1. Medientage Bad Boll, 19./20. Oktober 2012:
Wem sollen wir glauben – Journalisten, Bloggern, Bürgern?
Die Perspektive der Print‐Medien
Michael Maurer, Stuttgarter Zeitung
Eigentlich ist es ja eine einfache Frage: Wem sollen wir glauben – Journalisten, Bloggern, Bürgern?
Denn darauf gibt es vordergründig eine einfache Antwort: Allen natürlich, aber vor allem den
Journalisten. Und hier insbesondere jenen der Tageszeitungen! Warum? – Print kauft man alles ab.
(Chart 1) Werbekampagne des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger
Damit wäre ich dann auch bereits am Ende meines Referats angekommen.
Ja, wenn’s denn so einfach wäre. Aber wie so oft spiegelt natürlich auch hier ein plakativer
Werbeslogan nur einen Teil der Wahrheit wider. Einen großen zwar, aber nicht den ganzen.
Tatsächlich ist es so, dass die Print‐Marken nach wie vor in puncto Vertrauen die höchsten
Zustimmungsraten unter allen Mediengattungen haben.
Aber wir müssen viel härter dafür arbeiten als früher, um dieses Vertrauen nicht zu enttäuschen. Und
wir stehen viel stärker unter Beobachtung als früher. Beides hängt ganz unmittelbar mit einem völlig
veränderten Medienumfeld zusammen, wie ich ihnen gerne zeigen würde.
Wem sollen wir glauben? So lautet der Titel dieser Medientage. Jetzt bin ich zugegebener Maßen
kein Experte in Sachen Glauben. Obwohl ich auf die Erfahrung von etlichen Jahren als Dom‐
Ministrant in Rottenburg verweisen kann. Das ist zwar jetzt, von Bad Boll aus gesehen, die andere
Fakultät. Aber im Zeichen der Ökumene würde das schon auch gelten, vermute ich.
Aber davon abgesehen ist der Begriff „glauben“ im Journalismus auch nicht das Maß aller Dinge, im
Gegenteil, manchmal ist er sogar schädlich. Wer zu sehr an sein Thema, an seinen Artikel glaubt, der
läuft Gefahr, das Vertrauen seiner Leser zu verlieren. Weil er womöglich nicht mehr objektiv genug
ist. „Der Glaube gehört in die Kirche“, habe ich als Volontär bei der gewiss nicht Kirchen‐fernen
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6. versehen, wir werden auf ergänzende Informationen hingewiesen oder es werden uns Fehler
angekreidet. Was wir davon mitbekommen, nehmen wir ernst und reagieren darauf, wenn es
notwendig ist.
2. Wir beziehen soziale Netzwerke, Blogs und andere nachrichtliche Angebote im Netz in
unsere Recherchen mit ein. Sie sind für unsere tägliche Arbeit eine Quelle wie viele andere
auch, das heißt aber gleichzeitig, dass wir ihren Wahrheitsgehalt überprüfen müssen. Nur
weil jemand glaubt, für eine gerechte Sache zu kämpfen, müssen seine Informationen ja
nicht zwangsläufig richtig sein.
3. Wir bewegen uns natürlich selber als Redaktion, als Marke im Internet, sowohl mit unserer
Website als auch in diversen sozialen Netzwerken, sowie auf anderen digitalen Kanälen. Wir
erreichen damit Zielgruppen, die wir mit der Zeitung längst nicht mehr erreichen – und die
wir wohl auch nie mehr vom Mehrwert eines gedruckten Produktes werden überzeugen
können. Wir können hier aber auch mit unseren Lesern oder besser: Usern direkt
kommunizieren, unsere Inhalte präsentieren und diskutieren, aber auch Ideen und Hinweise
einsammeln. Ein neues Projekt, das wir demnächst starten, ist, dass wir auf unserer
Facebook‐Seite unsere Planungen für die Seite 2 der Stuttgarter Zeitung, das Tagesthema,
offen legen und zur Diskussion darüber einladen. Entscheiden muss am Ende natürlich die
Redaktion, diese Verantwortung kann uns keiner abnehmen. Aber wir eröffnen hier ein
weiteres Forum zur Mitsprache.
Zusammengefasst heißt dies alles: Je mehr Informationen in anderen Nachrichtenwelten zur
Verfügung stehen, desto größer sind die Anforderungen der Leser an ein Leitmedium wie die
Tageszeitung. Der Leser weiß vieles, er kann vieles selber nachprüfen, er hat seine eigenen Quellen,
etwa in sozialen Netzwerken, und ist folglich dem Nachrichtenlieferanten Tageszeitung – überspitzt
ausgedrückt – nicht mehr so hilflos ausgesetzt wie er es vielleicht früher war.
Er misst also seinen Nachrichtenstand mit dem der Zeitung. Er stellt seine subjektive Bewertung von
Ereignissen der Bewertung durch unsere Redakteure gegenüber. Das ist für uns nicht immer einfach,
weil in dieser Konstellation natürlich oft eine umfassende Recherche der Redaktion auf ein leidliches
Halbwissen des Lesers trifft. Manchmal, ganz selten, mag es auch andersherum sein. Aber im
Grundsatz stimme ich hier dem Apple‐Gründer Steve Jobs zu. Jobs, der zweifellos der digitalen Welt
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