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Gerhart-Hauptmann-Gymnasium
Dahlmannstraße 40
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Essay
Klassenstufe 12
2013/2014
Betreuender Lehrer: Herr Frank-Peter Reichelt
Macht Armut dumm?
Zusammenhang von Armut und Bildungserfolg in Europa
Marinus Fislage
Primelweg 38a
23966 Wismar
08.01.2014, Hansestadt Wismar
Gliederung
1. Einleitung
2. Die Dimension der Frage
3. Soziales Europa
4. Politisierte, ökonomisierte Bildung
5. Die Schule
6. Fazit
- 3 -
1. Einleitung
Es ist der Artikel 14 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der jeder Person ein
Recht auf Bildung einräumt, das abweichend vom vorherrschenden Befinden, es handele sich dabei,
wie die Diktion einiger Bürokraten und Juristen suggeriert, um eine Schulpflicht, viel mehr ein po-
sitives Freiheitsrecht garantiert. Bildung vermag es als lebenslanger Prozess neben einer erzieher-
ischen Komponente verkörpert durch Sozialisationsinstanzen wie die Familie, die Kindertagesstätte
oder die Schule, die „Eigentätigkeit und Selbstbestimmung des sich bildenden Menschen“1
mit
Hilfe der Vermittlung von Wissen zu ermöglichen und damit die soziale Mobilität. Dieser
fortwährende Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung stellt die unabdingbare Grundlage für eine
vom Diskurs und von Empathie geprägte Zivilgesellschaft dar.
Genauso erfordert eine funktionierende Demokratie ebenjene Bildung, deren Kompetenz es ist, alle
Bürger gleichsam in die Gesellschaft einzugliedern, denn da wo die Gleichheit vor dem Gesetz
besteht, festgehalten in Artikel 20 der Charta der Grundrechte, bedarf es ebenso einer Gleichheit in
Bildungsfragen. Die sich jedoch nicht in Form einer dogmatisch egalisierenden Institution, der es
gegenwärtig obliegt Schüler ungeachtet ihrer geistigen und sozialen Fähigkeiten auf ein einheit-
liches Ausbildungsniveau zu bringen, organisiert, sondern eine gleiche Verteilung von Chancen be-
deutet. Allerdings scheint im Großteil der europäischen Staaten exakt dieses ausgewogene Verhält-
nis von Bildungschancen nicht gegeben; zwar erscheint der Status quo ebendies zu bieten, denn de
jure hängt der Zugang zu höheren Bildungsabschlüssen lediglich von der jeweiligen Leistung des
Einzelnen ab. Nur momentan zeigen sich de facto die Bildungssysteme nahezu europaweit allenfalls
als unzureichende Korrektive zu den familiären Verhältnissen der Schüler, sodass die gesellschaft-
liche Dynamik stets vom sozialen Stand der Eltern abhängt. Das heißt, dass es staatlichen
Bildungseinrichtungen nicht gelingt, mangelnde Motivation hin zu einem höheren Abschluss
vonseiten der Erziehungsberechtigten zu nivellieren.
Zweifelsfrei herrschen, wie auch bei der Einkommens- und Vermögensverteilung, große Dispari-
täten, was den Bildungserfolg zwischen den EU-Mitgliedsstaaten anbelangt. Zwar sieht man sich
mit einer geringen Vergleichbarkeit von Statistiken konfrontiert, da beispielsweise zum Teil
unterschiedliche Erhebungszeiträume vorliegen oder die Testdurchführung vielfach kritisiert wurde
1 Der Brockhaus, Band 2, 1997
- 4 -
wie bei der PISA-Studie etwa – trotzdem bleibt eine Tendenz erkennbar.
Die Staaten, denen unter Zuhilfenahme des Gini-Koeffizienten, einem statistischen Maß, das die
Unterschiede in der Einkommensverteilung illustrieren, eine gewisse Ausgeglichenheit attestiert
wurde, schneiden auch bei internationalen Begutachtungen im Hinblick auf die Qualität der Wis-
sensvermittlung zum einen und der inkludierenden Komponente des betreffenden Bildungssystem
zum anderen, besser ab.
So erhält Dänemark auf einer Skala von null bis 100, wobei letzteres äuqivalent für das Prädikat
'sehr gut' steht, in der Sparte „Soziale Aufstiegschancen“ 87,8 Punkte, in puncto „Zugang zu Bil-
dung“ erhält Finnland eine Bewertung von 95,6 Punkten. Während die skandinavischen Länder
stets mit den erzielten Resultaten, aber auch ihren sozialen Sicherungssystemen glänzen, nimmt dies
mit jedem Längengrad gen Osten und Breitengrad gen Süden, den man beschreitet, deutlich ab.
Sodass Italien einen „Zugang zur Bildung“ nur noch im Wert von 23,5 Punkten bietet und in Polen
„Soziale Aufstiegschancen“ nur auf 31,5 Einheiten geschätzt werden.2
Die Gesellschaft unterteilt sich in diejenigen, die schon immer oben waren und die, die es noch nie
waren. Was national geschieht, veräußert sich in dieser Form, nur innerhalb Europas, ein weiteres
Mal. Die „Parallelgesellschaft der Chancenlosen“3
sieht für sich keine Zukunft auf dem existenten
Arbeitsmarkt, sodass gleichsam die erforderliche Motivation für die Schule sowie Ausbildung fehlt.
Macht Armut dumm?
Zur kritischen Betrachtung dieser Frage gilt es drei Ebenen zu beleuchten, und zwar die Wert-
schätzung von Bildung durch die sozioökonomischen Schichten, die Betrachtungen und Reformen
der Politik sowie die pädagogische Praxis in den Schulen.
2 de.statista.com
3 Siehe: Geiger, Stefan; Parallelgesellschaft der Chancenlosen , S. 225 in Universitas Nr. 729/2007
- 5 -
2. Die Dimension der Frage
Zweifelsohne zeichnet sich die Fragestellung durch eine vereinfachende Polemik aus, deren
zuspitzender Charakter jedoch offensichtlich erscheint, sodass aber auch eine Konkretisierung von
Nöten ist. Anders als es zunächst vermuten lässt, steht die Intelligenz genauso im Kontext des
sozialen Stands wie letztlich der Erfolg im Bildungssystem, denn es bedarf nun einmal der
Förderung kindlicher Intelligenz, diese findet sich dort, wo ein hohes „intellektuelle[s]
Kompetenzniveau der sozialen Umwelt“4
herrscht. Das will sagen, dass bildungsaffine
Akademikerhaushalte den Geist ihrer Kinder gemeinhin vielfältig zu stimulieren wissen, sei es
spielerisch, durch einen vorgelebten, elaborierten Sprachgebrauch oder über ein allgemein höheres
Anforderungsniveau sowie mit einem Augenmerk auf die sinnvolle Freizeitgestaltung, wohingegen
bildungsferne Schichten, gerade unter den Lernenden selber, eine Stigmatisierung schulischer
Leistung erfahren und auch sonst werden weniger Anreize geboten, sich weiterzubilden.
Schwierig hierbei erweist sich die Unterteilung in genetische und soziale Vererbung. Entgegen des
Behaviorismus, der den Menschen gänzlich als zu beschreibende „Tabula rasa“5
sieht, gilt als
sicher, dass Intelligenz sich aus der Summe von „Anlage und Umwelt“6
formt. In welch einer
quantitativen Beziehung diese beiden Faktoren zueinander stehen, erweist sich dennoch als Rätsel.
Feststeht, dass auch gut Situierte nicht allein aufgrund ihrer Lebensumstände intelligenter sind. Der
italienische Humanist Leon Battista Alberti weiß dies wie folgt auszudrücken: „Wer wüßte nicht,
daß das erste, was not tut, die Geistesbildung ist; so sehr das erste, daß selbst ein geborener
Edelmann ohne Bildung nur für einen Tölpel gelten wird!“7
Es bleibt somit festzuhalten, dass zwar
nicht alle Menschen das geistige Niveau eines Nobelträgers nur mit Hilfe schulischer Bildung
erlangen können, gleichwohl sollte für die Beantwortung der Frage, pauschal davon ausgegangen
werden, dass in jedem Individuum das Potential vorhanden ist, das es ihm ermöglicht, jene
Kenntnisse zu erlangen, die ihn zu einer, in beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht, reifen
Persönlichkeit erwachsen lassen.
Armut und Dummheit sind als Kondition und Konsequenz kommutativ. Als Folge des Mangels an
(Aus-)Bildung steht in der hochspezialisierten europäischen Berufswelt häufig die Arbeitslosigkeit
4 Siehe: Rindermann, Heinz; Intelligenz als bürgerliches Phänomen , S.669 in Merkur Nr. 8/2009
5 Zitat nach John Locke
6 Siehe: Adam, Konrad; Bildung lässt sich nicht umverteilen , S.684 in Merkur Nr. 8/2011
7 Siehe: Rindermann, Heinz; Intelligenz als bürgerliches Phänomen , S.670 in Merkur Nr. 8/2009
- 6 -
oder die Tätigkeit bei Hilfsarbeiten, deren Bezahlungsniveau dem der Erwerbslosigkeit nahezu
gleichkommt, sodass Armut vorprogrammiert ist. Zudem zeigt sich Armut zum einen in
wirtschaftlicher Form, aber hat auch soziale und psychologische Auswirkungen, da sich bei den
Betroffenen ein „Gefühl der Ausgrenzung, der Überflüssigkeit [und] Hoffnungslosigkeit“8
einstellt,
das wiederum zur Tribalisierung untereinander führt, was die Anerkennung von Bildung herabzu-
senken vermag. Es schließt sich ein Teufelskreis.
