1. Ohm-Gymnasium Erlangen
Schuljahr 2006/07
Facharbeit aus dem Leistungskurs Physik
Supraleitung
Einführung und spezielle Anwendungen
von
Manuel Breunle, 13. Jahrgangsstufe
Abgabetermin: 26.01.2007
Bewertung: Punktzahl:_________________(in Worten):________________
___________________________
(Unterschrift des Kursleiters)
2. Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung………………………………………………………………………………......3
2. Was ist ein Supraleiter? …………………………………………………………………....3
2.1 Deutung der Supraleitung mit der BCS-Theorie………………………………………4
3. Geschichte…………………………………………………………….................................5
4. Grenzen des supraleitenden Zustandes…………………………………………………….8
4.1 Kritische Temperatur (Tc)…………………………………………………………..…9
4.2 Kritische Feldstärke (Hc)……………………………………………………………...9
4.3 Kritische Stromdichte (jc)…………………………………………………………....10
5. Klassifizierung der verschiedenartigen Supraleiter……………………………………...11
5.1 Typ-I-Supraleiter…………………………………………………………………….11
5.2 Typ-II-Supraleiter……………………………………………………………………12
5.3 Typ-III-Supraleiter…………………………………………………………………...14
5.4 Hochtemperatursupraleiter (HTS) …………………………………………………..15
6. Phänomene der Supraleitung……………………………………………………………..16
6.1 Meissner-Ochsenfelder-Effekt……………………………………………………….16
6.2 Josephson-Effekt……………………………………………………………………..17
7. Anwendungen...…………………………………………………………………………..19
7.1 Optimierte Anwendungen…………………………………………………………...19
7.1.1Verlustfreie Stromleitungen…………………………………………………..19
7.1.2Leistungsstarke Magnete……………………………………………………...20
7.1.3Effizientere Induktionsmaschinen…………………………………………….21
7.2 Neuartige Anwendungen……………………………………………………………21
7.2.1Magnetische Levitation (Maglev)…………………………………………….22
7.2.2SQUID’s……………………………………………………………………...22
7.2.3Selbststabilisierendes supraleitendes Magnetlager…………………………...24
7.2.4Schwungrad Energiespeicher…………………………………………………24
8. Schlusswort………………………………………………………………………………...25
Danksagung………………………………………………………………………………..25
Literaturverzeichnis………………………………………………………………………..25
Erklärung…………………………………………………………………………………..27
Anhang
3. 3
1. Einleitung
Der Begriff „Supraleitung“ ist vielen Leuten bekannt, aber nur sehr wenige wissen auch, was
er bedeutet. So denken die meisten, dass mit Supraleitung vielleicht ein Stromkabel gemeint
ist, das den Strom besser leitet als ein herkömmliches Kupferkabel. Im Grunde stimmt das,
nur hat die Supraleitung auch noch viele andere Eigenschaften, mit denen wir konfrontiert
werden, von denen wir aber nicht wissen, dass diese mit der Supraleitung zusammenhängen.
Magnetschwebebahn, Kernspintomograph (MRT) oder Gehirnstrommessgeräte sind nur
einige der unzähligen Anwendungsbeispiele, denen wir schon heute begegnen und von denen
man nicht weiss, dass sie dem Gebiet der Supraleitung zuzuordnen ist. Das Gebiet der
Supraleitung ist keineswegs Neuland für die moderne Physik, im Gegenteil, es ist sogar heute
schon fester Bestandteil einiger Maschinen und Einrichtungen in der hochtechnischen
Wirtschaft. Dieses Gebiet der Physik ist mit seinen gerade einmal 95 Jahren noch relativ jung
und keineswegs schon komplett erforscht. An den besten Universitäten dieser Welt wird
spätestens seit Entdeckung der Hochtemperatursupraleiter (HTS) 1986 eifrig an neuen HTS
gearbeitet. Bei der Entdeckung von Materialien, die bei höheren Temperaturen supraleitend
werden, gibt es ein weltweites Kopf an Kopf Rennen. Denn mit 2,3 Mrd. € (2000) Investition
ist die Forschung an Supraleitern nicht nur wissenschaftlich, sondern nun auch wirtschaftlich
von großem Interesse (siehe Anhang).
In dieser Arbeit lege ich die Grundlagen der Supraleitung dar und erläutere sie. Zuerst erkläre
ich, was die Supraleitung eigentlich ist und wie sie wissenschaftlich erklärt wird. Danach
mache ich einen kleinen Exkurs in die Geschichte der Supraleitung, von deren Entdeckung
über die vielen Nobelpreise bis hin zur Verwirklichung theoretischer Ideen in der modernen
Technik. Anschließend liste ich die Grenzen der Supraleitung mit deren Fachbegriffen auf,
und im folgenden Abschnitt teile ich die Supraleiter anhand ihrer speziellen Eigenschaften in
Klassen ein. Danach erkläre ich die Phänomene der Supraleitung mit dem Verdrängen eines
äußeren Magnetfeldes aus einem Supraleiter sowie dessen Eindringtiefe und dem Auftreten
eines besonderen Effektes durch spezielle Schaltung zweier Supraleiter mit deren
Verwendung in einem hochtechnischen Bauelement zur Messung extrem kleiner
Magnetfelder. Und abschließend gehe ich noch auf die optimierten und die neuartigen
Anwendungsmöglichkeiten näher ein. Bei optimierten Anwendungen handelt es sich um
schon bestehende Erfindungen, die aber durch den Einsatz von Supraleitern optimiert werden
und dadurch viel wirtschaftlicher, effizienter und leistungsstärker als die Erfindungen mit
herkömmlichen normalleitenden Stromkabeln sind. Und bei den neuartigen Anwendungen
führe ich einige Beispiele für Erfindungen auf, die es nur dank der Supraleitung gibt.
2. Was ist ein Supraleiter?
Ein Supraleiter besteht aus einem Element oder einer Verbindung, welche(s) unterhalb einer
stoffspezifischen Temperatur seinen elektrischen Widerstand verliert und somit einen Strom
verlustfrei leitet. Außerdem besitzen Supraleiter im Gegensatz zu den idealen Leitern noch
die spezielle Eigenschaft ein äußeres Magnetfeld aus dem Inneren des Supraleiters zu
verdrängen. Dies ist die Grundlage der Levitation einer supraleitenden Probe über einem
Magneten. Nach der Regel von Mathias werden die Stoffe mit ungeraden Valenzelektronen
zu perfekten Supraleitern. Thermodynamisch wird der Übergang vom normalleitenden in den
supraleitenden Zustand als ein Phasenübergang, wie vom gasförmigen in den flüssigen
Zustand, bezeichnet.
4. 4
2.1 Deutung der Supraleitung mit der BCS-Theorie
Zuerst ist es nützlich, sich noch einmal die Leitungsvorgänge in einem normalen Leiter
anzuschauen, denn dann fällt die Deutung bei einem Supraleiter leichter. In einem normalen
Leiter liegt die so genannte metallische Bindung vor, die aus dem Atomgitter, positiv
geladene Atomrümpfen, und den freien einzelnen delokalisierten Valenzelektronen besteht.
Da die Elektronen frei beweglich in einem Art „Elektronengas“ vorliegen, sind sie
verantwortlich für die Stromleitfähigkeit, Wärmeleitfähigkeit und den metallischen Glanz von
Metallen und Legierungen. Der elektrische Widerstand begründet sich in der Tatsache, dass
die Elektronen aufgrund von Gitterverunreinigungen, Gitterschwingungen der Atomrümpfe
sowie Streuprozessen der Elektronen selbst gebremst werden und somit Energie verlieren.
Als die ersten Elemente auf ihre Supraleitfähigkeit getestet wurden, stellte man fest, dass es
einen Unterschied der Sprungtemperaturen bei den einzelnen Isotopen eines Elements gibt.
Daraus schlossen die Forscher, dass die Atommasse mit dem Übergang in die Supraleitung
zusammenhängt. Diese Besonderheit heißt Isotopeneffekt oder Isotopieeffekt. Auf diesem
Weg suchten die Forscher weiter um eine einheitliche Theorie für die Supraleitung
aufzustellen. Dies dauerte aber bis 1957, bis die Forscher John Bardeen, Leon N. Cooper und
John R. Schrieffer die konventionelle Supraleitung in ihrer nach ihnen benannten BCS-
Theorie theoretisch erklärten. Die Forscher wussten, dass Supraleiter Festkörper sind, von
denen bekannt ist, dass ihre Atome bei hohen Temperaturen sich stärker um ihren „festen“
Platz im Atomgitter bewegen und bei kleinen Temperaturen es genau umgekehrt ist. In den
ersten Ansätzen der Forscher befassten sie sich mit dem Zusammenhang zwischen den tiefen
Temperaturen und dem Atomgitter. Und da man bei Supraleitern sehr nahe dem absoluten
Nullpunkt ist, ist die Gitterschwingung nicht so stark, dass sie die Elektronen abbremsen.
Diese Tatsache war schon früher bekannt, dass der elektrische Widerstand abnimmt wenn die
Temperatur geringer wird. Dies erklärt aber nicht die Supraleitung denn sie tritt sprunghaft
auf und ist von Material zu Material unterschiedlich. Der entscheidende Faktor bei der
Supraleitung ist, dass unterhalb der stoffspezifischen Sprungtemperatur die Bewegung der
Elektronen mit ihrer negativen Elementarladung einen größeren Einfluss auf das Atomgitter
hat als normalerweise andersherum. Wenn nun ein Elektron langsam genug ist (also keine zu
große Stromdichte vorliegt) und das Gitter sich ebenfalls langsam genug bewegt (daher nur
unterhalb einer kritischen Temperatur), dann zieht das Elektron die Atomrümpfe so an, dass
eine „Welle“ im Gitter entsteht, die aber verzögert wieder abklingt.
