Was haben „Integral Business“, „Smart-Working“, „Corporate Demography“ und „Enterprise 2.0“ gemeinsam? Sie sind Ausprägungen einer der größten und disruptivsten Entwicklungen des letzten Jahrhunderts: der vollständigen Digitalisierung, Virtualisierung und Flexibilisierung der Arbeitswelt. Einer schönen neuen Welt, in der es nicht nur um die Optimierung und Automatisierung von Sekundärprozessen geht, sondern um eine grundsätzliche Neudefinition von Arbeit und deren Sinnhaftigkeit.
DMR Blue Transformation Special - Transformation Best-Practice (DE)
1. www.detecon-dmr.com
Detecon
Management Report
DMR
leading digital!
blue
2013
Wir begleiten Unternehmen
in die digitale Zukunft.
Special
l:
ia
pec
S
www.leading-digital.com
Transformation
We make ICT strategies work•
Detecon Management Report
blue
1 / 2013
www.detecon.com
Detecon Management Report
blue
• 2013
Die Zukunft des Personalmanagements :
Strategisch planen – exzellent operieren
Nachhaltig online sein :
Was man für die Umwelt und gegen den Digital Burnout tun kann
Schöne neue Welt :
Ein Arbeitsplatz der Zukunft
Enterprise 2.0 :
Transformation zu Vernetzung und Offenheit ist eine Managementaufgabe
2.
3. Transformation
Liebe Leserinnen und Leser,
was haben „Integral Business“, „Smart-Working“, „Corporate Demography“ und „Enterprise
2.0“ gemeinsam? Sie sind Ausprägungen einer der größten und disruptivsten Entwicklungen des
letzten Jahrhunderts: der vollständigen Digitalisierung, Virtualisierung und Flexibilisierung der
Arbeitswelt. Einer schönen neuen Welt, in der es nicht nur um die Optimierung und Automatisierung von Sekundärprozessen geht, sondern um eine grundsätzliche Neudefinition von Arbeit
und deren Sinnhaftigkeit.
Der Erfolg dieser Entwicklung hängt nicht primär davon ab, den neusten technologischen Trends
hinterher zu jagen. Vielmehr geht es darum, Technologien gezielt einzusetzen, um das Arbeitsumfeld zu optimieren, flexibel auf die Anforderungen unterschiedlicher Generationen zu reagieren
und die Potenziale voll auszuschöpfen. Dies gilt nicht nur für die Art der Zusammenarbeit durch
Etablierung neuer Führungs- und Performancemanagement-Ansätze und Einführung agiler
A
rbeitsmethoden. Es gilt auch für die Gestaltung des Arbeitsumfeldes – sei es durch das Angebot exibler Arbeitsformen oder die weitreichende Etablierung von Smart-Office-Arbeitsplätzen,
fl
in denen Pool-Office, Think Tanks, Kreativ- und Entspannungszonen sowie „Business Labs“
d
ominieren und maßgeblich zur Arbeitsproduktivität beitragen. Zudem gilt es, zahllose, teilweise
nicht aufeinander abgestimmte Transformationsinitiativen von Unternehmen konsequent auf die
Unternehmensstrategie auszurichten und bereits bei der Strategiefindung die Umsetzung mit zu
berücksichtigen. Das vielzitierte „Strategy Execution Gap“ kann es bei einer gut formulierten
Strategie eigentlich nicht geben, wie die Ergebnisse unserer Transformationsstudie zeigen.
Verlässt man die „Unternehmensinnensicht“, so stellt sich insbesondere bei der Generation Y,
Z die Frage nach der Nachhaltigkeit von Geschäftsmodellen – nachhaltig im sozialen, ökonomischen sowie ökologischen Sinne. Dies fordert Unternehmen heraus, birgt aber auch Potenzial
für neue, bis dato unbekannte Player auf dem Markt.
Doch was bedeutet dies in der „Bottom-Line“? Wir befinden uns inmitten einer Neuordnung der
Markt- und Lebensverhältnisse, in der sich klassische Grenzen auflösen: aus Work-Life-Balance
wird Life-Balance, Kompetenz und nicht das Alter spielt zukünftig eine Rolle bei der Wettbewerbsfähigkeit des Einzelnen, klassische Konzernstrukturen mit hundertausenden Festangestellten
weichen exiblen und projektbezogenen Netzwerken, klassische disziplinare Führung verschwinfl
det und macht Platz für fallbezogenes Coaching und Mentoring. Fragen nach „Sinnhaftigkeit“
und umfassender Nachhaltigkeit gewinnen an Stellenwert. Gleichzeitig müssen wir uns mit den
Folgen einer „maßlosen Informiertheit“ und dem „Always-on-Syndrom“ auseinandersetzen. In
dieser Gemengelage spielen Technologie und digitale Transformation die entscheidende Rolle:
nicht nur Enabler, sondern auch Disruptor des 21. Jahrhunderts, Chance und Risiko zugleich.
Mit dieser Ausgabe möchten wir Ihnen Impulse zum Nachdenken, zur Diskussion und zur
a
ktiven Gestaltung dieser Zukunft liefern und wünschen Ihnen eine spannende Lektüre.
Ihr
Marc Wagner
Partner, Lead Transformation & HR Management
1
Detecon Management Report blue • 2013
4. Inhalt
Sequenziell statt linear
Neue Bilder von Alter, Arbeit und Vielfalt
4
Die Zukunft des Personalmanagements
Strategisch planen – exzellent operieren
6
Interview: Transformation Design
Über die Aufgaben und Herausforderungen
von Transformationsgestaltern in
Unternehmen des 21. Jahrhunderts
10
Transformation Excellence
Empirische Insights über die Hebel zur Schließung
der Lücke zwischen Strategie und Durchführung 14
Interview: Best Practice bei Deutsche Post DHL
„Transformation ist ein Dauerbrennerthema“
18
Interview: Transformation der HR Services der Deutschen Telekom
Positives Image und noch viel Potenzial
21
Integral Business (Teil 1)
Umdenken – Wert steigern!
24
Integral Business (Teil 2)
Hands-on-Ansätze unterstützen integrale
Transformationsprozesse
Impressum:
Herausgeber:
Detecon International GmbH
Sternengasse 14-16
50676 Köln
www.detecon.com
DMR@detecon.com
2
Detecon Management Report blue • 2013
Aufsichtsrat:
Klaus Werner (Vorsitz)
Geschäftsführung:
Francis Deprez (Vorsitz)
Dr. Jens Nebendahl
Handelsregister:
Amtsgericht Köln HRB 76144
Sitz der Gesellschaft: Köln
Druck:
Kristandt GmbH&Co.KG
Frankfurt/Main
Fotos:
Fotolia
iStockphoto
28
5. Im Gespräch mit Dr. Ignacio Campino, Vorstand DESERTEC Foundation
Transformation im Kontext von Klimawandel
und anderen globalen Herausforderungen
32
Von Green ICT zu Green Business
ICT-Sektor hat Vorreiterrolle in der
nachhaltigen Gestaltung neuer Geschäftsmodelle 38
Nachhaltig „online“ sein
Was man für die Umwelt und gegen den
Digital Burnout tun kann
42
Interview: Enterprise 2.0
Transformation zu Vernetzung und Offenheit ist
eine Managementaufgabe
46
Detecon Business LAB
Freiraum für Kreative und Visionäre
50
Schöne neue Welt
Ein Arbeitsplatz der Zukunft
52
Mobile IT und virtuelle Räume verändern die Zusammenarbeit
Neue Arbeitswelten
58
Die Autoren
64
3
Detecon Management Report blue • 2013
6. Sequenziell statt linear
Neue Bilder von Alter,
Arbeit und Vielfalt
In Zukunft stehen wesentlich weniger Arbeitskräfte zur Verfügung als heute. Eine
Reaktionsmöglichkeit besteht darin, ältere enschen mit entsprechenden MaßM
nahmen effektiver und länger im Arbeitsleben zu halten. Dazu müssen sich Wahrnehmung und Verständnis von Alter und Lebensphasen sowie die Arbeitsgestaltung verändern. Diesen historischen Kulturwandel zu gestalten, ist die wichtigste
Herausforderung der demographischen Entwicklung.
as
werden, nur
DseinThema Alter polarisiert: Alle möchten altAlters pendelt
alt
möchte keiner. Die Wahrnehmung des
schon seit der Antike zwischen Wertschätzung und Idealisierung sowie Marginalisierung und Abwertung. Heute fühlen sich
ältere Menschen länger jung, später alt und nähern ihre Verhaltensweisen sowie die Art zu leben den Jüngeren an. Ist Altern
also eine subjektive Wahrnehmung?
Die Wahrnehmung des Alters
Heute geraten die positiven Eigenschaften des Alters immer
mehr in den Blick. Ältere Menschen können laut der Altersforscherin Ursula Staudinger tendenziell besser mit negativen
Emotionen umgehen und sie einordnen, sie sind häufig sozial
kompetenter und umgänglicher. Außerdem scheinen sie verlässlicher. Alter ist also nicht mehr automatisch gleichbedeutend
mit nachlassenden Fähigkeiten oder Abbau. Der Feind des
4
Detecon Management Report blue • 2013
A
lters ist eigentlich nur Stillstand. Ursula Staudinger stellt sogar
fest, dass „das menschliche Gehirn nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen bis ins hohe Alter hinein veränderbar
bleibt.“ (Quelle: www.ursulastaudinger.com). Darüber hinaus
führen medizinische Erfolge dazu, dass alte Menschen auch
in hohem Alter noch vitaler und gesünder sind als noch vor
e
inigen Jahrzehnten. Innerhalb des letzten Jahrhunderts wurden
etwa 30 Jahre an Lebenszeit für einzelne Individuen hinzugewonnen. Dies ist eine in der Menschheitsgeschichte einmalige
Entwicklung. Aber was macht man nun mit dieser neu gewonnenen Zeit?
Die hinzugewonnene Lebenszeit nutzen – doch wofür?
Zumindest aus Politik und Wirtschaft lautet die Antwort häufig:
Die Menschen sollten länger arbeiten, um der demographischen
Entwicklung und dem Fach- und Führungskräftemangel entge-
7. genzuwirken. Tatsächlich scheinen die Beispiele von Personen
zuzunehmen, die länger arbeiten, als sie es müssten. Als der FC
Bayern das Champions League Finale gewann, waren die Augen
auch auf den Trainer, Jupp Heynckes, gerichtet. Mit fast 70 Jahren erfüllte er sich mit dem „Triple“ einen Lebenstraum.
Auf der anderen Seite streben viele Menschen aber auch der
Rente entgegen und fragen sich: Aus welchen Gründen sollte
man überhaupt noch länger arbeiten, wenn man nicht aus
fi
nanziellen Gründen dazu gezwungen ist?
Arbeit, das bedeutete in den letzten Jahrzehnten für viele
M
enschen vor allem eines: geradlinige Erwerbsbiografien, die
sich auf einen Beruf oder auf einen Arbeitgeber beschränkten.
Der Ursprung dieser Linearität liegt im 19. Jahrhundert, als
sich feste Arbeitsplätze außerhalb des Zuhauses bildeten und
der Tag sich in festgelegte Arbeitszeiten und Freizeit einteilte.
Ein dealbild entstand: ein Beruf, ein Arbeitgeber, ein Leben
I
lang – bis zur Rente. Mit ihrer Einführung hat sich die Zeit,
die man mit Arbeit verbringt, im Verhältnis zur Lebensdauer
immer weiter verkürzt.
Die Arbeitszeit soll nun erstmals wieder verlängert werden. Hier
stellt sich die Frage, wie man ältere Mitmenschen dazu motiviert. Die Antwort: Arbeit muss anders gestaltet werden, als es
das geradlinige normale Arbeitsverhältnis der letzten Jahrzehnte
vorsahen. Ehrenamtliche Tätigkeiten nach der Rente nehmen
zu und zeigen, dass Arbeiten gewünscht wird – allerdings in anderen Modellen.
Die Arbeit anders gestalten
Die Instrumente für eine flexiblere räumliche und zeitliche
G
estaltung der Arbeit sind bereits da: Arbeit kann dank Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten in vielen Fällen
von nahezu überall zu jeder Zeit erledigt werden. Die etwa 200
Jahre alte Einheit von Arbeitsplatz und Arbeit sowie einer abgegrenzten Arbeitszeit bricht in den letzten Jahren wieder aus
einander. Durch diese Fragmentierung lässt sich Arbeit flexibler
einteilen, es entstehen neue, individuelle Zeitfenster, die sowohl
für Kinder- als auch Elternbetreuung oder andere Tätigkeiten
genutzt werden können. So können Lebens- und Arbeits
modelle individuell zugeschnitten und aufeinander abgestimmt
werden. Arbeit und Arbeitsgestaltung müssen sich in Zukunft
an den Lebensphasen orientieren und die damit verbundenen
Bedürfnisse berücksichtigen.
Diese bereits bekannte Flexibilität von Zeit und Ort der Arbeit,
die vor allem in den letzten Jahren als Instrument für Mütter
zum Einsatz kam, muss nun im Hinblick auf Ältere um das
Kriterium der inhaltlichen Flexibilität ergänzt werden. Mit
der Einsicht, dass sich das Gehirn bis ins hohe Alter weiterent
wickeln und verändern kann, wird klar, dass Weiterbildung kein
Verfallsdatum hat. Mehr noch: Lebenslanges Lernen ist notwendig, um gesund zu altern. Berufs- oder Tätigkeitswechsel
werden deshalb auch mit zunehmendem Alter wichtiger. Denn
Vitalität erhält das Gehirn nicht von allein, es benötigt geistige
Anregung. Und genau dies hält Menschen länger jung. Die
f
rühe Rente ohne neue Impulse und intellektuelle Herausforderungen kann schneller altern lassen als eine abwechslungsreiche
Arbeitstätigkeit.
