Fachsymposium "Verbraucherschutz, Öffentliche Gesundheit & Arzneimittelsicherheit im Spannungsfeld Risiko, Krise und Panikmache", 21.11.2011 (AGES, Wien)
Finanz, EHEC, Fukushima - Wahrnehmung und Umgang mit einer Krise sind so unterschiedlich und individuell, wie die Menschen selbst. Doch wie empfinden wir VerbraucherInnen Risiko und was sagt die Wissenschaft dazu? Wann beginnt aus einer potentiellen Gefahr eine tatsächliche Krise zu werden? Und wann wird eine Krise zur medialen Panikmache? Rund 100 VertreterInnen aus Politik und Wirtschaft, Behörden und Medien diskutierten den Umgang mit gefühlten und tatsächlichen Risiken und dem Management im Krisenfall. Die Themen reichten von Dioxin über EHEC bis Fukushima, von BSE über Acrylamid bis zur Vogelgrippe.
Neben Gesundheitsminister Alois Stöger standen mit Risikoforscher Prof. Dr. Ragnar Löfstedt (Direktor des King's Centre for Risk Management am King‘s College, London) und Prof. DDr. Andreas Hensel (Präsident des deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung, BfR) zwei internationale Experten aus dem Bereich Risikoforschung und Risikomanagment für einen Dialog bereit. Priv.-Doz. Dr. Pamela Rendi-Wagner (Generaldirektorin für Öffentliche Gesundheit im Bundesministerium für Gesundheit, BMG) und Univ.-Prof. Dr. Marcus Müllner (Bereichsleiter der Arzneimittelagentur AGES PharmMed) erläuterten die Risikokommunikation in der öffentlichen Gesundheit anhand der Beispiele Fukushima bzw. Risiken und Nutzen von Arzneimitteln. Die PR-Expertinnen Sabrina Oswald und Martina Tuma beleuchteten die Anforderungen der Risikokommunikation von Wirtschaftsunternehmen in Zeiten des „Web 2.0“.
Gemäß dem Spruch "Nach der Krise ist vor der Krise" sehen die ExpertInnen vor allem Bedarf an organisatorischer Vorbereitung (Krisenhandbuch, Ansprechpartnern, etc), inhaltlicher Aufbereitung der eigenen Krisen-PR-Themen sowie professionellem Management im akuten Krisenfall. Investiert werden sollte „in Friedenszeiten“ in den Aufbau von Vertrauen unter Einbindung von Meinungsbildnern sowie in Bereitstellung transparenter Informationen unter Verwendung unabhängiger wissenschaftlicher Expertise. Denn eine jede Krise ist über die wirtschaftlichen Folgen des betroffenen Produzenten hinaus immer mit enormen volkswirtschaftlichen Kosten verbunden. Schlussendlich gebe es nur eine Antwort für eine Öffentlichkeit, die regelmäßig und latent mit Angst machenden Krisen konfrontiert wird: schnelle, adäquate und transparente Information.
Details zu Programm, Inhalten und Vortragenden: http://www.ages.at/ages/ages-akademie/stakeholderveranstaltungen/wien-risikokommunikation/
3. Radiologische
Notstandssituationen
Zuständigkeiten (nur die wesentlichsten)
• Bundeswarnzentrale im EKZ des BM.I
• Nationale Kontaktstelle für ECURIE- und IAEA-Meldungen
• Nationale Informationsdrehscheibe
• BMLFUW
• Bewertung gemeldeter Ereignisse und der möglichen Auswirkungen
• Information der Bevölkerung
• Empfehlung von Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung
• BMG
• Mitwirkung an den Maßnahmenempfehlungen
• Überwachung der Lebensmittel
• Vorverteilung und Bevorratung der KI-Tabletten
• SKKM-Strahlenschutz
• Koordinationsaufgaben (Information der Öffentlichkeit, Durchführung von Maßnahmen etc.)
• Länder
• Umsetzung der Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung
6. Fukushima
Unfallhergang
• Tsunami (11. März 2011)
– Zerstörung der Infrastruktur im KKW Fukushima
– keine Stromversorgung (auch Notstromaggregate zerstört)
– keine Kühlung der Reaktorkerne mehr möglich
– radioaktiver Zerfall führte zu starkem Temperaturanstieg
– teilweises Schmelzen der Brennstoffhüllen und des
Reaktorkerns
– Freisetzung von radioaktiven Stoffen
– zuerst leicht flüchtige Stoffe (Iod‐Isotope, Cäsium‐Isotope etc.)
