1. WIESBADEN & RHEINGAU
Wasser undWein
Wiesbaden wird
auch als »Tor zum
Rheingau« bezeichnet. Bei
einem Besuch in der Stadt der heißen
Quellen haben wir ein paar Ausflüge in die
Region unternommen, in der sich kleine und
große Weingüter wie Perlen an der Schnur
reihen. Wir haben einige von ihnen besucht.
Text: Birgit Hamm
Blubb: In Wiesbaden dampft
und sprudelt der Kochbrunnen-
springer [1]. Gluck: Im
Kloster Eberbach gibt es riesige,
uralte Weingewölbe [2].
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2. [2] [3]
[1]
ein verzweigtes Thermalwassernetz in die
100 Jahre alte Kaiser-Friedrich-Therme
und beheizt das Wiesbadener Rathaus.
Diese Stadt ist eine Pracht. Ganze Vier-
tel mit Jahrhundertwende-Altbauten ver-
sprühen Belle-Époque-Charme. Das Kur-
haus mit dem Spielcasino – der Kurort
Roulettenburg in Dostojewskis Roman.
Der Spieler soll angeblich Wiesbaden sein
– Staatstheater, Hessischer Landtag, alles
prunkt. Man lebt hier glänzend, speist
edel-italienisch bei »Di Gregorio«, länd-
lich-französisch im »Les Deux Dienstbach«
und deftig-hessisch im »Bobbeschänkelche«.
Genehmigt sich einen »Molekular Rasp-
berryMojito«inder»manoamano«-Barauf
der schicken Taunusstraße oder trifft sich
aufEinspännerundTorteimTraditionscafé
»Maldaner«,einemamüsantaltmodischen
Ort, wo die jungen Damen am Kuchenbuf-
fet weiße Spitzenhäubchen tragen.
Wem das mal etwas viel wird, der fährt
mit der Nerobergbahn zum Wiesbadener
Hausberg. Die Nerobergbahn, eine denk-
malgeschützte Kuriosität, feiert dieses
Jahr 125. Jubiläum. Sie funktioniert mecha-
nisch, mittels Wasserballast: Oben wird
der Tank befüllt, unten wieder abgelassen
– zwei verbundene Standseilbahnen bewe-
gen sich so rauf und runter. Der Betriebs-
leiter Dieter Sahm sorgt dafür, dass alles
läuft. Die Nerobergbahn ist ihm Arbeit
und Hobby zugleich. »Damit das Prinzip
funktioniert, muss die ins Tal fahrende
Bahn etwas schwerer sein. Wir zählen
zwar die Passagiere ab und füllen entspre-
chend Wasser ein, aber wenn mal ein paar
richtige Schwergewichte einsteigen, kann
es Probleme geben. Manchmal bleibt die
Bahn mitten am Hang stehen – dann ren-
nen die Kollegen und ich hoch und schie-
ben, ungefähr 50 Meter, dann geht’s wie-
der«, erzählt Sahm und strahlt.
Am Schiersteiner Hafen erlebt man ein
fast dörfliches Wiesbaden. Entlang der
Promenade könnte man immer weiter bis
in den Rheingau spazieren. Die Weinre-
gion mit den sonnigen Steilhängen, an de-
nen der berühmte Rheingauer Riesling
wächst, liegt vor den Toren der Stadt. Klei-
ne und große Weingüter reihen sich hier,
alle naslang kann man einkehren, eine
Kleinigkeit essen, ein Glas Wein trinken.
Das Kloster Eberbach ist ein Rheingau-
Highlight. Jetzt im Frühjahr kann man die
beeindruckende Anlage mit Muße besich-
tigen. Die Teilnahme an einer Führung ist
G
äbe es eine chemische Formel für Wies-
baden,könntesievielleichtsoaussehen:
NaCl + H2
O + S +Au WI. Denn Salz-
wasser, Schwefel, Gold sind hier allge-
genwärtig. Die Goldgasse mit ihren
Goldschmiede-Ateliers, die goldenen Zwiebeltürme
der russischen Kirche, die Firma Gold’n art, die vom
Smartphone bis zum Auto praktisch alles vergoldet;
und, für den schmaleren Geldbeutel, die Curry-Ma-
nufaktur, die goldbestäubte Currywurst anbietet. Sie
schmeckt sehr gut – es muss am Goldstaub liegen.
