Migration, Integration und Teilhabe in integrierten Konzepten.pptx
fight.back #02
1. MAI 2003
ANTIFA RECHERCHE BERLIN
TREPTOW | PANKOW | MOABIT | RUDOW
NAZIAUSSTEIGER | RECHTER LIFESTYLE FIGHT BACK
2. 36 35 34 30 16 08
TREPTOW: RÜCKBLICK AUF DIE ENTWICKLUNG
DER LETZTEN 13 JAHRE INNERHALB DER NEO-
EDITORIAL
Über anderthalb Jahre sind vergangen, seitdem die erste Ausgabe der Recherchebro-
schüre Fight.Back veröffentlicht wurde. Die Resonanz auf die Fight.Back 01 war sehr
beachtlich. Nicht nur wegen der unerwartet großen Nachfrage, sondern auch wegen
der Rezension innerhalb der neonazistischen Szene in Berlin. Die örtlichen Neona-
zis haben sich netter Weise getreu dem Motto: „Getroffene Hunde bellen“ verhalten.
NAZISTISCHEN SZENE Nun folgt endlich die zweite Ausgabe der Fight.Back. Die Fixierung der ersten Aus-
gabe auf den Nordosten Berlins ist in dieser Ausgabe aufgehoben worden. Der re-
gionale Schwerpunkt ist diesmal weit über die Bezirke Pankow und Lichtenberg-Ho-
henschönhausen hinaus gerichtet. Zum Beispiel werden diesmal auch die neonazi-
stischen Strukturen in den Berliner Stadtteilen Treptow und Moabit grundlegend be-
leuchtet.
PANKOW: TEXT DES ANTIFA RECHERCHE TEAM Wichtig zu erwähnen ist, dass neben der häufigen Erwähnung von Seiten der Neo-
NORDOST ZUM AKTUELLEN STAND DER DINGE IM nazis und anderen extremer Rechten die Fight.Back auch als Tarnmantel für Anti-
Antifa-Aktivitäten genutzt wurde. Gestalten aus dem Umfeld der Kameradschaft Tor
BEZIRK PANKOW tauchten in einer politischen Einrichtung in Berlin auf und fragten nach den Red-
akteuren der F.B sowie nach noch mehr Informationen über ihren eigenen Organi-
sationszusammenhang. Dies war jedoch nicht die einzigste Aktion dieser Art. Außer-
halb von Berlin erschien ein Fotograf (Robert Reinhold) bei einer Antifaaktion und
behauptete Mitglied des Redaktionskollektivs der Fight Back zu sein, nach kurzem
Geplänkel mit der örtlichen Antifa stellte sich heraus, dass die Person ein aktives Mit-
glied der berliner Anti-Antifa war und ist. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Ak-
MOABIT: HISTORISCHER EINBLICK IN DIE ENT- tivitäten von Seiten der Anti-Antifa in Berlin und Umgebung nicht zu unterschät-
WICKLUNG DER ORGANISIERTEN NEONAZIS DER zen sind und dabei zu beachten ist, dass die einstige plakative Eindeutigkeit der Nazi-
Skinhead-Ästhetik innerhalb der neonazistischen Szene der breiten ästhetischen
LETZTEN 20 JAHRE Mehrdeutigkeit gewichen ist.
Dementsprechend tragen die Aktivisten der Anti-Antifa also kaum noch vom nor-
malen Lifestyle oder gar typisch linken Style zu unterscheidende Bekleidung. Auf die-
ses grundlegende Problem geht der Artikel „Der Neonazis neuer Style“ am Ende der
Broschüre näher ein. Ein weiterer Artikel, am Ende der Broschüre, setzt sich mit der
Frage der „aussteigenden“ Neonazis auseinander. Gerade in den letzten Jahren ver-
RUDOW: SEHR KURZER AUFRISS DER SITUATION breitet sich das Phänomen der sogenannten Aussteiger aus der neonazistischen Szene
IN SÜDNEUKÖLLN, SPEZIELL DEM STADTTEIL überall und wird medial als wichtige zivilgesellschaftliche Aktivität angepriesen. Doch
dabei stellt sich die Frage ob Menschen überhaupt von einem auf den anderen Tag
RUDOW aussteigen können, oder ob es sich nicht sogar um eine Alibiaktion handelt. Die Kri-
terien und Maßstäbe für einen gelungen Ausstieg werden im Artikel „Aussteigen
bitte“ kritisch unter die Lupe genommen.
Weiterhin bietet die zweite Ausgabe der F.B wie gewohnt ein Interview mit unter-
schiedlichen antifaschistischen Initiativen, die umfangreichen Rechercheartikel zu
den Berliner Stadtteilen Treptow und Moabit, einen aktuellen Bericht zur Situation
NAZI-AUSSTEIGER: IST EIN FORTSCHRITT- in Pankow, sowie eine kurze Beschreibung der Situation im westberliner Stadtteil Ru-
LICHER UMGANG MIT AUSSTEIGERN AUS DER dow. Wir wünschen viel Spaß beim Lesen und bitten um die Weitergabe von Infor-
mationen an unsere Kontaktadresse.
NEONAZISZENE MÖGLICH?
Wir wollen an dieser Stelle auch noch mal betonen, dass wir uns nicht als alternati-
ver Verfassungsschutz verstehen, sondern dass es uns darum geht eine Basis für kon-
krete antifaschistische Arbeit in Berlin zu schaffen.
Euer FIGHT.BACK Redaktionskollektiv
RECHTER LIFESTYLE: WELCHE KLAMOTTEN
TRAGEN DIE NEONAZIS DERZEIT, UND WARUM?
Impressum: Vi.s.d.P. ist Irmgard Zarden, Rigaerstr. 94, 10247 Berlin. Die Artikel geben nur die Meinung der AutorInnen wieder. Die Veröffentlichung von Artikeln in anderen Publikationen ist erwünscht. Bitte
mit der genauen Angabe der Erstveröffentlichung. >> left.copyriot.2003 Fotos: Alle Bildrechte liegen, falls nicht anders vermerkt, bei den jeweiligen FotografInnen. Sämtliche Darstellungen, vor allem auch die
verbotenen Symbile, wie z.B. das Hakenkreuz, dienen nur dokumentarischen Zwecken. Dank geht an: Antifa Info Blatt [AIB], Antifa Pressearchiv und Bildungszentrum e.V. [Apabiz], Antifa RechercheTeam
Nordost [ARNO], Gruppe.Internationale.Webteam [GI], Liselotte Meier und der Antifa K aus Köln Verteiler: Die VerteilerInnen sind nicht identisch mit den AutorInnen. Fight.Back.02 wird kostenlos in Ber-
lin und Umgebung verteilt. Kontakt: Anregungen/Ergänzungen bitte an >fight.back@web.de< Weiterhin Dank an: Treptower Antifa Gruppe [T.A.G.], Antifaschistische Initiative Moabit [AIM], Autonome
Antifa Nordost Berlin [AANO], Pankower Antifa Offensive [PAO], Rote Antifa Weißensee [RAW], Markus Ragusch und Ralf Fischer.
3. FIGHT BACK MAI/03 INTERVIEW
3
INTERVIEW FIGHT.BACK02
CHRISTINA DECLERQ VON DER AUTONOMEN ANTIFA NORDOST BERLIN [AANO], GISELA ELSER VON DER ANTIFA-
SCHISTISCHEN INITIATIVE MOABIT [AIM] UND SANDY KURZ VON DER TREPTOWER ANTIFA GRUPPE [T.A.G.] BE-
ANTWORTEN FRAGEN.
Stellt euch doch bitte erstmal vor. Was treibt euch antifaschistische Arbeit
zu machen?
T.A.G.: Vor etwa fünf Jahren haben wir uns in Treptow zusammengeschlos-
sen, um dem alltäglichen Nazi-Terror kontinuierlich entgegenzutreten. Eine Wie ist derzeit die Bedrohung durch neonazistische Organisationen in eu-
lokale Organisierung erschien uns hierbei als geeignete Form. ren Aktionsräumen? Wie seht ihr die Entwicklung der letzten Jahren? Hat
sich etwas geändert?
[AANO]: Ich bin 22 Jahre alt, wohne im Nordosten von Berlin und bin seit
einigen Jahren innerhalb der organisierten Antifa-Bewegung aktiv. In der [AANO]: Im Nordosten von Berlin haben die extremen Rechten ein breites
Autonome Antifa Nordost Berlin [AANO] bin ich seit über 2 Jahren organi- Netzwerk mit zahlreichen Knotenpunkten und vielen Organisationsformen
siert. Meine Politisierung begann schon sehr früh, doch bis ich inhaltlich mit zur Verfügung. Neben Kneipen und Läden gehören dazu natürlich auch Par-
der radikalen Linken etwas anfangen konnte, verging einige Zeit. Gegen Neo- teizentralen und Wohnungen, die den Neonazis als Strukturen dienen.
nazis und Rassisten bin ich immer aktiv gewesen, doch meine Perspektive war Mensch findet hier außerdem jegliche Fraktionen der Rechtsextremen: von
damals etwas einseitig. den rechtsterroristischen Vandalen über die neonazistischen Kameradschaften,
Erst durch die inhaltliche Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen der NPD/JN und bis vor kurzem der Bundeszentrale der Republikaner bis hin
Standpunkten der radikalen Linken kam ich zu der Erkenntnis, dass der zu einigen Querfrontaktivisten und den Rechtsaußen in der CDU.
Kampf gegen die Neonazis nicht der einzige Sinn und Zweck einer Antifa Die Veränderungen in den letzten Jahren sind eher geringerer Natur. Die gra-
sein kann. Letztendlich bleibt festzuhalten, dass die [AANO] natürlich auch vierendsten sind, dass die Neonazis auf einmal angefangen haben Parolen zu
Anti-Nazi-Aktionen organisiert und unterstützt, doch hauptsächlich wird ver- sprühen, und dass sich ihre Kleidung wirklich grundlegend geändert hat. Die
sucht, darüber hinausgehende Aktionen zu organisieren. Masse der Bevölkerung im Nordosten hat kein Problem mit rechten Meinun-
gen und Bestrebungen, oder sie äußert sich nicht. Und der harte Kern der Ne-
AIM: Antifaschistische Arbeit, Antifa, ist für uns eine unverzichtbare Grund- onazis wird nicht geringer, aber auch nicht mehr. Insofern ist die Veränderung
lage linksradikaler Politik, deren Ziel die grundsätzliche Umwälzung der kapi- nur darin zu sehen, dass die Neonazis ein wenig mehr auf ihr Äußeres achten.
talistischen Verhältnisse ist. Oder kurz gesagt, die soziale Revolution ist mit
Nazis, Rassisten und Antisemiten nicht zu machen. Und natürlich fühlen wir AIM: Eine direkte Bedrohung durch Nazis, Straßenschläger etc. gibt es in
uns dem Vermächtnis des antifaschistischen Widerstands gegen den deut- Moabit im Moment nicht. Die Straße ist eher von jugendlichen MigrantIn-
schen Faschismus und dem Schwur von Buchenwald verpflichtet. „Die Ver- nen geprägt. Wenn in den letzten Jahren Nazigruppen, wie die Republikaner,
nichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung! Der Aufbau ei- die „Kameradschaft Beusselkiez” oder das Umfeld der „Nationalen”, die auch
ner neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel! Nie wieder Fa- das „Radio Germania” mitbetrieben, aktiv wurden, haben wir dies stets durch
schismus, nie wieder Krieg!” Der rassistische und völkische Schub den, 1989 Kundgebungen, Plakataktionen etc. öffentlich gemacht. Es ist uns dadurch
die deutsche „Wiedervereinigung” ausgelöst hat, die Pogrome in den darauf gelungen diese kurz zu halten oder sogar rauszuschmeissen. Einige Nazis und
folgenden Jahren, haben uns die Notwendigkeit von Antifa nochmals bestätigt. auch Nazikader leben natürlich auch in Moabit. Größere Probleme bereitet
hier aber eher ein weit verbreiteter „brauner Mief ” von spießigen Rassisten,
deren Bezugspunkt die Moabiter CDU unter Volker Liepelt ist. Dessen rassi-
stische Forderungen und Drohpolitik gegenüber MigranntInnen und Drogen-
konsumentInnen machen „echte” Nazis beinahe überflüssig. Ein Kristallisa-
tionspunkt ist dabei das Markthallenrestaurant. Dessen Wirt, selbst CDU-
Mitglied, stellte seine Räume in den letzten Jahren immer wieder den REPS,
der Schillpartei und auch der NPD zur Verfügung.