Persönlichkeit statt Lebenslauf muss im Mittelpunkt stehen
Statt linearen Biografien sollten also sequenzielle biografische
Abschnitte ermöglicht werden, die Raum bieten für Auszeiten,
berufliche Neuorientierung und Weiterentwicklung. Vor allem
für Deutschland bedeutet das einen Wandel: Hier werden Mitarbeiter – anders als beispielsweise in Amerika – häufig auf
i
hren Lebenslauf und die nachgewiesenen Stationen reduziert.
In Zukunft müssen aber die Person und die Persönlichkeit
wichtiger werden. Lebenslanges Lernen und sequenzielle Biografien fruchten nur, wenn Personaler und Führungskräfte das
Entwicklungspotenzial ihrer Mitarbeiter erkennen – und dieses
ist keineswegs mit 40 Jahren ausgeschöpft.
Unternehmen und die Gesellschaft haben hier gemeinsam die
Chance, neue Bilder von Alter, Arbeit und Vielfalt zu prägen.
Diesen Kulturwandel nicht nur zu ermöglichen, sondern ktiv
a
zu gestalten, ist wichtig, denn die Veränderungen kehren teilweise Entwicklungen der letzten Jahrzehnte, sogar Jahrhunderte um und sind damit nicht frei von Widerstand. Auf lange
Sicht jedoch wird sich zeigen, dass diese Veränderungen zwar
zunächst angestoßen wurden, um Ältere oder auch Frauen
(
länger) zu integrieren. Langfristig werden sie das Arbeitsleben
aber so verändern, dass letztlich für jeden die individuelle Vereinbarkeit mit der Arbeit verbessert wird, das Arbeitsleben an
die verschiedenen Lebensphasen angepasst und so vielfältiger
und interessanter gestaltet werden kann als heute. Neben der
Vielfalt innerhalb der Belegschaft wird so auch der individuellen
Fülle, die sich mit einem längeren Leben sicherlich noch erhöhen wird, Rechnung getragen.
5
Detecon Management Report blue • 2013
8. Strategisch planen – exzellent operieren
Die Zukunft
des Personalmanagements
Neue Technologien revolutionieren unsere Kommunikation und unsere Arbeitsweise. Agilität,
Einfachheit sowie ein Denken in Netzwerken bestimmen erfolgreiches, unternehmerisches
Handeln der Zukunft. Auch das Personalmanagement muss sich darauf einstellen.
Sie sich eine Welt ohne Internet, Mobiltelefon,
K önnenGoogle, Facebook oder Amazon vorstellen? Nein?
Wikipedia,
Vor weniger als 20 Jahren war das Realität. Der technologische
Fortschritt hat unser Kommunikationsverhalten revolutioniert.
Er hat Marktkräfte auf den Kopf gestellt und neue Branchen
hervorgebracht. Der internationale Wettbewerb wurde deutlich intensiver und Markteintrittsbarrieren in diesen Branchen
auf ein Minimum reduziert. Zudem wurde der Begriff der
„
Wissensgesellschaft“ geprägt – eine Welt, in der sich das Informationsvolumen exponentiell entwickelt und ein Aspekt mehr
und mehr in den Vordergrund rückt: der Mensch!
Die Veränderungen reichen in die Strukturen und Prozesse von
Unternehmen hinein und haben zur Folge, dass dem „Management von Menschen“ eine besondere Bedeutung zukommt. In
diesem Kontext liegt es auf der Hand, dass HR-Abteilungen ihre
Rollen und Aufgaben stetig überdenken. Wie gewinne ich in
einem zunehmend transparenten, internationalen Arbeitsmarkt
die richtigen Talente („War for Talents“)? Wie halte ich meine
„Top-Performer“ bei der Stange, wenn sie mit Jobofferten via
XING, LinkedIn und Co. umworben werden? Wie gelingt es,
unterschiedliche Kulturen zu integrieren und zu fördern? Wie
kann ich mein Personal strategisch optimal steuern? Das sind
nur einige Fragen, mit denen sich Personalverantwortliche aktuell beschäftigen. Aber was bedeutet das für die HR-Funktion
von morgen? Und wie wird die Rolle in zehn Jahren aussehen?
Aktuelle Situation im Personalbereich
Das Ziel der Personalabteilung heute ist es, in einer aktiven
Rolle in enger Zusammenarbeit mit dem Business zu operieren.
6
Detecon Management Report blue • 2013
D
afür ist es notwendig, gutes Know-how über interne
G
eschäftsprozesse und ein grundlegendes Marktverständnis
zu besitzen. Ansonsten können konkrete Anforderungen von
Seiten des Business nicht adressiert werden. Der Anspruch
„inhaltlicher und strategischer Sparringspartner des Business“
bedeutet, auf ugenhöhe mit dem Business zu agieren. Die
A
H
erausforderung für Personalabteilungen ist es dabei, dass
sie administrative Prozesse wie Payroll oder Reporting bis ins
D
etail beherrschen müssen und gleichzeitig als HR Business
Partner das Management unterstützen.
Der technologische Fortschritt wird auch in Zukunft ein
w
ichtiger Treiber für den HR-Bereich sein. Heutige stark administrativ geprägte HR-Aufgaben werden sich zukünftig teilweise
zu anderen Akteuren wie Führungskräften, Mitarbeitern oder
Freelancern verlagern oder vollständig IT-gesteuert wahrgenommen werden können. Dafür kommen neue hochstrategische
Aufgaben auf den Personalbereich zu.
Das heißt, Personalabteilungen konzentrieren sich in Zukunft
auf Funktionen mit einer hohen strategischen Relevanz sowie
einer hohen Komplexität. Mit Hilfe des in der Abbildung dargestellten HR-Produktportfolios lässt sich das Zielbild für die
zukunftsfähigen Aufgaben von Personalabteilungen gut identifizieren. Kurz gesagt: Die Personalabteilung wird sich darauf konzentrieren, Aufgaben oberhalb der Wasserlinie wahrzunehmen.
Funktionen, die durch eine niedrige strategische Relevanz und
eine geringe Komplexität gekennzeichnet sind, können von zahlreichen inner- beziehungsweise außerbetrieblichen kteuren
A
wahrgenommen oder automatisiert werden. Personalabtei-
10. lungen können prinzipiell diese Funktionen weiterhin anbieten, liegen zukünftig aber „unter der „Wasserlinie“ und können
durchaus von externen Playern erbracht werden, wenn dieses
beispielsweise aus Profitabilitätsgründen gewünscht ist. Aufgabe
des HR-Bereiches wird es sein, im Rahmen eines effektiven und
effizienten Programm-Managements usgelagerte Services zu
a
koordinieren und zu steuern.
Aufbruch in eine neue Zukunft
Das Ziel von HR wird es sein, Funktionen zu besetzen, die
m
öglichst weit über der „Wasserlinie“ liegen. Dies sind Funktionen mit hoher strategische Relevanz und damit einher
gehender hoher Komplexität. „Corporate Governance Services“
– HR Strategy, Sozialpartner- und Vendor Management, HR
Planning – und mehr noch „Corporate Enabling Services“ –
Entrepreneur-, Transformations-, Entscheidungs- und Innovationskultur – gehören hierzu.
Welche tatsächlichen Schwerpunkte gesetzt werden, muss jede
Personalabteilung in Abhängigkeit der Branche für sich selbst
entscheiden. Ansatzpunkte hierfür können die folgenden
Thesen liefern:
These 1: HR wird eine nachhaltige
Entrepreneur-Kultur unterstützen.
Wenn Unternehmen sich immer schneller wandeln müssen,
wenn Technik und Produkte immer komplexer werden, dann
müssen sich Organisationsformen der Arbeit diesen Entwicklungen anpassen. Stellenbeschreibungen, Organisationshandbücher und Rundmails werden der Dynamik des Wandels zukünftig nicht mehr gerecht. Gesucht sind Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter, die im Sinne des Unternehmens denken, also im
besten Sinne „unternehmerisch“.
Doch wie lässt sich das bewirken? Zuerst einmal müssen Mitarbeiter über Unternehmensziele vollständig informiert werden.
Hierfür ist eine innerbetriebliche Transparenz erforderlich, die
man bisher noch selten antrifft. Ergänzend müssen Mitarbeiter
angeleitet und unterstützt werden, Unternehmensziele auf Arbeitsebene umzusetzen. Sie müssen das notwendige unternehmerische „Rüstzeug“ an die Hand bekommen und insbesondere
die persönlichen Freiräume, die unternehmerisches Handeln
erst ermöglichen.
8
Detecon Management Report blue • 2013
Diese „innere Entrepreneur-Kultur“ muss flankiert werden
durch eine angemessene Fehlertoleranz, die dem Einzelnen
eine gewisse unternehmerische Freiheit zugesteht. Dazu gehört
ebenso die gezielte Förderung und Belohnung, zum Beispiel
B
onussysteme, die verantwortungsvolles und unternehmerisches Handeln honoriert. Aufgabe von Personalabteilungen
muss es dabei sein, zum einen die notwendige Transparenz
über das strategische Asset der Mitarbeiter im Unternehmen zu
schaffen, als auch Mitarbeiter so zu schulen, dass sie im Sinne
des Unternehmens denken und handeln.
These 2: HR wird sich zum anerkannten
Enabler für Transformationen
entwickeln.
Die Dynamik von Transformationen wird weiter zunehmen.
Darauf sind Führungskräfte sowohl im Hinblick auf das Transformationsmanagement als auch auf die Schaffung einer positiven Grundeinstellung gegenüber Veränderungen heute häufig
nur unzureichend vorbereitet.
Hier können Personalabteilungen die Rolle eines Transformation-Enablers noch stärker als bisher wahrnehmen. Erfolgreich
wird diese Rolle zukünftig dann ausgefüllt, wenn es gelingt, alle
Ebenen kognitiver Prozesse zu adressieren, also auch unbewusste
Abwehrmechanismen.
Durch die Einbeziehung unbewusster Ängste, Konflikte und
Barrieren der Betroffenen in Transformationsprozesse können
diese reibungsärmer organisiert werden. Dass das notwendig ist,
ist keine neue Erkenntnis. Häufig mangelt es aber noch an der
Umsetzung, da der optimale Transformation-Enabler fehlt. Das
stellt eine Chance für Personalexperten im Unternehmen dar –
letztlich können diese in die Rolle des „Transformation Coaches“
schlüpfen, welcher die Mitarbeiter bei einem kontinuierlichen
anhaltenden Veränderungsprozess begleitet.
Die hohe Bedeutung des Themas aus Sicht HR wurde bereits
in einigen Unternehmen erkannt und aktiv angegangen. So
wurde zum Beispiel bei der Deutschen Telekom der Bereich
„Transformational Change“ im Personalressort etabliert, um die
Transformationsfähigkeit des Unternehmens zu fördern und zu
beschleunigen. Wesentliche Instrumente des Telekom-Ansatzes
sind eine virtuelle Plattform, die allen Mitarbeitern des Konzerns sowie externen Stakeholdern zur Verfügung steht und
11. Transformation gestaltbar machen soll. Zusätzlich werden Formate angeboten, die die virtuellen Angebote erweitern. arüber
D
hinaus soll ein Gebäudekomplex im Zentrum von Berlin einen
physischen Ankerpunkt in der innovativen Gründerszene Berlins bilden.
These 3: HR wird eine Innovationskultur
schaffen.
Auch im 21. Jahrhundert sind Ideen immer noch die Ideen von
Menschen, entweder von kreativen Einzelerfindern oder von
perfekt zusammengesetzten Teams. Lange Zeit versuchte man
im Rahmen des Innovationsmanagements, Innovationen systematisch zu planen, zu steuern und zu kontrollieren.
für sind flache Hierarchien sowie größere Entscheidungsspiel
räume einzelner Mitarbeiter, die mögliche Auswirkungen von
bestimmten Entscheidungen unmittelbarer einschätzen und
überblicken können.
Um auch in großen Unternehmen eine entsprechende Entscheidungskultur zu etablieren, müssen im Sinne der Subsidiarität
Entscheidungskompetenzen von Führungskräften auf die Mitarbeiter übertragen werden. Gleichzeitig müssen die Arbeits
bereiche so strukturiert werden, dass der einzelne Mitarbeiter
die Auswirkungen seiner Entscheidungen möglichst genau
abschätzen kann. Hierfür sind aber auch Fähigkeiten der Mit
arbeiter – Stichwort: „unternehmerisches Handeln“ – notwendig, die stärker als bisher zu fördern sind.
Kreativität als Basis für Innovationen lässt sich allerdings nur
schwer mit Aspekten wie Planung, Steuerung und Kontrolle in
Einklang bringen. Deshalb muss es Ziel von Unternehmen sein,
Innovationsbarrieren wie Nichtkönnen, Nichtwollen, Nichtdürfen, Nichttrauen durch eine offene Innovationskultur zu
überwinden.
Eine weitere wichtige Aufgabe wird es sein, den inneren Widerstand von Führungskräften, Kompetenzen abzugeben, zu überwinden. Alle diese Aufgaben müssen von einer Personalabteilung in der Rolle als „Personen-Manager“ angegangen werden.
