Dr. Achim Gmilkowsky: Vertragsgestaltung für Fotografen, Teil 1
Lindhorst: Der Schutz des Datenbankherstellers
1. B Urheber- und Leistungsschutzrechte sowie Verwertungsgesellschaften
B1 Urheberrecht
Der Schutz des Datenbankherstellers
Dr. Hermann Lindhorst
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Informationstechnologierecht, Partner bei
SCHLARMANNvonGEYSO, Hamburg. Lehrbeauftragter an der Macromedia
Hochschule für Medien und Kommunikation, Hamburg, Schiedsrichter am Deut-
B
schen Sportschiedsgericht (DIS), Köln
1.17
S. 1
Inhalt Seite
1. Einführung 2
1.1 Entstehung, Hintergründe und Notwendigkeiten 2
1.2 Schutzgegenstand (§ 87a UrhG) 4
1.3 Rechte des Datenbankherstellers (§ 87b UrhG) 5
1.4 Schranken (§§ 87c, 87d UrhG) 6
1.5 Verträge über die Benutzung einer Datenbank (§ 87e UrhG) 7
1.6 Zukunft des rechtlichen Schutzes von Datenbanken 7
44 Kultur & Recht Februar 2009
2. B Urheber- und Leistungsschutzrechte sowie Verwertungsgesellschaften
B1 Urheberrecht
1. Einführung
Datenbanken sind aus dem alltäglichen Leben nicht mehr wegzudenken. Sie
erscheinen u. a. als Telefonbücher, Hitlisten, Fernsehprogramme, Pferdewetten-
oder Fußballspielpläne. Ihre Erstellung und Pflege ist kostenintensiv und erfor-
dert in der Regel die Vornahme wirtschaftlicher Investitionen, für deren Schutz
der Gesetzgeber seit dem 1.1.1998 ein neues absolutes Recht, das Datenbankher-
B stellerrecht, geschaffen hat. Für das Verständnis der Regelungen über das Daten-
1.17 bankherstellerrecht gemäß §§ 87a ff. Urheberrechtsgesetz (UrhG) sind Kenntnis-
S. 2 se über deren Entstehung sowie Sinn und Zweck unerlässlich.
1.1 Entstehung, Hintergründe und Notwendigkeiten
1996 beschloss die EG-Kommission, bedeutenden Produkten der Informationsge-
sellschaft immaterialgüterrechtlichen Schutz zu gewähren. Vergleichbar mit dem
"klassischen" Urheberrecht, das kulturelle Schöpfungen mit einem Ausschließ-
lichkeitsrecht belohnt, sollten nun auch typische Produkte der Informationstech-
nologie, wie 1991 bereits die Computerprogramme, geschützt werden. Um den
besonderen Schutzgegenstand hervorzuheben, bezeichnete der europäische Ge-
setzgeber das neue Recht des Datenbankherstellers weder als Urheber- noch als
Leistungsschutzrecht, sondern als Recht „sui generis“, d. h. als ein spezielles
absolutes Recht an Datenbanken, das unabhängig von anderen Arten des Immate-
rialgüterrechts, wie z. B. dem Urheberrecht, ist. Der deutsche Gesetzgeber hat
allerdings davon abgesehen, dieses neue Recht als „sui generis“-Recht zu be-
zeichnen, sondern hat es als Leistungsschutzrecht in Teil 2 des Urheberrechtsge-
setzes aufgenommen. Dies hat er u. a. auch deswegen getan, weil es im deutschen
Recht bereits einen Schutz von Datenbanken gab: Gemäß § 4 UrhG werden
„Sammlungen von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die
aufgrund der Auswahl oder Anordnung der Elemente eine persönliche geistige
Schöpfung sind“, wie selbständige Werke geschützt. Erforderlich für den urheber-
rechtlichen Schutz ist also eine Werkqualität der Datenbank, während dies für das
Datenbankherstellerrecht gem. §§ 87a ff. UrhG nicht erforderlich ist.
