Biblisch-theologische Klärungen und Entdeckungen am Beispiel Jesu
Pfarrer Thomas Maier, Direktor Evangelische Missionsschule Unterweissach, Dozent für Systematische Theologie, Ethik, Spiritualität und Philosophie
2. Klärungen und Entdeckungen (1)
Erfahrungen:
Beglückendes und Bedrückendes
Keine Abstraktion:
Jesuanische Seelsorgekonzeption?
1. Grundlagen:
a) Der bedürftige Mensch
b) Die kompetente Seelsorgerin
2. Praxisfelder
a) Vom Geld Besessene
b) Konflikte …
3. Klärungen und Entdeckungen (2)
Exemplarische Konkretionen:
Geländeerkundungen – Jesus auf dem
Weg mit Menschen, die auf
unterschiedlichen Wegen unterwegs sind
Reflexionen des Geländes – eine Skizze
4. Klärungen und Entdeckungen (3)
Keine Methoden:
wirkmächtiges Wort
„Bittet und es wird euch gegeben …
Gibt es unter euch einen Vater …
Wie viel eher wird der Vater vom Himmel …“
(Lk 11,9-13)
"Worte und Sätze können ebensowohl
Gärten wie Kerker sein“
5. Klärungen und Entdeckungen (4)
Geöffneter Himmel:
leitendes Zeitverständnis
Armen die Gute Nachricht, Gefangenen
Befreiung, Blinden Augenlicht, Unterdrückten
Freiheit … „Jetzt beginnt das Jahr, in dem der
Herr Gnade schenkt … heute – in eurer
Gegenwart ist dieses Schriftwort in Erfüllung
gegangen.“ (Lk 4,16-21)
6. Jesus sieht und heilt: Leib und Seele (1)
Immer am Sabbat lehrte Jesus in einer der
Synagogen. Und sieh doch: Da war eine Frau.
Seit achtzehn Jahren wurde sie von einem Geist
geplagt, der sie krank machte. Sie war
verkrümmt und konnte sich nicht mehr gerade
aufrichten. Als Jesus sie sah, rief er sie zu sich. Er
sagte zu ihr: „Frau, du bist von deiner Krankheit
befreit!“ Und er legte ihr die Hände auf. Sofort
richtete sie sich auf und lobte Gott. (Lk 13,10-13)
7. Jesus sieht und heilt: Leib und Seele (2)
„Ihr Scheinheiligen! Jeder von euch bindet
am Sabbat seinen Ochsen oder Esel von
der Futterkrippe los und führt ihn zur
Tränke. Aber diese Frau hier, die doch eine
Tochter Abrahams ist, hielt der Satan
gefesselt – sieh doch: achtzehn Jahre lang!
Und sie darf am Sabbat nicht von dieser
Fessel befreit werden?“
(Lk 13,14-17)
8. Jesus versteht und konfrontiert:
Geld und Weg
„Guter Lehrer, was soll ich tun, damit ich das
ewige Leben bekomme?“ …
Als Jesus das hörte, sagte er zu ihm: „Eins fehlt
dir noch: Verkaufe alles, was du hast, und
verteile das Geld an die Armen. So wirst du
unverlierbaren Reichtum im Himmel haben.
Dann komm und folge mir!“
Der Mann wurde sehr traurig, als er das hörte.
(Lk 18,18-27)
9. Jesus hört und gestaltet:
König und Diener
Die Jünger begannen darüber zu streiten, wer von
ihnen der Wichtigere war. Aber Jesus sagte zu
ihnen: „Die Könige herrschen über ihre Völker. Und
die Machthaber lassen sich Wohltäter nennen. Aber
ihr sollt nicht so sein: Sondern wer unter euch
wichtig ist, soll sein wie einer, der unbedeutend ist.
Und wer führen will, wie einer, der dient. Wer ist
denn der Wichtigere? Der zu Tisch liegt und isst
oder der ihn bedient? Natürlich der zu Tisch liegt!
