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6             Gastkommentar



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                                                                            O-Ton
Bild: Telenet




                                                                             Wo sind denn
                                                                             die Visionen?
                                                                             Warum Videotelefonie auf einmal disruptiv ist, warum
                                                                             dank Facebook Menschen wieder telefonieren möchten
                                                                             und warum uns Facebook das Telefon zurückbringt.
                Anja Bonelli, Business-Development-Executive bei Telenet




                                    eit geraumer Zeit schreiben Menschen lieber, als dass sie spre-    de Umsetzung von Visionen und Innovationen, trotz R&D-Abteilun-
                                    chen, nutzen lieber die Nachrichtenfunktion bei Facebook,          gen, Business-Development-Managern und jeder Menge Marktfor-
                                    Google+ oder (noch) die Mail als Kommunikationsmedium.             schung. Nikolaus Franke, Professor an der Wirtschaftsuniversität
                                    Kaum hatte sich die Businesswelt an diesen Umstand gewöhnt         Wien sagte hierzu Anfang des Jahres: „Wir neigen oft reflexhaft
                                     und erste pragmatische Lösungen für die tägliche Routine          dazu, bei einer Innovation eher das Zerstörerische zu sehen, nicht
                                     gefunden, könnte nun – tatsächlich über Nacht – alles wieder      das Schöpferische. Dafür gibt es gute Gründe. Die Lobby derjeni-
                                     anders werden. Dank der so genannten sozialen Netzwerke:          gen, die Angst haben, etwas zu verlieren, ist gut entwickelt. Für
                                    Die Videotelefonie hält mit einigen Jahren Verspätung Einzug       das Neue fehlt sie meist.“ Tradierte Vorstellungen, der Respekt vor
                                 in die breite Masse, da Facebook mit dieser Funktion Ende Januar      der eigenen Größe und eben jene so trefflich beschriebene Angst,
                              seine Nutzer überraschte. Beim kleinen und in Deutschland weniger        haben selbst Größen wie Microsoft und Nokia sichtlich geschadet.
                              bedeutenden Netzwerk Google+ sind diese als „Hangout“ bekann-               Doch zurück zum „neuestem Schick“, der Videotelefonie: Es wird
                              ten Videochats schon länger bekannt, aufgrund der fehlenden              Zeit, die Ernten einzufahren! Bereits vor einiger Zeit war es das The-
                              Masse allerdings ohne herausragende Durchsetzungskraft. Und              ma, oder anders ausgedrückt: Die Technik funktionierte erstmalig.
                              plötzlich wird die fast totgesagte Videotelefonie Teil eines disrupti-   Viele Unternehmen sahen nun eine schöne Lösung der Kunden-
                              ven Geschäftsmodells – vom Stiefkind der Generation Y zum Star in        kommunikation und -bindung. Leider sah der Endkunde es anders
