1. Inhaltsübersicht IX
Inhaltsübersicht
1. Einleitung __________________________________________________ 1
1.1 Ausgangslage ___________________________________________ 3
1.2 Relevanz des Themas _____________________________________ 4
1.3 Bezugsrahmen als Heuristik der explorativen Forschung _________ 7
1.4 Methodisches Vorgehen __________________________________ 25
1.5 Zielsetzungen __________________________________________ 34
1.6 Aufbau der Arbeit _______________________________________ 35
2. Konzeptionelle Grundlagen ___________________________________ 37
2.1 Vorbemerkungen _______________________________________ 39
2.2 Ansätze des Personalmanagements _________________________ 39
2.3 Begriffliche Grundlagen __________________________________ 51
2.4 Nachhaltiges Personalmanagement als implizite Kernkompetenz __ 69
2.5 Modell eines nachhaltigen Personalmanagements im Überblick ___ 71
3. Vertrauen als zentrale Grundlage und Ergebnis eines nachhaltigen
Personalmanagements ________________________________________ 77
3.1 Vorbemerkungen _______________________________________ 79
3.2 Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen des Vertrauens ______ 80
3.3 Erklärungsmodelle ______________________________________ 98
3.4 Vertrauen in betriebswirtschaftlichen Kontexten ______________ 100
3.5 Vertrauen und nachhaltiges Personalmanagement _____________ 117
4. Anforderungen an ein nachhaltiges Personalmanagement ___________ 121
4.1 Konzeption ___________________________________________ 123
4.2 Quellen der Anforderungen ______________________________ 124
4.3 Verwendungsbereiche der Nachhaltigkeitsanforderungen _______ 147
4.4 Herleitung der Nachhaltigkeitsanforderungen ________________ 156
4.5 Fazit ________________________________________________ 192
5. Funktionen eines nachhaltigen Personalmanagements ______________ 195
5.1 Vorbemerkungen ______________________________________ 197
5.2 Metafunktionen ________________________________________ 198
5.3 Prozessfunktionen ______________________________________ 277
5.4 Querschnittsfunktionen __________________________________ 349
5.5 HRM-Servicefunktion __________________________________ 373
6. Institutionelle Aspekte eines nachhaltigen Personalmanagements _____ 383
6.1 Elemente der institutionellen Betrachtungsperspektive _________ 385
6.2 Gestaltung der Rahmenstruktur des Personalmanagements ______ 386
6.3 Das Personalnetzwerk als Detailstruktur für ein nachhaltiges
Personalmanagement ___________________________________ 393
2. X Inhaltsübersicht
6.4 Prozesse des Personalmanagements ________________________ 399
6.5 Bewertung und Auswahl einer effizienten dauerhaften
Organisationsform für den Personalbereich __________________ 401
6.6 Prozess der organisatorischen Gestaltung im Personalbereich ____ 415
7. Personelle Aspekte eines nachhaltigen Personalmanagements _______ 417
7.1 Vorbemerkungen ______________________________________ 419
7.2 Rollen im Personalmanagement ___________________________ 419
7.3 Professionalisierung im HRM ____________________________ 437
7.4 Entwicklungsperspektiven zur Rollenwahrnehmung im
nachhaltigen Personalmanagement _________________________ 442
8. Gestaltungsempfehlungen ____________________________________ 445
8.1 Vorbemerkungen ______________________________________ 447
8.2 Gestaltungsempfehlungen________________________________ 448
8.3 Fazit ________________________________________________ 456
9. Schlussfolgerungen _________________________________________ 457
9.1 Vorbemerkungen ______________________________________ 457
9.2 Zentrale Erkenntnisse ___________________________________ 457
9.3 Grenzen des eigenen Ansatzes ____________________________ 461
9.4 Anregungen für künftige Forschungsprojekte ________________ 462
9.5 Fazit ________________________________________________ 463
Literaturverzeichnis ____________________________________________ 493
3. Konzeptionelle Grundlagen 37
2. Konzeptionelle Grundlagen
Das Wichtigste in Kürze
• Das nachhaltige Personalmanagement basiert auf dem Harvard-Ansatz des strategischen
HRM von Beer et al. (1985), auf der Human-Investment-Philosophy von Miles/Snow
(1995) und auf dem People-Centered Management von Pfeffer (1998a).
• Das zugrunde liegende Verständnis des HRM orientiert sich primär an verhaltenswissen-schaftlichen
Methoden und Modellen, nutzt aber gleichzeitig das Erklärungspotenzial öko-nomischer
Theorien wie den Principal-Agent-Ansatz oder den Transaktionskostenansatz.
• Im Harvard-Ansatz des HRM werden eine strategische Orientierung der Personalfunktion
und deren Abstimmung mit der Unternehmensentwicklung gefordert. Der Ansatz ist lang-fristig
ausgerichtet, berücksichtigt verschiedene Anspruchsgruppen und ermöglicht eine
hohe Partizipation der Mitarbeitenden.
• Anhand der Human-Investment-Philosophy zeigen Miles und Snow (1995), wie das HRM
zum Aufbau nachhaltiger Wettbewerbsvorteile in einem sehr dynamischen Umsystem bei-tragen
kann. Ihr Ansatz ist stark kompetenzorientiert ausgerichtet und stellt das Vertrauen
und die Förderung der Mitarbeitenden in den Vordergrund.
• Pfeffer verdeutlicht im People-Centered Management, dass sich Mitarbeitende durch spe-zifische
„High Performance Practices“ zu Innovation, Flexibilität, Kundenorientierung,
Produktivität, Kostenbewusstsein und Lernbereitschaft bewegen lassen, was wiederum zu
einer nachhaltigen Wertschöpfung beiträgt.
• Nach Phasen der Bürokratisierung, Institutionalisierung, Humanisierung, Ökonomisierung
und des Unternehmertums tritt das Personalmanagement heute in die Phase der Nachhaltig-keit
ein.
• Nachhaltige Entwicklung bringt wirtschaftliche, gesellschaftliche und ökologische An-sprüche
auf eine Weise miteinander in Einklang, dass sowohl die Bedürfnisse heutiger als
auch künftiger Generationen erfüllt werden können.
• Nachhaltiges Personalmanagement lässt sich anhand der folgenden Merkmale charakteri-sieren:
Partizipation, Wertschöpfungsorientierung, Strategieorientierung, Kompetenz- und
Wissensorientierung, Anspruchsgruppenorientierung und Flexibilität.
• Die Fähigkeit eines Unternehmens Personalmanagement zu betreiben
(=Personalkompetenz) kann sowohl ein Erfolgspotenzial als auch eine Kernkompetenz
darstellen, die zu Wettbewerbsvorteilen führen.
• Das Modell eines nachhaltigen Personalmanagements umfasst im Kern die Nachhaltigkeits-anforderungen,
die aus internen und externen Rahmenbedingungen sowie aus konzeptionel-len
Arbeiten resultieren und sich anhand von empirischen Ergebnissen begründen lassen.
Diese Anforderungen dienen zur Ableitung von Zielen, Werten, Gestaltungsparametern,
Evaluationsmassstäben und organisatorischen Effizienzkriterien, die sich ihrerseits auf die
personellen, institutionellen und instrumentellen Aspekte des HRM auswirken.
4. Konzeptionelle Grundlagen 39
2.1 Vorbemerkungen
Der vorliegende Abschnitt geht zuerst auf diejenigen HRM-Ansätze ein, welche
das Fundament eines nachhaltigen Personalmanagements darstellen (Abschnitt
2.2). Anschliessend nennt er die Entwicklungsphasen des Personalmanagements
und erarbeitet die begrifflichen Grundlagen (Abschnitt 2.3). Dabei werden die
Termini des Personalmanagements, der Nachhaltigkeit und schliesslich des
nachhaltigen Personalmanagements konzeptualisiert. Die zentrale Definition des
nachhaltigen Personalmanagements wird im vierten Kapitel ausführlich begrün-det
und im fünften Kapitel als Massstab für die Beurteilung personalwirtschaft-licher
Massnahmen angewandt. In Abschnitt 2.4 wird der Stellenwert des nach-haltigen
HRM als implizite Kernkompetenz erörtert. Dem Modell des nachhalti-gen
Personalmanagements ist Abschnitt 2.5 gewidmet. Er geht auf alle Baustei-ne
ein, ohne diese allerdings zu vertiefen. Dieser Schritt erfolgt in den anschlies-senden
Kapiteln.
2.2 Ansätze des Personalmanagements
2.2.1 Konzeptionelle Basis und Ausrichtung
Der hier dargestellte Ansatz eines nachhaltigen Personalmanagements basiert
auf den Arbeiten von Beer et al. (1985), Miles und Snow (1995), Pfeffer (1994;
1995; 1998a; 1998b), Ulrich (1997a) und Wunderer (1992b; 1993; 1994; 1995;
1999; 2000; 2002). Ausgehend vom Harvard-Ansatz des strategischen Perso-nalmanagements
(vgl. Beer et al. 1985) wird ein Konzept entwickelt, das sich
vor allem an der Human-Investment-Philosophy von Miles und Snow sowie am
People-Centered Management von Pfeffer orientiert. Dieses Verständnis der
Disziplin grenzt sich gegenüber der als „hard HRM“ interpretierbaren Personal-ökonomik
(vgl. Backes-Gellner 1993; Koch/McGrath 1996; Kräkel 1997;
Backes-Gellner/Lazear/Wolff 2001; Sadowski 2002) ab und kann eher als An-satz
des „soft HRM“ gelten (zur Klassifikation vgl. Storey 1992: 27).
Die Personalökonomik fokussiert stark auf die in der Neuen Institutionenöko-nomik
behandelten Modelle der Transaktionskostentheorie, der Property-Rights
Theorie und der Principal-Agent-Theorie. Die Tatsache, dass die Personalöko-nomik
vor allem diejenigen Fragestellungen abbildet, die mikroökonomisch
fassbar sind, wird häufig als Problem dieser theoretischen Fundierung gesehen.
Scholz ist der Ansicht, dass dieser Modellplatonismus, d. h. die Fokussierung
auf die Neuen Institutionenökonomik, wenig praktischen und keinen theoriebil-denden
Nutzen aufweist (vgl. Scholz 2000: 54). Er befürchtet, dass eine Be-schränkung
der Personalmanagementlehre auf Phänomene, die in das Paradigma
der Neuen Institutionenökonomik passen, zu einer „Selbstkastration“ der Diszip-lin
führt. Auch Wächter schliesst sich dieser Argumentation an, indem er
schreibt: „Das Personalwesen kann seinen ökonomischen Nutzen um so mehr
5. 40 Konzeptionelle Grundlagen
nachweisen, als es sich verstärkt verhaltenswissenschaftlichen Modellen und
Methoden bedient“ (Wächter 1992: 333). Eine interdisziplinäre Fundierung,
welche der Vielschichtigkeit personalwirtschaftlicher Problemstellungen gerecht
wird, scheint vor dem Hintergrund der Kritik an Ansätzen der Institutionenöko-nomik
(vgl. Ghoshal/Moran 1996; Richter/Furubotn 1996) zur Analyse perso-nalwirtschaftlicher
Fragen besser geeignet, als ausschliesslich mikroökonomisch
ausgerichtete Erklärungsmodelle. Das soll aber nicht heissen, dass diese Ansätze
grundsätzlich auszuklammern sind. Mehrere personalwirtschaftliche Sachverhal-te
lassen sich damit sehr gut erklären (z. B. Handlungen von Mitarbeitenden als
Mitunternehmer, Vertrauen in Organisationen oder Kooperation in virtuellen
Systemen). Hinzu kommt, dass der als grundlegend beschriebene Ansatz der
Human-Investment-Philosophy von Miles und Snow mindestens implizit auf
mikroökonomische Erklärungsmuster zurückgreift.
2.2.2 Der Harvard-Ansatz des strategischen Human Resource Managements nach
Beer et al.
Beer et al. haben zu Beginn der achtziger Jahre an der Harvard Business School
ein Konzept des Human Resource Management entwickelt, welches der Gene-ral-
Management-Perspektive, also der Verbindung zwischen Personalmanage-ment
und strategischem Management, besondere Bedeutung beimisst. Die
Autoren begründen die (damalige) Notwendigkeit einer neuen Sichtweise des
HRM wie folgt: „General managers, faced with an array of external and internal
pressures, are beginning to demand that managing human resources be ap-proached
in an integrated, proactive, and strategic way, one relevant to their
business and management problems“ (Beer et al. 1985: X). Beer et al. gehen von
der Annahme aus, dass Linienmanager täglich Entscheidungen treffen, welche
die Beziehung der Mitarbeitenden zur Unternehmung massgeblich beeinflussen
(vgl. Garnjost/Wächter 1996: 793). Sie sind daher bei der Bewältigung perso-nalwirtschaftlicher
Aufgaben zu beteiligen. Im Zentrum des Harvard-Ansatzes
stehen die folgenden vier Politikfelder bzw. Strategiebereiche (vgl. Beer et al.
