FOM Mediation & Kommunikation: Kurzdarstellung - vom Wesen der Mediation
1. Dr. Carsten Weerth BSc LLM (Com.) MA
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Mediation – ein gesteuertes Verfahren zur
außergerichtlichen Streitbeilegung
Der Mediator ist ein Geburtshelfer der
Kommunikation bei Konflikten…
Mediation ist nicht für alle Konflikte geeignet…
Mediation kann schneller und kostengünstiger
sein als Gerichtsverfahren…
Mediation dient einer selbstbestimmten
Lösung…
Mediation ist eine Kunst, die erlernt und geübt
werden muss…
Mediation arbeitet mit Kommunikation und
Verhandlungstechniken
Der Mediator ist wie ein Katalysator…
Die Kommunikation ändert sich von Y auf
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A. Geschichte
Die Mediation ist bereits seit langer Zeit bekannt.
Sie wurde im asiatischen Kulturraum regelmäßig durchgeführt, wo der Gang zu
Gericht eine „Schande“ darstellt.
Im Mittelalter gab es in Europa Mediatoren, z.B. wurde der westfälische Frieden des
Dreizigjährigen Krieges 1648 in Münster u.a. von einem venizianischen Mediator
namens Aloysius Contareno mit ausgehandelt…
Die Mediation wurde in den 1960er/1970er Jahren in den USA wiederentdeckt
worden und die Mediation ist „wieder“ nach Europa eingeführt worden…
B. Abgrenzungen
Mediation ist eine Form der selbstgesteuerten, außergerichtlichen Streitbeilegung
durch einen neutralen Dritten und unterscheidet sich daher von den anderen Formen
der Streitbeilegung „-tion“:
- Negotiation / Verhandlung
- Arbitration / Schiedsgerichtsverfahren
- Ligitation / Gerichtsverhandlung
aber auch von Schiedsgutachten, Streitschlichtung durch Ombudsfrauen-/männer,
Streitschlichtung in Arbeitskämpfen, Einigungsstellen nach dem PersVG, Mode-
ratoren von Runden Tischen, etc.
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C. Sieben Elemente der Mediation
Die Basis der Mediation bilden bekannte Elemente – Verhandeln, Diskutieren und
Vermitteln – dabei handelt es sich also nicht um Innovationen.
Sieben wesentliche Elemente kennzeichnen die Mediation
1. Allparteilichkeit des Mediators
2. Einbeziehung aller Streit-/Konfliktparteien (Medianten)
3. Eigenverantwortlichkeit der Medianten
4. Vollständige Informiertheit der Medianten
5. Freiwilligkeit der Teilnahme am Verfahren der Mediation
6. Vertraulichkeit (vertraglich versichert)
7. Fach- und problemspezifisches Angehen des Konflikts/Ergebnisoffenheit
Allparteilichkeit – der Mediator ist neutral und steuert das Mediationsverfahren;
gleichzeitig ist der Mediator auf „Augenhöhe“ mit den Streitparteien. Gleichwohl hat
der Mediator die Verfahrensführung in Händen.
Einbeziehung aller Streit-Konfliktparteien (Mediaten) – in einfachen oder
normalen Fällen (Scheidung, Nachbarn) zwei Streitparteien, in komplexen Fällen
(öffentliche Baumediation), ggf. mehrere Streitparteien (Bürgerinitiativen, Ämter,
unorganisierte Bürger).
Eigenverantwortlichkeit der Medianten – ein wesentlicher Vorteil der selbst-
bestimmten Streitbeilegung. Der Mediator steuert mit Kommunikationsmitteln in der
Gesprächsführung auf eine selbstbestimmte Lösung der Streitigkeiten zu.
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Vollständige Informiertheit der Medianten – die Medianten verpflichten sich
letztlich mit offenen Karten zu Spielen und alle Informationen preiszugeben. Diese
Offenheit wird durch die vertraglich vereinbarte Vertraulichkeit geschützt.
Freiwilligkeit der Teilnahme am Verfahren der Mediation – Grundlage für ein
Mediationsverfahren ist die Freiwilligkeit der Streit. und Konfliktparteien. Voraussetz-
ung ist damit die Freiwilligkeit der Medianten.
Vertraulichkeit (vertraglich versichert) – die im Mediationsraum gesprochenen
Inhalte bleiben im Raum und alle Beteiligten haben vertraglich die Verschwiegenheit
versichert. Diese Vertraulichkeit ist dann auch die Voraussetzung für die Öffnung der
Streit- und Konfliktparteien, die Aussprache, die Analyse des Konfliktes und die
Erarbeitung von Lösungen.
Fach- und problemspezifisches Angehen des Konflikts, bzw. Ergebnisoffenheit
– einerseits wird die Ergebnisoffenheit betont (ob es zu einem Ergebnis kommt
oder wenn ja, zu welchem, bleibt zunächst offen). Das fach- und problem-
spezifisches Angehen beinhaltet die verschiedenen Methoden und Techniken des
Mediators, den sog. Werkzeugkasten (Kommunikationsverhalten, Moderatoren-
fähigkeit, Harvard-Konzept).