Personalabteilungen können diesen Prozess aktiv mitgestalten,
indem sie den Prozess fördern und somit Innovation und agiles
Arbeiten zur Aufgabe aller Mitarbeiter im Unternehmen wird.
Die Aufgabe von HR ist es hier, Instrumente zu schaffen, um
unternehmensweite Innovationen zu ermöglichen und gleichzeitig dabei selbst innovativ zu sein. Sie kann also zunächst im
eigenen Bereich mit Impulswirkung auf andere tätig werden,
zum Beispiel Freiräume für Kreativität schaffen, eingefahrene
Denkweisen aufbrechen und eine Fehlerkultur initiieren, in der
Fehler erlaubt sind und ein offener konkurrenzfreier Ideenaustausch möglich wird.
Agilität, Einfachheit sowie ein Denken in Netzwerken – das
sind die Kernattribute von erfolgreichen Unternehmen im
21. Jahrhundert. Im Zentrum steht dabei auch die Fähigkeit
eines jeden Mitarbeiters, sich „laufend selbst neu zu erfinden“.
P
ersonalabteilungen, die die Veränderung der HR-Funktionen
als Chance begreifen, ihr Aufgabengebiet neu zu definieren
und Funktionen mit einer hohen strategischen Bedeutung
und oher Komplexität wahrzunehmen, werden „oberhalb der
h
W
asserlinie“ agieren und zum Unternehmenserfolg beitragen.
Den Wandel als Chance begreifen
These 4: HR wird eine neue
Entscheidungskultur fördern.
Entscheidungen werden in vielen großen Unternehmen durch
Komplexität behindert oder verlangsamt: Komplexität interner
Strukturen und Komplexität der eigentlichen Inhalte von Projekten, Prozessen und Märkten.
Nicht grundlos bringt ein Vergleich von Konzernen mit mittelständischen Unternehmen bei letzteren eine herrschende
schnelle Entscheidungskultur hervor. Ausschlaggebend hier-
9
Detecon Management Report blue • 2013
12. Interview: Transformation Design
Über die Aufgaben
und Herausforderungen
von Transformationsgestaltern in
Unternehmen des 21. Jahrhunderts
10
Detecon Management Report blue • 2013
13. Welche Bewusstseinshaltung müssen Führungskräfte in ihrem Unternehmen entwickeln, um
eine Welt voller neuer Möglichkeiten erkunden zu können und andere dorthin mitzunehmen?
In einem explorativen Gespräch mit dem DMR BLUE erläuterten Peter Schreck und David Gommé,
Experten auf dem Gebiet des Transformation Design, ihre Ideen und Gestaltungsansätze.
D
MR: Herr Schreck, bevor wir gleich in medias res gehen: Wie
d
efinieren Sie den Begriff „Transformation Design“?
P. Schreck: Bevor wir in unserem Gespräch näher auf die
konkreten Aufgaben und die notwendige Geisteshaltung von
Transformation Designern eingehen, möchte ich hier zunächst
sinngemäß wiedergeben, was Wikipedia zum Begriff des Transformation Design zu sagen hat:
„Allgemein gesagt ist Transformation Design ein am Menschen
ausgerichteter, interdisziplinärer Prozess, der – häufig aus Gründen des sozialen Fortschritts – wünschenswerte und nachhaltige
verhaltens- und formbezogene Veränderungen von Einzelnen,
Systemen oder Organisationen zu schaffen bestrebt ist. Beim
Transformation Design handelt es sich um einen mehrstufigen,
schrittweisen Prozess, der auf große komplexe Themen – häufig auch gesellschaftliche Probleme – angewendet wird. Weil es
beim Transformation Design darum geht, Gestaltungskompetenzen in unkonventionellen Bereichen anzuwenden, sind oft
auch die Design-Ergebnisse unkonventionell. Transformation
Designer können genauso gut eine Stellenbeschreibung oder
eine neue Richtlinie gestalten, wie sie ein neues Produkt, eine
neue Dienstleistung oder eine neue Organisation gestalten können. Dieses neu entstehende Fachgebiet vereint unterschiedliche Design-Disziplinen – unter anderem Service-Design,
Nutzer-orientiertes Design, Konzept-Design, Informationsdesign, System-Design, interaktives Design und Experience-De
sign – und arbeitet eng zusammen mit Disziplinen aus anderen
Bereichen wie beispielsweise der Kognitions- und Wahrnehmungspsychologie, Linguistik, Architektur, Haptik, Informa
tionsarchitektur, Ethnographie und Heuristik.”
DMR: Herr Gommé, der Begriff „Design” ist in Bezug auf Trans
formation nach diesem Verständnis in einem breiteren und ganz
heitlicheren Rahmen zu verstehen, als ihn die meisten Menschen im
herkömmlichen Sinn – Beispiel Produktdesign – kennen. Was also
haben wir als Gestalter und Designer von Transformationsprozessen
zu beachten, die viele Menschen bewegen, inspirieren und anleiten
sollen?
D. Gommé: Einer der wichtigsten Punkte, die ich im Laufe
meiner Karriere als Coach und Berater sowie durch meine Unterstützung von Führungspersonen bei der Verwirklichung ihrer
Visionen für ihr Unternehmen gelernt habe, ist, wie wichtig es
für eine Unternehmenstransformation ist, die Ursachen und das
Wesen von Veränderungen beim Menschen zu verstehen.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass diejenigen Geschäftsvorhaben am erfolgreichsten waren, bei denen man zusätzlich zu
den unternehmerischen Aspekten auch großen Wert auf die
Förderung und Unterstützung der Entwicklung der Menschen
gelegt hat.
Um die Mitarbeiter eines zu transformierenden Unternehmens
wirklich effektiv motivieren, inspirieren und führen zu können,
müssen zwei unterschiedliche, aber eng miteinander ver obene
w
Kontexte verstanden und bei der Gestaltung und Durch
führung des Transformationsprozesses berücksichtigt werden:
Erstens die Transformation eines Menschen als rgebnis iner
E
e
organisch verlaufenden persönlichen Entwicklung, und zweitens
die Transformation eines Unternehmens als rganisatorische
o
D
ynamik, die auf attraktive Nutzenversprechen und Wett
bewerbsvorteile fokussiert ist.
Diese „Doppelhelix”, die sich aus der Kombination von Transformation bei Menschen und Transformation bei Unternehmen ergibt, nenne ich integriertes Transformations-Design.
Integriertes Transformations-Design besteht aus einer Reihe
von Prozessen, die es einem Unternehmen ermöglichen, als
hoch innovativer, auf entstehende Bedürfnisse und Herausforderungen schnell reagierender Mechanismus zu handeln und
gleichzeitig einen sich stets weiter entwickelnden Standard der
sozialen Verantwortung beizubehalten.
DMR: Eine alleinige Fokussierung auf wirtschaftliche und techno
logische Transformation reicht Ihrer Meinung also bei weitem nicht
aus. Aber wie könnten Unternehmenskulturen und organisatorische
Systeme aussehen, die in der Lage sind, die organische Transforma
tion von einzelnen Menschen und Gruppen bewusst zu integrieren?
11
Detecon Management Report blue • 2013
14. Interdisciplinary
Fundamental
21st-century LeadershipDynamics
Transformation Design
Purpose
Holistic
Consciousness
Culture
Living Human Beings Capabilities
Integral
Integrated
Transformation Designer
Human Transformation
Eternal Timeframes Evolution professional
principles
Innovation Shift Startups Agile FacilitationUniversalComplex Passion Perception Intuition
Double-Helix
Future
Self-awareness
Systems Coworking
Spiritual
fluid
Collaboration Network Manager CollectiveIntelligence Instincts
Technology
Self-Organisation
Business Transformation Frequencies Atmosphere
Community consumer-centric Pressure Energies
Social
Business Models Stress
D. Gommé: Um zwischen den einzelnen Personen einer
O
rganisation, die eine tiefgreifende neue Zukunft für ein
Unternehmen herbeiführen sollen, eine echte Arbeitspartnerschaft aufbauen zu können, ist unbedingt sicherzustellen,
dass die eteiligten auch wirklich auf die Transformation vorB
bereitet werden und innerlich mental bereit sind. Dazu ist es
e
ssenziell, dass die jeweiligen persönlichen Werte, also dass, was
die inzelnen Menschen in der Gruppe erreichen und beitrae
gen ollen und was sie als ihre Mission betrachten, ausreichend
w
Raum bekommt, um gehört und definiert zu werden.
Nur die Führungskräfte, die diese erfolgskritische Aufgabe
in Transformationsprozessen erkennen und wirklich ernst
n
ehmen, sind in der Lage, die menschlichen Transformations
aspekte bei der Gestaltung einer aufregenden neuen Zukunft
für ihr Unternehmen zu integrieren. Sie und ich gemeinsam,
wir machen die lebendigen Strukturen der Veränderung und
Transformation aus.
Die Herausforderung für den Designer der integrierten Transformation ist die Gestaltung von Prozessen, Aufgaben und
S
ystemen, die „sammeln”, was in den Mitarbeitern vorgeht –
die Entwicklung neuer Wertesysteme, neuer Bedürfnisse und
neuer Ideen und Fähigkeiten – die dann als leistungsstarke
Transformationskatalysatoren verwendet werden, um eine neue,
zukunftsorientierte Unternehmenskultur zu schaffen. Vorausgesetzt, ein Unternehmen ist gut geführt, kann die von seinen
Mitarbeitern hervorgebrachte kollektive Intelligenz die Organisation von innen heraus verändern. In vielen Fällen verfügen die
Führungskräfte jedoch selbst noch nicht über die notwendige
persönliche Entwicklung und Fähigkeit, die eigenen Mitarbeiter
so zu inspirieren und zu führen, dass sich eine kollektive Intelligenz herausbilden kann.
12
Detecon Management Report blue • 2013
P. Schreck: Herr Gommé, können Sie uns ein Beispiel für ein
Unternehmen nennen, welches Ihrer Meinung nach besonders
gut darin ist, den Blick auf den Menschen und seine Bedürfnisse
in seine Design-Prozesse zu integrieren?
D. Gommé: Apple ist bei der Einbeziehung des Menschen im
Designprozess in den vergangenen Jahren viel konsequenter gewesen als andere Wettbewerber und hat so einen unglaublichen
Erfolg mit anwenderorientierten, benutzerfreundlichen Designs
gehabt. Die Erfolgsstory von Apple verdeutlicht die grundlegende Verschiebung und Trend-Veränderung von Produkt- zu
Verbraucher-orientierten Innovationsansätzen. Der Ansatz von
Apple hinsichtlich Innovation war – und ist immer noch – die
Gestaltung von Produkten und Dienstleistungen, die, relativ
gesehen, eher zweckorientiert sind als „einfach ein bisschen
anders als die von den Wettbewerbern am Markt angebotenen
Produkte“.
P. Schreck: Was genau meinen Sie mit zweckorientiert?
D. Gommé: Bei Apple ist die Einbeziehung der „Touch”-
Dimension ein gutes Beispiel dafür, wie ein Unternehmen
„zweckorientierte” Produkte gestaltet. Bei zweckorientiertem
Design geht es darum, Erlebnisse anzubieten, die für die Nutzer intuitiv sind. Diese Art von Design ist an die natürlichen
physischen Gegebenheiten des Menschen angepasst und
steht im Einklang mit den natürlichen Instinkten der Nutzer,
w
odurch es sehr attraktiv wirkt.
15. P. Schreck: Worin besteht dann die zentrale Herausforderung
für Führungskräfte, die ihre Unternehmen in Organisationen
verwandeln möchten, die zweckorientiertes Design entwickeln?
D. Gommé: Die größte Herausforderung in den nächsten
Jahren wird die Entwicklung von Umgebungen und Netz
werken sein, die in einer Art und Weise zusammenarbeiten, bei
der die Übernahme von Verantwortung und Verpflichtung in
Fleisch und Blut übergegangen ist und damit die Denkweise
der „integrierten Transformation” gelebt wird. Schauen wir uns
noch einmal Apple an: Apple hat jetzt die Aufgabe, den Geist
und die Vision von Steve Jobs in etwas zu transformieren, das
die Mitarbeiter von Apple auch ohne einen anderen Steve Jobs
bewerkstelligen können. Man könnte die große Herausforderung, der dieses Unternehmen heute gegenübersteht, so zusammenfassen: Wird Apple in der Lage sein, eine neue Art von
Führung zu etablieren, die das enorme kreative Potenzial seiner
Mitarbeiter freisetzt?
Angesichts dessen glaube ich, dass die gleichen Herausforderungen, denen wir in der Zusammenarbeit mit den offenen Bereichen der Freiberufler und Start-up-Unternehmen begegnen,
auch für die Transformationsbemühungen größerer Unternehmen relevant sein werden. Unternehmen fangen an, zu verstehen
und zu akzeptieren, dass sie einen offeneren und informelleren
Ansatz in Bezug auf die Kommunikation und Zusammenarbeit
zwischen den Mitarbeitern verschiedener Abteilungen und den
Menschen außerhalb der Unternehmensgrenzen benötigen. Für
den Erfolg wird es entscheidend sein, dass gute Facilitator eben
n
guten Managern arbeiten, damit die oft starren Strukturen von
Unternehmen in fließende Netzwerk-Organisationen umgewandelt werden.
DMR: Herr Schreck, was für eine Art von Führung ist erforderlich,
um die kreativen Potenziale von Menschen in einem Transforma
tionsprozess freizusetzen?
