahmen ua in den Bereichen 559 Page 2 of 10DStR 2015, 558 - beck-online 13.03.2015https://beck-online.beck.de/default.aspx?printmanager=print&VPATH=bibdata%2Fze...
  • 3. Hinzurechnungsbesteuerung (AStG, sog CFC-Rules), Abkommensrecht (DBA), Verrechnungspreise, Offenlegung mutmaßlich aggressiver oder missbräuchlicher Steuerplanungsmodelle.13 Seit Herbst 2014 stellt die OECD Empfehlungen14 öffentlich zur Diskussion.15 In Deutschland geht hiermit eine mE tendenziöse steuerpolitische Diskussion in der Medienöffentlichkeit einher, die teilweise sogar in einer undifferenzierten Gleichsetzung von „Steuerbetrug und Steuerumgehung“16 gipfelt. 3.2 Steuervollzug: steuerstrafrechtliche Vorwürfe als Kollateralschäden steuerverfahrensrechtlicher Vorstöße Das Steuerstrafrecht ist auch im Steuervollzug viel präsenter als früher. Unternehmen, ihre Organe, Mitarbeiter sehen sich in Deutschland va im Zusammenhang mit Betriebsprüfungen immer häufiger mit steuerstrafrechtlichen Vorwürfen konfrontiert. Es ist eine Entwicklung zu beobachten, die mir Sorgen bereitet: Die Finanzverwaltung erhebt steuerstrafrechtliche Vorwürfe mE häufig nicht oder nicht primär deshalb, weil sie strafbares Verhalten tatsächlich annimmt, sondern um steuerverfahrensrechtliche Sondervorschriften zu nutzen und dadurch Mehrergebnisse zu erzielen. Ursache ist das Ineinandergreifen von Steuerverfahrensrecht und Steuerordnungswidrigkeitenrecht, Steuerstrafrecht:17 – Die steuerliche Festsetzungs-/Feststellungsverjährung beträgt nicht 4 Jahre (§ 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO, § 181 Abs. 1 S. 1 AO) bzw. 1 Jahr (§ 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO: zB Verbrauchsteuern), sondern 5 Jahre (§ 169 Abs. 2 S. 2 Fall 2 AO) oder sogar 10 Jahre (§ 169 Abs. 2 S. 2 Fall 1 AO), wenn eine leichtfertige Steuerverkürzung oder sogar vorsätzliche Steuerverkürzung (sog Steuerhinterziehung) vorliegt. Beispiel: Anlässlich einer Umstrukturierung im internationalen Konzern werden grunderwerbsteuerbare Erwerbsvorgänge ausgelöst, die erst viel später in einer Betriebsprüfung entdeckt werden. Dann ist die reguläre 4-jährige Festsetzungsfrist jedoch schon abgelaufen. Die Erfahrung zeigt, dass die Betriebsprüfung in dieser Situation den Vorwurf der leichtfertigen oder, falls 5 Jahre nicht „reichen“, sogar vorsätzlichen Steuerverkürzung (auch) deshalb erhebt, um noch grunderwerbsteuerliche Feststellungen und Festsetzungen zu erreichen. Hinzu kommt, dass die Finanzverwaltung die Steuerhinterziehung nicht nur den Organen des betroffenen Unternehmens selbst, sondern grundsätzlich auch Dritten vorwerfen kann, um eine Verlängerung der Festsetzungsfrist zu erreichen (§ 169 Abs. 2 S. 3 AO). – Steuerbescheide, die aufgrund Betriebsprüfung geändert sind, dürfen ausnahmsweise nach § 173 AO („neue“ Tatsachen) abermals geändert werden, wenn eine leichtfertige Steuerverkürzung oder Steuerhinterziehung vorliegt (§ 173 Abs. 2 AO). Beispiel: Die BP ist abgeschlossen. Die geänderten Nach-BP-Bescheide (ohne Nebenbestimmungen) sind formell bestandskräftig (unanfechtbar). Später werden neue Tatsachen bekannt, die zu einer höheren Page 3 of 10DStR 2015, 558 - beck-online 13.03.2015https://beck-online.beck.de/default.aspx?printmanager=print&VPATH=bibdata%2Fze...