                              der Manege.                                                              und die teuren Telefone mit Bildschirm lagen wie Blei in den Rega-
                                 Wie konnte das passieren? Neu ist diese Entwicklung nicht –           len, großangelegte Marketingkampagnen blieben erfolglos. In heu-
                              durchaus nachvollziehbar am Tablet-PC, welcher sich erst ein Jahr-       tiger Sicht durchaus logisch, waren doch weder Preis noch Leistung
                              zehnt nach Marktreife durchsetzte. Oder dem mehr als 350 Millio-         ausgereift. Durch die heutigen Kostenlos-Modelle von Facebook,
                              nen Mal verkauften I-Pod, welcher jedoch seinen Ursprung in einer        Google und Apples „Facetime“ (I-Phone 5) mit einer Abdeckung
                              Entwicklung von 1979 hat. Doch was nun ist der entscheidende             von mindestens 70 Prozent in der Bevölkerung sowie der Tatsache,
                              Punkt, der Garant, dass ein Produkt einschlägt? Nun, wenn die            dass jedes Smartphone und jeder neuere handelsübliche PC ein ge-
                              Antwort eine Formel wäre (und ich sie wüsste), würde ich sie ver-        eignetes Übermittlungsmedium darstellt, wird sich nun eine breite
                              mutlich nicht an dieser Stelle verraten. Sicher ist jedoch eins: Es      Masse damit auseinandersetzen. Die Voraussetzungen sind also in
                              braucht eine gute Mischung aus Innovation auf der technischen            beiden Bereichen gegeben: Technik und Kultur. Nutzen Sie es!
                              Seite und die dazu passende Kultur. Denn erst wenn beides zusam-            Bleibt nur noch abzuwarten, wie die großen Carrier den Vorstoß
                              menkommt, wenn der Mensch bereit ist oder sein kann, das neue            sehen. Denn mit dem geschilderten Szenario wird tief in das Ge-
                              Produkt anzunehmen, erst dann wird der Erfolg in Zahlen messbar          schäftsmodell der deutschen Netzbetreiber eingegriffen. Bestreiten
                              – auch und besonders in unserer derzeit schnellen und manchmal           sie doch immer noch mit der klassischen Handy-Telefonie einen
                              ziemlich verrückten Welt.                                                Großteil ihrer Einkünfte, die Datennetze sind aufgrund der horren-
                                 Und weil die Wissensgesellschaft die Industriegesellschaft inklu-     den Ausbaukosten durch deren starke Verwendung keine positive
                              sive ihrer Werte und Normen abgelöst hat, viele Firmen jedoch            Erlösquelle. Also werden im Moment vermutlich (und hoffentlich)
                              noch in letztgenannter feststecken, werden weiterhin selbst Kon-         die Innovationsabteilungen mit Hochdruck an Visionen arbeiten.
                              zerne und Marken, die das Leben mehrere Generationen begleite-           Die dann hoffentlich umgesetzt werden, denn ansonsten ver-
                              ten, scheinbar über Nacht Konkurs gehen und Start-ups im gleichen        schwindet möglicherweise bald wieder eine bekannte Marke von
                              Zeitraum groß und mächtig werden. Der Grund ist meist die fehlen-        der Bildfläche.                                                  (MK)




