Poser: Rechtsprechungsübersicht zu Verkehrssicherungs- und Betreiberpflichten...
Michow: Der Steuerabzug bei beschränkt steuerpflichtigen Künstlern und Produktionsgesellschaften
1. E Steuerrecht
E1 Die Besteuerung des Künstlers
Der Steuerabzug bei beschränkt
steuerpflichtigen Künstlern und
Produktionsgesellschaften
Jens Michow
Rechtsanwalt in Hamburg; Präsident und Geschäftsführer des IDKV, Bundesver-
band der Veranstaltungswirtschaft e.V.
Inhalt Seite
1. Einleitung 2
2. Wer unterliegt der beschränkten Steuerpflicht ? 3
3. Abzugsverfahren 3 E
4. Bemessungsgrundlage für den Steuerabzug 5 1.2
5. Höhe des Steuersatzes 5 S. 1
6. Das vereinfachte Erstattungsverfahren 8
7. Zuständigkeit, Verfahren 10
8. Vereinbarkeit mit Europäischem Recht 11
9. Befreiungen von der Steuerpflicht 12
9.1 Doppelbesteuerungsabkommen 12
9.2 Sonstige Freistellungen aufgrund von DBA 14
9.3 Freistellung außerhalb von DBA 14
Die Problematik der sogenannten „Ausländersteuer“, der „Steuerabzug auf inlän-
dische Einnahmen von Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren
gewöhnlichen Aufenthalt haben“ ist bereits seit vielen Jahren ein Dauerthema vor
allem für die Veranstaltungs- und Kulturwirtschaft. Nachdem 1996 der Steuersatz
von bis dato 15 auf 25 % (seit 2002 auf 20 % gesenkt) angehoben wurde, haben
sich nicht nur sowohl inländische Finanzgerichte als auch der Europäische Ge-
richtshof mehrfach mit der Legalität dieser Pauschalbesteuerung auseinanderset-
zen müssen. Auch die Politiker - allen voran die Kulturpolitiker - haben an der
Seite der Betroffenen mit Nachdruck für gesetzliche Erleichterungen gekämpft.
Im folgenden Beitrag werden umfassend und anschaulich die wichtigsten
Grundlagen und Entwicklungen dargestellt. Es wird aufgezeigt, welche Auswir-
kungen die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auf das deutsche
System hat und welche Möglichkeiten der Befreiung von der Abgabenpflicht
bestehen.
27 Kultur & Recht Februar 2005
2. E Steuerrecht
E1 Die Besteuerung des Künstlers
1. Einleitung
Die Problematik der beschränkten Steuerpflicht ist in den letzten Jahren insbe-
sondere im Hinblick auf die Besteuerung der in Deutschland getätigten Einnah-
men ausländischer Künstler bzw. ausländischer Produktionsgesellschaften in den
Blickpunkt des öffentlichen Interesses und vor allem aller Kulturschaffenden
geraten. Während von der Veranstaltungsbranche diese Steuer kurz als "Auslän-
dersteuer" bezeichnet wird, findet sich im EStG ausschließlich die Definition
„beschränkte Steuerpflicht“ bzw. „Steuerabzug für beschränkt Steuerpflich-
tige“.
Bis zum 31.12.1995 betrug der Steuersatz einheitlich pauschal 15 vom Hundert
der Einnahmen. Durch das Jahressteuergesetz 1996 wurde er mit Wirkung zum
01. Januar 1996 auf 25 vom Hundert der Einnahmen erhöht. Dies führte insbe-
sondere in der Veranstaltungsbranche in vielen Fällen zu besonderen Härten, da
die Einnahmen der Künstler (anders als z. B. bei Sportlern) regelmäßig erhebli-
che Kostenerstattungen enthalten, die auf diese Weise mit besteuert wurden.
