IMPULS "Megatrend Frauen" mit Prof. Dr. Jutta Rump, 09/2012
1. S1
Prof. Dr. Jutta Rump
Ernst-Boehe-Str. 4
67059 Ludwigshafen
0621 / 5203-238
jutta.rump@ibe-ludwigshafen.de
Megatrend Frauen:
Notwendigkeit oder Modeerscheinung?
St. Gallen, den 27. September 2012
4. Hintergründe
Technologische Ökonomische Globalisierung Demografische
Entwicklungen Entwicklungen Entwicklung
Zunehmende Notwendigkeit von Innovation(skraft) bei
Produkten, Dienstleistungen, Prozessen und Systemen
Steigende Wissensintensität am Arbeitsplatz (Erfordernis
von aktuellem Wissen und aktueller Kompetenz bei
Beschäftigten
Sinkender Anteil
Steigender Bedarf an Fachkräften von Erwerbs-
personen und
Nachwuchskräften
5. Strategien im Zuge des zu erwartenden Fachkräfteengpasses
Junge Fachkräfte müssen 1,5- bzw. 2-mal so viel wissen und können,
um die ausscheidenden Fachkräfte zu ersetzen.
Verlängerung der Lebensarbeitszeit.
Brachliegendes Potenzial an möglichen Fachkräften muss gehoben
werden. Der Fokus muss erweitert werden auf
– Frauen,
– Menschen mit Migrationshintergrund,
– Ältere aus verwandten Berufsrichtungen,
– junge Menschen, die bisher Schwierigkeiten mit ihrem
Schulabschluss haben.
Das Unternehmen muss als attraktiver Arbeitgeber gelten. Auch hier
gilt, eine Marke zu etablieren.
6. S6
Angleichung des Bildungs-
niveaus und Qualifikations-
Frauen als Wirtschaftsfaktor
standes
Instabilität von Lebens-
entwürfen und Aufhebung des tradierten
Arbeitskontexten – Rollenverständnisses
Notwendigkeit der Berufstätigkeit
Veränderung von Steigende Erwerbsbeteiligung
Berufsbiografien von Frauen
7. S7
Dennoch:
Eine Reihe von qualifizierten Frauen geht auf dem
Weg „in die Arbeitswelt und nach oben“ verloren.
Wo und warum?
8. S8
Die Thematik „Frauen in Fach- und Führungspositionen“ ist letztlich mit
sechs Dimensionen verbunden. Sie beeinflussen den Erfolg von
Chancengleichheit.
Vereinbarkeit
Kompetenz-
Karrieren von Beruf und
Beurteilung
Familie
Verankerung Führungs-
im Vorstand Kultur verständnis
10. S10
In der Realität ist die tatsächliche Ausprägung eher konterkarierend.
Vereinbarkeit
Kompetenz-
Karrieren von Beruf
Beurteilung
und Familie
Verankerung Führungs-
im Vorstand Kultur verständnis
11. S11
Kompetenz-Beurteilung
Geschäftsführung / Vorstand 100% 0%
Bereichsleitung 90% 10%
Abteilungsleitung 80% 20%
Teamleitung 70% 30%
Einstieg 50% 50%
Männer Frauen
Diese Entwicklung lässt sich wissenschaftlich nicht erklären.
12. S12
Im Rahmen der Ursachenanalyse stellen sich einige Fragen:
Kompetenzbeurteilung nicht losgelöst von Rollenbildern und
Stereotypen?
Homogenitäts-Effekt „Gleiches sucht Gleiches“?
Führungskompetenzen = Kompetenzen, die eher bei Männern zu
finden sind?
Mangelndes Selbstbewusstsein im Beurteilungsprozess?