Peter Schreck ist Gründer von Idea
Republic, einem kreativen Beraternetzwerk, welches Organisationen bei
der Stärkung ihrer Kooperations- und
Innovationsfähigkeiten mit dem
Einsatz von innovativen FacilitationMethoden, Innovationsprodukten
und -räumen unterstützt. Detecon
ist ein Kooperationspartner von Idea
Republic.
P. Schreck: Eine Führungsrolle, die für Transformation Designer
in Zukunft immer wichtiger wird, um kreative rozesse zu
P
b
efördern, ist die Rolle des Facilitators, also eines „Ermög
lichers“ von sich selbst organisierenden Entwicklungsprozessen. Diese Rolle unterscheidet sich dabei erheblich von der
Rolle des Managers. Facilitator ermöglichen zwischenmenschliche Interaktionsprozesse, im Rahmen derer positive Energien
und potenziell brillante Ideen wachsen und gedeihen können.
Gutes Management wird natürlich auch weiterhin unverzichtbar sein. Allerdings ist eine wirksamere Balance zwischen diesen
beiden Rollen dringend erforderlich. Manager stehen eher im
Rampenlicht, während Facilitator im Hintergrund wirken, um
Menschen in die Lage zu versetzen, ihr Potenzial – einzeln und
gemeinsam – zu erkennen.
David Gommé ist der Gründer von
Capable Dynamics und gehört zum
Beraternetzwerk von Idea Republic.
Er arbeitet schon seit mehreren
Jahrzehnten als Executive Coach und
Berater für Organisationsentwicklung.
Der Fokus seiner Arbeit liegt auf der
Potenzialentwicklung von Menschen.
DMR: Herr Schreck, Sie haben eine Menge Erfahrung gesammelt,
und zwar nicht nur innerhalb großer Organisationen, sondern
auch zwischen Organisationen und Einzelpersonen. Bitte teilen Sie
mit uns Ihre wichtigsten Erkenntnisse in Bezug auf die inter- und
intra-organisatorische Zusammenarbeit. Was benötigt man für das
Design eines wirksamen Transformationsprozesses?
P. Schreck: Was meiner Ansicht nach wirklich funktioniert und
gebraucht wird, sind professionelle Facilitator, die Menschen
unterstützen, wenn diese einer neuen Netzwerk-Community
beitreten. So können sich Gruppen bilden, die ihre Interessen
und Ziele teilen und effektiv zusammenarbeiten.
13
Detecon Management Report blue • 2013
16. Transformation Excellence
Empirische Insights
über die Hebel zur Schließung
der Lücke zwischen Strategie
und Durchführung
Maßnahmen zur Verbesserung der Leistung sowie Transformationsprogramme
sind in den meisten Unternehmen heutzutage Realität. Unsere Erfahrung zeigt,
dass viele Unternehmen mit einer erheblichen Lücke zwischen Strategie und
Durchführung konfrontiert sind. Diese Befragung wurde entwickelt, um Insights
über zentrale Hebel zur Minimierung dieser Lücke zwischen Strategie und
Durchführung zu geben.
14
Detecon Management Report blue • 2013
17. abTransformationsinitiativenaufsind idealerweise aufeinanderausgestimmt und konsequent
die Unternehmensstrategie
gerichtet. In der Realität sieht das allerdings oft ganz anders aus.
Um Insights hierüber zu erhalten, haben wir für eine Befragung
insgesamt 54 Hypothesen aufgestellt, die die zentralen Aspekte
der Leistungssteigerung und Transformationsprogramme beschreiben, und zirka 800 Experten aus den entsprechenden Bereichen zu ihren Erfahrungen befragt. Diese Experten hatten
verschiedene Rollen in diesen Programmen: Sie waren Sponsoren – typischerweise auf CxO-Ebene –, interne Programmleiter oder Workstream Leader, interne Experten oder externe
Berater. Sie wurden gebeten, die 54 Hypothesen in den nachstehend aufgeführten Bereichen zu bewerten:
• Treiber, Ambitionsebene und Impact
• Führung, Denkweise und Kultur
• Organisation und Governance Style
• Prozesse, Methoden und Tools.
Eine Evaluierung der Lücke für jede Bewertung, die die Ist-
Situation und die Auswirkung auf den künftigen Erfolg betrifft,
ermöglicht eine Bestimmung der Hebel, die am effektivsten für
die erforderliche Verstärkung der Maßnahmen sind. Sie wurden
für alle Teilnehmer und für jede einzelne Teilnehmergruppe –
das heißt Sponsoren, interne Programmleiter, interne Experten
und externe Berater – analysiert.
Teilnehmerstruktur
Nach Durchführung einer sehr sorgfältigen Validierung verfügten wir über 104 vollständige Datensätze, die wir für die
Bewertung verwenden konnten. Die Daten geben Einblicke in
die Wahrnehmung von Experten aus Unternehmen wie BMW,
Continental, Credit Suisse, Deutsche Bahn, Deutsche Post
Worldnet, EnBW, Hewlett Packard, Ikea, Merck, OET, RWE,
SAP, Schott, Deutsche Telekom, Volkswagen und Zurich.
Die Teilnehmer ...
Ihre Bewertung erfolgte unter Berücksichtigung dieser Fragen:
• Stimmt die für jede Aussage beschriebene Situation mit der
aktuellen Situation in dem ausgewählten Programm (ganz oder
teilweise) überein oder (ganz oder teilweise) nicht überein?
• Wird die Auswirkung auf den nachhaltigen Erfolg der künftigen Leistungssteigerung oder Transformationsprogramme als
negativ, neutral oder positiv eingestuft?
... sind in Bezug auf ihre Rollen angemessen aufgeteilt: zirka 40
% Projektmanager, 40 % Berater, 5 % Sponsoren und 15 %
Stakeholder;
... sind sehr erfahren; zirka 50 % haben mehr als 80 % ihrer Zeit
für Transformationsvorhaben aufgewendet;
...
sind verantwortlich für umfangreiche Transformationspro
gramme: zirka 50 % gaben an, dass mehr als 100 Projektmit
glieder beteiligt sind, bei 30 % waren es mehr als 11 Berater und
zirka 40 % führen eine Mitarbeiterzahl von mehr als 10.000.
Zentrale Fragen und Befragungsansatz
Sponsoren
Organisatorische
Leistungsfähigkeit
Bewertung der
54 Hypothesen in
den Bereichen
Das Ziel:
Entwicklung mit idealen
Transformationsfähigkeiten
Lücke
zwischen
Strategie und
Durchführung
Welches sind die
Hebel, die die Lücke
zwischen Strategie
und Durchführung
schließen?
Zeit
Ist-Situation:
Entwicklung mit eingeschränkten
Transformationsfähigkeiten
Programmleiter
Ist-Bewertung
Bewertungsverteilungsanalysen
• Treiber, Ambitions ebene & Impact
• Führung, Denkweise
& Kultur
• Organisation &
Governance Style
• Prozesse, Methoden
& Tools
Betroffene
Stakeholder,
Experten
Hebel-Rankings pro
Teilnehmergruppe
Lücke = Bedarf
an Verbesserungen
Bewertung der Auswirkung auf die Situation,
die in der Aussage über
den Erfolg künftiger Programme beschrieben wird
Die wichtigsten Hebel
Korrelationsanalysen
Analysen verbundener Aussagen
Externe
Berater
Quelle: Detecon
15
Detecon Management Report blue • 2013
18. Ergebnis der Befragung: Die Top-Ten-Hebel zur Verbesserung
Die Befragung spiegelt die Erfahrung der Experten für Business Transformation aus einem breiten Branchenumfeld ider.
w
Die Wahrnehmung über Erfüllung und Übererfüllung der
P
rogrammziele, die intern und extern offiziell kommuniziert
werden, ist wesentlich höher (70 %) als die persönliche Wahrnehmung (40 %).
Die Top-Ten-Hebel weisen auf einen erheblichen Bedarf an
Verbesserungen in Bezug auf Vertrauen, Kultur, Kommunikation, Methoden und Tools hin. Im Vergleich zu allen anderen
Teilnehmergruppen lässt sich bei den Sponsoren eine auffallend
positive Wahrnehmung der Ist-Situation feststellen.
Insgesamt gesehen haben die Teilnehmergruppen stark
ab
weichende Wahrnehmungen über den Handlungsbedarf
b
ezüglich der 54 Hebel. Ihre Auswahl der Top-Ten-Hebel
u
nterscheidet sich ganz erheblich.
Die Ergebnisse im Einzelnen:
Mit Ausnahme der Gruppe der Berater sehen alle Teilnehmer
die Hypothese
„Die Führungsteams in den unterschiedlichen operativen Einheiten kooperieren auf der Grundlage von Vertrauen.“
an erster Stelle in Bezug auf den Bedarf an Verbesserungen.
Die Aussage: „Wir verfügen über eine effektive Lernkultur und
Lernprozesse.“
fällt bei den Sponsoren und Stakeholdern nicht unter die Top
Ten.
Die Aussage: „Wir sind hochprofessionell, wenn es um das
M
anagen von Komplexität unserer alten Strukturen, Prozesse
und Systeme geht, um Einschränkungen zu vermeiden und
d
isruptive Änderungen zu ermöglichen.“
rangiert bei allen Teilnehmergruppen unter den Top Ten,
o
bgleich nur an neunter Stelle bei den Projektleitern.
Zirka 60 % der Sponsoren betrachteten die Ist-Leistungs
situaion als ziemlich gut, wobei nur 22 bis 33 % der anderen
t
G
ruppen dieser Aussage zustimmen.
16
Detecon Management Report blue • 2013
Während die Mehrzahl der Teilnehmergruppen dem Erfolg
große Bedeutung beimessen (>70 %), teilt nur weniger als die
Hälfte der Projektleiter diese Auffassung.
Der Hebel: „Wir verfügen über eine realistische Zuordnung der
Ressourcen, um Projekterfolg im Hinblick auf Personen und
Fähigkeiten zu erzielen.“
hat oberste Priorität für externe Berater, Stakeholder und Projektleiter, aber nicht für Sponsoren. Der Grund dafür ist, dass
71 % der Sponsoren die Ist-Situation positiv wahrnehmen,
während nur zirka 30 % der anderen Teilnehmer die aktuelle
Situation als befriedigend bewerten.
Ausschließlich für die Berater ein Hebel ist die Kooperation auf
der Basis von Vertrauen: „Die Mitarbeiter in den unterschiedlichen operativen Einheiten kooperieren auf der Grundlage von
Vertrauen.“
Nur ein Drittel der externen Berater und 20 % der Stakeholder bewerten die Ist-Situation positiv, während fast 60 % der
Projektleiter und Sponsoren die Zusammenarbeit zwischen den
Mitarbeitern als positiv wahrnehmen.
Gleiches gilt für den Hebel:
„Die Geschäftsstrategie kann von einem großen Teil der Mitarbeiter erklärt werden.“
Er wird nur von den Beratern als Top-Hebel eingestuft. Für die
Sponsoren beispielsweise steht dieser Hebel an 21. Stelle.
Die Sponsoren wiederum (zirka 90 %) nehmen die Ist-Situation
bezüglich dieses Aspekts als sehr positiv wahr, während eniger
w
als die Hälfte der Projektleiter und Stakeholder mit der Ist-
Situation zufrieden sind. Die Berater bilden die kritischste
Gruppe, da von ihnen nur 22 % die Ist-Situation als befriedigend bewerten.
Der Hebel: „Wir verfügen über eine realistische Zuordnung
der Ressourcen, um Projekterfolg unter Berücksichtigung des
F
aktors Zeit zu erzielen.“
ist insbesondere für Projektleiter, aber auch für Berater wichtig,
während andere Teilnehmer diesem Hebel nur mittelmäßige
Bedeutung beimessen. Erstaunlich ist wiederum, dass fast 60 %
der Sponsoren die Ist-Situation positiv wahrnehmen, während
nur ein Drittel der anderen Gruppen die Ist-Situation dieses
A
spekts positiv bewerten.
19. Die Aussage: „Unser Transformationsprozess, unsere Transformationsmethoden und -Tools sind sehr leistungsstark und
effizient.“
Interne Experten: Prozesstransparenz, Ergebnisorientierung,
Business-Case-Standardisierung und Nachvollziehbarkeit der
Strategie.
wird nur von den Stakeholdern und Projektleitern als einer der
wichtigsten Top-Ten-Hebel bewertet; fast 60 % der Sponsoren
betrachten diesen Aspekt wiederum als selbstverständlich.
Programmleiter: Effektives Lernen, übergreifende Initiativen,
realistische Ressourcenzuordnung, Verantwortlichkeit der
M
anager und die Einstellung der Mitarbeiter.
Hervorzuheben ist, dass zwei Drittel der Stakeholder der IstSituation kritisch gegenüberstehen und erstaunliche 80 % die
Transformationsmethoden und -Tools für den Erfolg als äußerst
wichtig betrachten, während dies weniger als die Hälfte der Projektleiter tun.
Externe Berater: Vertrauen innerhalb der Mitarbeiter und Transparenz in Bezug auf die Kunden und deren Bedürfnisse.
Der Hebel: „Die Manager sind so lange verantwortlich, bis sich
die Auswirkung zeigt.“
wird nur von den Projektleitern als wichtiger Hebel betrachtet
und nimmt bei den Sponsoren lediglich den 25. Platz ein. Ungefähr die Hälfte der Projektleiter betrachtet die Ist-Situation
als befriedigend.