E
Trotz erheblicher anhaltender Proteste vor allem der Veranstalter und Verbände
1.2
weigerte sich das Bundesministerium der Finanzen (BMF) lange Zeit, der Forde-
S. 2 rung insbesondere der Veranstaltungsbranche nach Lockerung der steuerlichen
Vorschriften nachzugeben. Bei den in der Diskussion immer wieder vorgetrage-
nen Härtefällen nicht nur gering verdienender Künstler verwies die Finanzver-
waltung auf das 1997 rückwirkend zum 1.1.1996 eingeführte vereinfachte Er-
stattungsverfahren gem. § 50 Abs. 5 EStG, wonach unter bestimmten Vorausset-
zungen eine Erstattung von Steuern beantragt werden kann (siehe dazu unten Zif
2.6.). Die geringe Akzeptanz dieses Erstattungsanspruches sowie die anhaltenden
Proteste gegen die Höhe des Steuersatzes machten allerdings zwischenzeitlich
deutlich, dass es in der Praxis weniger um den durch § 50 Abs. 5 EStG ermög-
lichten Ausgleich von Überbesteuerungen als darum ging, dass sich die Branche
durch einen starren Steuersatz von 25 % der Bruttoeinnahme überfordert fühlte.
Die dagegen gerichteten Proteste insbesondere der nationalen und internationalen
Veranstaltungswirtschaft sowie ihrer Berufsverbände führten schließlich dazu,
dass mit dem Steueränderungsgesetz 2001 mit Wirkung ab 1.1.2002 substantielle
Änderungen des Besteuerungssatzes in Kraft traten.
Nachdem sich zwischenzeitlich auch der Europäische Gerichtshof in Straßburg
mit der Frage beschäftigte, ob sich das deutsche Verfahren der pauschalen Ab-
zugsbesteuerung unter Versagung der Progression sowie eines steuerlichen
Grundfreibetrages mit dem EU-Vertrag vereinbaren lässt, erließ er am 12. Juni
2003 ein Urteil, dessen Umsetzung zu einer grundlegenden Revision des deut-
schen Systems der beschränkten Steuerpflicht führen wird (siehe dazu unten Zif.
2.8.).
27 Kultur & Recht Februar 2005
3. E Steuerrecht
E1 Die Besteuerung des Künstlers
2. Wer unterliegt der beschränkten
Steuerpflicht ?
Grundsätzlich sind gem. § 1 Einkommensteuergesetz (EStG) alle natürlichen
Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt
haben, mit ihren weltweiten Einkünften unbeschränkt einkommensteuerpflich-
tig. Natürliche Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren ge-
wöhnlichen Aufenthalt haben, sind gem. § 1 Abs. 4 EStG beschränkt steuer-
pflichtig, sofern sie Einkünfte im Sinnes des § 49 EStG haben.
Welche Einkünfte im einzelnen dem Steuerabzug unterliegen, ist, soweit es die
Ausübung künstlerischer oder ähnlicher Tätigkeiten betrifft, in § 49 Abs. 1 Zif. 2
- 4 EStG geregelt. Hervorzuheben sind zusammenfassend insbesondere:
- Einkünfte aus selbständiger Arbeit, die im Inland ausgeübt oder verwertet
wird (§ 49 Abs. 1 Zif. 3 EStG);
- Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die im Inland ausgeübt oder ver-
E
wertet wird (§ 49 Abs. 1 Zif. 4 EStG);
1.2
- Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die ....... durch künstlerische, artistische oder S. 3
ähnliche Darbietungen im Inland oder durch deren Verwertung im Inland er-
zielt werden, einschließlich der Einkünfte aus anderen, mit diesen Leistungen
zusammenhängenden Leistungen, unabhängig davon, wem die Einnahmen
zufließen (§ 49 Abs. 1 Zif. 2 d EStG).
3. Abzugsverfahren
Im Gegensatz zur Einkommensteuerschuld unbeschränkt Steuerpflichtiger liegt
die Besonderheit der beschränkten Steuerpflicht in einer Trennung von Steuer-
schuldner und Haftungsschuldner. Steuerschuldner der vom beschränkt Steuer-
pflichtigen zu entrichtenden Steuer ist der jeweilige Vergütungsgläubiger, also
entweder der ausländische Künstler oder dessen Produktions- bzw. Künstlerver-
leihgesellschaft. Da diese jedoch dem Zugriff des deutschen Finanzamt zumeist
entzogen sind, sieht das Gesetz vor, dass der Schuldner der dem ausländischen
Künstler bzw. der Künstlerverleihgesellschaft zu zahlenden Vergütung, also z. B.
der deutsche Veranstalter, den Steuerabzug für Rechnung des beschränkt steuer-
pflichtigen Gläubigers der Vergütung (also z. B. des Künstlers als Steuerschuld-
ner) vorzunehmen hat. Der Vergütungsschuldner (Veranstalter) muss gem. § 50a
Abs. 5 EStG, § 73e Einkommensteuerdurchführungsverordnung (EStDV) den
Steuerbetrag von der an den Künstler zu zahlenden Vergütung einbehalten, die
Steuer bei dem für ihn zuständigen Finanzamt anmelden und sie dort abführen.
