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BLICKPUNKT KMU
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BLICKPUNKT KMU
Die Kunst des Lobens
Hildegard Nibel und Marco De Micheli haben
beide Bücher über Arbeitsmotivation verfasst.
Ein Gespräch über Streicheleinheiten in der
Wirtschaftswelt.
AUFGEZEICHNET VON THEO MARTIN
BLICKPUNKT KMU Vielen Chefs fällt es schwer
zu loben. Wieso eigentlich?
HILDEGARD NIBEL Ich bin viel in der Finanz-
branche unterwegs, in der die Chefs denken:
Wenn ich jemanden lobe, will der sofort
mehr Geld. Je mehr man lobt, umso grösser
muss dann am Jahresende die Gehaltserhö-
hung ausfallen. Leider haben viele Chefs aus
meiner Sicht ein kompensatorisches Ver-
hältnis zwischen monetären und non-mone-
tären Belohnungen. Aber: Je mehr man lobt
und je mehr Lernchancen es gibt, desto
weniger brauchen die Mitarbeiter Geld als
Anerkennung.
MARCO DE MICHELI Das hat auch viel mit der
Erziehung zu tun, weil man als Kind und
Jugendlicher generell sowie beim Berufsein-
tritt und als Führungskraft ebenso selten
gelobt wird. Deshalb fällt das Loben vielen
Führungskräften nur schon von der Grund-
haltung her schwer. Denn zum Lob gehören
immer auch eine Förderungsabsicht und ein
positives Menschenbild.
NIBEL Durch die Finanzskandale reagieren
die Leute übersensibel auf Fehler. Man sieht
nur noch, was schief gehen könnte. Im Vor-
dergrund stehen gelbe und rote Karten und
damit die Angst. Man versucht die Mitarbei-
ter verstärkt durch Weisungen zu reglemen-
tieren um Fehler zu verhindern. Vergessen
geht dabei, dass es auch ein Stück Freiheit
braucht, um neue Geschäftsfelder zu entwi-
ckeln oder im täglichen Kontakt mit Kunden
einfach ein bisschen kreativ zu sein.
Was bringt ein Schulterklopfen zwischen Tür
und Angel?
DE MICHELI Das bringt eben genau gar nichts.
Joviale Komplimente zwischendurch sind
einer der grössten Fehler. Ich nenne das gerne
Loben nach Agenda, im Stile von «Heute
braucht der Müller wieder mal eine Streichel-
einheit». Das ist kein ehrliches und glaubhaf-
tes Lob. Wirklich motivierende Anerkennung
muss konkret und mit ehrlicher Wertschät-
zung ausfallen. Wichtig finde ich, dass vor
allem konkrete Talente oder Leistungen
angesprochen werden, beispielsweise: «Sie
haben bei dieser Powerpoint-Präsentation Ihr
grafisches Talent wieder hervorragend zum
Ausdruck gebracht.»
Was heisst das?
DE MICHELI Eine Anerkennung sollte wenn
immer möglich mit der Mitarbeiterförderung
verbunden sein. Zum Beispiel kann man
Weiterbildungsmöglichkeiten aufzeigen, eine
Erweiterung des Aufgabengebietes ins Auge
fassen oder dem Mitarbeiter die Aufnahme
in eine Projektgruppe in Aussicht stellen. Das
unterstreicht die Ehrlichkeit eines Lobes und
wirkt auch sehr motivierend.
NIBEL Die Aussage «da haben Sie aber Glück
gehabt, dass der Kunde das nicht gemerkt
hat» ist zwar auch ein Lob, stützt sich aber
nicht auf die Fähigkeiten oder Potenziale des
Mitarbeiters. Das kann man aus der Situation
heraus schon mal sagen. Es ist aber nichts,
was Marco De Micheli und ich uns wün-
schen, wie Lob optimal sein sollte.
Wie muss denn Lob sein? Welche Regeln sind
zu berücksichtigen?
NIBEL Die Lernpsychologie hat die Feed-
back-Regeln schon vor 20 Jahren intensiv
Im Gespräch
FOTOS:©YOSHIKOKUSANO,ROBLEWISPHOTOGRAPHYUNFOTOLIA
Tadel heilen
Eine Studie aus den USA hat laut Hildegard Nibel herausgefunden, dass
Unterschicht-Eltern ihren Kinder besonders viel verbieten und wenig loben,
während Mittel- und Oberschichteltern ihre Kinder mehr als sechs Mal häufiger
loben als tadeln. Das stimmt auch mit anderen Forschungsergebnissen aus
der Psychologie überein, dass es fünf positive Zuwendungen oder
Streicheleinheiten braucht, um einen Tadel zu «heilen».
Nur bei den Mittel- und Oberschichteltern findet sich laut Nibel ein Überhang
an positiven Zuwendungen von 6,4 zu 1; bei den blue collar workers und den
Sozialhilfeempfänger-Gruppen werden die psychischen Verletzungen durch
Tadel hingegen nicht «geheilt», was möglicherweise sogar zu negativen Rache-
Spiralen in Form kindlicher Trotzreaktionen führt, die wiederum noch mehr
elterliche Kritik nach sich zieht usw.
BLICKPUNKT KMU
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BLICKPUNKT KMU
DE MICHELI Wenn man auch einmal ein Team
als Ganzes lobt, fühlen sich alle geschätzt,
was dann positive Auswirkungen auf das
Arbeitsklima, die Leistungserbringung und
die Produktivität hat.
Gibt es nur die Anerkennung mit Worten?