„Der Amortisationszeitraum ist zur Unterstützung der grundlegenden Änderungen ausreichend.“
Projektleiter und Stakeholder ordneten diesen Hebel unter die
Top Ten ein.
Nur ein Viertel bis weniger als die Hälfte der Berater, Projekt
leiter und Stakeholder ist zufrieden mit der Ist-Situation,
w
ährend fast 60 % der Sponsoren die Auffassung vertreten, dass
der Amortisationszeitraum lang genug ist.
Wir haben bei diesen Insights noch stärker nachgehakt und die
Top-Ten-Hebel je nach Teilnehmergruppe näher unter die Lupe
genommen.
Detaillierte Angaben zu den Bewertungen nach Teilnehmergruppe
Die Top-Prioritäten der einzelnen Teilnehmergruppen, wenn es
um Verbesserungen geht, stellen sich wie folgt dar:
Schlussfolgerung und Empfehlung
Die Top-Ten-Hebel weisen auf einen erheblichen Bedarf an
V
erbesserungen in Bezug auf Vertrauen, Kultur, Kommunika
tion, Methoden und Tools hin. Bei den Sponsoren lässt sich
eine auffallend positive Wahrnehmung der Ist-Situation feststellen. Bezogen auf alle Top-Ten-Hebel verfügen die Teilnehmer
gruppen über eine stark abweichende Wahrnehmung, wenn es
um den Handlungsbedarf geht, und die Top-Ten-Hebel unterscheiden sich auch bei den einzelnen Teilnehmergruppen erheblich.
Wir empfehlen Maßnahmen zur Steigerung der Sensibilisierung
bei den verschiedenen Akteuren, die in Transformationsprogramme eingebunden sind. Dies zielt auf den Umstand, dass
Kollegen gegebenenfalls eine völlig andere Wahrnehmung des
Ist-Zustands in Bezug auf spezielle Transformationsaspekte,
die Auswirkung dieser Aspekte auf den Erfolg der Transformationsprogramme und das Bedürfnis nach Verbesserung dieser
Aspekte haben.
Es ist offensichtlich, dass das Schließen der Lücke zwischen
d
iesen unterschiedlichen Wahrnehmungen und die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses der speziellen Schwerpunktbereiche zu einer Verbesserung einer Zielerreichung
der Transformationsprogramme führen wird und somit zur
S
chließung der Lücke zwischen Strategie und Durchführung
erheblich beiträgt. Eine weitergehende Analyse des Feedbacks
und die Einbettung der Insights in die speziellen Transformationskontexte, auf denen diese Ergebnisse basieren, bilden die
nächsten chritte, die es vorzunehmen gilt.
S
Sponsoren: Kommunikation, aktive Beteiligung des Top-
Managements, realistische Budgets, Verantwortlichkeit der
Manager sowie hochgesteckte Ziele, wenn es um Verbesse
rungen geht.
17
Detecon Management Report blue • 2013
20. Interview
Best Practice bei Deutsche Post DHL
„Transformation ist ein
Dauerbrennerthema“
Klaus Kenfenheuer ist Vice President Project Controlling (Corporate Controlling) bei Deutsche
Post DHL. Er gilt als Experte für
Transformationsprojekte.
Klaus Kenfenheuer hat als Vice President Project and Investment Controlling federführend eine
Vielzahl von Restrukturierungs- und Transformationsprojekten bei der Deutschen Post DHL begleitet – zuletzt unter anderem die Abwicklung des domestic US-Express-Geschäfts. Wir sprachen
mit ihm über Erfolgsfaktoren, Methoden und Herausforderungen.
DMR: Herr Kenfenheuer, wie schätzen Sie den Stellenwert des
Themas Transformation bei der Deutsche Post DHL ein?
Kenfenheuer: Als global agierendes Unternehmen in einem sehr
dynamischen Markt ist das Thema Transformation natürlich
ein „Dauerbrennerthema“ und ins Tagesgeschäft übergegangen.
Grundsätzlich können dabei grob drei Formen von Transformationsprogrammen unterschieden werden.
In die erste Kategorie fallen Projekte, die notwendige strukturelle Anpassungen beinhalten. Dazu gehört auch, so genannte
„Trigger-Events“ um strukturelle Probleme wie beispielsweise
vor einigen Jahren die Restrukturierung des US-Express-
Geschäftes anzugehen.
In der zweiten Kategorie konzentrieren wir uns vor allem auf die
Reaktionen auf makroökonomische Veränderungen wie jüngst
die Finanzkrise. Hierzu haben wir Programme umgesetzt, zum
Beispiel das „Index-Programm“ (Indirect costs excellence),
welches gezielt eine nachhaltige Verbesserung unserer Kostenstruktur unterstützt.
18
Detecon Management Report blue • 2013
Zusätzlich zu den beiden erstgenannten Kategorien haben wir
aber auch zahlreiche kontinuierlich durchgeführte Effizienzprogramme mit dem Ziel, die Produktivität zu steigern und
kontinuierlich unsere Prozesse zu optimieren. Letzteres ist dabei durchaus vergleichbar mit Ansätzen aus der Automobilindustrie.
DMR: Welche wesentlichen Trends zeichnen sich dabei aktuell ins
besondere im Bereich der Effizienzsteigerungsthemen ab? Gibt es
standardisierte Verfahren?
Kenfenheuer: Wir versuchen verstärkt, „Center of Excellence“Einheiten im Unternehmen zu verankern. Vorher glichen die
einzelnen Einheiten häufig eher einer Reihe von Einzelsilos. Der
Aufbau solcher „Center of Excellence“-Einheiten verstärkt die
Standardisierung, beispielsweise im Bereich Reporting Topics,
sie bündeln das Know-how und stellen es zentral bereit, auch
als Lösung für die Abhängigkeit von Schlüsselressourcen. Zudem ist es einfacher, neue Tools oder Updates auf einer zentralen
Plattform bereitzustellen.
21. DMR: Wie werden Erfahrungen aus vorangegangenen Transfor
mationsprojekten festgehalten, um bei der nächsten Transformation
davon zu profitieren und die Leistungsfähigkeit zu steigern?
Kenfenheuer: Wir besitzen ein zentrales Project Reporting
Tool, welches in unser Konzern Reporting Tool integriert ist.
In diesem Portal erfassen wir monatlich oder quartalsweise die
Performance unserer wichtigsten Projekte. Vor einigen Jahren,
während der Restrukturierung, waren dies über 800 Einzelprojekte, zusammengefasst nach Divisionen, Funktionen und Ländern. Statusreports mit Traffic Lights geben Kommentierungen
zum Projektfortschritt und zu möglichen Umsetzungsrisiken.
Dabei liegt der Fokus auf einem ‚action-oriented‘ Controlling.
Das heißt: Wenn es Abweichungen zum Plan gibt, interessiert
uns primär, welche Maßnahmen initiiert wurden, um das Ziel
möglichst doch noch zu erreichen. Erkenntnisse werden quartalsweise in Form von Business Reviews und Milestone-Reports
aufbereitet – gleiches machen wir übrigens auch mit allen großen Investitionsvorhaben. Darin beantworten wir die folgenden
Fragen: Was wurde erreicht? Was sind verbliebene Risiken? Was
lief gut und was nicht? Was sind Follow-Up-Aktivitäten?
DMR: Welche Analysearten wurden in den letzten Transforma
tionsprojekten bevorzugt angewendet?
Kenfenheuer: Unsere Ansätze sind primär pragmatisch. Wir
setzen Ziele vielfach top-down und validieren diese mit bottom-up Business Cases. Externes Benchmarking setzen wir nur
sehr gezielt ein. Das Problem bei externen Benchmarks liegt in
der Vergleichbarkeit, der Peergroup und dem großen Zeit- und
Kostenaufwand für ein aussagekräftiges Benchmarking. Interne Benchmarks hingegen haben für uns eine große Bedeutung,
auch im Sinne von Best-Practice-Sharing. Die Größe unseres
Unternehmens und unser Geschäftsmodell ermöglichen uns
eine gute Vergleichbarkeit innerhalb des Konzerns.
DMR: Werden diese Transformationen vollständig von internen
Experten geplant und umgesetzt oder sind auch externe Berater in
dem Prozess involviert?
Kenfenheuer: Gerade bei unseren Transformationsgroßprojekten geschieht die Steuerung und Kontrolle oftmals durch
das Topmanagement. In der Konzeptionsphase werden teilweise
auch Berater für spezifische Fachthemen involviert, beispielsweise bei der Umsetzung unserer US-Restrukturierung. Die
konkrete Umsetzung der Transformationen erfolgt dann allerdings wieder primär durch unsere Linienorganisation. Experten
aus unserem Inhouse Consulting werden zunehmend unterstützend eingesetzt. Die Verantwortung für die Umsetzung liegt
dabei ganz klar beim lokalen Management – anders lassen sich
solche Projekte auch nicht nachhaltig durchsetzen.
DMR: Der Trend zur Beraterunterstützung ist also rückläufig?
Kenfenheuer: Dies kann man so nicht unbedingt sagen. Über
die letzten Jahre hat Deutsche Post DHL sein Inhouse-Consulting stark ausgebaut, um Best-Practice-Know-how auch intern
bereitstellen zu können und Projekterfahrungen im Konzern
weiter nutzen zu können. Auch zur Durchführung von PMOAufgaben greifen wir vielfach auf unser Inhouse Consulting zurück – nicht zuletzt dient dieses als exzellenter Einstieg für den
Führungskräftenachwuchs. In den letzten Jahren haben wir zudem viel Energie in den Aufbau unserer eigenen „First-ChoiceMethodik“ gesteckt: Konzerneinheitliche Methoden und Tools
sorgen dafür, dass wir eine Sprache sprechen und Problemstellungen systematisch und strukturiert angehen. Wenn nötig greifen wir bei speziellen Fachthemen auch auf externe Berater zurück. Gleiches gilt natürlich für sehr IT-nahe Unterstützungen,
bei denen wir auf externe Hilfe allein schon aus Ressourcengründen angewiesen sind.
DMR: Sie erwähnten bereits die Erfolgsfaktoren Linien-Verant
wortlichkeiten und Involvierung des Topmanagements. Was macht
aus Ihrer Sicht sonst noch den Erfolg oder Misserfolg von Transfor
mationsprojekten aus?
Kenfenheuer: Eine starke und aktive Beteiligung des Top- und
mittleren Management halte ich für essentiell. Dabei reicht es
nicht, nur beim Kick-Off und Abschluss-Event präsent zu sein.
Vielmehr muss laufend klar sein: Dieses Thema hat die Aufmerksamkeit des Vorstands und absolute Priorität. Gleiches gilt
auch für das jeweils lokale Management. Da wir ein sehr globales Unternehmen sind, ist es entscheidend, das jeweils nationale
Management mit im Boot zu haben.
Während der Projekte spielt natürlich das Thema „Kommunikation“ eine ganz entscheidende Rolle. Die Erfahrung hat gezeigt, dass hier häufig Fehler gemacht werden – insbesondere
wenn es darum geht, den Betroffenen die Vorteile der Projekte
klar zu vermitteln.
Aus unserer Sicht spielt insbesondere ein starkes „Performanceund Konsequenzenmanagement“ eine entscheidende Rolle. Da
die Programme häufig mit klaren Targets hinterlegt sind, lässt
sich Performance in der Regel gut messen. Planabweichungen
sind dann entsprechend transparent zu machen und notwendige Konsequenzen zu ziehen. Dies gilt im positiven wie im negativen Sinne. Eine Erfahrung gerade der letzten Jahre ist, dass
grundsätzlich alle Initiativen einer übergeordneten Zielsetzung
folgend und möglichst in einem zentralen Strategieprogramm
zusammenlaufen sollten.
19
Detecon Management Report blue • 2013
23. Transformation der HR Services der Deutschen Telekom
Positives Image
und noch viel Potenzial
Joachim Bauß begleitet die Entwicklung der zentralen Shared-Service-Einheit „HR Business Services“ der
D
eutschen Telekom seit der Konzept- und Gründungsphase in 2006. In einem ausführlichen Gespräch gewährt
er Einblicke in Erreichtes und berichtet über persönliche Erfahrungen sowie Zukunftsideen.
DMR: Herr Bauß, Sie leiten mit den HR Business Services eine
gigantische HR-„Dienstleistungsfabrik“: Für 250.000 Kunden in 40 Gesellschaften der Deutschen Telekom verarbeiten
Sie inzwischen ungefähr drei Millionen Aufträge, eine Million
Posteingänge und 500.000 Anrufe pro Jahr. Wenn Sie an die
Anfänge zurückdenken: Haben Sie sich die Entwicklung des
damaligen Personal Service Telekom (PST) von vornherein so
vorstellen können?
Bauß: Letztlich ist mehr daraus geworden als ursprünglich in
unserer Vision steckte. Für die damalige Zeit war es typisch,
die Gründung eines Shared Service mit einem ganz klaren
Effizienz-Fokus zu verbinden: Kostensenkung durch Standardisierung, Prozessautomatisierung, Komplexitätsreduktion – es
ging also vor allem um Downsizing. Erst später wurde bewusst,
dass darüber auch eine bessere Steuerung und klare Interak
tion zwischen dem Shared Service und anderen Konzernfunktionen möglich wird. Ab dann hat man also nicht mehr nur
das estehende Geschäft immer günstiger gemacht, sondern
b
auch immer wieder neue Aufgaben hinzugefügt. Letztlich ist
der Personalkörper von einem Anfangsbestand von rund 1000
Mitarbeitern sogar auf nun zirka 1600 Mitarbeiter angewachsen. Allerdings machen wir die Aufgaben, für die wir 2007 noch
1000 Mitarbeiter benötigt haben, mittlerweile mit 600.
Unser Scope hat sich also auch im Vergleich zur ursprünglichen
Vision deutlich erweitert: Zu den Transaktionen kamen viele
wissensbasierte Themenstellungen hinzu. Mit der Entwicklung
bin ich sehr zufrieden.