Doch ich bin unter euch wie einer, der dient.“
10. Jesus lässt sich fragen und antwortet:
Gottesliebe und Nächstenliebe
„Lehrer, was soll ich tun, damit ich das ewige
Leben bekomme?“ Jesus fragte zurück …
„Dann geh und mach es ebenso.“ – wie der
barmherzige Samariter
Maria setzte sich zu Füßen des Herrn nieder und
hörte ihm zu. …
„Aber nur eins ist notwendig: Maria hat das
Bessere gewählt, das wird ihr niemand mehr
wegnehmen.“ (Lk 10,25-42)
11. Jesus empfindet mit und betet:
Scheitern und Beauftragung
„Simon, Simon! Sieh doch: Der Satan hat sich von
Gott erbeten, euch durchzusieben wie den Weizen!
Aber ich habe für dich gebetet, damit dein Glaube
nicht aufhört. Und wenn du dann wieder zu mir
zurückgekehrt bist, stärke deine Brüder und
Schwestern.“ Petrus entgegnete Jesus: „Herr! Ich
bin bereit, mit dir ins Gefängnis zu gehen, ja, mit dir
zu sterben!“ Aber Jesus sagte: „Das sage ich
dir, Petrus: Noch bevor heute der Hahn kräht, wirst
du dreimal abstreiten, dass du mich kennst.“ (Lk 22,31-
34)
12. Jesus – ohnmächtig am Kreuz – spricht das
lösende Wort: Hier und jetzt, dann und dort
Auch einer der Verbrecher, die mit ihm gekreuzigt
waren, verspottete Jesus. Er sagte: „Bist du nicht der
Christus? Dann rette doch dich und uns!“ Aber der
andere wies ihn zurecht: „Fürchtest du noch nicht
einmal Gott? Dich hat doch dieselbe Strafe getroffen
wie ihn! Wir werden zu Recht bestraft und
bekommen, was wir verdient haben. Aber er hat nichts
Unrechtes getan!“ Und zu Jesus sagte er: „Jesus, denke
an mich, wenn du in dein Reich kommst.“ Und Jesus
antwortete ihm: „Amen, das sage ich dir: Heute noch
wirst du mit mir im Paradies sein!“
(Lk 23,39-43)
13. Zwischenreflexion: Gefährdung durch
Reduktionismen – Vielfalt der Perspektiven
• Ganzer Mensch: Leib und Seele, Vergangenheit,
Gegenwart und Zukunft
• Alle Lebensbereiche und existentielle Einübung
• Mensch und Mitmensch
• Gott und Mitmensch
• Sein und Werden, alter und neuer Mensch
• Erde und Himmel, Zeit und Ewigkeit
14. Jesus sehen und glauben
• Er begleitet uns –
Jesu Präsenz und Verborgenheit:
Emmausjünger (Lk 24,13ff)
• Er lebt in uns und wirkt durch uns –
Vollmacht und Ohnmacht (Lk 10,1ff;
24,47ff)
15. Keine rationalistische Eindimensionalität –
geöffnete Augen: Leben in der
Mehrdimensionalität (Bonhoeffer)
„Wenn man siebzehn war, glaubte man, die Welt
bestehe aus derselben Substanz wie die eigenen
Theorien, so dass man jederzeit Zugriff auf sie
hatte und sie den eigenen Vorstellungen
entsprechend formen konnte. Aber jeder bekam
eines Tages die bittere Wahrheit zu spüren, dass
es so nicht funktionierte; die Welt war die Suppe
und das Denken meistens eine Gabel: zu einer
sättigenden Mahlzeit führte das selten.“
(Harry Mulisch: Die Entdeckung des Himmels, Mü/Wien 1993, 721.)
16. Demgegenüber stellt uns das Christentum in viele
verschiedene Dimensionen des Lebens zu gleicher
Zeit; wir beherbergen gewissermaßen Gott und die
ganze Welt in uns. Wir weinen mit den Weinenden
und freuen uns zugleich mit den Fröhlichen; … das
Leben wird nicht in eine einzige Dimension
zurückgedrängt, sondern es bleibt
mehrdimensional-polyphon. Welch‘ eine Befreiung
ist es, denken zu können und in Gedanken die
Mehrdimensionalität aufrechtzuerhalten. … Man
muss die Menschen aus dem einlinigen Denken
herausreißen – gewissermaßen als „Vorbereitung“
bzw. „Ermöglichung“ des Glaubens, obwohl es in
Wahrheit erst der Glaube selbst ist, der das Leben
in der Mehrdimensionalität ermöglicht …“
(Widerstand und Ergebung, DBW 8, 453f)