  • 4. Steuer führen, weshalb die Finanzverwaltung den Vorwurf der leichtfertigen Steuerverkürzung oder sogar Steuerhinterziehung erhebt und die Nach-BP-Bescheide nach § 173 AO abermals ändert. Neuling: Tax Compliance im Unternehmen: schlichte Anzeige (§ 153 AO) vs. Selbstanzeige (DStR 2015, 558) 4. Konsequenz für Tax Compliance im Unternehmen Die geschilderten Entwicklungen in Deutschland beeinflussen mE ein zentrales Element von Tax Compliance im Unternehmen: die Einhaltung der Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 AO. 4.1 Verdachtsorientiertes Compliance-Verständnis Tax Compliance bedeutet kurz gefasst die Befolgung des formellen und materiellen Steuer- und Zollrechts18 zur Vermeidung von Risiken, aber auch zur Nutzung von Gestaltungsspielräumen und zur Durchsetzung legitimer Interessen.19 Die nachfolgende Darstellung wird sich konzentrieren auf die Befolgung des formellen Steuerrechts in Gestalt der Einhaltung der Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 AO zur Vermeidung von Risiken für Unternehmen, ihre Organe, Mitarbeiter. Tax Compliance soll nach bisherigem Verständnis der Begehung von (Steuer-)Ordnungswidrigkeiten oder Steuerstraftaten vorbeugen.20 Angesichts der geschilderten Entwicklungen bzw. des geschilderten „Klimas“ in Deutschland erscheint es mE angezeigt, dieses Verständnis auch ausdrücklich21 zu verändern: Tax Compliance soll möglichst schon einem derartigen Vorwurf vorbeugen. Denn schon dieser Vorwurf kann Strafe sein. Die mit ihm einhergehenden Folgen für Unternehmen, Organe und Mitarbeiter verursachen große materielle Schäden und, wird der Vorwurf öffentlich, außerdem große immaterielle Schäden für das steuerliche Renommée des betroffenen Unternehmens. So titelte zB Der Spiegel:22 „Die Deutsche Skandal-Bank“, „Eine Institution ruiniert ihren Ruf“. Ob das betroffene Kreditinstitut, betroffene Personen sich von dieser Berichterstattung infolge der Durchsuchung im Jahr 2012 und deren Folgen vollständig erholen werden, erscheint fraglich – und zwar unabhängig vom Ausgang der Verfahren. Semper aliquid haeret. Die nachfolgende Darstellung wird sich also nicht daran orientieren, ob anlässlich einer Korrektur von Steuererklärungen im Unternehmen eine (Steuer-)Ordnungswidrigkeit oder Steuerstraftat vorliegt, sondern ob ein derartiger Vorwurf droht. 4.2 Sanktionen gegen Unternehmen, ihre Organe, ihre Mitarbeiter Die Sanktionen bei (Steuer-)Ordnungswidrigkeiten (insb. leichtfertiger Steuerverkürzung, § 378 AO; Verletzung der Aufsichtspflicht, § 130 OWiG) oder Steuerstraftaten (insb. Steuerhinterziehung, § 370 AO) können erheblich sein: Bei (Steuer-)Ordnungswidrigkeiten kann die Geldbuße mittlerweile bis zu 10 Mio € betragen (§ 130 Abs. 3 S. 2 iVm § 30 Abs. 2 S. 3 OWiG). Es drohen Abschöpfungen (§ 17 Abs. 4, § 29a OWiG): 148 Mio €23 (2012: CS, Beihilfe zur Steuerhinterziehung), 300 Mio €24 (2014: UBS, Beihilfe zur Steuerhinterziehung). Bei Steuerstraftaten kann die Geldstrafe bis zu rd 20 Mio € (§ 369 Abs. 2 AO iVm § 40, § 54 Abs. 2 560 Page 4 of 10DStR 2015, 558 - beck-online 13.03.2015https://beck-online.beck.de/default.aspx?printmanager=print&VPATH=bibdata%2Fze...
