NPK2012 - Werner Göpfert-Divvier: Pflege 2025 - (M)eine Vision
1. „Pflege 2025 - (M)eine Vision“
Niederrheinischer Pflegekongress,
Neuss, im September 2012
Werner Göpfert-Divivier, iSPO-Institut Saarbrücken
www.ispo-institut.de; Mail: ispo@inspo-institut.de
2. „Heute schon das tun, woran andere erst morgen denken. …“
(Heraklit von Ephesos)
• Was ist das Ziel meines Vortrags?
Ich stelle mir vor, dass Sie meinen Überlegungen Ihre eigenen
Prognosen entgegensetzen und Schlüsse für die Weiterentwicklung
Ihrer Dienste und Einrichtungen ziehen.
• Es geht nicht darum, ob SIE ODER ICH „richtig liege/n“. Es geht um
IHRE SCHLUSSFOLGERUNGEN.
• In meiner Vision 2025 stecken viele Anregungen. Welche davon sind für
Sie plausibel? Und was tun Sie?
• Dies ist (m)ein Beitrag zum Erarbeiten einer Langzeitprojektion für
Ihre Einrichtung. Es gilt die Zukunft innovativ zu denken. Konzipieren
Sie Ihre Entwicklungsstrategie!
• Ich bin mir sicher: Wer „morgen“ die ersten, gezielten Schritte tut, hat
„übermorgen“ die Nase vorn!
2
4. Diese Aspekte sind eingeflossen. Ich versuche sie aus dem Blickwinkel
des EHEPAARES K R E I S darzustellen ( I )
• Die Demographie hat Spuren in allen Lebensbereichen hinterlassen
– Unterschiedliche Entwicklungen i. Bevölkerungsgruppen +
Sozialräumen
– Auswirkungen auf die Erwerbstätigkeit und die Fachpflege
– Pflege- und Gesundheitsbranchen sind Job-Motoren
– Erfolgsfaktoren: Ausreichendes, GUTES Personal und „Kunden-
orientierung ´in echt`“ (wenig Fluktuation)
• Veränderte Rahmenbedingungen prägen das Zusammenleben
– Sozialstaat oder was davon übrig ist
– Die Armut-Reichtum-Problematik („die Schere geht weiter auseinander“)
– Menschen entwickeln Überlebensstrategien
– Ehrenamt - Bürgerarbeit - Freiwilligenhilfe - Selbsthilfe
– Gravierende Veränderungen in (Alten-/Pflege-)Heimen + Pflegediensten
und im Selbstverständnis von „Pflege“ und „Qualität“
4
5. Diese Aspekte sind eingeflossen ( II )
„Die Musik spielt in den Sozialräumen!“
– Nachhaltigkeit versus Globalisierung
– Neue Formen der Solidarität
– Selbsthilfe-/Selbstorganisations-
prozesse
– „Subsistenzwirtschaft“
– Es gibt eine bunte Angebotspalette
für Lebenslagen, Altersgruppen +
Bevölkerungsschichten zwischen
„Kultur + Teilhabe“, Alltagsassistenz, „Reisebüros müssen Service verbessern -
Gesundheit + chronischer Krankheit, Ältere sind als Kunden immer wichtiger“
Pflege … und Sterben Nov. 2011: „Jakobsweg für Trauernde!“
– „Inklusion“ ist Realität
– „Neue Zuschnitte“ gibt es vielfach
5
6. Das Ehepaar Kreis 2025
„´Wir haben unser Leben lang gearbeitet, jetzt sollen die
Jungen mal was für uns tun`. -
Dieser Slogan ist NICHT unser Motto!“
Gisela, 73 Wolfgang, 75
war bis 68 kaufm. Elektriker, bis 70
Angestellte, in einem Kleinbetrieb
oft in Teilzeit
VZ-Stelle (42 h/W.)
Hatte lange
Zuletzt noch 10 h/W
Familienphasen
gearbeitet
zuletzt Teilzeit
Rente:
gearbeitet
„überschaubar“
Rente = „sehr Wenn das Geld reicht, reisen sie gerne.
überschaubar“ Ihre Wurzeln sind die sozialen Netzwerke.
Sie sind aktiv im Stadtteil + im Verein.