Bild 1: Ein Elektron erzeugt eine Deformationsspur im Atomgitter [1]
Bild 1 zeigt deutlich, wie sich die Atomrümpfe zum Elektron bewegen. Wenn nun die positiv
geladenen Atomrümpfe sich nähern, dann entsteht eine verstärkte positive Ladungsdichte, die
eine große Anziehungskraft auf ein neues Elektron ausübt. So wird ein zweites Elektron
5. 5
angezogen, und wenn sich nun dieses so nahe an das alte Elektron annähert, das sogar die
abstoßende Coulombkraft überwunden werden kann, können sich diese beiden Elektronen zu
einem so genannten Cooper-Paar verbinden. Diese Cooper-Paare sind für den
widerstandslosen Stromtransport in einem Supraleiter verantwortlich.
Hinzu kommt aber noch, dass das Cooper-Paar einen geradzahligen Spin hat und somit zu den
Bosonen gehört. Das Elektron hingegen hat einen ungeradzahligen Spin und gehört somit zur
Familie der Fermionen. Daraus folgt, dass die Cooper-Paare nicht dem Pauli-Prinzip
unterliegen, was besagt, dass mehrere Teilchen nicht den gleichen Quantenzustand einnehmen
können. Dagegen besagt die Bose-Einstein-Statistik, dass Teilchen mit ganzzahlige Spin ein
und denselben Quantenzustand einnehmen können. Dies ist nicht nur energetisch stabiler,
sondern nun kann auch eine den ganzen Festkörper überspannende Wellenfunktion für die
theoretische Erklärung herangezogen werden. Und diese Wellenfunktion kann nicht mehr von
lokalen Hindernissen wie Gitterverunreinigungen oder der Gitterschwingung beeinflusst
werden und garantiert somit einen widerstandslosen Ladungstransport. Zusätzlich dazu kann
man noch die Heisenberg’sche Unschärferelation zur Erklärung des Quantenzustandes der
Cooper-Paare heranziehen. Die besagt, dass der Ort und der Impuls eines Teilchens nicht
gleichzeitig bestimmt werden können. Doch da das Cooper-Paar aus zwei Elektronen besteht,
die den betragsmäßig gleichen aber entgegengesetzten Impuls haben, ergibt deren Summe 0.
Wenn der Impuls 0 ist, kann der Ort überhaupt nicht bestimmt werden. Somit kann sich nach
der Quantenphysik ein Cooper-Paar überall im Supraleiter befinden. Eine ausführliche
Erklärung der BCS-Theorie benötigt die Quantenmechanik, auf die ich hier aber nicht weiter
eingehen möchte.
Nun hat aber auch die BCS-Theorie ihre Grenzen. Bei zu großer Energieeinwirkung passiert
es, dass sich die Cooper-Paare wieder aufspalten. Dies kann passieren durch einen erhöhten
Stromfluss, ein zu starkes äußeres Magnetfeld, bei Bestrahlung oder bei zu hoher Temperatur.
Denn bei zu hoher Temperatur wird die Gitterschwingung wieder so stark, dass alle Cooper-
Paare aufgebrochen werden und es wieder einen elektrischen Widerstand gibt. Rein nach
theoretischen Überlegungen und mathematischen Berechnungen kann die BCS-Theorie nur
bis zu einer Temperatur von ca. 40 K (-233°C) bei metallischen Leitern angewandt werden,
da sonst die thermische Energie des Atomgitters zu groß ist.
3. Geschichte
Anfang des 20. Jahrhunderts forschte man eifrig am Verhalten elektrischer Leiter bei tiefen
Temperaturen. Bevor man beginnt mit Experimenten das Verhalten zu erforschen, macht man
immer theoretische Ansätze darüber, was passieren könnte (Bild 2). So glaubte Lord Kelvin,
dass der Widerstand beim absoluten Nullpunkt ins Unendliche steigen wird, weil die
Elektronen aufgrund der sehr tiefen Temperaturen sich nicht mehr bewegen könnten. Denn je
kälter es ist desto weniger bewegen sich die Teilchen. Der deutsche Physiker Matthiessen
hingegen vermutete, dass sich der Widerstand bei einem bestimmten Restwert einpendeln
würde. Doch der niederländische Physiker Heike Kamerlingh Onnes und der schottische
Chemiker Dewar vermuteten, dass der Widerstand sich kontinuierlich gegen Null bewegen
würde und bei 0 K verschwindet.
Heike Kamerlingh Onnes forschte zu der Zeit auch an der Verflüssigung von Helium. Als es
ihm 1908 gelungen war, konnte er sich den elektrischen Leitern widmen, da er diese nun auf
1,7 K herunterkühlen konnte, was zu dieser Zeit eine beeindruckende Leistung war. Bei
seinem Experiment 1911 zur Untersuchung des elektrischen Widerstands von Quecksilber bei
extrem tiefen Temperaturen bekam er ein verblüffendes Ergebnis, das ihn anfangs aber an
6. 6
seinen Methoden und Messgeräten zweifeln ließ. Denn sein Ergebnis war das Verschwinden
des elektrischen Widerstands bei 4,19 K (Bild 3). Aber nach mehreren erneuten Versuchen
Bild 2: Vorstellung des Verlaufs des elektr. Widerstands bei tiefen Temperaturen (ca. 1900) [2]
akzeptierte Onnes das Ergebnis und nannte dieses erstaunliche Phänomen „Supraleitung“. Für
diese herausragende Leistung erhielt Onnes den Nobelpreis für Physik 1913
"aus Anlass seiner Untersuchungen über die Eigenschaften von Körpern bei
niedrigen Temperaturen, die unter anderem zur Darstellung von flüssigem Helium
führten".[A]
Aus diesem Satz geht zwar nur indirekt hervor, dass Onnes für das Phänomen der
Supraleitung den Nobelpreis bekam, denn die Verflüssigung von Helium war für die damalige
Zeit weitaus erstaunlicher. Zu dieser Zeit konnte noch niemand wissen, was für ein
verblüffendes und auch wichtiges Phänomen die Supraleitung ist. Dies war erst der Anfang
einer beeindruckenden Geschichte eines physikalischen Phänomens. Nach diesem mehr als
verdienten Nobelpreis folgten noch vier andere Nobelpreise für Physik auf dem Gebiet der
Supraleitung und mit deren Hilfe folgten sogar noch zwei Nobelpreise für Medizin und zwei
für Chemie. Die Supraleitung spielte eine indirekte Rolle, dennoch hätten die Leistungen der
Forscher ohne die Supraleitung nie erzielt werden können. Supraleiter verhalfen den MRT zu
einer höheren Leistung und Präzision. Und mit diesen Eigenschaften schafften die
Wissenschaftler die nobelpreiswürdigen Ergebnisse.
Bild 3: Verschwinden des Widerstands bei Quecksilber [2]
7. 7
Nach der glorreichen Entdeckung der Supraleitung gab es einen regelgerechten Boom. Die
Wissenschaftler versuchten erstens die Supraleitung theoretisch zu deuten und zweitens
wollten sie einen Supraleiter finden der bei Raumtemperatur (ca. 20° C = 293 K) funktioniert.
Doch in den kommenden Jahrzehnten kam Enttäuschung auf, da man keinen Supraleiter fand
dessen Sprungtemperatur signifikant anstieg. Stattdessen verblieb der Rekord bei gerade
einmal 23 K. Bei dieser Sprungtemperatur war eine wirtschaftliche Nutzung der Supraleitung
äußerst ungünstig. Schließlich kam in den 1930ern die erste phänomenologische Deutung der
Supraleitung; aufgestellt von den deutschen Physikern Fritz und Heinz London. Als weitere
Deutung erschien 1950 die Ginsburg-Landau-Theorie. Aber die noch heute bestehende und
weltweit anerkannte Theorie ist die 1957 von den drei amerikanischen Physikern Bardeen,
Cooper und Schrieffer aufgestellte BCS-Theorie. Für diese bahnbrechende Theorie erhielten
die drei Wissenschaftler den Nobelpreis für Physik 1972
"für ihre gemeinsam entwickelte Theorie des Supraleitungsphänomens, auch BCS-
Theorie (Bardeen-Cooper-Schrieffer Theorie) genannt".[A]
In der Geschichte der Supraleitung gibt es auch interessante Entdeckungen. So sagte der 1962
gerade einmal 22 jährige britische Physiker Brian D. Josephson die Tatsache vorher, dass
zwischen zwei Supraleitern, die durch eine dünne nicht leitende Schicht voneinander getrennt
sind, ein Suprastrom fließt. Diese Tatsache ist auch besser bekannt als Josephson-Effekt. Für
diese erstaunliche Deutung erhielt er den Nobelpreis für Physik 1973
"für seine theoretische Vorhersage von Eigenschaften bei einer Supraströmung durch
eine Tunnel-Barriere, insbesondere jene Phänomene, die allgemein als Josephson-Effekt
bekannt sind".[A]
Auf diesen Effekt und zu dem Bauelement, das dadurch entstand, geh ich später noch genauer
ein. Nachdem man nun endlich die Supraleitung auch theoretisch begründen konnte stellte
sich aber eine Resignation der Erforschung neuer Supraleiter mit höheren
Sprungtemperaturen ein. Doch dies sollte nicht lange Bestand haben, denn durch eine
bahnbrechende Entdeckung änderte sich die bis dahin gekannte Supraleitung schlagartig. Im
Jahr 1986 entdeckten der deutsche Physiker Johannes G. Bednorz und der schweizerische
Physiker Karl A. Müller eine keramische Verbindung, die bei einer Sprungtemperatur von
35 K supraleitend wurde, und nannten diese Art Hochtemperatursupraleiter (HTS). Dies löste
einen erneuten Boom aus und spornte die Forscher an, endlich ihrem Ziel, der Supraleitung
bei höheren Temperaturen ein Stück näher zu kommen. Auf dieses Thema werde ich auch
noch im Zuge meiner Arbeit genauer hinweisen. Für diese beeindruckende Entdeckung
erhielten die beiden Wissenschaftler den Nobelpreis für Physik 1987
"für ihre bahnbrechende Entdeckung von Supraleitung in keramischen Materialien".[A]
In den kommenden Jahren wurde eine Vielzahl von neuen HTS mit höheren
Sprungtemperaturen gefunden. Ein entscheidender Schritt war die Entdeckung von
Yttriumkuprat 1987, denn zum ersten Mal lag die Sprungtemperatur von 90 K über dem
Siedepunkt von Stickstoff (77 K). Somit konnte nun mit flüssigem Stickstoff gekühlt werden,
was viel wirtschaftlicher war, als mit Helium zu kühlen. Die Erforschung der keramischen
Materialien ging unterdessen stetig weiter. 1988 fand man bei Bismutkuprat die Supraleitung
schon bei 110 K. Und der bis heute bestehende Rekord für einen Supraleiter mit der höchsten
Sprungtemperatur ist die mit 155 K 1993 gefundene Quecksilberkupratverbindung. Sie wurde
an der ETH Zürich entdeckt und schafft unter Hochdruck diesen Wert. Bild 4 zeigt die
gängigsten Supraleiter von 1911 bis heute mit deren Sprungtemperaturen.