Damit ist also der Vergütungsschuldner gleichsam auch Haftungsschuldner der
Steuerschuld des beschränkt Steuerpflichtigen.
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4. E Steuerrecht
E1 Die Besteuerung des Künstlers
Vergütungsschuldner ist, wer zivilrechtlich die Vergütungen schuldet, welche die
Tatbestände der dem Steuerabzug unterliegenden beschränkten Einkommensteu-
erpflicht erfüllen. Zum Steuerabzug ist derjenige Vergütungsschuldner verpflich-
tet, der im Inland seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt, seine Ge-
schäftsleitung, seinen Sitz, eine Betriebsstätte oder einen ständigen Vertreter iSd
§§ 8 - 13 der Abgabenordnung (AO) hat. Darüber hinaus ist auch der Vergütungs-
schuldner zum Steuerabzug verpflichtet, der nicht die vorgenannten Vorausset-
zungen erfüllt, wenn bei ihm ein „Inlandsbezug“ gegeben ist. Dies ist z. B. bei
einer ausländischen Künstlerverleihgesellschaft oder bei einer von einem auslän-
dischen Veranstalter im Inland durchgeführten Veranstaltung stets der Fall.
Wird die Vergütung für die Darbietung eines Künstlers nicht diesem unmittelbar,
sondern einem beschränkt steuerpflichtigen Dritten, z. B. einem ausländischen
Tourneeproduzenten, einer Künstlerverleihgesellschaft oder einem im Inland
veranstaltenden ausländischen Unternehmen gezahlt, so ist sowohl die an den
Dritten gezahlte Vergütung als auch die von dem Dritten an den Künstler weiter-
geleitete Vergütung gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 d, Nr. 3 bzw. Nr. 4 iVm § 50 a Abs. 4
Nr. 1 bzw. Nr. 2 EStG zu besteuern. Dadurch hat der Gesetzgeber die Möglichkeit
E ausgeschlossen, die sich aus den §§ 49 ff. EStG ergebende Abgabelast etwa da-
1.2 durch zu umgehen, dass das Entgelt für die künstlerische Leistung bzw. deren
S. 4 Verwertung nicht direkt an den Künstler, sondern an einen ausländischen Gewer-
bebetrieb gezahlt wird.
Der Vergütungsschuldner haftet gem. § 50 a Abs. 5 Satz 5 EStG für die Einbe-
haltung und Abführung der Steuer. Der beschränkt Steuerpflichtige (Künstler)
kann gem. § 50a Abs. V S.6 EStG durch Nachforderungsbescheid in Anspruch
genommen werden, sofern der Vergütungsschuldner seiner Zahlungspflicht nicht
nachkommt. Soweit die Haftung des Vergütungsschuldners reicht, sind der Ver-
gütungsschuldner (z. B. Veranstalter) und der Vergütungsgläubiger (Künstler)
Gesamtschuldner. Die Steuer- oder Haftungsschuld kann vom zuständigen Fi-
nanzamt nach pflichtgemäßem Ermessen gegenüber jedem Gesamtschuldner
geltend gemacht werden. Muss ein gegen den Steuerschuldner zu richtender
Nachforderungsbescheid im Ausland vollstreckt werden, so rechtfertigt bereits
dieser Umstand im Rahmen der Ermessensausübung die Inanspruchnahme eines
inländischen Haftungsschuldners, ohne dass dies einer weiteren Begründung
bedarf.
Organisiert ein beschränkt steuerpflichtiger Künstler im Inland eine Veranstaltung
selbst (Eigenveranstalter) und lässt sich ein Vergütungsschuldner nicht ermitteln,
so ist die Steuer durch Nachforderungsbescheid vom ausländischen Künstler als
Vergütungsgläubiger zu erheben. Soweit ein ausländischer Veranstalter in
Deutschland als Veranstalter auftritt und Vergütungen an Künstler weiterleitet, ist
er seinerseits als Vergütungsschuldner zum Steuerabzug verpflichtet.
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