"Vitamin D - Nahrungsergänzung für alle? Stellungnahme aus Sicht der Risikobewertung" - Priv. Doz. Dr. Diana Rubin (Bundesinstitut für Risikobewertung, BfR - Abteilung Lebensmittelsicherheit, Fachgruppe Ernährungsrisiken, Allergien und Neuartige Lebe
1. AGES-BfR-Forum "Nahrungsergänzungsmittel: Nutzen und Risiko", 30. Mai 2012 (AGES, Wien)
Anlässlich des 10-jährigen Bestehens der AGES und der 5-jährigen Kooperation mit dem deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) fand eine Spezialveranstaltung zum Thema Nahrungsergänzungsmittel (NEM) statt, bei der die bisher umfassendste Erhebung zum Thema im deutschen Sprachraum exklusiv präsentiert wurde. Risiken und Nutzen von NEM wurden aus Sicht der Lebensmittel- & Arzneimittelsicherheit, Risikobewertung & Risikokommunikation, die den Verbraucherinteressen gerecht wird, betrachtet. Die ExpertInnen von AGES und BfR diskutierten mit rund 120 Gästen aus Wissenschaft & Forschung, Wirtschaft & Industrie, Ärzteschaft & Apotheken sowie Behörden und Medien.
Dokumentation der Fachtagung mit Präsentationen:
http://www.ages.at/ages/ages-akademie/stakeholderveranstaltungen/wien-nahrungsergaenzungsmittel/
"Risiken pflanzlicher Stoffe – NEM ohne Risiken ?" - Prof. Dr. Dr. Alfonso La...
"Vitamin D - Nahrungsergänzung für alle? Stellungnahme aus Sicht der Risikobewertung" - Priv. Doz. Dr. Diana Rubin (Bundesinstitut für Risikobewertung, BfR - Abteilung Lebensmittelsicherheit, Fachgruppe Ernährungsrisiken, Allergien und Neuartige Lebe
1. Vitamin D - Nahrungsergänzung für alle?
FÜR RISIKOBEWERTUNG
Stellungnahme aus Sicht der Risikobewertung
BUNDESINSTITUT
AGES Akademie
Nahrungsergänzungsmittel Nutzen und Risiko
30. Mai 2012, Wien
Priv. Doz. Dr. Diana Rubin
Abteilung Lebensmittelsicherheit
Fachgruppe „Ernährungsrisiken, Allergien und Neuartige Lebensmittel“,
Bundesinstitut für Risikobewertung
3. Vitamin D – zentrale Fragen
• Wieviel Vitamin D benötigt der Körper?
FÜR RISIKOBEWERTUNG
• Welche Endpunkte betrachten (Knochengesundheit/ weitere)?
• Wie ist die Versorgung der Bevölkerung mit Vitamin D?
• Wieviel Vitamin D wird endogen synthetisiert?
BUNDESINSTITUT
• Welcher Laborparameter gibt die Vitamin D Versorgung wieder?
• Welche Risikogruppen für eine Unterversorgung gibt es?
• Besteht eine Notwendigkeit für eine Supplementation?
• Sollten Lebensmittel mit Vitamin D angereichert werden?
• Welche Risiken sind damit möglicherweise verbunden?
4. Zusammenfassung der Ergebnisse zur präventiven
Wirkung von Vitamin D für ausgewählte chronische
Erkrankungen (DGE 2012)
FÜR RISIKOBEWERTUNG
BUNDESINSTITUT
DGE, 2012
5. Vitaminzufuhr bei Erwachsenen (Median) im
Vergleich zu den D-A-CH-Referenzwerten
Vitamin C
FÜR RISIKOBEWERTUNG
Vitamin B12
Folatäquivalent
Vitamin B6
Niacin
BUNDESINSTITUT
Vitamin B2
Vitamin B1
Vitamin E Männer Frauen
Vitamin D
ß-Carotin
Vitamin A
0 50 100 150 200 250
%
Verzehrdaten aus der NVS II (MRI, 2008)
6. Vitamin-D-Zufuhr bei Kindern
FÜR RISIKOBEWERTUNG
BUNDESINSTITUT
25-Hydroxy-Vitamin D (nmol/L)
Kersting & Bermann, Ernährungs
Umschau 55 (2008) S. 523–527.