13. S13
Selbstbewusstsein
Frauen Männer
Tendenz zur Selbstunterschätzung Tendenz zur Selbstüberschätzung
Externale Attribution von Erfolg Internale Attribution von Erfolg
Internale Attribution von Misserfolg Externale Attribution von Misserfolg
Geringe Misserfolgstoleranz Hohe Misserfolgstoleranz
Starke Betroffenheit vom Urteil Moderate Betroffenheit vom
anderer Urteil anderer
Selbstvertrauen
Frauen < Männer
Quellen: Bischof-Köhler (2006): Von Natur aus anders. Die Psychologie der Geschlechtsunterschiede, S. 246 ff., Lirgg (1991): Gender differences in self-
confidence in physical activity: A meta-analysis of recent studies, in: Journal of Sport and Exercise Psychology, 13,; Roberts (1991): Gender and the influence
of evaluations on self assessment in achievement settings, in: Psychological Bulletin, 109, Gender and the influence of evaluations on self assessment in
achievement settings, in: Psychological Bulletin, 109,, Ruble et al. (1993): The role of gender-related processes in the development of sex differences in self-
evaluation and depression, in: Journal of Affective Disorders, 29
14. S14
Karriere
In der Regel werden zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr die
relevanten Stufen zum Erreichen wichtiger Fach- und
Führungspositionen durchlaufen.
=> Dies kollidiert mit der Fertilitätsphase und der Notwendigkeit
der Vereinbarung von Beruf und Familie.
=> Insbesondere junge Mütter und aber auch Väter befinden sich in
der Rush Hour des Lebens (die Karriereanforderungen stehen
dem veränderten Selbstverständnis und Rollenmodell entgegen).
15. S15
Karrierewege sind heute verbunden mit
Präsenzkultur,
Erreichbarkeit und Verfügbarkeit,
Spielregeln, die Männer gemacht haben,
Netzwerken,
bestimmten Vorstellungen, was für eine Karriere notwendig ist und
welche Kompetenzen es dazu braucht.
Sachliche / fachliche Faktoren aus persönlichen
Faktoren Erfahrungen und der eigenen
Sozialisation
bestimmen erheblich die Karriere mit
16. S16
Vereinbarkeit von Beruf und Familie
Für viele Frauen, die Führungsposition bzw. eine höhere Fachposition
anstreben oder bereits bekleiden, ist momentan Beruf und Familie
nicht vereinbar.
Arbeitsmodelle und Karrierevoraussetzungen sowie eine nur bedingt
vorhandene Betreuungs-Infrastruktur stehen dem entgegen.
Auch der Wiedereinstieg gelingt nicht immer – nicht selten
konkurrieren die betrieblichen Möglichkeiten mit hohen Erwartungen
seitens der Frauen.
Viele Frauen in Fach- und Führungspositionen entscheiden sich daher
bewusst gegen Kinder bzw. schieben die Entscheidung zu Gunsten
von Kindern auf einen späteren Zeitpunkt.
17. S17
Kultur
Wenn es um Chancengleichheit geht, ist fast jede Unternehmenskultur
durch Stereotypen beeinflusst (BIAS-Thematik).
Nicht selten bewerten wir unterschiedlich.
Beispiele:
18. S18
Unterschiedliche Wahrnehmung und Interpretation von Verhalten
Ein Familienfoto auf SEINEM Ein Familienfoto auf IHREM
Schreibtisch: Schreibtisch:
Ein solider, treu sorgender Mann. Die Familie kommt vor dem Beruf.
SEIN Schreibtisch ist überladen: IHR Schreibtisch ist überladen:
Er ist sehr belastet und fleißig. Sie ist unordentlich und zerfahren.
ER spricht mit Kollegen: SIE spricht mit Kollegen:
Er wälzt geschäftliche Probleme Sie klatscht.
ER ist nicht im Büro: SIE ist nicht im Büro:
Er trifft sich mit Kunden. Sie wird beim Einkaufen sein.
Der Chef hat IHN kritisiert: Der Chef hat SIE kritisiert:
Er wird sich zusammennehmen. Das wird IHR zugesetzt haben.
