Diversität und Spaltung - Digitale Medien in der Gesellschaft
Systeme im Einsatz - Lernmanagement, Kompetenzmanagement und PLE
1.
2. 2
—
Lehrbuch
für
Lernen
und
Lehren
mit
Technologien
(L3T)
2. Lernmanagementsysteme
1. Einleitung
Defini5on,
Funk5onen
und
Einsatz
von
Lernmanage-‐
Rahmenbedingungen und Lehrmittel beeinflussen
mentsystemen
und gestalten implizit Lernprozesse: Mit einem Buch
unterrichte ich anders als mit einer Tafel, in einem Lernen und Lehren beinhaltet vielfältige organisato-
Stuhlkreis anders als in einem Hörsaal. Auch Techno- rische Aufgaben. Lernmanagementsysteme unter-
logien wirken sich auf den Unterricht und das stützen vor allem Managementaufgaben von Leh-
Lernen aus. Solche Effekte werden von Lehrenden renden.
zum einen angestrebt und genutzt; zum anderen
wirken sich die verwendeten Technologien auch un-
Ein
Lernmanagementsystem
(engl.
„learning
mana-‐
bewusst auf den Unterricht und das Lernen aus.
In diesem Kapitel werden wir drei Formen von ! gement
system“,
kurz
LMS)
ist
eine
serverseiGg
instal-‐
lierte
SoHware,
die
beliebige
Lerninhalte
über
das
In-‐
technologischen Systemen zur Verwaltung des ternet
zu
vermiKeln
hilH
und
die
OrganisaGon
der
Lernen und Lehrens betrachten: Diese sind Lernma- dabei
notwendigen
Lernprozesse
unterstützt
(Baum-‐
nagementsysteme (LMS), dann Kompetenzmanage- gartner
et
al.,
2002,
24).
mentsysteme (KMS) und schließlich sogenannte Per-
sönliche Lernumgebungen (PLE). Es geht also nicht
um einzelne Anwendungen für das Lernen und Umgangssprachlich werden LMS auch oft als „Lern-
Lehren, sondern es handelt sich dabei um die plattformen“ bezeichnet. War die Funktionalität der
Systeme, mit denen das webbasierte Lernen aktuell entsprechenden Produkte der diversen Hersteller an-
gesteuert, verwaltet und dokumentiert wird. fänglich uneinheitlich, so begann sich später durch
Die drei Systeme wurden ausgewählt, da sie einen die Marktkonsolidierung und den extensiven Praxi-
besonderen Stellenwert einnehmen: Lernmanage- seinsatz eine gewisse funktionelle Standardisierung
mentsysteme sind weit verbreitet und werden seit herauszukristallisieren.
längerer Zeit diskutiert, auch kritisiert und immer In einer Darstellung von Bäumer et al. (2004)
wieder an neue Bedürfnisse angepasst. Die beiden werden Administration, Kommunikation und Inhalte
weiteren Konzepte sind eher jung: Kompetenzma- als die drei wesentlichen Säulen von Lernmanagment-
nagementsysteme spielen sowohl im Rahmen des systemen beschrieben (siehe Abbildung 1).
betrieblichen Lernens, aber auch aus der Perspektive
des lebenslangen Lernens eine wichtige Rolle, da sie
Lernende in ihrer Kompetenzentwicklung unter-
stützen und gleichzeitig betriebliche Anforderungen
erfüllen können. Persönliche Lernumgebungen
fokussieren konsequent auf die Perspektive der Ler-
nenden und erlauben diesen, ihre individuelle Infor-
mations- und Kommunikationsumgebung zu ge-
stalten.
Alle drei Systeme werden wir in diesem Beitrag
aus der Perspektive der pädagogischen Praxis be-
schrieben, indem wir skizzieren, welche Aufgaben Abbildung
1:
Drei
Säulen
von
Lernmanagementsys-‐
diese Systeme übernehmen und wie solche Rahmen- temen.
Quelle:
nach
Bäumer
et
al.
(2004)
bedingungen gegebenenfalls das Lernen beeinflussen.