7. Weltweite Stärke der UVB-Strahlung
FÜR RISIKOBEWERTUNG
Keine Daten
Überwiegend
Ungenügend
Mind. 1 Monat
Pro Jahr
Ungenügend
BUNDESINSTITUT
Ausreichend
Mind. 1 Monat
Pro Jahr
Ungenügend
Überwiegend
Ungenügend
Die Einteilung „ausreichend / ungenügend“ erfolgt im Hinblick
auf die Umwandlung von 7-Dehydrocholesterol
8. FÜR RISIKOBEWERTUNG
BUNDESINSTITUT
Rachitis-gefährdete Londoner Kinder (1938, mit ihren Müttern)
bei der vorsorglichen Bestrahlung mit Höhensonnen.
Der Spiegel, 51/1986
10. Exogene Hauptquellen für Vitamin D in
Deutschland
FÜR RISIKOBEWERTUNG
BUNDESINSTITUT
Aufnahme von Vitamin D Median (5.-95. Perzentile)
Männer 2,9 (0,9-9,6) μg/Tag
Frauen 2,2 (0,7-7,0) μg/Tag
(aus: Nationale Verzehrsstudie II, Ergebnisbericht Teil 2, Max Rubner-Institut, Bundesforschungsinstitut
für Ernährung und Lebensmittel, 2008)
11. Empfohlene 25-OH-Vitamin D
Empfohlene 25-OH-Cholecalciferolspiegel
FÜR RISIKOBEWERTUNG
BUNDESINSTITUT
IOM, DGE, SCF
12. Vitamin D –
Versorgung der deutschen
Bevölkerung
25(OH)D-Serumkonzentration (Median)
Erwachsene
FÜR RISIKOBEWERTUNG
18 - <65 Jahre 46,2 nmol/l (P5–P95 15,5–123,0 nmol/l)
65 – 79 Jahre 39,1 nmol/l (P5–P95 15,3–104,0 nmol/l)
Kinder und Jugendliche
BUNDESINSTITUT
1 bis 17 Jahre 41,9 nmol/l (P5–P95 13,9–96,3 nmol/l)
< 25 nmol/l <50 nmol/l
15,5 % der Kinder und Jugendlichen 63 % der Kinder und Jugendlichen
14,3 % der 18- bis 79-Jährigen 57 % der 18- bis 79-jährigen
Daten des Bundes-Gesundheitssurveys 1998 und der KiGGS-Studie 2003-
2006, Robert Koch Institut
13. 25-Hydroxy-Vitamin D (nmol/L) bei Kindern und
Jugendlichen (KIGGS)
FÜR RISIKOBEWERTUNG
BUNDESINSTITUT
Hinzpeter et al., J Nutr. 2008 Aug;138(8):1482-90.
14. Referenzwerte für die Vitamin D Zufuhr
FÜR RISIKOBEWERTUNG (DGE 2012)
BUNDESINSTITUT
15. Empfehlungen der Deutschen für alle!
Kinderärzte: Vitamin D
Gesellschaft für Kinder- und
Jugendmedizin zu Vitamin D
FÜR RISIKOBEWERTUNG
• Ab der ersten Lebenswoche bis zum zweiten erlebten Frühsommer, also je nach
Geburtszeitpunkt für die Dauer von einem bis anderthalb Jahren sollten Babys zusätzlich zu
Muttermilch oder Säuglingsnahrung Tabletten oder Tropfen mit täglich 400 bis 500 Einheiten
Vitamin D3 erhalten, …
BUNDESINSTITUT
• Ärzte sollten Eltern darauf hinweisen, wie sinnvoll der Aufenthalt ihrer Kinder unter freien
Himmel ist, und zwar in Bewegung mindestens eine halbe Stunde am Tag, am besten mit
unbedeckten Kopf und mit freien Armen und Beinen
• Vom zweiten Jahr an sollten alle Kinder, die nicht genug in die Sonne kommen, eine
Vitamin-D-Ergänzung von 400 Einheiten täglich bekommen
16. FÜR RISIKOBEWERTUNG Charakterisierung von Risikogruppen
• Personen die sich wenig im Freien aufhalten oder nur mit starkem
Sonnenschutz (multimorbide Ältere, Säuglinge)
• Personen mit dunkler Haut
• Personen mit verminderter körpereigener Synthese (Nieren-,
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Leberinsuffizienz)
• Veganer
• Generell Personen über 60 Jahre?