T.A.G.: Die akute Bedrohung auf der Strasse geht im Moment weniger von
Organisationen, als von losen Cliquen jugendlicher Nazi-Schläger aus. Trotz-
dem wohnen in unserem Bezirk nach wie vor eine Reihe von aktiven Nazi-Ka-
dern und auch die Aufbauarbeit früherer Nazi-Gruppen wirkt sich bis heute
im Bezirk aus.
4. 4 INTERVIEW FIGHT BACK MAI/03
Ihr als AIM habt euch ja schon lange mit Querfrontbestrebungen ausein-
andergesetzt. Wie weit sind da die Bemühungen der extremen Rechten
fortgeschritten? Was sind die entscheidenden Merkmale der Querfront?
AIM: Also wir werden immer sofort hellhörig, wenn Leute daherkommen
und einem Weismachen wollen, dass die politische Standortbestimmung von
Das Aussehen und der Lifestyle der Neonazis hat sich also in den letzten Links und Rechts ein veraltetes Denkmuster ist, das überwunden werden
Jahren geändert. Wie schätzt ihr das ein? Könnt ihr da Trends bestim- muss. Vor gut 2 Jahren haben wir in Schöneberg quasi ein Querfronterlebnis
men? gehabt, das ziemlich deutlich die Herangehensweise von Querfrontstrategie
aufzeigte, die vorgibt „die Gegensätze zwischen Linken und Rechten abzu-
T.A.G.: Auch in Treptow hat sich die Nazi-Szene stilistisch ausdifferenziert. bauen”. In Wirklichkeit zielt man dabei aber auf unbedarfte Personen aus dem
So treten die älteren Kameradschafts - Aktivisten mittlerweile im Hardcore- linken und alternativen Spektrum und versucht sie in Diskussionen mit rech-
Style auf. In den jüngeren Nazi-Cliquen bewegen sich Jung-Nazis problemlos ten Themen hineinzuziehen und somit fürs rechte Lager zu gewinnen.
im HipHop-Style. Das Hooligan-Milieu ist durch die Gruppe 9 bzw. die Höl- Auf einem Treffen des Bündnis gegen Rechtsextremismus, Neofaschismus,
lenjungs von Nazis besetzt und die NPD-Kader treten seriös und bieder auf. Antisemitismus und Rassismus in Tempelhof & Schöneberg im März 2001
Aber auch die traditionellen Stiefel-Nazis mit Bomberjacke finden sich noch waren zwei Menschen anwesend, die erhebliche Sympathien und Kontakte zu
an den Bahnhofsvorplätzen. Nazis und anderen Rechtsextremisten haben, z.B. zu Horst Mahler, Andreas
Röhler und auch dem Nationalanarchisten Peter Töpfer. Hierbei handelte es
[AANO]: Na zum Teil wird die Kleidung der Neonazis dem der „Rocker“ und sich um Irmgard Kohlhepp, ehemalige Grüne und Bernhard Heldt, auch ehe-
auch „Hooligans“ ähnlicher, andererseits gibt es den Trend hin zu komplett mals Mitglied bei den Grünen und davor bei den REPs.
schwarzer Kleidung, ähnlich wie bei den Autonomen in den 80er Jahren. Mit dem Argument, wenn man Mahler kritisiert, muß man sich natürlich
Doch natürlich sind auch die typischen Outfits bei den Neonazis zu sehen. auch wenigstens mit seinen Texten auseinandersetzen, wollte Herr Heldt dem
Meistens handelt es sich dann um sehr junge Anhänger der rechten Szene. Bündnis eine Diskussionrunde unterjubeln, in der als Grundlage ein von
Vielleicht auch interessant zu erwähnen ist die Beobachtung, dass vor allem in Horst Mahler, Reinhold Oberlercher und Uwe Meenen verfasster Artikel die-
den nördlicheren Regionen unseres Bezirk diese „Mode“ häufiger zu sehen ist. nen sollte. In diesem Zusammenhang legten sie mehrere Ausgaben der faschi-
stischen Publikation Sleipnir auf den Tisch, die genau diesen Artikel mit der
AIM: Das eigentliche Phänomen ist ja eher, dass sich der Lifestyle linker und Überschrift „Ausrufung des Aufstandes der Anständigen” beinhaltete. Heldt
rechter, zumeist jugendlicher Subkulturen immer ähnlicher wird. Schon die meinte, hieran kann man gut die Kernfragen des Faschismus und Antisemi-
zumeist unpolitische, sich proletarisch männlich gebende, englische Skinhead- tismus analysieren. Und wir wissen natürlich, das Texte an denen Mahler mit-
Kultur wurde von Rechten wie Linken adaptiert. Dennoch war immer klar, geschrieben hat, nur so von Antisemitismus und Judenhass strotzen.
wer die Linken und Rechten waren. Rechte Boneheads, die versuchten, linke Sleipnir-Herausgeber Röhler brüstet sich damit, rechte wie linke Autoren
Oi- und Streetpunkkonzerte zu besuchen, mussten diese meist rasch und mit gleichermaßen zu Wort kommen zu lassen. Das ist aber nur die halbe Wahr-
blutiger Nase wieder verlassen. Überdies strahlte linker Lifestyle und Dress- heit. Texte von linken AutorInnen wurden aus anderen Publikationen ohne
code bis Anfang der 90er Jahre auf den Mainstream ab. „Linke“ Klamotten deren Wissen in Sleipnir abgedruckt bzw. wurden linke AutorInnen mit dem
waren cool. Mittlerweile bedienen sich Rechts und Links beim Mainstream unscheinbar klingendem „Verlag der Freunde” hinters Licht geführt.
und versehen ihn mit Versatzstücken. So tragen Antifas ähnliche Klamotten Was uns dann einfach schockiert hatte, ist die Tatsache, dass in diesem Bünd-
wie Faschos und treffen sich manchmal bei den gleichen Konzerten. Der nis mit politisch hochgesetzten Zielen und eindeutig linkem Anspruch, keiner
Streetfighter, in den 80iger Jahren zweifellos eine linke Ikone, bedient beide gegen dieses unverschämte Auftreten von Heldt und Kohlhepp angegangen
Seiten, Nazis rufen zum Nationalen Schwarzen Block auf. Unser Vorschlag: ist. Nach dem Treffen haben wir dann dem Hauptinitiator des Bündnis gegen
Rechte Konzerte verhindern, Nazishops, die neben teuren Markenklamotten Rechtsextremismus, Neofaschismus, Antisemitismus und Rassismus in Tem-
rechte Propaganda vertreiben, schließen und den Nazis am 1. Mai morgens so pelhof & Schöneberg unsere Kenntnisse über Heldt und Kohlhepp mitgeteilt,
die Laune verderben, dass sie abends in Kreuzberg keine Lust mehr haben, was dann natürlich zum Rauswurf dieser Personen aus dem Bündnis führte.
mit zu randalieren. Wär doch schade sonst. Die Menschen in diesem Bündnis definieren sich als links, umso erschrecken-
der war es für uns, dass keiner bemerkt hatte, was dieser Bernhard Heldt im
Schilde führte.
In wirklich linken, also linksradikalen Zusammenhängen, dagegen haben
Querfrontler allerdings keine Chance sich einzuschleichen.
Dokumentation: Quitzowstraße in Moabit
Quitzowstraße in Moabit
5. FIGHT BACK MAI/03 INTERVIEW
5
Inwieweit reichen die Bestrebungen auch in die Bewegung der Globalisie-
rungkritikerInnen hinein? Habt ihr Beobachtungen zu diesem Phäno-
men? Können oder könnten die Neonazis hier Fuß fassen?
AIM: Sicher gibt es von Faschisten vielfältige Bemühungen, sich in soziale Be-
wegungen einzureihen. Gelingen tut ihnen das meist solange nicht, wie grö-
ßere Teile dieser Bewegungen sich als links definieren und es schaffen, die In- Auf den Demonstrationen der Friedensbewegung und der globalisierung-
halte so zu bestimmen, dass sie nicht von Nazis adaptiert werden können. Die kritischen Bewegung sind oft extreme Rechte unterschiedlichster Gruppie-
Gefahr besteht, dass Nazis und Konservative vermeintlich linke Begriffe, mit rungen am Start. Was macht ihr dagegen? Gibt es da eine Sensibilität von
denen diese Bewegungen, z.B die GlobalisierungskritikerInnen, arbeiten, für Seiten der VeranstalterInnen?
ihr Anliegen umcodieren und so die Bewegungen als Resonanzkörper benut-
zen können. Von der Globalisierung der Ausbeutung ist es dann über die T.A.G.: Wie überall versuchen wir linksradikale, emanzipative und fort-
„Ostküste der USA” zur jüdischen Weltverschwörung nicht mehr weit. Wenn schrittliche Strömungen und Bewegungen zu unterstützen. So auch in der
dies möglich ist, muss der linke Teil seine Kapitalismuskritik schleunigst über- Friedensbewegung und bei Protesten gegen die kapitalistische Globalisierung.
prüfen. Das dies nicht geschieht, ist mehr als fahrlässig. Dies einzufordern Völkische, nationalistische, reaktionäre und antisemitische Positionen müssen
und eine solidarische Diskussion zu organisieren, ist eine wichtige Aufgabe überall bekämpft werden, natürlich auch in der Friedens- und Antiglobalisie-
der Antifa. rungsbewegung.
[AANO]: Diese spezifische Problematik beschäftigt unsere Gruppe auch sehr [AANO]: Oh, Friedensdemonstrationen. Na ja, wenn wir die Lust dazu ver-
häufig. Gerade bei den Aktivitäten der [AANO] im Bezug auf die EU-Gipfel spüren, schlendern wir auf solchen Demonstrationen mit. Doch nicht, weil
ist dieser Themenkomplex immer wieder aufgetaucht. wir das Anliegen unterstützen, sondern um zu sehen, wie treu doof doch ein
Unser Standpunkt zu diesem Thema ist klar: Wir sehen die Anknüpfungs- Teil des pazifistischen Milieus sein Anliegen vorträgt. Doch meistens bleiben
punkte der extremen Rechten an die globalisierungskritische Bewegung sehr wir solchen Veranstaltungen fern.
deutlich. Wir halten es auch als keine Unterwanderung, wenn extreme Rechte Bei der globalisierungskritischen Bewegung sind wir uns immer noch un-
verbal oder praktisch versuchen, an Aktivitäten des Anti-Globalisierungs- schlüssig. Da ist noch viel Diskussionsbedarf, doch allgemein halten wir das
Spektrum zu partizipieren. Deshalb halten wir es für unerläßlich, innerhalb Potential innerhalb dieser Bewegung für fortschrittlicher als in der Friedensbe-
der Bewegung antifaschistische und antirassistische Standards einzufordern wegung.
und noch weiter für antinationale und linksradikale Positionen zu kämpfen.