Zum besseren Verständnis stellen wir diese drei
Systeme als prototypische Konzepte vor. In der Fünf Funktionsbereiche von LMS können dabei
Praxis sind die realen Produkte weniger trennscharf unterschieden werden:
konzipiert. ▸ Werkzeuge für Lehrende zur Erstellung von Auf-
gaben und Übungen,
▸ Evaluations- und Bewertungshilfen (Umfragen
und Tests),
▸ Präsentation von Inhalten (Lernmaterialien),
▸ administrative Unterstützung von Lehrenden (zum
Beispiel bei Abgaben, Terminen) und
3. Technische
Konzepte
im
Einsatz.
Lernmanagement,
Kompetenzmanagement
und
PLE—
3
▸ Kommunikationswerkzeuge für Lehrende und tausch von Dokumenten per E-Mail sowie dezen-
Lernende. traler Verwaltung und Bewertung der Beiträge durch
den Lehrenden, eine Arbeitserleichterung dar.
Wenngleich LMS eine Fülle von Funktionen Wie einführend dargestellt, limitieren und ge-
haben, ist ihr praktischer Einsatz häufig auf die Be- stalten Technologien das Lernen und Lehren. Aus
reitstellung der Unterrichtsmaterialien der Lehrenden dieser Perspektive rücken die Funktionen von LMS in
reduziert. ein anderes Licht. Die Konzeption von Organisation
Nach wie vor ist der Funktionsumfang, der diese in Kursen und Klassen, sowie insbesondere die Rolle
Software charakterisiert, im ständigen Wandel. Auch der Lehrenden als diejenigen, die über Zugänge und
sind in den konkreten Produkten nicht alle Funkti- Lehrmaterial wesentlich bestimmen können, ent-
onsbereiche im gleichen Umfang vorhanden, bzw. spricht nur eingeschränkt den aktuellen Vorstellungen
kann in einigen Fällen die eine oder andere Kategorie des technologiegestützten Lernens und Lehrens.
fehlen. Um die Systeme zu unterscheiden, werden Die aktuell dominanten Theorien und erwünsch-
auch weitere Bezeichnungen verwendet. So werden ten Konzepte guten Lehrens stellen die Eigenaktivität
LMS, die auch Werkzeuge zur Erstellung und An- der Lernenden und damit eigenständige Kon-
passung von Lerninhalten integrieren, auch als Lear- struktion und Diskussionen zum Lerngegenstand in
ningcontentmagementsystem (LCMS) bezeichnet. den Vordergrund, bei denen der Lehrende nicht
In nahezu jeder Hochschule in Mitteleuropa primär als Experte des Fachs, sondern vor allem als
sowie bei vielen Schulen und Bildungseinrich- Unterstützer des Lernens tätig ist. Schneider (2003)
tungen werden derzeit LMS eingesetzt. Recherchiert argumentiert so für die Unterstützung einer aktivi-
man LMS, findet man mehrere Hundert Anbieter. Im tätsbasierten Pädagogik und kritisiert klassische E-
Open-Source-Bereich gibt es allein mehr als 50 Pro- Learning-Technologien wie LMS. Er weist darauf
jekte, die aktuell LMS entwickeln und offerieren. Zu hin, dass diese eine behavioristische Tradition fort-
den am weitesten verbreiteten gehören hier Moodle, setzen und eine Praxis der klassischen Wissensüber-
Ilias und Blackboard. In Studien wird versucht, Hilfe- tragung fördern: Der Zugang zu Informationen,
stellungen bei der Auswahl passender LMS zu geben. Wissen und auch der Kontakt zu Gleichgesinnten ist
Beispielsweise wird unterscheiden nach technischen in LMS in der Praxis limitiert und nur durch Ver-
Voraussetzungen, Kapazitäten und Funktionen der mittlung von Institutionen und Autoritäten er-
Systeme (Schulmeister, 2003). reichbar, die wiederum darüber Prüfungen ab-
Als Motiv für den Einsatz von LMS wird an erster nehmen. In einer Zusammenfassung der Kritik an
Stelle die Zentralisierung der Verwaltung von Lernak- LMS von Siemens (2004) wird zudem darauf ver-
tivitäten genannt, weitere wichtige Gründe sind die wiesen, dass zentralisierte, monolithische Systeme nur
Möglichkeiten der Überwachung und Kontrolle von wenig didaktische Variationen erlauben. Dalsgaard
Lernaktivitäten (Learning Circuits, 2009, 184 Be- (2006) kritisiert besonders die geringe Flexibilität, die
fragte). bei der Nutzung eines LMS gegeben ist und sieht
dringenden Bedarf, Lernenden mehr Freiräume bei
Auswirkungen
auf
die
Gestaltung
des
Lernens
und
der Auswahl von Kommunikations- und Interakti-
Lehrens
onswerkzeugen zu ermöglichen.