1985: 7 ff.):
x Employee Influence (Partizipation)
x Human Resource Flow (Personalgewinnung, -einsatz und -freistellung)
x Reward Systems (Belohnungssystem)
x Work Systems (Arbeitsorganisation)
Diese Politikfelder werden von Stakeholder-Interessen (Management, Mitrbei-tende,
Gewerkschaft, Staat, Anteilseigner etc.) und von situativen Faktoren (Be-schäftigtenstruktur,
Unternehmungsstrategie, Technologie, Gesetze, Werte etc.)
beeinflusst. Es handelt sich hierbei um Rahmenbedingungen, die allerdings an-ders
strukturiert sind, als dies in der vorliegenden Schrift der Fall ist (vgl. Ab-schnitt
4.2.1). Entscheidungen, die in den durch die situativen Faktoren beein-
6. Konzeptionelle Grundlagen 41
flussten Politikfeldern getroffen werden, haben einen unmittelbaren Einfluss auf
die folgenden vier HRM-Outcomes:
x Commitment (Zugehörigkeitsgefühl): Dieser Terminus umfasst die Identi-fikation
mit der Unternehmung und ihren Produkten/Dienstleistungen so-wie
mit der Arbeit an sich, zudem die Leistungsbereitschaft und die Fluk-tuationsneigung
der Mitarbeitenden. Beer et al. gehen sogar noch weiter
und sprechen von „(…) self-worth, dignity, psychological involvement, and
identity (…)“ (Beer et al. 1985: 20).
x Competence: Hier steht die Frage im Vordergrund, ob eine Unternehmung
bzw. das HRM in der Lage ist, die benötigten Fähigkeiten frühzeitig zu
identifizieren und rechtzeitig bereitzustellen. Auch hier gilt es einerseits
den Bedarf der Unternehmung und andererseits die Bedürfnisse der Mitar-beitenden
zu berücksichtigen.
x Congruence: Dieser komplexe Begriff thematisiert einerseits die Zielkon-gruenz
zwischen verschiedenen Anspruchsgruppen (Mitarbeitende, Füh-rungskräfte,
Familien, Anteilseigner etc.) und andererseits die Stimmigkeit
personalwirtschaftlicher Konzepte und Massnahmen vor dem Hintergrund
der Unternehmungskultur, der strategischen Positionierung und der struktu-rellen
Gestalt der Unternehmung. Wenn Mitarbeitende beispielsweise an
der Entscheidungsfindung partizipieren, sind diese eher bereit, extern vor-gegebene
Veränderungen zu akzeptieren (vgl. Beer et al. 1985: 37 f.). Ein
Konzept des Personalmanagements, das mit der Unternehmungskultur, der
Unternehmungsstruktur und der Unternehmungsstrategie abgestimmt ist,
dürfte sich besser implementieren lassen als ein isolierter Ansatz und wird
auch eher zum Erfolg führen.
x Cost effectiveness: Obwohl Beer et al. explizit von Kosten sprechen, dürfte
dieser Aspekt Effektivität und Effizienz personalwirtschaftlicher Mass-nahmen
in einem umfassenden Sinn beinhalten.8 Es ist durchaus denkbar,
dass sich die Autoren aus „ästhetischen“ Gründen (die 4 „C“ der HRM-Outcomes)
entschieden haben, dem Begriff „effectiveness“ den Begriff
„cost“ voranzustellen (Wunsch nach Alliteration).
Neben den vorgestellten HRM-Outcomes sprechen Beer et al. von langfristigen
Konsequenzen, die in den Bereichen des individuellen und des gesellschaftli-chen
Wohlbefindens sowie der organisationalen Effektivität zu suchen sind. Mit
organisationaler Effektivität meinen die Autoren „(…) the capacity of the or-ganization
to be responsive and adaptive to its environment“ (Beer et al. 1985:
8 In diesem Zusammenhang steht eher der Begriffsteil „effectiveness“ und weniger der
Begriffsteil „cost“ im Vordergrund.
7. 42 Konzeptionelle Grundlagen
17). Der starke Einfluss des Personalmanagements auf die Wandlungsfähigkeit
von Organisationen – also deren Organisationskompetenz – zeigt sich auch dar-in,
dass Veränderungen in jedem Fall von Menschen ausgelöst und umgesetzt
werden (vgl. Zaugg/Thom 2003).
Wie später noch verdeutlicht wird (vgl. Abschnitte 4.2.3 und 5.2.1), weist der
Harvard-Ansatz vielfältige Anknüpfungspunkte für die Konzeption eines nach-haltigen
Personalmanagements auf. Er ist langfristig ausgerichtet, berücksichtigt
die Ziele verschiedener Anspruchsgruppen, fordert eine hohe Partizipation der
Mitarbeitenden und fokussiert auch die kurz- (cost effectiveness) sowie langfris-tige
Effektivität (organizational effectiveness) von HRM-Massnahmen.
2.2.3 Die Human-Investment-Philosophy nach Miles und Snow
Miles und Snow begründen die Notwendigkeit einer neuen Sichtweise des Per-sonalmanagements
mit den Anforderungen, die neue Organisationsformen an
Mitarbeitende stellen. Die von den Autoren als Beispiel beschriebene sphärische
Netzwerkstruktur ist charakterisiert als „(…) a flexible, spherical structure that
can rotate competent, self-managing teams and other resources around a com-mon
knowledge base“ (Miles/Snow 1995: 6). Diese neue Organisationsform be-dingt
„(…) investments in competence and trust building at the individual, team
and network level“ (Miles/Snow 1995: 6) und erfordert ein Umdenken der Füh-rungskräfte
und der Mitarbeitenden. Der Aufbau einer Vertrauenskultur bzw.
eines Management-by-Trust sowie substantielle Investitionen in die Kompetenz
der Mitarbeitenden sind konstituierende Merkmale der Human-Investment-
Philosophy.
In einer sphärisch organisierten Unternehmung agieren die Mitarbeitenden mit
einem hohen Mass an Selbstverantwortung und somit als Unternehmer (vgl.
auch Wunderer/Kuhn 1993; Wunderer 1994; Wunderer 1999; Wunderer 2000;
Wunderer/Dick 2002; Wunderer/von Arx 2002). Administrative Prozesse wer-den
auf ein Minimum reduziert. Die Hauptaufgabe der Führungskräfte besteht
darin, Mitarbeitende zu befähigen, Verantwortung zu übernehmen und eigen-ständig
zu handeln. Diese Bemühungen müssen von der Bereitschaft der Mitar-beitenden
getragen sein, sich selbst zu entwickeln. Miles und Snow schreiben
dazu: „This requires a human resource management philosophy in which em-ployees
act as partners in their own development. Managers in turn must not
only facilitate employee development, but also locate opportunities for employ-ees
to apply their continuously expanding knowledge and ability“ (Miles/Snow
1995: 10).
Tabelle 3 fasst die zentralen Inhalte der Human-Investment-Philosophy zusam-men
(vgl. Miles/Snow 1995: 11 ff., Hervorhebungen durch den Verfasser).
8. Konzeptionelle Grundlagen 43
Assumptions
1. Most people want to contribute to the organization and will act as partners in their own
development. They also have the potential to continually develop their technical skills,
their self-management competency, and their understanding of business matters.
2. Most people, both inside the network firm and across current and future partner firm,
are trustworthy as well as trusting in their relationships. They can and will develop
effective “relationship management” skills.
Policies
1. Managers must view human capabilities from the perspective of an internal venture
capitalist, building organization members’ operational and entrepreneurial strengths by
investing in their long-term education and competence.
2. Managers must act as a partner of individual employees and self-managing teams in
locating opportunities to practice new skills and exercise new knowledge.
3. Managers must be prepared to make investments in technical and governance skills
within other network-member firms.
Expectations
1. Continuing, heavy investment in human capabilities builds adaptive capacity through
the creation of widespread skill and knowledge reserves – a learning organization.
2. The more competent the manager’s own organization, the more facile and effective are
the network linkages it can make.
Tabelle 3: Human-Investment-Philosophy (Miles/Snow 1995: 11 ff.,
Hervorhebungen durch den Verfasser)
Die zentralen Charakteristika der Human-Investment-Philosophy werden nach-folgend
herausgearbeitet:
x Positives Menschenbild: Die Human-Investment-Philosophy geht von mo-tivierten,
loyalen, kompetenten und selbstverantwortlichen Mitarbeitenden
aus, denen Vertrauen geschenkt werden kann. Die Mitarbeitenden sind an
der erfolgreichen Entwicklung der Unternehmung interessiert und beschaf-fen
sich die relevanten Informationen aktiv selbst (Information als Hol-schuld).
Im Gegenzug erhalten sie Einblick in Grundsatzdokumente und
entscheidungsrelevante Informationen.
x Kompetenzorientierung: Das individuelle und organisationale Wissen wird
im Rahmen der Human-Investment-Philosophy als zentrale Ressource ge-sehen.
Investitionen in diese Ressource umfassen die Entwicklung der
Kompetenzen der einzelnen Mitarbeitenden und Teams, die Gestaltung ei-ner
lernenden Organisation sowie die Bereitstellung von Systemen des
Wissensmanagements. Bezogen auf die Kompetenzprofile einzelner Mitar-beitenden
ist ein Trend zur „T-förmigen“ Positionierung auszumachen.
Mitarbeitende sehen sich erstens als Generalisten, die ein breites Basiswis-sen
und eine hohe Sensibilität für Zusammenhänge vorweisen können (ho-rizontaler
T-Balken) und zweitens als Spezialisten, die sich in einigen we-
9. 44 Konzeptionelle Grundlagen
nigen Bereichen ein spezifisches Fachwissen erworben haben (vertikaler
T-Balken), das sich in konkrete Wettbewerbsvorteile für ihre Organisation
umsetzen lässt.
x Vertrauen: Mitarbeitende und Führungskräfte müssen gleichzeitig vertrau-enswürdig
und bereit sein, Vertrauen zu schenken. Vertrauen stellt die zent-rale
Grundlage der Human-Investment-Philosophy dar. Es ist den Autoren
sehr wohl bewusst, dass dieses Vertrauen nicht von selbst entsteht, sondern
schrittweise und auf allen Ebenen (Individuum, Team, Unternehmung und
Netzwerk) aufgebaut werden muss: „(…) competencies and trust must be
built – they do not appear by pronouncement“ (Miles/Snow 1995: 15).
x Verantwortung: Mitarbeitende sind für ihre berufliche Entwicklung weitge-hend
selbst verantwortlich und müssen selbst die Initiative ergreifen (Auf-bau
und Erhalt der Arbeitsmarktfähigkeit). Sie werden dabei von ihren
Vorgesetzten unterstützt. Mitarbeitende sollten aber zudem bereit sein,
Verantwortung für ihre Entscheidungen im Arbeitsalltag zu übernehmen.
Führungskräfte gestehen ihnen die erforderlichen Kompetenzen zu. Durch
diese Massnahmen werden Mitarbeitende zu Mitunternehmern.
x Führungskraft als Coach: Da sich die Mitarbeitenden im Team weitgehend
selbst organisieren, verändert sich auch die Rolle der Führungskräfte. Sie
sind nicht mehr Vorgesetzte im klassischen Sinn sondern Coaches, die
Rahmenbedingungen gestalten, welche Selbstentwicklung und Selbstver-antwortung
ermöglichen. Die Kommunikationsfähigkeit, die Kompetenz
zur Gestaltung von Beziehungen und die Fähigkeit zur Förderung von
Lernprozessen werden zu zentralen Führungskompetenzen. Zwischen Mit-arbeitenden
und Führungskräften besteht ein partnerschaftliches Verhältnis,
das auf gegenseitigem Respekt, der Anerkennung der spezifischen Kompe-tenzen
und weniger auf Hierarchie basiert.
x Ganzheitliche Aufgabenbereiche: Mitarbeitende nehmen allein oder im
Team ganzheitliche Aufgaben wahr, die sich kontinuierlich verändern kön-nen.
Die Tendenz zur Spezialisierung wird durch ein Denken in Zusam-menhängen
abgelöst, das auch Raum für Spezialwissen aufweist, welches
sich allerdings im Zeitablauf wandeln kann.
x Teamorientierung: Da komplexe Aufgabenbereiche selten durch Einzelper-sonen
zu bewältigen sind und organisationales Lernen vor allem in Grup-pen
stattfindet, entwickelt sich das Team zum dominanten Baustein von
Organisationen. Dies ist bei der Gestaltung von Anreizsystemen (z. B.
Gruppenanreize) und bei der Konzeption von Arbeitszeitmodellen zu be-rücksichtigen.
x Erfolgs- und Leistungsorientierung: Da Mitarbeitende Verantwortung
übernehmen, sind sie auch am allfälligen Unternehmungserfolg bzw. Un-
10. Konzeptionelle Grundlagen 45
ternehmungsrisiko zu beteiligen. Dabei ist gruppenorientierten gegenüber
am Individuum orientierten Anreizsystemen der Vorzug zu geben.
x Flexibilität: Investitionen in das Humankapital bewirken, dass sich auch die
Wandlungsfähigkeit von Mitarbeitenden, Teams und der ganzen Unter-nehmung
erhöht. Miles und Snow sprechen von „adaptive capacity“ (vgl.
Miles/Snow 1995: 11). Die Grundidee, dass Unternehmungen durch den
Aufbau, die Erhaltung und die Entwicklung von Personalpotenzialen eine
implizite Personalkompetenz aufbauen können, die zu Wettbewerbsvortei-len
führen, wird in Abschnitt 2.4 ausführlich erörtert.
Die Human-Investment-Philosophy weist noch stärkere Anknüpfungspunkte für
eine Konzeption eines nachhaltigen Personalmanagements auf als der Harvard-
Ansatz, weil sie die Mitarbeitenden in den Vordergrund rückt und deren Kompe-tenz
und Selbstverantwortung ins Zentrum stellt. Auch die Human-Investment-
Philosophy ist langfristig ausgerichtet, erhöht die Flexibilität, fördert Partizipati-on
und ermöglicht Selbstentwicklung.
2.2.4 Das People-Centered Management nach Pfeffer
Der von Pfeffer konzipierte Ansatz des People-Centered Management geht da-von
aus, dass der (wirtschaftliche) Unternehmungserfolg weitgehend vom effek-tiven
Umgang mit Humanressourcen abhängt (vgl. Pfeffer 1994; Pfeffer 1995;
Pfeffer 1997; Pfeffer 1998c; Pfeffer 1998a; Pfeffer 1998b). Diese Aussage wird
von einer Vielzahl empirischer und konzeptioneller Studien gestützt (vgl. z. B.
