Diplomarbeit "Der kleine Mann im Ohr" von Antoine Léchevin
Mediengestaltung, Bauhaus-Universität Weimar, 2006.
Betreut durch Robin Minard und Wolfgang Kissel
3. Dokumentation zur Diplomarbeit
Fakultät Medien/Mediengestaltung
Bauhaus Universität Weimar
Sommersemester 2006
betreut von:
Prof. Wolfgang Kissel
Prof. Robin Minard
4.
5. inhaltsverzeichnis
___________________________________________________ ___________________________________________________
einleitung 7 organisation 25
___________________________________________________
der weg zum diplom 9 Die Sprecher 25
___________________________________________________
Das Studium 9 die nachbearbeitung 27
Das erste Exposé 6 die Dialoge und Gespräche 27
Die Recherche 10 die Komposition 27
___________________________________________________ Die „andere Atmos“ 28
martin hagemeier und das manuskript 11
Ableton live 29
Martin Hagemeier 11 Beispiel 30
___________________________________________________
Das Manuskript 13 schlusswort 31
Inhalt 14 Exposé 14 Die Geschichte 14 ___________________________________________________
Themen 14 Das Hören 14 Der Tinnitus 14 der kleine mann im ohr (manuskript) 33
___________________________________________________
Inhalt & Form im Manuskript 16 credits 53
Die Sprache 17 ___________________________________________________
Die Sprachverfremdungen 18 bibliografie 54
Die Stimmverfremdung 18 ___________________________________________________
___________________________________________________ ehrenwörtliche erklärung 57
mein gestaltungskonzept 21 ___________________________________________________
ein Hörspiel im Hörspiel 21
Die Stimme 22
Mein Konzept 24
___________________________________________________
6.
7. einleitung
Als Diplomarbeit stelle ich die akustische Umsetzung
des Hörspielmanuskripts „der kleine Mann im Ohr“ von
Martin Hagemeier vor.
Meine Arbeit besteht aus der Produktion des Hör-
spiels (Organisation, Aufnahme, Bearbeitung, Vertonung
und die Klangkompositionen) und dieser beiliegenden
Dokumentation. Dieser versteht sich als Einleitung
zum Hörspiel: ich werde Ihnen erstens beschreiben,
wie ich zu meinem Diplomthema kam, dann werde ich
Ihnen den Autor Martin Hagemeier vorstellen und das
Manuskript analysieren. Im Anschluss daran werde ich
meine Interpretation des Manuskripts und mein Ge-
staltungskonzept erläutern, gefolgt von einem Einblick
in die Organisation und die Technik und endlich die
technische Bearbeitung des Hörspieles.
In dem Stück „der kleine Mann im Ohr“ geht es um
akustische Kommunikation und Wahrnehmungsstörung:
Ein junger Mann wird von der alltäglichen Informations-
flut überwältigt. Er schafft es nicht mehr Informationen
von außen aufzunehmen. Um sich vor der realen Welt zu
schützen, bildet er einen Filter - einen kleinen Mann - in
seinem Ohr, der die eingehenden Informationen von der
Außenwelt dekonstruiert und neu zusammensetzt.
Die Hörspielproduktion geht über eine simple Verto-
nung des Manuskripts hinaus. Sie stellt auch Fragen zur
Grundlage der Kommunikation und der Sprache, des
Hörens und Verstehens, der Subjektivität und der Ob-
jektivität. Sie ist eine akustische Auseinandersetzung mit
der Stimme in ihrer Funktionalität als Informationsträger
der Sprache (Sinnvermittelnd) und in ihrer Materialität
(als Klangerzeuger).
8. der weg zum diplom Das Studium
Einige Projekt- und Fachkursarbeiten an der Universität
Bevor ich Ihnen „der kleine Mann im Ohr“ vorstelle, können durch die verwendeten Techniken und Konzepte
möchte ich an dieser Stelle einen kurzen Einblick in meine als Grundlagen meiner Diplomarbeit gelten. Ich möchte
bisherigen Arbeiten anbieten. Die Suche nach einem Di- sie Ihnen kurz beschreiben.
plomthema ist auch ein großer Teil der Arbeit gewesen und Mit verfremdeter Sprache habe ich bereits im Rahmen
eine Entscheidung zu treffen fiel nicht so leicht: die Arbeit des Projektes „Erfahrungsaustausch: die D.D.R. in der
sollte möglichst viele Facetten meiner Fähigkeiten und aktuellen Kunst“ bei Katharina Tietze experimentiert.
Kenntnisse wiedergeben können. Wie sollte ich am besten Ich realisierte den Remix eines französischen Sprach-
in einer Abschlussarbeit darstellen, was ich während kurses aus der D.D.R. Die Stimmen der Lehrer aus der
meines Studiums an der Bauhaus-Universität erlernt habe? Tonbandaufnahme wurden digitalisiert, in Wörter und
Silben zerlegt und neu zusammengesetzt. Der Text hatte
Das Studium der Mediengestaltung an der Bauhaus-Uni- einen gewöhnlichen Arbeitstag in einer Fabrik zum Ge-
versität-Weimar umfasst ein breites Lehrangebot. Es wird genstand, daher komponierte ich einen Techno-artigen
dem Studierenden viel Freiheit in Hinsicht der Wahl seiner Song mit repetitivem Rhythmus und entsprechender
Werkzeuge und Themen gelassen. Daher fand ich es wich- Dynamik.1
tig, mit gut ausgearbeiteten Konzepten an die praktischen Entscheidend war auch die Abschlussarbeit „as Bill
Arbeiten heranzugehen. Es geht für mich nicht um tech- walks through the cities of OS“2, entstanden im Projekt
nische Performance oder reine theoretische Forschung, „Open Cultures“ bei Cornelia Sollfrank, ein Hörspiel über
sondern um eine gute Balance zwischen der künstleri- künstlerisches Eigentum und Urheberrechte. Ich bear-
schen/technischen Praxis und einer medientheoritischen beitete die Stimmen der Hörspielsprecher live (während
Fragestellung. Das Studium hat es mir ermöglicht vieles der Sendung im Radio). Ergebnis war eine atmosphä-
auszuprobieren, Konzepte zu entwickeln und umzusetzen. rische Klangcollage, die wiederum die Stimmen der
Sprecher begleitete.
Es sind Themen und Techniken, die mich schon lange
vor meinem Studium interessiert haben. Die Suche nach An dieser Stelle möchte ich anmerken, dass ich mich auch
Formen der Kommunikation zum Beispiel: wie kann man außerhalb der Universität mit Vertonung von Filmen3 und
am besten eine Idee mitteilen? Welche Prozesse finden Musik beschäftige. Mein Musikprojekt „sta:ry 6“4 mit
bei der sprachlichen Kommunikation statt und welche Tobias Blumtritt, der für „der kleine Mann im Ohr“ einige
Möglichkeiten der Darstellung bieten sich an? Wie Geräusche und die Hintergrundmusik der Fernsehsen-
werden Informationen vermittelt? In meinem Studium dung zur Verfügung gestellt hat, entwickelte sich zu einer
habe ich erst in Seminaren, Vorlesungen, praktischen spielerische Plattform für unterschiedliche musikalische
Übungen und Projekten nach Antworten gesucht. Bei Zusammenarbeit. Einerseits komponiere und produziere
dieser Suche nach Antworten eröffneten sich immer ich Songs im Popformat, andererseits remixe (Neuabmi-
weitere neue Fragen, denen nachzugehen mir wesent- schung und Neustrukturierung) ich Titel anderer Künstler:
lich interessanter erschien. ich arbeite dann ausschließlich mit den originalen Ton-
9. spuren, die ich durch Cut Paste und Effektfilter neu
gestalte und anders zusammensetze, um eine andere
Komposition zu erhalten. Oft wird dabei das Eingangs-
material ganz anders verwendet als beim Original-Titel
(die Stimme wird zum rhythmischen Part, die Rhythmen
werden zu Gesang, usw…). Des Weiterem startete ich im
Sommer 2005 eine Zusammenarbeit mit Martin Hagemei-
er, der Texte für neue Musikstücke schreibt.
Neben den praktischen Übungen habe ich mich in
Seminaren und Vorlesungen mit Semiotik, Linguistik
und Akustik beschäftigt. In der Medientheorie sehe
ich die Möglichkeit, die praktische Arbeit förmlich und
inhaltlich zu verfestigen und zu vertiefen. Gleichzeitig
kann sie auch Anregungen für neue praktische Arbeiten
liefern. Die Veranstaltungen von Prof. Dr. Lorenz Engell
über Semiotik, Dr. Sonja Neef über Theorie und Ge-
schichte der Schrift so wie von Dr. Ute Holl „Inszenie-
rung der Stimme“ um nur einige zu nennen, haben eine
medientheoretische Grundlage für meine Diplomarbeit
geschaffen. Auf diese Theorie werde ich später im Lau-
fe der Dokumentation genauer zu sprechen kommen.
Dank der Fachkurse von David Moufang (experimen-
telles radio: „sounds, politics and poetry“ und „Bauhaus
Jingles“) von Dieter Kemter „Computerklänge“ und von
Joachim Müller „Tonstudiotechnik“ wurde ich mit Auf-
nahme- und Klangbearbeitungstechniken sicherer.
Das erste Exposé.
All diese Erfahrungen bilden die Grundlage für meine
Diplomarbeit. Diese Arbeit sollte meine Fähigkeiten
im technischen Bereich verbinden mit den im Studium 1 http://www.uni-weimar.de/~lechevin/monsieurbrunet
behandelten medientheoristischen Fragestellungen. (remix2004).mp3
Ich wollte ein Diplomthema finden, bei dem ich mit 2 http://www.uni-weimar.de/~lechevin/as-bill-walks.mp3
Klängen, Stimmen und Sprache (und dem Prozess der 3 http://gonzo.uni-weimar.de/~lechevin/musik_film.htm
Kommunikation) arbeiten konnte. 4 http://www.stary6.com
10. 10 Meine ersten Gedanken gingen in Richtung eines um, Klanggestaltung und Klanginstallation, Poesie, Mu-
menschlichen Interfaces: Ein Mensch als Schnittstelle sik und Hörspiele. Nicht alle meine Recherchen haben
zwischen Körper, Sprache und Stimme. Ich wollte ein mir direkt für meine Arbeit geholfen, meistens waren sie
Projekt finden, in welchem der Mensch nicht nur als aber interessante Anregungen für weitere Forschung und
Sender und Empfänger von Informationen verstanden die Entwicklung neuer Ideen.
werden konnte, sondern darüber hinausgehend als
Kommunikation selbst. Ein Subjekt, das gleichzeitig
Objekt seiner Kommunikation sein kann.
Womit ich arbeiten und was ich damit erreichen
wollte, war mir schon ziemlich klar, aber das konkrete
Umsetzungskonzept musste ich noch entwickeln. Sollte
es eine Klanginstallation werden? Eine Komposition?
Mein erstes Exposé, das ich zur Diplomanmeldung vor-
legte, lautete:
[…] Was ich vor habe? Ich möchte an einer Audiokomp-
osition arbeiten. Als Soundquelle werde ich Stimmen (In-
terviewausschnitte von Prominenten…?, Politikerreden…?
-- jedenfalls Aussagen zum Thema Echtheit/ Realität/
Wahrheit) verarbeiten, die durch eine Art „Klanglabora-
torium“ und durch verschiedene Verfahren verfremdet
werden. Untersucht wird dabei die Beziehung von Inhalt
(Sprache/Rede) und Form (Stimme), sowie die Interaktion
zwischen Information und Informationsträger (inwiefern
der Informationsträger die Information beeinflusst) […]
Was passiert denn, wenn die durch das Medium übertra-
genen Informationen gedehnt und verfremdet werden, bis
sie ihre grundsätzliche Substanz verloren haben und nur
noch Form sind? Ob meine Arbeit statisch (Vorführung)
oder dynamisch (interaktive Installation) sein wird, steht
noch nicht fest. […]5
Die Recherche.
