Dr. Achim Gmilkowsky: Vertragsgestaltung für Fotografen, Teil 1
Sophia Littkopf: UnRuheständler im Kulturbetrieb
1. E 3.7
(Un)Ruheständler im Kulturbetrieb
Ehrenamtliches Engagement älterer Menschen in kulturellen Einrichtungen
Sophia Littkopf
Im Zuge des demografischen Wandels und der zunehmenden gesellschaftlichen Relevanz älterer
Menschen erhält das kulturelle Ehrenamt einen neuen Protagonisten: den Senior. Die Einbindung
von Senioren und ihres Erfahrungsschatzes in die Arbeit von Kulturreinrichtungen erfolgt jedoch
oft ohne gegenseitige Kenntnis über Motivation, Erwartungen und Nutzen. Dieser Beitrag baut auf
einer qualitativen Studie auf, die im Rahmen einer Diplomarbeit entstanden ist. Daraus werden im
Folgenden Impulse für eine bessere Integration und Nutzbarmachung von Potenzialen entwickelt
sowie Anstöße zur weiteren Auseinandersetzung mit diesem Thema gegeben.
Gliederung Seite
1. Einleitung 2
2. Die Beteiligung der Senioren 2
2.1 Soziale Determinanten 2
2.2 Individuelle Motivation 3
2.3 Erwartungen 4
2.4 Alter und ehrenamtliches Engagement 5
2.5 Die Kohärenz von Wandel und gesellschaftlichem Bewusstsein 6
2.6 Die Konsequenzen für die Kultur 7
3. Handlungsempfehlungen 8
3.1 Fallanalysen als empirische Basis 8
3.2 Den Stellenwert von Ehrenämtern intern definieren 9
3.3 Ehrenamt ist nicht gleich Ehrenamt 10
3.4 Koordinationsstelle einrichten 11
3.5 Senioren frühzeitig akquirieren 12
3.6 Senioren für ein kulturelles Ehrenamt begeistern 13
3.7 Potenziale ermitteln und nutzen 14
3.8 Anerkennung – Was ist die richtige Form? 14
4. Fazit 16
1
2. E 3.7 Organisation und Personal
Mitarbeiterführung
1. Einleitung
Traditionell spielt ehrenamtliches Engagement in Deutschland in na-
hezu allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens eine wichtige Rol-
le: vor allem natürlich in der Arbeit von Vereinen und Verbänden, aber
auch in vielen öffentlichen Einrichtungen wie in Krankenhäusern oder
in kulturellen und sozialen Betrieben. Auch die kirchliche Arbeit käme
ohne das Engagement von Freiwilligen nicht aus.
Der Beitrag des Bürgers Das freiwillige bürgerschaftliche Engagement der Bevölkerung ab 14
zur Sicherung der Jahren ist in Deutschland von 1999 bis 2004 um 2 % auf insgesamt
kulturellen Vielfalt 36 % angewachsen.1 Diese ca. 23 Millionen Engagierten verrichten
durchschnittlich 16,2 Stunden ehrenamtliche Arbeit pro Monat. Das
ergibt einen jährlichen Gesamtbetrag von ca. 4,7 Milliarden unvergü-
tet geleisteter Arbeitsstunden, die mit einem Stundenlohn von 7,50
Euro multipliziert einer Summe von rund 35 Milliarden Euro entsprä-
chen.2 Im Kulturbereich liegt die Summe, die in Form von Zeitspen-
den erbracht wurde, zwischen 9,35 und 16,7 Milliarden Euro3. Stellt
man diese Zahl den rund 8,14 Milliarden Euro4 gegenüber, mit denen
der Staat 2007 kulturelle Einrichtungen subventionierte, wird deutlich,
welches Gewicht ehreamtliche Tätigkeit für die Gewährleistung von
Kulturproduktion besitzt. Aufgrund seiner andauernden finanziellen
Unterversorgung stellen ehrenamtliche Kräfte also auch im Kulturbe-
reich einen Garanten für kulturelle Vielfalt dar. Dabei nehmen Senio-
ren zunehmend einen besonderen Stellenwert ein.