Angesichts der aufgeführten Aspekte kann die Frage ebenso lauten: Führt eine mangelnde, d.h. den
Fähigkeiten des Kindes nicht angepasste, Förderung vonseiten der Eltern sowie der Schule zu einer
gesellschaftlichen und materiellen Ausgrenzung in seinem späteren Leben?
3. Soziales Europa
In Europa stellt Arbeit schon lange keine Bedingung für eine Teilnahme am Wohlstand mehr dar. In
Deutschland kündigte man mit der Agenda 2010 jenes doppelte Gleichheitsversprechen auf, das
eine soziale Demokratie, als die sich Bundesrepublik gemäß Artikel 20 (1) des Grundgesetz sieht,
auszeichnet; indem der eine Bestandteil, und zwar die positiven Freiheitsrechte wie Chancengleich-
heit sowie die Bemühungen um einen gerechten Wohlfahrtstaat, einem neoliberalen sowie
exploitativen Effizienzgedanken weichen mussten.
Damit hat Deutschland sich zu einem Vorreiter für die jetzigen destruktiven, prozyklischen
Sparmaßnahmen in Europa gemacht, die im Zuge der Wirtschaftskrise als 'notwendiges Übel' durch
Medien und Politik propagiert wurden. Aber anders als zunächst vorgegeben wurde, haben Massen-
entlassungen und Lohnsenkung weder die Konjunktur befeuert, noch das Wirtschaftswachstum
positiv beeinflusst. Stattdessen sind 17 Prozent der EU-Bürger armutsgefährdet9
, außerdem betrifft
es alle Mitgliedsstaaten. Betrachtet man zudem die von Perspektivlosigkeit geplagten arbeitslosen
Jugendlichen, die in Staaten wie Griechenland oder Spanien schon die Hälfte ausmachen, so lässt
sich von einer negativen Entwicklung ausgehen, da die Jugend schließlich das Kapital der Zukunft
darstellt. Kein Staat, auch nicht Deutschland, das sich auf eine perfide Weise stolz auf die
fragwürdige Klassifizierung einer `Wirtschaftsmacht´zeigt, kann es sich leisten, dass jeder siebte
Deutsche im Erwachsenenalter seiner eigenen Sprache nicht mächtig ist und nicht adäquat lesen
8 Siehe: Kapucsinski, Ryszard; Macke, Carl Wilhelm; Arm und Reich , S. 268 in Universitas Nr. 729/2007
9 Armut.de
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oder schreiben kann,10
dass jeder vierte Ausländer als arbeitslos gemeldet ist11
oder „wenn an die
9% eines Jahrgangs keinen qualifizierten Schulabschluss erhalten“,12
während ein Prozent der
Bevölkerung 50 Prozent des Gesamtvermögens verwalten.
So evoziert Europa ein Bild einer geteilten Gesellschaft, in der die lethargische, prekär bis gar nicht
beschäftigte Unterschicht dem tristen Alltag durch Gewalt zu entfliehen versucht, wie in den Pariser
Banlieues geschehen, wohingegen die Oberschicht Unsummen investiert, um somit langfristig her-
rschende Besitzverhältnisse zu manifestieren. Beispiele hierfür sind der kostenpflichtige Nachhilfe-
unterricht, Privatschulen oder exorbitante Studiengebühren, deren Kosten in England durchaus 9000
Pfund13
je Studienjahr betragen können. Auch der in den Gerechtigkeitsdebatten häufig vielfach
ignorierten Mittelschicht liegt viel an dem Aufstieg ihrer Schützlinge, sodass auch sie viel Druck
auf ihre Kinder und mitunter auf die Politik ausüben. In Hamburg verhinderte die omnipräsente
Gegenbewegung zu dem geplanten sechsjährigen Grundschulaufenthalt sogar dessen Einführung
und verteidigte damit erfolgreich ihre partikularen Interessen. Ein solches Vorgehen vonseiten der
finanziell Benachteiligten klingt undenkbar.
„Der neue Ständestaat“14
, ein europaweit verbreitetes Modell, misst dem Grundsatz der Inklusion
wenig Bedeutung bei. Deshalb schmähen sich einerseits die bewusst auf distinguierte Bourgeoisie
und andererseits das frustrierte Prekariat gegenseitig. Dabei entsteht eine Parallelgesellschaft, der
die gesellschaftliche Teilhabe verwehrt bleibt. Für sie sind kulturelle Angebote wie Opern-,
Theater-, Konzert-, Museums- sowie Kinobesuche, Musikschulunterricht oder neu erschienene
Bücher nicht erschwinglich, damit wird ab einem gewissen Zeitpunkt deren Besuch
beziehungsweise deren Besitz auch als nicht mehr erstrebenswert gesehen. Ebenfalls als weniger
interessant werden Druckerzeugnisse und qualitativ hochwertige Nachrichten wahrgenommen,
wodurch genauso die politische Partizipation bei den Betroffenen abnimmt.
„Überall dort, wo die Pole [Arm und Reich; Anmerkung des Autors] auseinanderdriften, nehmen
Aggression und Gewalt zu, steigt die Zahl der Bildungsversager, sinkt die Lebenserwartung, werden
mehr Menschen depressiv.“15
Nur dort, wo die Regierungen sich um eine gewissenhafte Umverteil-
10 Vergleiche: Hollenstein, Werner; Ohne Worte , in Süddeutsche Zeitung Nr.297/ 2013
11 Vergleiche: Felixberger, Peter; Kulturelle Vielfalt als Schlüssel zu ... , S. 1267 in Universitas Nr. 738/2007
12 Siehe: Eckert, Roland; Bildungschancen sind Lebenschancen , S. 31 in Scheidewege Nr. 39 2009/2010
13 Vergleiche: Spiegel Online
14 Siehe: Dettmer, Markus et al.; Der neue Ständestaat , S.60 in Der Spiegel Nr. 33/2013
15 Siehe: Schindel, Jörg; Wir Asozialen , S.29 in Der Spiegel Nr. 34/2012
- 8 -
ung des Kapitals bemühen und einen gesunden Wohlfahrtsstaat unterhalten, schrumpft die Kluft
zwischen arm und reich und auch die beneidenswerten Resultate bei Bildungsvergleichen sind
immanent.
4. Politisierte, ökonomisierte Bildung
Die Entwicklung, „dass immer mehr Bestandteile der Schulbildung sozial oder politisch motivierten
Zwecken untergeordnet werden“16
, hält zunehmend Einzug. Im Grunde erweist sich das Vorhaben
soziale Ungleichheiten - ein Auseinanderdriften der Bevölkerungsschichten - schon in der Schule zu
verhindern, als ehrenwert, dabei wird allerdings so rigoros und kompromisslos die Organisation des
Schulaufbaus `reformiert´, dass die eigentliche Lehre hinter Strukturdebatten über G8 oder G9 , die
sogenannte Gemeinschaftsschule oder beispielsweise die Verbeamtung von Lehrkräften, tritt.
Häufig haben die Bemühungen um Chancengleichheit nicht mehr als die Absenkung der Standards
zur Folge. Wenn bei den Veränderungen mit Hilfe derer sich jeder Bildungsminister zu profilieren
bemüht, nicht auch der Unterricht und dessen Koordination eine Operationalisierung erfährt, endet
eine Reform gerade in föderalistisch organisierten Staaten schlichtweg im Chaos. Schulsysteme
benötigen statt einer völligen Umstrukturierung meistens lediglich Optimierungen bzw.
Feinjustierungen.
Neben einer Politisierung erfahren Europas Bildungseinrichtungen eine allmählich eskalierende
Ökonomisierung. Offensichtlich zeigt sich dies im sogenannten 'Hochschulfreiheitsgesetz' des
Landes Nordrhein-Westfalen, das von der tendenziösen Bertelsmann-Stiftung geschrieben und im
Wortlaut übernommen wurde. Hiermit wird Wirtschaftsvertretern die Möglichkeit gegeben die
Lehre an Universitäten maßgeblich zu beeinflussen.