Ich sammelte zunächst Literatur und Dokumentationen
zu diesen Themen: Akustik und Phonetik, Linguistik und
Semiotik, Sprache und Psychoanalyse, Stimme als Medi-
11. martin hagemeier und das manuskript 11
Auf der Suche nach Inspiration und Material traf ich
mich mit meinem Freund, dem Schriftsteller Martin
Hagemeier und berichtete ihm von meinen Vorstel-
lungen. Er schlug mir vor sein Hörspielmanuskript „der
kleine Mann im Ohr“ zu lesen, das viele Themen, die ich
bearbeiten wollte, beinhaltet. Ich las den Text und war
so begeistert, dass ich mich nach kurzer Zeit entschied,
für meine Diplomarbeit das Manuskript als Hörspiel
umzusetzen. Bei der ersten Lektüre flossen die Ideen für
eine akustische Interpretation.
Ich fand es erstaunlich, wie die im Hörspiel aufgegrif-
fenen Themen mit jenen Ideen meines ersten Diplomex-
posés übereinstimmten und sah in der akustischen Um-
setzung des Textes eine sehr interessante Möglichkeit,
das Spiel zwischen Inhalt und Form zu betonen und zu
erweitern. In diesem Abschnitt möchte ich Ihnen Martin
Hagemeier und sein Manuskript vorstellen.
Martin Hagemeier
Martin Hagemeier, geboren 16, ist Schriftsteller und
arbeitet als Werbetexter. Bereits vor seinem Studium
der Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation mit
Hauptfach verbale Gestaltung an der Universität der
Künste in Berlin und der Semiotik an der Technische
Universität veröffentlichte er Kurzgeschichten in Litera-
turzeitschriften6. 13 erhielt er das Alfred-Döblin-Sti-
pendium der Preußischen Akademie der Künste Berlin
und 14 die Berliner Künstlerförderung.
Martin Hagemeier versteht Literatur nicht als eine
Verschriftlichung der Welt, ein politisches Werkzeug
oder belehrendes Objekt, sondern er sieht in ihr eine
Kunstform: das Schreiben ist eine Suche nach und eine
Entwicklung von Formen und Strukturen und soll sich 5 In einer privaten E-mail vom 24. März 2006 an Prof. Minard
mit seiner Zeit auseinandersetzen. und Prof. Kissel.
12. 12 Er setzt seine Arbeiten deutlich als Gegenpol zur aktu- der Sprache und die Strukturen des Romans vermittelt
ellen vorherrschenden Literatur, die sonst gerne Stories wird. Vor allem bekommt der Leser eine besondere Po-
und Plots mit Sensation und Spektakel aufbaut, die neue sition: ihm bleibt die Auffindung von Sinn überlassen.
Stories entwickelt, aber in altbekannten Denkmustern, Alain Robbe-Grillet definiert die Funktion der Kunst in
welche die Leser in ihren Wahrnehmung rückversichern. „Argumente für einen neuen Roman“:
Statt dessen stellt Martin Hagemeier lieber Fragen,
möchte die Wahrnehmungsgewohnheiten der Leser „… Denn die Funktion der Kunst ist niemals, eine Wahr-
aufbrechen und die Form und Struktur des Textes auch heit zu illustrieren - oder auch eine Frage-, die man schon
zur Vermittlung von Information nutzen. kennt, sondern Fragen aufzuwerfen (und vielleicht auch
Diese Auseinandersetzung mit der Form und der zur rechten Zeit Antworten zu geben), die sich selbst noch
Sprache geht weit über ein einfaches Spiel mit dem Text nicht kennen. …“
und den Wörtern hinaus, sie stellt eine Auseinanderset-
zung mit der Wirklichkeit dar. Es wird bei Martin Ha- Neben dem Nouveau Roman zählt die Beatliteratur, mit
gemeier die Skepsis an der eigenen Wahrnehmung und ihrer Spontaneität, ihrem Rhythmus, ihrer Musikalität
Haltung gegenüber (oder Zweifel an) der Wirklichkeit und dem Wegwerfen von Prinzipien und traditionellen
entwickelt, so dass sich die persönlichen Grenzen des Strukturen zu den Vorbildern von Martin Hagemeier.
Lesers erweitern können und er sich in Konfrontation Auch die Konkrete Poesie spielt für ihn eine wichtige
mit dem Text selbst bilden kann. Rolle: die Sprache dient nicht mehr nur einer Be-
schreibung, sondern wird auch selbst zum Zweck des
Die neuen Literaturformen der Nachkriegszeit, wie der Gedichtes. Die phonetischen, visuellen und akustischen
Nouveau Roman haben seine Arbeiten am stärksten Komponenten der Sprache werden zum literarischen
beeinflusst. Das Experimentieren mit der Form steht Mittel. Die Poesie besteht aus der Konstruktion des
im Vordergrund der neue Literaturbewegung aus dem Gedichtes, aus seiner Zusammensetzung von Sprach-
Frankreich der 50er Jahre. Die Nouveau Roman-Schrift- elementen und nicht nur aus dem sinnvermittelnden
steller wenden sich gegen die überlieferten Erzähl- Inhalt.
formen des traditionellen Romans. Sie möchten nicht Dem Klang der Wörter, auch wenn sie zunächst nur
durch narrative Texte eine Wahrheit vorstellen, eine niedergeschrieben werden, kommt eine große Bedeu-
Ideologie vertreten oder ihre Weltansicht durchsetzen. tung zu. Wie eng das Schreiben und Lesen bei Martin
Sie sehen keine moralische oder politische Kraft in Hagemeier an das Akustische gebunden ist, wird in
der Literatur, zumindest wollen sie diese nicht durch einem kritischen Text über die heute vorherrschende
Erzählungen vermitteln. Das gilt auch für die Arbeiten Literatur und ihre „sensationellen Stories“ auf dem Buch-
von Martin Hagemeier: die Themen, die dargestell- markt deutlich:
ten Situationen, die Charaktere und die Struktur des
Schreibens selbst sprechen aktuelle soziale Themen an, „Das ist eine Beleidigung des Lesers: Wird diesem doch
werden aber meist ironisch und satirisch aufgegriffen. unterstellt, dass er taub für die feinen Töne ist und daher
Weit wichtiger ist die Aussage, die durch die Form viel Radau gemacht werden muss, damit er überhaupt
13. noch etwas mitbekommt. Als litte jener Leser, an denen 13
jene Schriftsteller so viel denken, unter einer Art geistigen
Gehörschaden.
Auf diese Weise ist die vorherrschende gegenwärtige
Literatur zu einem Jahrmarkt voller Schreihälse verkom-
men, die mit lautem Gekreische und Getöse versuchen, das
Publikum für ihre persönliche Schaubude zu gewinnen.
[…]“
Wir können seine Ansichten folgendermaßen zusam-
menfassen: Die Literatur soll die Konstruktion der Wahr-
nehmung fördern. Sie soll es dem Leser ermöglichen,
sich selbst ein Bild zu machen, statt ihm vorgefertigte
Antworten zu geben. Außerdem sind seine Texte in
realistischen Situationen verankert. Keine unglaublichen
Charakteren oder außergewöhnlichen Ereignisse. Es geht
um eine Auseinandersetzung mit unserer Wirklichkeit
und Welt, ohne sich hermetisch und selbstrückbezüglich
abzuschotten.
Das Manuskript
Inhalt | Exposé9
Junior leidet an einem Tinnitus, einem dauerhaften Oh-
rensausen. Eine Auseinandersetzung mit der Gesellschaft
fällt ihm schwer. Er möchte gerne einen Job finden, er ist
bemüht, sich gut zu präsentieren, möchte dazu gehören.
Nur fehlt ihm an Selbstbewusstsein, an Selbstvertrauen.
Er traut sich nicht die Dinge zu hinterfragen, sich mit
Problemen zu konfrontieren. Wenn er in Konfliktsituati-
onen kommt, wenn zu viele oder unangenehme Infor-
mationen auf ihn einströmen, verzerrt und verfremdet er
durch seinen kleinen Mann im Ohr die Welt und verän- 6 Siehe Bibliografie.
dert auf dieser Weise seine Wahrnehmung der Welt. Er Robbe-grillet, 165
fühlt sich wie Sender und Empfänger gleichzeitig. Martin Hagemeier, einige Anmerkungen zur Literarischen Mono-
kultur von Heute, 2004, unveröffentlicht.
Vollständiges Manuskript, siehe Kapitel VIII.
14. 14 Inhalt | Die Geschichte und wissenschaftlicher Sicht erläutere, möchte ich kurz
über das Ohr, das Hören und das Hörsystem berichten.
Die Rahmenhandlung des Hörspiels ist das Vorstellungs-
gespräch von Junior bei einem Arbeitgeber. Der Chef Themen | Das Hören
stellt die Motivationen und das Selbstbewusstsein des Hören ist die Fähigkeit vieler Lebewesen Schall wahr-
jungen Mannes in einer unerhörten Art auf die Probe. Er nehmen zu können: Luftdruckveränderungen stimulieren
mit ihm spielt. Aus seiner Machtposition heraus drängt ein Sinnesorgan - das Ohr - und werden in elektrische
er Junior zu Stellungnahmen, will ihm aber auch helfen. Impulse über das Nervensystem an das Gehirn weiter-
Junior, der von Natur aus nicht selbstsicher ist, weiß sich geleitet. Das Ohr besteht aus drei Hauptelementen: Das
nicht zu helfen und flüchtet immer wieder in seine eige- Außenohr, das die Luftschwingungen einfängt und ihre
nen Gedanken. Eine Welt der verzerrten Wahrnehmung. Einfallsrichtung kodiert, das Mittelohr, das die Signale
Er weigert sich Informationen aufzunehmen, schützt des Außenohres mechanisch an das Innenohr überträgt
sich vor der Realität, indem er sich seine eigene kreiert, und das Innenohr, das den Schall in Nervenimpulse
durch seinen Tinnitus. In diese Haupthandlung sind an- umwandelt und an das Gehirn sendet. Die Verarbeitung
dere Szenen eingebettet: ein Besuch bei der Ärztin, ein im Gehirn erfolgt in drei Takten: erstens kommt die
Telefonat mit der Sekretärin der Firma, Junior am Bahn- Information an, dass etwas zu hören ist: der Schall wird
hof und im Zug auf dem Weg zum Vorstellungsgespräch, wahrgenommen. Zweitens wird das Hörereignis identifi-
Erinnerungen an ein Frühstück mit seinem Vater, ein ziert (im Fall der Sprache heißt es z. B. das Wort „Hallo“
Abend in einer Bar, eine Fernsehsendung… Nicht nur wird phonetisch gehört, nämlich die Laute [ha’lo ]) und
wegen des Chefs bekommt Junior den Tinnitus, sondern endlich werden die Laute [ha'lo ] als Zeichen der Begrü-
auch wegen seiner Lebenseinstellung: wo immer er ist, ßung erkannt und verstanden.
wird er von der Menge der Kommunikation überwältigt.
Themen | Der Tinnitus
Themen Unter dem Begriff „Tinnitus“ (auf deutsch „das Klin-
„Der kleine Mann im Ohr“ steht, wie die Redensarten- geln“) versteht man eine akustische Wahrnehmung, der
Index-Seite im Internet berichtet, für spinnen, verrückt keine äußere für andere Personen wahrnehmbare Quelle
sein, wird aber auch als Bezeichnung für einen Tinnitus entspricht. Der Tinnitus ist eine Störung der Hörfunk-
verwendet. Dieser umgangssprachliche Ausdruck leitet tion, jedoch ist er keine Krankheit an sich, sondern das
sich aus folgender Vorstellung ab: Wenn jemand etwas Symptom einer oder mehrerer anderer Krankheiten,
Unsinniges oder Verrücktes sagt, wird es damit erklärt, also das Zeichen einer Krankheit: er kann nur durch den
dass ein Männchen in seinem Ohr sitzt, das ihm dies Betroffenen wahrgenommen werden. Lärmtrauma und
eingeflüstert hat. Auch der Fall von jemandem, der an zahlreiche Krankheiten wie z. B. eine Entzündung des
Ohrgeräuschen leidet, geht auf die Vorstellung eines von Ohres können einen Tinnitus verursachen, allerdings
einem kleinen Mann Besessenen zurück.10 wird häufig von den Betroffenen der Stress als Auslöser
Der Tinnitus spielt eine zentrale Rolle im Hörspiel. erkannt. In solchen Fällen ist ein psychosomatischer
Bevor ich den Tinnitus als Krankheit aus medizinischer Einfluss nicht auszuschließen.
