Vortrag von Dr. Niels Taubert im Rahmen der Veranstaltung „Erfolg oder Misserfolg? (Wie) ist eine Evaluierung von Bürgerhaushalten möglich? Workshop am 22.November 2012, Frankfurt a.M.
1. Evaluation des Bürgerhaushalts
der Stadt Köln
Methodik und Ergebnisse
Vortrag im Rahmen der Veranstaltung „Erfolg oder Misserfolg?
(Wie) ist eine Evaluierung von Bürgerhaushalten möglich?
Workshop am 22.November 2012, Frankfurt a.M.
Dr. Niels Taubert
Institut für Wissenschafts- und Technikforschung (IWT)
Universität Bielefeld
2. 1. Evaluationsauftrag und Ziel
Auftrag
der Stadt Köln an das Institut für Wissenschafts- und Technikforschung (IWT) zur
Evaluation des Kölner Bürgerhaushalts im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens
wissenschaftliche Unabhängigkeit des IWT
Ziel: Analyse und Bewertung
der Funktionsweise
der verwaltungsseitigen Durchführung
der Einbettung in den politischen Entscheidungsprozess
der Wahrnehmung durch die beteiligten Bürgerinnen und Bürger
der demokratischen Fairness
der möglichen Vorteile gegenüber den ‚normalen’ Entscheidungswegen
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3. 2. Methodisches Design
Online- Telefon-
Interviews
Befragung interviews
Verwaltung Politikerinnen und
Politiker
Online- Analyse der Email-
Befragung Benutzer- Befragung
daten
Beteiligte Bürgerinnen Zivilgesellschaftliche
und Bürger Gruppen
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4. 3. Evaluationskriterien
Konsultationsfunktion: Rückgriff auf lokale Expertise der Bürgerinnen und Bürger
Pluralität: Abbildung einer breiten Meinungsvielfalt
Schlankheit: Maximierung der Bürgerbeteiligung bei geringem zusätzlichen
Verwaltungsaufwand
Standardisierung: Verstetigung des Bürgerhaushalt
Nutzerfreundlichkeit: leichte Erlernbarkeit der Online-Plattform
Interaktivität und Transparenz: Fortlaufende Beteiligung und Information über den
aktuellen Stand des Verfahrens
Barrierefreie Internetbasiertheit: Abwicklung über Internet-Plattform, kein Ausschluss
von Personen ohne Internet-Zugang
Einpassung in die repräsentative Demokratie: Einpassung der demokratischen
Willensbildung in die formaldemokratischen Verfahren
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5. 4. Strukturdaten der Online-Phase
9.887 registrierte Beteiligte (gegenüber 11.744 im BHH 2008/2009)
1.254 Vorschläge (gegenüber 4973 im BHH 2008/2009)
4.664 Kommentare (gegenüber 9.163 im BHH 2008/2009)
38.470 Voten registrierter Benutzer (gegenüber 52.746 im BHH 2008/2009)
52,5% Frauen, 47,5% Männer
37,3% Hochschulabsolventen, 18,7% Fachhochschulabsolventen, 21,8% Absolventen
von Gymnasien, 14,0% Realschulabsolventen, 5,2%Hauptschulabsolventen
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6. 5. Kritische Befunde der Analyse der Online-
Phase
Abgabe von Vorschlägen und Schreiben von Kommentaren: Sämtliche Vorschläge
stammen von einer Gruppe von 6,5%, ein Anteil von 55% der Kommentare von einer
Gruppe von 1,8% der Beteiligten.
Bildung: Bei sämtlichen Formen der Beteiligung zeigen sich eine starke
Überrepräsentierung von Personen mit höheren Bildungsabschlüssen und eine
Unterrepräsentierung geringer gebildeten Personen.
Geschlecht: Frauen beteiligten sich im geringeren Umfang mit Vorschlägen und
Kommentaren.
Erfolgsschwelle: Die Schwelle für die Aufnahme in die Bestenlisten ist niedrig
(Themenbereich ‚Schule/Bildung‘: Überhang von 32 Pro-Stimmen; Themenbereich
‚Umweltschutz‘ 29 Stimmen Überhang).
Restkategorie ‚Sonstiges‘: Von den 1254 Vorschlägen des Bürgerhaushalts entfällt mehr
als 1/3 (457 Vorschläge) auf die Restkategorie ‚Sonstiges’.
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7. 6. Ergebnisse der Befragung der beteiligten
Bürgerinnen und Bürger
Überwiegend positive Bewertung des Bürgerhaushalts: Gute Noten erhalten Redaktion
und Moderation und die Funktionalität der Plattform.
Ähnliche (oder doppelte) Vorschläge werden von den Befragten als problematisch
wahrgenommen (Konkurrenz um Stimmen).
Mittelmäßige Note für die Such- und Sortierfunktion: Wunsch nach übersichtlicher
und flexiblen Suche und Sortierung.
Zersplitterung der Stimmen auf eine relativ große Anzahl an Vorschlägen wird zum
Teil als kritisch wahrgenommen.
Partikulare Interessen: Kritisiert wird die Platzierung von Vorschlägen auf den
Bestenlisten, die deutliche partikulare Interessen verfolgen.
Umsetzung der Vorschläge und Information über die Umsetzung (der Vorschläge
aus dem Bürgerhaushalt 2008/2009) wird von Befragten als mittelmäßig bewertet.
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8. 7. Empfehlungen – Vorbereitung des BHH
Themenwahl und -zuschnitt: Bei der Themenwahl des Bürgerhaushalts muss ein
Mittelweg zwischen Fachamtszuständigkeiten und Bürgerverständnis gefunden
werden. Es wird empfohlen, nach erster Themenfestlegung unter Einbezug der
Fachämter einen Zuschnitt zu finden, der beide Kriterien berücksichtigt. Dieser
könnte im Beirat diskutiert werden.