17. Anreicherung von Lebensmitteln –
Derzeitige Praxis
FÜR RISIKOBEWERTUNG
Nahrungsergänzungsmittel enthalten 5 bzw. 10 μg Vitamin D als empfohlene
Tagesverzehrsmenge
Fortifizierte Lebensmittel wie z.B. Margarine und Mischfetterzeugnisse
enthalten bis zu 2,5 μg/100 g sowie Milcherzeugnisse bis zu insgesamt 12,5
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μg/kg berechnet als Calciferol
Über Ausnahmegenehmigungen nach § 57 LMBG bzw. § 68 LFGB ist der
Zusatz von 20 μg Vitamin D/L für das Herstellen und Inverkehrbringen von mit
Vitamin A und D angereichertem Speiseöl sowie die Anreicherung von
Frischkäsezubereitung (Fruchtzwerge) mit Vitamin D (1,25 μg Vitamin D3/100
g) für die Zielgruppe von Kindern erlaubt
18. Anreicherung von
Lebensmitteln mit Vitamin D
Bisher: Neu:
Margarinen mit 2,5 µg/100 ml Margarinen und Öle bis zu 7,5 µg/100 ml
Fruchtzwerge, Frischkäse 1,5 µg/100g
FÜR RISIKOBEWERTUNG
(Orangensaft mit Ca und Vitamin D 8,5 µg/l)
1,25 µg Vitamin D pro 100 g (=2 Becher)
BUNDESINSTITUT
FruchtZwerge: Die neue Generation
Mit Vitamin D und einer Extraportion Calcium
für gesunde Knochen
Anreicherung von weiteren Lebensmitteln (Säfte, Cerealien?)
19. FÜR RISIKOBEWERTUNG Die eine Seite der Medaille…
BUNDESINSTITUT
Prävention durch Vitamin D
20. Vitamin D und das Sturzrisiko
FÜR RISIKOBEWERTUNG
EFSA Journal 2011;9(9):2382
On the basis of the data presented, the Panel concludes that a cause
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and effect relationship has been established between the intake of
vitamin D and a reduction in the risk of falling.
“Vitamin D may reduce the risk of falling. Falling is a risk factor
for bone fractures“
The Panel considers that, in order to obtain the claimed effect, 800 I.U. (20
μg) of vitamin D from all sources should be consumed daily. The target
population is men and women 60 years of age and older.
22. Nierensteine: Einflußfaktor Vitamin D und
Calcium - Supplemente
Urinary tract stone occurrence in the Women’s Health Initiative (WHI)
randomized clinical trial of calcium and vitamin D supplements, n=16936 vs. placebo
FÜR RISIKOBEWERTUNG
BUNDESINSTITUT
Quartile of total vitamin D intake
CaD placebo HR
n
< 3.25 µg 121 105 1.11 (0.85, 1.44)
3.25 to 6.64 µg 106 103 1.01 (0.77, 1.32)
6.64 to 13.28 µg 109 76 1.42 (1.06, 1.91) Wallace et al., Am J Clin Nutr 2011;94:270–7
23. Einfluß von Vitamin D3 Serumspiegeln auf Nierensteine
FÜR RISIKOBEWERTUNG
BUNDESINSTITUT
Shakhssalim et al., 2011 Urol Res. 2011 39(1):1-7.
24. Womens Health Study: Calcium und Vitamin D erhöht das
Risiko für Colonkarzinom bei Frauen unter Östrogentherapie
(verringert bei Frauen ohne Östrogentherapie)
FÜR RISIKOBEWERTUNG
BUNDESINSTITUT
Ding et al., Int J Cancer. 2008;122(8):1690-4.
25. Zum Schutz der Verbraucher
FÜR RISIKOBEWERTUNG
Richtlinie 2002/46/EG des Europäischen Parlaments und des
Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedsstaaten über Nahrungsergänzungsmittel
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Entwurf für eine Regelung des Zusatzes von Vitaminen und
Mineralstoffen und bestimmten anderen Substanzen zu
Lebensmitteln (vom 27.8.03)
Festlegung von Höchstmengen für Vitamine und Mineralstoffe
auf der Basis einer wissenschaftlichen Risikobewertung
26. Wissenschaftliche Risikobewertung
…. ist ein systematisches Vorgehen der Bewertung der
Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer gesundheitsschädigenden
Wirkung in vier Schritten
FÜR RISIKOBEWERTUNG
1. Identifikation einer nachteiligen Wirkung
2. Charakterisierung der nachteiligen Wirkung sowohl qualitativ (Schwere) als
auch quantitativ (Dosis-Wirkungsbeziehung).