8. 8
Bild 4: Sprungtemperaturen von keramischen (ROT) und metallischen (BLAU) Supraleitern. [1]
Sogar in jüngster Zeit gab es einen Nobelpreis für Physik auf dem Gebiet der Supraleitung.
Die beiden russischen Physiker Witali Ginsburg und Alexei A. Abrikossow erstellten eine
Theorie über die Typ-II-Supraleiter, bei denen ein äußeres Magnetfeld in so genannten
Flussschläuchen in den Supraleiter eindringt, aber die Supraleitfähigkeit nicht zerstört. Für
ihre außerordentlichen Bemühungen erhielten die beiden russischen Forscher den Nobelpreis
für Physik 2003
"für bahnbrechende Arbeiten in der Theorie über Supraleiter und Supraflüssigkeiten".[A]
2005 war es endlich soweit, der erste 4 MVA-Generator mit HTS wurde von der Siemens AG
in Nürnberg vorgestellt. Und am 29. April 2006 wurde, ebenfalls von der Siemens AG, das
weltweit erste industrietaugliche Supraleitende Lager der Öffentlichkeit vorgestellt.
Außerdem arbeitet man seit Jahren akribisch daran, ein supraleitendes Stromkabel marktreif
zu bekommen. Auf diese und noch einige erstaunliche Anwendungen mehr gehe ich am Ende
meiner Arbeit präziser ein.
4. Grenzen des supraleitenden Zustandes
Der Körper in Bild 5 zeigt, wann sich der Leiter in der supraleitenden und wann in der
normalleitenden Phase befindet. Innerhalb dieses Körpers herrscht die supraleitende Phase
und außerhalb bricht die Supraleitung zusammen. Der Supraleitzustand wird begrenzt durch
die kritische Temperatur Tc, die kritische Feldstärke Hc und die kritische Stromdichte Jc. Bei
dem Schaubild sind absichtlich keine Werte angegeben, weil die Grenzen der Supraleitung
stoffspezifisch sind. Diese Skizze dient nur der Veranschaulichung. Wenn ein Supraleiter an
seiner kritischen Stromstärke angelangt ist, können die Temperatur und das Magnetfeld noch
vergrößert werden, aber nur so weit, wie in Bild 5 dargestellt (dunkle Fläche). Daraus ergibt
sich das eine kritische Stromdichte genau durch eine kritische Temperatur und ein kritisches
Magnetfeld definiert ist. Bei HTS gibt es noch eine Besonderheit bei der kritischen Feldstärke
und Stromdichte, denn diese sind aufgrund einer Schichtstruktur im Kristallgitter zusätzlich
noch richtungsabhängig. In den folgenden Abschnitten werde ich auf die einzelnen Grenzen
mit deren Fachbegriffen noch näher eingehen.
9. 9
Bild 5: Kritische Grenzen des Supraleitzustandes [2]
4.1 Kritische Temperatur
Dieser Begriff ist auch bekannt als Sprungtemperatur oder Übergangstemperatur und
bezeichnet den stoffspezifischen Punkt, bei dem die Supraleitung einsetzt. Das übliche
Zeichen für die kritische Temperatur ist Tc. Es gibt für diesen einen Punkt so viele Begriffe
weil er von verschiedenen Richtungen betrachtet wird. Das Wort „Sprungtemperatur“ ist
einleuchtend, denn wenn man einen Leiter immer weiter herunterkühlt macht der zuvor
existierende Widerstand einen Sprung und verschwindet. Diese Sichtweise ist also von
Normalleiter zu Supraleiter. Bei dem Wort „kritische Temperatur“ ist es genau umgekehrt.
Hier geht man von einem Supraleiter aus, der wieder normalleitend wird, und zwar bei dem
bestimmten kritischen Punkt, bei dem die Supraleitung zusammenbricht. Bisher wurden schon
alle Elemente nach ihrer Sprungtemperatur untersucht, aber nicht alle können auch
supraleitend werden. Da nur die Metalle zu einem Supraleiter werden können, beschränkt sich
die Anzahl der supraleitfähigen Metalle auf die der Nebengruppe und nur wenige aus der
Hauptgruppe. Von denen wurden die guten Leiter wie Ag, Cu, Au und Cr, die
ferromagnetischen Stoffe wie Fe, Co und Ni sowie die meisten Alkali- und Erdalkalimetalle
nicht supraleitend. Die Elemente, die supraleitend werden können, haben ihre
Sprungtemperaturen unterhalb von 10 K, wobei Niob mit 9,2 K die Spitze markiert. Den
Rekord bei den metallischen Supraleitern hält die Verbindung MgB2 mit 39 K und bei den
HTS Quecksilberkuprat mit 155 K. Bei Supraleitern geht die spezifische Wärmekapazität
verloren, da keine zugeführte thermische Energie von den Elektronen aufgenommen werden
kann. Stattdessen werden bei Energiezufuhr in Form von Wärme die Cooper-Paare
aufgebrochen und der supraleitende Zustand verschwindet. Bei der Wärmeleitfähigkeit
hingegen kann sich sogar eine Verbesserung einstellen, während sich der Leiter im
supraleitenden Zustand befindet. Wenn die Wärme im Leiter durch das Gitter weitergegeben
wird, was bei den meisten Metallen der Fall ist, stellt sich eine Verbesserung der
Wärmeleitfähigkeit ein, da es keine hindernden Zusammenstöße mit den Cooper-Paaren gibt.
Falls der Leiter die Wärme aber über die Elektronen weiterleitet, verschlechtert sich
logischerweise die Wärmeleitfähigkeit.
4.2 Kritische Feldstärke
Die kritische Feldstärke ist auch, wie die oben schon erwähnte kritische Temperatur, eine
Grenze des supraleitenden Zustandes. Schon Heike Kamerlingh Onnes erkannte 1916 die
Abhängigkeit der Supraleitung vom Magnetfeld. So versuchte der Physiker mit einem
10. 10
supraleitenden Bleidraht eine Spule zu bauen um ein extrem starkes Magnetfeld erzeugen zu
können. Doch schon bei niedrigen 0,029 Tesla brach die Supraleitung zusammen. Dabei ist es
egal, ob das Magnetfeld von außen angelegt ist oder von einem Strom innerhalb des
Supraleiters hervorgerufen wird. Da ein Supraleiter ein äußeres Magnetfeld aus seinem
Inneren verdrängt, beschränkt sich das Magnetfeld auf die dünne Oberflächenschicht.
Demnach kann auch kein Strom im Inneren fließen, da jeder Strom ein Magnetfeld erzeugt.
Somit beschränkt sich der Stromfluss auch auf die Oberflächenschicht. Aus dieser
Abhängigkeit folgt auch, dass das kritische Magnetfeld (mit der kritischen Feldstärke) den
maximalen Strom begrenzt. Wie in Bild 5 gut zu erkennen ist, muss bei T = 0 Hc aufgebracht
werden um die Supraleitung zu zerstören. Wenn T immer größer wird, reicht auch ein
schwächeres Magnetfeld aus um einen Zusammenbruch hervorzurufen (bei j = konst.). Hc
kann auch als Funktion von T beschrieben werden.
Gleichung 1
Aus Gleichung 1 geht hervor, dass - wie schon in Bild 5 anschaulich dargestellt - die
kritische magnetische Feldstärke temperaturabhängig ist. Als Verdeutlichung, wie man mit
dieser Formel arbeitet, kann man einmal die Extreme einsetzen. Diese sind einmal T = 0 und
T = Tc. Bei T = Tc wird das ganze Produkt 0 und somit ist Hc (T = Tc) = 0. Das bedeutet, dass
bei Tc die Feldstärke 0 sein muss, damit der supraleitende Zustand bestehen bleibt. Falls Hc ≠
0 ist, bricht die Supraleitung zusammen. Und für T = 0 ergibt die Formel; Hc (T) = Hc (0).
Dies ist der Fall, den ich auch schon oben anhand von Bild 5 erklärt habe. Eine Erklärung für
den Zusammenbruch der Supraleitfähigkeit besteht in der Tatsache, dass bei zu starker
Energieeinwirkung, hier durch die Energie eines magnetischen Feldes, die Bindungsenergie
der Cooper-Paare überschritten wird und sie somit aufgebrochen werden. Dies gilt analog
auch für thermische Energie (kritische Temperatur), elektrische Energie (kritische
Stromdichte) sowie Energie von elektromagnetischer Strahlung (Bestrahlung).
4.3 Kritische Stromdichte
Dies ist die dritte Größe, die den supraleitenden Zustand begrenzt. Die maximale Stromdichte
jc wird bei T = 0 und H = 0 erreicht. Wie in 4.2 schon erwähnt fließt der Strom nicht im
Inneren des Supraleiters, sondern in der dünnen Oberflächenschicht. Falls der Supraleiter sich
in einem äußeren Magnetfeld befindet, muss dazu aber noch das Magnetfeld vom
Suprastrom1
hinzugerechnet werden. Aufgrund der Verdrängung des magnetischen Feldes aus
dem Inneren des Supraleiters gibt es eine Verdichtung der Feldlinien an dessen Oberfläche.