LMS übernehmen, darauf weist auch die Be- In den letzten Jahren hat die Verbreitung der
zeichnung „Management“ hin, vor allem organisie- Nutzung von sozialen Netzwerksystemen und die
rende und verwaltende Aufgaben, die auf klassi- Entwicklung von zahlreichen Webanwendungen,
schen Kurs-, Klassen- und Unterrichtsstrukturen be- welche die Kommunikation und die Kollaboration
ruhen. Lernenden werden bestimmte Kurse freige- von Lernenden unterstützen können, zu ihrer zuneh-
schaltet, das heißt sie können in aller Regel dort ver- menden Integration oder die Einführung von
fügbare Unterrichtsmaterialien oder Stundenpläne Schnittstellen zu solchen Angeboten in LMS geführt.
einsehen und beispielsweise auch in Diskussionsforen
des Kurses Beiträge der Lehrenden und Mitlernenden
LMS
sind
aus
vielen
Bildungseinrichtungen
nicht
mehr
lesen oder eigene verfassen. LMS gewährleisten
somit, dass Lernende Zugang zu denen für sie rele- ? wegzudenken.
ReflekGeren
Sie
Ihre
eigenen
Erfah-‐
rungen
mit
LMS:
Wie
nutzen
Lehrende
und
Lernende
vanten Kursen erhalten und Lehrende beispielsweise die
Möglichkeiten
dieser
Systeme
in
Ihrer
Umgebung?
Unterstützung bei der geordneten Abgabe, Be- Haben
Sie
ähnliche
Erfahrungen
gemacht,
wie
sie
in
wertung und Rückmeldung von Arbeitsaufträgen er- den
ziGerten
KriGkpunkten
genannt
werden?
halten. LMS stellen hier, im Unterschied zum Aus-
4. 4
—
Lehrbuch
für
Lernen
und
Lehren
mit
Technologien
(L3T)
zentrale Plattform für die Erstellung von Kompe-
3. Kompetenzmanagementsysteme
tenzprofilen, für die Kompetenzüberprüfung und für
Defini5on,
Funk5onen
und
Einsatz
von
Kompetenzma-‐ den Kompetenztransfer.
nagementsystemen
Folgende Funktionsbereiche von KMS können
Während Lernmanagementsysteme überwiegend in unterschieden werden (Dittmann et al., 2005), mit der
Schulen und Hochschulen eingesetzt werden, beginnt Einschränkung, dass eine eindeutige Definition und
sich seit einigen Jahren in Unternehmen eine andere eine Klärung des genauen Verständnis von KMS,
Variante eines Systems zur Unterstützung des Ler- ähnlich wie bei LMS vor einigen Jahren, noch aus-
nens durchzusetzen. Eine Aufgabe betrieblichen Ma- steht:
nagements, insbesondere des Personalwesens ist es, ▸ Erstellung und Verwaltung von Kompetenzmo-
zu gewährleisten, dass die Mitarbeiter/innen so ein- dellen,
gesetzt werden, dass sie notwendige Kompetenzen ▸ Erstellung und Verwaltung von Kompetenzpro-
mitbringen oder deren Entwicklung gezielt unter- filen für Aufgabenbereiche im Unternehmen,
stützt wird. ▸ Anlegen, Verwaltung und Pflege der Kompetenz-
profile der Mitarbeiter/innen,
Ein
Kompetenzmanagementsystem
(kurz
KMS)
ist
eine ▸ Darstellung der Kompetenzprofile auf individu-
! serverseiGg
installierte
SoHware,
die
das
Personal-‐
wesen
und
die
Personalentwicklung
in
Unternehmen
eller und organisationaler Ebene,
▸ Recherche- und Verwaltungsaufgaben (Recherche
unterstützt,
indem
Soll-‐
und
Ist-‐Stände
der
Kompe-‐
tenzen
der
Mitarbeiter
erfasst
und
dokumenGert
nach passenden Mitarbeiter/innen, Qualifikations-
werden
und
entsprechende
Bildungs-‐
und
auch
Be-‐ bedürfnissen) und
setzungsentscheidungen
beeinflussen. ▸ Planung und Dokumentation der Kompetenzent-
wicklung.