NIBEL In jedem Betrieb gibt es subtilste For-
men der Anerkennung: Wie lange ein Vorge-
setzter mit jemandem redet, über was man
mit jemandem spricht, ob man mit dem
Mitarbeiter einen Kaffee trinkt oder zum
Mittagessen geht. Dazu kommen die kleinen
Privilegien wie die Bürosituation und die
Möglichkeit zur Arbeit zu Hause. Erhellend
ist auch, wie stark man für kleine Flüchtig-
keitsfehler kritisiert wird. Es gibt eine ganz
breite Palette an Streicheleinheiten.
DE MICHELI Nur schon die Häufigkeit, mit der
ein Mitarbeiter an einer Sitzung um seine
Meinung gefragt wird, drückt die Wertschät-
zung aus. Es gibt sehr subtile, indirekte For-
men, die Mitarbeiter sehr genau spüren. Da
kommt die Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit
wieder zum Ausdruck.
NIBEL Sonderaufgaben sind auch eine Art des
Lobs.
Vorfreude auf die Weiterbildung, und wäh-
rend der Teilnahme, und später, wenn sie das
Gelernte anwenden können.
Was ist zu tun, wenn die Arbeitsmotivation
eines Mitarbeitenden unter Null gesunken
ist oder er sich mit einer mehr oder weniger
langen Krankschreibung aus dem Arbeitspro-
zess abgemeldet hat?
DE MICHELI Man vergisst allzu oft, dass es
individuelle Motivationsprofile gibt. Es gibt
sicherheits- und leistungsorientierte, aber
auch primär materiell motivierbare Mitar-
beiter. Sinkt die Motivation unter Null, ist
das oft der Anfang einer inneren Kündigung.
Wichtig ist dann das Gespräch, in dem es gilt,
die Gründe herauszufinden für die nachlas-
sende Motivation. Nur so kann man die ent-
sprechenden Massnahmen ergreifen. Wenn
jemand stark und schlagartig nachlässt, ste-
cken meistens ernsthafte Gründe, möglicher-
weise auch privater Natur, dahinter.
NIBEL Man muss auch sehen, dass sich Moti-
vationen verändern im Laufe des Berufs-
lebens. Am Anfang ist es den Leuten wich-
tig schnell voranzukommen, interessante
Berufserfahrungen zu sammeln und mehr
Geld zu verdienen. Später sind andere Sachen
wichtig, die oft soziale Motive haben.
DE MICHELI Das stimmt, ein 30-jähriger kar-
riereorientierter Mitarbeiter hat andere Ziele
als jener, der ein paar Jahre vor der Pensionie-
rung steht.
NIBEL In der Multikultigesellschaft in Zürich
ticken die Leute halt schon sehr unterschied-
lich und manchmal nicht so ganz nachvoll-
ziehbar. Auf Grund meiner Sozialisation
kann ich das nicht immer nachvollziehen.
Aber ich versuche die Leute zu ermuntern,
ihre Potenziale zu leben und dazu zu stehen,
was ihnen wichtig ist und Freude macht.
Wie erkennt man schleichende
Minderleistung?
NIBEL Wenn Leute immer etwas mies drauf
sind oder weniger lachen, sieht man das im
Alltag. Man darf es allerdings auch nicht
überinterpretieren, weil man sonst die Mit-
arbeiter unter Druck setzt, stets zu lächeln.
DE MICHELI Wichtig ist auch hier das Gespräch.
Die Führungskraft muss den Mut haben, die-
sen Mitarbeiter anzusprechen und den feh-
Marco De Micheli…
…ist Verlagsleiter beim
auf Personalwesen und
Leadership spezialisierten
PRAXIUM-Fachverlag
in Zürich und Autor zweier
Bücher zu den Themen
Mitarbeitergespräche
und Motivation. In seiner
Funktion als Inhaber eines
HR-Fachverlages und
mit über 20 Jahren
Führungspraxis setzt er
sich seit langem mit Fragen
der Mitarbeitermotivation
auseinander.
Hildegard Nibel…
… ist seit vielen Jahren im
Bereich des
HR-Risikomanagements
tätig. Nach dem
Psychologiestudium an der
Universität Tübingen hat sie
an der ETH Zürich über
arbeitsbedingte
Gesundheitsstörungen
geforscht und an der
Universität Bern doktoriert.
Seither ist sie in verschiede-
nen Funktionen des
Schadenmanagements bei
Sozialversicherungen und
Versicherungsbrokern tätig.
Ist Geld auch eine Form des Lobs?
NIBEL Es ist häufigste und fantasieloseste
Form.
DE MICHELI Ich bin stark gegen Geld als
Motivationsmittel, weil die Wirkung sehr
schnell verpufft. Boni und Sonderprovisio-
nen führen zudem auch sehr rasch zu einem
Gewöhnungseffekt. Wenn die Boni einmal
ausbleiben, folgt nur Frustration. Geld hat
keinen Inhalt. Es ist eine sehr bequeme Art
des Lobs, aber überhaupt nicht nachhaltig.
Es gibt auch immer mehr Studien, die das
bestätigen.
