1. Lehren und Lernen im Netz<br />Der Einsatz einer zusätzlichen Technologie in der Lehre erfordert ein teilweise neues Rollenverständnis der Lehrbeauftragten und der Studierenden. Darüber hinaus verlangt E-Learning im Vergleich zur Lehre bei Präsenzveranstaltungen neue und / oder zusätzliche Fähigkeiten und Fertigkeiten von den Beteiligten, auf welche wir in der Folge kurz eingehen werden.<br />A)Die Rolle der Vortragenden<br />Es existieren sehr viele und unterschiedliche Meinungen, wie ein/e Vortragende/r im E-Learning bezeichnet werden sollte. Hintergrund dieser Diskussionen ist der pädagogische Standpunkt, welcher der / die Autor/in einnimmt und daraus resultiert, welche Rolle ein/e Vortragende einnimmt. <br />Als Beispiele seien genannt:<br />Online-Tutor<br />Online-Coach<br />Online-Trainerin<br />Online-Lehrer<br />E-Moderator/in<br />Da dieses Skriptum für die Verwendung im Hochschulbereich erstellt wurde, werden wir, um die oben angesprochene Diskussion zu umgehen, die Begriffe „Lehrbeauftragte/r“ und / oder „Vortragende/r“ verwenden, da sich diese in Universitäten und Fachhochschulen eingebürgert haben.<br />1.Der/die ideale Vortragende<br />Das Institute for Computer Based Learning der Heriot-Watt University, Edinburgh, und das Zentrum for Open and Distance Learning, der Robert Gordon University, Aberdeen [w1], haben Studierende befragt, über welche Fähigkeiten und Fertigkeiten der/die ideale Online-Lehrbeauftragte verfügen sollte. <br />Der/die ideale Online-Lehrbeauftragte sollte:<br />bei der Gründung der Lern-Community behilflich sein und diese während der gesamten Lehrveranstaltung fördern<br />die Kommunikation erleichtern<br />„Anwesenheiten“ und Beiträge verfolgen<br />Prozessorientierte Aktivitäten initiieren und begleiten<br />Administrativen und technischen Support zur Verfügung stellen<br />Online-Aktivitäten einfühlsam moderieren<br />die Studierenden durch das Curriculum leiten<br />motivieren<br />Unterschiedlichkeiten tolerieren<br />den Lernenden behilflich sein, ihre Ziele zu erreichen<br />2.Vortragende als Expert/innen<br />Wie in der Präsenzlehre, sind auch für die Online-Lehre eine Reihe von Fähigkeiten und Fertigkeiten notwendig. Kulp (1999) listet die aus seiner Sicht wichtigsten auf:<br />Fachliche Expertise<br />Pädagogische Expertise<br />Technische Fähigkeiten<br />Wir möchten diese drei Punkte gerne näher betrachten, indem wir unsere eigene Erfahrung in der Online-Lehre mit einbeziehen:<br />Fachliche Expertise<br />Wie bei einem Präsenzseminar ist dies einer der Grundpfeiler fürs Lehren und Lernen im Netz. Allerdings unter anderen Voraussetzungen: wenn Sie Online unterrichten, sind Sie sozusagen ständig in Konkurrenz mit anderen Veröffentlichungen zum Thema, welche sich im WWW befinden. Sie sind also nicht mehr „Alleinwisser/in“, sondern können Informationen, Ansätze, Meinungen von Kolleg/innen weltweit in Ihren Online-Unterricht mit einbeziehen.<br />Dennoch sind Sie es, der/die Kommentare zu den Arbeiten und Diskussionen der Studierenden abgibt und deshalb ist Ihre fachliche Expertise gefordert – zwar nicht so sehr als Vermittler/in von Wissen, sondern viel mehr als Berater/in und Coach.