Zum Teil stellt sich dabei aber auch die radikale Linke als ein Problem dar. AIM: Große diffuse Bündnisse, wie es die Friedensbewegung und noch mehr
Dies ist vor allem auf den EU-Gipfel im Dezember 2002 in Kopenhagen zu die TeilnehmerInnen ihrer Demonstrationen, z.B. in Berlin, sind, beruhen ja
münzen. Dort wurde der antizionistische und antisemitische Grundgehalt der nicht auf einer gemeinsamen Diskussion, sondern auf der gemeinsamen Ab-
Parole „Boykottiert Israel“ von der Linken weder erkannt, noch nach einigen lehnung eines bestimmten Punktes, wie kürzlich der Ablehnung des Irakkrie-
Diskussionen eingesehen. Dieses Problem des linken Flügels innerhalb der Be- ges. Da ist es für die Nazis natürlich einfach mit zu laufen. In kleineren Städ-
wegung halten wir auch für sehr schwerwiegend. ten gelang es ihnen dabei mehrfach gleichberechtigt und mit eigenen Transpa-
renten an Friedensdemonstrationen teilzunehmen. Die VeranstalterInnen po-
sitionierten oder distanzierten sich nicht, als störend wurden höchstens prote-
stierende AntifaschistInnen empfunden, die dann schnell in die Rolle des hilf-
losen Beobachters verbannt waren. Auch in Berlin hätte es peinlich werden
können, wenn wirklich viele Nazis aufgetaucht wären. Die Antifa sollte viel-
leicht auch bei solchen Demonstrationen wieder verstärkt mit eigenen Positio-
nen, aber auch Personen vertreten sein. Vielleicht hätte es in mancher Klein-
stadt geholfen, öffentlich die Frage zu stellen, was denn die Fans der Wehr-
macht dazu bringt, gegen Krieg zu sein. Auch eigene explizit antimilitaristi-
sche, antistaatliche und antikapitalistische Beiträge hätten dazu beitragen kön-
nen, in der Debatte zu polarisieren und dem Kadaver-Gehorsam der hinter
Gerhard Schröder herlaufenden Friedensfreunde entgegenzuwirken.
Quitzowstraße in Moabit
6. 6 INTERVIEW FIGHT BACK MAI/03
Und wie ist es bei den Aufmärschen der Neonazis? Mobilisiert ihr dage-
gen? Wie ist es bei kleineren Veranstaltungen oder Kundgebungen?
AIM: Klar mobilisieren wir dagegen. In letzter Zeit waren es meist Aufmär-
sche mit übergeordneter Bedeutung, die wir versucht haben anzugreifen, wie [AANO]: Wir sind derzeit damit beschäftigt linksradikalen Positionen in un-
die Nazi-Aufmärsche am 1. Mai, zu Rudolf Hess in Wunsiedel im August und serem Kiez sichtbar zu machen. In der nahen Zukunft wollen wir durch die
in Halbe im November. Diese Aufmärsche haben einen hohen Symbolgehalt kontinuierliche Arbeit den Ausbau der Aktionsfähigkeit der radikalen Linken
für die teilnehmenden Nazis und eine wichtige Aufgabe zur Verfestigung der und auch die Theoriearbeit forcieren.
Nazistrukturen. Außerdem organisieren sich die Nazis dort regelmäßig Er-
folgserlebnisse. In Wunsiedel kamen auf einen Antifa mehr als 10 Nazis näm- AIM: Einer unserer Schwerpunkte ist die Durchführung der Demonstration
lich insgesamt über 3000. Die Antifa nimmt das hin. zum Gedenken an die Reichspogromnacht jedes Jahr am 9.November und,
Auch und gerade in Berlin sieht es nicht viel besser aus. Naziaufmärsche sind damit verbunden, das Thema Antisemitismus. Wenn wir es schaffen, machen
oft nur von marginalem Protest begleitet. Und das obwohl es den Nazis hier wir um den 9.November herum dazu Veranstaltungen. Überhaupt nimmt die
im Laufe der letzten 10 Jahre gelungen ist, an allen „sensiblen” Daten und Or- Teilnahme an und die Durchführung von Gedenkveranstaltungen einen wich-
ten aufzumarschieren. So z.B. am 9.November, am 8.Mai und am 30.Januar, tigen Teil unserer Arbeit ein. So fahren wir z.B. regelmäßig an den Jahrestagen
sie marschierten am geplanten Holocaust-Mahnmal auf, durchs Brandenbur- der Befreiung der Konzentrationslager Sachsenhausen und Ravensbrück zu
ger Tor, anlässlich des Anschlusses Österreich an das 3.Reich und zuletzt bei den dortigen Feierlichkeiten. Am „Tag der Erinnerung und Mahnung”, der je-
einem israelischen Staatsbesuch. Wir beteiligen uns eigentlich immer an der weils am zweiten Sonntag im September stattfindet, machen wir eine Fahrrad-
Gegenmobilisierung zu öffentlichen Naziaktivitäten. Die Größe oder Teil- Stadtrundfahrt entlang an Orten von Verfolgung und Widerstand, wo wir
nehmerzahl ist dabei aber nicht ausschlaggebend für unser Engagement. Auch dann Redebeiträge verlesen.
wenn Nazi-Veranstaltungen oder Infotische, z.B. im Wahlkampf, bekannt Ein weiterer Schwerpunkt war auch immer die Mobilisierung gegen den soge-
werden, finden wir es wichtig, dort präsent zu sein. nannten „Tag der Heimat” der Vertriebenenverbände. Deren aggressiv-revan-
Grundsätzlich ist jede öffentlich verbreitete Nazi-Propaganda zuviel und sollte chistische Forderungen und deutsch-nationale Politik anzugreifen, halten wir
nicht unwidersprochen bleiben. auch weiterhin für immens wichtig.
Eine gute Gelegenheit, gegen deutsche Außen - und Großmachtpolitik und
T.A.G.: Auf lokaler Ebene bemühen wir uns alle relevanten Naziaktivitäten zu Militarisierung zu demonstrieren, war für uns außerdem immer das Bundes-
behindern, die uns bekannt werden. Vielleicht erinnern sich ja noch einige an wehrgelöbnis, das seit Jahren jeweils am 20.Juli stattfindet.
die Kundgebung am S-Bahnhof Schöneweide gegen den Schleusungspunkt ei-
ner Veranstaltung der NPD-Jugend. Berlinweit beteiligen wir uns an allen Wie schätzt ihr die derzeitige Lage der antifaschistischen Bewegung in
Mobilisierungen gegen größere Naziaufmärsche. Berlin ein? Gelingt es der Antifa in gesellschaftliche Diskurse zu interve-
nieren? Wie würdet ihr eurer Verhältnis zur Zivilgesellschaft bezeichnen?
Welche Themen beschäftigen euren Gruppenzusammenhänge noch? Wel- [AANO]: Schwierige Frage. Die Mobilisierungsfähigkeit ist in den letzten Jah-
che Arbeitsschwerpunkte habt ihr außerhalb der Anti-Nazi-Arbeit? ren nicht besser geworden. Doch der Organisierungsgrad hat jedenfalls im
Nordosten zugenommen. Insgesamt hat es sich in den letzten Jahren gezeigt,
T.A.G.: Natürlich beschäftigen wir uns mit vielen Themen der radikalen Lin- dass sich nur zur Verhinderung von Neonaziaufmärschen viele Menschen in
ken. So behandeln wir in unserer Schülerzeitung U.R.S.L. (Uns reichts schon Berlin mobilisieren lassen.
lange) Themen wie Rassismus, Sexismus, Kapitalismus, Militarismus und Das andauernde Gerede von der Zivilgesellschaft scheint wohl noch nicht
Hooliganismus. Wer die U.R.S.L. nicht kennt, kann ja mal auf unserer Inter- zum durchschlagenden Erfolg geführt zu haben. Natürlich arbeiten wir mit
netseite www.treptowerantifa.de schauen. Teilen dieser konstruierten „Gesellschaft“ zusammen. Es existieren sehr sinn-
volle Projekte in diesem Bereich, so zum Beispiel die Beratung für Opfer
rechtsextremer, antisemitischer und rassistischer Gewalt in Berlin: Reach Out.
T.A.G.: Antifa ist das, was wir daraus machen! In Vergleich zu anderen Regio-
nen in Deutschland, steht Berlin noch ganz gut da. Trotzdem könnte und
müsste natürlich auch noch vieles besser laufen. Wir als Gruppe arbeiten seit
Anfang an finanziell und strukturell unabhängig von staatlichen und zivilge-
sellschaftlichen Gruppen. Dies halten wir für den besten Weg, um unabhän-
gig und offensiv bleiben zu können.
AIM: Fangen wir mit der einfachsten Frage an. Wenn wir es für richtig halten,
gehen wir sicher Bündnisse mit anderen gesellschaftliche Gruppen ein, d.h.
wenn unsere Inhalte dort wahrnehmbar sind und wir nicht als Feigenblatt für
einen allgemeinen demokratischen Diskurs herhalten müssen. Da machen wir
mit der „Zivilgesellschaft” keine Ausnahme. Zum Zustand der antifaschisti-
schen Bewegung fällt uns leider wenig ein, außer vielleicht, dass wir gerne eine
hätten. Dann könnten wir vielleicht auch in gesellschaftliche Diskurse inter-
venieren.
8. 8 TREPTOW FIGHT BACK MAI/03
rechts: Detlef Cholewa (später Detlef Nolde) - FAP und NPD Aktivist (Foto AIB)
TREPTOW ENTWICKELTE SICH NACH DER SOG. WIEDER-
BERLIN-TREPTOW VEREINIGUNG ZU EINER HOCHBURG DER EXTREMEN
RECHTEN IN BERLIN. FAST ALLE RECHTSEXTREMEN OR-
GANISATIONEN KONNTEN SICH HIER AUSTOBEN. BEI GENAUERER BETRACHTUNG WIRD ABER DEUTLICH, DAS FAST
IMMER EIN FESTER KERN VON LOKALEN AKTIVISTEN HIERBEI DIE FÄDEN IN DER HAND HATTE.
