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The Globally Responsible Leader
A CALL FOR ACTION
1 | P a g e  
 
Global verantwortliche Führung ­ ein Aufruf zum Handeln 
Die  freie  Marktwirtschaft,  das  zurzeit  weltweit  gelebte  Wirtschaftsmodell,  hat  ihre  andauernde 
Fähigkeit  zur  Erneuerung  und  zur  schöpferischen  Kreativität  bewiesen.    Die  Kraft  dieses  Modells 
entzieht  sich  jedoch  zunehmend  jeglicher  regulativen  Ordnung,  und  wir  stellen  einen  
fortschreitenden  Verlust  der  Verbindung  zwischen  dieser  Kreativität  und  dem  allgemeinen 
Wohlstand  fest.  Ohne  eine  tiefe  Transformation,  die  ihm  eine  gewisse  Stabilität  zurückgibt,  kann 
dieses bis heute erfolgreiche Modell sehr schnell unkontrollierbar und exzessiv werden  und dadurch 
moralische Legitimierung verlieren.  
Wir  fordern  Persönlichkeiten  aus  Industrie,  Politik,  dem  Bildungswesen  und  der  gesamten 
Gesellschaft  auf,  sich  uns  anzuschließen  in  unserem  Bemühen,  diesen  Veränderungsprozess 
anzustoßen und voranzutreiben. 
Das System als Ganzes 
Die freie Marktwirtschaft hat viele Stärken: Sie fordert und fördert unternehmerische Kreativität und 
Produktivität  sowie  technischen  und  wirtschaftlichen  Fortschritt.  Der  schöpferisch  tätige 
Unternehmer ist ihr Motor.  
Die bis heute größtenteils vertretene Annahme einer „unsichtbaren Hand“, welche die Tätigkeiten 
der Unternehmen zum höheren Wohl der Gesellschaft wendet, wird von aufmerksamen Beobachtern 
zunehmend  in  Frage  gestellt.  Die  Globalisierung  der  Märkte,  die  rapiden  Fortschritte  in  der 
Informationstechnologie und das Fehlen einer klaren und einheitlichen weltweit regulativen Ordnung 
haben  den  Unternehmen  einen  nie  dagewesenen    Handlungsspielraum  ermöglicht.  Manche 
Unternehmen  handeln  innerhalb  dieses  weiten  Spielraums  nach  ihren  eigenen  Kriterien:  Diese 
Kriterien  sind  zu  oft  eher  kurzfristigen  und  von  Schwankungen  der  Finanzmärkte  beeinflußten 
Überlegungen unterworfen. 
Diese auf kurzfristige und rein quantitativ meßbare Resultate fixierte Denkweise hat in den letzten 
Jahren  Überhand  genommen.  Sie  hat  dem  Wirtschaftssystem  eine  Funktionsweise  aufgezwungen, 
deren einziger Zweck das System  selbst ist: Das System, ursprünglich eine  wichtige Triebkraft des 
globalen wirtschaftlichen und auch kulturellen Fortschritts,  wird zum  geschlossenen System. 
Dadurch wird es  zunehmend undurchsichtiger und in sich paradox. Während es weiterhin einerseits 
mehr  Wohlstand  schafft  als  je  zuvor,  verhindert  es  ihn  andererseits:  Fortschreitende  und 
ungebremste Umweltverschmutzung  und soziale Ungerechtigkeit sind direkte Nebeneffekte  einer 
unkontrollierten und ausschließlich auf sich selbst reflektierenden Entwicklung dieses Systems. Ein 
wichtiger  Grund  für  diese  Entwicklung  liegt  sicher  auch  darin,  daß  dem  Kriterium  „Shareholder 
Value“  (ein  zunehmend  von  kurzfristigen  Überlegungen  getragenes  Kriterium)  ein  zu  hoher  Wert 
beigemessen wird.    