Ferner prägt eine latente Übernahme wirtschaftlicher Maximen den schulischen Aufbau, hierfür
wird der Eigenwert einer umfassenden Bildung degradiert zu einem bloßen „Tauschwert“17
, der
nichts weiter vermag, als den Schülern den Zugang zur Berufswelt zu ermöglichen. Gleichfalls
werden verallgemeinernde Bewertungsmaßstäbe eingerichtet, die eine simplifizierte Analyse eines
Bewerbers gewähren, so werden auch Unterrichtsziele und -inhalte für alle gleich gestaltet. In einer
Art Massenabfertigung werden die Lernenden „normiert, formatiert und sortiert“,18
wodurch bloßes
Auswendiglernen die kindliche Neugierde und das Verständnis für die Zusammenhänge zwischen
16 Siehe: Beppler-Spahl, Sabine; Politisierte Bildung , S.1116 in Merkur Nr. 11/2010
17 Siehe: Schmidt-Salomon, Michael; Keine Macht den Doofen , S.97
18 Siehe: Goos, Hauke; Du sollst keine Fehler machen! , S.50 in Der Spiegel Nr. 1/2014
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den Fakten ersetzt.
Zudem spart man an den Ausgaben für staatliche Bildungsstätten und an den Gehältern der
Lehrkräfte, so werden mancherorts Lehrer über die Sommerferien entlassen, um schließlich im
neuen Schuljahr wieder eingestellt zu werden. Dies stimmt fassungslos, gerade wenn man sich vor
Augen führt, dass dabei deutlich wird, welch einen Wert der Bildung vonseiten der Politik beige-
messen wird - um Geld zu sparen belasten ihre Vertreter die Arbeitslosenversicherung. Jedoch
rentiert sich Geiz in diesem Zusammenhang keinesfalls, weil auch hier wieder die Staaten mit den
höchsten Bildungsausgaben, die leistungsfähigsten sind.
5. Die Schule
Überall dort, wo gespart und reformiert wird, sei es Italien, Deutschland oder Ungarn, gedenkt man
nur von der eigentlichen pädagogischen Katastrophe abzulenken. Begutachtet man eingehend die
didaktische Methodik in den Schulen und seit der Bologna-Reform sogar teilweise in den
Hochschulen, so stellt man konsterniert fest, dass wie bereits angedeutet, die Lehre zur
„Wissensbulimie“19
verkommt. Lerninhalte, dabei handelt sich um alleinstehende Fakten, werden
unreflektiert aufgenommen, gegebenenfalls für den nächsten Test auswendig gelernt. Dann erwartet
man vom Schüler dies „im Austausch gegen Noten fristgerecht wieder zu erbrechen“, sprich es zu
verwerfen.20
Dadurch kommt keine kritische Auseinandersetzung mit dem Wissen zustande und
auch sonst wird wenig Wert auf einen selbständigen Denkprozess gelegt.
Außerdem gestaltet sich die Bewertung des Schülers als durchweg fehlerorientiert, denn nur die
Minorität der Lehrer nimmt sich die Zeit neben der roten Markierungen an dessen Arbeiten,
gleichsam dem Schüler einen konstruktiv-perspektivischen Ausblick zu geben. Er bildet sich somit
nicht für eine ihn zufriedenstellende Zukunft, sondern für das unfehlbare schulische Prinzip der
Perfektion, da 'gut' zu sein bedeutet, keinerlei Fehler zu machen. Das führt soweit, dass viele die
Schule verlassen, „ohne ein einziges Mal ausgezeichnet worden zu sein“21
, genauso werden Talente
und Fähigkeiten, die außerschulisch erst zur Geltung kommen, aber doch einen wesentlicheren
Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung beisteuern, selten honoriert – Schule und Freizeit konkur-
19 Siehe: Schmidt-Salomon, Michael; Keine Macht den Doofen , S.97
20 Siehe: ebenda
21 Siehe: Goos, Hauke; Du sollst keine Fehler machen! , S.51 in Der Spiegel Nr. 1/2014
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rieren gar.22
Infolgedessen verwundert nicht, das aus Mangel des Lobes, neben dem im Vergleich
inflationär verteilten Tadel, das Privileg der allgemeinen Bildung zur 'Pflicht' verkehrt wird.
Demjenigen, der weder Druck von zu Hause, noch motivierenden Zuspruch durch seine Lehrer
zugestanden bekommt, wird man schwerlich verübeln dürfen, dass er keinen weiteren Sinn, als die
bloße Pflichterfüllung im Schulbesuch ausmachen kann. Dabei lautet die einfache Lösung, insofern
man dem großen Sozial- und Schulreformer John Dewey folgt: „Das Erste muss sein, dass die
Kinder sich wohlfühlen.“
Wissenschaftlichen Halt erfährt diese These durch die Erkenntnisse des neuseeländischen Forschers
und Lehrers John Hattie, der es vollbracht hat, ganze 15 Jahre lang hunderte bildungsrelevante
Studien auszuwerten, wodurch es ihm schließlich möglich geworden ist, deren Ergebnisse in ein
„Barometer der Lernerfolg-Faktoren“ einzuteilen. Demnach konstatierte er, dass dem „Vertrauen
der Schüler in die eigene Leistung“ oberste Priorität beigemessen werden muss. Dieser Faktor weist
neben dem Ranglistenplatz eins, die Eigenschaft als „äußerst wirksam[es]“ Mittel für den
Lernerfolg auf. Der „[s]ozioökonomische Status der Eltern“ hingegen landet nur auf Platz 34, wird
damit zwar noch als „wirksam“ klassifiziert, kann laut Hattie die Förderung der Artikulationsfähig-
keit sowie ein „Feedback an den Lehrer“ deutlich mehr bewirken. Damit erhebt diese Einteilung
den Unterricht vom bloßen Korrektiv in Bezug auf das Elternhaus zu einer durchaus geeigneten
Maßnahme, dem `Prekariat´ gesellschaftliche Teilhabe und den sozialen Aufstieg zu gewähren.23
Daher sollte man die hierfür unabdingbare Schlüsselfigur, die Lehrperson, nicht so stiefmütterlich
als monotone Schallplatte oder als „Alleinunterhalter“24
, der gegenwärtig ausschließlich als Medium
für das Stoffgeschehen fungiert, betrachten. Sondern damit beginnen, sie ähnlich wie einen Regis-
seur zu schulen, sodass der Lehrer die Schüler dazu animiert, sich Dinge mittels einer kritischen
Betrachtung, einem „Lerndialog“25
, soweit wie möglich selber anzueignen. Denn nur „aktives,
selbsttätiges Lernen führt zu dauerhaften Kenntnissen und zu Leistungserlebnissen bei Schülerinnen
und Schülern.“26
Ebenso gestaltet sich als förderlich, wenn sich ein Gespräch zwischen Klasse und
Lehrer entwickelt, von dem beide Seite profitieren. Nebenher muss es den Schülern gestattet sein
dem Lehrer Rückmeldungen zu geben, das erfordert eine enorme Reife und sprachliche Kompe-
tenzen. Sowieso ist die Sprache die Mutter allen Lernerfolgs, dadurch verdient ihr Verständnis
22 Siehe: Eckert, Roland; Bildungschancen sind Lebenschancen , S. 36 in Scheidewege Nr. 39 2009/2010
23 Vergleiche: Friedmann, Jan; Zurück zum Kerngeschäft , S. 38 in Der Spiegel Nr. 16/2013
24 Siehe: Eckert, Roland; Bildungschancen sind Lebenschancen , S. 37 in Scheidewege Nr. 39 2009/2010
25 Siehe: Schmidt-Salomon, Michael; Keine Macht den Doofen , S.100
26 Siehe: Eckert, Roland; Bildungschancen sind Lebenschancen , S. 39 in Scheidewege Nr. 39 2009/2010
- 11 -
besondere Wachsamkeit. Zudem obliegt es dem Lehrer Leistungsunterschiede in der Klasse zu
entdecken und durch geschickte 'Binnendifferenzierung' die jeweiligen Fähigkeiten des Einzelnen
auszubauen, wobei heterogene Gruppen gemeinhin von Vorteil sind, weil ein breiteres Feld an
unterschiedlichem Wissen bedient wird. Dabei wird gerade in der Grundschule, in der noch nicht
allzu sehr selektiert wurde, die Solidarität unter den Kindern bestärkt, was sich positiv auf das
inklusive Lernen auswirkt. Natürlich sind Lehrer nicht im Stande, diese Ideen in Perfektion alleine
sofort umzusetzen und zudem erweist es sich als ziemlich einfach, ohne ihm selber anzugehören,
den Berufsstand zu kritisieren, dennoch geht die Tendenz für Bildung mit gleichen Chancen von
den Lehrern „an vorderster Front“27
aus, weshalb sie besonderen Ansprüchen gerecht werden
müssen. Sie stellen die Schnittstelle zwischen Familie und Gesellschaft dar, wodurch sie sukzessiv
den geringen Bildungsstand von sozial schwachen Eltern ausgleichen können. Das erfordert auf
lange Sicht jedoch eine andere Form des Lehramtsstudiums, das die Studenten besser in
pädagogischer Hinsicht vorbereitet, sodass sie befähigt werden, auf unterschiedlichste Sachverhalte
differenziert zu reagieren und den Schülern die Lust an Bildung zu bewahren.
6. Fazit
Der Fokus der Politik sollte sich nun darauf richten, alle nötigen Investitionen bereitwillig zu
tätigen, denn Steuern existieren gerade für allgemeinbildende Schulen, Hoch-, Volkshoch- und
Berufsschulen - nicht aber für Banken. Es ist an ihr, sich dem Auseinanderbrechen des
gesellschaftlichen Wertekanons entgegenzustellen, denn auch für die Demokratie ergibt sich aus
kritisch denkenden, am Gemeinsinn orientierten Individuen die Voraussetzung für ihren
Fortbestand.