NIBEL Metaanalysen zeigen, dass das Gehalt
unkorreliert mit der Leistung ist. Ich sage
immer: «Geld ist rund und rollt weg. Bil-
dung bleibt.» Wenn man Leuten Chancen
eröffnet zum Lernen zählt das mehr. Meine
persönliche Erfahrung ist auch so: Wenn es
mal ganz grosse Boni gegeben hat, führte das
einige Tage zu einer euphorischen Stimmung
– aber spätestens nach einem Monat ist die-
ses Gefühl wieder weg. Es hätte viel mehr
gebracht, zumindest die Hälfte der Boni
in einen Bildungsurlaub zu stecken: dann
freuen sich die Mitarbeitenden einmal darü-
ber, dass sie das bekommen haben; dann die
«In jedem Betrieb
gibt es subtilste
Formen der
Anerkennung.»
Hildegard Nibel
erforscht. Es muss tatsächlich um etwas
Konkretes gehen, um eine konkrete Situa-
tion oder Fertigkeit oder Produkt: Man soll
den Mitarbeiter auch nicht für etwas Selbst-
verständliches loben. Es ist eher eine Abwer-
tung, wenn Sie einer stets elegant gekleideten
Mitarbeiterin sagen: «Du siehst heute aber
chic aus.» Sie wird sich fragen, was mit den
anderen Tagen ist.
DE MICHELI Ein Lob soll möglichst oft auch
einen Unternehmensbeitrag oder Bezug zu
Leistungszielen beinhalten. Man kann zum
Beispiel einem Mitarbeiter sagen, dass sein
Verhalten vorbildlich der Kundenorientie-
rung entspricht. Wichtig ist auch, dass man
keine Versagensangst auslöst. Wer zu oft
und zu leichtfertigt gelobt wird, kann beim
Wegfall dieses Lobs schnell befürchten, den
Anforderungen nicht mehr zu genügen. Der
«Lobesentzug» hat dann schnell die umge-
kehrte Wirkung. In einem Lob sollte deshalb
immer auch die Zuversicht in die Lern- und
LeistungsfähigkeiteinesMitarbeitersstecken.
Gelobt werden doch nur Spitzenleistungen
und Stars.
NIBEL Leider ist das so. Ich habe beispiels-
weise einmal ein Lob bekommen, das 20
Jahre zu spät kam. Auf einer Gesundheits-
tagung habe ich einen früheren Auftrag-
geber wissenschaftlicher Forschung zur
visuellen Ermüdung bei der Bildschirmar-
beit getroffen. Er hat mir dann gesagt, dass
meine Arbeit damals wesentlich die deutsche
Arbeitsschutzgesetzgebung beeinflusst habe.
Hätte ich das rechtzeitig gewusst, hätte ich es
für meine Bewerbungen verwenden können.
DE MICHELI Ich sehe das auch als Problem,
dass viel zu oft leistungsbewusste Mitarbei-
ter mit grossem Selbstvertrauen gelobt wer-
den, stille und introvertierte Mitarbeiter bei-
spielsweise dagegen viel zu sehr im Schatten
stehen. So entsteht Neid. Lob sollte immer
auch Leistungsansporn sein. Es bringt daher
mehr, einen Sachbearbeiter für eine einfache
Leistung zu loben…
NIBEL …oder die Dame am Empfang, die sich
jeden Tag viele – mehr oder weniger schlaue
oder witzige – Sprüche konstant freundlich
anhören muss. Ist das nicht eine viel grössere
Leistung als der Einsatz der Starverkäufer bei
Ihren «leichten» Kunden?
Reanimation
der Arbeitsmotivation
MCC Mastering-ConceptConsult
Fit für die Marktdynamik
Praxisbewährtes Motivationsmanagement
bei kritischen Personalsituationen
von Dr.phil.-hist.Hildegard Nibel
Copyright - Alle Rechte vorbehalten:Schröder Consulting ISBN: 978-3-939255-81-9 (PDF)
Reanimation
der Arbeitsmotivation
Fehlende Arbeitsmotivation
kann mit sehr einfachen
Mitteln und mit geringem
finanziellem oder zeitlichem
Aufwand wieder geweckt
werden, wenn sich dieses
Bemühen auf die positiven
Aspekte der Mitarbeitenden
konzentriert und sehr zielge-
richtet und passgenau ist.
Das Buch hat den Untertitel
«Praxisbewährtes Motiva-
tionsmanagement bei kriti-
schen Personalsituationen».
Verlag: MCC Mastering-
ConceptConsult (eBook)
Sprache: Deutsch
Erscheinungsjahr: 2014
ISBN 978-3-939255-81-9
Seiten: 142
Preis: CHF 21.90
BLICKPUNKT KMU
	 57	 56
BLICKPUNKT KMU
«Boni und
Sonderprovisionen
führen sehr
rasch zu einem
Gewöhnungseffekt.»
Marco de Micheli
oder Marketing & Sales, wo ein bisschen
Trinken zur Kultur gehört, ist das ein Prob-
lem. Ich hatte mal eine Chefin, die ein inti-
meres Verhältnis zum Alkohol hatte als zu
ihrem Team – das war der blanke Horror
mit ihrer Launenhaftigkeit und ihrer Unbe-
rechenbarkeit.
DE MICHELI Ich hatte in meiner Führungspra-
xis zweimal Probleme mit alkoholkranken
Mitarbeitern. Die Hilfslosigkeit, die man
erlebt, ist furchtbar. Man hat mit Gesprä-
chen selten Erfolg und das ist frustrierend.