BUNDESINSTITUT
Aus der Identifizierung von NOAELs (Zufuhr ohne nachteilige Wirkung) bzw
LOAELs (niedrigste Zufuhr mit nachteiliger Wirkung) wird unter
Berücksichtigung von Unsicherheiten (durch Unsicherheitsfaktoren) der UL
abgeleitet.
3. Exposition - Abschätzung und Verteilung der Zufuhr in der Bevölkerung
4. Risikocharakterisierung
Beschreibung der Wahrscheinlichkeit unter Berücksichtigung der Schritte 1 bis
3, dass in Bevölkerungsgruppen gesundheitsschädliche Wirkungen auftreten.
(SCF, 2000)
27. Risikobewertung von essentiellen
Nährstoffen
b) durch Überschuss
a) durch Mangel
• Mechanismus
FÜR RISIKOBEWERTUNG
• Mechanismus
• Dosis-Wirkungsbeziehung
• Dosis-Wirkungsbeziehung
LOAEL oder NOAEL
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Bedarf bzw. Empfehlung
bzw. Referenzwert
UL
Referenzwert < UL
28. FÜR RISIKOBEWERTUNG Konzept eines sicheren Zufuhrbereiches
Risiko der unzureichenden Zufuhr
Mangel
Risiko der übermäßigen Zufuhr
1.0 1.0
durchschnittlicher
Berdarf
BUNDESINSTITUT
empfohlene höchste
Zufuhr sichere Zufuhr
sicherer
Zufuhrbereich
0 0
Höhe der Zufuhr
nach Health and Welfare, Canada, 1983
29. UL`s und Richtwerte für eine sichere Zufuhr
FÜR RISIKOBEWERTUNG
BUNDESINSTITUT
30. Methodik der Höchstmengenabschätzung
Exposition:
Vielverzehrer (95%ile) und realistische Dosen aus NEM
Realistische Dosis ist die am häufigsten in Verzehrsstudien verzehrte Dosis
FÜR RISIKOBEWERTUNG
200 120
800 µg 5 mg
Vitamin A 100
Eisen
BUNDESINSTITUT
150
80
number of user
number of user
100 60
40
50
20
Mean = 1,0642 Mean = 8,3928
Std. Dev. = 3,05671 Std. Dev. = 18,20983
N = 692 N = 657
0 0
0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 5,0 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60
Vitamin A/Retinol-EQ-Supplement (mg/d) Iron-Supplement (mg/d)
Aufnahmemengen von Supplementusern (NVS II)
32. Vorgeschlagene Höchstmengen für die
Verwendung von
Vitaminen und Mineralstoffen in
Nahrungsergänzungsmitteln (NEM)
FÜR RISIKOBEWERTUNG
(bezogen auf die vom Hersteller empfohlene Tagesdosis), BfR 2004
BUNDESINSTITUT
33. Fazit
- Ein Vitamin D Mangel ist in einigen Bevölkerungsgruppen häufig und sollte bei
diesen Personen gezielt mit Supplementen ausgeglichen werden
FÜR RISIKOBEWERTUNG
- Eine generelle Empfehlung zur Supplementation von breiten Bevölkerungsgruppen
kann nicht gegeben werden, da die Evidenz für die Prävention von Erkrankungen
fehlt
BUNDESINSTITUT
- Risiken einer Supplementation und Anreicherung von Lebensmitteln müssen
berücksichtigt werden
- Vielmehr sollte die Bevölkerung zu Aufenthalt im Freien animiert werden und über
den Nutzen und Risiken von Sonnenbaden ohne LSF, hier bieten sich konkrete
Handlungsempfehlungen an wie z.B. durch die DGE herausgegeben
34. DANKE FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT
FÜR RISIKOBEWERTUNG
BUNDESINSTITUT
Priv. Doz. Dr. med. Diana Rubin
Bundesinstitut für Risikobewertung
Thielallee 88-92 D-14195 Berlin
Tel. 0 30 - 84 12 - 3230 Fax 0 30 - 84 12 – 37 15 Diana.Rubin@bfr.bund.de
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