– bei höheren Temperaturen auch andere (Strontium,
Plutonium etc.)
7. Im beschädigten Atomkraftwerk in Fukushima 1 hat es eine Explosion gegeben. Die
Außenhülle des Reaktors scheint abgesprengt worden zu sein, berichtet der
japanische Fernsehsender NHK.
Nhk, 12.3.2011 ca. 16:00 LT (Tepco 15:36)
9. In this March 20, 2011 aerial photo taken by a small unmanned drone and released by AIR PHOTO SERVICE, the
crippled Fukushima Dai-ichi nuclear power plant are seen in Okumamachi, Fukushima prefecture, northern Japan.
(Air Photo Service Co. Ltd., Japan)
10. Fukushima
Erste Aktionen ‐ BMG
Wurden sofort nach Bekanntwerden gesetzt:
• BMG‐interne Besprechung und erste Beurteilung der Lage
Einschätzung:
• keine direkte Gefährdung der Bevölkerung in Österreich gegeben
(wie immer sich die Situation auch entwickelt)
Maßnahmen
• keine Sofortmaßnahmen zum Schutz der Bevölkerung erforderlich
• Unmittelbare und klare Information der Bevölkerung notwendig,
insbesondere hinsichtlich der – in Ö ‐ verbraucherrelevanten
Fragen
• Relevante Bereiche: (Lebensmittelimporte / Grenzwerte
Lebensmittel / Kaliumjodidpropyhlaxe)
15. Fukushima
BMG – Informationsmanagement
• Erstellung der Q & A für das Call Center des BMI
– Hohe Anrufrequenz aus der Bevölkerung
– Antworten meist zufriedenstellend
• Informationen auf der BMG‐Homepage (tägliches update)
– zur Kaliumjodprophylaxe
– zur Lebensmittelüberwachung – klare Darstellung aller
LM‐Untersuchungsergebnisse
erstmals in Ö: produkt‐/herstellerbezogene
Untersuchungsergebnisse veröffentlicht!
18. Fukushima
Weitere Schritte im BMG (III)
• Beratung der österreichischen Vertretung in Japan
– hinsichtlich Iodprophylaxe für Botschaftsangehörige
– hinsichtlich Rückkehr der Botschaftsangehörigen nach Tokio
(vorübergehend wurde Botschaft nach Osaka verlegt)
• Kontakte zu Medien
– nicht proaktiv ‐ (keine primäre Zuständigkeit ‐ anders als bei EHEC!)
– Zuständigkeit für die Information der Öffentlichkeit liegt beim
BMLFUW
– Interviews
– Hintergrundinformationen für Berichte/Artikel
• Vorträge auf Informationsveranstaltungen
19. Fukushima
Lebensmittelüberwachung ‐ BMG
• ab 15. März auf Basis einer Empfehlung der EK
(Empfehlung der DG SANCO im Rahmen des RASFF)
• ab 26. März auf Basis einer EU‐Durchführungsverordnung
– LM aus bestimmten, vom Unfall betroffenen Regionen brauchen eine Bescheinigung
der japanischen Behörden, dass die Grenzwerte eingehalten sind
– LM aus anderen Regionen brauchen eine entsprechende Herkunftsbescheinigung
– MS müssen mind. 10 % (betroffene Regionen) bzw. 20 % (nicht betroffene Regionen)
der Importe messtechnisch kontrollieren
in Ö: Direktimporte werden zu 100 % gemessen, die Ergebnisse auf der BMG‐
Homepage veröffentlicht (Transparenz ‐ Vertrauensbildung!)
• ab Anfang April: stichprobenartige Kontrolle von Pazifikfischen auf Basis einer
Empfehlung der EK Veröffentlichung der Ergebnisse auf BMG‐HP
20. Fukushima
Lebensmittelüberwachung ‐ BMG
• Ergebnisse LM‐Kontrolle
– 24 Direktimporte sind erfolgt
– nur eine Probe war positiv (Zusatzstoff E 405)
– mit etwa 3 Bq/kg Cäsium‐134 und Cäsium‐137 weit unter dem
Grenzwert von 500 Bq/kg
– Alle Ergebnisse werden unverzüglich auf der BMG‐Homepage
veröffentlicht
– EU‐weit nur wenige positive Proben (alle weit unter Grenzwerten!)