  • 5. StGB), die Freiheitsstrafe bis zu 10 Jahre (§ 370 Abs. 3 S. 1 AO) betragen. Und die Abwendung von Strafen (insb. § 153a StPO) erreicht inzwischen ebenso enorme Größenordnungen, wie der sog Fall Ecclestone gezeigt hat ( 100 Mio USD). 4.3 Einhaltung der Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 AO 4.3.1 Das Problem: Kriminalisierung von Korrekturen Die Praxis der letzten Jahre zeigt, dass Korrekturen von Steuererklärungen durch Unternehmen immer häufiger kriminalisiert werden. Insbesondere Betriebsprüfungen konfrontieren Unternehmen erfahrungsgemäß zunehmend mit Vorwürfen und der Androhung, den Fall an die Bußgeld- und Strafsachenstelle25 abzugeben. Diese Praxis steht mE in krassem Gegensatz zur Realität: Korrekturen nach § 153 AO sind im Unternehmen naturgemäß allgegenwärtig und haben in den allermeisten Fällen nichts mit vorwerfbarem Verhalten zu tun. Sie sind vielmehr zwangsläufige Konsequenz des unternehmerischen Organismus, selbst bei bestem Wissen und Wollen aller beteiligten Personen. Sie müssen regelmäßig wiederkehrend (zB USt, LSt: monatlich) die steuerliche Beurteilung massenhafter Geschäftsvorfälle verantworten. In einem ertragsteuerlichen Organkreis mit ein-/zweistelligem Milliardenumsatz existieren zwei-/dreistellige Millionen-Buchungsvorgänge, die in zT bis zu 500 HGB-Einzelabschlüsse nebst Steuerbilanzen und sodann konsolidiert in die steuerlichen Erklärungen der Organträgerin einfließen.26 Es ist praktisch unmöglich, dass dies stets fehlerfrei gelingt. Rechtlich erfüllt die Korrektur nach § 153 AO jedoch nicht zugleich die (viel komplexeren) Voraussetzungen einer wirksamen Selbstanzeige. Deshalb stehen Unternehmen, ihre Organe und Mitarbeiter vor der Frage der Abgrenzung beider Institute. Aus Beratersicht und -praxis kann diese Abgrenzung mE nach folgendem 2-Stufen-Modell vorgenommen werden: 4.3.2 Erste Stufe: schlichte Anzeige ( § 153 AO ) vs. Selbstanzeige Bei Aufgriff von möglichem Korrekturbedarf im Unternehmen sollte im Regelfall zuerst geprüft werden, ob ein Fall der Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 AO27 – nachfolgend: schlichte Anzeige – vorliegt. Neuling: Tax Compliance im Unternehmen: schlichte Anzeige (§ 153 AO) vs. Selbstanzeige (DStR 2015, 558) 4.3.2.1 „Organhaftung“ für die Richtigkeit unternehmerischer Steuererklärungen Anzeige- und berichtigungsverpflichtet ist der „Steuerpflichtige“ (§ 153 Abs. 1 S. 1 iVm § 33 AO), dh bei Unternehmen (zB AG, GmbH, GmbH & Co. KG) an vorderster Front deren gesetzliche Vertreter bzw. Organe (§ 153 Abs. 1 S. 2 iVm § 34 Abs. 1 S. 1 AO), dh deren Vorstand (§ 78 Abs. 1 AktG), Geschäftsführer (§ 35 Abs. 1 GmbHG). Diese Personen müssen handeln, wenn sie als amtierende oder wirksam neu bestellte Organe nachträglich erkennen, dass eine unrichtige oder unvollständige (= fehlerhafte) Steuererklärung für das Unternehmen abgegeben worden ist und dadurch eine Steuerverkürzung eingetreten ist oder eintreten kann.28 Sonst riskieren sie den Vorwurf der Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 iVm § 153 AO) – mögen sie an der Abgabe dieser ursprünglichen Steuererklärung noch so unbeteiligt gewesen sein. § 153 AO sichert die Vollständigkeits- und Wahrheitspflicht für Angaben in 561 Page 5 of 10DStR 2015, 558 - beck-online 13.03.2015https://beck-online.beck.de/default.aspx?printmanager=print&VPATH=bibdata%2Fze...