Die Kinder der dritten Welt können sich allein schon deshalb nicht konzentrierten, da entweder ein
unbändiger Hunger oder Existenzängste jeglicher Art sie plagen, hier macht Armut dumm.
In Europa befindet sich nahezu niemand in dieser Situation absoluter Armut, höchstens in einer
relativen Form, während das Kapital durchaus vorliegt. Es ist also keine Sache der Unmöglichkeit,
für alle eine vernünftige Bildung zu schaffen. Als beispielhaft dafür, versteht sich die deutsche
Bildungsexpansion in den 60er- und 70er-Jahren, angeführt durch die sozialliberale Koalition, für
die stellvertretend Willy Brandt und Hildegard Hamm-Brücher stehen. Sie haben es vollbracht,
27 Siehe: Eckert, Roland; Bildungschancen sind Lebenschancen , S. 42 in Scheidewege Nr. 39 2009/2010
- 12 -
Arbeiter- und Bauernkindern den Weg in die vormals bürgerlich-elitären, höheren Bildungsein-
richtungen zu ebnen gemäß dem Leitgedanken 'Bildung für alle'. In ihm offenbarte sich der Pathos
der Bürgerrechtsbewegung und führte zudem zur internationalen Anerkennung Deutschlands als
Bildungsnation.
Feststeht, dass Armut nicht zwangsläufig zu 'Dummheit' führt, jedoch diese abhängig von
Bildungssystem und Beschaffenheit des Sozialstaat des jeweiligen Landes, sie begünstigen oder
schlimmstenfalls sogar einstellen kann. Wobei ein Umdenken bei den Vertretern der Politik,
Wirtschaft, Lehrerschaft, Professur sowie den Schülern und Studenten selber, stellt die
erforderlichen Weichen für ein innovatives Europa, dessen Bürger sich des kritischen Denkens
mächtig erweisen. Orientiert man sich an den humanistischen Bildungsidealen, wie in Europa für
einige wenige bereits gängige Praxis waren und bezieht sie auf jegliches Lernen, festigt man eine
vom 'Principle of Charity' inspirierte Zivilgesellschaft. Schaut man hingegen, diese Hoffnung
ignorierend, auf die derzeitige europäische Mentalität, seine Medien, seine Politiker und seine
Wirtschaft, so zweifelt man, ob der Begriff 'Zivilisation' vor der Umsetzung einer erneuten
Bildungsexpansion gerechtfertigterweise gebraucht wird.
Richard David Prechts Ansicht nach und aller Dystopie zum Trotz, sollte Schulpolitik wieder
„utopiefähig“28
werden. Tatsächlich hindert uns lediglich der ewige Müßiggang an der Schaffung
eines Bildungseuropa, nach der Aktivierung seiner Einwohner, wenn nötig durch breiten Protest,
bestimmt nicht mehr die Herkunft über den Erfolg des Einzelnen, sondern wie vermutlich Perikles
sagte: „Beurteilt die Menschen nicht nach ihrer Herkunft, sondern nach ihrer Leistung.“29
Hierbei
bezieht sich 'Leistung' sicherlich nicht auf den modernen Effizienzgedanken, sondern auf Verständ-
nis vom Potenzial, den Kompetenzen und der Persönlichkeit eines Menschen.
Wenn wir es vollbracht haben, ebenjenen Prozess des Umdenkens initiiert und umgesetzt zu haben,
wird Leon Battista Alberti recht behalten:
„Wenn du dich anstrengst ... mit allen deinen Kräften und Fähigkeiten, so zweifle ich nicht im
mindesten, daß du, in welcher Betätigung auch immer, zur ersten und höchsten Stufe der
Vollkommenheit und des Rufes aufsteigen wirst.“30
28 Siehe: Friedmann, Jan; Zurück zum Kerngeschäft , S. 40 in Der Spiegel Nr. 16/2013
29 aphorismen.de
30 Siehe: Rindermann, Heinz; Intelligenz als bürgerliches Phänomen , S.670 in Merkur Nr. 8/2009
- 13 -
Literaturverzeichnis
Eckert, Roland: Bildungschancen sind Lebenschancen. In Scheidewege – Jahresschrift für
skeptisches Denken, S. 29-42; Jahrgang 39, 2009/2010; S.Hirzel Verlag, Stuttgart
Rindermann, Heiner: Intelligenz als bürgerliches Phänomen. In Merkur – Deutsche Zeitschrift für
europäisches Denken, S.666-676; Heft 8/ August 2009, 63. Jahrgang; Klett-Cotta Verlag, Stuttgart
Adam, Konrad: Bildung lässt sich nicht umverteilen. In Merkur – Deutsche Zeitschrift für
europäisches Denken, S.682-691; Heft 8/ August 2011, 65. Jahrgang; Klett-Cotta Verlag, Stuttgart
Beppler-Spahl, Sabine: Politisierte Bildung – Können Schulen gesellschaftliche Probleme lösen?.
In Merkur – Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken, S.1115-1120; Heft 11/ Novemver 2010,
64. Jahrgang; Klett-Cotta Verlag, Stuttgart
Geiger, Stefan: Parallelgesellschaft der Chancenlosen. In Universitas, S. 225-233; Nr. 729 / März
2007, 62. Jahrgang; S.Hirzel Verlag, Stuttgart
Brenner, Peter J.: Bildungsgerechtigkeit. In Universitas, S. 235-245; Nr. 729 / März 2007, 62.
Jahrgang; S.Hirzel Verlag, Stuttgart
Meier-Gräwe, Uta: Jedes Kind zählt. In Universitas, S. 247-255; Nr. 729 / März 2007, 62. Jahrgang;
S.Hirzel Verlag, Stuttgart
Gottstein, Heidi: Ökonomie und Bildung. In Universitas, S. 1239-1251; Nr. 738 / Dezember 2007,
62. Jahrgang; S.Hirzel Verlag, Stuttgart
Felixberger, Peter: Kulturelle Vielfalt als Schlüssel zu wirtschaftlichem Erfolg. In Universitas,
S. 1267-1272; Nr. 738 / Dezember 2007, 62. Jahrgang; S.Hirzel Verlag, Stuttgart
Bork, Uwe: Demokratie ohne Worte. In Universitas, S. 1283-1285; Nr. 738 / Dezember 2007, 62.
Jahrgang; S.Hirzel Verlag, Stuttgart
Dettmer, Markus; Schmergal, Cornelia: Der neue Ständestaat. In Der Spiegel, S.60-63; Nr.
33/12.08.2013, Hamburg
Goos, Hauke: Du sollst keine Fehler machen!. In Der Spiegel, S.50-54; Nr. 1/30.12.13, Hamburg
Friedmann, Jan: Zurück zum Kerngeschäft. In Der Spiegel, S.38-40; Nr. 16/15.04.13, Hamburg
Schmidt-Salomon, Michael: Keine Macht den Doofen – Eine Streitschrift. S.97-102; 4. Auflage
2012; Piper Verlag GmbH, München
Hollenstein, Oliver: Ohne Worte. In Süddeutsche Zeitung, S. 19; Nr. 297, 24./25./26. Dezember
2013, München
Der Brockhaus – In Fünfzehn Bänden. S. 136, Band 2; F.A. Bockhaus GmbH, Leipzig Mannheim
1997
- 14 -
Internet
Soziale Aufstiegschancen, Zugang zu Arbeit und Bildung in Europa:
http://de.statista.com/statistik/daten/studie/38406/umfrage/soziale-aufstiegschancen-zugang-zu-
arbeit-und-bildung-in-europa/ (02.01.2014)
An deutschen Unis sind Akademiker-Kinder unter sich:
http://www.welt.de/wirtschaft/karriere/bildung/article13819365/An-deutschen-Unis-sind-
Akademiker-Kinder-unter-sich.html (02.01.2014)
humanistische Bildung: http://universal_lexikon.deacademic.com/251608/humanistische_Bildung
(02.01.2014)
Charta der Grundrechte der europäischen Union:
http://www.europarl.europa.eu/charter/pdf/text_de.pdf (02.01.2014)
Human Development Report 2004:
http://hdr.undp.org/sites/default/files/reports/265/hdr_2004_complete.pdf (02.01.2014)
Studiengebühren-Urteil in England: 9000 Pfund Campusmaut sind vertretbar
http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/studiengebuehren-urteil-in-england-9000-pfund-
campusmaut-sind-vertretbar-a-815948.html (02.01.2014)
Bildungsausgaben
http://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/europa/135809/bildungsausgaben (02.01.2014)
Armut in Europa
http://armut.de/armut-in-europa.php?mysid=ojc85m3v70nvrsovkf8h0sbpshiuolpj (02.01.2014)
Zitate des Perikles
http://www.aphorismen.de/suche?f_autor=2936_Perikles (07.01.2013)
- 15 -
Selbstständigkeitserklärung
Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig verfasst und keine anderen als die
angegebenen Quellen und Hilfsmittel verwendet habe. Ich habe alles gedanklich, inhaltlich oder
wörtlich aus anderen Quellen Übernommene als solches kenntlich gemacht. Mir ist bekannt, dass
die nachgewiesene Unterlassung als versuchte Täuschung gewertet wird.