Marketing, Mobilisierung und PR: Die Anzahl der Beteiligten sollte steigen. Daher
sollten die Anstrengungen verstärkt werden, die Printmedien zu interessieren.
Daneben sollten von Beginn an Multiplikatoren angesprochen werden. Bessere
Nutzung von Web 2.0 Social Media.
Transparenz der Budgetierung: Bei der Vorbereitung sollte eine bestimmte Summe für
den Bürgerhaushalt vorgesehen und bekannt gegeben werden, auch wenn diese
unter dem üblichen Vorbehalt steht.
Fertigstellung der Arbeiten an der Online-Plattform: Die Arbeiten am Front- und
Backend der Plattform sollten vor der Online-Phase abgeschlossen sein. Nach
Möglichkeit nur kleinschrittige Veränderungen an der Plattform vornehmen, um
Ausreifung zu fördern.
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9. 7. Empfehlungen – Ausgestaltung der Onlinephase
Mehrfachregistrierung: Bisher keine Befunde für missbräuchliche Nutzung der
Mehrfachregistrierung. Dennoch sollte eine begleitende Beobachtung mit Blick
auf möglichen Missbrauch stattfinden.
Durchgriff sehr kleiner partikularistischer Interessengruppen: Die Hürden zur
Aufnahme in die Bestenlisten sollten erhöht werden. Möglichkeiten:
• Umfang der Bestenlisten verkleinern (z.B. auf 50)
• Kriterium vorgeben, ab dem ein Vorschlag in die Bestenliste gelangt
Dominanz einer kleinen Gruppe von Personen: Eine kleine Personenzahl prägt das
Geschehen auf der Online-Plattform. Dies lässt sich jedoch kaum vermeiden. Es
werden daher keine aktivitätsbeschränkenden Maßnahmen empfohlen.
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10. 7. Empfehlungen – Auswertung
Auswertung von Vorschlägen: Es wurde mehrfach empfohlen, auch die Vorschläge
der stark besetzten Kategorie ‚Sonstiges’ auszuwerten. Mit Blick auf die
Schlankheit des Verfahrens wird dem nicht gefolgt. Es wird empfohlen, dem
thematischen Ausfransen bereits bei der Formulierung der Themen zu
begegnen.
Gemeinwohlorientierung der Verwaltung: Im Fall von Vorschlägen, die deutlich
partikularistische Ziele verfolgen, sollte die Verwaltung eine Überprüfung
vornehmen, inwieweit die Vorschläge mit der Gemeinwohlverpflichtung
vereinbar sind. Im Sinne einer starken Selbstregulation des Verfahrens wäre es,
wenn die Überprüfung im Zuge der Erarbeitung von Stellungnahmen stattfände.
Beobachtung möglicher Umverteilungseffekte: Wegen der ungleichen
Repräsentation verschiedener Bevölkerungsgruppen wird empfohlen zu
beobachten, ob mittelfristig ungerechte Umverteilungen stattfinden. Die
Ergebnisse könnten im Beirat diskutiert werden.
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11. 7. Empfehlungen - Umsetzung
Zügige Implementation des Dokumentationssystems auf der Online-Plattform:
Das geplante ‚Ampel’-System sollte zügig implementiert werden. Das
Verständnis des Umsetzungsprozesses kann durch Zeitfenster und abrufbare
Begründungen für Verschiebungen gefördert werden.
Identifikation und vorrangige Umsetzung schnell zu verwirklichender
Vorschläge: Um dem Eindruck einer ‚Scheinpartizipation‘ vorzubeugen wird
empfohlen zu prüfen, welche Vorschläge besonders schnell realisiert werden
können. Diese sollten vorrangig behandelt werden, um schnell zu vorzeigbaren
Ergebnisse zu gelangen.
Intensivierung der PR-Arbeit im Zuge der Vorschlagsumsetzung: Um die
Bevölkerung über die Erfolge des Bürgerhaushalts aufzuklären, wird eine
begleitende PR-Arbeit empfohlen (z.B. Pressearbeit zu schnell umgesetzten
oder gewichtigen Vorschlägen).
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12. 8. Von der Evaluation von Einzelverfahren zur
vergleichenden Evaluation
Abgrenzung des Evaluationsgegenstands: Wie kann trotz der
Heterogenität der Verfahren eine vergleichbare Abgrenzung gefunden
werden? – Praktikabilität von allgemein gefasster Abgrenzungskriterien?
Festlegung von Bewertungskriterien / Bewertungsmaßstäben: Wie
können trotz divergierender Ansprüche allgemeine Bewertungskriterien
entwickelt werden? Mögliche Quellen der Bewertungskriterien (a)
common sense, (b) politische Theorie (c) ???
Allgemeine Evaluationsmethodik: Verfahrensheterogenität als
Herausforderung: Möglichkeit und Grenzen vs. Angemessenheit einer
allgemeinen Evaluationsmethodik.
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13. 9. Publikationen zum BHH
Online-Publikation des Evaluationsberichts:
https://buergerhaushalt.stadt-koeln.de/2010/site/downloads/1045
Print-Publikation des Evaluationsberichts:
Taubert, Niels; Krohn, Wolfgang; Knobloch, Tobias (2011):
Evaluierung des Kölner Bürgerhaushalts. Studie im Auftrag
der Stadt Köln. Kassel: Kassel University Press. ISBN 978-
3-86219-074-4.
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