  • 6. Steuererklärungen (§ 90 Abs. 1 S. 2, § 150 Abs. 2 S. 1 AO) ab, lässt diese Pflicht nach Abgabe fortbestehen und begründet eine gesetzliche Garantenpflicht, die durch ihre Verletzung (vorangegangenes pflichtwidriges Tun: Abgabe der fehlerhaften Steuererklärung) begründet wird.29 Mit anderen Worten: Organe „haften“ für die Richtigkeit unternehmerischer Steuererklärungen. Dies gilt grundsätzlich auch für Organe von Unternehmen, die durch Transaktionen bzw. Umstrukturierungen Gesamtrechtsnachfolger anderer Unternehmen geworden sind, hinsichtlich der abgegebenen Steuererklärungen dieser anderen Unternehmen (§ 153 Abs. 1 S. 2 AO).30 4.3.2.2 Nachträgliches Erkennen Zentrales Tatbestandsmerkmal – weil Kriterium für die Abgrenzung gegenüber der Selbstanzeige – ist das nachträgliche Erkennen, dass eine fehlerhafte Steuererklärung abgegeben worden und dass es dadurch zu einer Steuerverkürzung gekommen ist oder kommen kann (§ 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 iVm § 370 Abs. 4 S. 1 AO). Nachträgliches Erkennen bedeutet Gutgläubigkeit bei Abgabe der ursprünglichen Steuererklärung, liegt vor, wenn deren Fehlerhaftigkeit erst nach ihrer Abgabe entdeckt wird, und löst die Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 AO aus (die gegenwärtig im Prinzip selbstanzeigefest erfüllt werden sollte31). Besteht hingegen das Risiko, dass die Finanzverwaltung Bösgläubigkeit behauptet, ist zu differenzieren: Droht der Vorwurf der leichtfertigen oder bedingt vorsätzlichen Abgabe der fehlerhaften Ursprungserklärung, so besteht nach maßgeblicher Auffassung32 ebenfalls die Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 AO (die selbstanzeigefest erfüllt werden sollte33); droht der Vorwurf, die Ursprungserklärung sei bewusst fehlerhaft abgegeben worden, liegt kein Fall von § 153 AO, sondern ein Fall von § 371 AO vor. Praktisch bedeutet dies, dass der Prüfung des nachträglichen Erkennens bei der Aufarbeitung von möglichem Korrekturbedarf im Unternehmen zentrale Bedeutung zukommt. Diese Prüfung ist praktisch schwierig, wenn sie – wie regelmäßig – länger zurückreichende (Dauer-)Sachverhalte betrifft. Ihr sollte deshalb besondere Sorgfalt gewidmet werden. Das nachträgliche Erkennen sollte in der späteren schriftlichen Korrespondenz mit dem zuständigen Finanzamt ggf. unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 153 AOprägnant dargestellt werden.34 4.3.2.3 Vor Ablauf der Festsetzungsfrist Außerdem ist zu prüfen und entscheiden, welchen Zeitraum die schlichte Anzeige umfassen soll, denn § 153 AO setzt nachträgliches Erkennen tatbestandlich „vor Ablauf der Festsetzungsfrist“ (bzw. Feststellungsfrist, § 181 Abs. 1 S. 1 AO) voraus, die regelmäßig 4 Jahre bzw. 1 Jahr beträgt, aber auch 5 oder sogar 10 Jahre35 jeweils ggf. zzgl. An- (insb. § 170 Abs. 2 ff., § 175 Abs. 1 S. 2 AO) und/oder Ablaufhemmung (insb. § 171 AO) betragen kann. 4.3.2.4 „Enthaftung“ – Das Korrektur-Verfahren Rechtsfolgeseitig löst das nachträgliche Erkennen der Fehlerhaftigkeit der Steuererklärung(en) – bei Vorliegen auch der übrigen Tatbestandsmerkmale – die Pflicht zur unverzüglichen Anzeige (1. Schritt) 36 und zur Berichtigung im Einzelnen (2. Schritt) aus (§ 153 Abs. 1 S. 1 AO).37 Nachträgliches Erkennen bedeutet nach gegenwärtig maßgeblicher Auffassung38sichere Erkenntnis und kann angesichts der Komplexität des Steuerrechts sowie unternehmerischer Organisationsstrukturen allenfalls infolge unternehmensinterner Aufarbeitung des möglichen Korrekturbedarfes und/oder Hinzuziehung eines externen Beraters entstehen. Regelmäßig sind länger zurückliegende/-reichende Page 6 of 10DStR 2015, 558 - beck-online 13.03.2015https://beck-online.beck.de/default.aspx?printmanager=print&VPATH=bibdata%2Fze...
