1. Rückblick 2014: Europa – Der müh-same
Weg aus der Schuldenkrise
Vor genau einem Jahr berichteten wir in Kapital & Märkte über
wichtige Meilensteine in 2014 zur Reform des Finanzsystems
in Europa. Nun stellt sich die Frage: Was ist wirklich aus den
Reformen und Sparanstrengungen in Südeuropa geworden?
Spanien und Irland erzielten die größten Erfolge bei der Um-setzung
der Reformprogramme. Besonders deutlich lässt sich
diese Entwicklung am Arbeitsmarkt ablesen. Hier verzeichne-ten
Spanien, Portugal und Irland einen Rückgang der Arbeits-losenquote.
Trotzdem wird es noch eine ganze Weile dauern,
bis in diesen Ländern der Stand vor der Finanzkrise wieder
erreicht wird. Deutlich problematischer ist die Lage in Frank-reich
und Italien, da dort die Entwicklung stagniert. Griechen-land
bekam im vergangenen Jahr weitere Geldspritzen durch
die internationalen Geldgeber und kehrte nach einer vierjäh-rigen
Pause mit einer fünfjährigen Anleihe im Volumen von
rund drei Milliarden Euro an den Kapitalmarkt zurück. Auch
Portugal platzierte erstmals wieder langfristige Anleihen und
hat den Euro-Rettungsschirm verlassen. ❚
EZB steuert mit Negativzinsen gegen
niedrige
Inflation
Die Inflationsrate in der Eurozone hat im Frühjahr insgesamt
leicht angezogen, bleibt aus Sicht der Währungshüter aber
bedenklich niedrig. Der Ankündigung der EZB, auch mit un-konventionellen
Instrumenten gegen die niedrige Inflation
zu steuern, folgten im Sommer Taten: So senkte die Zentral-bank
den Leitzins auf 0,15 Prozent. Heute (Stand Dezember
2014) liegt er auf einem Rekordtief von 0,05 Prozent. Der
Einlagenzins liegt zum ersten Mal im Minusbereich und so
kam, was lange erwartet wurde: Erstmals müssen die Banken
für ihre Geldanlagen bei der EZB Zinsen bezahlen. Mario
Draghi initiierte darüber hinaus ein umfangreiches Kaufpro-gramm
von Wertpapieren, um den Banken mehr Liquidität
für die Darlehensvergabe an die Wirtschaft bereitzustellen.
Doch leider führte dies bisher nicht zum gewünschten Er-gebnis.
Die Liquidität fließt noch immer in die Finanzmärkte
und nicht, wie ursprünglich vorgesehen, in den Kreditmarkt.
Das niedrige Zinsniveau sorgte 2014 auch unter den Anlegern
für große Unzufriedenheit. Risikoaverse Anleger wurden ent-täuscht,
da die Zinsen auf Tagesgeldern, Festgeldern und
Spareinlagen nahezu Richtung Null tendieren. Ebenso schwin-den
die Renditen im Bereich der festverzinslichen Wertpapie-re,
selbst bei bonitätsschwächeren Emittenten ist kaum noch
Ertrag zu erzielen. Zudem führte die expansive Vorgehens-weise
der EZB mittlerweile auch zu einem kräftigen Einbruch
des Euro und einer Steigerung des US-Dollar. Der Grund hier-für
war zum einen, dass internationale Geldströme in andere
Länder fließen und zum anderen das schwindende Vertrauen
internationaler Anleger in die Konsolidierungsfähigkeit der
südeuropäischen Länder. Seitens der EZB und vieler Regie-rungen
wird ein schwacher Euro gewünscht, um die Wettbe-werbsfähigkeit
Europas zu steigern. ❚
Aktienmärkte im Aufwind
Profiteure der unglücklichen Lage an den Zinsmärkten sind
die Aktienmärkte, auch wenn die verschärfte Krise in der
Ukraine, der Gaza-Krieg und der Einmarsch der IS-Terrormiliz
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Kapital & Märkte
Ausgabe Dezember 2014
2. in das irakische Staatsgebiet zwischenzeitlich für Achterbahn-fahrten
an den Börsen sorgten. Mit Argusaugen wurde die
Entwicklung beobachtet, bis tatsächlich die immer wieder in
Reichweite gerückte Marke von 10.000 Punkten im Dax ge-knackt
und einige Tage verteidigt werden konnte. Wichtige
Faktoren für diese Unterstützung waren das niedrige Zins-niveau,
fehlende Anlagealternativen und hohe Barreserven
der Marktteilnehmer.