                funkschau	 3-4/2013

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Gastkommentar funkschau 2013 03

  • 1. 6 Gastkommentar O-Ton O-Ton Bild: Telenet Wo sind denn die Visionen? Warum Videotelefonie auf einmal disruptiv ist, warum dank Facebook Menschen wieder telefonieren möchten und warum uns Facebook das Telefon zurückbringt. Anja Bonelli, Business-Development-Executive bei Telenet eit geraumer Zeit schreiben Menschen lieber, als dass sie spre- de Umsetzung von Visionen und Innovationen, trotz R&D-Abteilun- chen, nutzen lieber die Nachrichtenfunktion bei Facebook, gen, Business-Development-Managern und jeder Menge Marktfor- Google+ oder (noch) die Mail als Kommunikationsmedium. schung. Nikolaus Franke, Professor an der Wirtschaftsuniversität Kaum hatte sich die Businesswelt an diesen Umstand gewöhnt Wien sagte hierzu Anfang des Jahres: „Wir neigen oft reflexhaft und erste pragmatische Lösungen für die tägliche Routine dazu, bei einer Innovation eher das Zerstörerische zu sehen, nicht gefunden, könnte nun – tatsächlich über Nacht – alles wieder das Schöpferische. Dafür gibt es gute Gründe. Die Lobby derjeni- anders werden. Dank der so genannten sozialen Netzwerke: gen, die Angst haben, etwas zu verlieren, ist gut entwickelt. Für Die Videotelefonie hält mit einigen Jahren Verspätung Einzug das Neue fehlt sie meist.“ Tradierte Vorstellungen, der Respekt vor in die breite Masse, da Facebook mit dieser Funktion Ende Januar der eigenen Größe und eben jene so trefflich beschriebene Angst, seine Nutzer überraschte. Beim kleinen und in Deutschland weniger haben selbst Größen wie Microsoft und Nokia sichtlich geschadet. bedeutenden Netzwerk Google+ sind diese als „Hangout“ bekann- Doch zurück zum „neuestem Schick“, der Videotelefonie: Es wird ten Videochats schon länger bekannt, aufgrund der fehlenden Zeit, die Ernten einzufahren! Bereits vor einiger Zeit war es das The- Masse allerdings ohne herausragende Durchsetzungskraft. Und ma, oder anders ausgedrückt: Die Technik funktionierte erstmalig. plötzlich wird die fast totgesagte Videotelefonie Teil eines disrupti- Viele Unternehmen sahen nun eine schöne Lösung der Kunden- ven Geschäftsmodells – vom Stiefkind der Generation Y zum Star in kommunikation und -bindung. Leider sah der Endkunde es anders der Manege. und die teuren Telefone mit Bildschirm lagen wie Blei in den Rega- Wie konnte das passieren? Neu ist diese Entwicklung nicht – len, großangelegte Marketingkampagnen blieben erfolglos. In heu- durchaus nachvollziehbar am Tablet-PC, welcher sich erst ein Jahr- tiger Sicht durchaus logisch, waren doch weder Preis noch Leistung zehnt nach Marktreife durchsetzte. Oder dem mehr als 350 Millio- ausgereift. Durch die heutigen Kostenlos-Modelle von Facebook, nen Mal verkauften I-Pod, welcher jedoch seinen Ursprung in einer Google und Apples „Facetime“ (I-Phone 5) mit einer Abdeckung Entwicklung von 1979 hat. Doch was nun ist der entscheidende von mindestens 70 Prozent in der Bevölkerung sowie der Tatsache, Punkt, der Garant, dass ein Produkt einschlägt? Nun, wenn die dass jedes Smartphone und jeder neuere handelsübliche PC ein ge- Antwort eine Formel wäre (und ich sie wüsste), würde ich sie ver- eignetes Übermittlungsmedium darstellt, wird sich nun eine breite mutlich nicht an dieser Stelle verraten. Sicher ist jedoch eins: Es Masse damit auseinandersetzen. Die Voraussetzungen sind also in braucht eine gute Mischung aus Innovation auf der technischen beiden Bereichen gegeben: Technik und Kultur. Nutzen Sie es! Seite und die dazu passende Kultur. Denn erst wenn beides zusam- Bleibt nur noch abzuwarten, wie die großen Carrier den Vorstoß menkommt, wenn der Mensch bereit ist oder sein kann, das neue sehen. Denn mit dem geschilderten Szenario wird tief in das Ge- Produkt anzunehmen, erst dann wird der Erfolg in Zahlen messbar schäftsmodell der deutschen Netzbetreiber eingegriffen. Bestreiten – auch und besonders in unserer derzeit schnellen und manchmal sie doch immer noch mit der klassischen Handy-Telefonie einen ziemlich verrückten Welt. Großteil ihrer Einkünfte, die Datennetze sind aufgrund der horren- Und weil die Wissensgesellschaft die Industriegesellschaft inklu- den Ausbaukosten durch deren starke Verwendung keine positive sive ihrer Werte und Normen abgelöst hat, viele Firmen jedoch Erlösquelle. Also werden im Moment vermutlich (und hoffentlich) noch in letztgenannter feststecken, werden weiterhin selbst Kon- die Innovationsabteilungen mit Hochdruck an Visionen arbeiten. zerne und Marken, die das Leben mehrere Generationen begleite- Die dann hoffentlich umgesetzt werden, denn ansonsten ver- ten, scheinbar über Nacht Konkurs gehen und Start-ups im gleichen schwindet möglicherweise bald wieder eine bekannte Marke von Zeitraum groß und mächtig werden. Der Grund ist meist die fehlen- der Bildfläche. (MK) funkschau 3-4/2013