21
Detecon Management Report blue • 2013
24. DMR: Der Shared-Service-Center-Ansatz ist mittlerweile ein
populärer Klassiker bei der Neuorganisation von Querschnittsaufgaben. Allerdings gibt es auch zahlreiche Beispiele im Markt,
bei denen die angestrebten Ziele deutlich verfehlt wurden.
Welches sind aus Ihrer Sicht typische Fallstricke beim Aufbau
von Shared Services und wie lässt sich diesen begegnen?
Bauß: Wichtig ist die klare Definition der Rollen „Business
Partner“ und „Competence Center“ sowie die Schnittstellen
in dieser Dreiecksbeziehung. Zudem darf bei aller Effizienz das
Themengebiet Qualität und Service nicht zu kurz kommen:
Man muss sich das Optimum für den Konzern als Ganzes immer wieder vor Augen führen.
DMR: Lässt sich mit dieser Aufgabenerweiterung auch die
Wertschätzung einer Shared-Service-Einheit im Konzern erhöhen und vom Schlagwort „Kostensenkung“ lösen?
Bauß: Das Bild der Shared Service Center ändert sich. Weil sie
in der Vergangenheit oft mit einem Maschinenraum assoziiert
wurden, wollten viele Mitarbeiter aus anderen HR-Organisationsteilen nur ungern im Shared Service arbeiten. Das hat sich
grundlegend geändert. Die Wertschätzung bekommt man letztlich aber über die wahrgenommenen Resultate.
Bei Integrationsrunden und Workshops nutze ich gerne unsere
Mitarbeiterzufriedenheitswerte als starkes Argument: Diese
liegen auf sehr gutem Niveau und können sich mit dem HRDurchschnitt und auch den Werten der Konzernzentrale absolut messen. Offenbar fühlt es sich von innen also anders an als
von außen.
DMR: Dave Ulrich, der geistige Vater des Drei-Säulen-Modells
aus Business Partner, Kompetenz Center und Shared Service,
hat sich unlängst ebenfalls zur Wertigkeit der Rollen geäußert:
Er könne inzwischen selber den Begriff „Business Partner“ kaum
noch hören, weil er zu oft fehlinterpretiert wurde. Aus seiner
Sicht müssten sich letztlich alle drei Säulen als Business Partner
verstehen, weil es immer um die gemeinsame Unterstützung des
Business geht. Stimmen Sie dem zu?
22
Detecon Management Report blue • 2013
Bauß: Absolut. Und nur dann wird wirklich aus ganzheitlicher
Sicht optimiert. Ein gutes Beispiel dafür ist unsere vor einem
Jahr gestartete Führungskräfte-Hotline. Dort bieten wir einen
telefonischen Kanal für Fragen rund um eine Führungsaufgabe,
zum Beispiel zu rechtlichen Rahmenbedingungen oder Tools.
Aus Sicht meiner Einheit schaffe ich mir dadurch zunächst zusätzliche Kosten. Wir haben aber festgestellt, dass für die Führungskräfte unterhalb der Executive-Ebene, zum Beispiel die
Leiter von Teams mit vielleicht 15-20 Beschäftigten an den
hunderten Telekom-Standorten Deutschlands, ein solcher Kanal sehr wichtig ist. Aus Konzernsicht ist es natürlich sinnvoller,
wenn uns jemand direkt anruft, für eine Viertelstunde unseren
Agenten beansprucht und dadurch bei sich eine Viertelstunde
Aufwand für den Call hat, anstelle eine Stunde lang selbst die
verschiedensten Quellen zu durchsuchen. Diese Denkweise
wollen wir anregen: Wo sollten wir Services bewusst ergänzen,
um aus Konzernsicht etwas zu verbessern? Die reinen Kosten
der HR-Organisation eines typischen DAX-Unternehmens machen ungefähr ein bis zwei Prozent aus. Natürlich ist es wichtig,
dass wir dort optimieren. Wir dürfen dabei nur das Kind nicht
mit dem Bade ausschütten, denn HR beeinflusst sehr viele andere Kosten, die nicht direkt bei HR anfallen.
DMR: Das von Ihnen beschriebene Zusammenspiel der Rollen
ist das Resultat eines kulturellen Reifeprozesses über viele Jahre.
Wie und wann löst man diesen am besten aus?
Bauß: Der kulturelle Wandel startet mit der Entscheidung für
diesen Ansatz – und mit den ersten Besetzungen, die den Wandel der HR-Welt auch wirklich mittragen. Bereits während der
Transformation zeigt sich der Mehrwert des Modells von Dave
Ulrich: Es macht sichtbar, dass es drei ganz unterschiedliche
Herausforderungen gibt. Früher galt „One size fits all“: Einer
macht alles, von Policy über Bearbeitung bis zur Beratung.
Eigentlich gibt es den Menschen, der diese drei Rollen gleich
gut ausfüllt, aber gar nicht. Darum sorgt eine arbeitsteilige, inhaltliche Differenzierung der drei Rollen auf Augenhöhe nicht
nur für Effizienz, sondern auch für Effektivität. Auf diesen Weg
müssen Sie die Beschäftigten über viel Kommunikation mitnehmen, das neue Modell muss von der Führungsmannschaft
vorgelebt werden, und es erfordert Zeit – aber ob es ein Patentrezept dafür gibt, wage ich zu bezweifeln.
25. DMR: Wo liegen aus Ihrer Sicht die Grenzen der „Industrialisierung von Dienstleistungen“? Wie sinnvoll sind Service„Factories“, die unterschiedlichste Themen wie HR, IT, Finance
oder Procurement unter einem Dach vereinen?
Bauß: Innerhalb von HR hat das Zusammenlegen der Services einen hohen Mehrwert, weil wir immer wieder feststellen, dass die wissens- und transaktionsbasierten Themen eine
hohe Abhängigkeit voneinander haben. Daher kommt man im
HR-Bereich letztlich auf ein Modell, das auf der einen Seite
die Business Partner vorsieht, die sich als eine Art Co-Pilot
stark um die Belange des Business kümmern. Zudem hat man
H
R-Strategie-Themen. Auf der anderen Seite gibt es eine Art
HR-COO, bei dem alle Themen der Dienstleistungsmaschine
HR zusammenlaufen. Diese für HR typische Entwicklung wird
bei den meisten Unternehmen in naher Zukunft umgesetzt sein.
Multifunktionale Shared Services könnten ein nächster Schritt
sein. Was man dabei jedoch wohl kaum erreicht, sind Skalenvorteile in den Operations: Man wird schwer jemanden finden,
der morgens die Debitorenbuchhaltung macht, mittags einen
Arbeitsvertrag aufsetzt und sich nachmittags um die Beschaffungsabwicklung kümmert – jedenfalls nicht zu den in operativen Bereichen üblichen Kosten. Aus der Perspektive Steuerung
und Governance hingegen sehe ich klare Vorteile, zudem gibt
es der Wahrnehmung als „interner Dienstleister“ ein höheres
Gewicht.
DMR: Lassen Sie uns zum Abschluss einen Blick in die Zukunft
wagen: Bereits heute können uns Smartphone-Sprachassistenten
sagen, wie beispielsweise Bayern München gerade gegen Dortmund gespielt hat. Halten Sie es für denkbar, dass in absehbarer
Zukunft HR-Fragen ohne direktes Zutun Ihrer Mitarbeiter datenbankgestützt beantwortet werden?
Bauß: Für standardisierte Fragen wird das sicher möglich sein.
Die Technologie, insbesondere die Spracherkennung, verbessert
sich ja ständig.
Wir haben vor kurzem unser Sprachportal eingeführt. Dort kann
der Anrufer bereits jetzt mit einem Computer reden – in normalen Sätzen, nicht in Menükommandos. Auf dieser Grundlage
lernen wir permanent: Die nicht klar einzuordnenden Fragen
landen in „Sonstiges“. Anschließend können wir analysieren,
was der Kunde eigentlich wollte. Beim nächsten Mal landet eine
solche Anfrage nicht mehr bei „Sonstiges“, sondern wird zum
Beispiel zu „Payroll“ geroutet. Mittlerweile haben wir zirka 600
Begriffe aktiviert, und das System lernt ständig dazu.
Der Weg führt also mittelfristig ganz klar dorthin. Sobald wir
einerseits umfassend gelernt haben, wie der Kunde spricht, und
andererseits der Kunde Erfahrungen gesammelt hat, wie er mit
uns am besten interagiert, wird dieses Szenario kommen und
von vielen Unternehmen genutzt werden.
Wir haben bei uns im Konzern entschieden, dass wir die Shared
Services in den einzelnen, funktionalen Ebenen ausbreiten, also
als Erweiterung innerhalb Finance, HR, Procurement und der
Kommunikation. Ich könnte mir aber gut vorstellen, dass man,
wenn ein gewisser Reifegrad erreicht ist, diesen Weg der Zusammenlegung auch geht – dann nicht getrieben durch Economies
of Scale, sondern mit Blick auf Governance, klare Rollen und
Agieren auf Augenhöhe.
Joachim Bauß ist Sprecher der
G
eschäftsleitung HR Business
S
ervices, dem HR Shared ervice
S
der Deutschen Telekom mit
250.000 Kunden und 1.600
Mitarbeitern. Zuvor bekleidete der
Diplom-Kaufmann verschiedene
Positionen bei der Deutschen
T
elekom, Gruner & Jahr und
Booz Allen & Hamilton.
23
Detecon Management Report blue • 2013
26. Integral Business (Teil 1)
Umdenken – Wert steigern!
24
Detecon Management Report blue • 2013
27. Die Ausrichtung von Unternehmen an einem „integralen Geschäfts
modell“ ist zwingend notwendig, wenn wir die Balance in unserer Welt
aufrecht erhalten und eine lebenswerte Umwelt auf lange Sicht bewahren
wollen. Möglichst alle Perspektiven in das unternehmerische Handeln zu
integrieren und Lösungen daran zu messen, schafft langfristigen Wert.
gute Stimmung – die
Unter den Verbrauchernfürherrschtweiteres Wachstum voraus.
Konsumprognose sagt auch 2013
Aus der vierten Otto Group Trendstudie zum ethischen Konsum
geht jedoch hervor, dass für den Verbraucher immaterielle Werte
immer wichtiger werden: Er achtet stärker darauf, ob rodukte
P
in Einklang mit den Prinzipien der Nachhaltigkeit und Fairness
hergestellt werden.
Integrales Management als Wettbewerbsvorteil
Grün und ethisch zu handeln ist also „sexy“. Unternehmen,
die sich glaubhaft und sinnvoll in diesem Kontext positionieren, können Markenimage und Reputation verbessern – eine
große Chance, um neue Kunden und Segmente zu erschließen.
Aber auch auf der Kostenseite kann sich Nachhaltigkeit auszeichnen, zum Beispiel durch Reduzierung von überflüssigen
und redundanten Ressourcen, was darüber hinaus die Effizienz
steigert und nicht selten die Produktivität erhöht. Umweltund Energiemanagementsysteme bedeuten neben verbessertem
Umweltschutz ebenfalls Kosteneinsparungen durch ein aktives,
vorausschauendes Handeln.
Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit schließen sich nicht
aus, im Gegenteil. Erst die Integration all dieser verschiedenen
P
erspektiven – „integrales Management“ – macht ein erfolgreiches Unternehmen aus. „Integral“ bedeutet laut Oxford
D
ictionary „vollständig“, „alles einschließend“ oder „umfassend“. „Integral sein“ beinhaltet somit selbstverständlich die
ureigenste unternehmerische Intention, Gewinn zu machen
und Umsätze zu steigern. Ein „integrales Geschäftsmodell“
könnte also eine effektive Lösung für Unternehmen sein, wenn
es um die Unterstützung des sozialen und ökologischen Gleichgewichts innerhalb einer erfolgreichen Unternehmensführung
geht.
Für ein Unternehmen bedeutet das, nicht nur seine Auswirkung auf die Wirtschaft zu betrachten und die Bedeutung von
Umsatz und Gewinn hervorzuheben, sondern auch die größeren ökologischen und sozialen Auswirkungen auf Verbraucher,
Mitarbeiter, Communities, Zulieferer und sämtliche Mitglieder
dieser Gruppen zu berücksichtigen. Die Integration all dieser
unterschiedlichen Perspektiven ist notwendig, um neue ganzheitliche Lösungen mitzugestalten.
Streben nach integralem Transformationsprozess
Aus den Ergebnissen der Otto Group Trendstudie lässt sich
f
olgender Schluss ziehen: Kunden schätzen die Möglichkeit,
die Entwicklung und Transformation ganzheitlicher Unternehmen unterstützen zu können, indem sie „gute“ Produkte
mit positiven Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft
konsumieren. Wenn die Nachfrage steigt und Unternehmen
darauf reagieren, entwickelt sich ein „co-kreativer integraler
Transformations rozess“, in dem sich Unternehmen, Kunden,
p
die Gesellschaft und die Umwelt wechselseitig inspirieren und
einander so eeinflussen, dass sich daraus immer wieder neue
b
25
Detecon Management Report blue • 2013
28. geschäftliche Strukturen, Prozesse und Kulturen, neue Produkte
und Services, neue gesellschaftliche Strömungen und ökologische Ansätze ergeben. Die Abbildung fasst diesen Prozess zusammen.