Von diesen alten Aktivisten ist heute fast keiner mehr Lauenroth und der spätere Landser-Sänger Michael Republikaner und war Mitglied der Nationalen Of-
im Bezirk aktiv. Doch ihre Aufbauarbeit vor Ort Regener. Auch der Westberliner Naziterrorist Ekke- fensive. Ihr Mann, Peter Boche, war sogar stellv. Vor-
sorgte dafür, dass immer wieder eine neue rechtsex- hard Weil ließ sich 1991 in Adlershof nieder. Regio- sitzender des REP-KV Ost. Die FAP war mit ständi-
treme, gewalttätige Jugendszene nachwächst - sich die nale Aktivitäten gingen aus dem NA-Spektrum in gen Propagandaaktionen im Bezirk präsent, führte re-
Szene ständig reproduziert. Exemplarisch wollen wir Treptow jedoch nicht aus. Eine der ersten wirklich re- gelmäßige Kameradschaftsabende durch und terrori-
hier die Entwicklung und die Umbrüche in der Trep- gional aktiven Nazigruppen in Treptow war die Frei- sierte alternative Jugendliche und Projekte. Nolde
tower Nazi-Szene ausführlich beleuchten. heitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP). Die Nazi- und Co. versuchten ständig in den verschiedenen Ju-
Kader Detlef Cholewa (später Detlef Nolde), Tino gendclubs des Bezirkes Fuß zu fassen. Am 1. Mai
Stange und Sofia Boche (geb. 1963) bauten in den 1994 versuchte die FAP in Johannisthal aufzumar-
DIE ERSTE GENERATION Jahren von 1992 bis 1995 in Treptow eine agile Orts- schieren. Doch hunderte AntifaschistInnen stellten
gruppe der FAP auf. Die meisten der Treptower FAP- sich dem Häuflein FAP’ler erfolgreich entgegen und
Bereits zu DDR-Zeiten gab es vereinzelte Nazi-Akti- Kader waren schon vorher in rechtsextremen Parteien verhinderten so den Aufmarsch. Zu den lokalen FAP-
vitäten im „roten“ Bezirk Treptow. Detlef Cho- organisiert gewesen. Detlef Cholewa/Nolde war An- Anhängern zählten u.a.: Peter Boche, Jens König und
lewa/Nolde verteilte Nazi-Propaganda im Bezirk und fang der 90er Jahre als Vorsitzender des NPD-KV Marco Spottek. Nach dem Verbot der FAP im Jahr
auch der Berliner Nazi-Kader Arnulf Priem trieb in Berlin-Ost und Verantwortlicher der Jungen Natio- 1995 wechselten die meisten FAP’ler in die Kame-
Adlershof sein Unwesen, bevor er wegen „Unzucht“ naldemokraten (JN) Berlin/Ost aktiv. Später machte radschaft Treptow und in Die Nationalen e.V. Sofia
und „staatsfeindlicher Propaganda“ inhaftiert und er sich zum Vorsitzenden der Kameradschaft Johan- Boche zog aus Treptow weg und tauchte später bei der
vom Westen freigekauft wurde. Schon die erste Nach- nisthal, um dann Vorsitzender des Treptower FAP- NPD als Vorsitzende des Kreisverband Hellersdorf-
DDR-Nazi-Generation um die Nationale Alterna- Kreisverbandes zu werden. In der Berliner FAP Marzahn wieder auf. Detlef Cholewa/Nolde und Pe-
tive (NA) verfügte ab 1990 in Treptow über zahlrei- brachte er es noch bis in den Landesvorstand und ter Boche waren erst mal für Die Nationalen aktiv
che Mitglieder und Symphatisanten. Zu diesen zähl- zum sogenannten Schulungsbeauftragten. Sofia Bo- und kandidierten für diese zur Wahl. Eine weitere
ten u.a. Karsten Hausmann, Edgar Meyer, Sabine che war Beisitzerin im Kreisverband Ost der Berliner Nazigruppe, die zu dieser Zeit in Treptow über zahl-
9. FIGHT BACK MAI/03 TREPTOW
9
(Foto PDS)
FAP bei PDS Pressefest ‘94,mitte: Lars Burmeister Sofia Boche und Michael Dräger (Foto AIB) Detlef Nolde und Sofia Boche (Foto AIB) Peter Boche (Foto AIB)
Tino Stange (Foto AIB) T. Stange ‘95 am Zenner (Foto AIB) Alexander Piek (Foto AIB) Marco Spottek (Foto AIB)
reiche Mitglieder und Symphatisanten verfügte war zuzetteln. Im Oktober 1995 organisierten sie den aufgebrochene Ausgangstür. Der Klub brannte kom-
die Nationalistische Front (NF). Sie entfaltete in Wahlkampf für „Die Nationalen e.V.“ (Siehe Kasten), plett ab und musste für 4,5 Millionen Mark wieder
Treptow jedoch keine eigenen Aktivitäten. Zur NF in für die Detlef Nolde kandidierte. Er erhielt ganze 118 neu aufgebaut werden.
Treptow zählten u.a. Carsten Kruck, Christian Sohr, Stimmen im Bezirk. Im August 1996 gründete Nolde Am 27. Mai 1995 fand im „Jugendklub Walter Kroh“
Detlef Cholewa/Nolde, Henryk Wurzel und Carsten die Kameradschaft Köpenick, für die sich später in Bohnsdorf eine Naziparty und ein unpolitisches
Strulick. Strulick schlich sich einige Jahre später als Lutz Riemer verantwortlich zeichnete. Sein nächsten Klassentreffen statt. Diese Konstellation ging nicht
Spitzel in die Treffen des Treptower „Bündnis gegen Projekte war die Anti-Antifa Berlin und das Koor- lange gut: Anwesende Nazis mißhandelten einen
Rechtsextremismus“ ein. dinierungsgremium Berliner Kameradschaften. langhaarigen Klubbesucher schwer. Dem Opfer wur-
1995 wurde die Kameradschaft Treptow als Reak- den die Haare abgeschnitten, er wurde verletzt, ange-
tion auf das Verbot der FAP und der NF durch Det- pinkelt und von Andreas Hoburg mit Bier übergos-
lef Cholewa/Nolde gegründet. Sie war eng an das GEWALT UND TERROR BIS ZUM BITTEREN ENDE sen. Detlef Nolde steckte ihm eine brennende Ziga-
Spektrum von Die Nationalen e.V. angebunden. Die retten in die Nase. Der junge Mann flüchtete sich
Führung der Kameradschaft Treptow lag anfangs bei Fast alle führenden Kader der Treptower Nazi-Szene schließlich zu einer nahegelegenen Gartenparty. Auch
Detlef Cholewa/Nolde, später übernahmen sie Hen- mussten früher oder später ins Gefängnis, da sie bru- deren Besucher wurden von den Nazis angegriffen
ryk Wurzel und Tilo Knuth. Die Kameradschaft tal und gewalttätig gegen (vermeintliche) Gegner vor- und geschlagen. Beteiligt und anwesend waren bei
Treptow war wie die FAP mit ständiger Hetzpropa- gingen. Einige der bekanntgewordenen Angriffe in diesen Angriffen die Kameradschaft Treptow Aktivi-
ganda im Bezirk präsent. Das „Referat Schulung“ der chronologischer Reihenfolge: sten Detlef Nolde, Thilo Knuth, Andreas Hoburg,
KS Treptow brachte sogar ein eigenes Blättchen na- Detlef Cholewa/Nolde schlug sich am 14. Februar Oliver Quaack, Ronald Schirmer, Christian Zander,
mens „Völkische Blätter“ auf den Markt. In diesem 1993 mit dem Chef des Jugendclubs „Bullinger“ in Lutz Giesen, Kay Fleischhauer, Sören Haase und
lieferten sich Andreas Sennlaub und Detlef Cholewa Treptow, nachdem dieser einen Jugendlichen rausge- Holger Hertwig. Auch mit von der Partie war der
einen ideologischen Kleinkrieg mit den Jungen Na- worfen hatte. Treptower Nazi Alexander Piek (geb. 1976). Dieser
tionaldemokraten (JN). Wechselseitig warfen sich Am 13. August 1994 schloss sich Detlef Cholewa/ wird dem Umfeld des Berliner FAP-Chefs Lars Bur-
die JN und die Kameradschaft Treptow vor „nicht na- Nolde einem „bewaffneten Haufen“ von Nazis an, meister zugerechnet. Er nahm 1995 an einem soge-
tional“, „unpolitisch“ und „Sektierer“ zu sein. der sich anläßlich einer Antifa-Demo gebildet hatte. nannten „Runden Tisch“ der Berliner Nazi-Szene teil
In einer gemeinsamen Erklärung forderten Andreas Der zeitweilige Chef der KS Treptow Henryk Wurzel und wurde 1998 auf einem Nazikonzert in Brottby
Sennlaub (Ortsgruppe Nord und Süd der Kamerad- hatte es sich in den Jahren 1994 und 1995 zur Ge- (Schweden) verhaftet. Einige der verletzten alternati-
schaft Treptow) und Detlef Nolde (Anti-Antifa Ber- wohnheit gemacht, zusammen mit Mirco Ruthke ven Jugendlichen wurden noch im Nachhinein durch
lin) schließlich den Ausschluß aller „bekennenden und Hans-Jörg Spieß durch Baumschulenweg zu zie- die Nazis bedroht und beleidigt.
Anti-NS’ler“ aus der JN. Ansonsten nahmen die Ak- hen, um Naziaufkleber und Naziplakate zu verkle- Am 10. Juli 1995 versammelte sich im Biergarten
tivisten der KS-Treptow an berlinweiten Naziaktio- ben. Zusätzlich wurden wahlweise Mülltonnen, Tra- „Zenner“ im Treptower Park eine Nazimeute, um sich
nen teil, verteilten die Zeitung von „Die Nationalen banten und türkische Imbißbuden in Brand gesteckt. dort zu besaufen. Mit dabei der FAP-Kader Tino
e.V.“, die Berlin-Brandenburger-Zeitung, an den Doch dabei sollte es nicht bleiben. Stange und sein Kumpane Michael Schröder (geb.
Bahnhöfen von Schöneweide und verbreiteten ihre Am 17. April 1995 brachen Henryk Wurzel und 1974) aus Prenzlauer Berg. Zwischendurch überfiel
eigene Propaganda in Form von Aufklebern, Flug- Mirco Ruthke übers Dach in den nicht-rechten Ju- der besoffene Nazi-Mob eine Gruppe alternativer
blättern und Plakaten. Sie führte regelmäßige Treffen gendtreff „Gerard Phillipe“ in Treptow ein. Ihnen war Wagenburgler in der S-Bahn. Sie schlugen und tra-
durch, legten Kränze an Wehrmachtsgräbern nieder, zu Ohren gekommen, dass dort Lesben und Schwule ten auf ihre Opfer ein und zerstörten deren Fahrrä-
provozierten beim Pressefest der PDS und versuchten verkehren dürften. Im Klub legten sie an zwei Stellen der. Eines der verletzten Opfer wurde in der Bahn-
auf Parteiveranstaltungen der CDU Diskussionen an- Feuer und verschwanden anschließend durch eine hofskneipe von Tino Stange und seinen Kameraden
10. 10 TREPTOW FIGHT BACK MAI/03
Bedingt durch die Vielzahl solch brutaler Taten ver-
schwand jedoch ein Großteil der ersten Generation
der Treptower Naziführer im Knast oder von der ak-
tiven politischen Bildfläche. Doch andere machten
dort weiter, wo die anderen aufgehört hatten.
DIE ZWEITE GENERATION MACHT WEITER...