Es gibt aber in einem Supraleiter zwei Arten von Strömen. Zum einen den Transportstrom,
der in diesem Punkt angesprochen wird, und zum anderen den Abschirmstrom2
, der in der
Oberflächenschicht des Supraleiters fließt und zur Neutralisation eines äußeren Magnetfeldes
dient, sodass das Innere des Supraleiters feldfrei bleibt. Außerdem führt der Suprastrom noch
zu anderen Effekten, die ich im Laufe dieser Arbeit noch ansprechen werde.
1
Ein im Supraleiter fließender Strom
2
In einem Supraleiter treten immer mehrere Abschirmströme auf
11. 11
5. Klassifizierung der verschiedenartigen Supraleiter
Bei den Supraleitern gibt es eine Unterteilung aufgrund der Materialunterschiede und der
verschiedenen Eigenschaften im Magnetfeld. So sind alle Elemente Typ-I-Supraleiter. Die
Einteilung der Supraleiter erfolgt durch das Ergebnis einer Formel die zwei, für jeden
Supraleiter charakteristische, Werte enthält. Der eine Wert ist die Londonsche Eindringtiefe
λL und der andere die Kohärenzlänge ξ. Wenn der Quotient χ aus dem Verhältnis dieser
beiden Werte kleiner als 0,70710 ist, handelt es sich um einen Typ-I-Supraleiter. Wenn der
Wert größer ist, handelt es sich um einen Typ-II-Supraleiter. Zusätzlich gibt es noch einen
Typ-III-Supraleiter, der nur eine kleine Veränderung zum Typ-II-Supraleiter aufweist. Die
vierte Klasse von Supraleitern sind die Hochtemperatursupraleiter, die eine eigene Klasse sind
da sie aus keramischen Materialien bestehen und noch komplexere Eigenschaften haben.
5.1 Typ-I-Supraleiter
Diese Art von Supraleitern wird auch Supraleiter 1. Art genannt und verdrängt ein von außen
angelegtes Magnetfeld aus dem Inneren. Dies passiert aber nicht vollständig, denn das
Magnetfeld dringt in die äußersten Oberflächenschichten mit der Eindringtiefe λL in den
Supraleiter ein. Dieser Zustand wird Meissner-Phase genannt. Diese Eigenschaft eines
Supraleiters ist grundlegend für den bekannten Meissner-Ochsenfeld-Effekt. Wie im
Abschnitt 4.3 schon erwähnt, gibt es so genannte Abschirmströme, die in den besagten
Oberflächenschichten von dem äußeren Magnetfeld induziert werden und diesem Feld, nach
der Lenz’schen Regel, entgegengesetzt sind und somit zur Neutralisierung des Magnetfeldes
führen um das Innere des Supraleiters feldfrei zu halten. Diese Eigenschaft macht einen
Supraleiter zu einem perfekten Diamagneten.
Bild 6: Magnetisierungskurve in Funktion des äußeren Magnetfeldes eines Typ-I-Supraleiters [2]
Bild 6 zeigt eine charakteristische Magnetisierungskurve, bei der zu sehen ist, dass mit
steigendem Magnetfeld H die Magnetisierung zunimmt. Während dieser Zeit befindet sich der
Leiter in der supraleitenden Phase. Bei Typ-I-Supraleiter also in der Meissner-Phase. Wenn
nun das Magnetfeld weiter ansteigt und den stoffspezifischen Wert Hc überschreitet, dann
bricht die Supraleitung zusammen und wechselt in die normalleitende Phase, in der der Leiter
nicht mehr magnetisierbar ist. Schon ein äußeres Magnetfeld mit einem relativ niedrigen Wert
für Hc kann dafür sorgen, dass die Supraleitung zusammenbricht. Dabei liegt der
Maximalwert eines Reinelements bei gerade einmal 0,198 T für Niob (Nb). Aufgrund dieser
technisch unnützen Eigenschaft werden Typ-I-Supraleiter nicht für Spulen verwendet.
12. 12
5.2 Typ-II-Supraleiter
Die Typ-II-Supraleiter oder auch Supraleiter 2. Art unterscheiden sich nicht zu den Typ-I-
Supraleitern solange kein Magnetfeld angelegt ist. Wenn ein äußeres Magnetfeld angelegt
wird, dann befindet sich ein Typ-II-Supraleiter nur bis zu einem bestimmten Wert Hc1 in der
Meissner-Phase. Bild 7 zeigt die Magnetisierungskurve eines typischen Typ-II-Supraleiters.
Bild 7: Magnetisierungskurve in Funktion des äußeren Magnetfeldes eines Typ-II-Supraleiters [2]
Oberhalb von Hc1 tritt die Erscheinung auf, dass supraleitende und normalleitende Phase
nebeneinander existieren, ohne dass die Supraleitung zusammenbricht. Dieser Mischzustand
hält bis Hc2 an. Das äußere Magnetfeld dringt in den Supraleiter ein aber zerstört ihn dabei
nicht. Dieses teilweise Eindringen des Magnetfeldes ist energetisch günstiger. Dies führt
dennoch dazu, dass der Meissner-Ochsenfelder-Effekt nicht mehr so stark auftritt wie bei den
Typ-I-Supraleitern, die in der Meissner-Phase das Magnetfeld komplett3
abschirmen. Bei
dieser Art von Supraleitern passiert es, dass das äußere Magnetfeld in so genannten
Flussschläuchen durch den Supraleiter dringt. Dieser Zustand wird Shubnikov-Phase genannt.
Bild 8: Schematische Darstellung der Shubnikov-
Phase [3]
Bild 9: Aufnahme des Abrikosov-Gitters
von NbSe 2 mit einem RTM [1]
3
Wie schon erwähnt kann aber das äußere Magnetfeld mit der stoffspezifischen Eindringtiefe λ in die obersten
Oberflächenschichten eindringen. Dennoch drängt das Magnetfeld im Verhältnis zu den Typ-II-Supraleitern nur
um einige Nanometer in den Supraleiter hinein.
13. 13
Die magnetischen Flussschläuche haben die Kohärenzlänge ξ als Durchmesser und besitzen
alle den gleichen magnetischen Fluss Φ, auch Flussquant genannt. Der gesamte Fluss ergibt
sich aus einem ganzzahligem Vielfachen eines Flussquants.
Gleichung 2
Bild 8 zeigt schematisch die Flussschläuche in einem Typ-II-Supraleiter. Die senkrechten
Linien stehen für das Magnetfeld, das in den Flussschläuchen durch den Supraleiter geht. Die
Ringe um die Schläuche stellen die Kreisströme dar, die aufgrund von Induktionsvorgängen
erzeugt werden. Diese Ströme werden auch als Abrikosov Flusswirbel bezeichnet. Bild 9 ist
eine Aufnahme der Flussschläuche unter Verwendung eines Rastertunnelmikroskops (RTM),
bei dem mit Hilfe von Eisenkolloid die Schläuche sichtbar gemacht wurden. Die
Flussschläuche verteilen sich gleichmäßig auf der gesamten Oberfläche und ergeben somit ein
hexagonales Gitter, für das die Enthalpie minimal ist. Somit ergibt sich die Anordnung von
regelmäßigen Dreiecken.
Bild 10: Unterscheidung von Supraleitern 1. und 2. Art im B-T-Diagramm [1]
Auf dem obigen Bild 10 kann man erkennen, dass sich ein Supraleiter in der Meissner-Phase
befindet, wenn er unterhalb von Hc1 liegt. Dabei verdrängt er das Magnetfeld komplett.
Oberhalb von Hc1 liegt die gemischte Phase vor, bei der das Magnetfeld in Flussschläuchen in
den Supraleiter eindringen kann. Und oberhalb von Hc2 bricht die Supraleitung zusammen und
das Magnetfeld dringt komplett ein.
Bild 11: Die Struktur der Flussschläuche in einem Typ-II-Supraleiter [1]
14. 14
Bei Bild 11 handelt es sich um eine Darstellung zweier Flussschläuche mit dem
veranschaulichten Verhalten von den wichtigsten Größen in deren Umgebung. An der roten
Linie ist zu erkennen, dass das Magnetfeld in einem Flussschlauch am größten ist und am
Verlauf der blauen Linie ist zu sehen, dass die Cooper-Paar Ladungsdichte in den
Flussschläuchen null ist und dazwischen maximal. Hier ist auch gut zu erkennen, dass ξ der
Durchmesser der Schläuche ist und dass λ die Länge der magnetischen Eindringtiefe
wiedergibt. Außerdem zeigt die grüne Fläche die Dichte der durch Induktion hervorgerufenen
Kreisströme um die Flussschläuche an.
Wenn in einem Typ-II-Supraleiter ein Strom j fließt, dann entsteht eine Kraft die auf die
Flussschläuche wirkt. Dies würde zum Zusammenbrechen des supraleitenden Zustandes
führen. Die Lösung zur Vermeidung dieser Kraft führt zu den Typ-III-Supraleitern oder auch
„harte“ Supraleiter genannt.
5.3 Typ-III-Supraleiter
Die Supraleiter 3. Art unterscheiden sich von den Typ-II-Supraleitern nur in einer erweiterten
Eigenschaft, die zur Vermeidung der ungewollten Kraft auf die Flussschläuche dient. Wenn
sich nun ein Typ-II-Supraleiter in der Shubnikov-Phase befindet und durch ihn ein
Transportstrom fließt, entsteht eine Wechselwirkung zwischen dem Transportstrom und den
Flussschläuchen, die dazu führt, dass eine Kraft die Flussschläuche zum wandern bewegt
(siehe Bild 12 Links). Diese Kraft ist die bekannte Lorentzkraft. Gleichung 3 zeigt die
Lorentzkraft für Typ-III-Supraleiter.
Gleichung 3
Diese Kraft, und die damit verbundene Verschiebung, ist nach der Rechten-Hand-Regel zu
dem Magnetfeld B und dem Transportstrom j senkrecht. Die Flussschläuche wandern so
durch den Supraleiter, dass sie an dem einen Ende verschwinden und sich am anderen neu
bilden. Durch diese Driftbewegung wird wiederum eine Lorentzkraft erzeugt, die nach der
Lenz’schen Regel der verursachenden Kraft entgegengesetzt ist und somit einen
Spannungsabfall bewirkt. Dies hat zur Folge, dass die Bewegung der Schläuche Energie
benötigt, was zum Auftreten eines elektrischen Widerstandes führt, der mit dem
Zusammenbruch der Supraleitung zusammenhängt.
