Vortrag zu aktuellen juristischen Fragen des digitalen Vertriebs von Musik. Der Schwerpunkt liegt auf Vertriebsmodellen, die sich ausserhalb des üblichen Lizenzkreislaufs bewegen (Youtube, Radio-Aggregatoren, Music Locker, Filehoster).
5. Warum radio.de nicht zahlen muss.
Warum Spotify zahlen muss, aber (noch) nicht
zahlt.
Und warum Youtube nicht zahlen muss, vielleicht
aber trotzdem zahlt.
6. Das Internet auf Juristendeutsch:
„Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung
ist das Recht, das Werk drahtgebunden oder
drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugäng-
lich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffent-
lichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl
zugänglich ist.“ (§ 19a UrhG)
7. Wer hat das Onlinerecht?
GEMA: Recht auf öffentliche Zugänglichmachung
(„Internetrecht“) der Autoren/Komponisten und
Verlage
GVL: Senderecht (für Simulcast/Webcast) der
Labels und Künstler
Labels: Recht auf öffentliche Zugänglichmachung
der Labels und Künstler
8. Warum man Autoren und Künstler
getrennt einkaufen muss
Künstler: Tonträger- Autoren:
Rechte an der Verlag
hersteller Rechte am Werk
Aufnahme
Autorenrechte:
Öffentl.
Zugänglich-
machung
Digitale
Plattform
9. Jeder Rechteerwerb ist ein
individueller Deal
Tonträger-
hersteller
Lizenz Tonträger- und
Künstlerrechte für:
Öffentl. Zugänglichmachung
Digitale
Lizenz Autorenrechte für:
Plattform Öffentl. Zugänglichmachung
Ggf. Lizenz Tonträger- und
Künstlerrechte für: Sendung
10. vs.
Das Prinzip YouTube: „MIHOP“ oder „LIHOP“?
YouTube ist lizenzpflichtig, wenn YouTube selbst „öffentlich
zugänglich“ macht („Make it happen on purpose“)
YouTube ist nicht lizenzpflichtig, wenn der Nutzer „öffentlich
zugänglich macht – YouTube haftet aber ggf. auf
Unterlassung, wenn es zu Rechtsverletzungen der Nutzer
beiträgt („Let it happen on purpose“).
11. vs.
Das LG Hamburg sagt „YouTube lets it happen “:
YouTube macht nicht selbst „öffentlich zugänglich“ - damit keine direkte Lizenzpflicht
von YouTube gegenüber GEMA
YouTube haftet aber auf Unterlassung und hat Kontroll- und
Überwachungspflichten:
Hash-Filter
Einstellen jedes gemeldeten Musikstücks in Referenzdatenbank „Content-
ID“
Wortfilter nach Titel/Interpret
Pattsituation: YouTube ist rechtlich nicht zum Abschluss von Lizenzen verpflichtet,
die GEMA kann aber den Content von der Plattform nehmen.
12. vs.
Reality Check?
EuGH, SABAM vs. Netlog: Verpflichtung zur Einrichtung eines
„komplizierten, kostspieligen, auf Dauer angelegten und allein auf
Kosten des Anbieters betriebenen“ Überwachungssystems
beeinträchtigt unternehmerische Freiheit = unzulässig
Mögliche Folge: Aufhebung des Urteils des LG Hamburg in der
Berufung oder vor dem EuGH – aber: YouTube wird wohl
Einigung suchen und Lizenzen für seine Nutzer erwerben
13.
14. Aggregatoren: Unglaublich praktisch, aber auch legal?
„Öffentliche Zugänglichmachung“ bzw. „Sendung“ durch Aggregator?
Wohl nicht: Stream bereits im Netz verfügbar, keine Beschränkung auf
eigene Homepage, damit keine „neue“ Öffentlichkeit, also keine
Lizenzpflicht.
Aber: „Zu Eigen machen“ der Leistung Dritter? - nach den Grundsätzen
GEMA vs. YouTube nicht: Herkunft bleibt erkennbar, Keine Veränderung
der Inhalte, keine wirtschaftliche „Einverleibung“ der Streams
15. Jedenfalls: Einwilligung der
Radiosender - Sender stellen explizit
Links für externe Player bereit
Nach BGH (Google Bildersuche) liegt
dann eine Einwilligung in
internettypische Nutzungen vor, wenn
Inhalte veröffentlicht werden, ohne
dass verfügbare Schutzmechanismen
genutzt werden
16. Öffentliche Öffentliche Wohl keine Öffentliche
Zugänglichmachung Zugänglichmachung: Zugänglichmachung
durch Spotify Nicht durch YouTube, bzw. Sendung
Lizenzen erforderlich: sondern durch Nutzer Keine Lizenzpflicht
Rechte d. Künstler Keine direkte Jedenfalls in der
und Labels direkt, Lizenzpflicht Regel: Einwilligung
Rechte der Autoren Störerhaftung und der Sender
über GEMA Prüfpflichten
GEMA-Tarif für Faktischer Druck,
werbefinanzierte Lizenzen für Nutzer
Angebote bisher nicht zu erwerben
refinanzierbar
19. „We don't need no stinkin' licenses.”