Merke
Das neue Recht des Datenbankherstellers ist also strikt zu unterscheiden vom urhe-
berrechtlichen Schutz für Sammelwerke und Datenbankwerke gemäß § 4 UrhG.
Eine eindeutige Festlegung ist aber u. U. entbehrlich, da beide Rechte an einer
Datenbank nebeneinander bestehen können. So ist z. B. der Professor einer Ge-
dichttitelliste als Urheber eines Datenbankwerks eingeordnet worden, während
das Datenbankherstellerrecht, das im Gegensatz zum Urheberrecht grundsätzlich
auch einer juristischen Person zustehen kann, der Universität zusteht, an der er
beschäftigt ist (BGH, U. v. 24.05.2007 – „Gedichttitelliste“).
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3. B Urheber- und Leistungsschutzrechte sowie Verwertungsgesellschaften
B1 Urheberrecht
Nach deutschem Recht besteht also ein zweigleisiger Schutz von Datenbanken,
einerseits ein urheberrechtlicher, gemäß § 4 UrhG, andererseits ein leistungs-
schutzrechtlicher, gemäß den §§ 87a ff. UrhG.
Für die Einführung des Datenbankherstellerrechts waren zwei Gründe maß-
geblich:
Zum einen sollte eine Lücke geschlossen werden, weil sich die Hersteller von B
Datenbanken bisher nur mit Hilfe wettbewerbsrechtlicher Regelungen gegen die 1.17
Entnahme von Inhalten schützen konnten, wenn sie die für eine urheberrechtlich
S. 3
erforderliche Werkqualität nicht aufwiesen (s. o.). Das Wettbewerbsrecht ist aller-
dings ein schwacher Schutz, weil es nur im unternehmerischen Verkehr Anwen-
dung findet und zusätzlich neben der Übernahme der Inhalte noch besondere
unlautere Umstände hinzutreten müssen. Zum anderen sollte bewusst ein Anreiz
für die Erstellung von Datenbanken geschaffen werden. Insofern beabsichtigte
man, eine den USA vergleichbare Rechtslage, wo immaterialgüterrechtlicher
Schutz für Datensammlungen großzügiger gewährt wird, zu schaffen.
Von Anfang an wurden aber auch starke Bedenken gegen einen rechtlichen
Schutz angeführt. Es entspricht einem rechtlichen Grundsatz, dass die Monopoli-
sierung von reinen Fakten und Informationen durch ein Ausschließlichkeitsrecht
nicht im allgemeinen gesellschaftlichen Interesse liegt. Der so genannte „Free
Flow of Information“ soll möglichst ungehindert zu einem weit reichenden, glo-
balen Austausch von Informationen beitragen und nur dann durch Ausschließ-
lichkeitsrechte, wie z. B. das Urheberrecht, eingeschränkt werden, wenn dies
durch die Kreativität der entsprechenden Leistungen gerechtfertigt ist. Hinzu
kommt, dass unter besonderen Umständen die Ausübung eines Verbotsrechts, wie
z. B. eines Urheber- oder Leistungsschutzrechts, kartellrechtlich problematisch
sein kann (Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung - Art. 86 EGV). So
wurde vom europäischen Gesetzgeber u. a. die Aufnahme einer so genannten
Zwangslizenz zu Lasten der Rechtsinhaber erwogen, aber schließlich abgelehnt.
Vielmehr erachtete man die Aufnahme bestimmter Schranken für ausreichend, die
zum Schutz der freien Informationen und zur Verhinderung einer befürchteten
Überreichweite des neuen Rechts zusammen mit sogenannten Mindestnutzerrech-
ten in die Vorschriften über Datenbanken eingefügt worden sind.
Der Schutz des Datenbankherstellers wird also nicht umfassend gewährt. Die
Reichweite des immaterialgüterrechtlichen Schutzes setzt sich vielmehr aus dem
Zusammenspiel von Schutzgegenstand (1.2 und 1.3), Schranken (1.4) und Nut-
zerbefugnissen (1.5) zusammen.