Bild 12: Ein Supraleiter in der Shubnikov-Phase ohne Haftzentren (Links) und mit Haftzentren
(Rechts) [1]
15. 15
Um dies zu vermeiden werden die Flussschläuche an so genannten Haftzentren oder Pinning-
Zentren fest verankert (siehe Bild 12 Rechts). Das Resultat dieses Anheftens ist, dass der
Supraleiter wesentlich höhere Stromdichten und Magnetfelder aushalten kann und somit viel
wirtschaftlicher für den Bau von Spulen ist. Die Haftzentren sind meistens
Gitterverunreinigungen, an denen die Flussschläuche hängen bleiben. Je stärker die
Flusslinien verankert sind umso besser kann der Supraleiter höhere Stromdichten, die damit
verbundene Lorentzkraft und höhere Magnetfelder aushalten. Werden die Grenzen der
Supraleitung über ihren kritischen Punkt hinaus erhöht, übertrifft die Lorentzkraft die
Haltekraft der Pinning-Zentren, was schließlich zum Losreißen und Driften der
Flussschläuche führt. Nun tritt der Fall auf, dass es zwei Zustände der gemischten- oder
Shubnikov-Phase gibt. In Bild 13 trennt Bm
4
diese beiden Zustände.
Bild 13: Die 4 Phasen eines Typ-III-Supraleiters (FL = Flusslinien)[1]
Bis zu einem sehr kleinen Magnetfeld Bc1 befindet sich ein Typ-III-Supraleiter in der
Meissner-Phase. Von Bc1 bis Bm befindet sich der Supraleiter im ersten Zustand der
Shubnikov-Phase, in dem die Flussschläuche fest an den Haftzentren verankert sind und somit
starke Magnetfelder H<Hc2 und hohe Ströme j<jc aushalten können. Der zweite Zustand reicht
von Bm bis Bc2, bei dem aufgrund der thermischen Fluktuationen die Flussschläuche aus ihren
Verankerungen gelöst werden und sich dann völlig willkürlich im Supraleiter verteilen. Somit
verringert sich die kritische Stromdichte, auch wenn nur ein kleiner Transportstrom fließt, und
die Lorentzkraft versetzt die Flussschläuche in eine Driftbewegung und zerstört damit die
Supraleitung. Oberhalb von Bc2 beginnt die normalleitende Phase.
Eine interessante Tatsache ist, dass die Visualisierung der Flussschläuche mittels eines
Rastertunnelmikroskop (RTM) bei einem Supraleiter der einzig sichtbare Quanteneffekt ist.
5.4 Hochtemperatursupraleiter
Diese Klasse der Supraleiter hat die selben Eigenschaften wie die Typ-II-Supraleiter, aber da
sie aus keramischen Verbindungen bestehen, bei denen das Kristallgitter komplexer und die
BCS-Theorie hier nicht anwendbar ist und die Sprungtemperatur höher liegt als bei den
konventionellen metallischen Supraleiter, wird diese Art von Supraleitern als
Hochtemperatursupraleiter (HTS) bezeichnet. Nach der Entdeckung der supraleitenden
Keramiken wurde innerhalb von wenigen Jahren eine große Zahl von neuen HTS mit immer
4
Manchmal wird die Stärke eines Magnetfeldes mit H und manchmal mit B bezeichnet. Wobei H die
magnetische Feldstärke und B die magnetische Flussdichte ist. Demnach wäre H die richtige Bezeichnung.
Dennoch werde ich für die Erklärung der Bilder B benutzen.
16. 16
höheren Tc gefunden. Schon wenige Monate nach der Entdeckung 1986 fand man HTS mit
einer Sprungtemperatur oberhalb des Siedepunktes von Stickstoff. Somit stand einer
wirtschaftlichen Nutzung von Supraleitern nichts mehr im Wege. Das einzige Problem, das
bis heute gut gemeistert wurde, ist die Herstellung von Kabeln, denn die keramischen
Materialien lassen sich nicht so leicht verarbeiten wie die metallischen. Diese Verbindungen
haben einerseits ihren Vorteil darin, dass sie unsere heutige Technik, wie wir sie kennen,
revolutionieren werden, aber dennoch besteht eine gewisse Ironie, denn die HTS mit den
derzeit höchsten Sprungtemperaturen sind allesamt hochgiftig, da sie in ihren komplexen
Kristallstrukturen Stoffe enthalten, die schädlich für den Menschen sind. Um aus einem
spröden keramischen Pulver einen Leiter zu bekommen, wird das Pulver in eine Röhre aus
einem gut leitenden Material, meist Silber, eingefüllt. Dann werden viele Röhren mit HTS-
Pulver in einer größeren Röhre platziert und anschließend durch mehrfaches Drahtziehen im
Querschnitt verkleinert. Anschließend werden mehrere dünne Röhrchen zu einer Röhre
verdreht (Twisten) und flach gewalzt, so dass keine Drähte entstehen, sondern flache Bänder.
Abschließend wird das Band noch bei ca. 800°C gebacken, um die supraleitende Verbindung
zu bilden und den Leiter stabiler und resistenter zu machen.
Mit der BCS-Theorie kann die Supraleitung bei den HTS nicht erklärt werden, da sie nur bis
zu einer Sprungtemperatur von ca. 40K anwendbar ist. Dennoch gibt es Supraleitung bei
einerseits keramischen Verbindungen, die sonst als sehr gute Isolatoren fungieren und
andererseits bei diesen hohen Sprungtemperaturen. Bis heute gibt es keine gültige Erklärung
der Supraleitung bei HTS. Aber man weiß, dass genauso wie bei den konventionellen
metallischen Tieftemperatursupraleiter (TTS) auch bei den HTS die Cooper-Paare als
Ladungsträger auftreten. Nach vielen Versuchen, die auch bei den TTS angewandt wurden,
kann man die Theorie ausschließen, dass wie bei den TTS die Wechselwirkung von Gitter
und Elektronen für die Supraleitung verantwortlich ist. Ob es demnach Supraleitung bei
Zimmertemperatur geben kann ist fraglich, da auch die Expertenmeinungen stark auseinander
gehen. Dennoch kann man für die Zukunft sagen, dass die Supraleitung unseren Alltag stark
verändern wird.
6. Phänomene der Supraleitung
Die Supraleitung hat nicht nur die Eigenschaft den Strom verlustfrei zu leiten, sondern besitzt
auch viele beeindruckende Phänomene. In diesem Abschnitt gehe ich nur auf die
interessantesten und für die Wirtschaft wichtigsten Erscheinungen ein. Zum einen der
Meissner-Ochsenfeld-Effekt der für das Schweben einer auf Supraleiter basierenden
Magnetschwebebahn, reibungsfreie Magnetlager und für die Energiespeicherung mit Hilfe
eines Schwungrades auf Basis des Magnetlagers verantwortlich ist. Und zum anderen der
Josephson-Effekt der es ermöglicht extrem kleine Magnetfelder zu messen.
6.1 Meissner-Ochsenfeld-Effekt
Die Ursache für diesen Effekt ist in der Tatsache zu begründen, dass das äußere Magnetfeld in
die Oberflächenschichten mit der Londonschen Eindringtiefe λL eindringt und dort Ströme
induziert, die aufgrund der Rechten-Hand-Regel zu Kreisströmen werden und wegen der
Lenz’schen Regel gegen die Ursache (äußeres Magnetfeld) gerichtet sind. Somit bilden die
Kreisströme oder Abschirmströme, da sie das äußere Magnetfeld abschirmen, das exakte
Gegenfeld. Für einen vollständigen Meissner-Ochsenfeld-Effekt (MOE) benötigt es die
17. 17
absolute Reinheit und Homogenität des Supraleiters. Bei Typ-I-Supraleitern tritt dies bis zur
kritischen Feldstärke Hc auf, aber bei Typ-II-Supraleitern nur bis Hc1 und danach ist der MOE
nur noch unvollständig, da das Magnetfeld in Flussschläuchen durch den Supraleiter dringt.
Ein gutes Beispiel, um sich den MOE besser vorstellen zu können, ist ihn mit Air-hockey zu
vergleichen. Beim Air-hockey wird eine Scheibe von unten mit Luft bestrahlt sodass sie
knapp über der Platte schwebt. Genauso ist es auch beim vollständigen MOE bei den Typ-I-
Supraleitern. Wenn man nun statt einer kompletten Scheibe eine Scheibe mit Löchern nimmt,
kann die Luft durch die Löcher hindurch und somit kann sich die Scheibe nicht mehr so gut in
der Schwebe halten. Die durchlöcherte Scheibe wird entweder gar nicht schweben oder viel
niedriger. Die Löcher sind mit den Flussschläuchen und die Luft mit dem Magnetfeld zu
assoziieren. Die klassische Herangehensweise an den MOE ist, dass man die Probe zuerst
durch Abkühlen in den supraleitenden Zustand bringt und danach in ein äußeres Magnetfeld.
Der Supraleiter wird, wie vermutet, im Magnetfeld schweben (siehe Titelblatt). Nun kann
man diesen Versuch auch umkehren, indem man die Probe erst in ein Magnetfeld bringt so
dass die Feldlinien durch die Probe gehen (Bild 14 Links) und anschließend kühlt man die
Probe unter die Sprungtemperatur ab bis sie sich im supraleitenden Zustand befindet. Das
Ergebnis wird das gleiche sein, aber dennoch ist dieser Versuch gegen jede klassische
Vorstellung, da man nicht erklären konnte wie ein Material ein äußeres Magnetfeld
verdrängen kann.
Bild 14: Das Verdrängen eines äußeren Magnetfeldes aus einer supraleitenden Probe nach dem
Abkühlen [4]
Wie schon oft erwähnt wird meistens geschrieben, dass ein äußeres Magnetfeld komplett aus
dem Inneren eines Supraleiters verdrängt wird, obwohl wir wissen, dass das so nicht stimmt,
denn das Magnetfeld dringt in die äußere Oberflächenschicht ein und induziert dort die
Abschirmströme. Das Magnetfeld dringt mit der stoffspezifischen Londonschen Eindringtiefe
λL in den Supraleiter ein und nimmt mit zunehmender Tiefe exponentiell ab.