Während es Anfang der 1990er Jahre noch wichtig Eine Fokussierung der Systeme liegt darin, möglichst
war, die Mitarbeiter/innen mit den passenden Quali- umfassendes Wissen über die Kompetenzen im Un-
fikationen, also mit entsprechend bescheinigten ternehmen zu erhalten. KMS ermöglichen zum Bei-
Kenntnissen und Fortbildungen, an einer bestimmten spiel die Modellierung von Kompetenzmodellen und
Position einzusetzen, wurde zunehmend die For- deren Verknüpfung mit Job- oder Aufgabeprofilen.
derung nach Kompetenzen laut (Grootings, 1994). Durch die Verknüpfung mit weiteren Werkzeugen aus
Stark vereinfacht bezeichnen Kompetenzen das Kon- der Personalentwicklung lassen sich auch Kennzahlen
glomerat an Fähigkeiten, Fertigkeiten, Werten und für Ist-Kompetenzen erheben und entsprechende
Willen, das Individuen ermöglicht, in komplexen und Maßnahmen zu deren Verbesserung einleiten. Ob die
dynamischen Situationen Probleme erfolgreich lösen Informationen über die Kompetenzen von Personen
zu können (Erpenbeck & Rosenstiel, 2003). Kompe- unternehmensweit veröffentlich werden, um bei-
tenzen, die häufig eingefordert werden, sind bei- spielsweise die richtigen Ansprechpartner zu finden,
spielsweise Teamfähigkeit, Selbstorganisation oder oder ob sie nur Führungskräften zugänglich gemacht
Durchsetzungskraft. Unternehmens- oder aufgaben- werden, ist unterschiedlich gelöst.
relevante Kompetenzen zu definieren, zu bewerten Es gibt mehrere kommerzielle KMS, wie zum Bei-
und zu erfassen ist nicht trivial und gehört zum Auf- spiel „SAP ERP Human Capital Management“, oder
gabenbereich des Kompetenzmanagements. Kompe- auch Open-Source-Systeme, wie zum Beispiel das im
tenzmanagement ist „eine Managementdisziplin mit Rahmen des Europäischen Forschungsprojektes
der Aufgabe Kompetenzen zu beschreiben, trans- TENCompetence entwickelte (Koper & Specht,
parent zu machen sowie den Transfer, die Nutzung 2008). Inwieweit in Unternehmen derzeit technolo-
und Entwicklung der Kompetenzen orientiert an den gische Unterstützung in Form von KMS zum Einsatz
persönlichen Zielen des Mitarbeiters sowie den beim Kompetenzmanagement kommt, ist unbekannt.
Zielen der Unternehmung sicherzustellen“ (North & Das liegt auch daran, dass entsprechende Systeme
Reinhardt, 2005, 16). unter unterschiedlichen Bezeichnungen vertrieben
KMS unterstützen das Kompetenzmanagement und bekannt sind (zum Beispiel auch unter dem Be-
und vermitteln zwischen verschiedenen Bereichen in griff „Talentmanagement“). Vor allem werden sie in
Unternehmen (zum Beispiel zwischen Personalmana- internationalen, großen Unternehmen eingesetzt, was
gement und Strategischem Management). Sie sind die wiederum in Form von Fallbeispielen dokumentiert
und beschrieben ist (Elbert, 2001).
5. Technische
Konzepte
im
Einsatz.