Sie organisieren ihre Interessen und die
anderer. Sie wollen nicht „Zielgruppe sein“ 6
7. Das Ehepaar Kreis: 2025
Lebt in einer senioren- + familien-
freundlichen Kleinstadt
Die Gegensätze zwischen
arm + reich, jung + alt sind scharf
3 Kinder, 6 Enkel; leben weit entfernt
Zwischen den Generationen lebt man
„Intimität auf Abstand“. Das ist
realistisch.
Innerfamiliäre Absprache: Vermögen der Eltern wird eingesetzt, denn
die wollen „wenn möglich bis zum Schluss“ zu Hause leben.
Sie haben sich mit Freunden in einer Stiftung organisiert und sind im
Stadtteil aktiv.
Sie wissen was sie wollen und sie treten für sich und andere ein.
Regionale Geschäfte + Anbieter werden bevorzugt. Misstrauen gegen-
über Großunternehmen + überregionalen (Sozial-)Konzernen. 7
8. 2025: Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen haben
sich deutlich verändert!
Die Demographie hat ihre Spuren hinterlassen
Der Bevölkerungsrückgang ist drastisch!
Der ländliche Raum ist massiv
betroffen; die Städte unterschiedlich,
der Osten stärker als der Süden und
der Westen; im Norden geht die
Schere weit aus einander.
Deutschland hat noch 8 Bundesländer!
Sozial-/Pflege- und Gesundheits-
branche sind Wirtschaftsfaktor
Fachkräftemangel ist immer noch ein Thema (für Einzelne eine Wachs-
tumsbremse; andere haben pfiffige Lösungen gefunden)
8
9. 2025: Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen haben
sich deutlich verändert! (II)
High-Tech-Hilfsmittel zuhause und in der
Öffentlichkeit sind selbstverständlich.
„Hausnotruf“ war vorgestern. Standard sind
„Dienstleistungsmodule“ („Serviceroboter“).
Sensor- und Sprachsteuerung gibt´s nicht nur
in der „intelligenten Küche“ oder im Bad.
Züge werden von der Leitstelle ferngesteuert
9
10. Die gealterte Gesellschaft
zeigt Auswirkungen in den Belegschaften
Personalentwicklung ist Führungsaufgabe
auf allen Leitungsebenen
„Vereinbarkeit v. Familie + Beruf“ (= Ver-
sorgung v. Kindern + Hochbetagten)
Die (Pflege-)Unternehmen bieten
passgenaue Anstellungsarrangements
Kreative Personalbindungsprogramme
Selbstverständlich: „pfiffiger Personalmix“.
Die Formel: viele Assistenzkräfte, aus-
reichend Fachkräfte (hochspezialisiert),
multiethnische Belegschaft; top qualifizierte
Führungskräfte.
„Lasst uns die halten, die wir haben;
bessere zu finden, ist kaum möglich!“
10
11. 2025 selbstverständlich:
Das Gehalt ist lediglich ein Teil der Bezahlung!
Alle Ressourcen des Trägers stehen der Belegschaft zur Verfügung
Für MA mit Kindern + Jugend- Für MA als pflegebedürftige
lichen Angehörige
- Kindertagesstätte - Pflegedienst
- Sonderkindergarten - Seniorenheim
- Jugendzentrum - Tages- und Kurzzeitpflege
- Tagesmüttervermittlung - Mobiler Mittagstisch
- Hortbetreuung - Hausnotruf
- Hausaufgabenhilfen - Seniorenreisen
- Ferienangebote - Betreuungsangebote
Programme für (ergraute) Mitarbeitende mit
Vereinbarkeitsproblemen!
Unsere Beratungsangebote Unsere allgemeinen Angebote -
auch für die MA! selbstverständlich auch f. d. MA!
- Familienbeauftragte - Haushaltsnahe
- Erziehungsberatung Dienstleistungen
- Sozialberatung - Arbeitsvermittlung
- Integrationsberatung - Sprachkurse
- Schuldnerberatung - Kurangebote
- Suchtberatung - Ehrenamtsbörse 11
12. 2025: „ambulant“ - „teilstationär“ - „stationär“ war gestern!
Heute: Integrierte (Pflege-)Einrichtungen und Angebote
• Frühere „stationäre“ Pflege ist weitgehend integrierter Teil in den vielfältig
ausgebauten regionalen Unterstützungsnetzwerken.