6.2 Josephson-Effekt
Der Josephson-Effekt ist eine quantenmechanische Erscheinung, die das widerstandfreie
Tunneln von Cooper-Paaren zwischen zwei Supraleiter durch eine dünne isolierende Barriere
beschreibt. Da dieser Effekt quantenmechanischer Natur ist, ist es äußerst kompliziert ihn zu
erklären. Dennoch werde ich versuchen den Vorgang so einfach wie möglich zu erläutern.
Zuerst einige Grundlagen: Ein Strom kann in einem Leiter oder Halbleiter fließen aber nicht
in einem Isolator. Also wenn man nun zwei Leiter, hat die durch eine dünne Isolationsschicht
18. 18
getrennt sind, dann könnte rein theoretisch kein Strom fließen. Trotz aller Überlegungen gibt
es dennoch einen Stromfluss. Voraussetzung ist, dass die Isolationsschicht dünn5
sein muss,
damit die Elektronen durchtunneln können. Nun gibt es doch für jedes Elektron eine
Wahrscheinlichkeit diese „undurchdringliche“ Schicht zu durchtunneln. Ein erklärendes
Beispiel wäre, wenn man eine Kugel, die dem Elektron oder, wie bei der Supraleitung, dem
Cooper-Paar entspricht, in einen Kochtopf legt, dann wären die Wände des Topfes ein
unüberwindbares Hindernis für die Kugel. D.h. die Kugel kann ohne Energiezufuhr6
nicht aus
diesem Topf gelangen. Der Tunneleffekt besagt aber, dass die Kugel eine bestimmte
Wahrscheinlichkeit hat die Wand auch ohne Energiezufuhr durchdringen zu können. Diese
Erklärung soll für den Anfang reichen um den Josephson-Effekt im Groben zu erklären,
obwohl es einer viel ausführlicheren Erklärung benötigen würde, bei der jedem Teilchen eine
Welle zugeordnet wird.
Nun kann mit diesen Grundlagen ein so genannter Josephson-Kontakt gebaut werden, der aus
zwei Supraleitern mit einer dünnen isolierenden Grenzschicht dazwischen besteht. In den
beiden Supraleitern herrscht weder ein magnetisches noch ein elektrisches Feld, aber dies gilt
nicht für die normalleitende Isolationsschicht. Wenn man nun an diesen Josephson-Kontakt
eine Spannung anschließt, können die Cooper-Paare durch die Barriere „tunneln“ und somit
ergibt sich ein Stromfluss. Erhöht man die Spannung so weit, dass ein kritischer Wert Ic
überschritten wird, dann sinkt die Stromstärke und es gibt eine Spannung UT an der
Tunnelstrecke (Bild 15). Diese Spannung führt zu einem elektrischen Feld in der
Tunnelstrecke. Ein Cooper-Paar erfährt in diesem elektrischen Feld eine Energie von
E=2∙e∙UT und diese Energie ist deutlich höher als die Bindungsenergie des Cooper-Paares.
Daraus folgt, dass durch die Tunnelschicht keine Cooper-Paare sondern nur einzelne
Elektronen „tunneln“, die allerdings widerstandsbehaftet sind. Beim Übergang vom einen
Supraleiter in die Tunnelschicht nimmt ein Cooper-Paar die Energie E=2∙e∙UT auf und werden
somit wieder zu einzelnen Elektronen und am Übergang von der Tunnelschicht zum anderen
Supraleiter müssen zwei Elektronen die Energie E=2∙e∙UT wieder abgeben um sich zu einem
Cooper-Paar zusammenzufinden. Dies passiert durch Emission von kohärenter
elektromagnetischer Strahlung mit der Frequenz des Wechselstromes, der auch Josephson-
Wechselstrom genannt wird.
Bild 15: Josephson-Kontakt in einem Schaltkreis [2]
Die Erzeugung von kohärenter elektromagnetischer Strahlung ist beim Josephson-Kontakt mit
einem Josephson-Wechselstrom unrentabel, da die Strahlungsleistung nur einige Mikrowatt
beträgt. Die Umkehr dieser Erscheinung ist von größerer Bedeutung. Dieser Effekt ist
ebenfalls unverzichtbar bei der Präzisions-Magnetfeldmessung, denn durch eine geschickte
Bauweise können Magnetfelder gemessen werden, die etwa ein Hundertmilliardstel des
Erdmagnetfeldes betragen. Näheres zu den so genannten SQUIDS in Abschnitt 7.2.2 .
5
Die Dicke der Isolationsschicht darf maximal 2 Nanometer betragen, das entspricht in etwa 5 Atomlagen.
6
Hier ist die Energiezufuhr in Form von potenzieller oder Höhenenergie mit E=m∙g∙h gemeint. Anders gesagt
Energiezufuhr durch Hochheben der Kugel.
19. 19
7.Anwendungen
Die Supraleitung findet dank ihrer beeindruckenden Eigenschaften in einer Vielzahl von
optimierten aber auch neuartigen Anwendungen Verwendung. Durch den Einsatz der
Supraleitung wurden viele Bereiche optimiert, wie z.B. die Medizin, Technik oder Forschung.
In den folgenden Abschnitten möchte ich in einzelnen Punkten die häufigsten
Anwendungsmöglichkeiten darlegen und deren Funktion erklären.
7.1 Optimierte Anwendungen
Bei dieser Art von Anwendungen handelt es sich um schon bestehende Erfindungen die aber
durch die Supraleitung viel effizienter, wirtschaftlicher und leistungsstärker sind. Eine sehr
wichtige, wenn nicht sogar die begehrteste Anwendung für die Supraleitung in unserem
Alltag ist das supraleitende Stromkabel. Dennoch gibt es eine Vielzahl von weiteren
unverzichtbaren Verwendungen für die Supraleitung, wie z.B. die Nutzung von
supraleitenden Spulen in der Medizin oder der Forschung sowie die Optimierung von
Generatoren und Transformatoren.
7.1.1 Verlustfreie Stromleitungen
So wie der elektrische Strom unseren Alltag und die Technik seit seiner Erfindung verändert
hat, so hat auch das ausgeprägte Verbundnetz von Stromleitungen mit seinen mächtigen
Eisenmasten die Landschaft entscheidend geprägt. Die zahlreichen Maste könnten somit dank
der Supraleitung der Vergangenheit angehören. Für verlustfreie Stromleitungen kommen nur
Typ-III-Supraleiter, die mit Hilfe ihrer Haftzentren hohe Ströme aushalten können, in Frage.
In den Anfängen der Stromerzeugung lag das große Problem im Transport des Stroms zum
Verbraucher, denn die hohen Ströme, die im Kraftwerk erzeugt wurden, waren mit einem
hohen Widerstand in den Fernleitungen verbunden, denn je kleiner und länger die Leitung
war, desto höher war der Widerstand. Somit bestand die einzige Lösung darin, die Spannung
hochzutransformieren, da so der Strom heruntertransformiert wird. Aufgrund dessen wird die
Fernleitung auch Hochspannungsleitung genannt. Ein supraleitendes Stromkabel würde dann
nicht überirdisch sondern unterirdisch verlaufen, was aufgrund der vielen unterirdisch
verlaufenden Leitungen passend wäre. Mit derartigen Vorteilen könnten sich Supraleiter als
Stromkabel etablieren und mit deren Hilfe sogar viel Energie in Form von fossilen
Brennstoffen gespart werden.
So wie diese Idee ihre Vorteile besitzt, hat sie auch ihre entsprechenden Nachteile. Der
größte Nachteil wird das Kühlen der Supraleiter sein, da die Supraleitung bei
Raumtemperatur ziemlich unwahrscheinlich erscheint. Aus diesem Grund lohnen sich
supraleitende Stromkabel nur in Ballungsgebieten mit einem hohen Strombedarf. Ebenfalls
spielt die Verarbeitung eine große Rolle für die Wirtschaft, denn die heutigen HTS sind viel
aufwendiger herzustellen als normale Kupferkabel. Dennoch gibt es jetzt schon einige
Projekte, die erfolgreich angelaufen sind. In Kopenhagen gibt es z.B. ein 30m langes
supraleitendes Kabel, das 150.000 Einwohner mit Strom versorgt. Besonders die großen
Energieverbraucher der Erde wie die USA, China und Japan haben ihr Interesse an der
Forschung solcher verlustfreien supraleitenden Stromkabel geäußert. Trotz dieser Nachteile
gibt es schon jetzt viele Vorschläge der Forscher für Einsatzmöglichkeiten von HTS-
Hochleistungskabeln. So gibt es neben den anfänglichen Verwendungen wie das Ersetzen von
20. 20
bestehenden konventionellen Kabeltrassen (Retrofit) und der Verlagerung der Stromkabel in
den Untergrund aufgrund von Umweltgründen und erschwerten Trassengenehmigungen auch
die Möglichkeiten der Hochleistungs-Langstrecken-DC-Übertragung und der
Generatorzuführung. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Verbesserung der Netzinfrastruktur
in Großstädten (Megacities) mit der Verbesserung von Verteilerstationen sowie deren
Verlagerung in die Außenbezirke aufgrund von Infrastrukturkosten, Platzbedarf und der
Sicherheit mit Hinblick auf die Eliminierung der Höchstspannung aus den Städten.
7.1.2 Leistungsstarke Magnete
In unserem heutigen Alltag dominiert die Elektrotechnik, bei der überwiegend Ströme
vorkommen und da ein Strom mit einem Magnetfeld korreliert ist, gibt es auch viele Magnete.