NIBEL Aus wissenschaftlicher Sicht ist klar,
dass dies auch mit horrenden Kosten ver-
bunden ist. Alkoholkranke sind «giftig»,
weil sie in ihrer eigenen Leistungsfähigkeit
reduziert sind und weil die Kollegen das
dann immer ausbaden müssen. Es empfiehlt
sich eine Mischung aus restriktiven und
unterstützenden Techniken und Verhaltens-
weisen. So kann man auf eine Kündigung
verzichten, wenn eine Therapie absolviert
wird. Falls möglich, sollte das Team zeit-
weise von solchen Mitarbeitenden entlastet
werden.
Wie hoch sind die volkswirtschaftlichen Kos-
ten, die mit dem Loben verbunden sind?
DE MICHELI Das verbale Loben erzeugt keine
Kosten. Boni kann man budgetieren.
NIBEL Alles dazwischen wie die Förderung
der informellen Lernchancen kosten das
Unternehmen in der Regel nichts. Die Ausla-
gen für die Weiterbildung sind verhältnismä-
ssig gering. Aber es kostet natürlich, dass ein
Vorgesetzter sich Gedanken darüber macht,
was jemand gut macht und was sinnvoll für
Mitarbeitende und Unternehmen ist.
DE MICHELI Das Erkennen und
Fördern von Talenten und
Fähigkeiten sowie die Karrie-
reentwicklung sind natürlich
auch eine Frage der Motivation.
Aber auch das Menschenbild
ist stark betroffen. Das braucht
Führungsaufwand, man muss
mit den Leuten reden und genau
beobachten, bei welchen Tätig-
keiten jemand aufblüht.
NIBEL Es gibt eine Studie zu Kos-
tenfragen: Wenn die Arbeitszu-
friedenheit unter 3 abfällt auf
einer 5-Punkte-Skala, dann steigt die Kün-
digungswahrscheinlichkeit auf 50 Prozent.
Wenn jemand geht, dauert die Einarbeitung
des Nachfolgers im Minimum ein Jahr. Bei
anspruchsvoller Kundenberatung rechnet
man mit drei Jahren.
DE MICHELI Kündigungskosten kann man
heutzutage ziemlich genau beziffern. Sie
sind meistens sehr hoch.
Was braucht es folglich, damit mehr gelobt
wird?
DE MICHELI Meiner Meinung nach beginnt es
bereits bei der Rekrutierung von Führungs-
kräften. Da sollte viel mehr darauf geachtet
werden, wie es um die Sozialkompetenzen
steht und welches Menschenbild eine Füh-
rungskraft hat. Für ein gutes Arbeitsklima
braucht es eine gute Gesprächskultur, Schu-
lung und das Bewusstsein, dass Motivation
eine Daueraufgabe ist. Auf einen Nenner
gebracht: Man motiviert nicht mit pompö-
sen Motivations-Programmen, sondern mit
sozialkompetenten Führungskräften und
einer Unternehmenskultur, für die Mitar-
beiterförderung und -respekt im Mittel-
punkt stehen.
NIBEL Vorgesetzte, die das nicht können,
sind mit einem HR-Controlling relativ gut
zu erfassen. Starke Fluktuation beispiels-
weise ist ein Alarmsignal. Allerdings ist
Vorsicht angebracht: Man denkt meist, dass
derjenige, der Probleme macht, auch ein
Problem hat. Aber vielleicht ist er nur der
sensibelste Teil einer Kette und das Problem
liegt an einer ganz anderen Stelle.
Herzlichen Dank für dieses Gespräch! ●
HOTELSUNDTAGUNGSORTE
dann meistens nicht mehr lange. Es ist etwas
vom Schlimmsten, wenn man die Leistungs-
freude kappt. Das schönste Lob ist immer
jenes, das ein zusätzliches Ziel hat, beispiels-
weise das Talent oder die Leistungsfreude
des Mitarbeiters zu stärken.
NIBEL Man soll Stärken stärken. Eine der Kern-
fragen ist für mich immer: Wann in Ihrem
Leben hat die Arbeit mehr Freude gemacht?
Was war damals anders? Was könnte man
machen, damit das wieder zurückkommt?
Wer Sorgen hat, hat auch Likör –
sagt das Sprichwort.
NIBEL Vor allem in bestimmten Branchen
und Abteilungen wie in der Gastronomie
lenden Elan zu thematisieren. Nur so findet
man heraus, ob es persönliche Probleme sind
(Scheidung), ob der Mitarbeiter überfordert
ist oder ob das Arbeitsklima schlecht ist.
Nur nach einem Gespräch kann man Mass-
nahmen ergreifen. Manchmal kann man das
Problem aber auch nicht lösen. Wenn ein
Mitarbeiter nicht zum Team oder zur Unter-
nehmenskultur passt, muss man ehrlich sein.
NIBEL IchhatteeineZeitlangsehrMüheanmei-
nem Arbeitsplatz, weil alle Leute, mit denen
ich gut zusammengearbeitet habe, gekün-
digt haben. Da habe ich mich schon gefragt,
was das für eine Unternehmenskultur ist,
wenn man die Leistungsfähigsten rausekelt.
DE MICHELI Solche Unternehmungen bestehen
Lob:
Für ein gutes Arbeitsklima
braucht es eine gute
Gesprächskultur, Schu-
lung und das Bewusst-
sein, dass Motivation eine
Daueraufgabe ist.
Leitfaden für Mitarbei-
tergespräche
Der in mehreren Tausend
Exemplaren verkaufte
«Leitfaden für Mitarbeiter-
gespräche und Mitarbei-
terbeurteilungen» von
Marco De Micheli enthält
zahlreiche von A-Z ausfor-
mulierte und kommentierte
Mustergespräche zu
vielen Anlässen mit schnell
umsetzbaren, praxisrele-
vanten Gesprächstech-
niken, welche oft den
Themenkreis Motivation,
Anerkennung und Führung
beinhalten.