  • 7. (Dauer-)Sachverhalte, dh mehrere Steuererklärungen, betroffen. Überdies müssen die Unternehmen prüfen (lassen) dürfen, ob vorsorglich mittels Selbstanzeige reagiert werden sollte.39 Dementsprechend sollte diese Aufarbeitung folgende Module beinhalten: (1) Materiell-steuerliche Prüfung Prüfung der betroffenen Steuererklärung(en) hinsichtlich der Anwendung des materiellen Steuerrechts dem Grunde und ggf. zumindest geschätzt der Höhe nach. Eine zumindest geschätzte Prüfung auch der betragsmäßigen Folgen ist regelmäßig schon für die unverzügliche Anzeige (1. Schritt) erforderlich, um sichere Erkenntnis auch dahingehend zu erlangen, ob letztlich eine Steuerverkürzung eingetreten ist oder eintreten kann. Deren Konkretisierung Neuling: Tax Compliance im Unternehmen: schlichte Anzeige (§ 153 AO) vs. Selbstanzeige (DStR 2015, 558) bleibt ggf. der Berichtigung im Einzelnen (2. Schritt) vorbehalten. (2) Steuerverfahrensrechtliche Prüfung Prüfung der betroffenen Steuererklärung(en) hinsichtlich der vollständigen, wahrheitsgemäßen Offenlegung steuerlich erheblicher Tatsachen (§ 90 Abs. 1 S. 2, § 150 Abs. 2 S. 1 AO).40 (3) Steuerstrafrechtliche Prüfung Nur wenn danach unzweifelhaft feststeht, dass die betroffene(n) Steuererklärung(en) materiell und/oder formell richtig ist (sind), hätte der mögliche Korrekturbedarf sich nicht erhärtet, dh bestünde keine Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 AO. Anderenfalls sollte die steuerstrafrechtliche Prüfung folgen, ob die schlichte Anzeige (§ 153 AO) selbstanzeigefest erfolgen sollte: – Sind sowohl das nachträgliche Erkennen als auch das unverzügliche Handeln unzweifelhaft gegeben und droht hinsichtlich der Abgabe der fehlerhaften Ursprungserklärung(en) kein Vorwurf, ist die Korrektur „nur“ mittels schlichter Anzeige denkbar. Auch nach der jüngsten Verschärfung der Selbstanzeige (§ 371 AO) verbleibt es gegenwärtig jedoch vorerst dabei, dass es im Prinzip der sicherste Weg ist, jede schlichte Anzeige selbstanzeigefest auszugestalten.41 Diese Lage ist für Unternehmen aus den geschilderten Gründen42 nicht hinnehmbar. Sie müssen im Korrekturfall rechtssicher und praktikabel bestimmen (lassen) können, ob (vs. Selbstanzeige) und wie (nach welchem Verfahren43 ) sie die schlichte Anzeige vollziehen können, ohne dass sie, ihre Organe, Mitarbeiter, kriminalisiert werden. Nur so kann die schlichte Anzeige auch rechtlich – der unternehmerischen Realität folgend – zum sichersten Weg für den Regelfall werden. – Besteht das Risiko, dass die Finanzverwaltung das nachträgliche Erkennen (dh die gutgläubige Abgabe der Ursprungserklärung/en) oder das „jetzige“ unverzügliche Handeln44 bezweifelt, sollte die schlichte Anzeige selbstanzeigefest ausgestaltet werden. (4) Das Verfahren: „Enthaftung“ durch unverzügliche Aufarbeitung und Anzeige Die unverzügliche Aufarbeitung von möglichem Korrekturbedarf im Unternehmen ist ratsam – sei es, um schnell Sicherheit zu erhalten, dass kein Korrekturbedarf besteht oder dass Korrekturbedarf besteht und eine (selbstanzeigefeste) schlichte Anzeige (die unverzüglich erfolgen muss) oder Selbstanzeige 562 Page 7 of 10DStR 2015, 558 - beck-online 13.03.2015https://beck-online.beck.de/default.aspx?printmanager=print&VPATH=bibdata%2Fze...