Die  Erfahrungen  der  letzten  Monate  haben  gezeigt,  daß  unser  Wirtschaftsmodell  in  seiner 
gegenwärtigen Form nicht ausgewogen, daher ungerecht und somit unvertretbar geworden ist. GLRI, 
die Globally Responsible Leadership Initiative, möchte dazu auffordern, das Modell im Hinblick auf 
2 | P a g e  
 
größere  soziale,  ökologische    und  wirtschaftliche  Verträglichkeit  hin  zu  überdenken  und  zu 
verbessern. 
Global verantwortliche Führung 
Die  aktuelle  Finanzkrise  hat  uns  die  Grenzen  eines  kaum  regulierten  und  selbstreferentiellen 
Wirtschaftsmodells aufgezeigt. Es wird sicher noch einiger Zeit bedürfen, um das ganze Ausmaß der 
wirtschaftlichen und menschlichen Nachwehen zumindest einigermaßen abschätzen zu können.  Wir 
sehen die Wurzel dieser Krise in einem Mangel von Führungsverantwortung. 
Ein weltweit vertretbares und dem Wohlstand dauerhaft zuträgliches Wirtschaftsmodell bedarf der 
verantwortlichen  Führung.  Dies  wiederum  setzt  ein  radikales  Umdenken  auf  allen  Ebenen  der 
Gesellschaft und besonders in den Unternehmen voraus.  Es geht um tiefgreifende Änderungen in 
den  Unternehmenskulturen.  Unternehmen  und  ihre  Führungskräfte  müssen  sich  ihrer 
Verantwortung gegenüber ihrer Umwelt in wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Hinsicht klar 
bewußt sein.  
Global  verantwortliche  Führung  verlangt  nach  Umdenken  auf  drei  Ebenen:  Zum  Ersten  muß  der 
Daseinsgrund, die „raison d’être“ des Unternehmens neu begriffen werden. Zweitens muß „Führung“ 
klar als eine Kraft, die verantwortliches und wertebewußtes Handeln fordert und fördert, gedacht 
werden. Drittens bedarf es eines erweiterten Dialoges zwischen Unternehmen und der Gesellschaft 
als Ganzes: Das Unternehmen muß sich aufgefordert fühlen, staatsmännisch zu handeln. 
1. Der Daseinsgrund des Unternehmens 
Unternehmerische  Handlungen  werden  gekennzeichnet  durch  Initiative,  Flexibilität  und 
Innovationskraft. Der Hauptzweck eines Unternehmens ist es, durch wirtschaftlichen Fortschritt zum 
allgemeinen  Wohlstand  beizutragen.  Hierin  unterscheidet  sich  das  Unternehmen  von  anderen 
Organisationen wie Kirchen, Hochschulen, Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen etc. Der 
Shareholder Value‐ Ansatz ist nur ein Kriterium von vielen, um Aspekte unternehmerischen Erfolgs  
zu messen. Was wir brauchen ist eine Rückkehr zum Kern unternehmerischen Handelns, wo diese 
drei  Kennzeichen  in  einer  Welt  von  konkret  existierenden  Waren  und  Dienstleistungen  ihren 
Ausdruck finden ‐und nicht, wie in den letzten Jahren zunehmend zu beobachten ist, in einer immer 
mehr    virtuellen  Welt  der  finanziellen  Spekulation.    Eine  Rückkehr  zu  unternehmerischen  Werten  
und ihrem konkreten Kontext wird es uns erlauben, den Beitrag, den ein Unternehmen tatsächlich 
zum allgemeinen Wohlstand leistet, besser zu erfassen und zu beurteilen.  
Wir  müssen  zu  einem  Konzept  von  Unternehmen  als  Diener  des  gesellschaftlichen  Fortschritts 
zurückkehren. Dieser Fortschritt läßt sich nicht auf Ergebniskurven reduzieren. Es gibt andere, gleich 
wichtige Aspekte von Fortschritt, zum Beispiel in Kultur und Gesellschaft, den Religionen und ihrem 
Dialog,  der  Erziehung,  dem  Gesundheitswesen  und  in  der  Politik.  Die  Wirtschaft  und  ihre  Erfolge 
mögen  sicherlich  häufig  die  vorgenannten  Domänen  unterstützen,    sie  ist  aber  nur  ein  Teil  des 
Ganzen,  und  sie  kann  nicht  für  sich  allein  alle  Aspekte  menschlichen  Fortschritts  und  Wohlstands 
abdecken.  
Wie  uns  die  Ereignisse  der  vergangenen  Monate  vor  Augen  geführt  haben,  können  wir  den 
Mechanismen  des  Marktes  nicht  mehr  blind  vertrauen.  Wir  können  nicht  direkt  von 
unternehmerischer Leistungsfähigkeit auf erhöhten Wohlstand schließen, und wir  können uns nicht 
3 | P a g e  
 
länger einreden, daß es genügt, den Herausforderungen der Globalisierung durch Fortschritte in der 
Technologie und durch schnelles Reagieren auf Marktveränderungen gewachsen zu sein.  
Es  geht  heute  darum,  die  Unternehmen  wieder  in  ihrer  ursprünglichen  Rolle  als  kreative  und 
verantwortliche  Katalysatoren  des  Fortschritts  in  den  Gestaltungsprozess  der  Gesellschaft 
einzugliedern. Dies kann nur gelingen, wenn die Unternehmen ihrerseits bereit sind, wertebewußt zu 
handeln.  
Für  GRLI  muß  es  der  Sinn  und  Zweck  eines  Unternehmens  sein,  wirtschaftlichen  und 
gesellschaftlichen Fortschritt durch global verantwortliches und nachhaltiges Handeln zu schaffen. 
 
2. Werteorientierte  Führung  
Unter  „werteorientierter  Führung“  verstehen  wir  unternehmerisches  Handeln,  das  sich  an  einem 
tragfähigen Orientierungsrahmen ausrichtet. Kernelemente dieses Rahmens sind erstens das Wissen 
um eine weltweite Interdependenz der Gesellschaft(en),  zweitens die Sorge um nachhaltiges und 
langfristig  ökologisch  und  ökonomisch  tragbares  Wachstum,  und  drittens  das  Bewußtsein,  daß 
wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Fortschritt eng zusammen gehören.   
Wir  sind  verantwortlich  für  die  Gesellschaft,  die  wir  uns  und  zukünftigen  Generationen  schaffen. 
Diese Verantwortung wird umso größer, je mehr technische Mittel und andere Ressourcen uns zur 
Verfügung stehen. Wir müssen lernen, vorsichtig und langfristig verantwortlich mit diesen Mitteln 
umzugehen,  und  ihren  Einsatz  kontextuell  abzustimmen.  Dieser  Kontext  ist  heute  immer  mehr 
globaler Natur. Die Frage, die wir uns stellen müssen, lautet, welche Art von (Um‐)Welt wir uns mit 
den immensen Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen, schaffen möchten. 
Wer sich diesen Werten in seinem unternehmerischen Handeln verschließt, und sei es unter dem 
Vorwand, daß das Wirtschaftssystem seine eigene gut funktionierende Logik hat, wird nicht nur die 
gesellschaftliche  Legitimierung  seines  Unternehmens  aufs  Spiel  setzen,  sondern  auch  dessen 
langfristigen Erfolg. Der Begriff „Ethik“ ist nicht auf Werte oder Überzeugungen beschränkt. Ethik ist 
ein integraler Bestandteil langfristigen unternehmerischen Fortschritts. 
 
3. Die staatsmännische Verantwortung von Unternehmen 
Wenn wir Unternehmen auffordern, „staatsmännisch“ zu handeln, dann meinen wir damit die aktive 
Lieferung  von  Beiträgen  zum  gesellschaftlichen  Wohlergehen.  Das  staatsmännisch  geführte 
Unternehmen  ist sich seiner Einbindung in ein weltweites soziales Gefüge bewußt und akzeptiert 
und fördert den offenen Dialog über eventuelle Konsequenzen seines Handelns. Dieser Dialog muß 
eine große Bandbreite von Partnern einschließen, wie zum Beispiel Nichtregierungsorganisationen, 
Hochschulen  und  Glaubensgemeinschaften,  internationale  Institutionen  und  Regierungen.  Dieser 
Dialog sollte offen und  über nationale und regionale Grenzen hinaus geführt werden.  