15. Die Klangeigenschaften des Tinnitus sind sehr varia- 15
bel: er wird mit Brumm- oder Pfeiftönen, Zischen und
Rauschen verglichen, deren Frequenzen zwischen 0 und
1000 Hz bzw. bei 000 Hz liegen und mit gleichmäßiger
Intensität oder rhythmisch-pulsierendem Charakter.
Jedoch ist auch anzumerken, dass der Tinnitus nicht
immer einem realen Geräusch entspricht. Als Folgen
eines Tinnitus können Schlafstörungen, Angstzustände,
Depressionen und Arbeitsunfähigkeit auftreten.11
Da der Tinnitus eine subjektive Wahrnehmung ist,
haben Wissenschaftler keine Möglichkeit ihn zu messen.
Über seine Lokalisierung im Hörsystem gibt es auch nur
Hypothesen. Ich möchte jetzt nicht über die mecha-
nischen Hypothesen berichten (physische Beschädigung
der Hörnerven oder der Hörzellen im Innenohr), lieber
konzentriere ich mich auf die psychischen Störungen
der Prozesse des Hörsystems entlang oder während der
Verarbeitung im Gehirn, die für meine Arbeit entschei-
dend sind.
Die Luftschwingungen, die das Ohr betreten, können
im Innenohr falsch verarbeitet werden. Das Innenohr ist
von Haarzellen bedeckt, die durch den aus dem Außen-
und Mittelohr mechanisch weitergeleiteten Schall ge-
kippt werden können. Dabei werden Poren geöffnet, in
denen elektrisch geladene Teilchen die Schallinformati-
onen als Impulse an den Hörnerv übergeben. Ob dieser
Mechanismus gestört ist oder erst die Interpretation der
Impulse im Gehirn, ist nicht bekannt. Jedoch wurde fest-
gestellt, dass Leute mit geschädigtem Hörnervensystem
auch unter Tinnitus leiden können.
Eine akustische Fehlinformation allein ist aber noch
kein Tinnitus. Im Gehirn gerät sie in einen Regelkreis
hinein und selbst wenn die Ursache im Ohr aufhört, 10 http://www.redensarten-index.de/
läuft sie als Wahrnehmungsschleife im Zentralnervensys- 11 http://de.wikipedia.org/wiki/Tinnitus
tem weiter: man redet nun vom zentralisierten Tinnitus.12 12 Zenner, 1.
16. 16 Das Hörsystem ist auch eng mit dem emotionalen zu verstehen, was der Tinnitus bedeutet, was er zu sagen
Bereich des Gehirns verbunden, daher sind die Tinnitus- hat, was der kleine Mann im Ohr zu sagen hat. Junior
Betroffenen schnell emotional belastet und umgekehrt setzt seine Unfähigkeit sich sozial zu integrieren kör-
kann eine emotionale Belastung wie Stress den Tinnitus perlich um, in Form eines Tinnitus, die Materialisierung
unterstützen. seiner inneren Stimme.
Es sind für den zentralen Tinnitus keine seriösen
wissenschaftlichen Untersuchungsergebnisse bekannt, Dass Junior fähig ist oder sich zumindest für befähigt
die die Wirksamkeit einer Behandlung belegen. Manche hält, Nachrichten und Signale zu senden und zu empfan-
Wissenschaftler und Mediziner empfehlen eine Retrai- gen, stellt die Frage der Grenze zwischen dem eigenen
ning Therapy des Hörens: bei chronischem Tinnitus muss Körper und der Außenwelt, zwischen dem Subjekt und
der Betroffene lernen, mit seinem Ohrgeräusch umzuge- dem Objekt, der Verkörperlichung des Mediums. Junior
hen. Wenn man hörgesund ist, werden alle Schallwellen ist empfindlich und sensibel, besonders in sozialen
der Umgebung aufgenommen und unbewusst gefiltert. Kontexten, und reagiert körperlich darauf. Er schafft es
Also entscheidet man sich, was man hören möchte oder nicht, sich in seine soziale Umgebung zu integrieren. Er
braucht. Wenn man sich auf ein Geräusch konzentriert, ist Sender und Empfänger von Botschaften und zugleich
wird es im Gehirn verstärkt. Wer unter chronischem die Botschaft selbst. Medium und Information treffen
Tinnitus leidet, sollte wieder lernen sich auf andere sich in seinem Ohr. Er kann die Außenwelt nicht mehr
Geräusche zu konzentrieren, die Klänge der realen Welt von seiner Innenwelt unterscheiden. Sein Körper ist
erneut hören lernen. Es geht darum sich für etwas zu nicht mehr Akteur im Kommunikationsprozess, sondern
entscheiden und nicht gegen etwas: Hören wählen statt Materie der Kommunikation. Junior findet seinen Platz
weghören.13 in der Realität nicht mehr.
Wenn wir diesen Prozess andersherum betrachten, Inhalt Form im Manuskript.
könnte man den Tinnitus als Schutz gegen die Außen- Die Ideen, die auf der inhaltlichen Ebene vermittelt
welt verstehen, als Filter, um die echten Geräusche der werden, spiegeln sich auch in der Form des Manusk-
Realität nicht wahrnehmen zu müssen. Der Tinnitus ripts wieder. Das Spiel mit der Struktur findet man in
kann also als eine Art innerer Störsender oder Informati- der Struktur der Sprache des Textes und im Rhythmus
onswandler begriffen werden. zwischen den Repliken wieder. Der Aufbau der Szenen
Und genau das ist das Problem von Junior im Hör- missachtet die Chronologie: das Vorstellungsgespräch
spiel. Er weigert sich Informationen aufzunehmen, wird durch Erinnerungen oder Ereignisse unterbrochen.
etwas in sich eindringen zu lassen, stellt sich gegen den Der Rhythmus zwischen den Repliken innerhalb einer
Chef, schirmt sich von der Welt ab, statt sich mit der Szene ist abwechslungsreich: die Dialoge zwischen Chef
Wirklichkeit auseinanderzusetzen: er entwickelt einen und Junior bestehen aus kurzen Repliken nach dem
Tinnitus, um seinen Mangel an Kraft die Welt wie sie ist Muster Frage/Antwort, die immer wieder von Mono-
zu akzeptieren, zu kompensieren. Also geht es in dem loge begleitet oder durch den Auftritt der Sekretärin
Hörspiel um das Hören, um das Besserhören, um somit unterbrochen werden. Junior fasst sich während des
17. Gesprächs eher kurz, der Chef verfällt gerne in längere, 1
belehrende Monologe. Allein, verträumt in seine Welt
zurückgezogen, entwickeln sich Juniors Monologe zu
Aufzählungen, Wiederholungen und Gedankenassoziati-
onen. Sie scheinen nicht mit der Zeit verbunden zu sein.
Seine Gedanken laufen quer durch seinen Kopf, ohne
Linearität.
„der Kleine Mann im Ohr“ wurde für das Radio geschrie-
ben. Der Autor hat bereits mit dem Wort als Klangträ-
ger gearbeitet. Die Sprache und die Stimmen, die die
verschiedenen Rollen verkörpern, haben im Text ihre
bestimmten Eigenschaften. Schon die Regieanweisungen
im Manuskript stellen eine (durch verschiedene Verfah-
ren bewirkte) Verfremdung dar. Einerseits wird die Spra-
che selbst verfremdet – durch die Art und Weise, wie
sich ein Charakter im Hörspiel ausdrückt; andererseits
wird die Stimme durch Technik (Telefon, Sprechanlage,
Durchsagen…) moduliert.
Die Sprache
Die Sprache stellt ein Zeichensystem dar. Nach Ferdin-
and de Saussure wird die Sprache als Verbindung von
Lautbild und Vorstellung gefasst. In der „Cours de lingu-
istique générale“14 hat er die Prozesse des Sprechens un-
tersucht. Er unterscheidet die langue, ein Regelsystem,
einen Zeichenvorrat, von der langage, der allgemeinen
Sprachfähigkeit der Menschen, und von der parole, den
Sprechakt selbst. Er erforscht die Konventionalität und
die Arbitrarität des Zeichens: die Laute, die wir beim
Sprechen mitteilen, verweisen auf die Vorstellung eines
Objekts und nicht auf das Objekt selbst. Die Sprache
ist das Bild eines Objekts, ein Designationprozess: das
Nennen. Das Zeichen hat zwei Seiten: einerseits den Na-
men, das signifiant (Bezeichnende), das image acoustique 13 http://www.tinnitus.org
(Lautbild) und andererseits die Vorstellung eines Ob- 14 Saussure, 16, S. 2
18. 1 jekts, das signifié (Bezeichnete). Die Beziehung zwischen zung der Wörter schafft eine neue Ebene der Bedeu-
dem Bezeichnenden und dem Bezeichneten ist beliebig, tung. Junior hat wenig Selbstbewusstsein und ihm
arbiträr. Innerhalb einer langue (Sprachsystem) werden fehlen die Eigenlaute.
diese sprachlichen Zeichen konventionell benutzt, man
kann sich untereinander verstehen, weil ein Lautbild auf Die Stimmverfremdung
dieselbe oder eine ähnliche Vorstellung verweist. Die Stimme, Vehikel der Sprache, wird in den Manus-
Das Bezeichnende ist von der Zeit bestimmt. Saussure riptanweisungen durch Technik und Mediengeräte ver-
redet von der Linie der Zeit, in der man sich akustisch zerrt. Diese Stimmen werden durch Telefon, Sprechanla-
ausdrücken kann. ge, Radio, Fernseher wiedergegeben, sie finden jedoch
„Das Bezeichnende, als etwas Hörbares, verläuft aus- in der Realität statt, im Gegensatz zu den Stimmen, die
schließlich in der Zeit und hat zwei Eigenschaften, die Junior in seinen Verwirrungen hören kann.
von der Zeit bestimmt sind: a) es stellt eine Ausdehnung
dar, und b) diese Ausdehnung ist meßbar in einer einzigen Szene 1: bei der Ärztin.
Dimension: es ist eine Linie.“15 Dialog: Während eines Besuchs bei einer Ärztin erfährt
Junior, dass sein Ohrensausen, unter dem er leidet, ein
Die Sprachverfremdungen Tinnitus ist: eine psychosomatische Krankheit, die meis-
Bei Junior wird der Prozess des Entzifferns der Sprache tens durch Stress verursacht wird. Nur er allein kann sich
gestört. Er verbindet das Lautbild nicht mehr mit dem von der Krankheit befreien. Der Tinnitus ist ein Teil von
Bezeichneten. Die Linearität der Sprache wird durch ihm, mit dem er sich auseinandersetzen soll.
die Schleife des Tinnitus unterbrochen. Die surrealis-
tischen Aufzählungen, Gedankenassoziationen und Monolog: Junior ruft die Sekretärin der Firma, bei der er
Träumereien ähneln der Redeweise der Pennerin am sich vorstellen soll, an – und verliert sich in der Telefon-
Bahnhof. Auch der Chef, Auslöser vieler Versenkungen leitung. (Telefon)
von Junior, spielt mit der Sprache: Er benutzt gern
Metaphern („Ich habe ja nur ihr eigenes Bild weiterge- Szene 2: mit der Sekretärin, am Telefon.
malt! Ich bin kein Frosch, sie sind kein Wurm“, Szene 5.) Dialog: Junior erkundigt sich telefonisch bei der Sekretä-
und Wortspiele („Jeder Schuss ein Russ, jeder Stoß ein rin der Firma, wie er zum Vorstellungsgespräch antreten
Franzos, jeder Tritt ein Britt“, „Sie haben eine Vorstel- soll. (Telefon)
lung, ich habe eine, und wir haben ein Vorstellungsge-
spräch.“, Szene ). Die deutlichste Verfremdung der Monolog: Weil Junior neue Informationen aufnehmen
Sprache findet man in der Szene 10: Junior, angetrun- muss, versinkt er wieder in Gedanken: er ist ein Sender,
ken in einer Bar, redet ohne Vokale (auch Selbst-laute ein Empfänger, ein Medium.
genannt). Dieser Effekt erinnert an den Lettrismus, eine
französische Literaturbewegung der Nachkriegszeit. Die Szene 3: der Vater und das Radio.
