Veranstaltung zu "Marketing in Netzeffektmärkten" im Rahmen des Kurses "Management, Marketing & Informationssysteme" im Rahmen des Masterstudiengangs Wirtschaftsinformatik am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der Freien Universität Berlin im Wintersemester 2013/2014, online: http://wikis.fu-berlin.de/display/mmis
Ein Telefongespräch. Ein Telefongespräch. Ein Telefongespräch
Management, Marketing & Informationssysteme - Formale Organisation und digitale Communities
1. Management, Marketing und Informationssysteme
Formale Organisation und digitale Communities
Leonhard Dobusch
14. November 2013
2. Diskussion der Vorablektüre
Dobusch, L./Quack, S. (2011): Interorganisationale
Netzwerke und digitale Gemeinschaften
Gruppe 1:
Gibt es Alternativen zum Franchise-Netzwerk, um eine
stärkere Kontrolle der Transnationalisierung zu erreichen?
Wie können Organisationen, die auf Experten als CommunityMitglieder angewiesen sind, diese längerfristig an sich binden?
Gruppe 2:
Warum sind "Marktrebellen" auf Beträge von NutzerInnen und
KonsumentInnen angewiesen?
Könnte ein starkes Mitbestimmungsmodell von Beginn an die
Entwicklung einer Organisation begünstigen?
Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
3. Diskussion der Vorablektüre
O’Mahony, S./Ferraro, F. (2007): The Emergence of
Governance in an Open Source Community
Gruppe 3:
Inwieweit lassen sich die Resultate auf andere Communities
übertragen bzw. generell verallgemeinern?
In welcher Weise beeinflussen technische
Kollaborationssysteme (github,svn, jira) die Zusammenarbeit
und Governance einer Open-Source Community?
Gruppe 4:
Welche Möglichkeiten gibt es, eine Community auch ohne
face-to-face persönlicher zu gestalten?
Benötigen verschiedene Stadien (Kontext: Lebenszyklus) der
Community unterschiedliche Governance-Formen? Wennja,
welche?
Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
4. Formale Organisation nach Mintzberg
Strategic Apex
Support
staff
Technostructure
Middle Line
Operating Core
Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
5. Bürokratie, Hierarchie, Meritokratie
Weber‘sche Bürokratie als ‚rationale‘ Form legaler
Herrschaft
Alternative zu traditioneller und charismatischer Herrschaft
Hierarchische Ordnung und meritokratischer Aufstieg
Hierarchien als ermöglichend und beschränkend
Adler/Borys (1996): Hierarchien können unterstützen
(„enabling“) und kontrollieren („coercive“)
Hierachien als Regeln sind immer sowohl ermöglichend als
auch beschränkend (Giddens 1984, „duality of structure“)
Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
6. Wiederholung: Communities als Gemeinschaft
Ferdinand Tönnies (1887): Gemeinschaft und
Gesellschaft
Gemeinschaft resultiert aus auf gemeinsamen Zweck hin
orientiertes Handeln
Z.B. Dorfgemeinschaft, Kirchengemeinde
Gemeinschaft an sich und Gemeinschaft für sich:
Gemeinsam geteilte Praktiken: „Quasi-Gruppen“
(Mayntz/Scharpf 1995)
Selbstidentifikation als (Mitglied einer) Gemeinschaft
Z.B. soziale Bewegungen, digitale Gemeinschaften
Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
7. Community als organisierte Informalität
Gemeinschaften als „organization outside
organizations“ (Ahrne/Brunsson 2011)
Organisiert, aber von Informalität gekennzeichnet
Mitgliedschaft vermittelt über Praktiken („Gemeinschaft an
sich“) ...
... bzw. über Selbstidentifikation („Gemeinschaft für sich“)
Egalitärer Anspruch ohne „Schatten der Hierarchie“
(Heritiér/Lehmkuhl 2008)
Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
8. Verhältnis von Organisation und Community
Formale
Organisation
Organisierte
Informalität
(„Gemeinschaft“)
Informale
Organisation
Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
9. Communities: Managementherausforderungen
Management von Communities jenseits von Markt und
Hierarchie (adaptiert nach Resnik/Kraut 2012: 4-5)
Start bzw. Identifikation einer relevanten Community
Wachstum und Sozialisierung neuer Mitglieder
Förderung von Commitment und Selbstidenfikation
Ermunterung zu Beiträgen
Regulierung von Verhalten
Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
10. Beispiel: Wikimedia und Wikipedia
U.S. Non-Profit mit 40+ lokalen Chapter-Vereinen
Leistung: Infrastruktur für Wikipedia, Wiktionary, etc.