Staatsmännisches  Handeln  von  Unternehmen  erfordert  die  Bereitschaft  zum  Umdenken  und 
freiwilliges  Engagement    seitens  der  Verantwortlichen.  Darüber  hinaus  bedarf  es    eines  politisch‐
regulativen Rahmens auf globalem Niveau, der dieses Engagement einfordern kann.  
4 | P a g e  
 
 
Schlußfolgerung und Aufruf zum kritisch­konstruktiven Dialog 
 
Wenn wir  zu einem Umdenken aufrufen, so meinen wir damit einen Prozeß, der, einmal in Gang 
gebracht,  durch  den  kritisch‐konstruktiven  Dialog  zwischen  den  verschiedenen  Teilhabern 
(Stakeholders)  des  wirtschaftlich‐gesellschaftlichen  Systems  am  Leben  gehalten  werden  muß.  Hier 
scheint uns den Hochschulen eine sehr wichtige Rolle nicht nur in der Ausbildung sondern auch der 
Erziehung von Führungspersönlichkeiten in Politik und Wirtschaft zuzukommen. Auch hier ist unserer 
Meinung nach ein Umdenken vonnöten. 
GRLI sieht die Rolle von Wirtschaftsfakultäten als Stätten einer ganzheitlichen menschlich‐sittlichen 
Bildung.  Sie  müssen  zur  Verantwortung,  zur  Dialogbereitschaft  und  zum  Wahrnehmen  von 
kontextuellen  Verflechtungen  erziehen.  Führung  muß  sich  auf  moralische  Autorität  zurückführen 
lassen  können.  Führungskräfte  müssen  ihre  Arbeit  als  sinnstiftend  erfahren  und  so    auch 
weitergeben.  Sie  müssen  Mitarbeitern  gegenüber  echte  Vorbildfunktion  übernehmen  können  und 
wollen, und sie müssen den Mut zum Setzen und Durchhalten von Prioritäten haben.  Moralische 
Autorität setzt Überzeugungen, Charakter und Talent voraus. Die Geschichte hat gezeigt, daß diese 
Faktoren wichtiger sind als bloße intellektuelle oder technische Kompetenzen. 
Im Bewußtsein der Dringlichkeit, mit der wir ein eindeutig versagendes System ändern müssen, rufen 
wir, Führungskräfte aus Wirtschaft und Bildungswesen, alle zum Handeln auf, und sich mit uns zu den 
folgenden Eckpunkten zu verpflichten: 
1. Verbesserung  der  Rahmenbedingungen  für  die  Entwicklung  eines  nachhaltigeren 
Wirtschaftsmodells 
2. Integration  von  Werten  und  wertebewußtem  Verhalten  in  der  Umsetzung  unserer 
Unternehmensstrategien 
3. Entwicklung  eines  Bildungskonzeptes  und  konkreter  Vorschläge  für  die  Curricula  von 
Hochschulen,  um  Nachwuchskräfte  zu  verantwortlichen  Führungspersönlichkeiten  zu 
erziehen 
4. Erarbeitung  und  Austausch  von  Erfahrungen,  Ideen  und  Informationen  aus  der  Welt  der 
Wirtschaft und der Bildung; Erarbeiten von Best Practice Modellen, Etablierung eines Forums 
für kritisch‐konstruktiven Dialog. 
Unser  Aufruf  zum  Handeln  will  dazu  anregen,  die  Stärken  unseren  unternehmerischen  Systems 
wieder neu hervorzuheben und gleichzeitig die Schwächen dieses Systems und seine finanziellen 
Exzesse zu beheben. Wir möchten dies durch den Ausbau von Verantwortung auf allen Ebenen des 
gesellschaftlich‐wirtschaftlichen Lebens erreichen.  