<br />Pädagogische Expertise<br />Eine pädagogische Ausbildung ist für den Online-Unterricht genau so unabdingbar wie für den Präsenzunterricht. Es sei an dieser Stelle auf zwei Überlegungen zur pädagogischen Expertise Online-Lehrender verwiesen:<br />Gilly Salmon: [w2] präsentiert ihre Überlegungen zu „5 steps to e-learning“.<br />Baumgartner/Häfele/Maier-Häfele (2002) adaptieren das heuristische Lehr- Lernmodell (Baumgartner/Payr 1994) für Online Lehr-/Lernsituationen.<br />Technische Fähigkeiten<br />Gerade wenn Sie virtuelle Treffen planen, bei denen Sie gleichzeitig mit Ihren Studierenden kommunizieren (Chat, Whiteboard etc.) ist es wichtig, sich mit den eingesetzten Werkzeugen vorher gut vertraut zu machen. Für die ersten Einsätze empfiehlt es sich, jemanden mit fundiertem technischem Wissen in der Nähe zu haben, der/die bei gegebenenfalls auftauchenden Problemen Hilfe leisten kann.<br />Für alle anderen Fälle reicht gutes Anwender/innenwissen, da Sie Fragen von Studierenden an eine/n Techniker/in zur Beantwortung weiter leiten können.<br />Darüber hinaus hält Kulp (ebenda) die folgenden Fähigkeiten und Gegebenheiten für wichtig:<br />gute schriftliche Ausdrucksmöglichkeit<br />Fähigkeiten mit Gruppen zu Arbeiten<br />Zeit für den Online-Kurs<br />Enthusiasmus fürs Online-Lernen.<br />3.Die Aufgaben der Online-Lehrenden<br />Die Aufgaben der Lehrenden, welche E-Learning einsetzen, unterscheiden sich in einigen Punkten von denen der Lehrenden im Präsenzbereich. So kommt vor allem die Aufgabe, technische Hilfestellungen zu leisten, hinzu. <br />Online-Lehrende haben vor allem die folgenden Aufgaben wahr zu nehmen:<br />Die Lernenden Willkommen zu heißen<br />Die Lernenden zu unterstützen und motivieren<br />Den Lernfortschritt zu beobachten<br />Den Lernenden Rückmeldungen über ihr Arbeitstempo und ihre Arbeitsergebnisse zu geben<br />Den Erfolg von gemeinsamen Online-Terminen zu sichern<br />Den Lernenden Informationen, Klärungen und Erklärungen zu liefern<br />Eine Lern-Community ins Leben zu rufen und zu erhalten<br />Technische Hilfestellung und Unterstützung zu geben<br />Die Lehrveranstaltung zu beenden<br />Vor allem den ersten und letzten Punkt der obigen Aufzählung möchten wir nochmals hervorheben.<br />Die Studierenden zur Lehrveranstaltung Willkommen zu heißen ist auch bei Präsenzveranstaltungen eine Selbstverständlichkeit. Meist wird diesem Punkt ein wenig Zeit in jeder Lehrveranstaltung eingeräumt. Dies ist auch ausreichend, weil die Situation – der Beginn einer Lehrveranstaltung – Studierenden und Lehrenden gleichermaßen vertraut ist. Auch der Aufbau der Lern-Community kann bei Präsenzveranstaltungen zum großen Teil den Studierenden überlassen werden; Nach Beendigung der Lehrveranstaltung sieht man sich womöglich schon im nächsten Seminar oder spätestens im Uni-Buffet oder der Mensa wieder. <br />Anders jedoch die Situation in Online-Lehrveranstaltungen: Die Studierenden sehen nicht, wer alles dabei ist und die gewohnte Haltung zur Eröffnung einer Lehrveranstaltung – sich zurücklehnen und warten was passiert – funktioniert hier nicht. Schon von Beginn einer Online-Lehrveranstaltung an, müssen die Studierenden sich einbringen, sich artikulieren! Ein freundliches Lächeln in die Runde wird hier von niemandem registriert. Darum ist das Willkommen-heißen ein wichtiger Punkt in Online-Lehrveranstaltungen. In neuen Situationen, in denen jede/r lieber erstmal abwartet, sollen die Studierenden sich bereits so sicher fühlen, dass es ihnen möglich ist, aktiv teil zu nehmen. Weiter unten haben wir eine Auswahl von Eisbrecher-Methoden, welche zu diesem Zweck eingesetzt werden, beschrieben.