Wörter werden atomisiert, das heißt, in Stückchen, in Junior sitzt am Frühstückstisch mit seinem Vater, der ihm
Buchstaben oder Laute geteilt. Die Neuzusammenset- ständig grundlos Vorwürfe macht: Er habe sein Radio
19. verstellt, esse zu langsam. Junior, während er isst, kann 1
nur unverständliche Wörter erzeugen. (Radio)
Szene 4: Junior am S-Bahnhof mit einer Pennerin.
Am S-Bahnhof und im Zug, auf dem Weg zu der Firma
macht sich Junior Gedanken über das Vorstellungsge-
spräch. Im Hintergrund brabbelt eine Pennerin wirres
Zeug vor sich hin. Junior ist von den Zugdurchsagen
verwirrt. (Zugdurchsage)
Szene 5: das Vorstellungsgespräch I.
Junior erst voller Enthusiasmus wird von dem Arbeitge-
ber gedemütigt. Dieser testet auf sadistisch-spielerische
Weise die Selbstwahrnehmung des Kandidaten. Junior
flüchtet in seine Welt. (Sprechanlage)
Szene 6: Junior verträumt.
Junior in Gedanken während des Vorstellungsgesprächs.
(Gesang/Kanon)
Szene 7: das Vorstellungsgespräch II.
Der Chef hat Juniors Wahrnehmungsprobleme erkannt
und versucht, sie ihm zu erläutern. Nur redet er in
Rätseln: Junior ist verloren und zieht sich wieder in seine
eigene Welt zurück.
Szene 8: vor dem Fernseher.
Junior kommentiert eine Fernsehsendung über Sinne
und Wahrnehmung. (Fernseher)
Szene 9: das Vorstellungsgespräch III.
Der Chef verliert seine Geduld angesichts Juniors Unfä-
higkeit, die Aussagen des Chefs zu empfangen.
Szene 10: in der Bar.
Junior angetrunken in einer Bar – ihm fehlen die Selbstlaute. 15 Ebd.
20. 20 Szene 11: das Vorstellungsgespräch IV.
Dass Junior nichts von der Rede des Chefs begriffen
hat, macht den Chef wütend. Er regt sich auf, stolpert
und stürzt. Junior hat wieder keine Stelle bekommen.
(Wechselsprechanlage)
Szene 12: Schluss.
Ein Konzert von Weck- und Morgengeräuschen weckt
Junior auf. Er entscheidet sich diesmal aber, im Bett zu
bleiben.
Da das Hörspiel sich mit unterschiedlichen Formen der
Sprache und der Stimme auseinandersetzt, ist es inhalt-
lich direkt mit dem Medium Radio verbunden. Es ist für
ein akustisches Medium geschrieben worden.
An „der kleine Mann im Ohr“ gefällt mir, dass der Text
all diese Verfremdung nicht direkt vorstellt, sondern dass
Sprach- und Formspiele in einen klassischen Rahmen
eingebettet sind und immer mit einer konkreten Situa-
tion verbunden werden. Es wird dem Zuhörer nicht auf
plakative Weise eine Kunst vorgestellt, mit der er sich
allein auseinandersetzen soll. Die künstlerische Arbeit
wird ausgehend von realistischen, bekannten Situati-
onen entwickelt, vorbereitet und langsam eingeleitet.
Die im Hörspiel behandelte Frage nach der Form und
der Substanz der Kommunikation spiegelt sich im Inhalt
und in der Form des Textes wieder und bietet daher eine
sehr interessante Vorlage für eine akustische Inszenie-
rung.
21. mein gestaltungskonzept 21
Ein Hörspiel im Hörspiel.
Es wurden viele Definitionen von Hörspiel seit seiner
Geburt in den 20er Jahren geliefert. Christian Hörburger
schlägt folgende Definition vor:
„Hörspiel umreißt im Kontext des öffentlich-rechtlichen
und des privaten Rundfunks und im Sortiment der Verlage
ein fiktionales oder non-fiktionales akustisches Ereig-
nis, das mittels elektromagnetischer Wellen von einem
Sender (Rundfunkanstalt) zu einem Empfänger (Hörer)
abgestrahlt werden kann. […] Technische Voraussetzung
des Hörspiels ist die Umwandlung von Schallenergie in
elektrische Energie.“16
Das Hörspiel kann sich auch als „Zusammentreffen
signifikanter akustischer Signale (oder Pausen)“1 ver-
stehen: Menschliche Sprachsignale (mit der Stimme als
Instrument der Verlautbarung des Wortes), Musik und
Geräusche, die durch das Medium Radio gesendet und
empfangen werden. Das gesprochene Wort ist im Hör-
spiel mehr als nur Informationsträger. Die Form, der Klang
des Wortes durch die Stimme des Sprechers, die Insze-
nierung und die technische Verarbeitung sind auch Sinn
vermittelnd – und genau das wird in „der kleine Mann im
Ohr“ thematisiert: Junior nimmt akustische Signale auf,
wandelt sie in elektrische Signale um. Er fühlt sich wie
eine Maschine, wie ein Radio, das sendet und empfängt.
„Mit dem Eingang ins Mikrofon wird das Schallereig-
nis herausgenommen, herausgelöst aus seiner natürlichen
Umgebung, in elektrische Spannungen umgewandelt und
damit in verschiedener Weise verfügbar und modellierbar
gemacht. Es wird ein neuer Aggregatzustand erreicht, der, 16 Hörburger, 1.
ästhetisch-dramaturgisch gesehen, eine völlig neue Dar- 1 Ebd.
stellungsebene eröffnet.“1 1 Klippert, 1. S. 15
22. 22 Im Manuskript sind Juniors Monologe mit „ab hier Klangkomposition aus Stimmen. Die dargestellte reale
abgleiten in den Monolog mit anderer Atmo“ gekenn- Welt, Basis der Handlung, wird zugleich Audio-Rohma-
zeichnet. Diese „andere Atmos“ bedeutet für das Hör- terial für die „anderen Atmos“: es ist keine Neuschöpfung
spiel, was die oben zitierte neue Darstellungsebene für – es ist eine Neuverwendung oder eine Andersverwen-
Hörspiele meint: Modellierte, verfremdete Stimmen in dung. Die Gesetzte der Sprache entgehen Junior. Die
neuem Aggregatzustand. Und diese neue Darstellungs- Stimmen sind da, er kann sie empfangen. Aber ihre
ebene möchte ich für diese „anderen Atmos“ akustisch Zusammenstellung, das System, das ermöglicht, sie zu
umsetzen in eine elektro-akustische Komposition für kombinieren, zu dekodieren und zu verstehen, fehlt ihm.
Stimme. Aus den Wortspielen des Textes zum Hörspiel.
Ich nutze den Spannungsbogen der Haupthandlung, der
„Wird Musik als Hörspiel deklariert, dann ist man grund- klassischen, vertrauten, narrativ erzählten Geschichte,
sätzlich vom Zwang befreit, alles Sprechbare singen zu um in Juniors Welt hineinzugleiten. Ich lade die Zuhörer
lassen, oder die Worte so zu artikulieren, daß Verzerrungen ein, nachdem ich ihnen nach bekanntem Muster eine
unvermeidbar sind. Das Komponieren von Hörspielen soll Story vorgestellt habe, in Juniors verfremdete Wahrneh-
kein Ersatz für alle anderen Möglichkeiten der Verwen- mung mitzukommen. Hinter dem kleinen Mann, hinter
dung von Sprache in der Musik sein, sondern eine legitime dem Filter: die Zuhörer müssen selbst den Filter deko-
Form mehr, welche allerdings eine semantische Entschär- dieren. Die Stimmen, verzerrt, verfremdet, verweisen
fung des Wortes vermeidet. Das musikalische Material nicht mehr auf erkennbare, vertraute Worte. Das System
kann im Kontakt mit dem Hörspiel bereichert werden und der Sprache ist gestört, unbekannt: dem Hörer ist die
vice versa.“1 Interpretation der Kompositionen überlassen.
Ich habe mich dazu entschlossen, nahe an den Grund- Die Stimme.
ideen und dem Schreibstil von dem Autor zu bleiben. Das Benutzen einer Sprache enthält zwei Aspekte: die
Seine Art zu schreiben, sein Umgang mit Sprache und Produktion und das Verstehen. Wenn wir sprechen, den-
Wörtern werden zu meiner Art mit Stimmen zu arbeiten: ken und formulieren wir einen Satz, den wir durch eine
da es auf der Beziehung zwischen Inhalt und Form oder Lautfolge wiedergeben. Das Verstehen erfolgt in der an-
besser gesagt, auf der Gleichstellung von Inhalt und deren Richtung: Klänge werden aufgenommen, an einen
Form als Informationsvermittelnde beruht, möchte ich Sinn angeknüpft und verstanden. Wir unterscheiden bei
diese Charakteristik in mein Gestaltungskonzept aufneh- diesem Kommunikationsprozess drei Ebenen: die Syntax
men: die Stimmen sollen die Hauptrolle übernehmen. (die Sätze, das System in dem Wörter miteinander
Die Dualität im Text, zwischen den „realen“ line- kombiniert werden können), die Wörter und Morpheme
aren Dialoge einerseits und den „Atmos“ von Juniors (bedeutende Lautzusammensetzung) und die Phoneme
Monologe andererseits, soll im Akustischen erhalten (gesprochene Laute).
bleiben. Das Hörspiel folgt zwei Arbeitsverfahren: die Die gesprochene Sprache wird durch die Stimme
„klassische“ Inszenierung realer Situationen (die Dialoge übertragen. Die Stimme erlaubt die Materialisierung der
mit Geräuschvertonung) und Juniors verträumte Welt als Sprache durch Kombination von Zeichen. Das durch die
23. Stimme erzeugte akustische Phänomen (Lautfolge) wird 23
erst Sprache, semantisches Phänomen durch die Wahr-
nehmung anderer. Wie andere analoge Medien, stellt
die Stimme kein neutrales Werkzeug der Sinnübertra-
gung dar. In dem Text „Sechs Lektionen über Stimme und
Bedeutung“ beschreibt Mladen Dollar, was die Stimme
über den Sinn hinaus vermittelt. Auf einer Seite hat man
die Ebene der Bedeutung: die Laute werden kombiniert
und ergeben Sinn. Auf der anderen Seite, gibt es die
Materialität der Stimme, ihre Musik, eine Lautkunst, die
nichts mit der Bedeutungsebene zu tun hat. Ein schönes
Beispiel dafür ist die Übersetzung des Titels einer Vorle-
sung von Roman Jakobson ins Französische „Six leçons
sur le son et le sens“20. Die S-Alliteration trägt nichts
zu der Bedeutung der Wörter bei, sie ist Material für
poetische Wirkung. Dieser Überschuss kann außerhalb
des linguistischen Codes inszeniert werden, auf einer
anderen Bedeutungsebene, wie es beim Gesang der Fall
ist. Sehr interessant sind auch die Bemerkungen von
Mladen Dollar über die Beziehungen zwischen Stimme
und Körper.
Die Stimme braucht einen Körper um zu senden und
zu empfangen. Sie gehört jedoch eigentlich nicht dem
Körper, sondern sie ist Schnittstelle zwischen Körper und
Sprache. Sie signalisiert die Anwesenheit des Sprechers.
Dadurch, dass man seine Stimme erklingen lässt, dass
man seine Sprache vermittelt, wird man zu einer Person
¯ ¯ ¯
(von lateinisch persona von per = durch und sonare =
tönen)21. Wenn aber eine Stimme nicht geortet werden
kann, wenn ihr Ursprung nicht lokalisierbar ist, scheint
sie von überall her zu kommen, sie gewinnt dann an
Kraft, sie scheint omnipotent. Die innere Stimme (so der
kleine Mann im Hörspiel) ist an der Schnittstelle zwi-
schen dem Subjekt und dem Anderen, spielt die Rolle 1 Zitiert in Hörburger, 16. S. 11
des innerlichen Anderen. 20 Six lectures on sound and sense. Ebd.