Die rechtsextreme Aktionen und der Terror gegen al-
ternative Jugendliche gingen in Treptow derweil un-
gestört weiter. Längst hatten sich jüngere Nazis in der
l. Lars Burmeister und r. Lutz Schillok (Foto AIB) Patrick Demming
Kameradschaft Treptow eingefunden die in die Fuss-
erneut bedroht, als es versuchte von dort aus die Po- FAP-Kumpanen Lutz Schillok (geb. 1963) ein Stück stapfen ihrer Vorgänger traten. Sie werden hier als
lizei anzurufen. mitzunehmen, obwohl ihr Auto schon voll besetzt ist. zweite Generation bezeichnet, obwohl es natürlich
Am 3. September 1995 beschimpfte Detlef Cho- Unterwegs geraten die Nazis in Streit - angeblich ging viele Überschneidungen und Kontakte zu früheren
lewa/Nolde eine Gruppe alternativer Jugendlicher in es hierbei um das Datum des Verbotes der FAP. Als Nazi-Aktivisten gab.
Johannisthal als „Zeckenschweine“ und besprühte sie das Auto am Bahnhof Adlershof anhielt, verließen die Am 31. August 1997 wollte sich in Treptow eine
mit Tränengas. Streitenden den Wagen. Nolde besprühte seine junge Antifa-Gruppe namens Antifa Süd-Ost grün-
In der Nacht vom 16. zum 17. April 1997 feiert der Kontrahenten mit Reizgas, um sie kampfunfähig zu den, um dem Naziterror in Treptow etwas entgegen-
Berliner Nazi-Kader Mike Penkert aus Schönefeld, machen. Anschließend riß er die Arme von Schmidke zusetzen. Im Umfeld des Gründungstreffen kam es zu
damals Chef der Kameradschaft Beusselkiez, seinen nach hinten und Lutz Schillok stach ihm sein Messer einer Auseinandersetzung zwischen autonomen Anti-
Polterabend im Vereinslokal „Waldesgrund“ im Kö- ins Herz. Daraufhin wandte Schillok sich Danneil zu fas und bewaffneten Nazis. Doch offensiver Antifa-
nigsheideweg in der Johannisthaler Kleingartenan- und stach ihm in die Lunge. Als dieser zusammen- schismus war bei der Polizei und den Nazis der Ka-
lage. Nicht weiter verwunderlich, denn das Lokal war brach stach Schillok weiter auf seinen Rücken ein. meradschaft Treptow schon damals nicht gern gese-
regelmäßiger Treffpunkt Treptower Nazis. Unter den Beide verstarben noch an Ort und Stelle. hen. So wurde das Treffen von der Polizei gestürmt,
Gästen sind u.a. der Chef von „Die Nationalen e.V.“, Für diesen Tatkomplex wurde Nolde zu zwei Jahren die TeilnehmerInnen durchsucht und das Treffen auf-
Frank Schwerdt, der Berliner Nazikader Han-Jörg und sechs Monaten Haft wegen „gefährlicher Kör- gelöst. Die PDS warf die Antifas aus ihren Räumen
Rückert und Lars - und Babette Thomsen (Waß- perverletzung und Beteiligung an einer Schlägrei“ und die Nazis sannen nach Rache. In der Internet-
mannsdorf ), Oliver Schweigert sowie Kameraden verurteilt. Eine direkte Mordbeteiligung sah das Ge- ausgabe der Berlin-Brandenburger-Zeitung (BBZ)
aus Sachsen-Anhalt. Die Nazis der Kameradschaft richt nicht. Nolde erhielt bis 1998 Haftverschonung. erklärte ein „Sprecher der Kameradschaft Treptow“ zu
Elbe-Ost aus Wittenberg um Olaf Schmidke und Bereits nach einer Woche wurde er Freigänger und diesem Zwischenfall: „Daß solche Gewalt auch - wie
Chris Danneil sind so nett Detlef Nolde und seinen nach 16 Monaten wurde er auf Bewährung entlassen. im Fall Diesner - Gegengewalt erzeugt, liege auf der
DIE NATIONALEN E.V. & HVFB
Berlin-Brandenburger-Zeitung | VBR-Verlag
v.l.n.r. Rita Bönisch, Ru-
dolf Kendzia, Sofia Boche,
Carsten Pagel (Fotos AIB)
Die Nationalen e.V. wurden 1991 in der Gaststätte „Zur Haltestelle“ in Schö- „Nationalen e.V.“. In der Waldstr. 21 wohnt auch Rudolf Kendzia, Grün-
neweide als „Wählergemeinschaft Wir sind das Volk“ gegründet. Mit dabei Pe- dungsmitglied und Wahlkandidat der „Nationalen e.V.“. Er war zuvor Berliner
ter und Sofia Boche aus Treptow. Ziel war der „Aufbau eines informellen Netz- NPD-Landesvorsitzender und Funktionär der Berliner Republikaner. Weitere
werkes und die Unterstützung nationaler Einigungstendenzen“. Aktivisten und Wahlkandidaten von „Die Nationalen e.V.“ in Treptow waren
Konkret organisierten sie den Aufbau und die Unterstützung von sog. Kame- Peter Boche, Detlef Cholewa/Nolde und Henryk Wurzel.
radschaften in Berlin und Brandenburg. Sie beteiligten sich an Berliner Wah-
len und gaben die rechtsextreme „Berlin-Brandenburger-Zeitung“ (BBZ) her- HvFB: Das Hoffmann von Fallersleben Bildungswerk e.V., auch Bildungs-
aus. Bis zu ihrer Auflösung im Jahr 1997 verfügten „Die Nationalen e.V.“ in werk von Fallersleben, ist eine Tarnorganisation für Schulungsveranstaltungen
Berlin Adlershof über eigene Räumlichkeiten in der Waldstr. 21. Von hier aus der Berliner Nazi-Szene. Führende Kader des HvFB haben sich infrastrukturell
vertrieb der rechtsextreme VBR-Verlag (Vortrag-Buch-Reise-Verlagsgesellschaft in Treptow-Adlershof niedergelassen. Hauptsitz ist auch hier die Waldstr. 21.
für politische Bildung mbH) Nazi-Cds, T-Shirts und Bücher. Als der Verlag ge- Der hier wohnende HvFB-Vorsitzender, Rudolf Kendzia, betreibt hier seine Be-
waltverherrlichende Nazimusik auf den Markt brachte, wanderte der damalige treuungs- und Vermittlungs-GmbH Kendzia und Partner. Die hier wohnende
VBR-Betreiber und Chef der „Nationalen e.V.“, Frank Schwerdt, für einige Zeit HvFB-Schriftführerin, Rita Bönisch, betreibt hier einen Wohnmobil-Verleih.
ins Gefängnis. Der VBR-Verlag war ursprünglich als ein Verlag der Berliner Außerdem bietet sie in rechtsextremen Publikationen unter der Telefonnum-
REPs gegründet worden und wurde später von Rudolf Kendzia übernommen. mer der Waldstrasse Berlinbesuchern Unterkunft und Betreuung in „Ritas Hof-
Zum Schluss war er ein üblicher Nazi-Versand und offizieller Herausgeber der garten“ an. Frank Schwerdt, ehem. Vorsitzender der „Nationalen e.V. und Mit-
BBZ . Mit Rita Bönisch saß die Verantwortliche für den BBZ-Verlag, den BBZ- glied des HvFB siedelte hier auch diverse Briefkastenadressen an. Der ehema-
Versand und die Abonnementabteilung der BBZ ebenfalls in der Waldstrasse. lige HvFB-Chef Carsten Pagel betreibt in der Dörpfeldstrasse seine Rechtsan-
Rita Bönisch saß früher für die REPs in der BVV von Kreuzberg, war im waltskanzlei. Er war früher Berliner Republikaner-Chef und Redakteur der
Bundesvorstand der Deutschen Liga und natürlich auch Wahlkandidatin der „Jungen Freiheit“.
11. FIGHT BACK MAI/03 TREPTOW
11
KAMERADSCHAFT TREPTOW
Thilo Knuth Detlef Nolde
Andreas Storr, Dräger, Andrew Stelter (Foto: version)
Hand.“ Der Berliner Neonazi Kay Diesner hatte im lichst hohe Verletzungen zu erreichen, sollte die
Ronald Schmidt
selben Jahr als Rache für eine von Antifas verhinderte Bombe mit Nägeln aufgefüllt werden. Anfang 1998
JN-Demonstration einen PDS-Mann angeschossen sorgte die KS Treptow letztmalig mit einer Flugblatt-
und später einen Polizisten ermordet. Eine Drohung Aktion für den SA-Mann Horst Wessel für Wirbel und
also, die an Deutlichkeit nicht zu überbieten war. Pa- kassierte dafür Hausdurchsuchung in 15 Wohnungen.
trick Demming (damals 17 Jahre) und Carsten Mül- Ende Mai 1998 folgte eine Durchsuchung bei Henryk
ler (damals 20 Jahre) wollten dieser Drohung Taten Wurzel, da er verbotene Nazipropaganda für die KS
folgen lassen und ihre Kameraden rächen. Patrick Treptow verschickte. Anschließend zerfiel die „alte“
Demming war bereits „Mitgliedschaftsanwärter“ der KS Treptow endgültig. Eine „neue“ KS Treptow mit
Johannes Luft Christian Ernst Zander
Kameradschaft Treptow, fiel jedoch durch die „schrift- ca. 10 Mitglieder entfaltete keinerlei Außenaktivitäten
liche und mündliche Prüfung“. Er und Müller zähl- mehr. Nur hin und wieder tauchte noch die Fahne der
ten zu einer kleinen Untergruppe der Kameradschaft KS Treptow auf Demos der NPD auf.
Treptow, namens Freikorps Berlin. Diese Combo ver-
klebte in Treptow Naziaufkleber und Naziplakate und
verschickte Drohbriefe. Nach ihren Kameradschafts- DIE NPD TRITT AUF...
abenden attacktierten sie vermeintlich linke Jugendli-
che im Treptower Park. Mindestens vier junge Leute Doch die von Repression gebeutelte Kameradschaftss-
Marco Sennholz
wurden durch sie verletzt und z.T. beraubt. Neben zene sollte bald wieder einen legalen Rahmen in Form
Demming und Müller zählten auch die Nazis Mau- der NPD/JN bekommen.
ersberger, Marco Oemus und Höhne zu dem Kreis des Kurz nach der Wende hatte Detlef Cholewa/Nolde Mitglieder: Detlef Cholewa/Nolde (geb.
Freikorps Berlin. Müller und Demming glaubten in den NPD-KV Ost und die JN-Berlin Ost von Trep- 1969), Thilo Knuth (geb. 1977) Steven
einem PDS-Jugendlichen die Treptower Antifa ausge- tow aus organisiert. So veranstaltete er wöchentliche Blum, Marco Sennholz, Sören Haase (geb.
macht zu haben, die ihre Kameraden angegriffen Treffen der Jungen Nationaldemokraten - Landesver- 1975), Holger Hertwig (geb. 1976), An-
hätte. An diesem wollten sie sich rächen. Also besorg- band Reichshauptstadt Berlin - in der Gaststätte dreas Hoburg (geb. 1963), Manuel Kraft,
ten sie sich Anleitungen zum Rohrbombenbau, ba- „Stern“ am Sterndamm in Johannisthal. Doch mit Monika Krüger, Johannes Luft, Thomas
stelten sich Rohrbomben und führten zwei Probe- Cholewas Wechsel zur FAP, flauten die lokalen JN und Müller, Bertram Quaß, Jan Quiram, Marco
sprengungen in einer Telefonzelle und in der Königs- NPD-Aktivitäten für die folgenden Jahre ab. Rudolph, Robert Ruthke, Ronny Schaller,
heide durch. Eine weitere ihrer Bomben fanden er- Am 23. November 1996 führten die JN in Berlin-Kö- Ronald Schirmer (geb. 1977), Marco
staunte Passannten im Oktober 1997 im Treptower penick dann erstmalig eine Demonstration unter dem Schlicht, Ronald Schmidt (1978), Rene
Park. Am 9. Dezember 1997 durchsuchte die Berliner Motto „Gegen linke Gewalt - Meinungsfreiheit für na- Schulz, Christian Ernst Zander (geb.