Huselid 1995; MacDuffie 1995; Delaney/Huselid 1996; Mullins/Linehan/Walsh
2001). Huselid fasst die empirischen Erkenntnisse wie folgt zusammen: „(…)
empirical work has consistently found that the use of effective human resource
management practice enhances firm performance. Specifically, extensive re-cruitment,
selection, and training procedures; formal information sharing, atti-tude
assessment, job design grievance procedures, and labor-management par-ticipation
programs; and performance appraisal, promotion, and incentive com-pensation
systems that recognize and reward employee merit have all been
widely linked with valued firm-level outcomes. These policies and procedures
have been labeled High Performance Work Practices (…)” (Huselid 1995: 640).
Pfeffer weist zudem darauf hin, dass sich richtungweisende Technologien oder
Strategien nur mit den richtigen Mitarbeitenden umsetzen lassen (vgl. Pfeffer
1998a: 26). Das Problem ist aber, dass nur wenige Entscheidungsträger – Pfeffer
spricht von einem Achtel – erstens erkannt haben, dass ein enger Zusammen-hang
zwischen der Art Mitarbeitende zu führen und dem Unternehmungserfolg
besteht, zweitens, einen integrierten Ansatz des Personalmanagements verfolgen
und drittens, lange genug an diesem Ansatz festhalten, damit er Früchte tragen
kann. Eine Untersuchung des National Center of the Educational Quality of the
11. 46 Konzeptionelle Grundlagen
Workforce in den USA bei über 3'300 Unternehmungen bestätigt diese Aus-sagen
(vgl. National Center of the Educational Quality of the Workforce 1995).
Vor dem Hintergrund der grossen Bedeutung des Personalmanagements für den
Unternehmungserfolg und der mangelnden Implementierung geeigneter Kon-zepte
ermittelt Pfeffer sieben Bereiche, die Unternehmungen erlauben, Erfolg
durch Mitarbeitende zu generieren (vgl. Pfeffer 1998a: 64 ff.; Pfeffer 1998b). Es
handelt sich hierbei um die folgenden Massnahmenbündel:
x Arbeitsplatzsicherheit: Mitarbeitende, die um ihren Arbeitsplatz fürchten,
werden schon allein deshalb nicht ein Maximum an Produktivität und Inno-vativität
erreichen, weil sie damit rechnen müssen, sich selbst weg zu ratio-nalisieren.
Hinzu kommt, dass sie ihr Handeln an kurzfristigen Zielen aus-richten
und keine Identifikation mit der Unternehmung aufbauen. Arbeits-platzsicherheit
bedeutet nicht, dass Mitarbeitende, die über einen längeren
Zeitraum ungenügende Leistungen erbringen oder sich nicht in ein Team
integrieren, um jeden Preis gehalten werden. Es geht vielmehr darum, dass
die Unternehmung ihre Loyalität gegenüber den Mitarbeitenden unter Be-weis
stellt.
x Selektive Personalgewinnung: Unternehmungen sollten zuerst wissen, wel-che
Fähigkeiten und Verhaltensweisen erforderlich sind, um die eigene
Strategie umzusetzen und sich im Wettbewerb zu behaupten. Der Fokus
liegt dabei eindeutig auf den Verhaltensaspekten. Anschliessend sind die
Bewerber und Bewerberinnen mit Hilfe von validen Selektionsinstrumenten
anhand dieser Kriterien auszuwählen (vgl. Zaugg 1996a). Der Prozess der
Personalauswahl sollte mehrere Phasen umfassen und selbst einer Evaluati-on
unterliegen. Durch den Einbezug von höheren Führungskräften wird zu-dem
die unternehmensspezifische Bedeutung der Personalgewinnung her-vorgehoben.
Damit eine ausreichende Anzahl von Kandidaten zur Verfü-gung
steht, müssen Unternehmen auf ihr Image am Arbeitsmarkt achten
und in Massnahmen des Personalmarketings bzw. des Employer Branding
investieren.
x Selbstorganisation und Dezentralisation von Entscheidungsprozessen als
Grundsätze der Organisationsgestaltung: Teamorientierte Strukturen, wie
sie schon im Ansatz von Miles und Snow vorgestellt wurden, weisen die
folgenden Vorteile auf: (1) Teammitglieder kontrollieren sich gegenseitig.
Diese Kontrolle ist wesentlich effektiver als die Kontrolle der Vorgesetzten
und schafft einen Zeitgewinn für Führungskräfte. (2) Organisationales Ler-nen
und Innovation werden durch Teams gefördert, da kurze und informelle
Kommunikationskanäle bestehen. (3) Selbstorganisierte Teams steigern die
Effizienz einer Organisation, weil sie ganzheitliche Aufgabenbündel (inkl.
Administration) bearbeiten und dadurch Gemeinkosten reduzieren. Diese
12. Konzeptionelle Grundlagen 47
und weitere Vorteile (z. B. höheres Commitment, mehr Motivation durch
ganzheitliche Arbeitsprozesse und soziale Einbettung), dürften ein Grund
dafür sein, dass Teams einen zentralen Bestandteil vieler neuer Organisati-onsmodelle
darstellen (vgl. Zaugg 2003c: 10). Es versteht sich, dass diesen
Teams weit reichende Entscheidungskompetenzen zuzugestehen sind und
dass sie von kompetenten Führungskräften gecoached werden sollten.
x Überdurchschnittlich hohe Entlöhnung, die an den Unternehmungserfolg
gekoppelt ist: Der Entlöhnung kommt nach wie vor die Funktion eines Hy-gienefaktors
zu. Da der Ansatz von Pfeffer von Mitarbeitenden ausgeht, die
sich überdurchschnittlich für ihre Unternehmung einsetzen, muss auch die
Entlöhnung überdurchschnittlich hoch sein: „It is amusing to see firms an-nounce
simultaneously that first, (…) their goal is to have the best work
force in the industry, and second, that they intend to pay at (…) the median
wage for comparable people in the industry“ (Pfeffer 1998b: 108). Selbst-organisierte
Mitarbeitende, die Verantwortung übernehmen, sind schon al-lein
aus Fairnessgründen auch am Unternehmungserfolg zu beteiligen. Da-bei
gilt es zu beachten, dass finanzielle Anreize nicht in jedem Fall zu einer
höheren Motivation führen (vgl. Abschnitt 5.3.5).
x Umfangreiche Schulungsmassnahmen: Das People-Centered Management
bedingt aus mehreren Gründen ein breites Spektrum von Massnahmen der
Personalentwicklung. Da ist einerseits die abnehmende Halbwertszeit des
Wissens und die damit verbundene Notwendigkeit des kontinuierlichen
Lernens und andererseits die Einsicht, dass die Übernahme von Verantwor-tung
eine hohe Kompetenz der Mitarbeitenden erfordert. Sie sollten in die-sem
Entwicklungsschritt unterstützt werden. Pfeffer zeigt, dass dieses Prob-lem
in den USA deutlich stärker vorhanden ist als in Japan und Europa
(vgl. Pfeffer 1998a: 86 ff.).
x Abbau von Statussymbolen und Hierarchiebarrieren: Wertschätzung ist ein
weiterer Schlüsselbegriff des People-Centered Management. Mitarbeitende
die den Eindruck haben, dass ihr Leistungsbeitrag keine Anerkennung fin-det,
verlieren einen zentralen Anreizfaktor. Statussymbole und steile Hie-rarchien
führen zum Aufbau einer Klassengesellschaft, die einzelne Mitar-beitende
gegenüber anderen bevorzugt. Dieser Effekt ist wenn möglich zu
vermeiden. Es steht ausser Zweifel, dass neben formellen Statussymbolen
und Hierarchien, informelle Unterscheidungen stattfinden. Diese sollten
aber auf den spezifischen Kompetenzen (inkl. Erfahrung) einer Person oder
deren Persönlichkeit basieren.
x Bereitstellung von Finanz- und Erfolgsdaten für alle interessierten Mitar-beitenden:
Damit sich Mitarbeitende in die Unternehmungsentwicklung
einbringen können, sollten sie über Informationen verfügen, die über den
eigenen Aufgabenbereich hinausgehen. Mitarbeitende die nicht bezüglich
13. 48 Konzeptionelle Grundlagen
der finanziellen Situation und der Strategie ihrer Unternehmung informiert
sind, können auch keine Verantwortung für deren wirtschaftlichen Erfolg
übernehmen. Aus diesem Grund ist der Bereitstellung von Führungsinforma-tionen
ein hoher Stellenwert beizumessen. Diese Informationen waren früher
Führungskräften vorbehalten. Heute sind sie idealerweise allen Mitarbeiten-den
zugänglich. Mit dem Angebot an Informationen ändert sich aber auch
die Informationspolitik. Die Beschaffung von Informationen wird verstärkt
zu einer Holschuld der Mitarbeitenden. Die Unternehmung stellt die Infor-mationen
in verständlicher und gut zugänglicher Form zur Verfügung. Mit-arbeitende
sind aber selbst dafür verantwortlich, die aus ihrer Sicht relevan-ten
Informationen einzusehen und im Detail zu analysieren. Unternehmun-gen,
die ihren Mitarbeitenden Informationen vorenthalten, dürfen nicht dar-über
erstaunt sein, dass Mitarbeitende das Gleiche tun (vgl. Principal-Agent-
Theorie).
Unternehmungen versuchen häufig, Innovationen im Personalbereich schrittwei-se
einzuführen. Dieses Vorgehen ist durchaus verständlich (Konzentration der
Kräfte), birgt aber das Problem in sich, dass isolierte Einzelmassnahmen oft we-nig
ausrichten oder sogar kontraproduktiv wirken. Aus diesem Grund sind die
Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Massnahmen des Personalmana-gement-
Systems zu beachten und bei der Implementierung von Massnahmen zu
berücksichtigen (vgl. Pfeffer 1998a: 99 ff.). Die Elemente des Systems sollten
auf einheitlichen Grundsätzen basieren und aufeinander abgestimmt sein, auch
wenn sie nicht alle gleichzeitig eingeführt werden. Die Elemente des People-
Centered Management sind in Abbildung 6 zusammengefasst (vgl. Pfeffer
1998a: 301; Pfeffer 1998b: 96):
High Performance
Management Practices
• Employment security
• Selective hiring
• Self-managed teams
and decentralization
• Comparatively high
compensation
• Extensive training
• Reduction of status
differences
• Extensive sharing of
information throughout
the organization
Difficulty of Imitation
Performance Results
• Innovation
• Flexibility
• Customer Service
• Productivity
• Cost reduction
• Learning and skill
development
Sustained Profitability
Abbildung 6: Elemente des People-Centered Management (Pfeffer 1998a: 301)
14. Konzeptionelle Grundlagen 49
Die beschriebenen sieben Massnahmenbündel des Personalmanagements führen
in zweifacher Weise zu Wettbewerbsvorteilen. Sie sind erstens schwierig zu
imitieren (vgl. hierzu auch Abschnitt 2.4) und erzielen zweitens Verbesserungen
in den Bereichen Innovation, Flexibilität, Kundendienst, Produktivität, Kosten
und Wissensgenerierung. Pfeffer legt in seinem Buch „The Human Equation“
(vgl. Pfeffer 1998a) umfangreiche empirische Belege für diese Aussage vor.
Mit der Grundidee, dass die Mitarbeitenden einer Unternehmung als eigenver-antwortlich
handelnde, kompetente und motivierte Akteure in den Fokus perso-nalwirtschaftlicher
Bemühungen zu stellen sind, liefert Pfeffer einen zentralen
Ansatzpunkt für die Konzeption eines nachhaltigen Personalmanagements. Wei-tere
wichtige Aspekte sind die Partizipation und Entscheidungsdezentralisation,
das gegenseitige Vertrauen, die Unterstützung bei der Selbstentwicklung, die
Wirkungsorientierung und die langfristige Ausrichtung. Das nachfolgend be-schriebene
Modell eines nachhaltigen Personalmanagements basiert auf den An-sätzen
von Beer et al., Miles/Snow und Pfeffer. Indem es die Grundideen dieser
Autoren integriert, erweitert, kritisch hinterfragt und aktualisiert, leistet dieses
Konzept einen Beitrag zur explorativen Weiterentwicklung der Themenstellung.
Um zu verstehen, warum es sich beim nachhaltigen Personalmanagement um ei-nen
neuen Ansatz handelt, ist es notwendig, die Entwicklungsphasen der Diszip-lin
nachzuzeichnen und die Schwerpunktverlagerungen hervorzuheben.
2.2.5 Entwicklungsphasen des Personalmanagements
Verschiedene Autoren haben sich mit den Entwicklungsphasen des Personalma-nagements
auseinandergesetzt. Scholz unterscheidet beispielsweise die folgen-den
sechs Phasen (vgl. Scholz 2000: 32 f.):
x Personalverwaltung (bis 1960),
x Personalstrukturierung (ab 1960),
x Personalentwicklung (ab 1970),
x Personalstrategie (ab 1980),
x Personalinterfunktionalität (ab 1990) und
x Personalkompetenzintegration (ab 2000).
Die letztgenannte Phase ist durch eine zunehmende Virtualisierung der Personal-funktion
gekennzeichnet. Es versteht sich, dass zwischen diesen Phasen Überlap-pungen
bestehen. So ist derzeit beispielsweise nach wie vor eine starke Aufgaben-erweiterung
und Aufgabenintensivierung im Personalmanagement sowie eine
Rückdelegation von personalwirtschaftlichen Aufgaben an das Linienmanagement
zu beobachten, wie sie kennzeichnend für die Phase der Personalinterfunktionalität
war. Gleichzeitig zeigt sich aber, dass Personalkompetenz immer häufiger in der
ganzen Unternehmung vorhanden ist (Personalkompetenzintegration).