Unternehmen verfügen durchaus über die Kraft und die Ressourcen, einen nachhaltigen Wandel mittels Integration der
Perspektiven von Mitarbeitern, Kunden, Gesellschaft und Umwelt zu überdenken und mitzugestalten, streckenweise sogar zu
initiieren. Der Aufbau eines integralen Unternehmens stellt sicherlich eine Herausforderung dar. Jedoch gibt es bereits viele
Unternehmen, die auf die eine oder andere Weise schon einen
co-kreativen Transformationsprozess mit den beziehungsweise
für die jeweiligen Stakeholder gestartet und es geschafft haben,
neue und stärker integrale Ansätze gemeinsam zu überdenken
und zu entwickeln. Henkel beispielsweise formuliert seine Partizipation am integralen Transformationsprozess wie folgt:
„In unseren Unternehmenswerten haben wir uns verpflichtet,
unsere führende Rolle im Bereich Nachhaltigkeit weiter auszubauen. Als Vorreiter im Bereich Nachhaltigkeit wollen wir neue
Lösungen für eine nachhaltige Entwicklung vorantreiben und
unser Geschäft verantwortungsvoll und wirtschaftlich erfolgreich weiterentwickeln. Das umfasst alle Aktivitäten unseres
Unternehmens – entlang der gesamten Wertschöpfungskette.
Auf Basis dieses Anspruchs haben wir unsere Nachhaltigkeitsstrategie bis 2030 entwickelt: Wir wollen mit weniger Ressourcen mehr erreichen und unsere Effizienz in den nächsten 20
Jahren verdreifachen. Angesichts weiter wachsender Bedürfnisse
und begrenzter natürlicher Ressourcen gilt es, sich stetig zu verbessern. Wichtige Schwerpunkte unserer Aktivitäten im Bereich
Nachhaltigkeit sind daher die vertiefte Einbindung unserer Mitarbeiter, die verstärkte Zusammenarbeit mit unseren Partnern
entlang der Wertschöpfungskette sowie die Weiterentwicklung
unserer Bewertungs-, Steuerungs- und Kommunikationsinstrumente.“, siehe www.henkel.de/nachhaltigkeit.
Es gibt mehrere Handlungsfelder, um den integralen Ansatz voranzutreiben. Diese Bereiche forcieren sowohl das Interne, beispielsweise die Anpassung der Unternehmenskultur und des Arbeitsumfelds, um die Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter zu
verbessern oder um die Geschäftsprozesse umweltfreundlicher
zu gestalten, als auch das Externe, das heißt die Transformation
der Produkte und Innovationen für Kunden und Gesellschaft.
Der integrale Transformationsprozess
Integrieren
Integraler Transformationsprozess
Organisatorische Perspektive
Kundenperspektive
Gesellschaftliche Perspektive
Umweltperspektive
• Modelle, Methoden,
Strukturen, Prozesse und
Kultur überdenken
• Produkte und Services
überdenken
• Überdenken gesellschaft licher Strukturen
und Lösungen
• Überdenken ökologischer
Ansätze
Ein „Integrales Unternehmen“ entwickelt gemeinsam mit und für Mitarbeiter, Kunden, Gesellschaft(en) und Umwelt.
Quelle: Detecon
26
Detecon Management Report blue • 2013
29. Gemeinsam eine neue Art von Unternehmenskultur
überdenken und entwickeln
Gemeinsam neue Lösungen für die Wertschöpfung
entwickeln
Man kann sagen, dass ein integrales Unternehmen eine „integrale Unternehmenskultur“ erfordert, die intern kommuniziert,
verstanden und praktiziert wird. Mitarbeiter und Manager müssen genau wissen, was eine integrale Vision und Mission sowie
ein integraler Wertschöpfungsprozess in Bezug auf ihr Unternehmen bedeutet, wenn sie dies gegenüber Stakeholdern glaubhaft kommunizieren und ihre Entscheidungen darauf basieren
wollen. Mit der Erstellung eines „nachhaltigen Lebensplans“ hat
Unilever es beispielsweise geschafft, eine unternehmensweite integrale Vision zu entwickeln und die Mitarbeiter bei der Gestaltung eines integralen Unternehmens aktiv mit einzubeziehen.
Nachhaltiges, profitables Wachstum kann nur erreicht werden,
wenn man eine Kultur etabliert hat, bei der Leistung und Werte übereinstimmen. Unilever integriert Nachhaltigkeit in seine
aktuellen Schulungsprogramme und bietet einwöchige Workshops über Themen wie „nachhaltige Marketing-Herausforderung“ an, um so das Umdenken ihrer Markenmanager zu unterstützen. Darüber hinaus werden nachhaltige Geschäftsideen,
die von den Mitarbeitern entwickelt werden, unterstützt und finanziell belohnt, damit sich dies auf allen Ebenen vollzieht. Die
Basis für ein „gutes“ Unternehmen bildet also die Formulierung
und Umsetzung einer integralen Vision und Kultur.
Im Fokus stehen Zulieferer-, Kunden- und Partneraktivitäten
entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Nur wenn alle
Beziehungen der ersten, zweiten und dritten Ebene an einen
integralen Transformationsprozess angepasst sind, entsteht
die Möglichkeit, ein echtes integrales Produkt sowie echte
integrale Nutzung zu entwickeln. Weiterhin sind indirekte
e
xterne aktoren – beispielsweise Umweltkosten, die von KunF
den aufgrund der Produktnutzung oder des Produkttransports veruracht werden – zu berücksichtigen und zu redus
zieren, um eine integrale Wertschöpfungskette entwickeln zu
können. Ein Beispiel in diesem Zusammenhang kommt aus
dem Möbelhaus IKEA. Das Unternehmen hat kürzlich damit
begonnen, die sogenannten „Scope 3 Emissionen“ in seine
Treibhausgasinventar-Daten
analyse einzubeziehen und ordnet diese Emissionen, die von den Kunden auf ihren An- und
Abfahrten zu den eschäften verursacht werden, indirekt den
G
Produkten zu (www.ghgprotocol.org). IKEAs GHG-Inventar
bestätigt, dass diese ktivität eine große Quelle der Emissionen
A
war, die 56 Prozent der esamten Emissionen ausmacht. Diese
g
Ergebnisse waren der Auslöser dafür, Geschäftsniederlassungen
in entraleren Lagen mit besserer öffentlicher Verkehrsanbinz
dung zu planen, um künftig An- und Abfahrten einschließlich
der damit verbundenen Emissionen zu reduzieren.
Gemeinsam Produkte und
Innovationen überdenken und entwickeln
Wenn man darüber hinaus der ständig wachsenden Nachfrage
nach „guten“ Dingen nachkommen will, müssen alle Produkte
und Services, vor allem aber die neuen Produktentwicklungen
und Innovationen, in Bezug auf Rohmaterialien, Produktion,
Vertrieb und Verwendung integral sein. Das Ziel sollte ein integrales Geschäftsmodell sein, das als Grundlage für jedes Element der Supply Chain gilt, das vom Unternehmen kontrolliert wird, nicht nur für das Endprodukt. Ein Beispiel für ein
hoch begehrtes Produkt mit einem kurzen Lebenszyklus und
erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt ist das Smartphone.
Smartphones enthalten zahlreiche giftige Chemikalien und
Rohmaterialien – zum Beispiel Zinn –, die häufig aus Quellen
mit unfairen Produktionsmethoden stammen. Apple hat kürzlich sein iPhone 5 durch Reduzierung einiger gefährlicher Komponenten verbessert und es damit zum umweltfreundlichsten
aller fabrikmäßig hergestellten Smartphones gemacht. Das ist
ein Schritt in die richtige Richtung.
Reputation für integrale Unternehmensführung aufbauen
Ebenfalls wichtig für eine integrale Unternehmensführung ist
der Aufbau einer Reputation, weil das öffentliche Image eines
Unternehmens von enormer Bedeutung ist. Mit dem integralen
Geschäftsmodell können Unternehmen insbesondere heute einen Wettbewerbsvorteil generieren, wenn sie innerhalb dieser
Bewegung eine führende Rolle einnehmen und ihre Position
dafür nutzen, sich von ihren Wettbewerbern abzuheben. Das
Employer Branding wird gestärkt, wenn potenzielle Bewerber
Kenntnis von der hervorragenden Reputation und dem Arbeitsumfeld erhalten – das trifft insbesondere dann zu, wenn
Fachkräftemangel auf dem Arbeitsmarkt herrscht. Ein Pionier
und Vorzeigeunternehmen in der Entwicklung bahnbrechender
Kampagnen zu Kommunikation grüner Visionen ist „The Body
Shop“, dessen gesamtes Image auf natürlicheren Schönheitsprodukten aufgebaut ist, die unter Einhaltung thischer Richtlinien
e
hergestellt werden.
Es lohnt sich, umzudenken!
27
Detecon Management Report blue • 2013
30. Integral Business (Teil 2)
Hands-on-Ansätze unterstützen
integrale Transformationsprozesse
Damit Nachhaltigkeit kein Lippenbekenntnis bleibt, müssen integrale
Geschäftsmodelle die Basis von Unternehmen bilden – in enger
Beziehung zu deren Kernkompetenzen. Wir zeigen beispielhaft
Hands-on-Ansätze, die integrale Transformationsprozesse unterstützen.
28
Detecon Management Report blue • 2013
31. Trend. Zahlreiche Unternehmen beN achhaltigkeit ist einden damit verbundenen Herausfordefassen sich bereits mit
Infrastruktur, Kunden und Finanzen eines Unternehmens zu
beschreiben. Diese Art Bauplan unterstützt Unternehmen bei
der Koordinierung ihrer Aktivitäten, indem es potenzielle Trade-offs und Inkonsistenzen aufzeigt und die Planung zu einem
konsequenteren Ergebnis führt.
rungen. Im Vordergrund steht aber häufig nur die Implementierung oberflächlicher, PR-orientierter Maßnahmen. Von der
Entwicklung eines umfassend nachhaltigen Geschäftsmodells,
das in enger Beziehung zu den Kernkompetenzen des Unternehmens steht, sind die meisten Unternehmen noch weit entfernt.
C
orporate Responsibility bedeutet, integriertes Management
und Technologie-Know-how produktiv aus wirtschaftlicher und
gesellschaftlicher Sicht zu nutzen. Wir stellen einige nsätze
A
vor, die diese Ausrichtung forcieren.
Zur Durchführung einer „integralen Geschäftsmodell-Analyse“
kann das Originalmodell durch Hinzufügen neuer Kriterien
einfach angepasst werden, um ein integrales Unternehmen im
Hinblick auf diese acht Bestandteile zu definieren. Die Bewertung der gesamten Value Proposition des Unternehmens bestimmt einen potenziell integralen Kern des Unternehmens. Vor
Beginn der Analyse sollten folgende Fragen gestellt werden wie:
„Liefern wir nachhaltige Werte aus ökologischer, wirtschaftlicher und sozialer Sicht?“, „Welche Nachhaltigkeitsbedürfnisse
können wir gegenwärtig befriedigen?“, „Sind unsere Produkte
und Services insgesamt nachhaltig?“
Geschäftsmodellbewertung und -klassifizierung
Zuerst ist zu prüfen, über wie viele integrale Bestandteile ein
Unternehmen bereits verfügt. Ein hilfreiches Tool für diesen
Schritt ist eine angepasste Version des “Business Model anvas“
C
nach Alexander Osterwalder. Allgemein formuliert beschreibt
ein Geschäftsmodell die logische Funktionsweise eines Unternehmens und die spezifische Art und Weise, mit der es Werte generiert. Das „Business Model Canvas“ ist ein Tool zur
Visualisierung von Geschäftsmodellen, ein strategisches Managementinstrument, das es ermöglicht, neue oder bestehende
Geschäftsmodelle zu entwickeln und zu skizzieren. Grundlage
bildet ein Chart mit acht Bestandteilen, um Value Proposition,
Nachdem der Ist-Zustand des bestehenden oder geplanten Unternehmens evaluiert wurde und die Lücken in einem integralen
Geschäftsmodell sichtbar geworden sind, kann das Unternehmen in eine der folgenden Nachhaltigkeitsgruppen eingeteilt
werden: soziales Unternehmen, grünes Unternehmen, mitarbeiterfreundliches Unternehmen, eine Mischung aus diesen Kategorien oder – schlimmstenfalls – keines von allen.
Abbildung 1: Klassifizierung integraler Geschäftsmodelle
Sozial
Unternehmen zeigt Verantwortungsgefühl für die Gesellschaft und
engagiert sich regelmäßig in sozialen
Projekten, durch Geldspenden oder
Organisation von Initiativen für
soziale Gerechtigkeit.
Mitarbeiterfreundlich
Unternehmen sorgt für die
Mitarbeiter und verfügt über
ein umfangreiches Serviceangebot sowie Arbeitsmodelle,
die die Mitarbeiter in allen
Phasen ihres Lebens unterstützen.
Integrales
Unternehmen
„Grün“
Unternehmen richtet sich
konsequent auf das Angebot nachhaltiger Produkte und Services
aus, etabliert interne Programme
zu Energieeinsparung, Abfall
entsorgung oder Recycling.