Polizei die Wohnungen von 17 Mitgliedern der Ka- tionale Bürger“ durch. Mit dieser Demonstration 1977), Oliver Carles Quaack (geb. 1976),
meradschaften Treptow und Köpenick, da diese ver- wollten sie gegen die alljährliche antifaschistische „Sil- Andy Schüßler, Bianca Dittrich.
fassungsfeindliche Aufkleber verbreitet hatten. Hier- vio-Meier-Demonstration“ in Berlin-Friedrichshain
bei stießen sie wie üblich auf Propaganda-Material, protestieren. Die Nazi-Demo wurde von protestieren- Umfeld: Kay Fleischhauer (geb. 1978),
Messer und Pistolen. Bei Demming und Müller stieß den AntifaschistInnen begleitet. Doch der Demon- Lutz Giesen (geb. 1974), Marco Oemus,
die Polizei jedoch auch auf die Bombenbauanleitung strationsort Köpenick war eher zufällig gewählt und Marcel Knuth, Sebastian Schurak (geb.
und die Modelle dieser Bomben. Bei Carsten Müller die Demo wurde, abgesehen von Marco Sennholz, 1979), Andre Spindler, Tino Stange (geb.
fand sich zusätzlich ein scharfer Karabiner und einen kaum von lokalen Kadern besucht. 1997 waren ver- 1969), Lars Thomsen, Rene Wieczorek,
abgesägten Revolver. Patrick Demming gestand, dass einzelt weitere Aktivitäten der JN in Köpenick zu ve- Mirko Ruthke
sie die Bombe dem PDS-Jugendlichen als Elektroge- zeichnen, die aber auch kaum von lokalen Aktivisten
rät getarnt auf den Balkon legen wollten. Um mög- organisiert wurden. So fand am 25. Mai 1997 in Kö-
12. 12 TREPTOW FIGHT BACK MAI/03
penick eine Interessenntenveranstaltung der Jungen ber und Plakate der NPD
Nationaldemokraten mit dem damaligen Berliner verschwanden bereits
JN-Kader Andreas Storr statt. Am 1. November 1997 nach wenigen Tagen, Tref-
lud der NPD/JN-Funktionär Lars Macht erneut nach fen konnten nur noch
Köpenick/Grünau, um die „Gründung von örtlichen konspirativ veranstaltet
JN-Stützpunkten“ zu besprechen. Von diesen war in werden und ihre faschi-
der Folgezeit jedoch nicht viel zu hören. Das änderte stischen Aktivitäten wur-
sich erst wieder mit dem Zuzug des alten Kaders der den durch Flugblatt- und
Naziorganisation „Nationalistische Front“ (NF), An- Sprühaktionen in ihrer Martik Mkrttschjan
drew Ron Stelter (geb. 1966), nach Treptow. Er Nachbarschaft an das Licht der Öffentlichkeit ge-
wurde Regionalverbandsvorsitzender der Jungen Na- bracht. Auch größere Demonstrationserfolge blieben
l. Fabian Müller (Foto AIB)
tionaldemokraten Berlin und Chef der NPD-KV aus. Eine Demonstration die Mike Borchert für die
Treptow-Köpenick. Die Zahl der Aktivitäten nahm lokale NPD am 9.9.2000 angemeldet hatte, wurde
zu. Der NPD Ortsbereich Berlin-Süd führte am 15. wieder abgesagt. Rene Bethage führte jedoch am
Mai 1998 erstmals eine „seperate Treptow/Köpenick 26.8.2000 eine Demonstration mit 25 Teilnehmern
Veranstaltung“ im „Lindeneck“ in Berlin Adlershof durch. Lokale NPD-Aktivisten waren in Treptow zu-
durch. Hier liefen u.a. die Treptower Nazis Fabian nehmend mit antifaschistischem Engagement kon-
Müller, Christian Ortmann, Martik Mkrttschjan frontiert. Fabian Müller musste z.B. mehrere An-
und Marco Oemus auf, um Andreas Storr vom schläge auf sein Auto hinnehmen, nachdem er alter-
NPD-Landesvorstand zu lauschen. Am 12. Septem- native Schüler bedroht hatte. Marco Oemus, der sich
ber 1998 folgte ein weiteres Treffen des Ortsverban- in Treptow fast jedes Wochenende durch Angriffe auf
des in Adlershof. Auch hier war wieder Fabian Mül- alternative Jugendliche hervortat, wurde auch ausser-
ler anwesend. Der ehem. Kameradschaft Treptow- halb Treptows für seine brutalen Taten zur Rechen-
Christian Ortmann (Foto AIB) Andrew Stelter (Foto AIB)
und NF-Aktivist Marco Sennholz konnte nicht mehr schaft gezogen. Ständige Treffpunkte der Treptower
teilnehmen, da er auf dem Weg zum Treffpunkt von Nazis waren die Kneipen Johannisthaler Stüb´l am
autonomen Antifas abgefangen wurde. Der Treff- Busbahnhof Schöneweide und das „Fliegerheim“ in
punkt für die nächste Veranstaltung am 15. Juni 1998 der Winkelmannstrasse. Im „Fliegerheim“ fand min-
zum Thema „Deutschland 1998 - Tanz auf dem Vul- destens eine NPD-Veranstaltung statt und im „Jo-
kan“ wurde ins benachbarte Neukölln verlegt. Doch hannisstübel“ verkehrten die Aktivisten der Kame-
auch da kam es zu Auseinandersetzungen zwischen radschaft Germania und Wahlkämpfer der NPD.
Antifas und Nazis, bevor sich Andrew Stelter und Ka- Doch auch diese Kneipen wurden durch eine Kam-
meraden in ihren Autos davonmachten. Am 16. März pagne der Treptower Antifa Gruppe ans Licht der Öf-
2000 wurde unter der Anleitung von Andrew Stelter fentlichkeit gezogen und dienten somit nicht mehr als
ein Stützpunkt Treptow-Köpenick der Jungen Natio- geheimer, ungestörter Rückzugsraum.
Johannisthaler Stübl am S-Bhf. Schöneweide naldemokraten aus der Taufe gehoben. Dieser kün- Am 17. März 2001 sollte der Busbahnhof Schöne-
digte großmäulig an, „den Freizeitpunkern der Antifa weide bzw. das Johannisthaler Stüb´l als Schleu-
zu zeigen, dass es in Treptow und Köpenick wieder sungspunkt für eine Großveranstaltung der Jungen
eine nationale Kraft gibt.“ Doch auch davon war Nationaldemokraten (JN) dienen. Die Organisatoren
nicht viel zu spüren, im Gegenteil bis auf kleinere um die Berliner JN-Kader Andrew Stelter, Steffen
Propagandaaktionen entwickelte er keinerlei Außen- Nickel, Marcus Gutsche, Rene Neye und Tino Wolf
wirkung. wollten auf dieser den Panzerkommandanten der
Die Treptower NPD-Aktivisten um Andrew Stelter Waffen-SS, Kurt Eggers, ehren und dem NPD-Lie-
aus Alt-Glienicke, Fabian Müller aus Plänterwald, dermacher Jörg Hähnel lauschen. Die Treptower
Christian Ortmann und Kay-Uwe Kroll aus Adlers- Antifa Gruppe initiierte eine antifaschistische Kund-
hof, sowie Marco Oemus aus Niederschöneweide hat- gebung gegen den „konspirativen“ Treffpunkt. Über
Das Fliegerheim in Johannisthal ten jedoch keinen leichten Stand in Treptow. Aufkle- 350 Antifas protestierten gegen ca. 30 Nazis, welche
TREPTOWER NAZI-PROPAGANDA
Flugblatt und Aufkleber Kameradschaft Südost
der Freikorps Berlin „Insel im Roten Meer“
Anti-Antifa-Treptow und Flugblatt der Kameradschaft Kameradschaft Adlershof
Treptow - Kontakt: Detlef Cholewa
13. FIGHT BACK MAI/03 TREPTOW
13
Marco Oemus: l. und r. als NPD Ordner, r. Oktober 01
Der „Franzose“- Gruppe 9 Rene Bethage (Foto AIB) Gruppe 9 mit Transpi unterwegs
sich in das Johannisthaler Stüb´l verzogen hatten. meradschaft Germania auf eine Gruppe acht junger Nazi-Cliquen aus Treptow ihre eigenen Grüppchen
Die Veranstaltung musste in das „Prozentehouse“ Punks. Die Nazis vermummen sich, bewerfen die gründeten. In Adlershof gründen sich am 5. Juni
nach Lichtenberg verlegt werden. Doch auch dieser Punks mit Flaschen und Steinen und schlagen mit ei- 2000 um die notorisch gewalttätigen Nazi-Skin Brü-
Ausweichort wurde von AntifaschistInnen enttarnt ner Eisenstange auf den Bus der Punks ein. Zwei der Arved und Danny Degebrodt die Kamerad-
und angegriffen, die Veranstaltung musste abgebro- Punks werden bei diesem Angriff schwer verletzt. An- schaft Adlershof. Mitglieder wurden Sven Schultz,
chen werden. Anwesend bei der Nazigruppe im Jo- schließend springen die Täter in ihre Busse und fah- Marco Wald, Thomas Snoppek, Marcus Keckel, Ar-
hannisthaler Stüb´l war auch der Berliner NPD-Pres- ren ein Stück in Richtung Autobahnausfahrt, um ved Degebrodt, Manuel Walzel und Daniela Macher.
sesprecher Rene Bethage aus Berlin-Schönefeld. Die- kurz darauf doch noch einen zweiten Angriff auf die Die Treffen fanden meist bei Marco Wald statt. Die-
ser zählt zu den wichtigsten rechtsextremen Draht- Punks durchzuführen. Eine Einheit der Polizeisonde- ser schrieb bereits Jahre zuvor verschiedene linke Or-
ziehern im Süd-Osten Berlins. Er war früher Funk- reinheit MEGA beobachtet den Nazi-Überfall, ohne ganisationen in Treptow an und versuchte so Infor-
tionär des Bund Freier Bürger (BFB) und gehörte einzugreifen oder zu helfen. Als die Täter schließlich mationen über diese zu bekommen. Außerdem ver-
zu der Initiative „Unser Land“, die vom NPD- Star auf der Autobahn gestellt werden finden sich unter fügt er über Kontakte zur rechtsextremen Interes-
Horst Mahler gegründet wurde. Bethage ist Organi- ihnen auch Aktivisten der Treptower Kamerad- sensgemeinschaft zur Wiedervereinigung Gesamt-
sator und Anmelder zahlreicher Nazi-Demonstratio- schaftsszene. So zwei Personen, die zuvor im Umfeld deutschlands (IWG). Vereinzelt tauchten nach der
nen in Berlin. Obwohl er in der NPD organisiert ist, der Kameradschaft Treptow aktiv waren: Sebastian Gründung Aufkleber und Plakate der Kameradschaft
pflegt er ausgesprochen gute Kontakte in das Lager Schurak aus Hohenschönhausen und Lutz Giesen. Adlershof auf. Nachdem die Mitglieder der Kame-
der Freien Nationalisten und stellt mit seinem Na- Sebastian Schurak ist mittlerweile bei der NPD und radschaft jedoch durch antifaschistische Sprühaktio-
tionalen Aktionsbündnis Berlin NABB eine in der Nazi-Rocker-Combo Vandalen aktiv geworden nen aufgedeckt wurden, wurde es wieder still um sie.