15. 50 Konzeptionelle Grundlagen
Kriterium Scientific
Management
Human
Relations
Management
Human
Resources
Management
Human-
Investment-
Philosophy
Zeitliche
Positionierung
bis ca. 1960 ab 1960 ab 1980 ab 1990
Menschenbild economic man
Theorie X
social man complex man
Theorie Y
self-actualizing man
Theorie Y
Führungsstil autoritär partizipativ situativ transformational
Mitarbeiterbeziehung kollektiv
geringes Vertrauen
individuell und
kollektiv
geringes Vertrauen
individuell
mittleres Vertrauen
individuell und
teamorientiert
hohes Vertrauen
Psychologischer
Kontrakt
finanzielle Anreize und
Rechtmässigkeit
(compliance)
soziale Beziehung und
Identifikation
(commitment)
Arbeitsinhalt
(competence)
Motivation und Quali-fikation
(commitment
und competence)
Zeithorizont eher kurzfristig kurz- bis mittelfristig mittel- bis langfristig langfristig
Zentrale Rahmen-bedingung
Produktivitätsdruck Mitbestimmung Innovationsdruck und
Technologie
Dynamik des
gesamten Umsystems
und Wertewandel
Organisations-prinzipien
Konfiguration und
Kontrolle
Dezentralisation und
Humanisierung
Delegation und
Empowerment
Kooperation und
Vertrauen
Organisationsformen funktionale
Organisation
funktionale- und
divisionale
Organisation
divisionale und Matrix-
Organisation
Teamorganisation
Netzwerke und sphä-rische
Organisation
Zentrale Ressource finanzielle Mittel Unternehmungskultur Informationen explizites und
implizites Wissen
Rolle der
Mitarbeitenden
Arbeitskraft im Sinne
eines Produktions-faktors
Mitglied im
Sozialsystem
Unternehmung
Aktive Mitgestalter von
Unternehmungs-prozessen
Selbstverantwortlicher
Mitunternehmer
Rolle der
Führungskräfte
Vorgesetzter und
Kontrolleur
Vorgesetzter und
Moderator
Manager Berater, Leader und
Coach
Rolle der Personal-verantwortlichen
Personal-administratoren
Personalleiter und
Personalentwickler
Personalmanager und
Personalentwickler
Organisationsberater
und Wissensmanager
Evaluationskriterien wirtschaftliche
Effizienz
soziale und wirt-schaftliche
Effizienz
wirtschaftliche und
soziale Effizienz
Nachhaltigkeit
Kontrolle Fremdkontrolle Fremdkontrolle und
Kontrolle durch Team
Fremdkontrolle und
Selbstkontrolle
Selbstkontrolle und
Kontrolle durch Team
Schwerpunkt-setzungen
im
Personal-management
Personalplanung und
Personal-administration
Personalerhaltung,
Personaleinsatz und
Personalentwicklung
strategisches Personal-management,
Personal-entwicklung
und
Personalcontrolling
strategisches Personal-management
und
Organisations-entwicklung
Phasen nach Scholz Personalverwaltung
und Personal-strukturierung
Personalentwicklung Personalstrategie und
Personalinter-funktionalität
Personalkompetenz-integration
Phasen nach
Wunderer
Bürokratisierung und
Institutionalisierung
Institutionalisierung
und Humanisierung
Ökonomisierung und
Intrapreneuring
---
Bezeichnung im
Deutschen
Personalverwaltung,
Personalwesen
--- Personalmanagement ---
Wichtige Vertreter (Taylor 1911; Marx 1963;
Flamholtz 1974; Oechsler
1997)
(Roethlisberger/Dickson 1939;
Herzberg/Mausner/Snyderma
n 1959; Hax 1969; Maslow
1970)
(Fombrun/Tichy/Devanna
1984; Odiorne 1984; Beer et
al. 1985; Berthel 1997; Scholz
2000)
(Wunderer 1992b;
Wunderer/Kuhn 1993; Pfeffer
1994; Wunderer 1994;
Miles/Snow 1995; Pfeffer
1995; Ulrich 1997a; Pfeffer
1998a; Pfeffer 1998b;
Wunderer 1999;
Wunderer/von Arx 2002)
Tabelle 4: Gegenüberstellung verschiedener Ansätze des Personalmanagements
(eigene Darstellung)
Wunderer spricht von Entwicklungslinien der strategischen Ausrichtung des Perso-nalmanagements,
die häufig nebeneinander bestehen (vgl. Wunderer/Dick 2002:
16. Konzeptionelle Grundlagen 51
50). Er unterscheidet zwischen Bürokratisierung, Institutionalisierung, Humanisie-rung,
Ökonomisierung und Intrapreneuring (vgl. Wunderer 1992b: 202 f.). Die
Phase der unternehmerischen Orientierung (Intrapreneuring) betrachtet die Mitar-beitenden
als wertvollste und sensitivste Ressource (vgl. Wunderer 1992b: 203).
Auch Raymond Miles, der Mitbegründer der Human-Investment-Philosophy hat
bereits 1975 eine Gegenüberstellung der verschiedenen Ansätze des Personalma-nagements
vorgenommen (vgl. Miles 1975: 35), die allerdings stark auf die ameri-kanische
Literatur ausgerichtet ist. Er unterschied damals zwischen einem klassi-schen
Modell in der Tradition des Scientific Management, dem Human Relations
Modell und dem Human Resources Modell. Tabelle 4 basiert auf diesem Ver-gleich.
Sie erweitert ihn um den Ansatz der Human-Investment-Philosophy und
führt verschiedene neue Kriterien ein, um eine hinreichend differenzierte Betrach-tung
zu erlauben. Die Akzentuierung einzelner Aspekte ist beabsichtigt, um die
bestehenden Unterschiede besser herauszuarbeiten.
Folgt man der Konzeption von Wunderer, die ab 1990 von einem unternehmeri-schen
Personalmanagement ausgeht (vgl. Wunderer/von Arx 2002: 29), welches
den Wertschöpfungsbeitrag der Humanressourcen in der Vordergrund stellt,
könnte ab 2000 das Zeitalter des nachhaltigen Personalmanagements beginnen,
wie es nachfolgend systematisch definiert und beschrieben wird.
2.3 Begriffliche Grundlagen
2.3.1 Personalmanagement
In der deutschsprachigen Literatur wird der Themenbereich der Personalwirt-schaft
(vgl. Hentze 1994; Drumm 1995; Hentze 1995) auch mit den Begriffen
Personalarbeit (vgl. Berthel/Groenewald 1990), Personalwesen (vgl.
Gaugler/Weber 1992), und Personalmanagement (vgl. Berthel/Groenewald 1990;
Ackermann/Scholz 1991; Bühner 1994; Berthel 1997; Scholz 2000;
Wunderer/Dick 2002) bezeichnet. Die angelsächsische Literatur kennt zudem die
Termini Personnel Management (vgl. Flippo 1984), Human Resource Manage-ment
(vgl. Beer et al. 1985; Staehle 1999: 776 ff.; Cascio 2003) und Human-
Investment-Philosophy (vgl. Miles/Snow 1995).9 Während der Begriff Personal-wesen
z. T. aus historischen Gründen vorwiegend mit Verwaltungsaufgaben
verbunden ist (vgl. Hentze 1994: 26), vermittelt der aus dem englischen Sprach-gebrauch
abgeleitete Begriff des Personalmanagements10 ein wesentlich dyna-mischeres
Verständnis dieser betriebswirtschaftlichen Funktion. Ein eher hand-
9 Es gilt zu bedenken, dass die Human-Investment-Philosophy von Miles und Snow nicht
eine Weiterentwicklung von Ansätzen des HRM, sondern ein aus der Managementfor-schung
abgeleitetes Konzept darstellt.
10 In der vorliegenden Publikation werden der deutsche Begriff Personalmanagement und
der englische Begriff Human Resource Management (HRM) synonym verwendet.
17. 52 Konzeptionelle Grundlagen
lungsorientiertes Konzept des Personalmanagements zeigt sich auch bei Flippo,
der diesen Begriff wie folgt umschreibt:
„Personnel Management is the planning, organizing, directing, and controlling
of the procurement, development, compensation, integration, maintenance, and
separation of human resources to the end that individual, organizational and so-cial
objectives are accomplished“ (Flippo 1984: 5). Diese Definition erwähnt die
klassischen Managementfunktionen, geht auf die zentralen personalwirtschaftli-chen
Problem- bzw. Aufgabenfelder ein und unterstreicht zudem die hohe Be-deutung
der Zielorientierung.
In der neusten Auflage seines Lehrbuches weist Cascio dem Personalmanagement
die folgenden Aufgaben zu: Staffing, Retention, Development, Ajdustment und
Change Management (vgl. Cascio 2003: 6). Sowohl das Linienmanagement als
auch die Personalverantwortlichen nehmen Verantwortung für die Bewältigung
der genannten Aufgaben wahr. Viele deutschsprachige Autoren (vgl. Drumm
1995; Berthel 1997; Bühner 1997; Oechsler 1997; Ridder 1999; Scholz 2000) be-schreiben
ihr Verständnis der Personalfunktion anhand von Merkmalen. Der ei-gene
Definitionsansatz basiert z. T. auf diesen Arbeiten. Er geht noch nicht spezi-fisch
auf den Aspekt der Nachhaltigkeit ein, sondern bettet das Personalmanage-ment
in die Unternehmungsführung ein und stellt die einzelnen Funktionen vor.
Das Personalmanagement (=Human Resource Management) basiert auf ei-ner
Führungsphilosophie, die eng mit der Unternehmungskultur, der strate-gischen
Unternehmungsführung und der organisatorischen Gestaltung ver-knüpft
ist und die langfristige Versorgung einer Unternehmung mit qualifi-zierten
und motivierten Mitarbeitenden anstrebt, wobei individuelle, orga-nisationale
und gesellschaftliche Ziele miteinander im Einklang stehen
müssen. Personalmanagement unterstützt die Entwicklung organisationalen
Wissens und trägt zur Sicherung einer hohen organisationalen Verände-rungsfähigkeit
bei. Auf einer strategischen Ebene widmet sich das Perso-nalmanagement
der Entwicklung einer Personalstrategie, der Personalfüh-rung
(inkl. Management Development), dem Wissensmanagement, der in-ternen
Kommunikation, der Organisationsentwicklung und der Personal-pflege.
Auf einer eher operativen Ebene stehen die folgenden Prozess- und
Querschnittsfunktionen im Vordergrund: Planung, Gewinnung, Entwick-lung,
Einsatz, Erhaltung, Freistellung, Marketing, Controlling, Personalor-ganisation
und Personaladministration. Personalmanagement ist durch eine
trilaterale Trägerschaft gekennzeichnet. Die Mitarbeitenden selbst, das Li-nienmanagement
und die Personalverantwortlichen nehmen die Aufgaben
des Personalmanagements gemeinsam wahr. Im Bereich der strategischen
Aufgaben werden sie von einem HRM-Kompetenzzentrum oder externen
18. Konzeptionelle Grundlagen 53
Experten, bei operativen Aufgaben von leistungsfähigen IT-Systemen, ei-nem
HRM-Service-Center oder externen Dienstleistern unterstützt.
Nach der begrifflichen Fassung des Personalmanagements, geht es in einem
nächsten Schritt um die inhaltliche Präzisierung des schwer fassbaren und häufig
sehr undifferenziert verwendeten Terminus der Nachhaltigkeit.
2.3.2 Nachhaltigkeit
Die Geschichte des Begriffs Nachhaltigkeit reicht bis ins frühe 17. Jahrhundert
zurück. Er soll zuerst von Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz aus
Freiberg im Zusammenhang mit der unkontrollierten Abholzung von Wäldern
für den Silberbergbau verwendet worden sein (vgl. Grober 1999). Von Carlo-witz
plädierte schon damals dafür „(…) eine sothane Conservation und Anbau
des Holtzes anzustellen, daß es eine continuirliche, beständige und nachhaltende
Nutzung gebe“ (Carlowitz 1713: 106).
Im Vorfeld des Erdgipfels von Rio de Janeiro 1992 wurde das Konzept der
Nachhaltigkeit im Brundtland-Bericht der Weltkommission für Umwelt und
Entwicklung aufgegriffen (World Commission on Environment and
Development (WCED) 1987). Die von der damaligen norwegischen Minister-präsidentin
Gro Harlem Brundtland geleitete Kommission kam zum Schluss,
dass Wirtschaftswachstum und Umweltschutz untrennbar zusammenhängen,
und dass heutige Bedürfnisse auf eine Art und Weise zu befriedigen seien, wel-che
die Überlebensfähigkeit zukünftiger Generationen nicht einschränken.
„Humanity has the ability to make development sustainable to ensure that it
meets the needs of the present without compromising the ability of future gen-erations
to meet their own needs“ (United Nations 1987: 24). Auf den Punkt ge-bracht,
bedeutet dieses Prinzip, von den Zinsen zu leben und nicht von der Sub-stanz.
Die Agenda 21 des Erdgipfels in Rio (vgl. Bundesministerium für Umwelt
Naturschutz und Reaktorsicherheit 1992) und die Rio-Deklaration (vgl. United
Nations 1992) bauen auf der Definition der Brundtland-Kommission auf und
haben den Terminus des „Sustainable Development“ international bekannt ge-macht.
Die Rio-Deklaration über Umwelt und Entwicklung umschreibt den
Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung in Principle 3 wie folgt: „The right to
development must be fulfilled so as to equitably meet developmental and envi-ronmental
needs of present and future generations.“
Seit dem Erdgipfel haben sich die Begriffe Nachhaltigkeit und nachhaltige Ent-wicklung
bzw. Sustainability und Sustainable Development im allgemeinen
Sprachgebrauch durchgesetzt, ohne allerdings präzise definiert worden zu sein.
19. 54 Konzeptionelle Grundlagen
Quelle Definition
(United Nations 1987:
24)
Sustainable development meets the needs of the present without compromising
the ability of future generations to meet their own needs.
(Barbier 1987: 103) To maximize simultaneously the biological system goals (genetic diversity,
resilience, biological productivity), economic system goals (satisfaction of basic
needs, enhancement of equity, increasing useful goods and services), and social
system goals (cultural diversity, institutional sustainability, social justice,
participation).