Lernmanagement,
Kompetenzmanagement
und
PLE—
5
Auswirkungen
auf
die
Gestaltung
des
Lernens
und
4. Persönliche
Lernumgebungen
Lehrens
Kompetenzmanagementsysteme unterstützen darin, Defini5on,
Funk5onen
und
Einsatz
von
Persönlichen
Kompetenzen und Kompetenzentwicklung von Mit- Lernumgebungen
arbeiter/innen zentral zu erfassen, zu dokumentieren Mit der Entwicklung und dem wachsenden Erfolg
und zu organisieren sowie gleichzeitig dabei unter- von partizipativen Anwendungen im Internet gewann
stützen, entsprechende Bildungs- und Besetzungsent- mit sogenannten Persönlichen Lernumgebungen
scheidungen zu treffen. KMS nehmen damit sowohl (engl. „personal learning environment“, kurz PLE)
für Unternehmen als auch Mitarbeiter/innen wichtige ein neues Konzept Aufmerksamkeit. Im Fokus der
Funktionen ein. Doch auch hier stellt sich die Frage, „Persönlichen Lernumgebung“ stehen die Ler-
inwieweit die Technologie bzw. das inhärente Modell nenden, die sich selbst Webinhalte, Lernressourcen
der Personalentwicklung das Lernen in Unternehmen und Lernwerkzeuge so arrangieren und sie so nutzen,
beeinflusst. dass sie deren persönliches Wissensmanagement und
Der Umgang mit Bildungs- und Kompetenzfragen Lernen unterstützen. Im Unterschied zu den Lern-
durch das Management, welches sich aus organisatio- managmentsystemen rückt es die selbst gesteuerten
naler und strategischer Perspektive damit beschäftigt, und aktiven Lernenden in den Fokus.
wird häufig als eher irrelevant für das eigene Lernen
empfunden. Werden KMS mit einem Fokus auf die PLE
sind
Systeme,
bei
denen
Lernende
verteilte
Entwicklung der Mitarbeiter/innen gelegt, kann dies
Unterschiedliches auslösen: Zum einen erlebt die ! Online-‐InformaGonen,
-‐Ressourcen
oder
-‐Kontakte
aus
unterschiedlichen
Social-‐SoHware-‐Anwendungen
Kompetenzentwicklung und Weiterbildung im Unter- und
anderen
Systemen
zentral
integrieren
und
ver-‐
nehmen allgemein – sofern dies auch entsprechend walten
können
und
dabei
große
Freiräume
bei
der
in-‐
im System abgebildet wird – eine Aufwertung und haltlichen
Gestaltung
haben
(Schaffert
&
Kalz,
2009,
6)
Anerkennung. Gleichzeitig befürchten Mitarbei-
ter/innen auch die Erfassung von Kompetenzen und
deren Evaluierung, gerade wenn davon Beförde- Auf den ersten Blick wird man mit dem Begriff
rungen oder Stellenbesetzungen abhängen. Be- „Persönliche Lernumgebung“ nicht zwangsläufig eine
sonders problematisch wird der Einsatz, wenn die neue Variante des internetgestützten Lernens assozi-
Kompetenzanalysen nicht nachvollziehbar sind ieren: Der Begriff zielt zunächst einmal darauf ab,
(Hüneke & Zimmermann, 2000). Über das Lernen dass es sich hier um die individuelle, nach persön-
hinaus können KMS noch viele weitere Konse- lichen Interessen und Bedürfnissen ausgerichtete,
quenzen haben, die auch dazu führen, dass sie von also personalisierte Umgebung handelt, in der Ler-
Unternehmen abgelehnt werden: So können Füh- nende ihr persönliches Wissensmanagement und ihre
rungskräfte auf kompetente Mitarbeiter/innen aus eigene Weiterbildung organisieren. Tatsächlich ver-
anderen Abteilungen aufmerksam werden und sie ab- birgt sich hinter PLE jedoch ein neues technologi-
werben (Dittmann et al., 2005). sches Konzept für die Unterstützung von Lernenden.
Dabei gibt es unterschiedliche technologische Vorge-
hensweisen und Realisierungen (Schaffert & Kalz,
Welche
Vorteile
haben
Mitarbeiter/innen,
die
in 2009). Manchmal wird dabei das persönliche Wis-
? einem
Unternehmen
arbeiten,
in
dem
ein
Kompetenz-‐
managementsystem
eingesetzt
wird?