21 Krämer, 2003. S.2
24. 24 Mein Konzept Stimmen handelt. Meine Verfremdung der Stimmen
befindet sich nicht an der Quelle des Klangs, bei den
„Versuchen sie doch erst einmal, aus dem Ohrensausen Sendern, sondern bei den Empfänger.
etwas herauszuhören. Es ist ihr Ohrensausen, ihr ganz
eigenes. Es hat ihnen mehr zu sagen als jeder Mensch.“22
Ein der wichtigsten Bestandteile meiner Arbeit, jenseits
der Inszenierung der Stimmen im Raum und den Re-
gieanweisungen an die Sprechern, ist die Komposition
des Tinnitus, eine technische Verarbeitung der Stimme
selbst. Die „bedeutenden“ Stimmen, die Stimmen, die
Sprache übertragen, sind im Hörspiel zugleich Rohma-
terial für den Aufbau der im Manuskript markierten
„Atmos“ („ab hier mit anderer Atmo“). Sie werden in
ihrer Substanz auseinandergenommen (von Sätzen zu
Wörtern zu Morphemen zu Phonemen und sogar noch
weiter) und neu zusammengesetzt. Die Stimmen, die
Junior empfängt, verlieren durch ihre Dekomposition
ihre Rolle als Sprachvermittler, nur der Überschuss, die
Materialität der Stimme bleibt erhalten. Die Stimmen
weisen nicht mehr auf Sprache hin. Sie brechen die
Verbindung zwischen Objekt, Wörtern und Ideen ab.
Sie werden in ein neues unbekanntes semiotisches
System eingebettet, das die Welt neu ordnet. Die
Dekomposition/Komposition ist ein klassischer Prozess
des Verstehens, z. B. in der Lösung von Rätseln oder
mathematischen Problemen.
Ich setze sozusagen den kleinen Mann im Ohr ein, den
Filter, den Parasiten, das Element im Junior, das seine
Wahrnehmung der Welt verzerrt. Wie ich konkret mit den
Stimmen der jeweiligen Szenen umgegangen bin, werden
Sie in Kapitel die nachbearbeitung näher erfahren.
Ich möchte noch betonen, dass diese Verarbeitung
der Stimmen nicht aus einer Arbeit mit den Sprechern
resultiert, sondern, dass es sich um Nacharbeitung der
25. organisation 25
Parallel zur Literaturrecherche und Analyse des Manusk-
ripts startete ich die Suche nach Sprechern und Aufnah-
memöglichkeiten. Ich meldete mich bei unterschied-
lichen Online-Plattformen und bei Hörspielforen an, um
Sprecher und Schauspieler zu finden, und erhielt einige
Rückmeldungen.
Bei Tesla23 in Berlin, Labor für mediale Performance, Mu-
sik, Klang- und Medienkunst, wo ich 2005 ein Praktikum
absolvierte, besuchte ich eine Radioveranstaltung von
Lars Feistkorn mit Séamus O‘Donnell und Jürgen Eckloff
zum Thema „Sprache/sprechen“ über Samuel Beckett:
„Samuels Hintergrund Strahlen“. Diese Live-Performance
für Stimme und Stimmklänge, Cut-ups und Elektro-
nics begeisterte mich so sehr, dass ich Kontakt zu dem
klassisch ausgebildeten Opernsänger und Performer Lars
Feistkorn aufnahm. Er sollte bald für die Rolle des Chefs
zusagen.
Die Suche nach einem Sprecher für Junior erfolgte
auf der Grundlage eines Castings. Auf Lars Feistkorns
Empfehlung hin, lud ich den Schauspieler Christian
Rodenberg ein.
Für die Nebenrollen Ärztin/ Stimme in der Bar/ Sekretä-
rin und Pennerin entschied ich mich für Maren Krüger.
Ich hatte das Glück, Annemarie Thiede einladen zu
können, um den Fernsehbericht einzusprechen.
Das Hörspiel wurde im Juni und Juli 2006 im Broadcast-
studio der T.U. Berlin (Radio 100000) aufgenommen.
22 Der kleine Mann im Ohr, Die Ärztin, Szene 1.
23 http://www.tesla-berlin.de
26. 26 Die Sprecher Maren Krüger [die Ärztin/ die Pennerin/ die Sekretärin/
Christian Rodenberg [junior] Stimme in der Bar]
Christian Rodenberg, geboren 1, ist Schauspieler, Mu- Studium der Anglistik und Romanistik und Soziologie an
siker und Synchronsprecher. Er studiert an der Transform der Universität Rostock und Mediengestaltung an der
Schauspielschule in Berlin. Bauhaus Universität Weimar.
Theater (Auswahl): _Berichtete für TV Rostock 1 – 1
_Felix in „Methusalem oder Der ewige Bürger“ von Ivan _NDR Radiosprecherin 1
Goll mit Ensemble Vorgang / StudioBühne Mitte, Berlin. _Zahlreiche Videovertonungen und Radiobeiträge im
_Clov in „Endspiel“ von Samuel Beckett im Theaterdock Rahmen ihres Studiums an der Bauhaus-Universität.
in der Kulturfabrik, Berlin. _Musikerin und Sängerin in der Band „die Ramonas“
_“Go with the flow (Die Wahrheit über „Vom Winde
verweht“)“ mit MARS_productions Ltd. im Theaterdock, Annemarie Thiede [die Fernsehstimme]
Berlin. _zwischen 1 und 1 bei verschiedenen Radiosen-
_Benjamin in „Die Weiße Ehe“ von Tadeusz Rozewicz im dern (Radio 10.1 in Bremen, Radio TON in Heilbronn),
Teatr Studio am Salzufer, Berlin. wo sie Reportagen, Werbung, Nachrichten und weitere
Beiträge realisierte und einsprach.
Aktuelle Bands/Musikprojekte: _Diplom in Mediengestaltung an der Bauhaus-Universi-
_Rupert‘s Kitchen Orchestra tät- Weimar, 2005.
_Equilibrium Slim _Mitglied der Band „die Ramonas“ und Sängerin für
_Engelstiere „sta:ry 6“.
_Aj Chrazy _Zahlreiche Beiträge für das „Studio B11“ das experi-
_Gourmets du Groove (Gast) mentelle Radio der Bauhaus-Universität-Weimar und
für Radio Funkwerk in Erfurt und Weimar (Station ID,
Lars Feistkorn [der Chef] Jingles, Trailer…).
Lars Feistkorn ist Sänger und Performer. Nach einigen
Theater-Produktionen in seiner Heimatstadt Essen, stu-
dierte er Operngesang in Berlin. Teilnahme an diversen
Opernproduktionen als Solist (Bass). Aktives Interesse
auch an Experimentellem Musiktheater, Improvisation,
Schauspiel, Lesung, Performance, eigener Lyrik und
Prosa immer in begleitung von diversen Körperarbeits-
techniken und Tanz. Seit 2005 intensivere Arbeit in
experimenteller improvisierter, insbesondere elektro-
akustischer Musik.
27. die nachbearbeitung Tätigkeiten und Bewegungen wurden mit Geräuschen 2
vertont, die man leicht einordnen kann (Tür auf und zu,
Im Studio sind zwischen 3 und 10 Takes für jede Szene Schritte, Sesselgeräusche…).
aufgenommen worden. Der nächste Schritt war es die Damit die Zuhörer sich in den verschiedenen Or-
Aufnahmen auszusortieren. Die Auswahl fiel nicht im- ten zurechtfinden können, haben ich unterschiedliche
mer leicht: feine Betonungsvariationen, unterschiedliche akustische Räume gestaltet, einem einfachen Muster fol-
Atemzüge und Pausesetzungen, jede Aufnahme klingt gend. Es handelt sich bis auf den Bahnhof um geschlos-
anders, bedeutet anders als ein andere. Der gesamte sene Räume (Büro, Arztpraxis, Küche, Wohnzimmer,
Rhythmus und die Melodie einer Replik waren meis- Bar), die bestimmten bekannten Geräuschen zuzuordnen
tens das entscheidende Kriterium um eine Auswahl zu sind. Junior als Hauptdarsteller wurde auf die Seite der
treffen. Zuhörer gesetzt, mittig. Die anderen Rollen wurden ihm
gegenübergestellt, leicht auf der linken oder rechten
Die variable Lautstärke unter den Sprecher (Selbstver- Seite.
trauter Chef und schüchterner Junior) wurde angegli- Am Bahnhof läuft die Pennerin auf dem Gleis herum,
chen. Da die Stimmen auch Klangmaterial für die Kom- nähert und entfernt sich wieder.
position sind, habe ich sie in ihrem Ganzen behalten
mit ihren Nebengeräuschen (Ein-/ Ausatmen, Räuspern, Während des Schnittes an den Repliken habe ich eine
Versprecher, Lachen…). Dynamik eingefügt. Die „reale Welt“ startet meistens
mit einem ruhigen Tempo, das durch die Unterhaltung
Das Hörspiel basiert auf den Gegensätzen der zwei zwischen dem Chef und Junior beschleunigt wird, bis
Welten. Einerseits die vertrauten Situationen (das der junge Mann den Bezug zur Realität verliert und in
Vorstellungsgespräch, bei der Ärztin, am Bahnhof, in seine verträumte Welt gerät.
der Bar…) und andererseits Juniors verträumte Welt. Die Zuhörer sollen mit Junior in seine Welt der ver-
Sie wurden entsprechend unterschiedlich bearbeitet. In zerrten Wahrnehmung eingeführt werden, daher habe
diesem Kapitel stelle ich Ihnen erst einmal vor, wie die ich die „anderen Atmos“ langsam eingeblendet, so dass
Dialoge und Gespräche des Hörspiels produziert wurden man nur durch intensives und aufmerksames Zuhören,
und dann werde ich Ihnen eine detaillierte Beschreibung die Trennung zwischen die zwei Welten erkennen kann.
der „anderen Atmos“ präsentieren.
Die Komposition
Die Dialoge und Gespräche. Wenn Junior sich von der realen Welt trennt, agiert der
Die Dialoge und Gespräche wurden in einer möglichst Tinnitus oder der „kleine Mann“ als Filter in seinem
klassischen Art produziert. Unter dem Begriff „klas- Ohr. Das gilt durchgehend im ganzen Hörspiel. Nur
sisch“ verstehe ich eine simple Vertonung, die nach die Verfahren, nach denen dieser Filter funktioniert,
gewöhnlichen Konventionen die Realität wiederzugeben variiert je nach Situation. Ich habe die Komposition der
versucht. Die Charaktere wurden realistisch in den Raum unterschiedlichen „anderen Atmos“ an den Inhalt der
gesetzt, ohne übermäßige, unecht wirkende Effekte. Ihre vorhergehenden Dialoge bzw. Monologe angeknüpft:
28. 2 was Junior wahrnimmt, besteht ausschließlich aus den Bearbeitung: die Klänge bewegen sich im Raum von
Stimmen, die gerade vorgekommen sind. außen nach Innen, und von Innen nach Außen.
Auch die Räumlichkeit Juniors verfremdeter Wahrneh- Szene 4: Im Zug.
mung wurde erarbeitet. Nur folgt sie keiner bestimmten Junior ist im fahrenden Zug. Er selbst bewegt sich nicht.
Regel: die Klänge können extrem wandern, sich verdop- Die Situation soll Juniors Verwirrung in der Kommuni-
peln und sich mischen und wieder von einandertrennen. kation darstellen. Er steht mitten in einem kommunika-
Die Stereoeffekte dienen nicht mehr der Lokalisierung tiven Element (dem Zug), mitten in einem Netz, zwi-
der Klänge. schen Bahnhöfen, aber er selbst bleibt statisch.
In diesem Kapitel möchten ich Ihnen meine Arbeits- Bearbeitung: Kommunikation als Weg und Zug-
verfahren für die jeweiligen Szenen vorstellen. durchsage als Lokalisierung („nächste Station“), die
er nicht versteht. Nicht nur die Stimmen werden hier
Die „andere Atmos“ verarbeitet, sondern auch die Zuggeräusche als Me-
Szene 1: Die Leitung tapher der Verwechslung zwischen Information und
Für die erste Szene habe ich mich für ein klares und Informationsträger.
deutliches Verfremdungsverfahren entschieden: es ist
die Einleitung im Hörspiel, daher soll an dieser Stelle der Szene 5: Vorstellungsgespräch.