Doch so richtig sicher konnte man sich auf diesem Niveau
nicht fühlen. Den Finanzmärkten sollte schnell „die Puste“
ausgehen. Nachdem die von den westlichen Ländern ver-hängten
Sanktionen gegenüber Russland verschärft wurden
und die geopolitischen Brände weiterhin schwelen, die Indizes
von ZEW und ifo auch eher auf dem Rückzug waren und nur
leicht in Schwung kamen, rutschte der Dax in der Folge jedoch
wieder auf 8.350 Punkte ab. Da die Marktteilnehmer dieses
Jahr bereits einige Berg-und Talfahrten mitgemacht hatten,
ließen sie sich davon nicht völlig verunsichern und griffen bei
niedrigen Kursen auch wieder beherzt zu. Sie kauften sich vor
allem solide, substanzielle Aktieneinzelpositionen, die mit einer
hohen Dividendenrendite für das kommende Jahr locken. ❚
Japan – Künstlicher Wohlstand durch
Geldschwemme
Auch in Japan wurde die Maschine zum Gelddrucken ange-worfen:
Ministerpräsident Shinzo Abe begann im Januar 2013,
kurz nach seiner Ernennung zum Premier, sein Reformpro-gramm
„Abenomics“ umzusetzen. Die Regierung Abe be-kämpft
seitdem mit Hilfe von umfangreichen Konjunktur-programmen
und einer enormen Geldschwemme sowie
einigen Deregulierungen die Wirtschaftsflaute und deflati-onäre
Tendenzen.
Die japanische Notenbank (BoJ) greift im Zuge des Reform-programms
massiv in den Markt ein und kauft monatlich
zwischen sechs und acht Billionen Yen an Staatsanleihen auf,
so dass die Notenbank Mitte des Jahres 2014 sogar die Ver-sicherungsgesellschaften
des Landes als größten Gläubiger
des Staates ablöste. Die japanische Notenbank hält somit
mehr als 20 Prozent der Staatsanleihen des eigenen Landes –
70 Prozent des Neuemissionsvolumens gehen direkt zur Bank
of Japan – was zu einer Destabilisierung des Marktes führen
könnte.
Nach anfänglichen Erfolgen mehren sich zunehmend die
kritischen Stimmen, die an der Strategie der japanischen
Regierung zweifeln. Die Anfangserfolge der Reform, die in
einer massiven Schwächung des Yen und somit zu einer An-kurbelung
der japanischen Wirtschaft führten, geraten ins
Stottern. Die zusätzlich eingeführte erste Stufe der Mehrwert-steuererhöhung
hatte negative Auswirkungen auf den Binnen-konsum
der japanischen Bürger. Statt den Schuldenberg ein
Stück weit abzubauen, führte diese Maßnahme zu einer Zu-rückhaltung
der Konsumausgaben und sogar kurzfristig im
Sommer und Herbst in die Rezession. Somit wird auch die
zweite Stufe der Mehrwertsteuererhöhung erst im zweiten
Quartal 2017 starten. Die Wirtschaft soll sich bis dahin erholen.
Wie man mit zusätzlichen Maßnahmen eine Rakete am
Aktienmarkt zünden kann, bewies Shinzo Abe Ende Oktober,
indem die BoJ das Volumen der Wertpapierankäufe von
60–70 Billionen Yen auf 80 Billionen Yen (zirka 545 Milliarden
Euro pro Jahr) erhöhte. Der Aktienmarkt war in Feierlaune
und schloss zirka fünf Prozent höher. Für das Jahr 2014 er-reicht
der Nikkei–Index somit eine positive Wertentwicklung
von rund sieben Prozent (Stand 01.12.2014).
Für Erleichterung bei der japanischen Regierung sorgten
Mitte November Meldungen von starken Exporten, die den
überraschenden Rückfall in die Rezession des Landes schnell
überwinden sollen. Ministerpräsident Abe bereitet hingegen
den nächsten Schachzug vor: In wirtschaftlich angespannten
Zeiten setzt er auf Neuwahlen, um seinen geld- und wirt-schaftspolitischen
Kurs vom Volk absegnen zu lassen. Zudem
will sich die Regierung am 14. Dezember bei den Wählern
die Zustimmung zur Verschiebung der Mehrwertsteuerer-höhung
und zur Wiederinbetriebnahme der stillgelegten
Atommeiler seit der Reaktor-Katastrophe von Fukushima
einholen. ❚
Fed tritt auf die Bremse US – Wirtschaft
kommt in Fahrt
Dass die Zeit rast, bekommen wir im Alltag vor Augen ge-führt.