   
 
ISBN 978-1-871992-53-3
GBL VER
Copyright 2009 GRLI

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  • 1. The Globally Responsible Leader A CALL FOR ACTION
  • 2. 1 | P a g e     Global verantwortliche Führung ­ ein Aufruf zum Handeln  Die  freie  Marktwirtschaft,  das  zurzeit  weltweit  gelebte  Wirtschaftsmodell,  hat  ihre  andauernde  Fähigkeit  zur  Erneuerung  und  zur  schöpferischen  Kreativität  bewiesen.    Die  Kraft  dieses  Modells  entzieht  sich  jedoch  zunehmend  jeglicher  regulativen  Ordnung,  und  wir  stellen  einen   fortschreitenden  Verlust  der  Verbindung  zwischen  dieser  Kreativität  und  dem  allgemeinen  Wohlstand  fest.  Ohne  eine  tiefe  Transformation,  die  ihm  eine  gewisse  Stabilität  zurückgibt,  kann  dieses bis heute erfolgreiche Modell sehr schnell unkontrollierbar und exzessiv werden  und dadurch  moralische Legitimierung verlieren.   Wir  fordern  Persönlichkeiten  aus  Industrie,  Politik,  dem  Bildungswesen  und  der  gesamten  Gesellschaft  auf,  sich  uns  anzuschließen  in  unserem  Bemühen,  diesen  Veränderungsprozess  anzustoßen und voranzutreiben.  Das System als Ganzes  Die freie Marktwirtschaft hat viele Stärken: Sie fordert und fördert unternehmerische Kreativität und  Produktivität  sowie  technischen  und  wirtschaftlichen  Fortschritt.  Der  schöpferisch  tätige  Unternehmer ist ihr Motor.   Die bis heute größtenteils vertretene Annahme einer „unsichtbaren Hand“, welche die Tätigkeiten  der Unternehmen zum höheren Wohl der Gesellschaft wendet, wird von aufmerksamen Beobachtern  zunehmend  in  Frage  gestellt.  Die  Globalisierung  der  Märkte,  die  rapiden  Fortschritte  in  der  Informationstechnologie und das Fehlen einer klaren und einheitlichen weltweit regulativen Ordnung  haben  den  Unternehmen  einen  nie  dagewesenen    Handlungsspielraum  ermöglicht.  Manche  Unternehmen  handeln  innerhalb  dieses  weiten  Spielraums  nach  ihren  eigenen  Kriterien:  Diese  Kriterien  sind  zu  oft  eher  kurzfristigen  und  von  Schwankungen  der  Finanzmärkte  beeinflußten  Überlegungen unterworfen.  Diese auf kurzfristige und rein quantitativ meßbare Resultate fixierte Denkweise hat in den letzten  Jahren  Überhand  genommen.  Sie  hat  dem  Wirtschaftssystem  eine  Funktionsweise  aufgezwungen,  deren einziger Zweck das System  selbst ist: Das System, ursprünglich eine  wichtige Triebkraft des  globalen wirtschaftlichen und auch kulturellen Fortschritts,  wird zum  geschlossenen System.  Dadurch wird es  zunehmend undurchsichtiger und in sich paradox. Während es weiterhin einerseits  mehr  Wohlstand  schafft  als  je  zuvor,  verhindert  es  ihn  andererseits:  Fortschreitende  und  ungebremste Umweltverschmutzung  und soziale Ungerechtigkeit sind direkte Nebeneffekte  einer  unkontrollierten und ausschließlich auf sich selbst reflektierenden Entwicklung dieses Systems. Ein  wichtiger  Grund  für  diese  Entwicklung  liegt  sicher  auch  darin,  daß  dem  Kriterium  „Shareholder  Value“  (ein  zunehmend  von  kurzfristigen  Überlegungen  getragenes  Kriterium)  ein  zu  hoher  Wert  beigemessen wird.     Die  Erfahrungen  der  letzten  Monate  haben  gezeigt,  daß  unser  Wirtschaftsmodell  in  seiner  gegenwärtigen Form nicht ausgewogen, daher ungerecht und somit unvertretbar geworden ist. GLRI,  die Globally Responsible Leadership Initiative, möchte dazu auffordern, das Modell im Hinblick auf 