Senior und Kulturein- Abgesehen von ihrem Erfahrungsschatz verfügen viele Senioren über
richtungen profitieren ausreichend zeitliche und finanzielle Ressourcen, um eine unbezahlte
von einander Tätigkeit übernehmen zu können. Das Ehrenamt ist, auch wenn in
erster Linie der Freiwillige der gebende Part ist, doch ein Arrangement
zum gegenseitigen Vorteil: Die Organisationen profitieren außer von
der Zeit- und Arbeitsspende auch in fachlicher und sozialer Hinsicht
von den Senioren. Durch die freiwilligen Leistungen können kulturel-
le Angebote vielfältiger gestaltet werden, wodurch sich die Attraktivi-
tät der Kultureinrichtungen erhöht. Gleichermaßen erleben Senioren
durch ehrenamtliche Kulturarbeit eine vielschichtige Bereicherung
ihrer Lebensqualität.
2. Die Beteiligung der Senioren
2.1 Soziale Determinanten
Als entscheidende Faktoren zur Aufnahme einer ehrenamtlichen Tätig-
keit durch ältere Menschen gelten die je individuelle soziale, gesund-
heitliche und finanzielle Situation, der Bildungsstand, traditionelle und
religiöse Motive sowie bisherige Erfahrungen mit dem Ehrenamt.5
2
3. Organisation und Personal E 3.7
Mitarbeiterführung
Die meisten Senioren sind für die ehrenamtliche Arbeit mehr prädesti- Kondition und Umfeld
niert als jede andere Bevölkerungsgruppe, da sie mit Erreichen des als Impulsgeber für
Ruhestandes über mehr Freizeit verfügen als Menschen, die sich im Engagement
Berufsleben oder in der Ausbildung befinden. Die gesetzlich garan-
tierte Altersrente sorgt in der Regel für einen ausreichenden Lebensun-
terhalt der Senioren; viele Ältere besitzen darüber hinaus Rücklagen.
Diese von einer Erwerbstätigkeit unabhängige finanzielle Situation
gibt den Senioren die Freiheit, einer unbezahlten Tätigkeit nachzuge-
hen.
Doch auch ein guter Gesundheitszustand und die damit verbundene
Mobilität sind unabdingbar, um sich produktiv in Kultureinrichtungen
einzubringen und übertragene Aufgaben zu bewältigen.
Ein wichtiger Impuls, eine ehrenamtliche Tätigkeit aufzunehmen, ist Soziale Einbindung
die soziale Einbindung. Das Verhältnis ist dabei ein wechselseitiges:
Sozial gut Integrierte übernehmen öfter als weniger gut Integrierte ein
Ehrenamt. Zugleich bietet sich Engagierten durch ihre Arbeit die
Möglichkeit, ihren Bekannten- und Freundeskreis zu erweitern.6 Au-
ßerdem wird die Übernahme eines Ehrenamtes in der Rentenphase
wahrscheinlicher, wenn bereits während der Erwerbsphase eine Frei-
willigenarbeit ausgeübt wurde.7
Besonders relevant für ein Engagement im Kulturbereich scheint nicht
nur das kulturelle Interesse, sondern auch die Schulbildung. So ver-
fügten 2004 58 % der Ehrenamtlichen aller Altersstufen in diesem
Bereich über einen hohen, 27 % über einen mittleren und nur 15 %
über einen niedrigen Bildungsabschluss.8 Vor allem der Anteil der
höher Gebildeten ist damit im Vergleich zum Bildungsstand der Enga-
gierten aller Bereiche signifikant größer, worin mitunter ein Elite-
Effekt gesehen wird.9
Dennoch scheint die individuelle Bildung weniger Einfluss auf die Nicht nur Bildung
Wahl einer Tätigkeit im Kulturbereich zu haben als künstlerisch- beeinflusst die
kreative Freizeitaktivitäten von Senioren, welche die Entscheidung für Engagementbereitschaft
ein Ehrenamt in der Kultur signifikant positiv beeinflussen.10
2.2 Individuelle Motivation
Die Gründe von Menschen ab 60 Jahren, ein Ehrenamt auszuüben,