Da kommt es einem schon wie eine Ewigkeit vor, dass
die amerikanische Regierung erst im Herbst 2013 massive
Probleme hatte, im Haushaltsstreit eine Einigung zu errei-chen.
Doch im Frühjahr 2015 steht uns dieses Problem erneut
bevor. Die Schuldenobergrenze rückt wieder näher und die
Republikaner rufen bereits lauthals nach einer Blockade, auf-grund
Obamas Alleingang bei der Einwanderungspolitik. Die
damals erwarteten Einschnitte durch den Haushaltsstreit und
die konsequente Verfolgung des „Tapering“, der Reduzierung
der Anleihekäufe durch die neue Notenbankchefin, hatten
2
3. keinerlei Auswirkungen auf die US-Wirtschaft. Das erste Quar-tal
war in den USA wesentlich stärker vom strengen Winter
gekennzeichnet, als von den Maßnahmen der Notenbank.
Schneefall und Frost führten zu spürbaren Beeinträchtigungen
der Wirtschaft, die diese aber in den folgenden Quartalen
lässig abschüttelte und eindrucksvolle Zahlen auswies. Die
Aktienindizes klettern derweil von Höchststand zu Höchst-stand.
Der Aufschwung wird nicht nur vom DowJones-Index
mit den 30 größten US-Unternehmen getragen, sondern
vom breiten US-Aktienmarkt gestützt.
Die Schwellenländer konnten 2014 ihre erlittenen Verluste aus
dem Vorjahr aufholen und präsentieren sich in ordentlicher
Verfassung. Vor allem die institutionellen Anleger hielten an
Investitionen in den Schwellenländern fest. Die Situation hat
sich wieder normalisiert und die Anleger erkennen auch hier
die Chancen einer sinnvollen Beimischung im Depot bei einer
Verzinsung von durchschnittlich über fünf Prozent. Das Zu-sammenspiel
von fundamental guten Daten (höheres Wachs-tum
und geringere Schulden), attraktiver Verzinsung und
Aufwertung des Dollars sprechen für diese Märkte.
Die Aufwertung des US-Dollars begann jedoch erst im Juni/
Juli dieses Jahres. Davor erwies sich der Euro gegenüber dem
Greenback, trotz des angestiegenen Zinsabstands zwischen
Euro und US-Märkten und erstarkter US-Wirtschaft, erstaun-lich
robust. Offensichtlich hatten massive Kapitalströme aus
dem angelsächsischen Raum und aus Asien den Euro als
Alternative zu den anderen großen Währungsblöcken gefun-den.
Schlussendlich erwiesen sich die harten Fakten jedoch
als zu belastend für den Euro und die Aufwertung des Dollars
begann. Notenbankchefin Yellen reduzierte konsequent,
Monat für Monat, das einmal mit 85 Milliarden US-Dollar
begonnene Anleiheaufkaufprogramm. Auch wurden Progno-sen
für Zinserhöhungen im Jahr 2015 immer lauter diskutiert.
Unterstützt durch die weiteren Maßnahmen von Mario
Draghi, bekam der Dollar Rückenwind und landete in der
Spitze am 24.11.2014 bei 1,2357 EUR/USD. Die Prognosen
gehen sogar von einem Niveau bis EUR/USD von 1,15 aus,
manche Auguren prophezeien für die Zukunft sogar die
Parität.
Die ersten Zinserhöhungen in den USA werden widersprüch-lich
diskutiert, denn man hatte Angst, die Schwäche der
europäischen Wirtschaft könnte Auswirkungen auf die US-Wirtschaft
haben. Im gleichen Atemzug wurde aber betont,
die Niedrigzinsphase beizubehalten, sollten Auswirkungen
auf die US-Wirtschaft zu spüren sein. ❚
Ausblick 2015: If you are in trouble – just
print money
EZB rückt zunehmend in den Fokus
Das beherrschende Thema im neuen Jahr 2015 wird, wie
bereits in den vergangenen Jahren, die Politik der Zentral-banken
bleiben. Wobei die Europäische Zentralbank (EZB)
noch stärker in den Fokus rücken wird als die amerikanische
Notenbank Fed. Die weiter schwächelnde Wirtschaft in den
Peripheriestaaten kann für EZB-Chef Draghi bedeuten, die
bereits angekündigten unpopulären Maßnahmen, wie den
massiven Ankauf von Staatsanleihen, auch tatsächlich in die
Tat umzusetzen. Die Inflation wird sicher auf sehr schwachem
Niveau verharren. Ob die angedachte Ausweitung der EZB-Bilanz
zum Erfolg führen wird, wird sich zeigen.