  • 3. 2 | P a g e     größere  soziale,  ökologische    und  wirtschaftliche  Verträglichkeit  hin  zu  überdenken  und  zu  verbessern.  Global verantwortliche Führung  Die  aktuelle  Finanzkrise  hat  uns  die  Grenzen  eines  kaum  regulierten  und  selbstreferentiellen  Wirtschaftsmodells aufgezeigt. Es wird sicher noch einiger Zeit bedürfen, um das ganze Ausmaß der  wirtschaftlichen und menschlichen Nachwehen zumindest einigermaßen abschätzen zu können.  Wir  sehen die Wurzel dieser Krise in einem Mangel von Führungsverantwortung.  Ein weltweit vertretbares und dem Wohlstand dauerhaft zuträgliches Wirtschaftsmodell bedarf der  verantwortlichen  Führung.  Dies  wiederum  setzt  ein  radikales  Umdenken  auf  allen  Ebenen  der  Gesellschaft und besonders in den Unternehmen voraus.  Es geht um tiefgreifende Änderungen in  den  Unternehmenskulturen.  Unternehmen  und  ihre  Führungskräfte  müssen  sich  ihrer  Verantwortung gegenüber ihrer Umwelt in wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Hinsicht klar  bewußt sein.   Global  verantwortliche  Führung  verlangt  nach  Umdenken  auf  drei  Ebenen:  Zum  Ersten  muß  der  Daseinsgrund, die „raison d’être“ des Unternehmens neu begriffen werden. Zweitens muß „Führung“  klar als eine Kraft, die verantwortliches und wertebewußtes Handeln fordert und fördert, gedacht  werden. Drittens bedarf es eines erweiterten Dialoges zwischen Unternehmen und der Gesellschaft  als Ganzes: Das Unternehmen muß sich aufgefordert fühlen, staatsmännisch zu handeln.  1. Der Daseinsgrund des Unternehmens  Unternehmerische  Handlungen  werden  gekennzeichnet  durch  Initiative,  Flexibilität  und  Innovationskraft. Der Hauptzweck eines Unternehmens ist es, durch wirtschaftlichen Fortschritt zum  allgemeinen  Wohlstand  beizutragen.  Hierin  unterscheidet  sich  das  Unternehmen  von  anderen  Organisationen wie Kirchen, Hochschulen, Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen etc. Der  Shareholder Value‐ Ansatz ist nur ein Kriterium von vielen, um Aspekte unternehmerischen Erfolgs   zu messen. Was wir brauchen ist eine Rückkehr zum Kern unternehmerischen Handelns, wo diese  drei  Kennzeichen  in  einer  Welt  von  konkret  existierenden  Waren  und  Dienstleistungen  ihren  Ausdruck finden ‐und nicht, wie in den letzten Jahren zunehmend zu beobachten ist, in einer immer  mehr    virtuellen  Welt  der  finanziellen  Spekulation.    Eine  Rückkehr  zu  unternehmerischen  Werten   und ihrem konkreten Kontext wird es uns erlauben, den Beitrag, den ein Unternehmen tatsächlich  zum allgemeinen Wohlstand leistet, besser zu erfassen und zu beurteilen.   Wir  müssen  zu  einem  Konzept  von  Unternehmen  als  Diener  des  gesellschaftlichen  Fortschritts  zurückkehren. Dieser Fortschritt läßt sich nicht auf Ergebniskurven reduzieren. Es gibt andere, gleich  wichtige Aspekte von Fortschritt, zum Beispiel in Kultur und Gesellschaft, den Religionen und ihrem  Dialog,  der  Erziehung,  dem  Gesundheitswesen  und  in  der  Politik.  Die  Wirtschaft  und  ihre  Erfolge  mögen  sicherlich  häufig  die  vorgenannten  Domänen  unterstützen,    sie  ist  aber  nur  ein  Teil  des  Ganzen,  und  sie  kann  nicht  für  sich  allein  alle  Aspekte  menschlichen  Fortschritts  und  Wohlstands  abdecken.   Wie  uns  die  Ereignisse  der  vergangenen  Monate  vor  Augen  geführt  haben,  können  wir  den  Mechanismen  des  Marktes  nicht  mehr  blind  vertrauen.  Wir  können  nicht  direkt  von  unternehmerischer Leistungsfähigkeit auf erhöhten Wohlstand schließen, und wir  können uns nicht 