Verlag:
PRAXIUM-Fachverlag
Sprache: Deutsch
ISBN 978-3952271254
5. erweiterte Auflage
Mit kostenlos download-
baren Arbeitshilfen, Vorla-
gen und Beispielen
Seiten: 343
Preis: CHF 45.–
Bezugsquelle:
hrmbooks.ch
oder im Buchhandel

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Die Kunst des Lobens_Blickpunkt_03-04_160616

  • 1. BLICKPUNKT KMU 53 52 BLICKPUNKT KMU Die Kunst des Lobens Hildegard Nibel und Marco De Micheli haben beide Bücher über Arbeitsmotivation verfasst. Ein Gespräch über Streicheleinheiten in der Wirtschaftswelt. AUFGEZEICHNET VON THEO MARTIN BLICKPUNKT KMU Vielen Chefs fällt es schwer zu loben. Wieso eigentlich? HILDEGARD NIBEL Ich bin viel in der Finanz- branche unterwegs, in der die Chefs denken: Wenn ich jemanden lobe, will der sofort mehr Geld. Je mehr man lobt, umso grösser muss dann am Jahresende die Gehaltserhö- hung ausfallen. Leider haben viele Chefs aus meiner Sicht ein kompensatorisches Ver- hältnis zwischen monetären und non-mone- tären Belohnungen. Aber: Je mehr man lobt und je mehr Lernchancen es gibt, desto weniger brauchen die Mitarbeiter Geld als Anerkennung. MARCO DE MICHELI Das hat auch viel mit der Erziehung zu tun, weil man als Kind und Jugendlicher generell sowie beim Berufsein- tritt und als Führungskraft ebenso selten gelobt wird. Deshalb fällt das Loben vielen Führungskräften nur schon von der Grund- haltung her schwer. Denn zum Lob gehören immer auch eine Förderungsabsicht und ein positives Menschenbild. NIBEL Durch die Finanzskandale reagieren die Leute übersensibel auf Fehler. Man sieht nur noch, was schief gehen könnte. Im Vor- dergrund stehen gelbe und rote Karten und damit die Angst. Man versucht die Mitarbei- ter verstärkt durch Weisungen zu reglemen- tieren um Fehler zu verhindern. Vergessen geht dabei, dass es auch ein Stück Freiheit braucht, um neue Geschäftsfelder zu entwi- ckeln oder im täglichen Kontakt mit Kunden einfach ein bisschen kreativ zu sein. Was bringt ein Schulterklopfen zwischen Tür und Angel? DE MICHELI Das bringt eben genau gar nichts. Joviale Komplimente zwischendurch sind einer der grössten Fehler. Ich nenne das gerne Loben nach Agenda, im Stile von «Heute braucht der Müller wieder mal eine Streichel- einheit». Das ist kein ehrliches und glaubhaf- tes Lob. Wirklich motivierende Anerkennung muss konkret und mit ehrlicher Wertschät- zung ausfallen. Wichtig finde ich, dass vor allem konkrete Talente oder Leistungen angesprochen werden, beispielsweise: «Sie haben bei dieser Powerpoint-Präsentation Ihr grafisches Talent wieder hervorragend zum Ausdruck gebracht.» Was heisst das? DE MICHELI Eine Anerkennung sollte wenn immer möglich mit der Mitarbeiterförderung verbunden sein. Zum Beispiel kann man Weiterbildungsmöglichkeiten aufzeigen, eine Erweiterung des Aufgabengebietes ins Auge fassen oder dem Mitarbeiter die Aufnahme in eine Projektgruppe in Aussicht stellen. Das unterstreicht die Ehrlichkeit eines Lobes und wirkt auch sehr motivierend. NIBEL Die Aussage «da haben Sie aber Glück gehabt, dass der Kunde das nicht gemerkt hat» ist zwar auch ein Lob, stützt sich aber nicht auf die Fähigkeiten oder Potenziale des Mitarbeiters. Das kann man aus der Situation heraus schon mal sagen. Es ist aber nichts, was Marco De Micheli und ich uns wün- schen, wie Lob optimal sein sollte. Wie muss denn Lob sein? Welche Regeln sind zu berücksichtigen? NIBEL Die Lernpsychologie hat die Feed- back-Regeln schon vor 20 Jahren intensiv Im Gespräch FOTOS:©YOSHIKOKUSANO,ROBLEWISPHOTOGRAPHYUNFOTOLIA Tadel heilen Eine Studie aus den USA hat laut Hildegard Nibel herausgefunden, dass Unterschicht-Eltern ihren Kinder besonders viel verbieten und wenig loben, während Mittel- und Oberschichteltern ihre Kinder mehr als sechs Mal häufiger loben als tadeln. Das stimmt auch mit anderen Forschungsergebnissen aus der Psychologie überein, dass es fünf positive Zuwendungen oder Streicheleinheiten braucht, um einen Tadel zu «heilen». Nur bei den Mittel- und Oberschichteltern findet sich laut Nibel ein Überhang an positiven Zuwendungen von 6,4 zu 1; bei den blue collar workers und den Sozialhilfeempfänger-Gruppen werden die psychischen Verletzungen durch Tadel hingegen nicht «geheilt», was möglicherweise sogar zu negativen Rache- Spiralen in Form kindlicher Trotzreaktionen führt, die wiederum noch mehr elterliche Kritik nach sich zieht usw.