Von Gold ist auf dem Kochbrunnenplatz nichts zu
sehen. Es ist überhaupt wenig zu sehen, denn hier wa-
bern Nebelschwaden wie im Edgar-Wallace-Film. Das
liegt am Kochbrunnenspringer, der unaufhörlich
heißes, schwefliges, salziges Wasser speit. Das teller-
förmige Gebilde, schartig und mit bronzenem Sedi-
ment überzogen, wirkt wie etwas großes Außerirdi-
sches. Wenn man mit dem Finger darüberfährt, wird
der ganz dunkel: »Das sind oxidierte Metalle«, erklärt
Stadtführerin Irmgard Knopf, »damit haben sich hier
schon die Römer die Haare gefärbt.« Nebenan plät-
schert das Kochbrunnenwasser – nur eine von insge-
samt 26 heißen Quellen der Stadt – in einem Pavillon
aus Wasserhähnen. Es hat 66 Grad, schmeckt schwef-
lig, salzig. Es muss sehr gesund sein, denn »viele kom-
men mit Thermoskannen und füllen sich Tagesratio-
nen ab«, weiß Frau Knopf. Der Rest wandert durch
Himmlisch, der Tropfen: Schwester Thekla
beim Verkosten [1]. Gut gelaunt: Graf von
Plettenberg, Geschäftsführer der Sekt-
manufaktur Schloss Vaux [2]. Winzer und
Rebell: Anthony Hammond [3].
ÜBERNACHTEN
Hotel Oranien
Angenehmes, privat
geführtes Vier-Sterne-
Hotel in einer Stadtvilla.
Ruhige und zentrale Lage.
Gutes Frühstück. Platter
Straße 2, Wiesbaden.
hotel-oranien.de
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Radisson Blu Schwarzer
Bock Hotel***** ein Paket
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1 Ü/DZ/F inkl. 1 x
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Weines im Kurhaus
Wiesbaden [balldesweines.
de] ab 219 € p.P.
[Leistung WF0420].
Anreise am 27.4.
Buchung unter Tel.
06172/109-666 oder
ameropa.de
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3. FOTOS:SABINELUBENOW/COLLECTIONLOOK/GETTYIMAGES;THEOBARTHFÜRMOBIL[5]
Für die Winzernonnen der Abtei St.
Hildegard ist die Arbeit im Klosterwein-
gut göttlicher Schöpfungsauftrag: »In den
Ordensregeln des heiligen Benedikt heißt
es, dass wir von unserer Hände Arbeit le-
ben sollen«, erklärt Schwester Thekla. Seit
21 Jahren arbeitet sie im Klosterweingut –
nicht immer hat der aus Norddeutschland
stammenden Ordensschwester das Spaß
gemacht. Doch im Kloster wird die Arbeit
zugeteilt. Heute ist sie mit Leidenschaft
dabei, hat Erfahrungen gesammelt, Neues
probiert und große Erfolge erzielt. Wie
den Weißwein Benedictus, der eine Gold-
medaille erhielt. »Der 2012er wird richtig
gut«, sagt Schwester Thekla, auch wenn es
Probleme mit Temperaturschwankungen
gab. Noch ruht er im Weinkeller. Abfüllen
will sie ihn erst Ende April.
»Alles, außer Tradition« ist der Wahl-
spruch von Anthony Hammond, der mit
seiner Frau Simone die Garage Winery
betreibt. Zu finden in einer der verwinkel-
ten Gassen von Oestrich-Winkel. »Kein
Schloss, nur die Garage«, werden wir be-
grüßt, und nach all den Klöstern und Vil-
len ist dies eine angenehm normale Loca-
tion: ein Wohnhaus für die sechsköpfige
Familie, übern Hof die Garage mit Pro-
biertheke, nebenan ein Weinkeller. Dort
stehen jetzt 50 Jahre alte Fässer. »Ich woll-
te wieder mit Holzfässern arbeiten. Und
bin selbst überrascht, wie positiv sich das
auf die Weine auswirkt«, sagt Anthony.
Bekannt wurde die Garage Winery mit
coolen Mini-Weinflaschen, lustigen Eti-
ketten und Namen wie Sugar Babe oder
Goldmarie. Clubs, Friseure und Bouti-
quen sind nach wie vor begeisterte Abneh-
mer. Deshalb wird diese Linie beibehalten.