Schnittstelle zwischen beiden Spektren her. Seinen und Lutz Giesen hielt sich für einen Anführer der Am 26. Dezember 2000 gründen die Treptower Nazi-
ausgesprochenen Hang zum Antisemitismus bewies Berliner Kameradschaften, bevor er wegen „Kamera- Jugendlichen Robert Rohde (geb. 1985), Ben Matzke
er nicht nur mit seinen Demonstration gegen das Ho- denbetruges“ in Ungnade fiel. Doch auch lokal an- (geb. 1984), Paul Krimmer (geb. 1984) und Mike
locaustmahnmal oder gegen den israelischen Präsi- sässige Nazis waren mit von der Partie: Martik Bodenhagen (geb. 1984) eine rechtsextreme Bruder-
denten, sondern auch als regelmäßiger Teilnehmer Mkrttschjan (geb. 1978) aus Adlershof und Marco schaft namens Odins Wölfe. Doch auch diese Grup-
auf palästinensischen Demonstrationen. Oemus aus Niederschöneweide. Der Ziseleur pierung kommt mit ihren Aktivitäten über die eigene
Mkrttschjan ist Mitglied der Kameradschaft Germa- Gründung nicht hinaus. Etwas mehr zustande
nia und der NPD. Sein Kumpane Marco Oemus brachte jedoch die Gruppe 9. Bei ihr handelt es sich
DIE KAMERADSCHAFTEN ZIEHEN MIT... (geb. 1980) ist Mitglied der NPD und Aktivist bei um eine Hooligangruppe des FC Union, die sich
der Skinheadorganisation Blood & Honour. Dessen auch als „Höllenjungs“ bezeichnen. Stammkneipe
Doch der Rahmen der NPD konnte in Treptow die ausgesprochene Aggression und Gewalttätigkeit dieser Gruppe ist die Kneipe „U 21“ in den Spreehö-
subkulturelle Nazi-Jugend nicht lange überzeugen. brachte ihm einen Job als Ordner bei Nazi-Veran-
Zu bieder ist die geforderte Ordentlichkeit und Dizi- staltungen ein.
plin, zu langweilig die Volkstanzabende und Schu-
lungsveranstaltungen mit Alkohol- und Colaverbot.
Die aktionistischen Nazis aus Treptow mischten lie- LOKALE NEUGRÜNDUNGEN
ber in und im Umfeld der Kameradschaft Germania
mit. Dies wurde im Sommer 1999 deutlich. Auch die Kameradschaft Germania war nicht im Be-
zirk verankert, obwohl sie sich hin und wieder im Jo-
10. Juli 1999 - Zwei VW-Busse voll mit 16 Nazis aus hannisthaler Stüb´l traf. Für junge Nachwuchsnazis
Berlin und Brandenburg sind auf dem Rückweg von aus dem Bezirk stellte sie keine erreichbare Anlauf-
einer Nazi-Demo in Hamburg. Auf dem Rasthof stelle dar. Abgesehen davon löste sie sich schließlich
Stolpe treffen die Nazis aus dem Spektrum der Ka- von selber wieder auf. So war abzusehen, dass junge l. Danny und r. Arved Degebrodt (Foto AIB)
14. 14 TREPTOW FIGHT BACK MAI/03
Drei Nazis aus Treptow bei einem Naziaufmarsch Nazicombo aus Treptow bei einem Naziaufmarsch
fen. Hier beeindrucken die Hooligans und ihr An- mungslos versuchte Koster sein Opfer anschließend mehr länger ertragen zu wollen. Mit halbherzige Aus-
hang die minderjährigen Gäste der anliegenden Kin- zu vergewaltigten. Doch die Leiden der Frau waren stiegsbehauptungen wollen sie sich der Verantwor-
derdisko „Chalet“ so sehr, dass mittlerweile schon damit noch nicht zuende: Ockenfeldt verbrannte tung für ihre faschistische Aufbauarbeit und ihre
15jährige stolz mit „Gruppe 9“-Aufdruck auf der Desdemona A. den Bauch mit einer brennenden menschenverachtenden Taten entziehen. Der Mord-
Jacke rumlaufen. Das wäre nicht weiter politisch re- Spraydose und streute Salz in ihre Wunden. Doch beteiligte Detlef Cholewa/Nolde präsentierte sich
levant, wenn nicht einige der führenden „Gruppe 9“- auch Brandstiftung und Waffenfetischismus zählten beispielsweise nach seinem Knast-Aufenthalt im
Mitglieder und Begründer wie Marco Oemus und nach wie vor zur politischen Realität in Treptow. Internet als vermeintlicher Aussteiger. In einem Buch
„Der Franzose“, der Treptower Nazi-Szene angehö- Am 9. August 2000 stand mit dem Treptower Nick namens „Aussteiger - Wege aus der rechten Szene“ be-
ren. Beide tauchten beispielsweise an dem Schleu- Greger mal wieder ein Nazi-Bombenbauer vor Ge- richtet er wie ihm Ausländer im Knast Lebensmittel
sungspunkt der JN-Veranstaltung am 17.3.2001 auf. richt. Auch seine Bombe sollte gegen Linke eingesetzt schenkten, ohne dafür eine Gegenleistung zu erwar-
Als auf dem Alexanderplatz eine Wahlveranstaltung werden. ten. Er fordert die Leser dazu auf in Verständnis für
der NPD stattfand brachte Marco Oemus gleich ein Am 17. August 2000, dem Tag übrigens an dem die den anderen und in Freiheit zu leben. Sein Ausstieg
paar „Gruppe 9“-Zöglinge wie Marcel Keller als Teil- Nazis dem Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess geden- hinderte ihn jedoch nicht daran zeitgleich antisemi-
nehmer mit. Auch wenn nicht alle 34 Mitglieder der ken, dröhnte aus der Wohnung der Brüder Arved und tische Literatur im Internet zu bewerben. Auch die
„Gruppe 9“ überzeugte Nazis sind, so stellt dieser Danny Degebrodt in der Nipkowstrasse laute Nazi- „Initiative Dialog“ der Internetseite www.nazi.de
Klüngel doch eine Schnittstelle zwischen „unpoliti- musik. Als einige Polizeibeamte die Musik leiser stel- musste zu Nolde fesststellen, dass sich „die Positionen
schen Fußballhooligans“ und organisierter Nazi- len wollten, entwickelte sich zwischen ihnen und den in den wichtigsten Bereichen als unvereinbar dar-
Szene dar. Brüdern eine wilde Schlägerei. In der Wohnung stie- stellten.“ Noch im Jahr 2002 unterschrieb der selbst-
ßen die Beamten anschließend auf Waffen und Bom- ernannte „Aussteiger“ eine Unterstützungserklärung
benteile. für die rechtsextreme Wochenzeitung „Junge Frei-
NOCH IMMER: GEWALT ALS „HOBBY“ In der Silvesternacht 2000/2001 steckten die Trepto- heit“. Der Bombenbastler Patrick Demming ver-
wer Nazis Dennis Brückner (geb. 1983), Steve Ha- suchte sich nach dem Absitzen seiner Haftstrasse in
Auch die zweite Generation der Treptower Nazis berkorn (geb. 1983) und Paul Tillack eine Garage des einer AG Antirassismus der IG Metall als angeblicher
pflegte Gewalt als ausgesprochenes „Hobby“, das sie Winckelmannclub „JuJo“ in Brand. Steve Haberkorn Aussteiger zu etablieren. Der Waffennarr Ronald
zumeist Wochenends an alternativen Jugendlichen aus Baumschulenweg ist häufiger Teilnehmer an De- Schmidt will ebenfalls ausgestiegen sein. Obwohl er
und nicht-deutschen Menschen ausließ. So zum Bei- monstrationen der NPD und war am 5. Mai 2000 an noch am 1. Mai 2002 am Rande einer NPD-Demo
spiel am 19. April 2000 als eine Gruppe Nazis um einem Angriff auf einen Dönerladen beteiligt. Auch wutentbrannt auf GegendemonstrantInnen los-
Steve Bäumler und Nils Hiller alternative Jugendli- Dennis Brückner machte durch rechtsextreme Über- stürmte, meint er sich wenige Monate auf Punk-
che vor dem „Come In“ angriffen. Oder am 14. Juni fälle in Treptow von sich Reden. Rock-Festivals und linken Infoveranstaltungen her-
2000 als Norman Soluger mit einem Totschläger auf Im Oktober 2001 wurde Ronald Schmidt in Mar- umtreiben zu dürfen. Seine Behauptung er sei ja nur
einen jungen Punk eindrosch. Ein besonders ekeler- zahn bei einem Waffen-Deal von der Polizei über- als ein Spitzel der Polizei bei den Nazis unterwegs,
regender Fall ereignete sich am 12. August 1999. Die wältigt. Sie fand bei ihm u.a. eine Panzerfaust und ei- macht ihn auch nicht gerade sympathischer. Der Ka-
Nazi-Skin-Combo Hans-Dieter Ockenfeldt (geb. nen Trommelrevolver. meradschafts-Aktivist Martik Mkrrtschjan schafft es
1972), Daniel Böduel (geb. 1979), David Koster Am 16. Februar 2002 zerstören Unbekannte das scheinbar auch problemlos ausgestiegen zu sein und
(geb. 1981), Mandy Weiss (geb. 1980) und Marcel Denkmal für die ermordeten Sowjetsoldaten am Platz trotzdem an einem Nazi-Fussballturnier Berliner Ka-
Kühnert (geb. 1987) drangen in Adlershof in das der Befreiung in Adlershof. meradschaften teilzunehmen. Der Fahnenträger für
Heim für betreutes Wohnen ein. Hier brachen sie in Am 30. Mai 2002 versuchen Unbekannte einen „Blood & Honour“, Christian Ortmann, hat mitt-
das Zimmer der geistig-behinderte Desdemona A. Brandanschlag auf einen Asia-Imbiß am Treptower lerweile sein Engagement in der Nazi-Szene beendet
ein, um 300 D-Mark Schulden einzutreiben. Die Park. Zuvor wurde dieser von Nazis beschmiert. und spielt in der Hardcore-Band „Withheld“ mit.
rechten Skins durchwühlten das Zimmer der Frau, Sein Kumpane Fabian Müller bezeichnet sich selber
schrien sie an, schlugen, beschimpften und bespuck- ebenfalls als „Aussteiger“. Auch Marco Oemus ging
ten sie. Da sie im Zimmer kein Geld fanden, begann AUFHÖREN, AUSSTEIGEN, ABSITZEN hin und wieder mit Aussteigermythen hausieren, um
die Gruppe ihr Opfer zu quälen. Mit einem Messer dann doch wieder bei Naziaktionen mitzumischen.
schnitt Ockenfeldt der Frau in die Brust. David Ko- Einige der führenden Naziaktivisten aus der ersten Seine ständigen Prügeleien garantieren ihm jedoch
ster nötigte Desdemona A. zum Oralverkehr, wäh- und zweiten Generation scheinen den ständigen noch viele Monate Haftstrafe. Welche er nun durch
rend diese von Kühnert geschlagen wurde. Hem- Druck durch AntifaschistInnen und Polizei nicht einen „Ausstieg“ zu verkürzen hofft. Eine Haftsrafe
15. FIGHT BACK MAI/03 TREPTOW
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stian Krämer alternative Schüler. Er wird auch mit
antisemitischen und rassistischen Schmierereien in der
Schule in Verbindung gebracht. Sein Mitschüler Mar-
cel Schulze hält sich gar für einen Anti-Antifa-Aktivi-
sten. An der Levi-Strauss-Schule in Köpenick fiel
Markus Louczinski als penetranter Nazi-Aktivist auf.