  • 8. (die regelmäßig baldmöglich erfolgen sollte) erforderlich ist. Diese unverzügliche Aufarbeitung sollte in gebotener Form dokumentiert werden.45 Dies betrifft va ihren Ablauf – dh insb. Aufgriff, Untersuchungsbeginn (ggf. Beauftragung eines externen Beraters), Fortschritt (insb. Ermittlung der Sach- und Rechtslage) und endgültiges Ergebnis – und ihr vorrangiges Voranbringen. Ist Ergebnis dieser Aufarbeitung die sichere Erkenntnis, dass Korrekturbedarf existiert, wird dann – dh nach endgültigem Abschluss der internen und/oder externen Aufarbeitung – die Pflicht zur unverzüglichen Anzeige ausgelöst. Unverzüglich bedeutet ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 S. 1 BGB).46 Die Frage, welches konkrete Zeitfenster existiert, ist soweit ersichtlich nicht abschließend geklärt. Im Schrifttum werden unterschiedliche47 Zeiträume vertreten (zB 2 Wochen48 , 1 Monat49 ). Praktisch können nach Feststellung von Korrekturbedarf zB noch notwendige unternehmensinterne Prozesse zusätzliche Zeit beanspruchen. Die Erfahrung zeigt, dass es im Regelfall bis zu 10 Werktage dauert, bis die unverzügliche Anzeige schließlich beim zuständigen Finanzamt schriftlich eingereicht werden kann. Bei Organwechsel oder Gesamtrechtsnachfolge durch Transaktionen bzw. Umstrukturierungen50 kann die Frist frühestens durch wirksamen Eintritt in die entsprechende Rechtsstellung ausgelöst werden.51 4.3.3 Zweite Stufe: bußbefreiende vs. strafbefreiende Selbstanzeige Ergibt die Aufarbeitung, dass selbstanzeigefest bzw. mittels Selbstanzeige reagiert werden sollte, existieren im Prinzip zwei Möglichkeiten: die bußbefreiende (§ 378 Abs. 3 AO) oder die strafbefreiende Selbstanzeige (§ 371 AO). Deren Voraussetzungen klaffen seit der letzten Verschärfung der strafbefreienden Selbstanzeige im Frühjahr 2011 immer weiter auseinander: Die bußbefreiende Selbstanzeige unterliegt nicht dem Vollständigkeitsgebot und ist auch noch inmitten einer Betriebsprüfung möglich – egal wie hoch der Steuerschaden ist (§ 378 Abs. 3 AO Umkehrschluss).52 Die jüngsten Verschärfungen (insb. Mindestberichtigungsverbund, reduzierter Sperrbetrag iVm erhöhten Zuschlägen) gelten nicht (§ 378 Abs. 3 AO Umkehrschluss). Die fristgerechte Nachzahlung erstreckt sich nicht auch auf Zinsen (§ 378 Abs. 3 S. 2 AO nF). Abgrenzt wird danach, ob Leichtfertigkeit (dann: § 378 Abs. 3 AO) oder Vorsatz (dann: § 371 AO) vorliegt. Deren Definitionen53 sind extrem wertungsanfällig, weshalb die Behandlung des Einzelfalles durch die Finanzverwaltung und ggf. Gerichte nicht vorhersehbar ist. Die Praxis zeigt, dass die Finanzverwaltung regelmäßig automatisch und formel Neuling: Tax Compliance im Unternehmen: schlichte Anzeige (§ 153 AO) vs. Selbstanzeige (DStR 2015, 558) haft behauptet, die objektive Steuerverkürzung sei wenigstens bedingt vorsätzlich verursacht worden. Nach alledem sollte möglichst mit strafbefreiender Selbstanzeige (§ 371 AO) reagiert werden. Deren Abgrenzung zur bußbefreienden Selbstanzeige bzw. die hiermit einhergehende Prüfung von Leichtfertigkeit und Vorsatz ist gleichwohl stets ratsam: So kann im späteren Verlauf einer etwaigen Auseinandersetzung mit der Finanzverwaltung ggf. vertreten werden, dass allenfalls leichtfertiges Verhalten vorliegt, um so zB inmitten einer Betriebsprüfung möglichst trotzdem zu einer wirksamen Selbstanzeige zu gelangen oder einer aufgedrängten (strafbefreienden) Selbstanzeige und dadurch aufgedrängten Zuschlägen erfolgreich entgegentreten zu können. 563 Page 8 of 10DStR 2015, 558 - beck-online 13.03.2015https://beck-online.beck.de/default.aspx?printmanager=print&VPATH=bibdata%2Fze...