Wo
sehen
Sie
sensmanagement unterstützt, indem eigene virtuelle
Dokumentationsräume angeboten werden (zum Bei-
Schwierigkeiten?
Welche
Vorteile
und
Herausforde-‐
rungen
sehen
Sie
auf
Seiten
des
Managements,
bei-‐
spiel bei Lernweg.de). Immer häufiger werden jedoch
spielsweise
der
Personalentwicklung?
-‐
BiKe
sammeln Mashup-Technologien eingesetzt (siehe Kapitel
und
dokumenGeren
Sie
entsprechende
Vorteile
und #webtech). Ein PLE stellt dann eine technologische
Nachteile
bzw.
Herausforderungen
aus
Mitarbeiter-‐ Basis dar, mit der Anwendungen und Dienste, die
und
Unternehmenssicht. Lernende nach Verfügbarkeit entsprechender Anwen-
dungen (zum Beispiel in Form von Widgets) hinzu-
fügen können. Potentiell stehen ihnen dabei Res-
sourcen und Anwendungen des gesamten Webs zur
Verfügung.
6. 6
—
Lehrbuch
für
Lernen
und
Lehren
mit
Technologien
(L3T)
Folgende Funktionsbereiche von PLE können un- sich ist vergleichsweise einfach. Häufig muss man die
terschieden werden: einzelnen Anwendungen nur in das eigene Cockpit
▸ individuelle Abonnements von Quellen und Res- „ziehen“. Voraussetzung ist jedoch, die vorhandenen
sourcen sowie Präsentation der Inhalte, Webanwendungen und Ressourcen auch zu kennen
▸ Zugänge zur persönliche Kommunikation und und nutzen zu können. Dies ist also nur bei einer re-
Netzwerkpflege und lativ kleinen web-affinen Gruppe selbstgesteuerter
▸ Schnittstellen und Werkzeuge für individuelles Lernenden gegeben.
oder kollaboratives Arbeiten. PLE sind für Lernende. Es gibt also keine direkten
Möglichkeit für Lehrende, Inhalte vorzugeben, oder
Das Konzept der Persönlichen Lernumgebung wird korrigierend einzugreifen. (Allerdings können Ler-
erst seit kurzer Zeit auf einer breiteren Basis disku- nende in ihren PLE auch Meldungen ihrer Leh-
tiert. Es gibt jedoch schon länger Ansätze in diese renden oder des verwendeten LMS integrieren.) Da
Richtung. So waren Olivier und Liber (2001) die die Vorteile der PLE, insbesondere das einfache Hin-
Ersten, die diese Idee thematisiert haben. Einige zufügen von neuen Webanwendungen auch für
Jahre später waren es die Entwickler der Blogging- andere Lernangebote attraktiv sind, werden ihre
und Social-Networking-Plattform Elgg, die mit den Funktionalitäten zunehmend in LMS eingebunden.
„Personal Learning Landscapes“ ein integriertes
Konzept vorgestellt haben, aus dem sich dann später
das Konzept der „Personal Learning Environments“ Auch
wenn
voller
Enthusiasmus
von
PLE
gesprochen
entwickelt hat (Kalz, 2006). ? wird:
Manche
behaupten,
die
aktuellen
„PLE“-‐Anwen-‐
dungen
wären
auch
nicht
mehr
als
Werkzeuge
zur
Un-‐
Im Gegensatz zu traditionellen multifunktionalen terstützung
des
Persönlichen
Wissensmanagements
virtuellen Lernumgebungen, die verschiedene As- im
Internet.
BiKe
recherchieren
Sie
nach
aktuellen
pekte in das System integrieren (zum Beispiel Studie- Tools,
die
als
PLE
bezeichnet
werden
und
analysieren
rendenverwaltung, Kommunikations- und Kollabora- Sie,
welche
FunkGonalitäten
diese
anbieten.
In
tionswerkzeuge), stellt das PLE-Konzept den Ler- welcher
Weise
könnten
Sie
mit
diesen
Anwendungen
Ihr
eigenes
Lernen
unterstützen?
nenden, seine Aktivitäten und Bedürfnisse in den
Mittelpunkt; es holt die Werkzeuge und Informa-
tionen in die PLE des Lernenden.