Abbildung: Grundprinzipien der Mediation (Prof. Dr. Andrea Budde)
Externer
Dritter
Einbeziehung
aller
Konfliktparteien
Fall- und
problemspezifisch
Allparteilichkeit
Eigenverant-
wortlichkeit
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Praktisches Beispiel:
An dieser Stelle lohnt es sich, verschiedene Muster-Mediationsvereinbarungen
anzusehen.
DGM-Muster-Mediationsvereinbarung
„§ 1 Grundsätze
1. Die Medianden haben den Mediator einvernehmlich ausgesucht, sie nehmen
freiwillig an dem Mediationsverfahren teil.
2. Der Mediator erläutert den Medianden die Grundsätze und den Ablauf des
Mediationsverfahrens.
3. Der Mediator ist den Medianden gleichermaßen verpflichtet. Er fördert die
Kommunikation der Medianden und gewährleistet, dass diese in angemessener und
fairer Weise in die Mediation eingebunden sind.
4. Der Mediator kann im allseitigen Einverständnis getrennte Gespräche mit den
Parteien führen. Dritte können nur mit Zustimmung aller Parteien in die Mediation
einbezogen werden.
5. Die Medianden können die Mediation jederzeit beenden. Auch der Mediator kann
die Mediation beenden, insbesondere wenn er der Auffassung ist, dass eine
eigenverantwortliche Kommunikation oder eine Einigung der Medianden nicht zu
erwarten ist.
6. Soweit im Rahmen der Mediation rechtliche Aspekte erörtert werden, wird den
Medianden empfohlen, sich bei Bedarf rechtlichen Rat einzuholen. Ein Rechtsanwalt
kann an dem Verfahren teilnehmen, sofern alle Beteiligten damit einverstanden sind.
Der Mediator wirkt im Falle einer Einigung darauf hin, dass die Medianden die
Vereinbarung in Kenntnis der Sachlage treffen und deren Inhalt verstehen. Er hat die
Medianden, die ohne fachliche Beratung an der Mediation teilnehmen, auf die
Möglichkeit hinzuweisen, die Vereinbarung bei Bedarf durch externe Berater
überprüfen zu lassen. Mit Zustimmung der Beteiligten kann die erzielte Einigung in
einer Abschlussvereinbarung dokumentiert werden.“
6. Dr. Carsten Weerth BSc LLM (Com.) MA
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D. Fünf Phasen (bzw. sieben Phasen) der Mediation
Verschiedene Autoren unterscheiden zwischen fünf und neun Phasen der Mediation.
Hier werden fünf wesentliche Phasen vorgestellt, die mit Vor- und Nachbereitung
auch auf sieben Phasen ausgedehnt werden können.
Vorbereitung
1. Einführung/Begrüßung
2. Bestandsaufnahme/Darstellung der Positionen der Streitparteien/
Geschichtenphase/Themenfindung
3. Interessenfindung/Ideensammlung/Brainstorming (kreative Phase)
4. Konfliktlösung/Lösungsformulierung
5. Abschluss der Mediationsvereinbarung (Vertrag)
Nachbereitung (Follow-Up)
Vorbereitung – jede Mediation bedarf einer Vorgeschichte – die Idee, dass dieser
Konflikt auch im Rahmen einer Mediation gelöst werden könnte. Eine Streitpartei
oder das Gericht müsste auf die Idee kommen, dass eine Mediation anzustreben ist.
Ein Mediator muss gefunden werden und dieser muss die Streitparteien ansprechen.
Einführung/Begrüßung – der Mediator begrüßt die Medianten, erläutert die
Grundsätze der Mediation (Vertraulichkeit, Freiwilligkeit, Selbstbestimmtheit, etc.).
Kommunikationsregeln werden aufgestellt, die Aufgabe des Mediators wird erläutert.
Die Mediationsvereinbarung wird erläutert und unterzeichnet.
Bestandsaufnahme/Darstellung der Positionen der Streitparteien/
Geschichtenphase/Themenfindung – in dieser Phase wird erstmals „Spannung
abgelassen“ – beide Streitparteien erzählen ihre Sichtweise der Dinge. Hier werden
die Positionen der Streitparteien erstmals dargestellt, der Mediator versucht, die
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„Überschriften“ des Konfliktes, also die Themen des Konfliktes zu finden und dadurch
die „Agenda“ der Mediation (den Ablaufplan und die abzuarbeitenden Themen)
festzulegen. Hier empfiehlt es sich, die Überschriften auf einem Flipchart festzuhalten
und so die Themen darzustellen (Gemeinsamkeiten können visualisiert werden,
offene Punkte und Gegensätze können so visuell dargestellt werden). Besonders
wichtig für das Gelingen einer Mediation ist das Einhalten der Mediationsregeln (sich
gegenseitig aussprechen lassen, sich gegenseitig zuhören). Kommunikationsregeln
werden aufgestellt und eingehalten. Der Mediator wird in dieser Phase besonders
stark als Kommunikationshelfer tätig und benutzt verschiedene Moderationstech-
niken (Flipchart, Whiteboard, Pinnwand).