  • 9. 5. Schlussbemerkung Finanzverwaltung, Rechtsprechung und Gesetzgebung verfolgen eine mE unumkehrbare, harte Linie im Steuerstrafrecht. Die Finanzverwaltung nutzt das Steuerstrafrecht erfahrungsgemäß häufig für steuerverfahrensrechtliche Vorstöße. Die Abgrenzung der schlichten Anzeige (§ 153 AO) von der Selbstanzeige (§ 378 Abs. 3, § 371 AO) stellt deshalb einen Brennpunkt von Tax Compliance dar. Zu deren Schwerpunkten sollte dementsprechend die Implementierung eines Verfahrens für den Umgang mit Korrekturen von Steuererklärungen im Unternehmen gehören, um Risiken für das Unternehmen, seine Organe und Mitarbeiter zu minimieren. * 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 Dr. Christian-Alexander Neuling, Rechtsanwalt und Steuerberater, ist Senior Manager (Steuerstrafrecht, Steuerprozessrecht, Steuerverfahrensrecht) bei EY in Hamburg, Berlin sowie Eschborn (Frankfurt/Main) und Dozent (Steuerstrafrecht, Steuerprozessrecht) beim Lehrgangswerk HAAS. Der Beitrag basiert auf seinen beruflichen Erfahrungen und gibt seine persönliche Sicht wieder. Art. 3 des Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung v. 22.12.2014, BGBl. I 2014, 2416. Dazu zB JoecksDStR 2014, 2261 ff.; Habammer/PflaumDStR 2014, 2267 ff.; Schwartz PStR 2015, 37 ff.; BenekeBB 2015, 407. Habammer/Pflaum (Fn. 1), 2268 u. Schwartz (Fn. 1), 38 f. zum problematischen Wortlaut von § 371 Abs. 1 S. 2 AO nF, wonach bei Anknüpfung an die Steuerstraftaten (einer Steuerart) mehr als die letzten 10 Kalenderjahre betroffen sein können. Bsp. nach: Spitzenverbände Stellungnahme v. 10.9.2014, 6/11 zum Referenten-Entwurf v. 27.8.2014 dieser jüngsten Verschärfung. Erdbrügger/Jehke DStR 2015, 385 zum problematischen Wortlaut von § 371 Abs. 2a S. 1 AO nF, wonach nur verspätete USt-Voranmeldungen und LSt-Anmeldungen teilselbstanzeigefähig sein könnten. Nr. 8/2008 v. 18.2.2008, 20. BGH v. 2.12.2008, 1 StR 416/08, BGHSt 53, 84 ff. = NJW 2009, 528. BGH v. 17.3.2009 iVm 27.5.2009, 1 StR 479/08, BGHSt 53, 210 ff. = NJW 2009, 1984. BGH v. 8.9.2011, 1 StR 38/11, wistra 2011, 465 ff. = NStZ 2012, 160 iVm Jäger in Klein, AO, 12. Aufl. 2014, § 370 Rz. 172 ff. JStG 2009 v. 19.12.2008, BGBl. I 2008, 2828. BGH v. 20.5.2010, 1 StR 577/09, BGHSt 55, 182 f. = DStR 2010, 1133. Schwarzgeldbekämpfungsgesetz v. 28.4.2011, BGBl. I 2011, 676 f. So ausdrücklich: Spitzenverbände (Fn. 3), 4/11 f. Aktionsplan (dt. Arbeitsübersetzung): http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/FAQ/2014-06-05-faq-beps.html#doc- 301330bodyText1; zum Ganzen zB Gillamariam/BindingDStR 2013, 1153 ff. Http://www.oecd.org/ctp/beps-2014-deliverables-explanatory-statement.pdf. Http://www.oecd.org/ctp/beps-2014-deliverables.htm. So zB der Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen Dr. Norbert Walter-Borjans in „Europäisches FBI soll Steuersünder jagen“, Handelsblatt online v. 15.10.2014. Weitere Fälle: Festsetzung von Hinterziehungs-Zinsen (§ 235 AO) in Fällen, in denen die übliche Verzinsung (§ 233a AO) nicht anwendbar ist (zB Grunderwerb-, Erbschaft-/Schenkungsteuer), Haftung des Steuerhinterziehers (§ 71 AO), Ablaufhemmung der Festsetzungsverjährung (§ 171 Abs. 7, 9 AO). Das Zollrecht wird im Folgenden ausgeklammert. Dies liegt keinesfalls an seiner mangelnden Relevanz. Allerdings würde die Betrachtung auch des Zollrechts den Umfang dieses Beitrages „sprengen“. Ähnlich zB Streck in Streck/Mack/Schwedhelm, Tax Compliance, 2010, Rz. 1.15 mwN. So wohl bspw. Streck (Fn. 19) Rz. 1.29: „Gefahren einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung (§ 370 AO), einer leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378 AO)“. In diese Richtung: Geuenich/KieselBB 2012, 157. Nr. 51/2012 v. 17.12.2012. LG Düsseldorf v. 21.11.2011 – 10 KLs 14/11, wistra 2013, 80 = BeckRS 2012, 24554. Abschöpfung u. Ahndung, StA Bochum, Pressemitteilung über Ermittlungsabschluss, 2014: http://www.sta-bochum.nrw.de/behoerde/presse/pressemitteilungen/index.php. Page 9 of 10DStR 2015, 558 - beck-online 13.03.2015https://beck-online.beck.de/default.aspx?printmanager=print&VPATH=bibdata%2Fze...