  • 2. BLICKPUNKT KMU 55 54 BLICKPUNKT KMU DE MICHELI Wenn man auch einmal ein Team als Ganzes lobt, fühlen sich alle geschätzt, was dann positive Auswirkungen auf das Arbeitsklima, die Leistungserbringung und die Produktivität hat. Gibt es nur die Anerkennung mit Worten? NIBEL In jedem Betrieb gibt es subtilste For- men der Anerkennung: Wie lange ein Vorge- setzter mit jemandem redet, über was man mit jemandem spricht, ob man mit dem Mitarbeiter einen Kaffee trinkt oder zum Mittagessen geht. Dazu kommen die kleinen Privilegien wie die Bürosituation und die Möglichkeit zur Arbeit zu Hause. Erhellend ist auch, wie stark man für kleine Flüchtig- keitsfehler kritisiert wird. Es gibt eine ganz breite Palette an Streicheleinheiten. DE MICHELI Nur schon die Häufigkeit, mit der ein Mitarbeiter an einer Sitzung um seine Meinung gefragt wird, drückt die Wertschät- zung aus. Es gibt sehr subtile, indirekte For- men, die Mitarbeiter sehr genau spüren. Da kommt die Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit wieder zum Ausdruck. NIBEL Sonderaufgaben sind auch eine Art des Lobs. Vorfreude auf die Weiterbildung, und wäh- rend der Teilnahme, und später, wenn sie das Gelernte anwenden können. Was ist zu tun, wenn die Arbeitsmotivation eines Mitarbeitenden unter Null gesunken ist oder er sich mit einer mehr oder weniger langen Krankschreibung aus dem Arbeitspro- zess abgemeldet hat? DE MICHELI Man vergisst allzu oft, dass es individuelle Motivationsprofile gibt. Es gibt sicherheits- und leistungsorientierte, aber auch primär materiell motivierbare Mitar- beiter. Sinkt die Motivation unter Null, ist das oft der Anfang einer inneren Kündigung. Wichtig ist dann das Gespräch, in dem es gilt, die Gründe herauszufinden für die nachlas- sende Motivation. Nur so kann man die ent- sprechenden Massnahmen ergreifen. Wenn jemand stark und schlagartig nachlässt, ste- cken meistens ernsthafte Gründe, möglicher- weise auch privater Natur, dahinter. NIBEL Man muss auch sehen, dass sich Moti- vationen verändern im Laufe des Berufs- lebens. Am Anfang ist es den Leuten wich- tig schnell voranzukommen, interessante Berufserfahrungen zu sammeln und mehr Geld zu verdienen. Später sind andere Sachen wichtig, die oft soziale Motive haben. DE MICHELI Das stimmt, ein 30-jähriger kar- riereorientierter Mitarbeiter hat andere Ziele als jener, der ein paar Jahre vor der Pensionie- rung steht. NIBEL In der Multikultigesellschaft in Zürich ticken die Leute halt schon sehr unterschied- lich und manchmal nicht so ganz nachvoll- ziehbar. Auf Grund meiner Sozialisation kann ich das nicht immer nachvollziehen. Aber ich versuche die Leute zu ermuntern, ihre Potenziale zu leben und dazu zu stehen, was ihnen wichtig ist und Freude macht. Wie erkennt man schleichende Minderleistung? NIBEL Wenn Leute immer etwas mies drauf sind oder weniger lachen, sieht man das im Alltag. Man darf es allerdings auch nicht überinterpretieren, weil man sonst die Mit- arbeiter unter Druck setzt, stets zu lächeln. DE MICHELI Wichtig ist auch hier das Gespräch. Die Führungskraft muss den Mut haben, die- sen Mitarbeiter anzusprechen und den feh- Marco De Micheli… …ist Verlagsleiter beim auf Personalwesen und Leadership spezialisierten PRAXIUM-Fachverlag in Zürich und Autor zweier Bücher zu den Themen Mitarbeitergespräche und Motivation. In seiner Funktion als Inhaber eines HR-Fachverlages und mit über 20 Jahren Führungspraxis setzt er sich seit langem mit Fragen der Mitarbeitermotivation auseinander. Hildegard Nibel… … ist seit vielen Jahren im Bereich des HR-Risikomanagements tätig. Nach dem Psychologiestudium an der Universität Tübingen hat sie an der ETH Zürich über arbeitsbedingte Gesundheitsstörungen geforscht und an der Universität Bern doktoriert. Seither ist sie in verschiede- nen Funktionen des Schadenmanagements bei Sozialversicherungen und Versicherungsbrokern tätig. Ist Geld auch eine Form des Lobs? NIBEL Es ist häufigste und fantasieloseste Form. DE MICHELI Ich bin stark gegen Geld als Motivationsmittel, weil die Wirkung sehr schnell verpufft. Boni und Sonderprovisio- nen führen zudem auch sehr rasch zu einem Gewöhnungseffekt. Wenn die Boni einmal ausbleiben, folgt nur Frustration. Geld hat keinen Inhalt. Es ist eine sehr bequeme Art des Lobs, aber überhaupt nicht nachhaltig. Es gibt auch immer mehr Studien, die das bestätigen. NIBEL Metaanalysen zeigen, dass das Gehalt unkorreliert mit der Leistung ist. Ich sage immer: «Geld ist rund und rollt weg. Bil- dung