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4. B Urheber- und Leistungsschutzrechte sowie Verwertungsgesellschaften
B1 Urheberrecht
1.2 Schutzgegenstand (§ 87a UrhG)
Der konkrete Schutzgegenstand des Datenbankherstellerrechts ist gesetzlich nicht
eindeutig festgelegt und daher nur schwer zu umschreiben. Überwiegend wird
meist die geleistete Investition in die Erstellung der Datenbank genannt, andere
wollen die Datenbank selbst oder gar die in ihr enthaltene Information als primä-
ren Schutzgegenstand verstehen. Insbesondere bei so genannten „Sole-source-
B Datenbanken“, bei denen der Hersteller die Informationen selbst herstellt und so
1.17 ein „Nachsammeln“ nicht ermöglicht, könnte ein faktischer Schutz von Informa-
S. 4 tionen durch das Datenbankherstellerrecht regelmäßig ermöglicht werden.
Dieser Tendenz ist der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit insgesamt vier Ur-
teilen vom 9.11.2004 deutlich entgegengetreten (vgl. EuGH, U. v. 9.11.2004 –
Rs. C 203/02, „BHB v. William Hill“ u. a.). In diesen Fällen versuchten sich die
Ersteller von Fußballspielplänen und Pferderenninformationen gegen die Über-
nahme ihrer Datenbankinhalte von Sportwettenanbietern zu wehren. Der EuGH
wies die Klagen allerdings ab und unterschied zunächst zwischen der Datenbank
als solcher und den ihr zu Grunde liegenden Elementen. Er führte aus, dass sich
die schutzwürdige Investition immer auf Mittel beziehen müsse, die der Ermitt-
lung von bereits vorhandenen Elementen und deren Zusammenstellung gewidmet
sind. Insbesondere seien davon nicht solche Mittel umfasst, die eingesetzt wer-
den, um die Elemente selbst zu erzeugen. Der EuGH lehnte daher im Ergebnis
einen rechtlichen Schutz des Datenbankherstellers für Spielpläne und Pferderen-
nenlisten ab.
Definition Datenbank
Gemäß § 87a Abs. 1 UrhG liegt eine Datenbank nur vor, wenn eine Sammlung
von unabhängigen, systematisch oder methodisch angeordneten Elementen zu-
gänglich ist. Hiermit soll die Datenbank von einem losen „Datenhaufen“ abge-
grenzt werden. Unter einer systematischen Anordnung versteht man jede Gliede-
rung nach logischen oder sachlichen Kriterien. Eine methodische Anordnung liegt
bei einer planmäßigen Strukturierung der Datenbank vor. Von einer Unabhängig-
keit der Elemente der Sammlung ist auszugehen, wenn sie sich voneinander
trennen lassen, ohne dass der Wert ihres informativen, literarischen, künstleri-
schen, musikalischen oder sonstigen Inhalts dadurch beeinträchtigt wird. Weitere
Schutzvoraussetzung ist gemäß § 87a Abs. 1 UrhG, dass nur Datenbanken ge-
schützt werden, die eine wesentliche Investition erfordern.
Der Begriff „wesentlich“ wird nicht nur in § 87a UrhG, sondern auch an weiteren
Stellen in den Bestimmungen über das Datenbankherstellerrecht benutzt, so etwa
auch in den §§ 87b, 87c und 87e UrhG. Die Unbestimmtheit dieses Begriffs berei-
tet dem Rechtsanwender in der täglichen Praxis zwar Probleme, war dem Gesetz-
geber aber bewusst und auch von ihm gewollt. Die genaue Auslegung überließ er
damit der Rechtsprechung, namentlich dem Europäischen Gerichtshof, der letzt-
instanzlich über die Auslegung europäischen Rechts entscheidet (s. o., Urteile zu
Sportdatenbanken).
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