  • 4. 3 | P a g e     länger einreden, daß es genügt, den Herausforderungen der Globalisierung durch Fortschritte in der  Technologie und durch schnelles Reagieren auf Marktveränderungen gewachsen zu sein.   Es  geht  heute  darum,  die  Unternehmen  wieder  in  ihrer  ursprünglichen  Rolle  als  kreative  und  verantwortliche  Katalysatoren  des  Fortschritts  in  den  Gestaltungsprozess  der  Gesellschaft  einzugliedern. Dies kann nur gelingen, wenn die Unternehmen ihrerseits bereit sind, wertebewußt zu  handeln.   Für  GRLI  muß  es  der  Sinn  und  Zweck  eines  Unternehmens  sein,  wirtschaftlichen  und  gesellschaftlichen Fortschritt durch global verantwortliches und nachhaltiges Handeln zu schaffen.    2. Werteorientierte  Führung   Unter  „werteorientierter  Führung“  verstehen  wir  unternehmerisches  Handeln,  das  sich  an  einem  tragfähigen Orientierungsrahmen ausrichtet. Kernelemente dieses Rahmens sind erstens das Wissen  um eine weltweite Interdependenz der Gesellschaft(en),  zweitens die Sorge um nachhaltiges und  langfristig  ökologisch  und  ökonomisch  tragbares  Wachstum,  und  drittens  das  Bewußtsein,  daß  wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Fortschritt eng zusammen gehören.    Wir  sind  verantwortlich  für  die  Gesellschaft,  die  wir  uns  und  zukünftigen  Generationen  schaffen.  Diese Verantwortung wird umso größer, je mehr technische Mittel und andere Ressourcen uns zur  Verfügung stehen. Wir müssen lernen, vorsichtig und langfristig verantwortlich mit diesen Mitteln  umzugehen,  und  ihren  Einsatz  kontextuell  abzustimmen.  Dieser  Kontext  ist  heute  immer  mehr  globaler Natur. Die Frage, die wir uns stellen müssen, lautet, welche Art von (Um‐)Welt wir uns mit  den immensen Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen, schaffen möchten.  Wer sich diesen Werten in seinem unternehmerischen Handeln verschließt, und sei es unter dem  Vorwand, daß das Wirtschaftssystem seine eigene gut funktionierende Logik hat, wird nicht nur die  gesellschaftliche  Legitimierung  seines  Unternehmens  aufs  Spiel  setzen,  sondern  auch  dessen  langfristigen Erfolg. Der Begriff „Ethik“ ist nicht auf Werte oder Überzeugungen beschränkt. Ethik ist  ein integraler Bestandteil langfristigen unternehmerischen Fortschritts.    3. Die staatsmännische Verantwortung von Unternehmen  Wenn wir Unternehmen auffordern, „staatsmännisch“ zu handeln, dann meinen wir damit die aktive  Lieferung  von  Beiträgen  zum  gesellschaftlichen  Wohlergehen.  Das  staatsmännisch  geführte  Unternehmen  ist sich seiner Einbindung in ein weltweites soziales Gefüge bewußt und akzeptiert  und fördert den offenen Dialog über eventuelle Konsequenzen seines Handelns. Dieser Dialog muß  eine große Bandbreite von Partnern einschließen, wie zum Beispiel Nichtregierungsorganisationen,  Hochschulen  und  Glaubensgemeinschaften,  internationale  Institutionen  und  Regierungen.  Dieser  Dialog sollte offen und  über nationale und regionale Grenzen hinaus geführt werden.   Staatsmännisches  Handeln  von  Unternehmen  erfordert  die  Bereitschaft  zum  Umdenken  und  freiwilliges  Engagement    seitens  der  Verantwortlichen.  Darüber  hinaus  bedarf  es    eines  politisch‐ regulativen Rahmens auf globalem Niveau, der dieses Engagement einfordern kann.  