Cat Griffin, Amazon-Sprecher, März 2011
20. Über den Wolken…
Cloud computing = Bereitstellung von IT-Infrastrukturen
über ein Netzwerk (z. B. Rechenkapazität, Datenspeicher,
Software)
Anbieter: mp3tunes.com (2005-2012), Amazon Cloud Drive
(2011), Apple iCloud (2011), Motorola Zumocast (2011)
21. …ist die Freiheit auch nicht grenzenlos
Upload von Files durch User (zum Beispiel Umwandlung
von CD Dateien in mp3 – „format shifting“)
Setzt in Deutschland keine Lizenz voraus, wenn Nutzer
als “Hersteller” einer Privatkopie einzuordnen ist
(Bundesgerichtshof, save.tv 2009 – Onlinevideorekorder)
22. Please insert coin!
„ohne manuelle Eingriffe“ (Bundesgerichtshof 2011)
Anfertigung einer Kopie „unter Nutzung der vollständig
automatisierten Vorrichtung“ (zum Beispiel CD-
Münzkopierautomat) ist eine Privatkopie.
Kein Eingriff des Nutzers in das Urheberrecht
(Ausnahme: offensichtlich rechtswidrige Kopie).
Nicht erlaubt in Großbritannien (Hargreaves Report
2011)
23. iTunes Match: Ein Dienst, sie alle zu knechten…?
Musikdateien werden synchronisiert
statt hochgeladen („akustischer
Fingerabdruck“). Qualitätskontrolle.
Daten auf maximal zehn Apple-Geräten
und Windows-Rechnern (synchron)
GEMA: einjährige
„Experimentalvereinbarung“ mit Apple
24. …oder die Rettung der Industrie?
Konzern führt angeblich 70 Prozent
des Umsatzes an Labels ab
Illegal erworbene Dateien bleiben
illegal
Störerhaftung von Apple?
26. “Friend” ist nicht gleich “Freund”
Sharing von Musikdateien zwischen Nutzern (zum
Beispiel durch Verlinkung)
in Deutschland erlaubt, wenn Zugang für eine begrenzte
Zahl von anderen Nutzern mit einer „persönlichen
Beziehung“ zum Nutzer
Grenze: Veröffentlichung - Wo beginnt Öffentlichkeit?
Facebook-Friends? Krankenhausnachbarn?
Schulkameraden? 7-Freunde-Regel?
Grundsätzlich unzulässig in Großbritannien
27. Nicht Computer stehlen Musik – Menschen
stehlen Musik. Oder?
Haftet Betreiber der Plattform, wenn User Urheberrechte
verletzen (z.B. illegale Uploads, massenhaftes Sharing)?
28. Die Lage im Land der unbegrenzten
Möglichkeiten…
USA: Capitol Records (EMI) v mp3Tunes 2011
Keine Verpflichtung, Rechtsverletzungen aktiv zu
beseitigen (Safe Harbour für Host Provider)
Betreiber muss (ab Kenntnis) Links auf rechtswidrige
Kopien löschen und User-Locker bereinigen
Betreiber muss aktiv gegen “Wiederholungstäter”
vorgehen
29.
30. …und der unbegrenzte Arm des FBI
Megaupload.com 2011:
Verhaftung von “Kim Dotcom” in Neuseeland
U.S. Department of Justice 2012:
Finanzielle Anreize für Upload von illegalem Content
Keine Anwendung von Filter Software
Bereits abgemahnte Uploads nicht entfernt
31. und in Deutschland?
2009 bis 2011: OLG Düsseldorf vs. OLG Hamburg
(Rapidshare)
Hamburg: Monitoring
Bundesgerichtshof Rapidshare 2012
Kein Zulassen von Hyperlinks aus Linksammlungen
Parallelsuche nach Raubkopien bei allen Nutzern
32. Wo geht die Reise hin?
Urheberrechtsreform wird noch Jahre dauern
Piraterieverfolgung bleibt schwierig und findet wenig
gesellschaftliche Akzeptanz – 94 Prozent der auf Sharehostern
befindlichen Musikdateien sind illegal (CHIP 2012)
Die einfache Lösung: Erweiterung der Geräteabgabe auf Anbieter
von Speicherplatz und Übertragungskapazität im Internet =
substanzielle Verbesserung der Einkommenslage von Urhebern,
Verlagen, Künstlern bei einfacher Durchsetzbarkeit