In den verschiedensten Bereichen werden heutzutage Magnete verwendet, wo starke
Magnetfelder gebraucht werden. So finden supraleitende Magnete Anwendung in der Medizin
in den Kernspin-Tomographen, in der Forschung in Teilchenbeschleunigern, bei
Fusionsreaktoren sowie in etlichen anderen Elektronikgeräten wie z.B. in
Magnetenergiespeicherringe (SMES), Generatoren oder Transformatoren. Auf die in
Generatoren und Transformatoren verwendeten Magnete werde ich in Abschnitt 7.1.3 noch
genauer eingehen, da sie komplexe Maschinen sind, die mit Hilfe der verschiedenen Effekte
der Supraleitung optimiert werden können. Die hierfür verwendeten Supraleiter müssen
hohen Magnetfeldern standhalten können. Ihr großer Vorteil gegenüber den konventionellen
Leitern ist, dass sie keinerlei Wärmeverluste aufweisen, was sich positiv auf den
Wirkungsgrad auswirkt.
Bei großen und modernen Teilchenbeschleunigern finden supraleitende Magnete Anwendung,
da sie starke Magnetfelder erzeugen können, die benötigt werden um Teilchen auf
Kreisbahnen zu halten. So werden supraleitende Magnete im CERN, einer
Großforschungseinrichtung mit einigen Beschleunigern in der Schweiz und im DESY in
Hamburg benutzt.
Den größten Bereich nehmen supraleitende Magnete aber in der Medizin ein und zwar in den
Kernspin-Tomographen (MRT). Im Jahr 2000 hatte der Weltmarkt an Supraleitern ein
Gesamtvolumen von 2,3 Mrd. €, wovon die MRTs 71% ausmachten. Experten schätzen eine
fast Verzehnfachung des Marktes für Supraleitung in den nächsten 20 Jahren. Auf diesem
Bereich der Medizin hat die Supraleitung sich schon seit Jahren etabliert. Durch die
Verbesserung der MRT’s mit Supraleitern wurde auch ein Nobelpreis in Medizin vergeben.
Dies zeigt den großen Anwendungsbereich für Supraleiter.
Eine zukunftsweisende Anwendungsmöglichkeit bietet der Einsatz von supraleitenden Spulen
bei einem Fusionsreaktor für das Einsperren des Plasmas. Das Plasma, meist als vierter
Aggregatzustand bezeichnet, bei dem die Elektronen und der Atomkern voneinander getrennt
sind, wird mit Hilfe von supraleitenden Spulen auf eine Kreisbahn gezwungen auf, der es
einen entsprechenden Druck und Temperatur erfährt, um die einzelnen Atome miteinander zu
verschmelzen. Um die passenden Magnetfelder zu erzeugen kann man bei der Fusion nicht
mehr auf Supraleiter verzichten. Und das Kühlen, was meistens der große Nachteil bei den
Supraleitern ist, fällt nicht ins Gewicht, da der Wärmeverlust von konventionellen Leitern
größer ist. Bei dem in den nächsten Jahren folgendem Fusionsreaktor ITER, der ca. 10
Millionen € kosten wird, werden ausschließlich supraleitende Magnete zur Anwendung
kommen.
Im anschließenden Abschnitt 7.1.3 werde ich die Verbesserungen am Generator,
Transformator und Elektromotor, die mit der Supraleitung erreicht wurden genauer erklären.
21. 21
7.1.3 Effizientere Induktionsmaschinen
Dieser Abschnitt handelt von Generatoren, Transformatoren und Elektromotoren, die alle mit
Supraleitern anstelle von normalleitenden Kupferkabeln arbeiten. Die Überschrift basiert auf
der Tatsache, dass alle Maschinen dem Induktionsgesetz gehorchen. Der Wirkungsgrad von
derartigen Maschinen beträgt zwar schon ca. 90%, was viel besser ist als bei
Verbrennungsmotoren oder allen anderen Antriebsmaschinen, aber dennoch kann unter
Verwendung von supraleitenden Spulen und Lagern der Wirkungsgrad bis knapp unter 100%
gesteigert werden. Obwohl die Effizienz der Generatoren und Transformatoren (Trafo) durch
Verbesserungen, wie z.B. der Lamelleneisenkern beim Trafo zur Verhinderung von
Wirbelströmen, gesteigert wurde, kann mit Hilfe der Supraleitung ein weiterer Schritt zur
Optimierung gemacht werden. Im Grunde ist der Aufbau der gleiche wie bei den
konventionellen Maschinen nur dass die Verwendung von Supraleitern viele Vorteile mit sich
bringt. Bei Transformatoren gibt es nicht nur dank der widerstandslosen7
Kabel keine
Wärmeverluste mehr, sondern auch noch andere wirtschaftlich nützliche Vorteile. So nimmt
ein HTS-Trafo bis 50% weniger Volumen ein und besitzt ein um ca. 50% geringeres Gewicht,
aber dennoch erbringt ein HTS-Trafo die gleiche Leistung bei weniger Verbrauch. Dies sind
perfekte Voraussetzungen für mobile Trafos in Schienenfahrzeugen. Ebenso rentiert sich die
Anwendung von Supraleitern in stationär betriebenen Trafos, da diese die gleichen Vorteile
aufweisen und zusätzlich noch ein geringeres Umweltrisiko mit sich bringen sowie ein
Upgrade der konventionellen Trafos darstellt.
Bei den Generatoren und Elektromotoren (E-Motor) gibt es neben den gleichen Vorteile auch
noch zusätzliche Verbesserungen. Die HTS-Generatoren haben ebenfalls ein geringeres
Volumen und Gewicht da der schwere Eisenkern teilweise nicht mehr gebraucht wird, da er
nur bis zu einer maximalen Feldstärke von 2 Tesla nützlich ist aber dann keinerlei Hilfe mehr
ist, denn die supraleitenden Spulen können Magnetfelder bis zu 10 Tesla erzeugen, die bei
hochdrehenden Generatoren Anwendung finden. Zusätzlich gibt es dank der Supraleitung
noch eine weitere Optimierung. Da der Generator aus einem Rotor und einem Ständer besteht,
muss der Rotor so gelagert werden, dass er einerseits sich so widerstandslos wie möglich
drehen kann, aber andererseits auch stabil in seiner Lage bleibt. Dies wird bei den
konventionellen Generatoren mit Kugellagern gelöst. Das ist zwar die beste mechanische
Lösung, aber dennoch gibt es auch hier Reibung. Auch wenn der Verlust bei Kugellagern sehr
gering ist, kann man mit Hilfe von supraleitenden Lagern auch diese Verluste eliminieren.
Dieses Lager basiert auf dem Meissner-Ochsenfeld-Effekt und ist selbststabilisierend. Den
genauen Aufbau und Wirkungsweise werde ich im Abschnitt 7.2.3 erklären.
Abschließend ist das eben für den Generator Erwähnte analog zum Elektromotor, da diese
beiden Maschinen ein und dieselbe sind, nur unterschiedlich genutzt werden. Auf diesem
Gebiet ist die Firma Siemens AG weltweit marktführend. Im Jahr 2005 wurde der erste HTS-
Generator in Betrieb genommen. Zur Anwendung sollen derartige Generatoren in Schiffen,
Windkraftwerken, auf Ölbohrinseln oder in Verbindung mit Gasturbinen kommen.
7.2 Neuartige Anwendungen
Unter neuartigen Anwendungen versteht man Maschinen, Geräte oder Bauteile, die nur
aufgrund eines Phänomens bestehen. In diesem Fall handelt es sich um Anwendungen, die es
nur dank der Supraleitung gibt, wie z.B. Magnetschwebebahnen mit Supraleitungstechnik,
hochempfindliche Magnetfeldmessgeräte (SQUID) sowie supraleitende Magnetlager,
7
Supraleiter haben zwar keinen Gleichstromwiderstand aber es treten Wechselstromverluste auf.
22. 22
Schwungrad Energiespeicher und Kurzschlussstrombegrenzer. Diese hochtechnischen Geräte
sind zwar noch kaum vertreten, aber wegen ihrer beeindruckenden Fähigkeiten werden auch
sie in den nächsten Jahren verstärkten Zuwachs erleben. In den folgenden Abschnitten werde
ich auf die oben genannten Anwendungen genauer eingehen, deren Funktionsweise erklären
und auf deren gesellschaftspolitische Relevanz eingehen.
7.2.1 Magnetische Levitation (Maglev)
Unter Levitation versteht man das Schweben eines perfekten Diamagneten in einem
Magnetfeld. Dies ist das Prinzip des Meissner-Ochsenfeld-Effekt (MOE), der auch bei
supraleitenden Magnetschwebebahnen Anwendung findet. So eine Art MOE gibt es auch bei
normalleitenden Materialien doch ist er da nicht so stark, dass er Menschen tragen könnte.
Mit einem derartigen Zug sind Geschwindigkeiten bis zu 500 km/h erreichbar, was der
Mobilität der Menschen sowie den Transport von Gütern einen gewaltigen Schub geben wird.
Der Zug besitzt an seinem Unterboden supraleitende Magnete, die mit den normalleitenden
Magnete in der Schiene immer dann interagieren, wenn der Zug zu dem jeweiligen
Schienenabschnitt kommt. Einerseits werden die Magnete benutzt um den Zug zu
beschleunigen und abzubremsen, aber andererseits dienen die Magnete auch der
Stabilisierung der Spur des Zuges. Da der Zug etwa 1 cm über der Schiene schwebt, gibt es
außer der Luftreibung keinerlei andere Reibung und zusätzlich ist somit ein Verschleiß
ausgeschlossen, was die Magnetschwebebahn sehr wartungsfrei macht. Außerdem wird beim
Bremsen Energie gewonnen, die dann in Batterien oder Superkondensatoren gespeichert wird.
Die Einschienenbahn ist vorwiegend für den Personenverkehr konzipiert, da beim
Güterverkehr größere Lasten transportiert werden und das verbraucht mehr Energie.
7.2.2 SQUID’s
Dieser Abschnitt ist eng verbunden mit dem Abschnitt 6.2, da ein SQUID ein supraleitender
Ring mit zwei Josephson-Kontakten ist (Bild 16). Die Abkürzung SQUID bedeutet
„Superconducting Quantum Interference Device“ oder auf Deutsch „Supraleitendes
Quanteninterferenzgerät“.