Und gleichzeitig werden neue Wege be-
schritten: »Wir wollen klein und fein blei-
ben und immer unsere persönliche Hand-
schrift zeigen.« Gerade befindet sich das
Weingut in Umstellung auf Bio. »Unser
Riesling Spätlese »Wild Thing« wurde
spontan vergoren, das heißt, der Wein gärt
vonselbst,manhatkeineKontrolle,welche
Aromendabeiherauskommen«,sagtAntho-
ny. Er gerät ins Schwärmen: »Bei der Spon-
tanvergärung lösen die Hefen einander ab,
der Wein bekommt viele verschiedene
Aromen und ist langlebiger, weil immer
neue Nuancen zum Vorschein kommen.«
Und weil er den 2012er-Gutsriesling
schon im Januar abgefüllt hat, kann ich
bestätigen: Der 2012er scheint wirklich ein
sehr guter Jahrgang zu sein.
unbedingt empfehlenswert. 1985 wurden hier die
Innenaufnahmen zum Film »Der Name der Rose« ge-
dreht. Hauptdarsteller Sean Connery soll in den un-
beheizten Klostermauern so gefroren haben, dass
man ihm aus dem guten Assmannshäuser Spätbur-
gunder Glühwein gekocht hat. Zwei Filmrequisiten
hat man augenzwinkernd und nicht ohne Stolz ins
Kloster integriert: eine täuschend echte Pappmaché-
säule und ein Schreibpult mit Büchern. Der Name
Kloster Eberbach ist eng mit dem Begriff »Hessische
Staatsweingüter« verbunden, die heute die einstigen
Klosterweinberge bewirtschaften. Staatsgüter wer-
den zu Forschungszwecken und als Vorbildbetriebe
geführt. Nicht weit vom Kloster steht die Anlage, in
der aus Trauben Wein wird. Ihre hypermoderne Ar-
chitektur erhitzt die Gemüter – gelungen oder dane-
ben? Der 2012er soll ein sehr guter Jahrgang sein. We-
gen der urigen Atmosphäre sind Weinführungen im
Kloster sehr beliebt, es gibt riesige Weingewölbe mit
alten Holzfässern und stimmungsvollem Kerzenlicht.
Dafür muss man sich anmelden. Den Schlenderwein-
proben kann man sich einfach anschließen.
In Eltville hat die Sektmanufaktur Schloss Vaux
ihren Sitz. »Wir setzen auf Spitzenqualität, nicht auf
Massenproduktion«, sagt Nikolaus Graf von Pletten-
berg. Hier finden zu besonderen Anlässen große Di-
nersstatt,etwaMenüsvonRheingauerSterneköchen,
ausschließlich begleitet von dem erstklassigen Rhein-
gauer Lagensekt, der hier produziert wird. Seit zwölf
Jahren ist Graf von Plettenberg Geschäftsführer, ein
BWLer mit Liebe zu Wein, Sekt und Tradition. Er
führt durch die Kellerei: »Unser Lagensekt gärt min-
destens neun Monate auf seiner Hefe in der Flasche.«
Das gibt ihm Aroma und elegante Perlen. Dieser Sekt
ist immer ›extra brut‹, erhält erst durch Zugabe eines
Dosagelikörs den gewünschten Geschmacksdreh.
Dann bekommt er noch eine feine Kellertafel um
den Hals und ist fertig zur Auslieferung, etwa an ge-
hobene Gastronomiebetriebe. Aber auch wer spontan
vorbeischaut, kann hier Sekt kaufen.
RHEINGAU-
ADRESSEN
Kloster Eberbach
Kloster Eberbach 1, Eltville
Termine: geführter
Rundgang mit
Weinverkostung: 22.3.
Offene Schlenderprobe:
5.4., kloster-eberbach.de
Sektmanufaktur
Schloss Vaux
Kiedricher Straße 18a,
Eltville, schloss-vaux.de
Klosterweingut
Abtei St. Hildegard
Klosterweg 1, Rüdesheim,
abtei-st-hildegard.de
Garage Winery
Friedensplatz 12,
Oestrich-Winkel,
garagewinery.de
Blick von einem Weinberg der Garage
Winery am Rüdesheimer Schlossberg
auf die andere Rheinseite nach Bingen.
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