Prozess der Sprach- und Stimmverzerrung einen leichten Bei der ersten Begegnung mit dem Chef wird Juniors
Einstieg in mein Gestaltungskonzept anbieten. Nachdem Tinnitus kräftiger. Er greift ihn als Strahlen und Krach an
Junior den Namen und den möglichen Ursprung seiner bis Junior richtig destabilisiert ist.
Krankheit erfährt, führt er einen Monolog, in dem er
sich an das Telefonat mit der Sekretärin erinnert. Die Szene 6: Junior verträumt bei dem Vorstellungsgespräch.
Stimme Juniors entwickelt sich langsam zu dem geschei- Junior stellt fest, dass er sich eigentlich nicht mehr mit
terten Kommunikationsversuch. Seine Stimme verwan- allem beschäftigen sollte und Ruhe erst in der Isolati-
delt sich selbst zu Zeichen des gescheiterten Telefonats. on finden könnte. Nur wird er von fremden Stimmen
Bearbeitung: kurze Schleife. überholt.
Hier nutze ich unterschiedliche Aufnahme der Szene
Szene 2: Strahlen Empfangen. um einen Kanon aufzubauen. Die fremden Stimmen sind
Aller Anfang des Vorstellungsgesprächs… Hier erfährt Juniors verfremdete innere Stimme.
man, dass Junior ein grundsätzliches Problem mit dem
Empfang und dem Aufnehmen von Informationen Szene 7: Vorstellungsgespräch.
hat: sie werden zu Kakophonie und als Sprache nicht Junior kann nur wiedergeben, er kann die Infos empfan-
mehr erkannt. Er kann die unterschiedlichen Arten von gen und sie weiterleiten. Der Tinnitus herrscht über sei-
Strahlen nicht mehr von einander unterscheiden. Er ne Fähigkeit zu senden. Die Stimmen drängeln in seinem
verwechselt das Senden mit dem Wiedergeben, versucht Ohr. Die Atmosphäre ist hier gespannt, so dass Junior
allerdings noch auszusortieren. sich zum ersten Mal gegen seinen Tinnitus wehrt.
29. Bearbeitung: die Stimme von Junior im Monolog 2
musst gegen den Fluss der Geräusche kämpfen.
Szene 11: das Ende des Vorstellungsgesprächs.
Junior wehrt sich nicht mehr gegen seinen Tinnitus, er
versucht ihn zu verstehen. Die Stimmung ist ruhig und
gelassen.
Ableton live.
Für die gesamte Arbeit habe ich die Software „Live“ der
Berliner Firma Ableton24 verwendet. Das Projekt wird
durch elektronische Live-Performer, Musiker und Pro-
grammierer geleitet und ist innerhalb von fünf Jahren zu
einem sehr beliebten und geschätzten Tool für Bühnen-
auftritte geworden. Die innovative Seite der Software,
die 2001 auf den Markt gebracht wurde, besteht in der
Option, während der Aufnahme oder der Wiedergabe
eines Songs die Audio-Dateien „live“ ohne Qualitätsver-
lust zu bearbeiten.
Die Software ist ein Audiosequenzer, der für Echtzeit-
Verfremdung optimiert wurde. Das heißt: es ist möglich
einen Song abzuspielen, dabei einzelne Audiodateien
(Clips) durch Effekte zu manipulieren und das Ganze
(mit den Drehen an Effektparametern) aufzuzeichnen
für eine spätere Bearbeitung. Außerdem kann „Ableton
Live“ auch wie ein klassisches Musikstudioprogramm mit
Mischpult, Effekten, Send/ Aux benutzt werden.
Jede Audiodatei ist ein eigenständiger Clip und kann
beliebig, unabhängig vom Songablauf, durch Mausklick,
externe Controller oder durch Computertaste getriggert
werden. Ich kann einer Taste [a] meiner Tastatur einen
bestimmten Klang zuweisen und [b] einen Effektpara-
meter usw. die Bedienung der Software ähnelt sich die
einem Musikinstrument. 24 http://www.ableton.com
30. 30 Beispiel
Ich starte das Programm und schließe mein Mikrofon
an der ersten Spur an und nehme den Satz „der kleine
Mann im Ohr“ auf. Die Audio-Datei [der kleine Mann im
Ohr] wurde aufgezeichnet – und ich kann sie (zum Bei-
spiel als Schleife) bereits wiedergeben. Also wiederholt
sich der Satz. Während der Wiedergabe trenne ich den
Satz in fünf Wörter und weise jedem Wort eine Taste
meiner Tastatur zu ([d] für „der“; [k] für „klein“, usw…).
Jetzt kann ich mit meiner Tastatur beliebig spielen: [d]
[k] [m] [i] [o] [k] [m] [d] [i] [o] [k] [m] [d] [o] [i] [i] [i]
– Wir hören: „der kleine Mann im Ohr kleine Mann
der im Ohr kleine Mann der Ohr im im im“. Es ist nun
möglich, jedem einzelnen Wort durch Kürzen, Dehnen,
Beschleunigen u.a. zu verfremden: von „der“ behalte ich
nur das „d“ Ansatz, vom „kleine“ das Ausatmen, vom
„Mann“ die Vokale „a“… also hören wir durch die selbe
Tastenfolge wie vorhin „d/hum/aaaaa/iiiiiiiii/r/hum/d/i/
r/hum/aaaaaaaa…“: ich habe ein Instrument program-
miert, dessen Klang aus Wörtern, Silben, Morphemen
und Phonemen besteht und dessen Farbe durch Modu-
lation von Effekten nuanciert werden kann.
Ableton Live ist also einerseits ein klassisches Musikstudio
Programm, mit linearer Bedienung und Zeitablauf, ande-
rerseits ein Sampler (jeder Zeit ist jede Datei abrufbar und
als Schleife abspielbar). Das ermöglicht eine Arbeit auf
zwei Ebenen mit einer Grundspur, auf der eine Improvisa-
tion aus den selben Audiodateien gesetzt wird.
Die spielerische und intuitive Bedienung der Software
bietet viel Freiheit bei der Komposition, das ständige
Aufzeichnen ermöglicht späteren Zugriff für weitere
Bearbeitung. Durch diese Eigenschaften eignet sich Ab-
leton Live perfekt, um mit ihm mein Gestaltungskonzept
umzusetzen: nicht linear arbeiten, die Klänge beliebig
schneiden, modulieren und neu zuordnen.
31. schlusswort 31
Der kleine Mann im Ohr ist ein Spiel mit dem Hören,
mit der Sprache, mit der Stimme, mit der inneren
Stimme. Der kleine Mann im Ohr ist der Tinnitus, eine
psychosomatische Störung der Hörfunktion, die Klänge
fängt, verfremdet und sie als neu codiertes Signal in
endloser Schleife an den Verstand sendet. Er kann den
Empfang von Informationen so beschädigen, dass die
Kommunikation mit dem Anderen durcheinanderge-
bracht wird. Oder vielleicht anders herum. Die Verwei-
gerung Informationen aufzunehmen, die Unfähigkeit
sich in seiner Umwelt zu integrieren, sich mit der Welt
auseinanderzusetzen fördern die Entwicklung eines Tin-
nitus, eines Filters, der vor der Realität schützen soll.
Der kleine Mann im Ohr im Hörspiel zerlegt die
Stimmen bis in ihre kleinste Einheit. Sie werden als In-
formationsträger empfangen, die getragenen Informati-
onen selbst aber nicht mehr. Die Verknüpfung zwischen
gesprochenem Laut und Vorstellung, die Linearität der
Sprache, beide wesentliche Konventionen der sprach-
lichen Kommunikation, werden durch die Verzerrung
gebrochen.
Die verfremdeten Stimmen können ihre Funktion als
Zeuge der Anwesenheit, als Schnittstelle zwischen dem
Körper und der Sprache, als Verbindung zu dem Ande-
ren, nicht mehr erfüllen: sie trennen von der Welt ab.
Der Bezug zur Realität geht verloren.
Was empfangen wird, ist was von den Stimmen übrig
bleibt: alles was der Sinnvermittlung nicht dient. Dieser
Überschuss, in neuer Form und in neuer Zusammen-
setzung, bildet eine andere Ebene der Wahrnehmung,
neue Zeichen in einem fremden System. Wie diese zu
interpretieren sind, wird den Zuhörern überlassen, sie
werden zum Zeichendeuter.
35. 1. Szene Junior: Was soll denn das heißen? 35
Ärztin: durch den Lautsprecher Der nächste, bitte! Ärztin: Das soll heißen, daß sie und ihr Ohrensausen eins
sind. Es gehört zu ihnen. Es ist ein Teil von ihnen wie
Kleine Pause. ihre Hand. Sie möchten doch auch nicht, daß ich ihnen
die Hand abschneide.
Ärztin: Sie haben sich also ein Ohrensausen ins Haus
geholt. Das nennen die Mediziner Tinnitus, damit es Junior: Fangen sie jetzt auch so an.
niemand sonst versteht. Die meisten Ärzte würden ih-
nen dagegen Infusionen verschreiben. Die sollen ihr Blut Ärztin: Versuchen sie doch erst einmal, aus dem Ohren-
verdünnen. sausen etwas herauszuhören. Es ist ihr Ohrensausen,
ihr ganz eigenes. Es hat ihnen mehr zu sagen als jeder
Mensch.
Junior: Ist es denn zu dick?
Ärztin: Zu dick, um gut zu fließen. Bei ihnen stockt der Junior: Was soll ich denn da heraushören? Es spricht kein
Fluß. Das bedeutet: So geht´s nicht weiter. Deutsch! Es ist einfach nur ein eintöniges Summen!
Junior: Ich habe aber Angst vor Infusionen. Das heißt Ärztin: Ja schon, aber warum ist es da?
ich habe Angst vor der Nadel. Bei Blutabnahmen bin ich
schon zweimal ohnmächtig geworden. Es ist ja gar nicht Junior: Was weiß ich! Dafür bin ich ja hier - damit sie´s
der Schmerz, so zimperlich bin ich nicht. Nur kann ich mir sagen.
es einfach nicht ertragen, wenn Fremdkörper in mich
eindringen. Ärztin: Ich vermute, genau das ist ihr Problem. Sie
erwarten stets, daß andere es ihnen sagen. Obwohl sie
Ärztin: Sie sagen es. Sie haben etwas gegen Fremdkör- die Antwort mit sich herumtragen. - Seit wann haben sie
per. Bei Nadeln verlieren sie das Bewußtsein. Und wenn das Geräusch denn?
Menschen ihnen zu nahe kommen, verlieren sie das
Gehör.
Junior: Hhhhm … schon seit längerer Zeit. Aber vor
ein paar Tagen ist es plötzlich lauter geworden. Richtig
Junior: Gibt es dagegen denn keine Tabletten oder so- aufdringlich.
was? Bloß keine Infusionen!
Ärztin: Ist ihnen in der letzten Zeit irgendetwas zugesto-
Ärztin: Es ist die Frage, ob ich ihnen überhaupt etwas ßen? Hat sich etwas Besonderes ereignet?
gegen das Ohrensausen geben sollte. Denn damit würde
ich ihnen etwas geben, das gegen sie wirkt. Junior: Hm? Was meinen sie denn? Einen Unfall hatte
ich keinen.