Gemeinschaft von Beitragenden zu Wikimedia-Projekten
Ziel: quantitative und qualitative Verbesserung der Inhalte
Bild: Telstar, CC-BY-NC, http://www.flickr.com/photos/telstar/5122854660/
Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
11. Wikimedia: Organisation für Community
Wikimedia: Organisation für Gemeinschaft von
Wikipedianern
Spaltungsgefahr: Enciclopedia Libre Universal en Espanol
Geringer formaler Organisierungsgrad der WikipediaCommunity
Gemeinschaft von
Wikipedianern
bomis
Wikimedia
Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
12. Wikimedia: Einbindung der Community
Ab 2004: Wahl von Vorständen, Abstimmungen,
Umfragen
Grenzziehung: Anzahl der Wikipedia-Editierungen
Willkürlich, aber transparent: mindestens 400 Edits für Wahl,
ab 25 Edits für Abstimmungen
>> knüpft an für Gemeinschaft konstitutive Praktiken an
Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
13. Debian: Community oder Organisation?
Bild: http://en.wikipedia.org/wiki/File:Debian-organigram.svg, CC-BY-SA
Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
14. Community Governance
Start bzw. Identifikation relevanter Communities
Wachstum und Sozialisierung neuer Mitglieder
Förderung von Commitment
Ermunterung zu Beiträgen
Regulierung von Verhalten
Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
15. Start bzw. Identifikation der Community
Strategien für Community-Neustart
Nischenstrategie: Wachstum aus der Nische heraus
Huckepack-Strateige: Wachstum im Umfeld von bestehender
Community
Strategien für Identifikation bestehender/latenter
Community:
Feld-/Marktforschung
Andocken an geteilte, organisationsbezogene Praktiken
Andocken an geteilte, organisationsbezogene Eigenschaften
Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
16. Wachstum und Sozialisierung neuer Mitglieder
Fünf Kernprobleme des Community-Wachstums (Kraut et
al. 2011)
Rekrutierung: aktive Unterstützung von Mundpropaganda
(„Virale Effekte“); Identifikation zentraler MultiplikatorInnen
Auswahl: kultureller Fit relevant vor allem für Freiwillige
Behalten: Ambivalenz von Einstiegsbarrieren; Freundlichkeit
Sozialisieren: Formalisierte Dramaturgie und positive Folgen
kollektiver Sozialisierung
Schutz bestehender Strukturen: Übungsräume schaffen
(z.B. Sandboxes in Wikipedia oder Second Life)
Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
17. Förderung von Commitment
Commitment iSv Selbstidentifikation als Mitglied von und
Zugehörigkeitsgefühl zu einer Community
Commitment als Voraussetzung für Regelbefolgung
Commitment als Basis für Beitragsneigung (s. nächste Folie);
Rekursiver Zusammenhang zw. Beiträgen und Commitment
Typen von Commitment (Yuqing et al. 2011)
Affektiv: basiert auf Identität, sozialen Beziehungen
>> Bildung von Subgruppen, Außenfeinde, Interaktionen
Normativ: geteilte Werthaltungen und Erfahrungen
>> Reziprozitätsnormen ansprechen
Nutzenorientiert: wahrgenommener Nettonutzen
>> Wechselkosten erhöhen
Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
18. Ermunterung zu Beiträgen
Materielle vs. Immaterielle Anreize (Resnick/Kraut 2011)
Neben monetären Anreizen auch Anerkennung (Status) oder
Flow-Erlebnisse als Anreiz
Gruppengröße, Vergleichbarkeit und Transparenz
Perverse Anreize/Transparenz: „Gaming the System“Probleme
Trade-offs: Einführung geringer materieller Anreize reduziert
Beiträge von intrinsisch-interessanten Tasks
Beispiele für Ermunterungsstrategien
Listen mit offenen ToDos, Hervorhebung („rote Links“)
Namentliche und simple Aufforderungen, Status des
Auffordernden erhöhen, Gamification
Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
19. Ermunterung zu Beiträgen: intrinsische Motive
Aus: Reiss
(2004), S. 187
Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
20. Regulierung von Verhalten
Formulierte v. informale Regeln
„Rough consensus“ kann besser sein als klare Regeln
Verschriftlichung einer Regel impliziert Änderung einer Regel
(Giddens 1984)
Strategien zur Regeldurchsetzung
Funktionierendes Regelsystem als öffentliches Gut;
Bedrohung auch durch Minderheit („Trolle“)
>> Konsistente Moderationssysteme, Reversion-Tools
Überregulierung als Gefahr für Dynamik (z.B.: Offenheit von
Wikipedia trotz Vandalismus-Problemen)
>> Anreiz- und Transparenzfunktionen, Geschichte normaler
Beteiligung als „Währung“, Klarnamenszwang
Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
22. Hausarbeitsthemen?
Gruppen á 3-4 Personen:
Was könnte eine Hausarbeit zum Thema
untersuchen?
Titel
Fragestellung
Fall
Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
23. Literatur
Ahrne, G./Brunsson, N. (2011): Organization outside organizations: the
significance of partial organization. In: Organization, 18 (1), 83-104.
Giddens, A. (1984): The Constitution of Society: Outline of the Theory of
Structuration. Cambridge: Polity Press.
Kraut, R.E./Resnick, P. (2011): Building Successful Online Communities:
Evidence-Based Social Design. Cambridge, MA: MIT Press
Kraut et al. (2011): The Challenges of Dealing with Newcomers. In: Kraut,
R.E./Resnick, P. (eds.), pp. 179-230
Mayntz, R./Scharpf, F.W. (1995): Der Ansatz des akteurzentrierten
Institutionalismus. In: Mayntz, R./Scharpf, F.W. (Hg.), Gesellschaftliche
Selbstregelung und politische Steuerung. Frankfurt/M., 39-72.
Reiss, S. (2004): Multifaceted Nature of Intrinsic Motivation: The Theory of
16 Basic Desires. In: Review of General Psychology, 8 (3), 179-193
Tönnies, F. (1887/2005): Gemeinschaft und Gesellschaft: Abhandlung des
Communismus und des Socialismus als empirischer Culturformen. Darmstadt:
Wissenschaftliche Buchgesellschaft.
Yuqing, R. et al. (2011): Encouraging Commitment in Online Communities. In
Kraut, R.E./Resnick, P. (eds.), pp. 77-124
Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin