Social Media sorgt im Unternehmen nicht immer für eine Gutwetterlage. Dabei könnte die soziale Sonne scheinen, wenn SoM nicht als technischer Gimmick, sondern als radikale Änderung der Unternehmenskultur begriffen würde, wie es Gastautorin Anja Bonelli beschreibt
Fachartikel "Kundenservice 2.0", Fachzeitschrift One to One, Ausgabe Mailingt...
Lead Digital: Social Media Wetter
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social media
Unternehmenskultur
LEAD digital 11_2013
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Social Media sorgt in Unternehmen nicht immer für eine Gutwetterlage. Dabei könnte die soziale
Sonne scheinen, wenn SoM nicht als technisches Gimmick, sondern als radikale Änderung der
Unternehmenskultur begriffen würde, wie es Gastautorin Anja Bonelli beschreibt.
Social-media-wetter:
Sonne oder regen?
V
or einigen Monaten hatten durchaus mehr als eine Hand-
voll Unternehmen endlich eine neue eierlegende Woll-
milchsau gefunden. Man nannte sie Social Media. Viele
der Unternehmen sperrten sie in ein kleines, meist fensterloses
Büro – gleich neben der Küche. Weil es ja etwas ganz Neues war,
musste Spielgeld reichen statt realem Budget. Deshalb wurden für
Social Media auch diverse Materialien wie sinnvolle Software,
Hardware und anderer Schnickschnack gestrichen. Und natür-
lich konnten bestehende Prozesse, „Haben-wir-schon-immer-so-
gemacht“-Spielchen und weitere Attraktivitäten aus dem Archiv-
keller des Unternehmens weitere Verwendung finden. Nun, im-
merhin einige Wochen – also Stakeholder-Jahrhunderte – später,
ist die Resonanz eindeutig „Viel Aufwand, wenig Ertrag“, wie jetzt
wieder schön plakativ aus der Studie „Social Media-Trendmoni-
tor“ ersichtlich ist. Ist Social Media tot/sinnlos/vorbei? Lang lebe
– ja, was denn nun?
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Messung von ROI und sahen es als ihre größte Frustrationsquelle
im Spiel mit Social Media an. Die Realität – die zu bewerbende
Zielgruppe hinter den Zahlen und die per Definition „Sozialen Ka-
näle“ – blieb auf der Strecke: Kunden wollen keinen Social Spam
als Massenbotschaften, sondern bitteschön eine passgenaue Ant-
wort – außer, es gibt etwas abzuräumen. Nicht gerade die Lieb-
lingswörter eines der früher so häufig anzutreffenden Marketeers,
der in erster Linie seine einweggerichteten Werbebotschaften mit
Hochglanzlack und ADC-Prämierung an den beglückten Bald-
Neukunden huldvoll weitergeben wollte.
Wo und wann kam der Fehler zustande? Einfacher, als es Dhar-
mesh Shah, SoM-Entrepreneur der ersten Stunde, tut, ist es nicht
auszudrücken: „We start out exceptional. As we grow, there is a
dark force that pulls us toward average. If we regress to the mean,
we fail. It’s that simple.” Oder anders ausgedrückt: Alter Wein in
neuen Schläuchen funktioniert meistens nicht.
Fazit:aussicht auf persönliche kennzahlen
Viele Unternehmen, die von Anfang an erfolgreich die Klaviatur
namens Social Media einsetzten, fingen im Kundenservice an.
Dort muss man nämlich schon immer zuhören und Probleme lö-
sen. Also hörten sie auch weiterhin zu und sprachen mit dem Kun-
den. Die Empfehlungen der Kunden und Interessenten auf all den
bunten Plattformen blieben nicht aus, dann kamen die Fans, dann
in kürzeren oder längeren Zeitabständen der ganz und gar unrote
ROI.DennesgiltdiesimpleFormel:WeneedtostopsolvingforROI
first, and start solving for customers
first – and trust that ROI will follow
(siehe Hubspot 5/2013).
Dank toller Agenturen, geeigneter
Software, dem gesammelten Wissen
der geschulten Mitarbeiter und mei-
netwegen auch dem der externen
Beraterkonntendiepassenden,ganz
persönlichen KPIs gebildet werden.
Kennzahlen, die Platz für die Ent-
wicklung geeigneter Maßnahmen
machten, um peu à peu dieses Social
Media in weitere Prozesse zu invol-
vieren. Zum Beispiel revolutionier-
ten die Unternehmen den Dialog im
Kundenservice, veränderten das
Marketing, stellten die klassische PR
in Frage, fanden neues Personal und
liebäugelten mit einer Weiterver-
wendung als Innovations- und Pro-
dukterzeugungsmaschine. Ach, da
waren wir ja schon.
Anja Bonelli, Telenet
GmbH Kommunikationssysteme
den kunden überall ernst nehmen
Andererseits sind da hunderte von gesammelten ROI-positiven
Beispielen von Social Media in Unternehmen unterschiedlichster
Größe. Ein Erklärungsversuch: Die Firmen, die Social Media als
Ergebnis einer kulturellen Veränderung sahen und nicht als tech-
nischesGimmickodereierlegendeWollmilchsau–diewareninder
Regel erfolgreich. Denen klar ist, dass die neue Art der Kommuni-
kationauchnichtmehraufzuhaltenwäre,wennmorgenFacebook,
Twitter und Google gleichzeitig abgeschaltet werden würden.
Noch ein Erklärungsversuch: Vereinfacht könnte man behaup-
ten, der „digitale Kunde“ ist ein wenig anstrengender. Er ist auf
seinen Nutzen gerichtete Informationen gewöhnt, holt sich quan-
titativundqualitativhochwertige(andere)Meinungenein,schreibt
gern über seine Erfahrungen und ist schnell wieder weg, wenn die
Leistungen nicht seinen Erwartungen entsprechen. Und er lebt
nicht mehr ausschließlich virtuell – nein, er hat eine ganz normale
Wohnung,einenJobundvielleichtsogareinenHund.Undermöch-
te überall ernst genommen werden – in den sozialen Netzen (die
übrigens nicht nur aus Facebook bestehen) genauso wie im Laden
oder meinetwegen auch am Telefon. Weil es der gleiche Kunde ist.
Zurück zu den Social-Media-müden Unternehmen mit den
fensterlosen Büros: Spannend wird es, wenn nachgefragt wird, wel-
che Aktivitäten genau schief gelaufen sind. Und eins fällt schnell
auf: An den Dialog auf Augenhöhe wurde nicht explizit gedacht.
Um bei der eingangs erwähnten Faktenkontor-Studie zu bleiben
unddarauseinBeispielaufzuzeigen–der„Abdruck“derPressemit-
teilung in den Sozialen Netzen hat
nur eine Interaktionsrate von
zehn Prozent gebracht. Tja…
Lustigerweise haben anfangs vie-
leUnternehmendenpersönlichen
Dialog gesucht, sicherlich auch
bedingt durch die Angst vor Repu-
tationsabfall, stark engagierte
Mitarbeiter und die Innovations-
kraftderNetze.Rechtschnellwur-
de klar, dass das schwer mit beste-
henden Zielen zu verbinden ist.
Die Folge waren ROI-Diskussio-
nen in epischer Breite und eine
Heerschar von Beratern, die über
Nacht zu Social-Media-Experten
mutierten. Es fing an, Geld zu kos-
ten – ergo mussten Ergebnisse
her. Mit bekannten Bordmitteln
wurde versucht, Aufmerksamkeit
und Reichweite aufzubauen. Nach
einer Studie von Adobe (2012)
hatten 52 Prozent der Marketeers
Schwierigkeiten bei der genauen
Seit 2008 ist Anja Bonelli als
Business Development
Executive bei Telenet GmbH
Kommunikationssysteme in
München tätig und verantwor-
tet in dieser Funktion unter
anderem den Aufbau der
Telenet-Produktlinie sowie die
Entwicklung von Telenet
SocialCom®, einem Tool zur
nahtlosen Social-Media-Inte-
gration in Kundenservice,
Marketing/PR und weitere Geschäftsbereiche. Die
Medienmarketingfachwirtin referiert und publiziert
darüber hinaus rund um die Themen des Social Webs.
anja Bonelli
„We need to stop solving for ROI first
and start solving for customers first.“
Anja Bonelli, Telenet GmbH Kommunikationssysteme