Bild 16: Aufbau eines SQUID [2]
Diese Messgeräte dienen zur Bestimmung von extrem kleinen Magnetfeldern. Und da dieses
Bauelement auf einem quantenmechanischen Effekt basiert, ist die Messgenauigkeit auch nur
durch Quanteneffekte begrenzt.
23. 23
Da die Funktionsweise des SQUID auf Quanteneffekten beruht, sehr komplex ist und es eines
bestimmten Grundwissens bedarf, werde ich versuchen dies so einfach wie möglich zu
erklären. Wenn man nun einen Gleichstrom anlegt, dann teilt sich der Strom auf die beiden
Teile des Ringes auf. Bei dem Fall das kein äußeres Magnetfeld durch den Ring tritt, sind die
beiden Teilströme gleich (in Phase). Die Cooper-Paare bewegen sich nun zum einen in die
eine Richtung durch den Ring und zum anderen in die entgegengesetzte Richtung. Beim
Durchsetzen der Ringfläche durch ein äußeres Magnetfeld passiert es, dass die Wellenlänge
der Cooper-Paare, die sich in die eine Richtung bewegen, verlängert und die, die sich in die
andere Richtung bewegen, verkürzt wird. Wenn sich die beiden Ströme (Wellen)8
am Ende
des Ringes treffen und eine Phasendifferenz aufweisen, dann interferieren sie miteinander und
es entsteht bei zunehmendem äußeren Magnetfeld eine Reihe von konstruktiver und
destruktiver Interferenz. Dadurch ändert sich der Strom im Ring und dies ruft wiederum
einen Spannungsabfall hervor, der messbar ist. Somit ergibt die Fluss-Spannungs-Kennlinie
eine Sinuskurve, bei der die Periode gleich dem magnetischen Flussquants Φ0 ist. Daraus
folgt, dass die Flussänderung genau den Wert des Flussquants, also 2,07 ∙ 10-15
Tm2
entspricht. Teilt man nun Φ0 durch die Fläche die der Ring einnimmt, dann bekommt man die
Größe des Magnetfeldes, bei dem man noch Veränderungen detektieren kann. Bei einer
Fläche des Ringes von 1 mm2
(=> Radius=0,16mm) entspricht dies einer Genauigkeit von
2 ∙ 10-9
T.9
Dennoch kann diese schon erstaunliche Messgenauigkeit durch einfachste Mittel noch
optimiert werden. Dies wird realisiert, indem man wie beim Transformator durch eine
Spulenwicklung eine unterschiedliche Übersetzung erreicht. So muss die vom Magnetfeld
durchsetzte Fläche sehr groß und die Windungszahl sehr klein gewählt werden. Auf der Seite
des SQUID ist dies genau der umgekehrte Fall (Bild 17). Das somit entstandene Messgerät
trägt den Namen Magnetometer und kann bis in den Femtotesla-Bereich von 2,07 ∙ 10-15
T
gemessen werden.
Bild 17: Magnetometer [2]
Anwendungsmöglichkeiten gibt es für solch ein verblüffendes Gerät viele. So wird ein
Magnetometer in der Medizin zur Messung von Herz-, Gehirn- und Nervenaktivitäten
benutzt, was neben dem MRT die zweite nicht-invasive10
Untersuchungsmethode ist, die der
frühzeitigen Diagnose von Krankheiten dient und aus dem Bereich der Supraleitung kommt.
Ebenso wird ein hochempfindliches Magnetometer in der Werkstoffprüfung verwendet um
eventuelle Risse oder Brüche zu finden. Dies dient zur Sicherheit, damit es keine Unfälle
aufgrund von Materialschwächen bei Maschinen oder Bauwerken mehr gibt. Außerdem
werden SQUID’s ebenfalls in der Geophysik zur Bestimmung von Rohstofflagerplätzen
sowie der Untersuchung der Erdkruste und dem Kontrollieren des Erdmagnetfeldes benutzt.
8
Da viele Quanteneffekte mit der klassischen Teilchen-Theorie nicht erklärt werden können, wird meistens
analog eine Welle zur Erklärung herangezogen, da man sich Interferenz von Teilchen nicht so leicht vorstellen
kann als Interferenz von Wellen (vgl. Wasserwellen). Dies ist der so genannte Wellen-Teilchen-Dualismus.
9
Vgl. Das Magnetfeld der Erde beträgt ca. 60 ∙ 10-6
T.
10
d.h. bei diesen medizinischen Methoden dringen Geräte oder Katheder überhaupt nicht in den Patienten ein.
24. 24
7.2.3 Selbststabilisierdendes supraleitendes Magnetlager
In der Technik beschreibt ein Lager ein Bauelement, welches als Verbindungsteil zweier
Maschinenelemente fungiert und somit eine Trage- bzw. Führungsfunktion relativ zueinander
beweglicher Teile einnimmt. Außerdem dient ein Lager der Übertragung von Kräften und
Bewegungen auf das Gehäuse, Bauteil oder Fundament. So überträgt das Lager, das sich an
der Nabe eines Fahrradreifens befindet, die Kraft auf den Reifen. Grundsätzlich gibt es nach
Art der Bewegung zwei unterschiedliche Lager. Zum einen das Gleitlager und zum anderen
das Wälzlager. Wobei der häufigste und wahrscheinlich auch der bekannteste Vertreter der
Lager das Radialwälzlager (Kugellager) ist. Ein spezielles Lager stellt das Magnetlager dar
und ein noch spezielleres das supraleitende Magnetlager. Wie bei all den anderen
Anwendungen bringt auch hier die Supraleitung viele Vorteile mit sich. So gibt es dank dem
Meissner-Ochsenfeld-Effekt (MOE) und dem Fließen von Abschirmströmen keinerlei
Reibung zwischen den Bauteilen, was zum einen dazu führt, dass es weder Verschleiß noch
einen thermischen Verlust in Form von Reibung gibt. Zum anderen verursachen Magnetlager
keinen Schmutz, Laufgeräusche und Schwingungsübertragung. Diese Art von Lager ist
dadurch wartungsfrei und sehr verlässlich. Herkömmliche Magnetlager bestehen aus
Permanent- und Elektromagneten, die für den Betrieb einen komplexen Regelkreis und bei
Stromüber-belastung ein zusätzliches Fanglager benötigen um Beschädigungen zu vermeiden.
Dies alles ist bei supraleitenden Magnetlagern überflüssig, da es bei Supraleitern den MOE
gibt, der keinen Regelkreis benötigt. Das Prinzip ist das gleiche wie beim MOE, nur dass hier
eine Bauweise in Lagerform vorliegt. So besteht die Schale des Lagers aus HTS in einem
Kupfergehäuse und der Rotor, der sich in der Mitte des Ständers bewegt, ist der
Permanentmagnet. Ein zusätzlicher Vorteil eines supraleitenden Lagers ist der in alle drei
Raumrichtungen selbststabilisierende Drang. Weil diese Lager ohne aktive Steuerung
auskommen, werden sie auch als passive oder selbstabilisierende Lager bezeichnet. Der
einzige Nachteil, den ein supraleitendes Lager mit sich bringt, ist der Aufwand des Kühlens
der HTS, doch bei einigen Anwendungen rentiert sich das Kühlen aufgrund der
überwiegenden Vorteile. Da es bei derartigen Lagern keine Drehzahlbegrenzungen gibt,
können sie Drehzahlen von bis zu 100 000 Umdrehungen pro Minute erreichen. Daraus
ergeben sich Anwendungsmöglichkeiten wie z.B. in planaren Transportsystemen,
Turbomolekular-maschinen, die zur Vakuumerzeugung dienen sowie rotierende
Energiespeicher im Reinraum- oder Vakuumbereich, auf die ich in Abschnitt 7.2.4 noch
genauer eingehen werde.
7.2.4 Schwungrad Energiespeicher
Eine solche Maschine besteht aus einem supraleitendem Lager, einem massereichen
Schwungrad und einem hochevakuierten Gehäuse. Das Schwungrad dreht sich horizontal und
wird von allen Seiten durch Magnete stabilisiert. Die Energie wird in Form von elektrischer
Energie hinzugefügt und von dem Schwungrad in Form von Rotationsenergie gespeichert.
Diese Speicherung hält sehr lange Zeit an, da das Rad sich im Vakuum und im Magnetfeld
dreht und somit keinerlei Reibung ausgesetzt ist. Außerdem kann zu jeder Zeit die Energie als
elektrische Energie abgerufen werden. In Karlsruhe wurde ein Demonstrationsmodell gebaut,
das mit 50 000 Umdrehungen pro Minute 300 Wh Energie in 9 Kilogramm Schwungmasse
speichern kann. Die möglichen Anwendungsarten wären Maschinen für die Energie-
zwischenspeicherung in Verbindung mit Solar- oder Windkraftanlagen und die Aufnahme der
Bremsenergie für Massenverkehrsmittel.
27. 27
Erklärung
Ich erkläre hiermit, dass ich die Facharbeit ohne fremde Hilfe angefertigt und nur die im
Literaturverzeichnis angegebenen Quellen und Hilfsmittel benützt habe.
Erlangen, den 18.01.2007
Manuel Breunle
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Anhang
Zu 5.4: Querschnitt eines
HTS-Bandleiters
(vergrößert) [7]
Zu 7.1.3: Größenvergleich zw. einem
konventionellem und einem HTS-Transformator [7]
Zu 5.4: Herstellungsprozess von einer spröden Keramik zum technischen HTS-Bandleiter [7]
Zu 7.1.3: Wicklungen aus HTS-Bandleitern für Generatoren und E-Motoren [7]
Zu 7.1.3: HTS-Wicklungen zum Rotor verbaut [7]
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Zu 1.: Prognosen für die Größe des Marktes der Supraleitung in der Energietechnik bis 2020 (unten)
und Weltmarkt der Supraleitung im Jahr 2000 und deren Aufteilung nach Anwendungsgebieten (oben)
[7]
Zu 7.2.2: Aufnahme eines SQUID mit einem RTM [1]
Zu 7.1.2: Anwendungsmöglichkeiten für supraleitende Spulen in Fusionsreaktoren. Aufbau des
Stellarators mit zwei (links) oder einer (rechts) Spulenanordnung [6]