bleibt.» Wenn man Leuten Chancen eröffnet zum Lernen zählt das mehr. Meine persönliche Erfahrung ist auch so: Wenn es mal ganz grosse Boni gegeben hat, führte das einige Tage zu einer euphorischen Stimmung – aber spätestens nach einem Monat ist die- ses Gefühl wieder weg. Es hätte viel mehr gebracht, zumindest die Hälfte der Boni in einen Bildungsurlaub zu stecken: dann freuen sich die Mitarbeitenden einmal darü- ber, dass sie das bekommen haben; dann die «In jedem Betrieb gibt es subtilste Formen der Anerkennung.» Hildegard Nibel erforscht. Es muss tatsächlich um etwas Konkretes gehen, um eine konkrete Situa- tion oder Fertigkeit oder Produkt: Man soll den Mitarbeiter auch nicht für etwas Selbst- verständliches loben. Es ist eher eine Abwer- tung, wenn Sie einer stets elegant gekleideten Mitarbeiterin sagen: «Du siehst heute aber chic aus.» Sie wird sich fragen, was mit den anderen Tagen ist. DE MICHELI Ein Lob soll möglichst oft auch einen Unternehmensbeitrag oder Bezug zu Leistungszielen beinhalten. Man kann zum Beispiel einem Mitarbeiter sagen, dass sein Verhalten vorbildlich der Kundenorientie- rung entspricht. Wichtig ist auch, dass man keine Versagensangst auslöst. Wer zu oft und zu leichtfertigt gelobt wird, kann beim Wegfall dieses Lobs schnell befürchten, den Anforderungen nicht mehr zu genügen. Der «Lobesentzug» hat dann schnell die umge- kehrte Wirkung. In einem Lob sollte deshalb immer auch die Zuversicht in die Lern- und LeistungsfähigkeiteinesMitarbeitersstecken. Gelobt werden doch nur Spitzenleistungen und Stars. NIBEL Leider ist das so. Ich habe beispiels- weise einmal ein Lob bekommen, das 20 Jahre zu spät kam. Auf einer Gesundheits- tagung habe ich einen früheren Auftrag- geber wissenschaftlicher Forschung zur visuellen Ermüdung bei der Bildschirmar- beit getroffen. Er hat mir dann gesagt, dass meine Arbeit damals wesentlich die deutsche Arbeitsschutzgesetzgebung beeinflusst habe. Hätte ich das rechtzeitig gewusst, hätte ich es für meine Bewerbungen verwenden können. DE MICHELI Ich sehe das auch als Problem, dass viel zu oft leistungsbewusste Mitarbei- ter mit grossem Selbstvertrauen gelobt wer- den, stille und introvertierte Mitarbeiter bei- spielsweise dagegen viel zu sehr im Schatten stehen. So entsteht Neid. Lob sollte immer auch Leistungsansporn sein. Es bringt daher mehr, einen Sachbearbeiter für eine einfache Leistung zu loben… NIBEL …oder die Dame am Empfang, die sich jeden Tag viele – mehr oder weniger schlaue oder witzige – Sprüche konstant freundlich anhören muss. Ist das nicht eine viel grössere Leistung als der Einsatz der Starverkäufer bei Ihren «leichten» Kunden? Reanimation der Arbeitsmotivation MCC Mastering-ConceptConsult Fit für die Marktdynamik Praxisbewährtes Motivationsmanagement bei kritischen Personalsituationen von Dr.phil.-hist.Hildegard Nibel Copyright - Alle Rechte vorbehalten:Schröder Consulting ISBN: 978-3-939255-81-9 (PDF) Reanimation der Arbeitsmotivation Fehlende Arbeitsmotivation kann mit sehr einfachen Mitteln und mit geringem finanziellem oder zeitlichem Aufwand wieder geweckt werden, wenn sich dieses Bemühen auf die positiven Aspekte der Mitarbeitenden konzentriert und sehr zielge- richtet und passgenau ist. Das Buch hat den Untertitel «Praxisbewährtes Motiva- tionsmanagement bei kriti- schen Personalsituationen». Verlag: MCC Mastering- ConceptConsult (eBook) Sprache: Deutsch Erscheinungsjahr: 2014 ISBN 978-3-939255-81-9 Seiten: 142 Preis: CHF 21.90
  • 3. BLICKPUNKT KMU 57 56 BLICKPUNKT KMU «Boni und Sonderprovisionen führen sehr rasch zu einem Gewöhnungseffekt.» Marco de Micheli oder Marketing & Sales, wo ein bisschen Trinken zur Kultur gehört, ist das ein Prob- lem. Ich hatte mal eine Chefin, die ein inti- meres Verhältnis zum Alkohol hatte als zu ihrem Team – das war der blanke Horror mit ihrer Launenhaftigkeit und ihrer Unbe- rechenbarkeit. DE MICHELI Ich hatte in meiner Führungspra- xis zweimal Probleme mit alkoholkranken Mitarbeitern. Die Hilfslosigkeit, die man erlebt, ist furchtbar. Man hat mit Gesprä- chen selten Erfolg und das ist frustrierend. NIBEL Aus wissenschaftlicher Sicht ist klar, dass dies auch mit horrenden Kosten ver- bunden ist. Alkoholkranke sind «giftig», weil sie in ihrer eigenen Leistungsfähigkeit reduziert sind und weil die Kollegen das dann immer ausbaden müssen. Es empfiehlt sich eine Mischung aus restriktiven und unterstützenden Techniken und Verhaltens- weisen. So kann man auf eine Kündigung verzichten, wenn