______________________________
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08 fislage 4.3

  • 1. Gerhart-Hauptmann-Gymnasium Dahlmannstraße 40 23966 Wismar Essay Klassenstufe 12 2013/2014 Betreuender Lehrer: Herr Frank-Peter Reichelt Macht Armut dumm? Zusammenhang von Armut und Bildungserfolg in Europa Marinus Fislage Primelweg 38a 23966 Wismar 08.01.2014, Hansestadt Wismar
  • 2. Gliederung 1. Einleitung 2. Die Dimension der Frage 3. Soziales Europa 4. Politisierte, ökonomisierte Bildung 5. Die Schule 6. Fazit
  • 3. - 3 - 1. Einleitung Es ist der Artikel 14 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der jeder Person ein Recht auf Bildung einräumt, das abweichend vom vorherrschenden Befinden, es handele sich dabei, wie die Diktion einiger Bürokraten und Juristen suggeriert, um eine Schulpflicht, viel mehr ein po- sitives Freiheitsrecht garantiert. Bildung vermag es als lebenslanger Prozess neben einer erzieher- ischen Komponente verkörpert durch Sozialisationsinstanzen wie die Familie, die Kindertagesstätte oder die Schule, die „Eigentätigkeit und Selbstbestimmung des sich bildenden Menschen“1 mit Hilfe der Vermittlung von Wissen zu ermöglichen und damit die soziale Mobilität. Dieser fortwährende Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung stellt die unabdingbare Grundlage für eine vom Diskurs und von Empathie geprägte Zivilgesellschaft dar. Genauso erfordert eine funktionierende Demokratie ebenjene Bildung, deren Kompetenz es ist, alle Bürger gleichsam in die Gesellschaft einzugliedern, denn da wo die Gleichheit vor dem Gesetz besteht, festgehalten in Artikel 20 der Charta der Grundrechte, bedarf es ebenso einer Gleichheit in Bildungsfragen. Die sich jedoch nicht in Form einer dogmatisch egalisierenden Institution, der es gegenwärtig obliegt Schüler ungeachtet ihrer geistigen und sozialen Fähigkeiten auf ein einheit- liches Ausbildungsniveau zu bringen, organisiert, sondern eine gleiche Verteilung von Chancen be- deutet. Allerdings scheint im Großteil der europäischen Staaten exakt dieses ausgewogene Verhält- nis von Bildungschancen nicht gegeben; zwar erscheint der Status quo ebendies zu bieten, denn de jure hängt der Zugang zu höheren Bildungsabschlüssen lediglich von der jeweiligen Leistung des Einzelnen ab. Nur momentan zeigen sich de facto die Bildungssysteme nahezu europaweit allenfalls als unzureichende Korrektive zu den familiären Verhältnissen der Schüler, sodass die gesellschaft- liche Dynamik stets vom sozialen Stand der Eltern abhängt. Das heißt, dass es staatlichen Bildungseinrichtungen nicht gelingt, mangelnde Motivation hin zu einem höheren Abschluss vonseiten der Erziehungsberechtigten zu nivellieren. Zweifelsfrei herrschen, wie auch bei der Einkommens- und Vermögensverteilung, große Dispari- täten, was den Bildungserfolg zwischen den EU-Mitgliedsstaaten anbelangt. Zwar sieht man sich mit einer geringen Vergleichbarkeit von Statistiken konfrontiert, da beispielsweise zum Teil unterschiedliche Erhebungszeiträume vorliegen oder die Testdurchführung vielfach kritisiert wurde 1 Der Brockhaus, Band 2, 1997
  • 4. - 4 - wie bei der PISA-Studie etwa – trotzdem bleibt eine Tendenz erkennbar. Die Staaten, denen unter Zuhilfenahme des Gini-Koeffizienten, einem statistischen Maß, das die Unterschiede in der Einkommensverteilung illustrieren, eine gewisse Ausgeglichenheit attestiert wurde, schneiden auch bei internationalen Begutachtungen im Hinblick auf die Qualität der Wis- sensvermittlung zum einen und der inkludierenden Komponente des betreffenden Bildungssystem zum anderen, besser ab. So erhält Dänemark auf einer Skala von null bis 100, wobei letzteres äuqivalent für das Prädikat 'sehr gut' steht, in der Sparte „Soziale Aufstiegschancen“ 87,8 Punkte, in puncto „Zugang zu Bil- dung“ erhält Finnland eine Bewertung von 95,6 Punkten. Während die skandinavischen Länder stets mit den erzielten Resultaten, aber auch ihren sozialen Sicherungssystemen glänzen, nimmt dies mit jedem Längengrad gen Osten und Breitengrad gen Süden, den man beschreitet, deutlich ab. Sodass Italien einen „Zugang zur Bildung“ nur noch im Wert von 23,5 Punkten bietet und in Polen „Soziale Aufstiegschancen“ nur auf 31,5 Einheiten geschätzt werden.2 Die Gesellschaft unterteilt sich in diejenigen, die schon immer oben waren und die, die es noch nie waren. Was national geschieht, veräußert sich in dieser Form, nur innerhalb Europas, ein weiteres Mal. Die „Parallelgesellschaft der Chancenlosen“3 sieht für sich keine Zukunft auf dem existenten Arbeitsmarkt, sodass gleichsam die erforderliche Motivation für die Schule sowie Ausbildung fehlt. Macht Armut dumm? Zur kritischen Betrachtung dieser Frage gilt es drei Ebenen zu beleuchten, und zwar die Wert- schätzung von Bildung durch die sozioökonomischen Schichten, die Betrachtungen und Reformen der Politik sowie die pädagogische Praxis in den Schulen. 2 de.statista.com 3 Siehe: Geiger, Stefan; Parallelgesellschaft der Chancenlosen , S. 225 in Universitas Nr. 729/2007
  • 5. - 5 - 2. Die Dimension der Frage Zweifelsohne zeichnet sich die Fragestellung durch eine vereinfachende Polemik aus, deren zuspitzender Charakter jedoch offensichtlich erscheint, sodass aber auch eine Konkretisierung von Nöten ist. Anders als es zunächst vermuten lässt, steht die Intelligenz genauso im Kontext des sozialen Stands wie letztlich der Erfolg im Bildungssystem, denn es bedarf nun einmal der Förderung kindlicher Intelligenz, diese findet sich dort, wo ein hohes „intellektuelle[s] Kompetenzniveau der sozialen Umwelt“4 herrscht. Das will sagen, dass bildungsaffine Akademikerhaushalte den Geist ihrer Kinder gemeinhin vielfältig zu stimulieren wissen, sei es spielerisch, durch einen vorgelebten, elaborierten Sprachgebrauch oder über ein allgemein höheres Anforderungsniveau sowie mit einem Augenmerk auf die sinnvolle Freizeitgestaltung, wohingegen bildungsferne Schichten, gerade unter den Lernenden selber, eine Stigmatisierung schulischer Leistung erfahren und auch sonst werden weniger Anreize geboten, sich weiterzubilden. Schwierig hierbei erweist sich die Unterteilung in genetische und soziale Vererbung. Entgegen des Behaviorismus, der den Menschen gänzlich als zu beschreibende „Tabula rasa“5 sieht, gilt als sicher, dass Intelligenz sich aus der Summe von „Anlage und Umwelt“6 formt. In welch einer quantitativen Beziehung diese beiden Faktoren zueinander stehen, erweist sich dennoch als Rätsel. Feststeht, dass auch gut Situierte nicht allein aufgrund ihrer Lebensumstände intelligenter sind. Der italienische Humanist Leon Battista Alberti weiß dies wie folgt auszudrücken: „Wer wüßte nicht, daß das erste, was not tut, die Geistesbildung ist; so sehr das erste, daß selbst ein geborener Edelmann ohne Bildung nur für einen Tölpel gelten wird!“7 Es bleibt somit festzuhalten, dass zwar nicht alle Menschen das geistige Niveau eines Nobelträgers nur mit Hilfe schulischer Bildung erlangen können, gleichwohl sollte für die Beantwortung der Frage, pauschal davon ausgegangen werden, dass in jedem Individuum das Potential vorhanden ist, das es ihm ermöglicht, jene Kenntnisse zu erlangen, die ihn zu einer, in beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht, reifen Persönlichkeit erwachsen lassen. Armut und Dummheit sind als Kondition und Konsequenz kommutativ. Als Folge des Mangels an (Aus-)Bildung steht in der hochspezialisierten europäischen Berufswelt häufig die Arbeitslosigkeit 4 Siehe: Rindermann, Heinz; Intelligenz als bürgerliches Phänomen , S.669 in Merkur Nr. 8/2009 5 Zitat nach John Locke 6 Siehe: Adam, Konrad; Bildung lässt sich nicht umverteilen , S.684 in Merkur Nr. 8/2011 7 Siehe: Rindermann, Heinz; Intelligenz als bürgerliches Phänomen , S.670 in Merkur Nr. 8/2009