36. 36 Ärztin: Na, so weit sind sie noch nicht! Lassen sie mich Nummer der Firma getippt, als wären es Lottozahlen …
mal anders fragen: Haben sie in der letzten Zeit unter ab hier abgleiten in den Monolog mit anderer Atmo
besonderen Belastungen gelitten, hatten sie Ärger oder … und dann hatte ich eine Leitung, eine freie Leitung,
großen Streß … ein freies Zeichen … Ja … ja … Hallo, hallo. Hallooooo
… aber es meldet sich niemand … es ist eine freie Lei-
Junior: Streß hab ich immer. tung, aber leider auch eine lange Leitung, und ich muß
lange aushalten - durchhalten, besser gesagt, denn es
Ärztin: Was geht denn so in ihrem Kopf vor. Was be- knistert in der Leitung, es knuspert, es tutet in der Lei-
schäftigt sie. tung, tut - tut macht es, tut - tut, tut - weh … es knackt,
als würde etwas brechen … und ich horche … und ich
Junior: lacht auf Was mich beschäftigt? - Daß mich nie- ho … und ich … oh … meine Oh … meine Ohren … es
mand beschäftigt! Das ich arbeitslos bin! Und obendrein schneidet in meine Ohren … was ist das … was sticht
verarscht werde! da in meine Ohren … das frage ich … es ist ja nur eine
Frage, die tut doch nicht weh …
Ärztin: Wer verarscht sie?
Junior: Na zum Beispiel der Chef von dieser Firma da,
wo ich letzte Woche war, zum Vorstellungsgespräch … 2. Szene
Der hat mich nur zu sich bestellt, um mich zu quälen …
Telefonat. Die Sekretärin spricht durch den Hörer.
Einblendung: Junior erinnert sich an den Chef; er hört die
Stimme des Chefs im Kopf, sie klingt traumhaft ver- Junior: Bitte verstehen sie die Frage nicht falsch, ich bin
schwommen mir einfach nicht ganz sicher …
Chef: Sie suchen Arbeit? Sie sie sicher, daß sie nicht etwas Sekretärin: Das überlassen sie mal am besten mir, was
anderes suchen? Etwas viel Schöneres und Wertvolleres? ich wie verstehe.
- Wenn sie ganz sicher gehen möchten, tragen sie am
Junior: Ich hab mir soviel Mühe gegeben. Also ich mei- besten einen dunkelblauen Anzug. Dunkelblau ist seine
ne, ich hätte mir Mühe gegeben, hätte ich die Chance Lieblingsfarbe. Außerdem wirkt es seriös und paßt damit
gehabt. Ich hab mich so gut auf das Vorstellungsge- ideal zu einem Vorstellungsgespräch. Ach ja, was noch
spräch vorbereitet, hab sogar mein letztes Geld für wichtig ist: Es muß ein Einreiher sein. Bloß keinen Zwei-
einen Anzug ausgegeben. Weil ich einen guten Ein- reiher! Zweireiher kann er nicht ausstehen.
druck machen wollte. Aber der hat mich kaum zu Wort
kommen lassen, und mein Anzug war ihm auch egal! Ich Junior: Aha … und die Krawatte? Sollte die Krawatte
hab extra die Sekretärin gefragt, was für Sachen er am auch eine bestimmte Farbe haben?
liebsten hat … ich hab sie extra angerufen … ich hab die Sekretärin: Nun … da gönnen sie sich ruhig ein wenig
37. Freiheit. Vielleicht überlegen sie sich, ob sie nicht besser bin auf Empfang, ja bin ich denn ein Radio, ja muß ich 3
eine Fliege tragen. Er trägt nur Fliegen. Andererseits … denn wiedergeben, was andere ausstrahlen, und es gibt
wenn sie mit einer Fliege ankommen, könnte er meinen, ja so viele Sorten von Strahlen. Alle treffen sie sich in
sie wollten sich bei ihm beliebt machen. meinen Ohren zu einem Schwatz. Das nennt man Kako-
phonie, glaube ich, oder Scheißophonie. Ja bin ich denn
Junior: Eigentlich ist das ja auch mein Ziel. ein Ort der Begegnung. Immerzu dieses Singen aus den
Sendern, und dann noch dieses Rauschen aus den Atom-
Sekretärin: Das muß man ja nicht so plump anstellen! kraftwerken, Strahlen, Strahlen, ich werde noch ganz
Wenn sie meine Meinung wissen wollen: Lassen sie blöd. Es gibt keine Stille, nie. Weil: Ich bin empfänglich
das ganze Gebinde weg und kommen sie mit offenem für Strahlen. Für Strahlen aller Art. Ich bin ein Medi-
Hemdkragen, das sieht sportlich aus und frisch. um. Ich mache Strahlen hörbar. Allerdings nur für mich
selbst. Ich bin mein eigenes Radio. Ich bin mein eige-
Junior: Auch gut. Wie finde ich denn am besten zu ner Geigerzähler. Hallo? Hallo? Wie bitte? Ist das deine
ihnen? Stimme oder ist es ein anderer Sender? Woher kommen
sie? Verstehe. Jedenfalls ist es nicht meine eigene Stim-
Sekretärin: Kommen sie mit dem Auto? me. Hab ich mir schon gedacht. Inzwischen hab ich den
Dreh raus. Ich erkenne sie schon an der Strahlung. Ich
Junior: Nein, ich habe kein Auto. erkenne sie schon, ich habe sie schon gehört, jetzt hab
ich sie, jetzt hab ich ihre Frequenz, einen Moment noch,
Sekretärin: Na, dann nehmen sie die S-Bahn, die hält gleich bin ich auf sie eingestellt …
hier fast vor der Haustür …
Junior: Dann sagen sie mir doch bitte noch den Namen
der Haltestelle. 3. Szene
Sekretärin: Rödelheim müssen sie raus. Das Rauschen eines verstellten Radios.
Junior: … Aha … vielen Dank … Rödelheim … so also Vater: Du hast meinen Sender verstellt! Meinen Sender
heißt die Station … muß mir den Namen einprägen … an meinem Radio!
muß an dieser Station raus …
ab hier abgleiten in den Monolog mit anderer Atmo Das Radio wird eingestellt, aus dem Rauschen wird
… ach, schon wieder muß ich einen Namen aufnehmen, Schlagergesang: „Es fährt ein Zug nach nirgendwo“ von
schon wieder muß ich etwas in mich reinlassen, muß ich Christian Anders.
hinhören, was die Stimme aus dem Lautsprecher sagt: Aufdringlich-vordergründiges Gurgeln einer Kaffeemaschi-
Nächste Station: … - die Stimme ist ein Sender mit einer ne kommt hinzu.
Sendung, und ich, ich bin auf die Station eingestellt, ich
38. 3 Vater: vehement, fordernd Wirst du wohl dein Brötchen 4. Szene
aufschneiden!
Ich will es knuspern hören! Atmo unterirdische S-Bahn-Station Hauptwache in Frank-
Ich will die Krümel spritzen sehen! furt am Main. Menschenmassen, Rolltreppen, ein- und
ausfahrende Züge, Durchsagen.
Junior: verzweifelt Welches Messer soll ich denn neh- Während der ganzen Szene brabbelt die Pennerin wirres
men? Zeug vor sich her. Schrille Stimmlage, hysterisch, belustigt.
Juniors Stimme überlagert ihre, doch ist sie im Hinter-
Vater: Das da! - Schau mal auf die Uhr! Schau gefälligst grund weiterhin - ununterbrochen! - deutlich zu hören.
mal auf die Uhr! Willst du etwa zu spät kommen? Dann Die Szene beginnt mit der Durchsage!
kannst du es gleich vergessen!
Durchsage: Auf Gleis 3 fährt ein: S 5 nach Friedrichsdorf.
Laut: Ein Messer schneidet ein knuspriges Brötchen
Pennerin: Ich hab mich sterilisieren lassen. Wegen der
Vater: Hier, Butter! Los, schmieren! Einfetten! Mäuse. Ach herrje, die haben an mir geknabbert mit
ihren spitzen kleinen Zähnchen. Es hat immer so gejuckt.
Junior: winselt Ach Zähnchen haben die! Das zwickt. Aber das kann
man ja wegmachen.
Vater: Ich hasse Menschen, die das Haus ohne Frühstück
verlassen. Junior: höhnisch, im Vorübergehen
Es hat so etwas von Verweigerung. Hört euch mal die bekloppte Alte an!
Junior: grunzt Pennerin: Dafür habe ich die Kneipe geerbt, Endstation
heißt die, am Bahnhof von Bad Vilbel. Da braucht man
Vater: Los, reinbeißen! Mach schon! Hoppla! Hopp! ja ne Ausschankgenehmigung. Sie lachen! Sie lachen!
Und dann gab´s Ärger. Hottehü! Hottehü! Da hat´s mich
gesattelt. So schnell geht das. Hoppla hopp.
Junior: mit vollem Mund So etwa? Ist das richtig so?
Durchsage: Am Gleis 3 bitte zurücktreten.
Vater: Kauen jetzt! Und jetzt sag, daß es dir schmeckt!
- Hallo! Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe? Junior: besorgt Bestimmt wird er mich löchern. Er wird
mich anbohren mit seinen Fragen.
Junior: erzeugt unverständliche Worte mit vollem Mund verstellt seine Stimme
Wie lange waren sie für ihren letzten Arbeitsgeber tätig?
Elf Monate? Aus welchen Gründen ist der Arbeitsvertrag
aufgelöst worden?
39. Pennerin: Du dumme Sau! Mach das du verschwindest! Konzession. Rattatamm, rattatamm, wo ist denn bitte 3
Da war´s dann aus. Da hat´s mich in die Beete gepfef- schön der nächste Luftschutzkeller. Gleich kommt eine
fert. Kraut und Rüben. Nu ja, was soll´s. Hoppel hopp V2 auf uns nieder, da werden sie schon sehen, hoppla
da kamen die Hasen ohne zu fragen. Ja, Süße, deine hopp. Weg da! Geh beiseite, du Aas, ich will das sehen!
Bügelfalten stechen mir in die Augen, geh weg! Nein, ich sitze, wo ich bin! Ich könnte dich anfassen!
Junior: wieder mit seiner eigenen Stimme Durchsage: Am Gleis 3 bitte zurücktreten!
Was soll ich denn darauf antworten? Ich kann doch
nicht lügen, das merkt man mir sofort an. Junior: ab hier abgleiten in den Monolog mit anderer
Atmo Was hat die Stimme gesagt? Was sagt sie? Sie sagt
Durchsage: Auf Gleis 2 fährt ein: S 2 nach Südbahnhof. es ja noch … die Stimme ist ja noch in meinem Ohr …
hallo? Hallo? Ja … aber ja doch … ich höre sie sehr gut
Pennerin: Als sie ihm die Haare abgeschnitten hatten, … ich brauche doch nicht zurücktreten, ich bin doch
wußte ich gar nicht mehr, was ich sagen sollte. Außer- schon eingetreten, ich bin doch schon drin, im Zug, der
dem taten mir die Zähne weh, ja ich hab auch Zähne, bringt mich hin, rattatam, rattatam, jetzt bin ich auf dem
Hasenzähne, ach die Schmerzen, wegen der schlechten richtigen Weg, jetzt brauch ich nur noch hinhören, bis
Füllungen. Da waren schon Risse drin, in denen haben die Stimme die Station ansagt, aber nicht die Endstation,
sich Würmer eingenistet. Hoppsassa, haben sie die raus- ich fahre ja nicht nach Bad Vilbel … ich fahre ja nach ….
gezogen, dass es nur so flutschte. Nun da bin ich heute wie heißt sie noch, die Station …
angekommen, oder da drüben. Also Haarspray konnte
ich noch nie riechen. Am vorigen Tage hatte ich noch Durchsage im S-Bahn-Zug, fließend einfügen: Nächster
was in Aussicht, aber das geht vorüber. Meine Güte, Halt Galluswarte.
müssen die denn die Sitze aus so nem Draht zusammen-
biegen, da holt man sich ja ein Karomuster am Arsch. Junior: Muß ich jetzt aussteigen?… war es diese Station?
Ich hab nämlich keinen Schlüpfer an, den mußte ich War es diese Station … muß ich hier raus? …
wegwerfen, der war schon verbraucht.
Durchsage: Auf Gleis 3 fährt ein: S nach Wiesbaden
über Frankfurt Flughafen. 5. Szene
Junior: In einer halben Stunde muß ich da sein. In zwei Im Zimmer des Chefs.
Stunden hab ich es hinter mir. So ungefähr. Vielleicht
dauert es auch gar nicht so lange. Sekretärin: spricht durch die Wechselsprechanlage
Soll ich ihn hereinlassen?