Ihm werden intensive Kontakte zur NPD/JN nach-
gesagt. Im Jugendklub „Audio“ erhielt deshalb bereits
Hausverbot, was ihn dazu brachte verstärkt in der
Markus Louczinski Nazi Steve Bäumler „Rumbar“ zu agitieren. Als im „Audio“ eine Veran-
kassierte auch der FAP-Naziskin Marco Spottek , staltung für ein „tolerantes Johannisthal“ stattfand,
Dennis Brückner
nachdem er 1998 am S-Bahnhof Schöneweide ei- versuchten sich ca. 30 Nazi-Jugendliche um Luc-
nen Stand der Jungen Union gewalttätig angriff. zinski, Mauersberger und Krämer, z.T. mit „Gruppe
Mittlerweile betreibt er Nazi-Computersiele im Inter- 9 / Höllenjungs“-T-Shirts ausgestattet, Einlass zu ver-
net. So hat er die Internetseite www.kgb-clan.com an- schaffen. Als ihnen dies nicht gelang riefen sie sich äl-
gemeldet. Henryk Wurzel und Lutz Schillok wurden tere Kameraden zur Hilfe, welche jedoch von der Po-
im Knast offiziell von der Nazi-Gefangenenhilfe lizei aufgehalten wurden. Anders in den Räumlich-
HNG betreut. Schillok sorgte kürzlich erst für Hei- keiten des „Brücke 7 e.V“ in Schöneweide. Der Be-
terkeit, als er in der Gefängniszeitung „der lichtblick“ treiber Claus Bubolz bot hier NPD-Kadern wie Jörg
(Schwerpunkt: „Fremdenfeindlichkeit in der JVA Te- Hähnel und Rene Bethage und ihren Jung-Nazi-An-
gel ?“) einen Nachruf in Gedichtform veröffentlichte hang mehrfach bewusst ein Forum auf Veranstaltun-
(„Deine Sehnsucht war das mystische Nordland (...) gen.
Du bist frei und Odins Raben wachen über deine Ta- Besorgniserregend ist die pressewirksame Ankündi-
Nazinachwuchs Marcel Fischer mit „Landser“ Shirt
ten !“). Zuvor hatte er schon auf der Nazi-Internet- gung eines Gespräches im Jugendamt, um etwa 15
seite „Der Weisse Wolf“ einen Schreckensbericht über „Jugendlichen“, die ständig am Imbiss vor dem Bahn-
die „Inquisationsgelüste“ der Anstaltskirche der JVA- hof Grünau „Alkohol trinken und pöbeln“ würden,
Tegel publiziert. Angebote zu machen. Bei diesen „Jugendlichen“ han-
delt es sich um brutale Nazischläger aus Treptow und
Königs-Wusterhausen. Wenn unter „Angebote“ ein
DIE DRITTE GENERATION: eigener Treffpunkt zählt, hätte dies fatale Folgen.
Denn den jungen Nazi-Schlägern geht es um das De-
Die dritte Generation Treptower Nazis entsteht ge- monstrieren von Macht und Stärke. Sie versuchen,
rade aus den minderjährigen Nachwuchsnazis der z.Z. am S-Bahnhof Grünau, ihre politischen Gegner
„zweiten Generation“. Sie wollen die Lücke jener Na- (MigrantInnen, alternative Jugendliche, HipHopper)
ziaktivisten füllen, die im Knast sitzen oder sich zu- mit aller Gewalt zu vertreiben. Ein eigener Raum
Aktivist der Freien Kameradschaften aus Baumschulenwg
rückgezogen haben. Hauptsächlich handelt es sich würde diese Tendenz nicht bekämpfen, sondern ver-
um rechte Jugendcliquen die an den S-Bahnöfen Grü- schlimmern. Denn einen eigenen Raum erobert zu
nau und Schöneweide, im Johannisthaler Park ab- haben stärkt das Selbstbewusstsein der Nazis und
hängen und in dem Jugendclub „JuJo“ verkehren. Al- strahlt „Stärke“ aus. Diese „Stärke“ und die Möglich-
lein in Grünau gibt es nach offiziellen Angaben eines keiten eines eigenen Treffs würden positiv auf unpo-
Bezirkamtsberichtes „zwei rechtsorientierte bzw. litische und rechts anpolitisierte Jugendliche aus-
rechtsradikale Gruppen“ von rund 60 Jugendlichen. strahlen. Die Erfahrung zeigt, dass sobald rechtsex-
In der Köllnischen Vorstadt wurden „zehn rechts- treme Jugendliche einen öffentlichen Raum oder gar
orientierte Jugendliche im Alter von 17 bis 19 Jahren“ einen eigenen Treffpunkt besetzt haben, ein „Sog“
ausgemacht. Besonders in den Sommermonaten ver- entsteht für „normale“ Jugendliche, die sich der
sammeln sich junge Nazis an den Badestellen in Grü- „stärksten“ Jugendszene anschliessen wollen. Die
nau und terrorisieren dort alternative Jugendliche. rechte Jugendszene würde mit den Möglichkeiten ei-
Neonazi Roth aus Baumschulenweg bei NPD-Demo
Fast schon legendär ist hierbei die Familie Mauers- nes ständigen Treffpunktes wachsen, sich verfestigen
berger mit insgesamt elf Brüdern. Die Brüder aus Jo- und vernetzen.
hannisthal machen an der Hans-Grade-Schule und
auf diversen Schüler-Partys als aggressive Nazischlä- Die Erfahrungen in Treptow haben gezeigt, dass das
ger von sich reden. Der Kontakt zu organisierten Na- beste Mittel gegen Nazis eine starke alternative Ju-
zis besteht bereits, wie ihre Teilnahme an Aktionen gendkultur und eine offensive Antifa-Politik im Be-
der NPD beweist. Auf den Partys im Come In treffen zirk ist. Gerade diese benötigt ständige Hilfe und
sich der jüngere Bruder von Marco Oemus, Ronald Unterstützung, um Treptow nicht zu einer „National
Schmidt und Aktivisten der „Gruppe 9“ zum ge- Befreiten Zone“ oder zu einem Angstraum für Mi-
meinsamen Saufen, während ihr Nachwuchs um die grantInnen und alternative Jugendliche werden zu
Mauersberger-Brüder und Sebastian Krämer am na- lassen.
hegelegenen S-Bahn Adlershof an Angriffen auf al-
ternative Jugendliche beteiligt sind. Auch an den
Schulen etablieren sich bereits neue Nazi-Cliquen. Vorne: Markus Stuhlmann „Keule“ (KW/ Adlershof ) Aktivist der
Am Philippe Cousteau Gymnasium bedroht Seba- Freien Kameradschaften. Rechts dahinter Björn Wild. Foto AIB
16. 16 PANKOW FIGHT BACK MAI/03
1. Mai 2002 Christopher Wilhelm (PitBull-Sweater) Oliver Schweigert (Basecap)
BERLIN
BRAUNE HOCHBURGEN STÜRMEN!!
OBWOHL SEIT EINIGEN JAHREN ORGANISIERTE ANTIFASCHISTINNEN IN DEN EHEMALIGEN BEZIRKEN PANKOW, PRENZ-
NORDOST
APRIL 2003
LAUER BERG UND WEISSENSEE SEHR AKTIV SIND, IST DIE GEFAHR VON RECHTS AKTUELLER DENN JE. UND DAS EBEN
NICHT NUR, WEIL IM „GROSSBEZIRK NORDOST“IMMER WIEDER ANTISEMITISCH, RASSISTISCH UND RECHTSEXTREM
MOTIVIERTE ANGRIFFE AUF PERSONEN ODER EINRICHTUNGEN STATTFINDEN, SONDERN WEIL SICH DIE LOKALE VER-
ANKERUNG DER EXTREM RECHTEN STRUKTUREN ÜBER DIE JAHREN HIER IMMER WEITER VERFESTIGT HAT.
Die Dokumentation dieser Strukturen und die Ver- wohnheiten nicht zum Feindbild der Rechtsextremen Rechtsextrem orientierte Jugendcliquen sind nicht
öffentlichung der daraus folgenden Ergebnisse sehen gehören oder weil sie kaum öffentliche Verkehrsmit- nur im nördlichen Teil des Bezirkes auffällig, auch im
wir als unsere Serviceleistung an aktive Antifaschi- tel oder Räume nutzen. Auch die allbekannte Igno- alternativ geprägten Stadtteil Prenzlauer Berg sind
stInnen und jene die es noch werden wollen. Know ranz der Mehrheitsgesellschaft gegenüber Minoritä- diese zu finden. Vor allem im Skandinavischen Vier-
your enemy: ist eben nicht nur eine platte Parole, son- ten trägt natürlich seinen Teil dazu bei. tel, in der Gegend um den S-Bhf Prenzlauer Allee, im
dern Ausdruck des Versuches eine breitere Öffent- Die Verteilung der sogenannten „Angstzonen“ für die Tählmannpark sowie den Kollwitz- und Senefelder-
lichkeit über die Existenz von braunen Netzwerken Betroffenen im Bezirk läßt sich in der Summe auf platz.
und neonazistischen Organisationsversuchen zu in- zwei Punkte bringen: Die Knotenpunkte des öffent- Auch in den innerstädischen Teilen des Bezirkes
formieren. lichen Nahverkehrs, insbesondere der nördliche S- kommt es immer wieder zu unzähligen An- und
Im Nordosten wohnen über 330 000 Menschen, die Bahnring, sind als alltägliche Problemzonen be- Übergriffen. So wurde am 28. Februar 2003 in der
meisten davon in den innerstädischen Teilen des Be- sonders auffällig, auch kann in den Randgebieten des Raumerstraße eine offensichtliche Nichtdeutsche aus
zirkes im Süden. Viele bemerken die wachsende Pro- Bezirkes vor allem in nördlicher Richtung von einer rassistischer Motivation heraus angegriffen und dabei
blematik im Bezirk kaum oder gar nicht. Einerseits starken Verbreitung des rechten Lifestyles und seiner verletzt, auch die in der Rykestraße befindliche jüdi-
weil sie durch ihre Äußerlichkeiten und Lebensge- dazugehörigen Denkformen gesprochen werden. sche Synagoge wird immer öfter Ziel antisemitischer