(Constanza/Daly/
Bartholomew 1991: 8)
Sustainability is a relationship between dynamic human economic systems and
larger dynamic, but normally slower-changing ecological systems, in which (a)
human life can continue indefinitely, (b) human individuals can flourish and (c)
human cultures can develop.
(Bundesministerium
für Umwelt
Naturschutz und
Reaktorsicherheit
1992: o. S.)
Durch eine Vereinigung von Umwelt- und Entwicklungsinteressen und ihre
stärkere Beachtung kann es uns jedoch gelingen, die Deckung der
Grundbedürfnisse, die Verbesserung des Lebensstandards aller Menschen, einen
größeren Schutz und eine bessere Bewirtschaftung der Ökosysteme und eine
gesicherte, gedeihlichere Zukunft zu gewährleisten. Das vermag keine Nation
allein zu erreichen, während es uns gemeinsam gelingen kann: in einer globalen
Partnerschaft, die auf eine nachhaltige Entwicklung ausgerichtet ist.
(Meadows/Meadows/
Randers 1992: 209)
A sustainable society is one that can persist over generations, one that is far-seeing
enough, flexible enough, and wise enough not to undermine either its
physical or its social systems of support.
(Hawken 1993: 144) Sustainable Businesses:
x Replace nationally and internationally produced items with products
created locally and regionally.
x Take responsibility for the effects they have on the natural world.
x Do not require exotic sources of capital in order to develop and grow.
x Engage in production processes that are human, worthy, dignified,
and intrinsically satisfying.
x Create objects of durability and long-term utility whose ultimate use or
disposition will not be harmful to future generations.
x Change consumers to customers through education.
(Birnbacher/Schicha
1996)
Der Begriff der Nachhaltigkeit ist noch kein Konzept, und es ist zu befürchten, daß
der Begriff ebenso unbestimmt bleibt wie der des "qualitativen Wachstums", der
vor 20 Jahren die umwelt- und wirtschaftspolitische Debatte bestimmte, jedoch
praktisch wenig bewirken konnte. Wollte man ernsthaft daran gehen, den Begriff
zu operationalisieren, muß man sich zwischen den folgenden -
grundverschiedenen - Interpretationen entscheiden:
1. Nachhaltigkeit als Forderung nach einer Erhaltung des physischen
Naturbestands,
2. Nachhaltigkeit als Forderung nach einer Erhaltung der Funktionen des
gegenwärtigen Naturbestands,
3. Nachhaltigkeit als Forderung nach einer Sicherung der Grundbedürfnisse
zukünftiger Generationen,
4. Nachhaltigkeit als Forderung nach einer aktiven Vorsorge für die
Bedürfnisse zukünftiger Generationen.
(Petschow et al. 1998) Als Ausgangspunkt für diese Studie wird nachhaltige Entwicklung als eine
langfristig orientierte Zielsetzung angesehen, deren Festlegung im Kern eine
gesellschaftliche Entscheidung über den Wunsch nach einem überlebensfähigen
ökologisch-ökonomischen System ist.
(Kriebel/Geiser/
Crumbley 1998: 4)
Sustainable Production is defined as the creation of goods and services using
processes and systems that are nonpolluting; conserving of energy and natural
resources; economically efficient; safe and healthful for employees, communities,
and consumers; and socially and creatively rewarding for all working people.
Tabelle 5: Ausgewählte Definitionen des Begriffs Nachhaltigkeit (eigene Darstel-lung)
20. Konzeptionelle Grundlagen 55
Es ist bezeichnend, dass bislang weder das Oxford English Dictionary noch der
Brockhaus den Terminus aufgenommen haben. Seiner breiten Verwendung tut
dies allerdings keinen Abbruch. So führt eine mit der Internet-Suchmaschine
www.google.com am 1. Januar 2005 durchgeführte Recherche zu rund 9,66
Mio. Hinweisen für den Begriff Sustainability. Viele Unternehmungen, For-schende,
Denkfabriken und Regierungs- oder Nichtregierungsorganisationen
operieren mit dem Begriff Nachhaltigkeit, um eine ausgewogene, langfristig
ausgerichtete und ethische Entwicklung zu charakterisieren. Dabei lässt es sich
nicht vermeiden, dass die Bandbreite der terminologischen Fassungen sehr gross
ist und die Präzision der Begriffsabgrenzung häufig zu wünschen übrig lässt.
Tabelle 5 enthält eine nicht abschliessende Auswahl von Definitionsansätzen,
die chronologisch geordnet sind.
Klassischerweise ist dann von Nachhaltigkeit die Rede, wenn ökonomische,
ökologische und gesellschaftliche Bedürfnisse miteinander in Einklang stehen
(Magisches Dreieck der Nachhaltigkeit). Im englischen Sprachgebrauch werden
diese Dimensionen als die drei „E“ der Nachhaltigkeit bezeichnet und mit ethics
oder social equity, environmental needs und economic needs umschrieben (vgl.
Abbildung 7).
Ethics
Social Equity
Sustainable
Development
Economy Ecology
Abbildung 7: Die drei „E“ der nachhaltigen Entwicklung (eigene Darstellung)
Die Definition des Begriffs Nachhaltigkeit hängt stark davon ab, in welchem Kon-text
und von wem er verwendet wird (vgl. Bastian 1999). Gladwin et al. fassen
diesen Sachverhalt wie folgt zusammen: „(…) the construct (sustainable develop-ment)
is fundamentally infused with multiple objectives and ingredients, complex
interdependencies, and considerable `moral thickness`. (…) As a consequence (…)
the notion of sustainable development will remain fuzzy, elusive, contestable,
and/or ideologically controversial (…)“ (Gladwin/Kennelly/Krause 1995: 876).
Während der Terminus früher fast ausschliesslich im Zusammenhang mit Fra-gen
des Umweltschutzes verwendet wurde, findet er heute zunehmend Eingang
in andere Bereiche. In der Betriebswirtschaftslehre bzw. der Personalwirtschafts-
21. 56 Konzeptionelle Grundlagen
lehre findet das Konzept der Nachhaltigkeit erst seit kurzem eine systematische
Anwendung. Gladwin, Kennelly und Krause (1995: 875) fassen diese Erkenntnis
pointiert wie folgt zusammen: „Phrases such as (…) sustainable development are
virtually absent from the leading management journals.“ Trotzdem gerät langsam
Bewegung in die managementorientierte Nachhaltigkeitsdiskussion. Die Acade-my
of Management Review hat dem Thema 1995 ein Schwerpunktheft “Ecologi-cally
Sustainable Organizations” gewidmet. Die Mehrheit der Beiträge beschäftigt
sich allerdings mit der Entwicklung einer ökologischen Unternehmungsführung
(vgl. Hart 1995; Jennings/Zandbergen 1995; Shrivastava 1995) und diskutiert den
Aspekt der Nachhaltigkeit vor diesem Hintergrund. Ausgehend von der allgemein
akzeptierten Definition der Brundtland-Kommission haben Ökonomen Nachhal-tigkeit
bis dato als Teil der organisatorischen Effektivität konzeptualisiert und
Ökologen darunter ein komplexes und dynamisches Modell verstanden, dass im
Endeffekt das Überleben des Planeten Erde sichern soll (vgl.
Jennings/Zandbergen 1995: 1017 f.). Gladwin, Kennelly und Krause geben sich
nicht mit diesem Denkansatz zufrieden, sondern untersuchen, ob sich ein Para-digmawechsel
in Richtung nachhaltige Entwicklung in der Unternehmungsfüh-rung
abzeichnet und welche Konsequenzen dies für die Managementtheorie und -
forschung haben kann (vgl. Gladwin/Kennelly/Krause 1995).
An dieser Stelle ist anzumerken, dass die Idee der nachhaltigen Entwicklung auch
kritisiert wird. Es wird ihr vorgeworfen, sie sei zu westlich geprägt, sie würde den
Anspruch erheben, die natürlichen Ressourcen dieser Erde gezielt zu bewirtschaf-ten,
ohne sie zu verstehen, sie sei zu stark auf Industrienationen ausgerichtet, was
Entwicklungsländer in eine Abhängigkeit führe und schliesslich behindere sie den
menschlichen Erfindergeist. Trotz dieser z. T. berechtigten Einwände, wird Nach-haltigkeit
und nachhaltige Entwicklung in weiterer Folge als wünschbarer und
daher anzustrebender Zustand interpretiert. Shrivastava schreibt hierzu: „It (sus-tainable
development) may not be the ultimate answer to all ecological problems,
but it is a move in the right direction“ (Shrivastava 1995: 941).
Die Grundidee von Gladwin et al. (1995) besteht darin aufzuzeigen, dass weder
ein technozentrisches noch ein ökozentrisches Paradigma geeignet ist, nachhal-tige
Entwicklung zu unterstützen. Die Autoren entwerfen ein alternatives, nach-haltiges
Paradigma („sustaincentrism“). Sie beurteilen die konkurrierenden pa-radigmatischen
Ansätze anhand von fünf Kriterien:
x Ganzheitlichkeit (inclusiveness)
x Vernetztheit bzw. Anschlussfähigkeit (connectivity)
x Gerechtigkeit (equity)
x Besonnenheit (prudence)
x Sicherheit (security)
22. Konzeptionelle Grundlagen 57
Key Assumptions Technocentrism Sustaincentrism Ecocentrism
A. Ontological & Ethical
1. Metaphor of earth Vast machine Life support system Mother/web of life
2. Perception of earth Dead/passive Home/managed Alive/sensitive
3. System composition Atomistic/parts Parts and wholes Organic/wholes
4. System structure Hierarchical Holarchical Heterarchical
5. Humans and nature Disassociation Interdependence Indisassociation
6. Human role Domination Stewardship Plain member
7. Value of nature Anthropocentrism Inherentism Intrinsicalism
8. Ethical grounding Narrow homocentric Broad homocentric Whole earth
9. Time/space scales Short/near Multiscale Indefinite
10. Logic/reason Egoist-rational Vision/network Holism/spiritualism
B. Scientific & Technological
1. Resilience of nature Tough/robust Varied/fragile Highly vulnerable
2. Carrying capacity limits No limits Approaching Already exceed
3. Population size No problem Stabilize soon Freeze/reduce
4. Growth pattern Exponential Logistic Hyperbolic
5. Severity of problems Trivial Consequential Catastrophic
6. Urgency of solutions Little/wait Great/decades Extraordinary/now
7. Risk orientation Risk taking Precaution Risk aversion
8. Faith in technology Optimism Skepticism Pessimism
9. Technological
pathways
Big/centralized Benign/decoupled Small/decentralized
10. Human versus natural
capital
Full substitutes Partial substitutes Complements
C. Economic & Psychological
1. Primary objective Efficient allocation Quality of life Ecological integrity
2. The good life Materialism Postmaterialism Antimaterialims
3. Human nature Homo economicus Homo sapient Homo animalist
4. Economic structure Free market Green economy Steady state
5. Role of growth Good/necessary Mixed/modify Bad/eliminate
6. Poverty alleviation Growth trickle Equal opportunity Redistribution
7. Natural capital Exploit/convert Conserve/maintain Enhance/expand
8. Discount rate High/normal Low/complement Zero/inappropriate
9. Trade orientation Global National Bioregional
10. Political structure Centralized Devolved Decentralized
Tabelle 6: Paradigmen der nachhaltigen Entwicklung (Gladwin/Kennelly/Krause
1995: 883)
Gladwin et al. (1995: 889 ff.) umschreiben das Paradigma des “sustanicentrism“
anhand von 30 Kernaussagen, die sie den drei Bereichen „Ontological & Ethi-cal“,
„Scientific & Technological“ sowie „Economic & Psychological“ zuord-nen.
Die Erde wird als gestalteter Lebensraum verstanden, der aus verschiede-nen
Teilen bestehen, die ein sinnvolles Gesamtsystem ergeben. Das Gesamtsys-
23. 58 Konzeptionelle Grundlagen
tem ist holarchisch aufgebaut. Menschen und Natur hängen voneinander ab, wo-bei
die Rolle des Menschen als diejenige des Verwalters und Pflegers von Res-sourcen
verstanden wird. Die natürlichen Ressourcen werden als Erbe bezeich-net,
das von den Menschen genutzt, aber nicht verbraucht werden darf. Lange
Bezugszeiträume stehen somit im Vordergrund. Systemzusammenhänge werden
vernetzt gesehen. Im wissenschaftlich-technischen Bereich dominiert ein um-sichtiges
Vorgehen. Die Entwicklungskapazitäten der Erde sind limitiert und das
Bevölkerungswachstum sollte rasch stabilisiert werden. Entwicklungsbedingte
Probleme sind erheblich und sollten rasch gelöst werden. In diesem Sinne gilt
auch ein erhöhtes Risikobewusstsein als konstituierendes Merkmal des sustain-centrism.
Das Vertrauen in die Technik ist beeinträchtigt. Dieser Skeptizismus
führt zur Forderung nach technologischen Entwicklungen, die ein Gleichgewicht
zwischen Humankapital und natürlichen Ressourcen anstreben. Aus wirtschaft-licher
Sicht geht es um eine Steigerung der Lebensqualität mit post-materialistischen
Werten. Grundsätze der ökologischen Marktwirtschaft führen
zu einem ausgewogenen wirtschaftlichen Wachstum.
Die Definition des Begriffs Nachhaltigkeit von Gladwin, Kennelly und Krause
lautet entsprechend wie folgt: „(…) sustainable development is a process of
achieving human development (…) in an inclusive, connected, equitable, prudent,
and secure manner. Inclusiveness implies human development over time and
space. Connectivity entails an embrace of ecological, social, and economic inde-pendence.