• Betreutes Wohnen zuhause, (Pflege-)Wohngruppen, Hausgemeinschaften,
Generationen übergreifendes Wohnen - gibt es vielfältig; sie werden von
passgenau zusammengestellten MA-Teams versorgt.
• Demenzwohngruppen gibt es gut verzahnt in jedem Wohnquartier
(„dezentral organisiert - zentral gesteuert“) .
• Große Einrichtungen gibt es für Menschen in Spezialsituationen.
• „Offene Altenhilfe“ und „(Häusliche) Pflege“ sind zu einem neuen Ganzen
geworden und integrierte Bestandteile neuer Arrangements.
12
13. Der „Pflegedienst“ ist zum
Leuchtturm im Sozialraum geworden
Am Wohnort des Ehepaars Kreis gibt es zwei „Pflegedienste“.
Sie sind eine wichtige Größe im Sozialraum.
– Impulsgeber und Gestaltungsfaktor.
– „eine Marke“ mit anerkannten Produkten
und einem sehr guten Image.
– haben Angebote für alle Lebenslagen und
Altersgruppen (Generationen- und Ethnien
übergreifend).
– „Alles aus einer Hand“ nicht als Floskel sondern „in echt“!
– „Frühe Hilfen/Alltagsassistenten“ heißt die Einstiegsunterstützung; bei
Bedarf gibt´s die (Pflege-)Wohngruppe
– sind horizontal und vertikal gut vernetzt und zentrale Netzwerkpartner
(Case-/Care-Management)
– Die Unterstützungen reichen von Prävention, über Akuthilfe bis zur
Rehabilitation
– Zudem gibt es Angebote „Kultur und Teilhabe“ über „Daseinsfür-
sorge“, Wellness und Reisen bis zur Hospizbegleitung.
13
14. Die Musik spielt in den Gemeinden, Stadtteilen,
Wohnquartieren - und in den örtlichen Organisationen!
Bürgeragenturen, Gemeinwesenprojekte,
Community Organizing, Stadtteilmoderatoren,
Bürgerbeteiligung durch Volksentscheide,
„Stadtteilbudgets“
Varianten zum Ehrenamt heißen Bürger-
arbeit , Freiwilligenhilfe, Selbstorganisation
Für viele wichtig: „Etwas hinzuverdienen
ohne Anrechnung a. d. Rente/Transferleistungen
„Tafeln“, „Sozialkaufhäuser“, „Kleiderbörsen“ gibt es überall.
Weit verbreitet: Das Engagement für eigene Belange
(„Subsistenzwirtschaft“)
Neue Kultur des intergenerativen Zusammenlebens im Wohnquartier
14
15. Das Ehepaar Kreis?
Sie leben 2025 und engagieren sich „mittendrin“
Viele Nachbarn sind „Deutsche mit
Migrationshintergrund“
Ihr Haus ist barrierefrei umgebaut
Eine Wohnung i. Haus: preiswert
vermietet an eine jüngere Familie
„Hilfe auf Gegenseitigkeit“
Sie nehmen Dienste der örtlichen
Agentur für Alltagsassistenz in Anspruch
Die meisten Helfer/-innen wohnen
„in der Nähe“
„Wir haben immer das Ziel im Blick: Absicherung
unserer Unabhängigkeit und Selbständigkeit!“
15
16. 2025 hat der („magere“) Sozialstaat
vermehrte Selbstverantwortung „produziert“
Bürgerkassen sichern die Grundsicherung.
Die Schere zwischen arm und reich ist weit
auseinander gegangen.
Übergreifendes persönliches Budget!
Unterstützungspaket werden zunächst unab-
hängig von der Kostenträgerfrage geschnürt.
„Abgestufte Qualitäten“ sind üblich.
Qualitätsprüfungen sind verbraucher-
freundlich und kostengünstig organisiert.
Orientierungshilfen sind meist:
der Verbraucherschutz, veröffentlichte
Kundenbewertungen, Internetportale,
Soziale Netzwerke, die Empfehlung der
Nachbarn.
16
17. Pflege wird 2025 ganz anders definiert …
Vor Jahren dann doch noch realisiert: Der erweiterte
Pflegebedürftigkeitsbegriff.