  • 10. 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 Bsp. nach: Spitzenverbände (Fn. 3), 5/11. § 3 SubvG bei der Korrektur von IZ-Anträgen, vgl. JesseBB 2011, 1435. Vgl. zB TalaskaAG 2013, 875 f. mwN zur Wirkung der Korrektur des amtierenden Organs für ausgeschiedene Organe (§ 371 Abs. 4 iVm § 153 AO), der zutr. empfiehlt, die ausgeschiedenen Organe ggf. vorab zu informieren und einzubeziehen. BGH (Fn. 7), 217. Dazu ausf. Jesse (Fn. 27), 1432 ff. u. 1443. S.u. 4.3.2.4 (3). So BGH (Fn. 7), 215 f. S.u. 4.3.2.4 (3). Vgl. auch: Ziff. 132 Abs. 1 S. 3 Anweisung für das Straf- und Bußgeldverfahren (Steuer) – AStBV (St) 2014, 1.11.2013, BStBl. I 2013, 1394: „Keine Vorlagepflicht besteht für Erklärungen, die zweifelsfrei auf nachträglichen Erkenntnissen des Steuerpflichtigen beruhen (vgl. § 153 AO).“ S.o. 3.2. Auf diesen 1. Schritt konzentriert sich die nachfolgende Darstellung. Wulf SAM 2014, 132 f. mwN zur strafgerichtl. Rspr. u. steuerl. Lit. zu dieser Zweistufigkeit. BGH (Fn. 7); Lit. zB Jesse (Fn. 27), 1438 mwN. AA zB Wulf (Fn. 37) (134) mwN zur FG-Rspr. (konkret für möglich halten, Eventualvorsatz). Vgl. auch: Jehke/DreherDStR 2012, 2470. BGH v. 10.11.1999, 5 StR 221/99, wistra 2000, 137 (139 f.) = NStZ 2000, 203 zur Offenlegung abw. Rechtsauffassungen; dazu ferner Jäger (Fn. 8) Rz. 44. So zutr. Wulf/KampsDB 2011, 1717 nach der letzten Verschärfung der Selbstanzeige (§ 371 AO) im Frühjahr 2011 (s. o. 2.). S.o. 4.3.1. S.u. (4). Vgl. dazu: Wulf (Fn. 37), 135, der rechtl. zutr. anmerkt, dass eine verspätete Anzeige (§ 153 AO) solange einen Rücktritt vom Versuch (§ 369 Abs. 2 AO iVm § 24 StGB) darstellt, bis der Zeitpunkt verstrichen ist, zu dem der geänderte Steuerbescheid hypothetisch (dh bei unverzüglicher Anzeige) ergangen wäre. Vgl. auch: Jehke/Dreher (Fn. 39), 2471 u. 2472. BGH (Fn. 7), 214. Vgl. zB Jehke/Dreher (Fn. 39), 2469 mwN. Jesse (Fn. 27), 1439. Wulf (Fn. 37), 134. Siehe oben: 4.3.2.1. So zutr. Jesse (Fn. 27), 1439. Vgl. auch Wulf/Kamps (Fn. 41), 1716 f. Außerdem scheiden Hinterziehungszinsen (wenn und soweit relevant) tatbestandlich aus (§ 235 Abs. 1 S. 1 AO Umkehrschluss). Dazu ausf. Jäger (Fn. 8), § 378 Rz. 20; ders. (Fn. 8), § 370 Rz. 175 iVm 170 ff.; jew. mwN zu Page 10 of 10DStR 2015, 558 - beck-online 13.03.2015https://beck-online.beck.de/default.aspx?printmanager=print&VPATH=bibdata%2Fze...