Equity suggests intergenerational, intragenerational, and interspecies
fairness. Prudence connotes duties of care and prevention: technologically, scien-tifically,
and politically. Security demands safety from chronic threats and protec-tion
from harmful disruption“ (Gladwin/Kennelly/Krause 1995: 878). Nach An-sicht
der Autoren genügt das vermittelnde Paradigma des sustaincentrism den ge-nannten
Kriterien am besten und ist daher am ehesten geeignet, nachhaltige Ent-wicklung
zu unterstützen (vgl. Gladwin/Kennelly/Krause 1995: 883).
Aus dem neuen Paradigma ergeben sich vielfältige Konsequenzen für die Ma-nagementtheorie
und -forschung. Es sind dies u. a. die Sichtweise von Organisa-tionen
als organische Gebilde, die Forderung nach mehr Interdisziplinarität, der
Wertewandel von Quantität zu Qualität, die Übernahme gesellschaftlicher Ver-antwortung
durch Unternehmungen (sustainable corporate citizenship and ac-countability),
eine vermehrte Innenorientierung, die Anpassung von Denkmo-dellen
(mindsets) sowie eine Fokussierung auf die Implementierung der vorge-nannten
Grundsätze (vgl. Gladwin/Kennelly/Krause 1995: 896 ff.). Bedeutend
ist auch die Aussage, nachhaltiges Verhalten müsse zu einer Quelle von Wett-bewerbsfaktoren
werden. Inwieweit nachhaltiges Personalmanagement einen
Wettbewerbsfaktor sowie eine implizite Kernkompetenz darstellt, wird in Ab-schnitt
2.4 untersucht.
24. Konzeptionelle Grundlagen 59
Rodriguez, Ricart und Sanchez (2002) orientieren sich am Denkmodell des
sustaincentrism (vgl. Gladwin/Kennelly/Krause 1995), an der Stakeholder Theo-ry
(vgl. Carroll 1989) und an der „dynamic view of the firm“ (vgl. Ghemawat
1999). Sie stellen einen Ansatz vor, den sie „dynamic und sustainable view of
the firm“ nennen (vgl. Rodriguez/Ricart/Sanchez 2002). Es handelt sich bei die-ser
Publikation um ein Arbeitspapier, das zwar interessante Aspekte aufgreift,
aber noch viele Fragen offen lässt. Das Modell einer dynamischen und nachhal-tigen
Unternehmungsführung basiert nach Erkenntnissen dieser drei Autoren auf
vier Pfeilern: Es sind dies die Übernahme von Verantwortung für die Umwelt,
die Berücksichtigung verschiedener Anspruchsgruppen, ethisches Verhalten und
der Aufbau von Wettbewerbsvorteilen. Der zentrale Wert der so geführten Un-ternehmungen
ist nicht wirtschaftliches Wachstum, das zu einer Maximierung
des Börsenwertes führt, sondern eine nachhaltige Entwicklung, die über die Be-friedigung
von verschiedenen Stakeholderinteressen sowie deren Beteiligung zu
einem nachhaltigen Wertzuwachs beiträgt. Unternehmungen erreichen diesen
Wertzuwachs, indem sie nicht nur die richtigen Dinge richtig tun (Effektivität
und Effizienz), sondern auch aus den richtigen Gründen.
In Anlehnung an die Definition von Gladwin et al. (1995) wird nachfolgend der
Versuch unternommen, eine eigene Nachhaltigkeitsdefinition vorzulegen. Dabei
werden zuerst die in der Literatur häufig genannten Charakteristika aufgelistet
und dann zu einer Definition verdichtet.
x Wie bereits mehrfach angedeutet, strebt Nachhaltigkeit eine Balance oder
Ausgewogenheit zwischen verschiedenen Interessen oder Anspruchsgrup-pen
an. Der Begriff der Stakeholderorientierung dürfte diesen Sachverhalt
am ehesten charakterisieren. Aus der Sicht eines Individuums geht es also
nicht nur um die Erzielung eines möglichst hohen Erwerbseinkommens,
sondern auch um die Gewährleistung einer hohen Lebensqualität in einem
umfassenden Sinn. Aus der Sicht einer Organisation dürfen nicht zu Lasten
von Mitarbeitenden und Umwelt Maximalgewinne realisiert werden. Es
sind zudem eine hohe Arbeitszufriedenheit und die bestmögliche Nutzung
von Ressourcen anzustreben.
x Das Konzept der Nachhaltigkeit strebt zudem den langfristigen Aufbau und
Erhalt von Ressourcen an. Im Gegensatz zur kurzfristigen Optimierung ei-nes
Partikularinteresses steht die weitsichtige Berücksichtigung allfälliger
Konsequenzen des Handelns im Vordergrund. Nachhaltiges Handeln ist
somit in der Regel proaktiv. Lösungen sind nur dann nachhaltig, wenn sie
zu einer dauerhaften Verbesserung führen.
x Häufig ist im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit auch von Subsidiarität
und Dezentralisation die Rede. Entscheidungen sind möglichst nahe am
Ort des Geschehens und von denjenigen Personen zu treffen, die von der
25. 60 Konzeptionelle Grundlagen
Entscheidung direkt tangiert sind. Sie sollten sich dabei aber an übergeord-neten
Regelwerken (Verordnungen, Gesetzen, Richtlinien) und geteilten
Visionen orientieren können.
x Je früher alle betroffenen Stakeholder in den Prozess der Planung und Ent-scheidungsfindung
eingebunden werden, umso grösser ist der Implementie-rungserfolg
einer angestrebten Entwicklung. Partizipation ist in diesem Zu-sammenhang
ein Schlüsselbegriff. Nachhaltigkeit erfordert die Möglichkeit,
die Bereitschaft und die Fähigkeit aller Betroffenen (bzw. deren Vertretun-gen)
sich in den Entscheidungsprozess einzubringen und ihn mitzugestalten.
x Nachhaltigkeit ist als Denkansatz nur dann glaubwürdig, wenn dieses Kon-zept
mit einem hohen Mass an Verantwortlichkeit gepaart ist. Angestrebte
Ziele oder Entwicklungen sollten operationalisiert und kontinuierlich ge-messen
werden. Unterbleiben diese Evaluation und die allfällige Einleitung
von Korrekturmassnahmen, kann aufgrund der Unverbindlichkeit der Aus-sagen
nicht von Nachhaltigkeit die Rede sein. In diesem Sinn dürften viele
anlässlich der beiden Umweltkonferenzen in Rio und Johannisburg geäus-serten
Massnahmen das Kriterium der Nachhaltigkeit nicht erfüllen.
x Schliesslich beinhaltet Nachhaltigkeit häufig auch eine ausgeprägte dyna-mische
Komponente. Im Gegensatz zu statischen Systemen verlangt die Be-rücksichtigung
verschiedener Anspruchsgruppen nach einer kontinuierli-chen
Entwicklung, die von Lernprozessen getragen ist. Alle am Entschei-dungsprozess
Beteiligten sollten bereit sein, die eigene Position zu hinter-fragen
und anhand der veränderten Rahmenbedingungen zu überprüfen.
Die dadurch gewonnene Flexibilität steht nicht im Widerspruch zur lang-fristigen
Orientierung. Neue Erkenntnisse oder Veränderungen in den
Rahmenbedingungen können Anpassungen im Handlungsprogramm erfor-derlich
machen, die wiederum von allen Anspruchsgruppen getragen sein
müssen. Mentale Beweglichkeit ist hier sicherlich ein grosser Vorteil.
Vor dem Hintergrund der vorgestellten Charakteristika wird das eigene Denk-modell
der Nachhaltigkeit wie folgt konzeptualisiert. Die Kernbegriffe sind kur-siv
hervorgehoben.
Eine Entwicklung ist dann nachhaltig, wenn sie langfristig ausgerichtet ist
und die Konsequenzen von Handlungsalternativen einbezieht, alle betroffe-nen
Anspruchsgruppen und deren Bedürfnisse berücksichtigt, sie am Ent-scheidungsprozess
partizipieren lässt und ihnen Verantwortung überträgt.
Nachhaltigkeit baut auf ethischen Grundsätzen und Selbstverantwortung
auf. Die angestrebten Entwicklungen müssen durch Operationalisierung
und regelmässige Evaluation verbindlich gemacht werden. Nachhaltigkeit
erfordert individuelle, organisationale und gesellschaftliche (nationale und
26. Konzeptionelle Grundlagen 61
multinationale) Bemühungen, wobei Entscheidungen, die auf einer geteilten
Vision basieren, idealerweise dezentral und subsidiär zu treffen sind. Nach-haltigkeit
bedingt eine dynamische Entwicklung, die Lernprozesse ermög-licht
und dadurch zu Flexibilität führt.
Nach der Klärung der Begriffe Personalmanagement und Nachhaltigkeit, erfolgt
in einem nächsten Schritt deren Zusammenführung im Konzept des nachhaltigen
Personalmanagements.
2.3.3 Nachhaltiges Personalmanagement
Obwohl Jeffrey Pfeffer bereits 1995 in seinem Artikel „Producing sustainable
competitive advantage through the effective management of people“ in der Zeit-schrift
Academy of Management Executive (vgl. Pfeffer 1995), der mit dem
Best Article Award ausgezeichnet wurde, den Terminus Sustainability (Nach-haltigkeit)
im Zusammenhang mit Personalmanagement verwendet, findet sich
bis heute in der Literatur keine präzise Definition dieses Begriffs. Die vorge-schlagene
Definition basiert auf einer systematischen Analyse der Literatur zur
Nachhaltigkeit und zum Personalmanagement (vgl. Abschnitte 2.3.1 und 2.3.2).
Sie wird anhand der Ergebnisse einer empirischen Breitenbefragung illustriert,
die aufzeigt, mit welchen Begriffen Personalverantwortliche in acht europäi-schen
Ländern den Terminus nachhaltiges Personalmanagement assoziieren.
Personalmanagement ist dann nachhaltig, wenn es langfristig ausgerichtet
ist und die Bedürfnisse aller Anspruchsgruppen berücksichtigt. Es geht im
Einzelnen um individuelle, organisationale und gesellschaftliche Interessen.
Im Zentrum des nachhaltigen Personalmanagements stehen der Aufbau, die
Entwicklung und der Erhalt strategischer Kompetenzen, die zur Wertschöp-fung
der Unternehmung beitragen, die Arbeitsmarktfähigkeit der Mitarbei-tenden
sicherstellen und gesellschaftliche Werte berücksichtigen. Nachhal-tiges
Personalmanagement versteht die Mitarbeitenden als eigenverantwort-lich
handelnde Akteure, die personalwirtschaftliche Aufgaben gemeinsam
mit dem Linienmanagement und den Personalverantwortlichen wahrneh-men.
Alle personalwirtschaftlichen Handlungsfelder sind unter Nachhaltig-keitsaspekten
zu analysieren und alle Massnahmen müssen hinsichtlich ih-rer
Wirkungen evaluiert werden. Im Verständnis einer kontinuierlichen Or-ganisationsentwicklung
trägt das Personalmanagement zur Steigerung der
Veränderungsbereitschaft und Veränderungsfähigkeit der Organisation bei.
Dadurch erhöht sich die organisationale Flexibilität. Durch die Unterstüt-zung
des organisationalen Lernens fördert das Personalmanagement zudem
die Wissensgenerierung.
27. 62 Konzeptionelle Grundlagen
Vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeitsdebatte und der Umschreibung des
Konzeptes lässt sich nachhaltiges Personalmanagement anhand der folgenden
sechs Merkmale beschreiben (vgl. im Detail Abschnitt 4.4).
x Partizipation: Damit die Personalfunktion ihre vielfältigen Rollen wahr-nehmen
kann, ist sie auf die Unterstützung aller Anspruchsgruppen ange-wiesen.
Die Individualität von Lebens- und Laufbahnmodellen verunmög-licht
eine gezielte Förderung durch das Personalmanagement, wenn Mitar-beitende
nicht bereit und fähig sind, ihre Entwicklung eigenverantwortlich
mitzugestalten. Im Gegensatz zur bevormundenden Personalfunktion, wel-che
Mitarbeitende als Objekte versteht, geht das nachhaltige Personalma-nagement
davon aus, dass Mitarbeitende selbst aktiv am Betreuungsprozess
teilhaben und dadurch zu Subjekten des Personmalmanagements werden.
Partizipation lässt sich umgekehrt nur dann realisieren, wenn die Unter-nehmung
den Mitarbeitenden einen entsprechenden Entscheidungsspiel-raum
einschliesslich der damit verbundenen Verantwortungen zugesteht.