Quelle: Detecon
29
Detecon Management Report blue • 2013
32. Nachdem die Lücken identifiziert und Möglichkeiten zur Verbesserung bestimmt wurden, muss ein Maßnahmenplan (Abb.
2), der idealerweise mehrere Tätigkeitsfelder beinhaltet, entwickelt werden. Der Transformationsprozess sollte mindestens
zwei Bereiche umfassen: Erstens sollte das Unternehmen intern
transformiert werden, das heißt eine integrale Unternehmenskultur und ein integrales Arbeitsumfeld entwickeln, und zweitens externe Bestandteile anpassen, die sowohl den Kunden, die
Gesellschaft als auch die Umwelt betreffen. Diese Maßnahmen
können equenziell, parallel oder schrittweise erfolgen.
s
innovativer Formate können eine hohe Akzeptanz für diese
Leitlinien erzeugen. Ein Beispiel hierfür ist die Workshop-Methode „World Café“ nach Brown und Isaacs. Dieses einfache,
effektive und exible Format ermöglicht den Dialog innerhalb
fl
großer Gruppen. Es kann so angepasst werden, dass es extrem
unterschiedliche Anforderungen in Bezug auf Kontext, Anzahl
der Teilnehmer, Ort und andere Faktoren erfüllt. Der Ansatz
des World Cafés beinhaltet, eine Atmosphäre zu erzeugen, die
der eines Cafés entspricht: kleine Tische, an denen nur wenige Personen sitzen, die in ieser entspannten Atmosphäre ofd
fen über Themen diskutieren und gemeinsam Leitlinien für ein
integrales Unternehmen entwickeln. Außerdem unterstützt der
Aufbau einer „integralen Business Community“ mit den am
stärksten engagierten Teilnehmern aus vielen unterschiedlichen
Bereichen die Verbreitung und Umsetzung der Leitlinien und
weiteren Initiativen.
Das erste Tätigkeitsfeld in Abbildung 2 veranschaulicht, dass
eine integrale Unternehmenskultur etabliert sein muss, die Engagement erzeugt und gewährleistet, dass jede Entscheidung der
Philosophie eines integralen Unternehmens entspricht. Das Unternehmen sollte Leitlinien entwickeln, die Vision und Zielsetzung eines integralen Unternehmens vermitteln. Die Nutzung
Ein nächster Schritt könnte sein, das Unternehmen umweltfreundlich zu gestalten. Dies beinhaltet, zum einen alle internen
Unternehmensprozesse im Hinblick auf ihre ökologische Auswirkung zu analysieren, zum anderen die Produkte und Dienstleistungen hinsichtlich ihrer ökologischen Einflussfaktoren zu
untersuchen. Hierzu ist es wichtig, diejenigen Aktivitäten unter
Will ein Unternehmen den Status eines „integralen Unternehmens“ erreichen, muss es die Bestandteile aller drei Kategorien
erfüllen. Dies ist heute leider noch sehr selten der Fall.
Integrale Business Transformation
Abbildung 2: Plan zur integralen Business Transformation
Sozial
Mitarbeiterfreundlich
Faire Auslastungsplanung, Job-Sharing,
gleitende Arbeitszeit, Heimarbeit,
Freizeit
CO2-Management, grüne IT,
Papier-Recycling, Car-Sharing
Change & Transition Management
Quelle: Detecon
30
Detecon Management Report blue • 2013
Produktion Innovation
Grün
Büroausstattung & medizinische
Kontrolluntersuchungen, kostenlose
Bereitstellung von Obst & Wasser
Inside-Out- und Outside-In-Transformation
Grüne Produkte & Services,
aufstrebende Märkte adressieren
Image
Nachhaltigkeitsgruppen
Kultur
Kosten
& Umsatzerlöse
Arbeitsplatz
Wert
& Supply
Chain
TWM
USP
Leitlinien, Team-Events, World Café
Greening
Das integrale Geschäftsmodell Canvas
Interne Business Transformation
Neuer Firmenname/Logo/Slogan,
Unterstützung sozialer Initiativen,
öffentliche Veranstaltungen
KPIs
Bewertung & Klassifizierung
Balanced Scorecard
Überprüfung Zulieferer,
Insourcing/Near-Sourcing
33. die Lupe zu nehmen, die viel Energie und andere Brennstoffe
verbrauchen, und Möglichkeiten zu finden, Materialien, Komponenten oder Prozesse durch nachhaltige Lösungen zu ersetzen. Ein simples Beispiel hierfür ist der Einsatz von RecyclingPapier, komplexer ist die Einführung des Car-Sharing als neues
Mobilitätskonzept innerhalb der Mitarbeiterschaft.
linien eines „integralen Unternehmens“ ausrichtet, zeigt somit
einen Weg auf, soziale und ökologische Ziele zu erreichen und
diese vollständig in die wirtschaftliche Leistung und den Wettbewerbsvorteil zu integrieren.
Was gemessen wird, wird auch gemacht!
Neben den hier genannten Ansätzen existieren viele eitere,
w
etablierte Tools, die durch die Einbeziehung zusätzlicher
P
erspektiven weiterentwickelt werden können, um den integralen Transformationsprozess zu unterstützen. Wir freuen uns,
unsere Arbeit mit unseren Kunden in dieser Richtung fortsetzen
zu können und integrale Transformationsprozesse auf vielen
Ebenen und in einem breitgefächerten Umfang initiieren und
begleiten zu können. Wir erhalten vielfach eine Bestätigung
darüber, dass dies eine optimale Möglichkeit ist, Werte für Individuen, Unternehmen, Gesellschaft und Umwelt zu steigern.
Was könnte angesichts der Herausforderungen, denen wir im
21. Jahrhundert gegenüberstehen, wichtiger sein?
Um die Umsetzung der Aktivitäten sowie die daraus resultierenden Konsequenzen verfolgen zu können, ist ein strukturierter
und organisierter Prozess auf Basis von festgelegten Kennzahlen
erforderlich. Zu diesem Zweck kann die Balanced Scorecard
nach Kaplan und Norton ein strategisches Führungsinstrument
zur Ausrichtung eines Unternehmens an den festgelegten Zielen, eingesetzt werden. Der Einsatz dieses Tools macht strategische Ziele messbar und über die Ableitung von Maßnahmen
umsetzbar. Hierzu wird die ision in operative Ziele übersetzt
V
und anschließend mit individuellen Leistungszielen in Beziehung gesetzt, die ontinuierlich überwacht und an die stratek
gischen Änderungen entsprechend angepasst werden. Manager
sind bei Einsatz ieses Tools durchgehend gefordert, sich auf die
d
Schwächen zu onzentrieren und leistungsfördernd zu agieren.
k
Eine strategiebasierte Balanced Scorecard, die sich an den Leit-
Jetzt in Angriff nehmen!
Initiativen
Zielwerte
„Wie treten wir gegenüber
unseren Aktionären auf, um
finanziell erfolgreich sein?“
KPIs/Maßnahmen
Finanzen
Strategische Ziele
Abbildung 3: Die Balanced Scorecard
Initiativen
Zielwerte
Vision und Strategie
Initiativen
„Wie lässt sich unsere Wandlungsfähigkeit aufrechterhalten und verbessern, damit
wir unsere Vision umsetzen
können?“
Zielwerte
Lernen und Wachstum
KPIs/Maßnahmen
Eigentümer
Strategische Ziele
Eigentümer
KPIs/Maßnahmen
„Welche Geschäftsprozesse
sind erfolgskritisch, um
unsere Aktionäre und Kunden
zufriedenzustellen?“
Strategische Ziele
Initiativen
Interne Geschäftsprozesse
Zielwerte
„Wie treten wir gegenüber
unseren Kunden auf, um
unsere Vision umzusetzen?“
KPIs/Maßnahmen
Kunden
Strategische Ziele
Eigentümer
Eigentümer
Quelle: www.smartkpis.com
31
Detecon Management Report blue • 2013
34. Im Gespräch mit Dr. Ignacio Campino, Vorstand Desertec Foundation
Transformation im Kontext
von Klimawandel und anderen
globalen Herausforderungen
32
Detecon Management Report blue • 2013
35. Transformation Management kennen viele aus einer streng organisatorischen Perspektive.
Grundsätzlich umfasst es aber auch Aspekte der gesellschaftlichen und ökologischen Transformation.
Unternehmen müssen diese Perspektiven überdenken und in ihre
Innovations- und Transformationsprozesse integrieren.
DMR: Herr Dr. Campino, Sie sind ein international anerkannter und gut vernetzter Experte in Sachen Klimawandel
und Geschäftsührer der DESERTEC Foundation. Bevor Sie
f
zu esertec kamen, waren Sie bei der Deutschen Telekom
D
als Vorstandsvertreter für Nachhaltigkeit und Klimaschutz tätig. Sie haben grarwissenschaften in Chile studiert und sich in
A
Ihrer Dissertation schwerpunktmäßig mit der Ökologie auseinandergesetzt. Was bedeutet Transformation vor diesem Hintergrund für Sie? Und was sind Ihrer Meinung nach die dringendsten Probleme, die wir im 21. Jahrhundert in Angriff nehmen
müssen?
Ignacio: Wir – die globale Gesellschaft – steuern in eine neue,
unbekannte und ungewisse Zukunft. Manchmal kokettieren
die Leute mit der Ungewissheit der Zukunft und geben clevere
Z
itate bekannter Persönlichkeiten zum Besten. Die Ungewissheit der Zukunft ist jedoch relativ. Die Wissenschaft ermöglicht
uns heute, einige Entwicklungen ziemlich präzise vorherzusagen. Ich habe gelegentlich den Eindruck, dass das Kokettieren
mit der Ungewissheit der Zukunft in diesem Fall ein Selbstverteidigungsmechanismus ist, der uns vor dem schützt, was wir
wissen, aber nicht akzeptieren wollen. Warum nicht? Weil die
Signale allzu deutlich sind und die Konsequenzen des Weitermachens wie bisher für viele Menschen in der Welt verheerende
Auswirkungen haben könnten.
Ich mache mir durchaus Sorgen um unsere Zukunft, bin aber
nicht pessimistisch. Pessimistisch sein bedeutet, ohne Hoffnung zu sein. Das trifft ganz und gar nicht auf mich zu. Viele
Ökologen, Soziologen und Politiker und auch Wirtschaftsführer sind sich darüber im Klaren, dass unsere Gesellschaft einen
Wandel braucht, um sich auf die Zukunft vorzubereiten. Die
Herausforderung besteht darin, wie wir all unsere gegenwärtigen Bemühungen bündeln und in eine gemeinsame Richtung
steuern können. Das ist der zentrale Punkt. Aber zu erreichen,
dass alle an einem Strang ziehen, bedeutet, dass die Gesellschaft
ein gemeinsames Verständnis darüber erzielen muss, in welche
Richtung sie steuern will. Darüber wurde bislang noch keine
Einigung erzielt. Wir hören und lesen, dass unsere Gesellschaft
nachhaltiger sein sollte. Aber was bedeutet das? Wir haben noch
keine Definition für Nachhaltigkeit, die weitgehend akzeptiert
ist.
DMR: Vandana Shiva hat im World Future Council eine hervorragende Definition über Nachhaltigkeit verwendet: „In meiner Kultur […] haben wir all unsere Handlungen grundsätzlich danach beurteilt, welche Auswirkungen diese auf die siebte
Generation haben werden. Wenn sie der siebten Generation
schaden werden, dann werden wir diese Handlung unterlassen.
Wenn es für sie von Vorteil sein wird, dann kann man es machen. Das ist ein echter Test für Nachhaltigkeit.“ Wie denken
Sie darüber?
Ignacio: Ich hatte das Glück, Vandana Shiva vor zwei Jahren
persönlich zu treffen. Es war sehr beeindruckend, einer Person
zu begegnen, die so viel Freundlichkeit ausstrahlt und gleichzeitig solche handfesten Argumente vorbringt.
Ich bin kein Hindu, und daher ist es manchmal schwierig, die
Konsequenzen unseres Handelns bis zur siebten Generation
nachvollziehen zu können. In der Bibel gibt es eine Stelle, in der
es heißt, dass Gott die Missetaten der Väter an den Kindern bis
ins dritte und vierte Glied heimsucht. Unsere Vorfahren haben
offensichtlich intensiver über die Konsequenzen ihres Handelns
in Bezug auf Menschen und Umwelt nachgedacht, als wir es
heute mit unserem kurzfristigen Denken zu tun vermögen.
Wahrscheinlich haben die vermeintlichen Vorteile der modernen Technik zu einer Art Sicherheitsdenken geführt, das wir
heute als falsch anerkennen müssen. Wissenschaftler haben
Computersimulationsprogramme entwickelt, mit denen mögliche Klimaveränderungen und insbesondere solche abgebildet
werden können, die die Konzentration von Treibhausgasen verursachen. All diese Szenarien sind sehr ernst zu nehmen, und
wir können diese Ergebnisse nicht ignorieren.
DMR: Die DESERTEC Foundation stützt sich auf einen sozialen Innovation Business Case und bringt in den Wüsten dieser Welt modernste Technologie zum Einsatz, um Sonnenlicht
und Wind in Energie umzuwandeln. Technisch betrachtet sind
Mittel und Wege zur Ausnutzung der fast unerschöpflichen Ressourcen der Sonnenenergie seit Jahrzehnten verfügbar. Unsere
Gesellschaft hat es bislang jedoch nicht geschafft, eine Garantie
dafür abzugeben, dass künftige Generationen keine Nachteile
33
Detecon Management Report blue • 2013