<br />Auch das Beenden einer Lehrveranstaltung ist ein Punkt, der bei Online-Lehrveranstaltungen besondere Beachtung verdient: Wenn die Lehrveranstaltung beendet ist, teilen Sie dies auch in den Foren zur Lehrveranstaltung und per E-Mail mit. Lassen Sie die Teilnehmer/innen wissen, ob sie die Foren und anderen Tools noch weiterhin nutzen können, ob sie nur noch Leserechte haben oder ob die Foren etc. geschlossen werden. Teilen Sie Ihren Studierenden auch mit, dass Sie sich aus der Diskussion ausklinken (oder wie Sie weiterhin zur Verfügung stehen) werden. Dieser Punkt ist darum wichtig, weil Sie gemeinsam mit den Studierenden eine funktionierende Online-Lern-Community aufgebaut haben, welche für viele Studierende ein Ort der (wissenschaftlichen) Diskussion geworden ist und von dem sie gewohnt sind, dass sie auch Rückmeldungen von Ihnen erhalten. Wenn Sie die Foren etc. offiziell schließen, kann es nicht vorkommen, dass Studierende Fragen an Sie posten und vergeblich auf eine Rückmeldung warten.<br />4.Richtlinien für Online-Lehrende<br />Das Institute of Educational Technology der UK Open University [w3] hat eine Reihe von Richtlinien erarbeitet, um die Qualität der angebotenen Online-Lehrveranstaltungen zu heben. Diese Richtlinien beziehen sich vor allem auf die Interaktionen mit den Studierenden. Nach diesen Richtlinien sollten Online-Lehrende:<br />eine unterstützende Grundhaltung einnehmen<br />über ein adäquates fachliches Wissen verfügen<br />eine lenkende Rolle bei gemeinsamen Online-Konferenzen einnehmen<br />Ansuchen um Information direkt beantworten<br />den Diskussionen folgen<br />Zusammenfassungen der und Feed-back zu den Aktivitäten liefern<br />ausgewählte Punkte kommentieren<br />die Beteiligung der Studierenden beobachten und sicher stellen <br />Auch für Studierende unterscheiden sich Online-Lehrveranstaltungen von Präsenz-Lehrveranstaltungen in vielerlei Hinsicht. Auf diese Aspekte werden wir im nächsten Kapitel eingehen.<br />B)Die Rolle der Studierenden<br />Online-Lehrveranstaltungen stellen mehr auf die Selbstverantwortung von Studierenden ab, was für Studierende zumindest gewöhnungsbedürftig ist. Online-Studierende benötigen Motivation und müssen sich aktiv in das Lerngeschehen einbringen. Auch muss es ihnen möglich sein, die Lehrveranstaltungsziele zu erreichen, ohne dass ihnen ständig ein Vortragender/eine Tutorin … über die Schulter schaut. Da ein bloßes „Absitzen“ der Zeit bei Online-Veranstaltungen nicht möglich ist, verlangen diese meist auch mehr Zeit und Mitarbeit von den Studierenden als die Teilnahme an Präsenz-Lehrveranstaltungen.<br />1.Voraussetzungen an E-Learner/innen<br />Berge und Collins [w4] haben eine Liste von Voraussetzungen an E-Learner/innen aufgestellt, nach der E-Learner/innen unter anderem über die folgenden Fähigkeiten, Fertigkeiten und Einstellungen verfügen sollten:<br />Selbstmotivation<br />Selbstdisziplin<br />Selbstverantwortung<br />Effektives Zeitmanagement<br />Die Fähigkeit, sich schriftlich ausdrücken zu können<br />Die Fähigkeit, sich mit konstruktiver Kritik auseinander zu setzen und auch konstruktive Kritik zu üben<br />Computererfahrung<br />Die Fähigkeit, das Internet zu (be-)nutzen<br />2.Tipps für den Online-Erfolg<br />Die Universität von Illinois [w5] gibt unter anderem die folgenden Tipps für den Online-Lernerfolg, welche Sie im Diskussionsforum Ihrer Lehrveranstaltung veröffentlichen können: <br />Nehmen Sie Teil!Egal ob Sie alleine oder in einer Gruppe arbeiten – teilen Sie Ihre Gedanken, Meinungen und Kommentare zum Thema mit und lesen/diskutieren Sie jene Ihrer Mitstudierenden. Ihre Vortragende ist nicht die einzige Informationsquelle!