  • 6. - 6 - oder die Tätigkeit bei Hilfsarbeiten, deren Bezahlungsniveau dem der Erwerbslosigkeit nahezu gleichkommt, sodass Armut vorprogrammiert ist. Zudem zeigt sich Armut zum einen in wirtschaftlicher Form, aber hat auch soziale und psychologische Auswirkungen, da sich bei den Betroffenen ein „Gefühl der Ausgrenzung, der Überflüssigkeit [und] Hoffnungslosigkeit“8 einstellt, das wiederum zur Tribalisierung untereinander führt, was die Anerkennung von Bildung herabzu- senken vermag. Es schließt sich ein Teufelskreis. Angesichts der aufgeführten Aspekte kann die Frage ebenso lauten: Führt eine mangelnde, d.h. den Fähigkeiten des Kindes nicht angepasste, Förderung vonseiten der Eltern sowie der Schule zu einer gesellschaftlichen und materiellen Ausgrenzung in seinem späteren Leben? 3. Soziales Europa In Europa stellt Arbeit schon lange keine Bedingung für eine Teilnahme am Wohlstand mehr dar. In Deutschland kündigte man mit der Agenda 2010 jenes doppelte Gleichheitsversprechen auf, das eine soziale Demokratie, als die sich Bundesrepublik gemäß Artikel 20 (1) des Grundgesetz sieht, auszeichnet; indem der eine Bestandteil, und zwar die positiven Freiheitsrechte wie Chancengleich- heit sowie die Bemühungen um einen gerechten Wohlfahrtstaat, einem neoliberalen sowie exploitativen Effizienzgedanken weichen mussten. Damit hat Deutschland sich zu einem Vorreiter für die jetzigen destruktiven, prozyklischen Sparmaßnahmen in Europa gemacht, die im Zuge der Wirtschaftskrise als 'notwendiges Übel' durch Medien und Politik propagiert wurden. Aber anders als zunächst vorgegeben wurde, haben Massen- entlassungen und Lohnsenkung weder die Konjunktur befeuert, noch das Wirtschaftswachstum positiv beeinflusst. Stattdessen sind 17 Prozent der EU-Bürger armutsgefährdet9 , außerdem betrifft es alle Mitgliedsstaaten. Betrachtet man zudem die von Perspektivlosigkeit geplagten arbeitslosen Jugendlichen, die in Staaten wie Griechenland oder Spanien schon die Hälfte ausmachen, so lässt sich von einer negativen Entwicklung ausgehen, da die Jugend schließlich das Kapital der Zukunft darstellt. Kein Staat, auch nicht Deutschland, das sich auf eine perfide Weise stolz auf die fragwürdige Klassifizierung einer `Wirtschaftsmacht´zeigt, kann es sich leisten, dass jeder siebte Deutsche im Erwachsenenalter seiner eigenen Sprache nicht mächtig ist und nicht adäquat lesen 8 Siehe: Kapucsinski, Ryszard; Macke, Carl Wilhelm; Arm und Reich , S. 268 in Universitas Nr. 729/2007 9 Armut.de
  • 7. - 7 - oder schreiben kann,10 dass jeder vierte Ausländer als arbeitslos gemeldet ist11 oder „wenn an die 9% eines Jahrgangs keinen qualifizierten Schulabschluss erhalten“,12 während ein Prozent der Bevölkerung 50 Prozent des Gesamtvermögens verwalten. So evoziert Europa ein Bild einer geteilten Gesellschaft, in der die lethargische, prekär bis gar nicht beschäftigte Unterschicht dem tristen Alltag durch Gewalt zu entfliehen versucht, wie in den Pariser Banlieues geschehen, wohingegen die Oberschicht Unsummen investiert, um somit langfristig her- rschende Besitzverhältnisse zu manifestieren. Beispiele hierfür sind der kostenpflichtige Nachhilfe- unterricht, Privatschulen oder exorbitante Studiengebühren, deren Kosten in England durchaus 9000 Pfund13 je Studienjahr betragen können. Auch der in den Gerechtigkeitsdebatten häufig vielfach ignorierten Mittelschicht liegt viel an dem Aufstieg ihrer Schützlinge, sodass auch sie viel Druck auf ihre Kinder und mitunter auf die Politik ausüben. In Hamburg verhinderte die omnipräsente Gegenbewegung zu dem geplanten sechsjährigen Grundschulaufenthalt sogar dessen Einführung und verteidigte damit erfolgreich ihre partikularen Interessen. Ein solches Vorgehen vonseiten der finanziell Benachteiligten klingt undenkbar. „Der neue Ständestaat“14 , ein europaweit verbreitetes Modell, misst dem Grundsatz der Inklusion wenig Bedeutung bei. Deshalb schmähen sich einerseits die bewusst auf distinguierte Bourgeoisie und andererseits das frustrierte Prekariat gegenseitig. Dabei entsteht eine Parallelgesellschaft, der die gesellschaftliche Teilhabe verwehrt bleibt. Für sie sind kulturelle Angebote wie Opern-, Theater-, Konzert-, Museums- sowie Kinobesuche, Musikschulunterricht oder neu erschienene Bücher nicht erschwinglich, damit wird ab einem gewissen Zeitpunkt deren Besuch beziehungsweise deren Besitz auch als nicht mehr erstrebenswert gesehen. Ebenfalls als weniger interessant werden Druckerzeugnisse und qualitativ hochwertige Nachrichten wahrgenommen, wodurch genauso die politische Partizipation bei den Betroffenen abnimmt. „Überall dort, wo die Pole [Arm und Reich; Anmerkung des Autors] auseinanderdriften, nehmen Aggression und Gewalt zu, steigt die Zahl der Bildungsversager, sinkt die Lebenserwartung, werden mehr Menschen depressiv.“15 Nur dort, wo die Regierungen sich um eine gewissenhafte Umverteil- 10 Vergleiche: Hollenstein, Werner; Ohne Worte , in Süddeutsche Zeitung Nr.297/ 2013 11 Vergleiche: Felixberger, Peter; Kulturelle Vielfalt als Schlüssel zu ... , S. 1267 in Universitas Nr. 738/2007 12 Siehe: Eckert, Roland; Bildungschancen sind Lebenschancen , S. 31 in Scheidewege Nr. 39 2009/2010 13 Vergleiche: Spiegel Online 14 Siehe: Dettmer, Markus et al.; Der neue Ständestaat , S.60 in Der Spiegel Nr. 33/2013 15 Siehe: Schindel, Jörg; Wir Asozialen , S.29 in Der Spiegel Nr. 34/2012
  • 8. - 8 - ung des Kapitals bemühen und einen gesunden Wohlfahrtsstaat unterhalten, schrumpft die Kluft zwischen arm und reich und auch die beneidenswerten Resultate bei Bildungsvergleichen sind immanent. 4. Politisierte, ökonomisierte Bildung Die Entwicklung, „dass immer mehr Bestandteile der Schulbildung sozial oder politisch motivierten Zwecken untergeordnet werden“16 , hält zunehmend Einzug. Im Grunde erweist sich das Vorhaben soziale Ungleichheiten - ein Auseinanderdriften der Bevölkerungsschichten - schon in der Schule zu verhindern, als ehrenwert, dabei wird allerdings so rigoros und kompromisslos die Organisation des Schulaufbaus `reformiert´, dass die eigentliche Lehre hinter Strukturdebatten über G8 oder G9 , die sogenannte Gemeinschaftsschule oder beispielsweise die Verbeamtung von Lehrkräften, tritt. Häufig haben die Bemühungen um Chancengleichheit nicht mehr als die Absenkung der Standards zur Folge. Wenn bei den Veränderungen mit Hilfe derer sich jeder Bildungsminister zu profilieren bemüht, nicht auch der Unterricht und dessen Koordination eine Operationalisierung erfährt, endet eine Reform gerade in föderalistisch organisierten Staaten schlichtweg im Chaos. Schulsysteme benötigen statt einer völligen Umstrukturierung meistens lediglich Optimierungen bzw. Feinjustierungen. Neben einer Politisierung erfahren Europas Bildungseinrichtungen eine allmählich eskalierende Ökonomisierung. Offensichtlich zeigt sich dies im sogenannten 'Hochschulfreiheitsgesetz' des Landes Nordrhein-Westfalen, das von der tendenziösen Bertelsmann-Stiftung geschrieben und im Wortlaut übernommen wurde. Hiermit wird Wirtschaftsvertretern die Möglichkeit gegeben die Lehre an Universitäten maßgeblich zu beeinflussen. Ferner prägt eine latente Übernahme wirtschaftlicher Maximen den schulischen Aufbau, hierfür wird der Eigenwert einer umfassenden Bildung degradiert zu einem bloßen „Tauschwert“17 , der nichts weiter vermag, als den Schülern den Zugang zur Berufswelt zu ermöglichen. Gleichfalls werden verallgemeinernde Bewertungsmaßstäbe eingerichtet, die eine simplifizierte Analyse eines Bewerbers gewähren, so werden auch Unterrichtsziele und -inhalte für alle gleich gestaltet. In einer Art Massenabfertigung werden die Lernenden „normiert, formatiert und sortiert“,18 wodurch bloßes Auswendiglernen die kindliche Neugierde und das Verständnis für die Zusammenhänge zwischen 16 Siehe: Beppler-Spahl, Sabine; Politisierte Bildung , S.1116 in Merkur Nr. 11/2010 17 Siehe: Schmidt-Salomon, Michael; Keine Macht den Doofen , S.97 18 Siehe: Goos, Hauke; Du sollst keine Fehler machen! , S.50 in Der Spiegel Nr. 1/2014