Interessenfindung/Ideensammlung/Brainstorming (kreative Phase) – in dieser
intensiven Phase werden die hinter den Positionen der Streitparteien liegende
Interessen herausgearbeitet. Hierfür sind verschiedene Techniken erforderlich (u.a.
Nachfragen, Paraphrasieren, Wechsel der Sichtweisen, uvm.). Per Brainstorming
und anderer Kreativitätstechniken der Streitparteien, alle möglichen und unmöglichen
Lösungswege und Ziele auf dem Flipchart festgehalten und visualisiert. Der Mediator
steuert in dieser Phase die gemeinsamen Gespräche und zeichnet die Ideen mit
Moderationstechniken (Flipchart, Whiteboard, Pinnwand) auf. Alle Ideen werden
zunächst aufgezeichnet und ungeeignete werden später verworfen. Üblicherweise
wird mit Brainstorming gearbeitet, aber andere Kreativtechniken können sinnvoll und
hilfreich sein (Brainwriting, Brainwalk, etc.).
Hierbei werden vom Mediator insbesondere Gemeinsamkeiten herausgestellt und
verworfene Lösungsansätze gestrichen. Diese Phase ist besonders kreativ, da die
beteiligten Streitparteien ihre Ideen für eine gemeinsame konstruktive Lösung
einbringen (können aber auch müssen). Wenn es hier noch Verhärtungen in den
Positionen gibt, müssen diese gelöst werden, ansonsten ist eine erfolgreiche Lösung
nicht möglich. Schweizer schlägt für diesen Fall der „Lösung von Blockaden“ vor,
Spaziergänge mit einzelnen Streitparteien zu unternehmen (Schweizer, 2009, S. 34).
Nach seinem Ansatz ist die einzelne Streitpartei nicht zu einer Öffnung bereit, so
lange der „Gegner im Raum“ ist.
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Konfliktlösung/Lösungsformulierung – in der Phase erarbeiteten die Streitparteien
unter Verhandlungsführung des Mediators eine gemeinsame Lösung, mit der beide
Streitparteien leben können (sog. Win-Win-Lösung). Hierbei wird auf die im Rahmen
der Ideensammlungsphase gefundenen Ideen zurückgegriffen. Vorschläge, die nicht
zielorientiert sind oder im Interesse beider Parteien liegen, werden gestrichen. Die
Ideen werden zu (Teil-) Lösungen gebündelt, die am Ende eine Gesamtlösung
darstellen.
Schlussphase/Ergebnissicherung/Formulierung und Unterzeichnung einer
Mediationsvereinbarung (Vertrag) – in der abschließenden Phase werden die
Ergebnisse gesichert und vom Mediator aufgezeichnet. Eine Mediationsvereinbarung
wird formuliert (ein Vertrag wird damit formuliert) und von den Streitparteien
unterzeichnet. Hier wird idealerweise für den Fall weiterer Streitigkeiten eine erneute
Mediation als Streitlösung festgehalten.
Ggf. ist vor Unterzeichnung ein Rechtsbeistand zu beteiligen oder bei der
Formulierung der Mediationsvereinbarung zu konsultieren.
Nachbereitung (Follow-Up) – war die Mediation erfolgreich und wurden alle
Vereinbarungen von den Streitparteien umgesetzt? Diese Phase gehört bei kritischer
Betrachtung vielleicht gar nicht zur tatsächlichen Mediation, da sie zeitlich nach
Abschluss der Mediationsvereinbarung liegt.
Ist der Mediator tatsächlich noch in der Verantwortung für einen gelösten Konflikt
nach der Beendigung der Mediation?
Ist die Nachbereitung und das Follow-Up nicht eher im Verantwortungsbereich der
ehemaligen Konfliktpartner?
9. Dr. Carsten Weerth BSc LLM (Com.) MA
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Literaturhinweise
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Breidenbach, Mediation für Juristen, Köln, 1997.
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http://www.humboldt-forum-recht.de/druckansicht/druckansicht.php?artikelid=25.
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Ponschab/Schweizer, Kooperation statt Konfrontation – Neue Wege anwaltlichen
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Schlieffen/Haft (Hrsg.), Handbuch Mediation, München, 2. Auflage, 2008.
Schlieffen/Haft (Hrsg.), Handbuch Mediation, München, 3. Auflage, 2015 (in Vorbe-
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10. Dr. Carsten Weerth BSc LLM (Com.) MA
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Schweizer (Adrian), Käse – ein Fall aus der Welt der zwischenbetrieblichen
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Weerth, Mediation (Kompakt): Die Bremer und ihre kreativen Stadtmusikanten. Eine
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Weidner: Konfliktkosten im Unternehmen – Ihre Chance als Wirtschaftsmediator,
Kanzleiführung professionell, 8/2005, S. 1–5.