Pennerin: Und wie sie weitergegangen sind, dachte ich
mir so: Ohne mich! Ohne mich! Ich krieg ja doch keine Chef: eifrig, voller Vorfreude Ja! Ja! Lassen sie ihn herein!
40. 40
Es klopft an der Tür. Chef: Wie? Haben sie etwas gesagt? - Ich seh ihnen doch
an, daß sie sich nach etwas sehnen!
Chef: räuspert sich mehrmals, laut und übertrieben, ohne Stille.Sie möchten bestimmt ein paar Kekse knabbern,
Einlaß zu gewähren stimmt´s?
spricht in die Wechselsprechanlage Bitte bringen sie noch
Nach einer Pause klopft es wieder. Kekse mit!
Chef: flötend, übertrieben freundlich Sekretärin: Jawohl.
Herein! Ja bitte! Treten sie ein!
Chef: Sie gestatten, daß ich mich endlich setze?
Junior: spielt den freundlichen, gelassenen Bewerber, ist in Penetrant knarzendes Leder; es begleitet seine Äußerungen
Wirklichkeit eingeschüchtert Sie bleiben bitte stehen. Ich möchte die Perspektive
Guten Tag! Da bin ich! genießen. Ich möchte zu ihnen aufschauen. Ich möchte
zu allen meinen Mitarbeitern aufschauen können. Wie
Chef: herzlich Kommen sie näher! Setzen sie einen heißt doch gleich diese Perspektive …
Schritt vor den anderen! Verringern sie den Abstand!
Junior: Froschperspektive?
Die Wechselsprechanlage piept.
Chef: Ach was! Da müßte ich ja platt auf dem Boden
Chef: flötet in die Wechselsprechanlage liegen! Möchten sie das? Stellen sie sich das insgeheim
Nur keine Scheu! Nur keine falsche Bescheidenheit! vor: Wie ich platt auf dem Boden liege?
Sekretärin: Möchten sie Kaffee oder Tee? Junior: Nein, nein, auf keinen Fall!
Chef: Kaffee oder Tee? Kaffee oder Tee? Meine Lie- Chef: Sie möchten mich auf dem Boden sehen. Sie
be, die Frage stellt sich ganz anders. Das eine soll das möchten mich mit ihrem Fuß zerquetschen wie einen
andere niemals ausschließen. In unserem Hause gilt das kleinen, ekligen, glitschigen Frosch.
Prinzip Sowohl-Als Auch, nicht das Prinzip Entweder-
Oder. Wann werden sie das endlich lernen? Junior: Aber nein!
Sekretärin: gelangweilt Mit Milch und Zucker? Chef: Warum geben sie nach? Stehen sie zu ihren Fan-
tasien! Ich habe volles Verständnis für solche Vorstel-
Chef: Mit braunem Kandiszucker! Und mit Zitrone! lungen. Sie kommen hier herein als Wurm. Kein Wun-
an Junior Haben sie einen besonderen Wunsch? der, daß sie sich nach Macht und Größe sehnen. Aber
bedenken sie: Der Frosch frißt den Wurm, haha! Na
Junior: Nun … Also … nun beruhigen sie sich, ich habe ja nur ihr eigenes Bild
41. weitergemalt! Ich bin kein Frosch, sie sind kein Wurm. Sekretärin: kommt hustend herein 41
Abgemacht? Hier sind ihre Schokokekse. Passen sie auf, daß ihnen die
Schokolade nicht zwischen den Finger zerläuft. Wenn sie
Die Tür geht. Sekretärin tritt ein. die Soße wieder auf den Sessel schmieren, können sie
ihn diesmal selbst saubermachen.
Sekretärin: Hier kommt das Sowohl-Als Auch.
Chef: Was sind sie heute wieder biestig!
Chef: Ah, wie der Kaffee duftet! - Aber was ist das? Wie-
der diese trockenen Krümeldinger! Wo sind denn meine Sekretärin: Was haben sie nur mit dem Jungen gemacht.
saftigen Schokokekse? Die mag ich doch so gern! Der guckt ja so belämmert.
Sekretärin: Mal schaun. Chef: Noch habe ich gar nichts mit ihm gemacht, haha.
Das kommt erst noch!
Sekretärin geht.
Sekretärin: Na, na, na! Setzen sie ihm bloß keine Flausen
Chef: Stört es sie, wenn ich rauche? in den Kopf!
Junior: Nein, bestimmt nicht. Chef: Flausen? In den Kopf? Ich werde ihm einen kleinen
Mann setzen! Und zwar ins Ohr!
Chef: Sie wissen, daß Rauchen ungesund ist?
Tür geht zu.
Junior: Ja, das schon, die EU Gesundheitsminister war-
nen davor … Chef: Bleiben wir bei ihnen. Was stört sie am Rauchen?
Chef: pafft genüßlich Die Zigaretten selbst sind völlig Junior: Nichts! Gar nichts! Rauchen sie nur. Früher hat
harmlos. Ungesund ist das, was mich zum Rauchen man Zimmer aus hygienischen Gründen ausgeräuchert!
antreibt. Es wird also sein Gutes haben.
Junior: Ach so! Chef: Erzählen sie doch keinen Quatsch! Ich weiß genau,
daß sie Zigaretten ekelhaft finden! Ich weiß auch, daß
Chef: Da staunen sie, was? Das ist ihnen neu! Nun, hier sie vom Rauch nach kurzer Zeit Augenreizungen, ver-
änderte Geschmacks-empfindungen sowie neurotische
werden sie noch einiges erfahren, das ihnen ganz neu
Atembeschwerden bekommen!
vorkommen wird.
Tür geht. Junior: Es stimmt, Rauch brennt in meinen Augen, aber
das ist auch alles.
42. 42 Chef: Wenn ihnen die Augen weh tun, warum weinen Junior: ab hier abgleiten in den Monolog mit anderer
sie dann nicht? Das spült die Schadstoffe aus! Atmo Harthörig … harthörig … hart … hartherzig finde
ich das, mich zu stören, diese Stimme, seine Stimme,
Junior: Ich kann nicht so einfach auf Befehl weinen. noch eine, als hätte ich nicht genug in mir, finde ich
denn nie mehr zur Ruhe, nicht bei Tag, nicht bei Nacht,
Chef: Das ist mir klar. Sie haben eine Verhaltung, da in keiner Nacht, auch nicht in der letzten, wir hatten
kommt halt nichts bei raus. Sie können weder weinen Neumond letzte Nacht, wir alle hatten Neumond,
noch scheißen. Ist ihnen die Ähnlichkeit dieser Symp- aber ich, wieder nur ich hatte sein Tönen im Ohr, bei
tome aufgefallen? Neumond sind es Photonen und Neutronen, die da so
aufdringlich klingen, kann aber auch sein eine Radon-
Junior: Heute morgen hatte ich wirklich eine Verstopfung quelle, ganz in der Nähe, das Gas Radon, es strömt aus,
zischend, rauschend, aus einer Gasflasche, aus einer
Chef: Eben! Weil sie mir was scheißen wollten, aber sich Lunge, aus einem Mund, was weiß ich, jedenfalls ist
nicht trauten! Ha! Zu feige zum Scheißen! es da, machen sie nicht so einen Krach, ich möchte
schlafen, es ist Neumond, es ist Radon, es ist radioaktiv,
Junior: Warum reden sie so mit mir? Wollen sie mich es ist Biblis. Biblis ist nicht weit, nur ein paar Stationen
verletzen? mit der Regionalbahn, nächste Station Biblis, Biblis hat
ein Wahrzeichen, es hat zwei Kuppeln. Der Petersdom
Chef: Mein Junge! Sie denken falsch von mir! Es ist mein hat nur eine Kuppel. Sie sind eines der größten Atom-
Ziel, ihre Wahrnehmung zu schärfen - genauer gesagt: kraftwerke der Welt, in jeder ihrer Kuppeln glühen
Ihre Selbst-wahrnehmung. Dafür gibt es ein Organ, das einhundertdreiundneunzig Brennelemente, sie erzeugen
heißt nicht Auge, auch nicht Ohr, sondern Bewußtsein, sechzehn Milliarden Kilowattstunden Strom im Jahr,
und sein Ziel ist Bewußtheit! Ich begleite sie nur auf dem das ist eine Leistung, da staunt man mit offenem Mund,
Weg dahin. Der Weg kann hart sein. Aber bitte schieben da verschlägt es einem die Sprache, mir verschlägt es
sie mir nicht die Härte des Weges in die Schuhe! Der Weg die Sprache, aber sie, sie reden und reden, nun las-
kann auch lang sein. Sie haben bereits eine lange Strecke sen sie mich endlich in Ruhe! Weg! Hauen sie ab! Ich
zurückgelegt. Eine Durststrecke, haha! Da können sie beschwere mich! Hallo? Hallo? Ist dort die Personen-
noch so viel Kaffee bei Vorstellungsgesprächen trinken: dosismeßstelle? Bitte nehmen sie zur Kenntnis, daß ich
Wenn sie sich nicht ändern, geht die Durststrecke weiter. eine strahlenexponierte Person bin. Ich verlange eine
Kann nicht einmal zugeben, dass ihm die Augen brennen! dosimetrische Überwachung, darauf habe ich Anspruch.
Das gleiche Theater spielt er mit den Ohren: Gibt nicht Näheres zur Personendosis regeln die Paragraphen
einmal zu, dass sie ihm klingen! Noch nicht, noch nicht. zweiundsechzig folgende der Strahlenschutzverordnung.
Das kommt erst, wenn er den Vertrag in der Tasche hat! Weiteres lesen sie unter Paragraph fünfunddreißig der
Aber nicht mit mir! Hallo! Hören sie mir überhaupt zu? Röntgenverordnung … der Schlafschutzverordnung …
Hallo, junger Mann, sind sie schwerhörig? Oder wie sagte
man früher, ha-ha … harthörig …
43. 6. Szene Hätte ich mir bloß die Decke über den Kopf gezogen. 43
Hätte ich doch einen verständnisvollen Vater.
Junior: Wäre ich bloß im Bett geblieben Ach, mein schönes Bett.
Ach, meine schöne Bettdecke.
Chef: Haben sie etwas gesagt?
Hier versuchen sich die beiden Fremdstimmen wieder
Junior: flötet Nei - hein, ich höre ihnen zu - hu! einzumischen:
Junior gleitet ab in Gedanken. Evtl. leichter Hall. Seine 1. und 2. Fremdstimme im Chor: Wäre ich bloß im Bett
Gedanken denkt er melodiös, wie einen Sprechgesang. geblieben …
Da mischen sich fremde Stimmen ein, die versuchen, ihm
einen Kanon aufzuzwingen. Junior: Ruhe!
Junior: Wäre ich bloß im Bett geblieben. Es herrscht Stille. Junior beginnt wieder von vorn.
Hätte ich mir bloß die Decke über den Kopf gezogen.
Hätte ich doch einen verständnisvollen Vater. Junior: Wäre ich bloß im Bett geblieben.
Ach, mein schönes Bett. Hätte ich mir bloß die Decke über den Kopf gezogen.
Ach, meine schöne Bettdecke. Hätte ich doch einen verständnisvollen Vater.
Ach, mein schönes Bett.
Hier setzt der Kanon ein: Ach, meine schöne Bettdecke.
1.Fremdstimme: Wäre ich bloß im Bett geblieben … Ab hier begleiten ihn die beiden Fremdstimmen, sprechen
synchron mit ihm. Er unternimmt nichts mehr gegen sie.
Nach der 2. Strophe setzt die 2. Fremdstimme ein:
Junior: So viele Kassetten.
2. Fremdstimme: Wäre ich bloß im Bett geblieben. Ich könnte Deckenkassetten zählen.
Hätte ich mir bloß die Decke über den Kopf gezogen. Ich könnte Daunenfedern zählen.
Ich könnte Staubmilben zählen.
Die 2. Fremdstimme schafft noch die 2. Strophe, dann Alles wärmer als das hier.
wird sie von Junior unterbrochen: Alles besser als das hier.
Junior: Aufhören!
Er beginnt von vorn.
Junior: Wäre ich bloß im Bett geblieben.