  • 9. - 9 - den Fakten ersetzt. Zudem spart man an den Ausgaben für staatliche Bildungsstätten und an den Gehältern der Lehrkräfte, so werden mancherorts Lehrer über die Sommerferien entlassen, um schließlich im neuen Schuljahr wieder eingestellt zu werden. Dies stimmt fassungslos, gerade wenn man sich vor Augen führt, dass dabei deutlich wird, welch einen Wert der Bildung vonseiten der Politik beige- messen wird - um Geld zu sparen belasten ihre Vertreter die Arbeitslosenversicherung. Jedoch rentiert sich Geiz in diesem Zusammenhang keinesfalls, weil auch hier wieder die Staaten mit den höchsten Bildungsausgaben, die leistungsfähigsten sind. 5. Die Schule Überall dort, wo gespart und reformiert wird, sei es Italien, Deutschland oder Ungarn, gedenkt man nur von der eigentlichen pädagogischen Katastrophe abzulenken. Begutachtet man eingehend die didaktische Methodik in den Schulen und seit der Bologna-Reform sogar teilweise in den Hochschulen, so stellt man konsterniert fest, dass wie bereits angedeutet, die Lehre zur „Wissensbulimie“19 verkommt. Lerninhalte, dabei handelt sich um alleinstehende Fakten, werden unreflektiert aufgenommen, gegebenenfalls für den nächsten Test auswendig gelernt. Dann erwartet man vom Schüler dies „im Austausch gegen Noten fristgerecht wieder zu erbrechen“, sprich es zu verwerfen.20 Dadurch kommt keine kritische Auseinandersetzung mit dem Wissen zustande und auch sonst wird wenig Wert auf einen selbständigen Denkprozess gelegt. Außerdem gestaltet sich die Bewertung des Schülers als durchweg fehlerorientiert, denn nur die Minorität der Lehrer nimmt sich die Zeit neben der roten Markierungen an dessen Arbeiten, gleichsam dem Schüler einen konstruktiv-perspektivischen Ausblick zu geben. Er bildet sich somit nicht für eine ihn zufriedenstellende Zukunft, sondern für das unfehlbare schulische Prinzip der Perfektion, da 'gut' zu sein bedeutet, keinerlei Fehler zu machen. Das führt soweit, dass viele die Schule verlassen, „ohne ein einziges Mal ausgezeichnet worden zu sein“21 , genauso werden Talente und Fähigkeiten, die außerschulisch erst zur Geltung kommen, aber doch einen wesentlicheren Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung beisteuern, selten honoriert – Schule und Freizeit konkur- 19 Siehe: Schmidt-Salomon, Michael; Keine Macht den Doofen , S.97 20 Siehe: ebenda 21 Siehe: Goos, Hauke; Du sollst keine Fehler machen! , S.51 in Der Spiegel Nr. 1/2014
  • 10. - 10 - rieren gar.22 Infolgedessen verwundert nicht, das aus Mangel des Lobes, neben dem im Vergleich inflationär verteilten Tadel, das Privileg der allgemeinen Bildung zur 'Pflicht' verkehrt wird. Demjenigen, der weder Druck von zu Hause, noch motivierenden Zuspruch durch seine Lehrer zugestanden bekommt, wird man schwerlich verübeln dürfen, dass er keinen weiteren Sinn, als die bloße Pflichterfüllung im Schulbesuch ausmachen kann. Dabei lautet die einfache Lösung, insofern man dem großen Sozial- und Schulreformer John Dewey folgt: „Das Erste muss sein, dass die Kinder sich wohlfühlen.“ Wissenschaftlichen Halt erfährt diese These durch die Erkenntnisse des neuseeländischen Forschers und Lehrers John Hattie, der es vollbracht hat, ganze 15 Jahre lang hunderte bildungsrelevante Studien auszuwerten, wodurch es ihm schließlich möglich geworden ist, deren Ergebnisse in ein „Barometer der Lernerfolg-Faktoren“ einzuteilen. Demnach konstatierte er, dass dem „Vertrauen der Schüler in die eigene Leistung“ oberste Priorität beigemessen werden muss. Dieser Faktor weist neben dem Ranglistenplatz eins, die Eigenschaft als „äußerst wirksam[es]“ Mittel für den Lernerfolg auf. Der „[s]ozioökonomische Status der Eltern“ hingegen landet nur auf Platz 34, wird damit zwar noch als „wirksam“ klassifiziert, kann laut Hattie die Förderung der Artikulationsfähig- keit sowie ein „Feedback an den Lehrer“ deutlich mehr bewirken. Damit erhebt diese Einteilung den Unterricht vom bloßen Korrektiv in Bezug auf das Elternhaus zu einer durchaus geeigneten Maßnahme, dem `Prekariat´ gesellschaftliche Teilhabe und den sozialen Aufstieg zu gewähren.23 Daher sollte man die hierfür unabdingbare Schlüsselfigur, die Lehrperson, nicht so stiefmütterlich als monotone Schallplatte oder als „Alleinunterhalter“24 , der gegenwärtig ausschließlich als Medium für das Stoffgeschehen fungiert, betrachten. Sondern damit beginnen, sie ähnlich wie einen Regis- seur zu schulen, sodass der Lehrer die Schüler dazu animiert, sich Dinge mittels einer kritischen Betrachtung, einem „Lerndialog“25 , soweit wie möglich selber anzueignen. Denn nur „aktives, selbsttätiges Lernen führt zu dauerhaften Kenntnissen und zu Leistungserlebnissen bei Schülerinnen und Schülern.“26 Ebenso gestaltet sich als förderlich, wenn sich ein Gespräch zwischen Klasse und Lehrer entwickelt, von dem beide Seite profitieren. Nebenher muss es den Schülern gestattet sein dem Lehrer Rückmeldungen zu geben, das erfordert eine enorme Reife und sprachliche Kompe- tenzen. Sowieso ist die Sprache die Mutter allen Lernerfolgs, dadurch verdient ihr Verständnis 22 Siehe: Eckert, Roland; Bildungschancen sind Lebenschancen , S. 36 in Scheidewege Nr. 39 2009/2010 23 Vergleiche: Friedmann, Jan; Zurück zum Kerngeschäft , S. 38 in Der Spiegel Nr. 16/2013 24 Siehe: Eckert, Roland; Bildungschancen sind Lebenschancen , S. 37 in Scheidewege Nr. 39 2009/2010 25 Siehe: Schmidt-Salomon, Michael; Keine Macht den Doofen , S.100 26 Siehe: Eckert, Roland; Bildungschancen sind Lebenschancen , S. 39 in Scheidewege Nr. 39 2009/2010
  • 11. - 11 - besondere Wachsamkeit. Zudem obliegt es dem Lehrer Leistungsunterschiede in der Klasse zu entdecken und durch geschickte 'Binnendifferenzierung' die jeweiligen Fähigkeiten des Einzelnen auszubauen, wobei heterogene Gruppen gemeinhin von Vorteil sind, weil ein breiteres Feld an unterschiedlichem Wissen bedient wird. Dabei wird gerade in der Grundschule, in der noch nicht allzu sehr selektiert wurde, die Solidarität unter den Kindern bestärkt, was sich positiv auf das inklusive Lernen auswirkt. Natürlich sind Lehrer nicht im Stande, diese Ideen in Perfektion alleine sofort umzusetzen und zudem erweist es sich als ziemlich einfach, ohne ihm selber anzugehören, den Berufsstand zu kritisieren, dennoch geht die Tendenz für Bildung mit gleichen Chancen von den Lehrern „an vorderster Front“27 aus, weshalb sie besonderen Ansprüchen gerecht werden müssen. Sie stellen die Schnittstelle zwischen Familie und Gesellschaft dar, wodurch sie sukzessiv den geringen Bildungsstand von sozial schwachen Eltern ausgleichen können. Das erfordert auf lange Sicht jedoch eine andere Form des Lehramtsstudiums, das die Studenten besser in pädagogischer Hinsicht vorbereitet, sodass sie befähigt werden, auf unterschiedlichste Sachverhalte differenziert zu reagieren und den Schülern die Lust an Bildung zu bewahren. 6. Fazit Der Fokus der Politik sollte sich nun darauf richten, alle nötigen Investitionen bereitwillig zu tätigen, denn Steuern existieren gerade für allgemeinbildende Schulen, Hoch-, Volkshoch- und Berufsschulen - nicht aber für Banken. Es ist an ihr, sich dem Auseinanderbrechen des gesellschaftlichen Wertekanons entgegenzustellen, denn auch für die Demokratie ergibt sich aus kritisch denkenden, am Gemeinsinn orientierten Individuen die Voraussetzung für ihren Fortbestand. Die Kinder der dritten Welt können sich allein schon deshalb nicht konzentrierten, da entweder ein unbändiger Hunger oder Existenzängste jeglicher Art sie plagen, hier macht Armut dumm. In Europa befindet sich nahezu niemand in dieser Situation absoluter Armut, höchstens in einer relativen Form, während das Kapital durchaus vorliegt. Es ist also keine Sache der Unmöglichkeit, für alle eine vernünftige Bildung zu schaffen. Als beispielhaft dafür, versteht sich die deutsche Bildungsexpansion in den 60er- und 70er-Jahren, angeführt durch die sozialliberale Koalition, für die stellvertretend Willy Brandt und Hildegard Hamm-Brücher stehen. Sie haben es vollbracht, 27 Siehe: Eckert, Roland; Bildungschancen sind Lebenschancen , S. 42 in Scheidewege Nr. 39 2009/2010