Deutschland wird als Konjunkturlokomotive wieder voran-gehen
müssen. Die großen Partner Frankreich und Italien
kämpfen mit Stagnation beziehungsweise äußerst geringen
Wachstum. Unterstützend für die Euro-Zone wirken sich der
schwache Euro und die niedrigen Rohstoffkosten aus. Dieser
Mix kann die im Herbst 2014 durchschrittene Konjunktur-delle
im ersten Halbjahr 2015 vergessen machen. Denn die
Exporte profitieren vom niedrigen Wechselkurs und die roh-stoffintensiven
Industrieunternehmen, aber auch die Konsu-menten,
haben massive Einsparungen durch den niedrigen
Ölpreis. Die europäischen Aktienmärkte sollten somit weiter
von der Geldflut und den dauerhaft niedrigen Zinsen profi-tieren.
Die attraktiven Dividendenrenditen von zirka drei
Prozent lockt die Investoren zusätzlich an.
Fed-Zinserhöhung ante portas
Die robuste US-Wirtschaft wird auch im neuen Jahr ihre Fort-setzung
finden. Dennoch sieht man die Entwicklung in den
USA, nach Jahren des Aufwärtstrends, etwas vorsichtiger als
in den Jahren zuvor. Die Unternehmen müssen wieder von
neuem beweisen, dass ihre Gewinne mit den stark gestie-genen
Aktienkursen der letzten Jahre Schritt halten können.
Verfehlungen werden an der Börse nicht gern gesehen und
meist bestraft. Die bereits mehrmals angekündigten Zinser-höhungen
werden für Sommer beziehungsweise Herbst
erwartet - dürften aber bei einer weiter wachsenden und
robusten US-Wirtschaft nur kurz für negative Schlagzeilen
sorgen. Die Märkte werden seit zirka einem guten halben Jahr
bereits darauf vorbereitet. Die Aufwertungstendenzen beim
Dollar können somit weiter intakt bleiben und die Aktien-kurse
im moderaten Niveau weiter ansteigen. Druck und
Unruhe könnten durch die politischen Verhältnisse und die
anstehende Haushaltsdebatte entstehen. Da die Republikaner
3
4. nun die Oberhand in beiden Kammern der US-Regierung
haben, werden diese die Maßnahmen Obamas sehr kritisch
beleuchten und den Präsidenten zur „Lame Duck“ degra-dieren.
Ob Präsident Obama zugunsten der Wirtschaft nach-geben
wird, werden wir kritisch verfolgen.
Japan – Fortsetzung der Abenomics
Nach der erfolgreichen Bestätigung des japanischen Minister-präsidenten
Shinzo Abes in den von ihm selbst angesetzten
Neuwahlen wird die Politik des billigen Geldes auch in Japan
seine Fortsetzung finden. Die eigene Währung wird weiter
schwach gehalten und damit der Exportwirtschaft weiter
massiv unter die Arme gegriffen. Auch die japanischen
Aktienmärkte werden weiter profitieren, unter anderem auch
davon, dass die Aktienquoten der großen Pensionsfonds des
Landes angehoben wurden. Nach wie vor beurteilen wir die
Situation in Japan sehr kritisch, da die wirklich wichtigen
strukturellen Maßnahmen seit Jahrzehnten nicht angepackt
werden und somit ein Ausbleiben eines starken Wirtschafts-aufschwunges
Destabilisierungen und politische Unruhen im
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Impressum Allgemein
Lande auslösen kann. Japans Ministerpräsident ist zum Erfolg
verdammt.
Emerging Markets im Spannungsfeld der Fed
Hatten sich die Emerging Markets im Jahr 2014 einigermaßen
von den massiven Abflüssen des Vorjahres erholt, könnte im
neuen Jahr durch die prognostizierten Zinserhöhungen in
den USA Volatilität in diese Märkte zurückkehren. Die erfolgte
Marktbereinigung in 2013 hatte zur Folge, dass diese Länder
fast nur noch von institutionellen Anlegern angesteuert werden.
Zudem ist durch die expansive Notenbankpolitik eine gewisse
Grundnachfrage nach Anlagen in Emerging Markets vorhan-den,
wobei Japan und die EZB an vorderster Front stehen.
Und nicht zu vergessen die Volksrepublik China, mit der ein
weiterer Player hinzukommt, der für seine Gelder Anlagemög-lichkeiten
sucht. Die geringe Verschuldung dieser Länder, die
Unterstützung durch den festen Dollar und die attraktiven
Verzinsungen sollten ein gutes Fundament für ein gesundes
Wachstum in 2015 sein. ❚
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