  • 5. 4 | P a g e       Schlußfolgerung und Aufruf zum kritisch­konstruktiven Dialog    Wenn wir  zu einem Umdenken aufrufen, so meinen wir damit einen Prozeß, der, einmal in Gang  gebracht,  durch  den  kritisch‐konstruktiven  Dialog  zwischen  den  verschiedenen  Teilhabern  (Stakeholders)  des  wirtschaftlich‐gesellschaftlichen  Systems  am  Leben  gehalten  werden  muß.  Hier  scheint uns den Hochschulen eine sehr wichtige Rolle nicht nur in der Ausbildung sondern auch der  Erziehung von Führungspersönlichkeiten in Politik und Wirtschaft zuzukommen. Auch hier ist unserer  Meinung nach ein Umdenken vonnöten.  GRLI sieht die Rolle von Wirtschaftsfakultäten als Stätten einer ganzheitlichen menschlich‐sittlichen  Bildung.  Sie  müssen  zur  Verantwortung,  zur  Dialogbereitschaft  und  zum  Wahrnehmen  von  kontextuellen  Verflechtungen  erziehen.  Führung  muß  sich  auf  moralische  Autorität  zurückführen  lassen  können.  Führungskräfte  müssen  ihre  Arbeit  als  sinnstiftend  erfahren  und  so    auch  weitergeben.  Sie  müssen  Mitarbeitern  gegenüber  echte  Vorbildfunktion  übernehmen  können  und  wollen, und sie müssen den Mut zum Setzen und Durchhalten von Prioritäten haben.  Moralische  Autorität setzt Überzeugungen, Charakter und Talent voraus. Die Geschichte hat gezeigt, daß diese  Faktoren wichtiger sind als bloße intellektuelle oder technische Kompetenzen.  Im Bewußtsein der Dringlichkeit, mit der wir ein eindeutig versagendes System ändern müssen, rufen  wir, Führungskräfte aus Wirtschaft und Bildungswesen, alle zum Handeln auf, und sich mit uns zu den  folgenden Eckpunkten zu verpflichten:  1. Verbesserung  der  Rahmenbedingungen  für  die  Entwicklung  eines  nachhaltigeren  Wirtschaftsmodells  2. Integration  von  Werten  und  wertebewußtem  Verhalten  in  der  Umsetzung  unserer  Unternehmensstrategien  3. Entwicklung  eines  Bildungskonzeptes  und  konkreter  Vorschläge  für  die  Curricula  von  Hochschulen,  um  Nachwuchskräfte  zu  verantwortlichen  Führungspersönlichkeiten  zu  erziehen  4. Erarbeitung  und  Austausch  von  Erfahrungen,  Ideen  und  Informationen  aus  der  Welt  der  Wirtschaft und der Bildung; Erarbeiten von Best Practice Modellen, Etablierung eines Forums  für kritisch‐konstruktiven Dialog.  Unser  Aufruf  zum  Handeln  will  dazu  anregen,  die  Stärken  unseren  unternehmerischen  Systems  wieder neu hervorzuheben und gleichzeitig die Schwächen dieses Systems und seine finanziellen  Exzesse zu beheben. Wir möchten dies durch den Ausbau von Verantwortung auf allen Ebenen des  gesellschaftlich‐wirtschaftlichen Lebens erreichen.