Es geht um das Management der Ressourcen, um
Unterstützung bei der Selbsthilfe und um Prävention.
Leistungserbringung im Minutentakt ist lange her.
„Pflege“ ist e i n Teil der Unterstützungs-
arrangements (wird hochspezialisiert erbracht).
Ausländische (Spezial-)Fachkräfte und ein Heer
von Assistenzkräften (oft mit Migrations-
hintergrund) sind selbstverständlich.
High-Tech-Hilfsmittel sind im Einsatz; regelmäßiges
Case- + Care-Management sind Standard.
17
18. Pflege wird 2025 ganz anders definiert und umgesetzt
„(Alten-)Heime“ sind oft (Demenz-)
Wohngruppen, als Hospiz organisiert
und mitten in den Wohnvierteln
Viele Einrichtungen haben öffentliche
Cafés, ein Restaurant, die Stadt-
teilbibliothek, man bietet regelmäßige
Kultur-Events; manche umfassen ein
Hotel.
Tagesbetreuungsgruppen und
Zentren plus ergänzen klassische
Tages- und Kurzzeitpflege und sind
etablierte Elemente häuslicher Hilfen
Neue Formen der Nutzermitbestimmung haben sich etabliert!
Ombudsleute sind selbstverständlich;
sie sind eng angebunden an den örtlichen Seniorenrat
18
19. Das Ehepaar Kreis 2025:
„Wir pflegen unsere Fähigkeiten, managen unsere Möglichkeiten
und helfen uns und anderen!“
Sie leisten Bürgerarbeit i. d. benachbarten
Demenzgruppe im Stadthaus.
Frau Kreis ist Ombudsfrau, Mitglied im
Seniorenrat der Stadt und „Vorlese-Oma“ in
der KiTa.
Er arbeitet im „Selbsthilfe ´Baumarkt`“.
Im Bürgerzentrum machen sie mit in der
Wandergruppe und im Internetcafé.
Fahrten + Reisen buchen sie bei
„senioserv“.
Beide verdienen etwas hinzu - und leisten
sich eine Alltagshilfe.
„Wir haben begriffen: Es ist wichtig, für den gesamten Stadtteil
einzutreten. Alt und Jung miteinander ! Das ist das Erfolgsrezept!“
19
20. Pflege wird 2025 ganz anders definiert und umgesetzt
Im Verbundsystem wird medizinische und
pflegerische Hilfe für alt und jung durch
verlässliche Alltagsassistenz und Teilhabe am
Leben im Ort ergänzt.
Gesundheitszentren umfassen u.a. die
nötigen ärztlichen Ressourcen
Helferinnen flankieren professionelle Hilfen.
Freiberufliche Hilfelotsen sind ihren Preis
wert und ersetzen die „Pflegestützpunkte“
Generationsübergreifendes Handeln anstatt der
früheren alters- bzw. lebenslagenspezifischen
kommunalen Hilfen.
Das Motto „Frühe Hilfen und Prävention“
bestimmt die kommunale Sozialpolitik.
20
21. Herr Kreis:
„Die Befürchtung, dass alles schlechter wird, ist
nicht eingetreten. Politik + Bürgerschaft haben
gestritten und sich zusammengerauft!“
Die Grenzen zwischen den
Unterstützungsebenen sind
aufgehoben.
Passgenaue Hilfen im Sozialraum
sind entstanden.
„Blaupause“ war die Sozialraum-
orientierte Jugendhilfe
(„so viel Ressourcen wie möglich
im Sozialraum lassen“).
Abgestufte Hilfen bis hin zur
Rundum-Versorgung und Palliative
Care sind heute überall möglich.
21
22. Das letzte Wort … hat Gisela Kreis
„Mein Mann und ich pflegen unsere Stärken. Wir bringen
uns zu unserem und dem Wohl aller ein.
Schwächen bejammern?
Dazu haben wir keine Zeit.
Das Glas ist halbvoll und nicht halbleer!“
22
23. Danke für Ihr Interesse …
Wege, die in die Zukunft führen,
liegen nie als Wege vor uns.
Sie werden erst zu Wegen, wenn
WIR sie gehen.
(Franz Kafka)
23