Partizipation bedeutet aber auch, dass Personalmanagement nicht als bilate-rale
Beziehung zwischen Mitarbeitenden und Personalverantwortlichen zu
verstehen ist. In einer engen Interpretation ist vielmehr von einer trilatera-len
Trägerschaft (Mitarbeitende, Vorgesetzte und Personalexperte), in einer
breiten Interpretation von einer multilateralen Trägerschaft (Angehörige,
Kollegen, externe Berater, staatliche Institutionen etc.) auszugehen.
x Wertschöpfungsorientierung: Vor dem Hintergrund eines steigenden Kos-tenbewusstseins
und einer Konzentration auf Wert steigernde Unterneh-mungsaktivitäten,
sollte die Personalfunktion Rechenschaft über ihren Wert-schöpfungsbeitrag
ablegen. Während früher lediglich der Input, d. h. die di-rekten
und indirekten Personalkosten ausgewiesen wurden, stehen heute die
Ergebnisse (Outputs) und in der Zukunft die erzielten Wirkungen (Outco-mes)
bzw. der Beitrag zur Wertsteigerung im Vordergrund. Trotz einer häu-fig
erschwerten Operationalisierung sollten personalwirtschaftliche Ent-scheidungsträger
zunehmend in Kategorien wie Kosten, Nutzen, Wirkung
und Wertschöpfung denken. Ein nachhaltiges Personalmanagement findet
nur dann Akzeptanz, wenn es neben den Kosten auch Rechenschaft über die
schwerer zu ermittelnden Nutzeneffekte ablegt. Durch eine hohe Wertschöp-fungsorientierung
lässt sich der effiziente und effektive Ressourceneinsatz
fördern. Die beiden letztgenannten Begriffe sind aber in einem umfassenden
Sinn zu verstehen, der keinesfalls ausschliesslich ökonomisch zu interpretie-ren
ist, sondern die Ziele aller relevanten Anspruchsgruppen berücksichtigt.
x Strategieorientierung: In wissensbasierten Systemen kommt der Personal-funktion
als Hüterin der Personalpotenziale die Bedeutung eines strategi-schen
Wettbewerbsfaktors bzw. einer Kernkompetenz zu. Da sich die benö-
28. Konzeptionelle Grundlagen 63
tigten Kompetenzprofile einerseits rasch ändern und andererseits in der Re-gel
nicht kurzfristig aufgebaut werden können, gilt es, einen neuen Bedarf
schnellstmöglich zu erkennen und umgehend Massnahmen zu seiner De-ckung
einzuleiten. Ein reaktives Verhalten führt zwangsläufig zu verpass-ten
Chancen und einer Verschlechterung der Wettbewerbsposition. Strate-gisch
bedeutet in diesem Zusammenhang auch, dass die zukünftigen Kon-sequenzen
personalwirtschaftlicher Massnahmen in unternehmensstrategi-sche
Entscheidungen mit einfliessen. Kira schreibt hierzu: „(…) `good
work` cannot only be defined as parameters of job and work organizations
but, rather, good and regenerative work is defined by its long-term conse-quences“
(Kira 2002: 37).
x Kompetenz- und Wissensorientierung: Die Human-Investment-Philosophy
hat gezeigt, dass individuelles und organisationales Wissen (nutzbare In-formationen)
sowie die daraus resultierenden Kompetenzen (angewandtes
Wissen) einen zentralen Wettbewerbsfaktor darstellen. Ein nachhaltiges
Personalmanagement sollte entsprechend auf die Erweiterung der individu-ellen,
gruppen- und unternehmensbezogenen Wissensbasis sowie auf den
Erhalt und Aufbau von Kompetenzprofilen ausgerichtet sein. Eine hohe
Kompetenzorientierung lässt sich u. a. durch die Förderung der Lern- und
Entwicklungsfähigkeit im Sinne einer Meta-Kompetenz, durch die Bewirt-schaftung
der mitarbeiterbezogenen Kompetenzprofile und durch organisa-tionales
Lernen bzw. Wissensmanagement gewährleisten. Vor dem Hinter-grund
der Anforderungen an eine nachhaltige Personalfunktion wird deut-lich,
dass auch von personalwirtschaftlichen Entscheidungsträgern eine ho-he
Kompetenz oder anders gesagt eine hohe Professionalität erwartet wird.
Das bedeutet, dass die Berufsbilder von Personalverantwortlichen gesell-schaftlich
aufzuwerten und fachlich anzureichern sind. Die Träger des Per-sonalmanagements
sollten bereit sein, ihr Selbstverständnis regelmässig zu
hinterfragen und ihr Instrumentarium kontinuierlich zu entwickeln.
x Anspruchsgruppenorientierung: Eine hohe Anspruchsgruppenorientierung
der Personalfunktion ist notwendig, um das personalwirtschaftliche Leis-tungsangebot
auf die Bedürfnisse des Linienmanagements (inkl. Unter-nehmungsleitung),
auf die Bedürfnisse aktueller und potenzieller Mitarbei-tender
sowie weiterer Interessengruppen wie Angehörige oder Geschäfts-partner
auszurichten. Häufig ist auch von einer Forderung nach Kundenori-entierung
im Personalmanagement die Rede. Kundenorientierung bedeutet,
dass personalwirtschaftliche Leistungsträger qualitativ hoch stehende Leis-tungen,
die den expliziten und implizierten Bedürfnissen der Anspruchs-gruppen
genügen, zeitgerecht zu marktfähigen Preisen erbringen.
29. 64 Konzeptionelle Grundlagen
x Flexibilität: Ein nachhaltiges Personalmanagement erfordert ein hohes
Mass an Flexibilität. Der Flexibilitätsanspruch erstreckt sich zum einen auf
die organisatorische Gestaltung der Funktion und zum anderen auf die Ein-stellung
personalwirtschaftlicher Entscheidungsträger. In einem sich rasch
verändernden Umfeld wird von den Mitarbeitenden aller Stufen eine erhöh-te
Flexibilität (Veränderungsfähigkeit und Veränderungsbereitschaft) er-wartet.
Personalwirtschaftliche Entscheidungsträger können die geforderte
Flexibilität glaubhaft vorleben.
Diese sechs Charakteristika, die einerseits aus der traditionellen Nachhaltig-keitsdebatte
und andererseits aus den eingangs geschilderten Ansätzen des Per-sonalmanagements
abgeleitet sind, erfüllen im vorliegenden Modell mehrere
Funktionen. Sie dienen erstens als zentrale Elemente der Begriffsdefinition, sie
stellen zweitens konkrete Anforderungen an das Personalmanagement insgesamt
sowie an jede einzelne Funktion und sie erlauben drittens, die Konzeption eines
Ziel- bzw. Evaluationssystems, das der Integriertheit des Konzeptes Nachhaltig-keit
Rechnung trägt. Die Anforderungen sind aber nicht nur konzeptionell be-gründ-
bzw. ableitbar, sondern lassen sich auch anhand von konkreten Entwick-lungen
in den Rahmenbedingungen von Unternehmungen und anhand von empi-rischen
Daten erläutern. Dies wird in Abschnitt 4.4 erfolgen.
Die Nachhaltigkeitsstudie befragte die Unternehmensvertreter in offenen
Fragen unter anderem nach Begriffen (Stichworte) und Instrumenten, wel-che
ihnen im Zusammenhang mit der Thematik „Nachhaltigkeit im Perso-nalmanagement“
als wichtig erschienen. Die Auswertung der offenen Fra-gen
führte zu knapp 2'000 Nennungen bzw. mehr als 300 verschiedenen
Stichworten, die in 20 Kategorien gruppiert wurden.
Wie Abbildung 8 zeigt, wird Nachhaltigkeit im Personalmanagement am
häufigsten mit den Begriffen Personalentwicklung (308), Mitarbeitereigen-schaften
(245), Personalführung und -betreuung (126), strategische Planung
(126), Anreizsysteme (123) sowie Wertorientierung (120) assoziiert. Zur
Begriffsgruppe Personalentwicklung gehören insbesondere Stichworte wie
Ausbildung, Weiterbildung, Förderung, Qualifikation, Know-how und Kar-riereplanung.
Im Zusammenhang mit dem Begriff Mitarbeitereigenschaften
ist vor allem von Motivation, Flexibilität, Verantwortungsbewusstsein und
Leistungsbereitschaft die Rede. Was den Unternehmungen im Zusammen-hang
mit Nachhaltigkeit zusätzlich wichtig erscheint, sind Aspekte der Mit-arbeiterführung
und der Strategie. So spielen die Führungsgrundsätze, die
den Mitarbeitenden gewidmete Aufmerksamkeit sowie das Führungskon-zept
Management-by-Objectives eine zentrale Rolle. Im Bereich der Strate-gie
wird insbesondere die langfristige Orientierung des Personalmanage-ments
hervorgehoben. Einen hohen Stellenwert messen die befragten Un-
30. Konzeptionelle Grundlagen 65
ternehmungen auch der Personalerhaltung bei. Weitere Stichworte, die oft
genannt wurden, sind: Entwicklung, Kommunikation, Vertrauen, Respekt,
Mitarbeiterzufriedenheit, Information, Loyalität, Partizipation, Kompetenz,
Qualität und Kontinuität.
9
69
67
63
58
55
45
43
42
36
26
52
96
94
144
126
126
123
120
245
308
0 50 100 150 200 250 300 350
Personalentwicklung (PE)
Mitarbeitereigenschaften
Andere
Strategie/Planung
Führung/Betreuung
Anreizsystem
Wertorientierung
Personalmanagement exkl. PE
Fortschritt/Innovation
Unternehmensentwicklung
Wohlbefinden der Mitarbeitenden
Stabilität
Information/Kommunikation
Involvement/Loyalität
Kultur/Struktur/Management
Arbeit
Qualität
Controlling
Beziehungen/Stakeholder
Arbeitsplatz/Arbeitsbedingungen
Umfeld
Die Zahlen entsprechen der Anzahl Nennungen innerhalb der Kategorie (NTotal = 1’947)
Abbildung 8: Begriffsverständnis in der Praxis (Zaugg/Blum/Thom 2001: 10)
Eine der wenigen Quellen, die sich explizit mit dem Thema Nachhaltigkeit im
Personalmanagement auseinandersetzt, ist ein Sammelwerk von Docherty et al.
mit dem Titel „Creating Sustainable Work Systems. Emerging Perspectives and
Practices“ (vgl. Docherty/Forslin/Shani 2002). Wie der Verfasser der vorliegen-den
Schrift sind die Herausgeber des Sammelwerkes der Ansicht, dass es sich
beim nachhaltigen Personalmanagement um ein theoretisch als auch empirisch
noch wenig erforschtes Gebiet handelt. Sie schreiben: „As the notion of sustain-able
work systems is quite recent, it can only be said to be emerging theoretically
and empirically. (…) As with any `paradigmatic` change, the trick is to get rid of
obsolete perceptions and wisdom, while not throwing out the baby with the bath
water“ (Docherty/Forslin/Shani 2002: 1 f.). Ob es sich beim hier behandelten
Thema tatsächlich um ein neues Paradigma im wissenschaftlichen Sinn handelt,
lässt sich zum heutigen Zeitpunkt noch nicht abschätzen. Die Vielzahl von Publi-
31. 66 Konzeptionelle Grundlagen
kationen, die sich explizit oder implizit an Grundsätzen der Nachhaltigkeit orien-tiert,
zeigt aber, dass es sich um ein populäres Thema handelt, das allerdings kon-zeptionell
noch zuwenig fundiert ist. Die vorliegende Schrift möchte dazu beitra-gen,
dieses Defizit zu beheben.
Docherty et al. (2002) begründen die Notwendigkeit nachhaltiger Arbeitssyste-me
vor allem mit der zunehmenden Intensivierung der Arbeit und des dadurch
entstehenden Ungleichgewichtes zwischen Erwerbs- und Privatleben (Work-
Life-Balance). Sie nennen diese Entwicklung „Neo-Taylorismus“ (vgl. Babson
1995; Taylor/Bain 1999; Docherty et al. 2002: 3). Die Ergebnisse empirischer
Studien zu den Arbeitsbedingungen in Europa (vgl. European Agency for Safety
and Health at Work 2000) zeigen, dass
x rund ein Drittel der befragten Arbeitnehmer Stress am Arbeitsplatz erleben,
der zu Problemen führt,
x 33 Prozent der Befragten häufig repetitive Arbeiten ausführen müssen,
x ein Viertel mit hohen Geschwindigkeiten arbeiten muss,
x zwei Drittel in ihrer Arbeit fremdbestimmt sind,
x 22 Prozent einen durch Maschinen vorgegebenen Arbeitsrhythmus nach-vollziehen
und
x knapp die Hälfte der Befragten die Arbeit als monoton empfinden (vgl.
Docherty et al. 2002: 7 ff.).
Human resources consumption
“We have been downsized.”
to few resources
the lack of regenerative
processes at work
too complex job
too simple job
“The tasks are
simple but there
just aren't enough
hands.”
self-intensification
“I have to do
the work of
several people.”
“There are too
few of us to
carry out such
complex tasks.”
“I am sure that there could
be other ways to do this.”
“Same thing, over
and over again….”
“It‘s too
demanding…”
“I have to keep
up with all the
demands.”
“I am committed
to my work.”
“I have to keep up
with the machines.”
Abbildung 9: Gründe für den Verbrauch von Humanressourcen (Kira 2002: 30)
Merllié and Paoli (2000) argumentieren, dass diese Intensivierung in den letzten
Jahren deutlich zugenommen hat. Die Gründe für den aus der Intensivierung re-
32. Konzeptionelle Grundlagen 67
sultierenden Verbrauch von Humanressourcen („Human resources consumption“)
sind in Abbildung 9 dargestellt. Der Verbrauch von Humanressourcen findet auf
einer physischen, kognitiven, sozialen und emotionalen Ebene statt und ist durch
so genannte regenerative Arbeitssysteme zu stoppen (vgl. Kira 2002: 30).
Die enge Verbindung zwischen Nachhaltigkeit und regenerativen Systemen
zeigt sich auch in der Definition von Brödner und Forslin: „(…) sustainable
work systems (SWS) can, in contrast to intensive work, be characterized as al-lowing
the workers involved to maintain health and to regenerate their human
and social resources while utilizing them. This means that work processes allow
development of personal skills and competence as well as collective expertise
(…), to recover from tiring workload, to develop sound relations to colleagues
(…) and to stay open for other experiences of life outside work“
(Brödner/Forslin 2002: 23).
Als Antwort auf den unkontrollierten Verbrauch („Verschleiss“) von Humanres-sourcen
entwickeln Docherty et al. (2002: 11) eine Vision für nachhaltige Ar-beitssysteme,
die auf den folgenden vier Prinzipien basiert:
x “Regeneration and development of human resources. The core of the con-cept
of sustainable work systems is that the resources deployed are regen-erated
by the system. Human resources to be fostered include skills, know-ledge,
co-operation and trust, motivation, employability, constructive in-dustrial
relations and also broad institutional/societal prerequisites such as
training systems.
x The promotion of quality of working life and competitive performance. Sus-tainable
work systems pay equal attention to improving working conditions
and organizational performance and effectiveness. Again their interdepend-encies
require an integrated approach.
x The nature of sustainable change processes for renewal and learning. Sus-tainable
work systems should not produce static conditions. Many pro-cesses
of reorganization and reengineering are failing or stalled: sustain-ability
therefore has to include the question of how organizational change
can be structured and guided. (…) sustainability means creating `liberating
structures` and building up internal capabilities to carry through reorganiza-tions
and continuous change successfully and to facilitate learning.
x The provision of employment. Sustainable work systems provide a micro
economic context for increasing employment levels, as well as counteract-ing
current tendencies of labour market segregation. Sustainable work sys-tems
could serve as paths of integration of unemployed people into the la-bour
market (…).”