21. Fukushima
Kontrolle Pazifikfischen ‐ BMG
• Ergebnisse „Pazifik‐Fischkontrolle“
– bislang 28 Proben untersucht
– zwei Proben (gleiches Produkt) enthielten Cäsium‐137 (0,2 Bq/kg)
– da kein Cäsium‐134 enthalten war, stammt die Radioaktivität nicht aus
Fukushima (wahrscheinlich aus den Kernwaffenversuchen im Pazifik)
– Alle Ergebnisse werden unverzüglich auf der BMG‐Homepage
veröffentlicht
22. Fukushima
Information der Bevölkerung…
„Strahlung aus Japan in Spuren auch in
Österreich messbar
ABER
weit unter der
gesundheitlichen relevanten Dosis“
„Keine direkte Strahlengefährdung – keine
KJ Prophylaxe“
„Kaum LM Importe aus Japan – werden zu
100% kontrolliert“
24. Strahlenexposition in Österreich
pro Person und Jahr (Mittelwerte)
Natürliche Strahlenexposition [mSv pro Jahr]
0,31
0,43
Radon
kosmische Strahlung
1,5 terrestrische Strahlung
Ingestion
0,35
Strahlenexposition durch Röntgendiagnostik: 1,3 mSv pro Person und Jahr
Beispiele: Lungenröntgen: 0,06 mSv pro Untersuchung
Abdomen-CT: 14,7 mSv pro Untersuchung
Dosis durch Fukushima (Inhalation, Ingestion): 0,00001 mSv einmalig pro Person
sehr konservative rechnerische Abschätzung (real wahrscheinlich noch geringer)
25. Fukushima
Information der Bevölkerung…
• Harmonisiert:
verschiedene Behörden/Institutionen dürfen keine widersprüchlichen
Informationen verbreiten
• Glaubwürdigkeit:
Handeln der Behörden muss mit Information übereinstimmen
(Beispiel: NÖ Kontaminationsmessungen am Flughafen Wien, obwohl
Öffentlichkeit informiert wurde, dass von Japanrückkehrern keine
Gefahr ausgeht)
26. Fukushima
Information der Bevölkerung…
• Nicht beschwichtigen:
auch wenn, wie bei Fukushima, keine Gefahr in Österreich
bestanden hat
• Transparenz:
Ergebnisse von Messungen von LM (oder anderer
Produkte) ‐ zeitnah, klar und verständlich aufbereitet
• Risiko‐Mündigkeit/‐Kompetenz
28. Fukushima ‐ EHEC
Unterschiede
• EHEC: Gefährdung Österreichs real
• EHEC: BMG allein zuständige Behörde
– es waren „nur“ die Länder zu koordinieren
(Probenziehungen, Betriebsbesuche)
– Proaktive Medienarbeit !
– Glaubwürdiges „Gesicht“, das kommuniziert (Expertin,
nicht der Minister)
29. Fukushima ‐ EHEC
Gemeinsamkeiten
– Transparente Kommunikation mit der Bevölkerung
– klare und zeitnahe Auskunft über Erkrankungszahlen und
Zuordnungen, über Probenziehungen / Ergebnisse bzw.
neue Erkenntnisse aus DE bzw. anderen MS (RASFF‐
Meldungen)
30. Zusammenfassend…
– Intensiver Dialog (interdisziplinär)
– Informationsaustausch mit allen beteiligten
Institutionen/Experten
– Abstimmung der öffentlichen Kommunikationsstrategie
– öffentliche Information
• Mediale Präsenz
• Transparenz
• Größtmögliche Offenheit
• Verständlichkeit und Klarheit
• Fachkompetenz
31. Vorteil im
LM Krisenmanagement ‐ Österreich
• Ein Bundesministerium (BMG) zuständig für
– Lebensmittel/Verbrauchergesundheit
– Veterinärwesen
– Humanbereich
• Vernetzte Zusammenarbeit Bund‐Land‐
Bezirksverwaltungsbehörden