eine Therapie absolviert wird. Falls möglich, sollte das Team zeit- weise von solchen Mitarbeitenden entlastet werden. Wie hoch sind die volkswirtschaftlichen Kos- ten, die mit dem Loben verbunden sind? DE MICHELI Das verbale Loben erzeugt keine Kosten. Boni kann man budgetieren. NIBEL Alles dazwischen wie die Förderung der informellen Lernchancen kosten das Unternehmen in der Regel nichts. Die Ausla- gen für die Weiterbildung sind verhältnismä- ssig gering. Aber es kostet natürlich, dass ein Vorgesetzter sich Gedanken darüber macht, was jemand gut macht und was sinnvoll für Mitarbeitende und Unternehmen ist. DE MICHELI Das Erkennen und Fördern von Talenten und Fähigkeiten sowie die Karrie- reentwicklung sind natürlich auch eine Frage der Motivation. Aber auch das Menschenbild ist stark betroffen. Das braucht Führungsaufwand, man muss mit den Leuten reden und genau beobachten, bei welchen Tätig- keiten jemand aufblüht. NIBEL Es gibt eine Studie zu Kos- tenfragen: Wenn die Arbeitszu- friedenheit unter 3 abfällt auf einer 5-Punkte-Skala, dann steigt die Kün- digungswahrscheinlichkeit auf 50 Prozent. Wenn jemand geht, dauert die Einarbeitung des Nachfolgers im Minimum ein Jahr. Bei anspruchsvoller Kundenberatung rechnet man mit drei Jahren. DE MICHELI Kündigungskosten kann man heutzutage ziemlich genau beziffern. Sie sind meistens sehr hoch. Was braucht es folglich, damit mehr gelobt wird? DE MICHELI Meiner Meinung nach beginnt es bereits bei der Rekrutierung von Führungs- kräften. Da sollte viel mehr darauf geachtet werden, wie es um die Sozialkompetenzen steht und welches Menschenbild eine Füh- rungskraft hat. Für ein gutes Arbeitsklima braucht es eine gute Gesprächskultur, Schu- lung und das Bewusstsein, dass Motivation eine Daueraufgabe ist. Auf einen Nenner gebracht: Man motiviert nicht mit pompö- sen Motivations-Programmen, sondern mit sozialkompetenten Führungskräften und einer Unternehmenskultur, für die Mitar- beiterförderung und -respekt im Mittel- punkt stehen. NIBEL Vorgesetzte, die das nicht können, sind mit einem HR-Controlling relativ gut zu erfassen. Starke Fluktuation beispiels- weise ist ein Alarmsignal. Allerdings ist Vorsicht angebracht: Man denkt meist, dass derjenige, der Probleme macht, auch ein Problem hat. Aber vielleicht ist er nur der sensibelste Teil einer Kette und das Problem liegt an einer ganz anderen Stelle. Herzlichen Dank für dieses Gespräch! ● HOTELSUNDTAGUNGSORTE dann meistens nicht mehr lange. Es ist etwas vom Schlimmsten, wenn man die Leistungs- freude kappt. Das schönste Lob ist immer jenes, das ein zusätzliches Ziel hat, beispiels- weise das Talent oder die Leistungsfreude des Mitarbeiters zu stärken. NIBEL Man soll Stärken stärken. Eine der Kern- fragen ist für mich immer: Wann in Ihrem Leben hat die Arbeit mehr Freude gemacht? Was war damals anders? Was könnte man machen, damit das wieder zurückkommt? Wer Sorgen hat, hat auch Likör – sagt das Sprichwort. NIBEL Vor allem in bestimmten Branchen und Abteilungen wie in der Gastronomie lenden Elan zu thematisieren. Nur so findet man heraus, ob es persönliche Probleme sind (Scheidung), ob der Mitarbeiter überfordert ist oder ob das Arbeitsklima schlecht ist. Nur nach einem Gespräch kann man Mass- nahmen ergreifen. Manchmal kann man das Problem aber auch nicht lösen. Wenn ein Mitarbeiter nicht zum Team oder zur Unter- nehmenskultur passt, muss man ehrlich sein. NIBEL IchhatteeineZeitlangsehrMüheanmei- nem Arbeitsplatz, weil alle Leute, mit denen ich gut zusammengearbeitet habe, gekün- digt haben. Da habe ich mich schon gefragt, was das für eine Unternehmenskultur ist, wenn man die Leistungsfähigsten rausekelt. DE MICHELI Solche Unternehmungen bestehen Lob: Für ein gutes Arbeitsklima braucht es eine gute Gesprächskultur, Schu- lung und das Bewusst- sein, dass Motivation eine Daueraufgabe ist. Leitfaden für Mitarbei- tergespräche Der in mehreren Tausend Exemplaren verkaufte «Leitfaden für Mitarbeiter- gespräche und Mitarbei- terbeurteilungen» von Marco De Micheli enthält zahlreiche von A-Z ausfor- mulierte und kommentierte Mustergespräche zu vielen Anlässen mit schnell umsetzbaren, praxisrele- vanten Gesprächstech- niken, welche oft den Themenkreis Motivation, Anerkennung und Führung beinhalten. Verlag: PRAXIUM-Fachverlag Sprache: Deutsch ISBN 978-3952271254 5. erweiterte Auflage Mit kostenlos download- baren Arbeitshilfen, Vorla- gen und Beispielen Seiten: 343 Preis: CHF 45.– Bezugsquelle: hrmbooks.ch oder im Buchhandel