  • 12. - 12 - Arbeiter- und Bauernkindern den Weg in die vormals bürgerlich-elitären, höheren Bildungsein- richtungen zu ebnen gemäß dem Leitgedanken 'Bildung für alle'. In ihm offenbarte sich der Pathos der Bürgerrechtsbewegung und führte zudem zur internationalen Anerkennung Deutschlands als Bildungsnation. Feststeht, dass Armut nicht zwangsläufig zu 'Dummheit' führt, jedoch diese abhängig von Bildungssystem und Beschaffenheit des Sozialstaat des jeweiligen Landes, sie begünstigen oder schlimmstenfalls sogar einstellen kann. Wobei ein Umdenken bei den Vertretern der Politik, Wirtschaft, Lehrerschaft, Professur sowie den Schülern und Studenten selber, stellt die erforderlichen Weichen für ein innovatives Europa, dessen Bürger sich des kritischen Denkens mächtig erweisen. Orientiert man sich an den humanistischen Bildungsidealen, wie in Europa für einige wenige bereits gängige Praxis waren und bezieht sie auf jegliches Lernen, festigt man eine vom 'Principle of Charity' inspirierte Zivilgesellschaft. Schaut man hingegen, diese Hoffnung ignorierend, auf die derzeitige europäische Mentalität, seine Medien, seine Politiker und seine Wirtschaft, so zweifelt man, ob der Begriff 'Zivilisation' vor der Umsetzung einer erneuten Bildungsexpansion gerechtfertigterweise gebraucht wird. Richard David Prechts Ansicht nach und aller Dystopie zum Trotz, sollte Schulpolitik wieder „utopiefähig“28 werden. Tatsächlich hindert uns lediglich der ewige Müßiggang an der Schaffung eines Bildungseuropa, nach der Aktivierung seiner Einwohner, wenn nötig durch breiten Protest, bestimmt nicht mehr die Herkunft über den Erfolg des Einzelnen, sondern wie vermutlich Perikles sagte: „Beurteilt die Menschen nicht nach ihrer Herkunft, sondern nach ihrer Leistung.“29 Hierbei bezieht sich 'Leistung' sicherlich nicht auf den modernen Effizienzgedanken, sondern auf Verständ- nis vom Potenzial, den Kompetenzen und der Persönlichkeit eines Menschen. Wenn wir es vollbracht haben, ebenjenen Prozess des Umdenkens initiiert und umgesetzt zu haben, wird Leon Battista Alberti recht behalten: „Wenn du dich anstrengst ... mit allen deinen Kräften und Fähigkeiten, so zweifle ich nicht im mindesten, daß du, in welcher Betätigung auch immer, zur ersten und höchsten Stufe der Vollkommenheit und des Rufes aufsteigen wirst.“30 28 Siehe: Friedmann, Jan; Zurück zum Kerngeschäft , S. 40 in Der Spiegel Nr. 16/2013 29 aphorismen.de 30 Siehe: Rindermann, Heinz; Intelligenz als bürgerliches Phänomen , S.670 in Merkur Nr. 8/2009
  • 13. - 13 - Literaturverzeichnis Eckert, Roland: Bildungschancen sind Lebenschancen. In Scheidewege – Jahresschrift für skeptisches Denken, S. 29-42; Jahrgang 39, 2009/2010; S.Hirzel Verlag, Stuttgart Rindermann, Heiner: Intelligenz als bürgerliches Phänomen. In Merkur – Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken, S.666-676; Heft 8/ August 2009, 63. Jahrgang; Klett-Cotta Verlag, Stuttgart Adam, Konrad: Bildung lässt sich nicht umverteilen. In Merkur – Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken, S.682-691; Heft 8/ August 2011, 65. Jahrgang; Klett-Cotta Verlag, Stuttgart Beppler-Spahl, Sabine: Politisierte Bildung – Können Schulen gesellschaftliche Probleme lösen?. In Merkur – Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken, S.1115-1120; Heft 11/ Novemver 2010, 64. Jahrgang; Klett-Cotta Verlag, Stuttgart Geiger, Stefan: Parallelgesellschaft der Chancenlosen. In Universitas, S. 225-233; Nr. 729 / März 2007, 62. Jahrgang; S.Hirzel Verlag, Stuttgart Brenner, Peter J.: Bildungsgerechtigkeit. In Universitas, S. 235-245; Nr. 729 / März 2007, 62. Jahrgang; S.Hirzel Verlag, Stuttgart Meier-Gräwe, Uta: Jedes Kind zählt. In Universitas, S. 247-255; Nr. 729 / März 2007, 62. Jahrgang; S.Hirzel Verlag, Stuttgart Gottstein, Heidi: Ökonomie und Bildung. In Universitas, S. 1239-1251; Nr. 738 / Dezember 2007, 62. Jahrgang; S.Hirzel Verlag, Stuttgart Felixberger, Peter: Kulturelle Vielfalt als Schlüssel zu wirtschaftlichem Erfolg. In Universitas, S. 1267-1272; Nr. 738 / Dezember 2007, 62. Jahrgang; S.Hirzel Verlag, Stuttgart Bork, Uwe: Demokratie ohne Worte. In Universitas, S. 1283-1285; Nr. 738 / Dezember 2007, 62. Jahrgang; S.Hirzel Verlag, Stuttgart Dettmer, Markus; Schmergal, Cornelia: Der neue Ständestaat. In Der Spiegel, S.60-63; Nr. 33/12.08.2013, Hamburg Goos, Hauke: Du sollst keine Fehler machen!. In Der Spiegel, S.50-54; Nr. 1/30.12.13, Hamburg Friedmann, Jan: Zurück zum Kerngeschäft. In Der Spiegel, S.38-40; Nr. 16/15.04.13, Hamburg Schmidt-Salomon, Michael: Keine Macht den Doofen – Eine Streitschrift. S.97-102; 4. Auflage 2012; Piper Verlag GmbH, München Hollenstein, Oliver: Ohne Worte. In Süddeutsche Zeitung, S. 19; Nr. 297, 24./25./26. Dezember 2013, München Der Brockhaus – In Fünfzehn Bänden. S. 136, Band 2; F.A. Bockhaus GmbH, Leipzig Mannheim 1997
  • 14. - 14 - Internet Soziale Aufstiegschancen, Zugang zu Arbeit und Bildung in Europa: http://de.statista.com/statistik/daten/studie/38406/umfrage/soziale-aufstiegschancen-zugang-zu- arbeit-und-bildung-in-europa/ (02.01.2014) An deutschen Unis sind Akademiker-Kinder unter sich: http://www.welt.de/wirtschaft/karriere/bildung/article13819365/An-deutschen-Unis-sind- Akademiker-Kinder-unter-sich.html (02.01.2014) humanistische Bildung: http://universal_lexikon.deacademic.com/251608/humanistische_Bildung (02.01.2014) Charta der Grundrechte der europäischen Union: http://www.europarl.europa.eu/charter/pdf/text_de.pdf (02.01.2014) Human Development Report 2004: http://hdr.undp.org/sites/default/files/reports/265/hdr_2004_complete.pdf (02.01.2014) Studiengebühren-Urteil in England: 9000 Pfund Campusmaut sind vertretbar http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/studiengebuehren-urteil-in-england-9000-pfund- campusmaut-sind-vertretbar-a-815948.html (02.01.2014) Bildungsausgaben http://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/europa/135809/bildungsausgaben (02.01.2014) Armut in Europa http://armut.de/armut-in-europa.php?mysid=ojc85m3v70nvrsovkf8h0sbpshiuolpj (02.01.2014) Zitate des Perikles http://www.aphorismen.de/suche?f_autor=2936_Perikles (07.01.2013)
  • 15. - 15 - Selbstständigkeitserklärung Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel verwendet habe. Ich habe alles gedanklich, inhaltlich oder wörtlich aus anderen Quellen Übernommene als solches kenntlich gemacht. Mir ist bekannt, dass die nachgewiesene Unterlassung als versuchte Täuschung gewertet wird. ______________________________ Unterschrift / Datum