IHM ist Unrecht geschehen: IHR ist Unrecht geschehen:
Ist er wütend geworden? Hat sie geweint?
ER heiratet: SIE heiratet:
Das gibt ihm mehr Beständigkeit. Dann kommt ein Kind, und sie geht.
Bei IHM gibt es Nachwuchs: Bei IHR gibt es Nachwuchs:
Grund für eine Gehaltserhöhung. Sie fällt aus - die Firma zahlt.
ER geht auf Geschäftsreise: SIE geht auf Geschäftsreise:
Das ist gut für seine Laufbahn. Was sagt ihr Mann dazu?
ER kündigt und verbessert sich: SIE kündigt und verbessert sich:
Er weiß, eine Chance zu nutzen. Frauen sind unzuverlässig.
Quelle: Krebsbach-Gnath, C./Schmid-Jörg, I. (1988): Wer Frauen will, muss Frauen fördern, in: Demmer, C. (Hrsg.): Frauen ins Management. Von der
Reservearmee zur Begabungsreserve. Frankfurt a.M./Wiesbaden, S.179-216
19. S19
Frauen- vs. Managerbild: „Think manager – think male“
Stereotyp: Stereotyp: Stereotyp:
Mann Idealer Manager Frau
dominant führungswillig unterordnend
autonom autonom abhängig
unemotional beherrscht emotional
selbstsicher selbstsicher empfindlich
aktiv dynamisch passiv
rational rational intuitiv
tatkräftig entscheidungs- fürsorglich
leistungsorientiert freudig beziehungsorientiert
konfliktbereit einfühlsam
konkurrenzorientiert kooperativ
rücksichtsvoll
kommunikativ
Quelle: Rosenstiel, L.v. (1992): Grundlagen der Organisationspsychologie. Stuttgart; Rosenstiel, L.v. (1997): Karrieremuster von Hochschul-
absolventinnen, in: Wunderer, R./Dick, P. (Hrsg.): Frauen im Management. Kompetenzen – Führungsstile – Fördermodelle. Neuwied et al., S. 266-284.
20. Führungsverständnis
Mitarbeiter schätzen und honorieren prosoziales Verhalten bei
männlichen Führungskräften, nicht aber bei weiblichen – vermutlich weil
prosoziales Verhalten bei Frauen als „normal“ vorausgesetzt wird.
Autokratisches, direktives Verhalten wird bei Frauen deutlich negativer
erlebt als bei Männern.
21. Frauen führen in der Regel anders. Nicht besser oder schlechter!
Während männliche Führungskräfte als durchsetzungsstark, kompetitiv,
analytisch, selbstständig, zupackend und bestimmend beschrieben
werden, wird mit weiblichen Führungskräften Kommunikationsstärke,
Teamorientierung, Zielbezug, Organisationstalent, Einfühlungsvermögen
und Kreativität assoziiert.
(In einer Welt, die sich immer schneller dreht, ist entscheidet für den Erfolg eines
Unternehmen, dass all diese Faktoren vertreten sind. Dies gilt insbesondere in der
Führungsmannschaft).
23. S23
Damit Chancengleichheit umgesetzt wird, bedarf es der Abkehr von
der bisherigen Praxis.
Vereinbarkeit
Kompetenz-
Karrieren von Beruf und
Beurteilung
Familie
Verankerung Führungs-
im Vorstand Kultur verständnis
24. S24
Kompetenz-Beurteilung
Um Kompetenz-Beurteilung zu verbessern, bedarf es
Thematisierung der Bias-Thematik (Stereotypen),
Sensibilisierung der Beurteiler,
Transparenz des Beurteilungsverfahrens, der Beurteilungskriterien
und der Beurteilung selbst,
Vermeidung von subjektiven Beurteilungsfehlern,
keine Externalisierung von internen Effekten.
25. S25
Karriere
Für die Gestaltung von Karrieren ist hilfreich:
Klare (unmissverständliche) Definition, was zu einer Karriere im
Unternehmen gehört.