unterscheiden sich nicht maßgeblich von denen jüngerer Generatio-
nen: So „wollen diese ebenso wie jüngere Menschen durch ihr Enga-
gement soziale Kontakte knüpfen, ihren Horizont erweitern und sich
ein positives Lebensgefühl erhalten.“11
Für 70 % der Menschen ab 60 Jahre und für 64 % der 14- bis 59- Hauptmotiv: Mitmischen
Jährigen stellt der Wunsch, die Gesellschaft durch ihr Engagement – wenn auch nur im
zumindest im Kleinen mitzugestalten, das Hauptmotiv dar. Ihm folgt Kleinen
3
4. E 3.7 Organisation und Personal
Mitarbeiterführung
die Absicht, durch das Engagement mit anderen Menschen zusam-
menzukommen. Da ältere Menschen häufig über ein kleineres soziales
Netzwerk verfügen als jüngere, erstaunt es nicht, dass dieser Grund
öfter von Senioren genannt wird (65 %) als von jüngeren Ehrenamtli-
chen (58 %).12 Ältere schätzen also die Möglichkeit, sich in der Aus-
übung einer ehrenamtlichen Tätigkeit in das damit verbundene Sozial-
geflecht zu integrieren, höher ein. Für sie ist die Chance, neue Be-
kanntschaften zu schließen – zudem außerhalb ihrer eigenen Alters-
klasse –, wertvoller als für Jüngere.
Hohes Auffällig ist, dass ältere Menschen wesentlich häufiger eine Pflichter-
Pflichtbewusstsein füllung mit dem Ehrenamt verbinden als jüngere. 53 % der ab 60-
Jährigen empfinden ihre Tätigkeit als eine Aufgabe, die gemacht wer-
den muss und für die sich schwer jemand findet. Nur 41 % der bis 59-
Jährigen stimmen dem voll zu.
Ähnlich verhält es sich mit dem politisch motivierten Engagement.
Lediglich 19 % der jüngeren Ehrenamtlichen verstehen ihre freiwillige
Tätigkeit als eine Form des politischen Engagements, bei den Älteren
sind dies mit 26 % deutlich mehr.13
2.3 Erwartungen
Persönliche Interessen Die Erwartungen älterer Menschen an das Ehrenamt sind weniger von
weniger ausschlag- persönlichen Interessen geprägt als die von jüngeren, welche mit dem
gebend Engagement vermehrt die Möglichkeit verbinden, praktische Erfah-
rungen für den Beruf zu sammeln.14 Vordergründig, so sind sich die
älteren Freiwilligen mit allen anderen einig, soll die ehrenamtliche
Tätigkeit vor allem Spaß machen. Auffallend ist, dass ältere Menschen
häufiger ein Ehrenamt mit der Erwartung der Horizonterweiterung
verbinden als jüngere. Weiterhin erwarten sie Anerkennung ihrer er-
brachten Leistungen und Möglichkeiten zum Kennenlernen sympathi-
scher Leute. Außerdem möchten sie anderen Menschen helfen.
Eine Sonderauswertung des Freiwilligensurvey zeigte, dass unter den
Ehrenamtlichen im Bereich Kultur und Musik im Jahr 2004 mit 47 %
geselligkeitsorientierten Erwartungstypen dominieren. Im Vergleich zu
anderen Bereichen fallen vor allem die Anteile an gemeinwohlorien-
tierten und interessensorientierte Erwartungstypen (also denen, die
unter anderem einen beruflichen Nutzen aus ihrer Tätigkeit ziehen
wollen) mit 27 % bzw. 26 % recht gering aus.15 Auf Organisations-
ebene entspricht diesen Befunden, dass 64 % der kulturellen Ehrenäm-
ter in Vereinen ausgeübt werden, die aufgrund ihrer Strukturen den
Geselligkeitsfaktor fördern.16 Außerdem setzt die Arbeit in kulturellen
Einrichtungen bestimmte Eigenschaften wie soziale Kompetenz, Zu-
gänglichkeit und Philantropie bei den Ehrenamtlichen voraus, wo-
durch von vornherein ein geselligerer Menschentyp vom kulturellen
Ehrenamt angezogen wird.
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