Anwendungen wie i-Google und Netvibes werden
5. Vergleich
der
Systeme
aktuell häufig als vergleichsweise bekannte Realisie-
rungen genannt. Auch gibt es erste PLE-Entwick- Zum Abschluss des Beitrages wollen wir die hier dis-
lungen, die auf der Mashup-Technologie basieren, die kutierten Systeme noch einmal aus Perspektive ihrer
bereits an Universitäten eingesetzt werden (Ebner & Zielsetzungen und der möglichen Aktivitäten ver-
Taraghi, 2010). gleichen. Einen Überblick gibt Tabelle 1 auf der fol-
genden Seite. Es zeigt sich, dass LMS und KMS eher
Auswirkungen
auf
die
Gestaltung
des
Lernens
und
die administrative Zielsetzungen erfüllen, während
Lehrens
PLE die Lernenden unterstützen.
PLE wurden maßgeblich als Gegenentwurf zu admi- Wie bereits in der Einführung angedeutet, ist die
nistrativen Verwaltungstools wie LMS kreiert und Darstellung im Rahmen dieses Beitrages nur skiz-
stellen den aktiven, selbstgesteuerten Lerner in den zenhaft und bedarf einer Vertiefung. Mittlerweile
Mittelpunkt. Lernende können in ihrer PLE aus- existieren einige Mischformen und konvergente
wählen, welche Ressourcen sie nutzen wollen, mit Systeme, beispielsweise werden LMS immer häufiger
welchen Werkzeugen und wie sie mit ihren Kon- so erweitert, dass dort Beiträge aus anderen Anwen-
takten und Netzwerken arbeiten wollen und können dungen eingebunden werden.
mit der Mashup-Technologie ihr persönliches Infor-
mationsmanagement optimieren. Dies setzt voraus, Welche
Aufgaben
und
FunkGonen
sollte
ein
System
das Lernende wissen und einen Überblick haben (a)
wie die PLE funktioniert, (b) wie sie ihr eigenes
? erfüllen,
dass
Lernen
und
Lehren
in
Ihrer
Einrichtung
gelungen
und
zeitgemäß
unterstützt?
Entwerfen
Sie
–
Lernen gut planen und durchführen können, (c) ge- möglichst
gemeinsam
mit
einer
Partnerin
oder
einem
eignete Quellen auswählen und bewerten können und Partner
–
ein
System,
das
die
Vorteile
der
hier
be-‐
(d) geeignete Werkzeuge und Webanwendungen schriebenen
Systeme
gelungen
kombiniert,
gleich-‐
zeiGg
die
negaGven
Auswirkungen
umgeht
und
disku-‐
kennen (beispielsweise Kalender). Damit kein
Geren
Sie,
wenn
möglich,
Ihren
Entwurf
mit
anderen.
falsches Bild entsteht: Die Bedienung der PLE an
7. Technische
Konzepte
im
Einsatz.
Lernmanagement,
Kompetenzmanagement
und
PLE—
7
LMS KMS PLE
Ziele
Erfüllen
v.a.
die
Bedürfnisse
von Erfüllen
v.a.
die
Bedürfnisse
von Erfüllen
v.a.
die
individuellen
Bildungseinrichtungen
Unternehmen
Wünsche
von
Lernenden
an
eine
personalisierte
(informelle)
Ler-‐
numgebung
AkGvitäten
Kurs-‐
und
Trainingsabwicklung, Für
Mitarbeiter/innen
werden Unterstützen
persönliches
Wis-‐
Bereitstellung
von
Kursunterla-‐ Kompetenzprofile
angelegt,
mit sensmanagement
und
sind
auf
gen
sowie
Monitoring
und
Qua-‐ Sollprofilen
verglichen
und
Maß-‐ kompetente,
selbstgesteuerte
litätssicherung
nahmen
zur
Kompetenzanpas-‐ Lerner/innen
angewiesen
sung
empfohlen,verwaltet
und
mit
strategischen
Zielen
in
Ein-‐
klang
gebracht.
Tabelle
1:
Vergleich
der
technologischen
Konzepte
im
Hinblick
auf
die
Ziele
ihres
Einsatzes
und
unterstützte
Aktivitäten
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