<br />Besuchen Sie die Kursseiten mindestens 2 x wöchentlich!… noch besser natürlich 3 – 4 Mal. Sie werden feststellen, dass Sie neugierig auf die Antworten Ihrer Mitstudierenden auf Ihre Kommentare sind – je mehr Sie sich an den Aufgaben beteiligen, umso größer wird der Spaß am Lernen!<br />Nutzen Sie die Anonymität ausNutzen Sie einen der großen Vorteile von E-Learning: Sie werden nicht nach Ihrem Aussehen beurteilt, ein Stirnrunzeln oder Augenrollen braucht Sie genau so wenig zu irritieren wie Mitstudierende, die schneller reden als Sie – bringen Sie sich ins Kursgeschehen ein!<br />Seien Sie höflichHöflich zu sein gebietet nicht nur der Anstand. Höflichkeit und Respekt für die Meinung der anderen sind für eine produktive Zusammenarbeit absolut notwendig.<br />Melden Sie sich, wenn Sie ein Problem habenDenken Sie daran, wir können Sie nicht sehen! Wenn sie sich mitteilen wollen, so müssen sie dies explizit und schriftlich tun. Das gilt sowohl für technische, als auch inhaltliche und organisatorische Fragestellungen und Anmerkungen. Wir freuen uns natürlich auch, wenn Sie sich melden, wenn Ihnen etwas gut gefällt!<br />Seien Sie eigenmotiviert und selbstverantwortlichMit der Freiheit und Flexibilität des Online-Lernens kommt auch Verantwortung auf Sie zu. Online zu lernen verlangt wirklich aktive Beteiligung an der Lehrveranstaltung und Disziplin, um den Prozess am Leben zu halten.<br />Denken sie Ihre Ideen durch, bevor Sie antwortenDer Input, den Sie liefern, ist ein wichtiger Bestandteil des Lernprozesses. Achten Sie deshalb auf die Qualität dessen, was Sie schreiben. Wir stellen Ihnen genug Zeit zur Verfügung, um Ihre Antworten durchzudenken, bevor Sie diese niederschreiben. Das bedeutet nicht, dass neue, kontroverse Ansätze nicht Willkommen wären – im Gegenteil! Versichern Sie sich nur, dass Sie diese auf gut verständliche Weise formulieren.<br />Stellen Sie sich der HerausforderungNehmen Sie die Herausforderungen an, die E-Learning mit sich bringen. Kommunizieren Sie schriftlich, übernehmen Sie Verantwortung, arbeiten Sie in virtuellen Teams. Diese Fähigkeiten werden Kernkompetenzen in Ihrer beruflichen Praxis sein!<br />Literaturverweise<br />[w1] www.icbl.hw.ac.uk/ und www.rgu.ac.uk/<br />[w2] http://sstweb.open.ac.uk:8282/oubs/gilly/download/best.ppt<br />[w3] www-iet.open.ac.uk/<br />[w4] www.emoderators.com<br />Baumgartner, P., Häfele, H. und Maier-Häfele, K., 2002. E-Learning Praxishandbuch – Auswahl von Lernplattformen: Marktübersicht – Funktionen - Fachbegriffe. Innsbruck-Wien: StudienVerlag.<br />Häfele, H., Maier-Häfele, K. 2004. 101 E-Learning Seminarmethoden, managerSeminare.<br />Kulp, R. 1999. Effective Collaboration in Corporate Learning: Ten Best Practices for Curriculum Owners, Developers and Instructors. IBM Learning Services, IBM Business Machines Corporation.<br />