33. 68 Konzeptionelle Grundlagen
Zwischen dem Definitionsansatz von Docherty et al. und der eigenen Begriffs-abgrenzung
bestehen einige Parallelen. Es ist davon die Rede, dass Humanres-sourcen
aufzubauen und zu entwickeln sind, dass es wichtig ist, mitarbeiterbe-zogene,
organisationale und gesellschaftliche Bedürfnisse gleichermassen zu
berücksichtigen und dass die organisationale Lern- und Veränderungsfähigkeit
zu fördern sind.
Individuelle Ziele Organisationale Ziele Gesellschaftliche Ziele
x Arbeitszufriedenheit
x Ausgewogene Work-Life-
Balance
x Erhalt und Ausbau der eigenen
Arbeitsmarktfähigkeit
x Persönliche und berufliche
Entwicklung
x Gesundheit und Sicherheit
x Selbstverantwortung und Parti-zipation
(Mitbestimmung)
x Vertrauenskultur
x Erfüllende, abwechslungsrei-che
Tätigkeit
x Angemessene Entlöhnung
x Förderung durch Vorgesetzte
und Personalverantwortliche
x Selbstorganisation
x Soziale Beziehungen
x Anerkennung durch Vorgesetz-te
und Kollegen
x Angenehmes Arbeitklima
x Beschäftigungssicherheit
x etc.
x Produktivität
x Kundenorientierung
x Zeitersparnis
x Unternehmungserfolg
x Innovativität
x Commitment der Mitarbeiten-den
x Entwicklung organisationaler
Veränderungsfähigkeit bzw.
Flexibilität (Organisations-kompetenz)
x Aufbau organisationalen Wis-sens
(Wissenskompetenz)
x Förderung des organisationalen
Lernens
x Aufbau, Entwicklung und Erhalt
zukunftsorientierter Personal-potenziale
(Personalkompe-tenz)
x Kompetenzaufbau (personen-gebunden
und nicht personen-gebunden)
x Selbstorganisation und Koope-ration
x Selbstverantwortung der Mitar-beitenden
(Reduktion des Kon-trollbedarfs)
x Minimierung von Arbeitskonflik-ten
(gutes Verhältnis zur Mitar-beitervertretung)
x Reduktion von Fehlzeiten
x etc.
x Sicherung von Arbeitsplätzen
x Vermeidung von arbeitsbeding-ten
Erkrankungen
x Sicherung der Arbeitsmarktfä-higkeit
der Beschäftigten
x Arbeitssicherheit
x Rechtmässigkeit
x Wettbewerbsfähigkeit der
Volkswirtschaft
x Reintegration von Arbeitslosen
in den Erwerbsprozess
x Wirtschaftswachstum
x Sozialer Friede (Arbeitsfriede)
x Übernahme sozialer Verantwor-tung
durch Organisationen und
Individuen
x etc.
Tabelle 7: Ziele eines nachhaltigen Personalmanagements (Auswahl) (eigene
Darstellung)
Brödner und Forslin (2002: 23) verlangen von nachhaltigen Arbeitssystemen,
dass sie zur Regeneration von Ressourcen auf einer individuellen Ebene (Rege-neration
von Wissen, Fähigkeiten, Gesundheit und Wohlbefinden), auf einer or-ganisationalen
Ebene (Vertrauen, Kooperation, organisationales Wissen, Fähig-keit
zur Innovation, organisationales Lernen und soziale Anerkennung) sowie
auf einer gesellschaftlichen Ebene beitragen. Die Tatsache, dass nachhaltiges
Personalmanagement auf einer individuellen, organisationalen und gesellschaft-lichen
Ebene ansetzen sollte, macht es erforderlich, auch bei den Zielsetzungen
34. Konzeptionelle Grundlagen 69
dieser betrieblichen Querschnittsfunktion zwischen drei Ebenen zu unterschei-den.
Es versteht sich, dass sich diese Ziele überschneiden, ergänzen oder zuein-ander
in einem Konfliktverhältnis stehen können. Tabelle 7 stellt eine Auswahl
möglicher Ziele vor, die in Abschnitt 4.3.1 detailliert behandelt und in einem
Zielsystem strukturiert werden.
Im Zuge der Klärung des Begriffs nachhaltiges Personalmanagement hat sich
gezeigt, dass die zugrunde liegende Philosophie auch ein neues Verständnis der
Personalfunktion im institutionellen Sinn erfordert. Es geht nicht nur darum,
welche Ergebnisse erzielt werden und inwieweit die Massnahmen zur Steige-rung
des Unternehmungserfolges beitragen, sondern auch darum, wie personal-wirtschaftliche
Leistungen erbracht werden und wie die Fähigkeit zur Gestal-tung
von Personalmanagement-Systemen (Personalkompetenz) selbst entwickelt
werden kann. Die exemplarische Auflistung von Zielsetzungen hat zudem ver-deutlich,
dass dem Aufbau von Organisations- und Wissenskompetenz besonde-re
Aufmerksamkeit zu schenken ist. Der nächste Abschnitt definiert die drei er-wähnten
Kompetenzen und widmet sich dann der Frage, ob das Personalmana-gement
eine implizite Kernkompetenz darstellt.
2.4 Nachhaltiges Personalmanagement als implizite Kernkompetenz11
Die Fähigkeit einer Unternehmung, ein nachhaltiges HRM zu betreiben, wird als
HRM-Kompetenz oder Personalkompetenz bezeichnet. Organisationskompetenz
umschreibt die Fähigkeit, kurzfristige Transformationen und den langfristigen
organisationalen Wandel so zu gestalten, dass insgesamt eine nachhaltige Unter-nehmensentwicklung
erfolgen kann. Mit Wissens- und Innovationskompetenz ist
die Fähigkeit gemeint, in der Unternehmung vorhandenes implizites und explizi-tes
Wissen in marktgerechte Produkte und Dienstleistungen, in Erneuerungen
bei den Leistungserstellungsprozessen und in Verbesserungen im Humanbereich
umzusetzen. 12
In einem nächsten Schritt wird geprüft, inwieweit das HRM ein Erfolgspotenzial
und eine Kernkompetenz darstellt. Thom und Wenger (1996) haben diese Frage
bereits im Zusammenhang mit dem Organisationsmanagement aufgegriffen.
Gemäss Gälweiler (1987: 26) stellen Erfolgspotenziale Merkmale der Unter-nehmenssituation
dar, die ausschlaggebend für den langfristigen Erfolg einer
11 Der vorliegende Abschnitt basiert auf zwei bereits veröffentlichten Arbeiten (vgl.
Thom/Zaugg 2001b; Zaugg/Thom 2003). Die früheren Überlegungen wurden dabei wei-terentwickelt.
Dabei stand vor allem die Überprüfung der vier Bedingungen nach Bar-ney
(1991) im Vordergrund, die gegeben sein müssen, damit eine Ressource zum nach-haltigen
Wettbewerbsfaktor wird (vgl. Grünig/Kühn 2004: 241 ff.).
12 Die Konzeptualisierung des Begriffs Wissenskompetenz orientiert sich am Innovations-verständnis
nach Thom (1980; 1992a).
35. 70 Konzeptionelle Grundlagen
Unternehmung sind. Grünig und Kühn (2004: 7) unterscheiden drei Kategorien
von Erfolgspotenzialen:
x Attraktive Wettbewerbspositionen in spezifischen Absatzmärkten,
x dauerhaft marktwirksame Wettbewerbsvorteile im Angebot und
x dauerhaft angebotswirksame Wettbewerbsvorteile bei den Ressourcen.
Das HRM dürfte der letztgenannten Kategorie von Erfolgspotenzialen zuzu-rechnen
sein. Um als nachhaltiger Wettbewerbsvorteil zu gelten, müssen Res-sourcen
nach Barney (1991: 105 ff.) wertvoll, knapp, beschränkt imitierbar und
eingeschränkt substituierbar sein. Das nachhaltige HRM stiftet einen Nutzen am
Markt, da es beispielsweise über die Motivation und Qualifikation der Mitarbei-tenden
zu einer höheren Produkt- und Dienstleistungsqualität führt. Unterneh-mungen
mit einer starken bzw. einzigartigen Unternehmungskultur und daraus
resultierenden Wettbewerbsvorteilen (vgl. Grünig/Kühn 2004: 243) sind ein
Hinweis darauf, dass auch das HRM als knapp bezeichnet werden kann. Der Zu-sammenhang
präsentiert sich wie folgt: Kulturelle Werte lassen sich nicht kurz-fristig
aufbauen. Sie sind daher knapp. Ein nachhaltiges HRM das zum Aufbau
kultureller Werte beiträgt, ist entsprechend auch knapp.
Obwohl sich Konzepte des HRM von einer Unternehmung auf die andere über-tragen
lassen, werden sich wichtige Aspekte des HRM einem Transfer entzie-hen,
weil sie entweder historisch gewachsen oder in ihrer Kausalität nicht voll-ständig
erfassbar sind und auf komplexen sozialen Phänomenen basieren (vgl.
Barney 1991: 107 ff.). Versteht man das HRM weniger als Set von Instrumenten
und Verfahren sondern vielmehr als eine auf spezifischen Werten (z. B. Nach-haltigkeitskriterien)
basierende Haltung eines Unternehmens gegenüber seinen
Mitarbeitenden, lässt sich das nachhaltige HRM vermutlich nur teilweise substi-tuieren.
Obwohl an dieser Stelle lediglich eine kurze Überprüfung der Anforde-rungen
an ein Erfolgspotenzial bzw. einen Wettbewerbsvorteil nach Barney vor-genommen
wurde, finden sich Hinweise, dass es sich beim nachhaltigen HRM
um ein Erfolgspotenzial handelt.
36. Konzeptionelle Grundlagen 71
Hamel und Prahalad nennen drei Anforderungen, die eine Kernkompetenz erfül-len
muss (vgl. Prahalad/Hamel 1990: 83 f.; Hamel/Prahalad 1994: 224 ff.):
x Customer Value,
x Competitor Differentiation und
x Extendibility.
Hamel/Prahalad sehen Kernkompetenz als „[...] bundle of skills and technolo-gies
rather than a single discrete skill or technology.“
Das HRM kann einen Kundennutzen stiften (vgl. das Kriterium „wertvoll“ nach
Barney). Bruhn zeigt beispielsweise anhand seines Konzeptes der integrierten
Kundenorientierung, wie kundenorientierte Personalmanagementsysteme ausse-hen
können (vgl. Bruhn 2002: 202 ff.). Grund (1998) verdeutlicht den Zusam-menhang
zwischen Mitarbeiterzufriedenheit/Mitarbeitercommitment und Kun-denzufriedenheit/
Kundenbindung. Falls das Personalmanagement (unterneh-mens-)
kulturell und strategisch verankert ist, erlaubt es eine wirkungsvolle Dif-ferenzierung
gegenüber Konkurrenten. Ein Vorteil der HRM-Kompetenz besteht
nämlich darin, dass sich ihre „Ergebnisse“, d. h. die langfristige Schaffung von
Wettbewerbsvorteilen durch qualifizierte und motivierte Mitarbeitende, einfach
auf verschiedene Produkte, Dienstleistungen und Märkte übertragen lassen. Ein
nachhaltiges und kulturell verankertes HRM kann zu Erfolgspotenzialen führen
und lässt sich als Kernkompetenz interpretieren (vgl. Zaugg/Thom 2003: 205).
2.5 Modell eines nachhaltigen Personalmanagements im Überblick
Den Kern des Modells eines nachhaltigen Personalmanagements bilden die
Nachhaltigkeitskriterien bzw. die Anforderungen an diese Funktion (Nachhal-tigkeits-
Diamant). Sie werden aus den generellen, den aufgabenspezifischen,
den betrieblichen und den personellen Rahmenbedingungen sowie aus der Lite-ratur
und den empirischen Studien abgeleitet (Kapitel 4). Im Zentrum des Nach-haltigkeits-
Diamanten befindet sich das Vertrauen als Voraussetzung und Er-gebnis
eines nachhaltigen Personalmanagements (Kapitel 3). Dabei steht die
These im Vordergrund, dass sich partizipative und anspruchsgruppenorientierte
Systeme des HRM nur dann realisieren lassen, wenn gleichzeitig eine Vertrau-enskultur
aufgebaut wird. Es gilt, aus dem Teufelskreis des Misstrauens in einen
Verstärkungskreis des Vertrauens überzutreten. Um die Grundlage des Vertrau-ens
herum gruppieren sich die sechs Nachhaltigkeitskriterien. Es sind dies die
Partizipation, die Wertschöpfungsorientierung, die Strategieorientierung, die
Kompetenzorientierung, die Anspruchsgruppenorientierung und die Flexibilität.
Diese Anforderungen sind auf vielfältige Weise mit der Unternehmensstrategie
und der Unternehmenskultur verknüpft. Ein nachhaltiges Personalmanagement –
also eine an diesen Kriterien orientierte Funktion – trägt aktiv zur Mitgestaltung
37. 72 Konzeptionelle Grundlagen
der Unternehmensstrategie bei, sie liefert einen erheblichen Wertschöpfungsbei-trag
und baut als implizite Kernkompetenz fähigkeitsbasierte Wettbewerbsvor-teile
auf. Je besser es gelingt, die genannten Kriterien in der Unternehmenskul-tur
und in der HRM-Kultur zu verankern, umso nachhaltiger lassen sie sich um-setzen.