Transparenz über Kompetenzen, die karriereförderlich sind.
Definition von Leitplanken, in denen Flexibilisierungen möglich sind,
und Definition von Grenzen, was nicht möglich ist.
Unterstützung bei Netzwerken.
Akzeptanz von „Patchworkbiografien“ (Biografien mit kurzen
Unterbrechungen / (vollzeitähnliche) Teilzeit-Perioden).
Mentorenprogramme.
Umgang mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie in
Fach- und Führungspositionen bzw. im Rahmen der Karriereplanung.
Vorbilder und Role Models.
26. S26
Vereinbarkeit von Beruf und Familie
Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist mehr als Kinderbetreuung.
Im Kontext von Frauen in Fach- und Führungspositionen gehört dazu:
Flexible Arbeitsmodelle.
Angebote der vollzeitähnlichen Teilzeit.
Relativierung der Präsenzkultur.
Führung auch auf Distanz.
Akzeptanz der Kollegen, das traditionelle Familienmodell nicht zu
leben.
27. S27
Kultur
Hier gilt es , „Wege aus der Stereotypenfalle“ zu finden:
Top-Thema: Zuständigkeit in der obersten Führungsebene.
Schaffung einer Bewusstsein von Geschlechterunterschiede.
Offener Austausch mit den Führungskräften.
Sensibilisierung und Qualifizierung von Frauen und Männern zu
vermeintlichen Geschlechterstereotypen.
Identifizierung von Vorbildern.
Frauenquote als verbindlicher Rahmen?
Hier gilt es aber auch, einer „Ein-Bahn-Straße“ entgegenzuwirken:
Nicht nur der Arbeitgeber ist angesprochen, auch die Erwartungshaltungen
einiger Frauen sind zu revidieren.
28. S28
Führungsverständnis
Die Fach- und Führungssituation ist mehr und mehr durch Verdichtung,
Beschleunigung und Komplexität gekennzeichnet. Vielfalt erweitert
Perspektiven, Ansichten sowie Denk- und Handlungsmuster.
=> Der Mix macht´s!
Nicht zuletzt sollte die Zusammensetzung von Fach- und Führungs-
positionen die Zusammensetzung der in Frage kommenden
Belegschaft widerspiegeln.
Es gilt folgende Regel: von 10 Top-Führungskräften sollten
mindestens 3 Frauen sein, denn ab 3 lassen sich die Potenziale aus
dem Gender-Mix am besten nutzen.
30. S30
Chancengleichheit ist ein zentraler Megatrend.
Zum einen besteht die Notwendigkeit, auf qualifizierte Frauen in Zukunft
nicht verzichten zu können. Zum anderen tragen Veränderungen des
Rollenmusters sowie die Angleichung des Bildungsniveaus und des
Qualifikationsstandes erheblich zu dieser Entwicklung bei.
Chancengleichheit kann die Attraktivität als Arbeitgeber steigern:
In der Außenwirkung kann dies für einen Arbeitgeber heute und in
Zukunft wichtig sein.
In der Innenwirkung kann dies die Motivation und die Identifikation
erhalten.
Chancengleichheit ist jedoch nicht nur ein Frauenthema !
Chancengleichheit gilt z.B. auch für aktive Väter, die Beruf und Familie /
Privatleben vereinbaren.
31. S31
Nicht zuletzt:
Die Thematik „Frauen in Fach- und Führungspositionen“ ist derzeit
nicht nur ein sachlich diskutiertes Thema.
Nicht selten verbirgt sich dahinter auch ein „Verteilungskampf“. Die
Personengruppe, die sich insbesondere um Führungspositionen
bemühen, vergrößert sich bei gleichbleibender Anzahl von
Führungspositionen. Damit nimmt das Konkurrenzverhalten zu.
Eine Unternehmenspolitik, die sich der Thematik von Frauen in
Führungspositionen annimmt, braucht deshalb das klare Commitment
der Geschäftsführung.