1. Sportwettenrecht aktuell
Newsletter zum Recht der Sportwetten, Glücksspiele
und Gewinnspiele
Nr. 127 vom 9. August 2012
Glücksspieländerungsstaatsvertrag:
Vergabe von 20 Sportwettenkonzessionen
in Deutschland
Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Sportwettenkonzession nach dem
neuen Glücksspielstaatsvertrag, S. 2
Die europaweite Ausschreibung der 20 deutschen Sportwetten-Konzessionen,
S. 9
Neuregelung der Besteuerung von Sportwetten, S.11
_____
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Notifizierungspflicht bei
der Änderung von Glücksspielregelungen, S. 14
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Sportwettenrecht aktuell - Nr. 127 ISSN 1613-4222 Seite 1
2. Breaking News:
Europaweite Ausschreibung von 20
Sportwettenkonzessionen
Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Sportwettenkonzession
nach dem neuen Glücksspielstaatsvertrag
von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG
Zeitgleich mit dem Gesetz zur Besteuerung von Sportwetten ist zum 1. Juli 2012 der
Änderungsstaatsvertrag zum Glücksspielstaatsvertrag in Kraft getreten (und zwar in
14 Ländern mit Ausnahme Nordrhein-Westfalens und Schleswig-Holsteins). Dieser sieht
nunmehr im Rahmen einer sog. „Experimentierklausel“ die Zulassung privater
Wettanbieter vor, wobei allerdings ohne nachvollziehbaren Grund die Anzahl auf 20
Anbieter beschränkt ist. Für Sportwetten galt bislang ein nach dem Sportwetten-Urteil
des Bundesverfassungsgerichts vom März 2006 und endgültig nach den EuGH-
Urteilen vom 8. September 2010 zu den deutschen Sportwetten-Vorlageverfahren
rechtlich nicht mehr haltbares staatlichen Monopol. Diese Konzessionen werden
europaweit ausgeschrieben und dürften - sofern das Verfahren ohne Probleme
durchgeführt werden kann - bis zum Jahresende vergeben werden.
In der ausschließlich für Sportwetten vorgesehenen „Experimentierklausel“ (§ 10a
Änderungsstaatsvertrag zum Glücksspielstaatsvertrag - GlüÄndStV) ist, vorerst
beschränkt auf einen Zeitraum von sieben Jahren (Konzessionserteilung bis zum 30.
Juni 2019), abweichend vom grundsätzlichen Fortbestand des staatlichen Monopols
für Glücksspiel (§ 10 Abs. 2 und 6 GlüÄndStV), die Erteilung von 20 Konzessionen zur
Veranstaltung von Sportwetten geregelt.
Eine Konzessionserteilung an private Sportwettenveranstalter ist nur dann möglich,
wenn der Bewerber die Konzessionsvoraussetzungen erfüllen, die sich aus § 4a Abs. 4
GlüÄndStV ergeben:
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3. 1. Erweiterte Zuverlässigkeit
Gem. § 4a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 GlüÄndStV ist die sog. erweiterte Zuverlässigkeit des
Konzessionsnehmers erforderlich. Zu deren Nachweis hat der Konzessionsnehmer
seine vollständigen Inhaber- und Beteiligungsverhältnisse offenzulegen. In diesem
Zusammenhang sind bei Personengesellschaften die Identität und Adresse aller
Gesellschafter, Anteilseigner oder sonstigen Kapitalgeber anzugeben. Bei juristischen
Personen des Privatrechts ist die Angabe der Identität und der Adressen der
Anteilseigner erforderlich, die mehr als 5% des Grundkapitals halten oder die mehr als
5% der Stimmrechte ausüben. Darüber hinaus sind alle Treuhandverhältnisse
anzugeben.
Im Rahmen der sog. erweiterten Zuverlässigkeit ist auch erforderlich, dass der
Konzessionsnehmer und die von ihm beauftragten verantwortlichen Personen die für
die Veranstaltung von Sportwetten erforderliche Zuverlässigkeit und Sachkunde
besitzen. Insofern müssen sie die Gewähr dafür bieten, dass die Sportwetten
ordnungsgemäß und für die Spieler sowie für die Behörde, die die Konzession erteilt,
nachvollziehbar durchgeführt werden. Im Hinblick auf juristische Personen des
Privatrechts und Personengesellschaften müssen alle vertretungsbefugten Personen
die entsprechende Zuverlässigkeit und Sachkunde besitzen. Die erforderliche
Zuverlässigkeit für die Veranstaltung von Sportwetten besitzt nur, wer die rechtmäßige
Herkunft der für die Veranstaltung von Sportwetten erforderlichen Geldmittel
darlegen kann. Damit will man offenkundig Befürchtungen der Geldwäsche
entgegen treten (was insbesondere bei börsennotierten Unternehmen abwegig ist).
2. Leistungsfähigkeit des Konzessionsnehmers
Entsprechend § 4a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 GlüÄndStV ist die Leistungsfähigkeit des
Konzessionsnehmers nachzuweisen. Dafür ist erforderlich, dass der Konzessions-
nehmer über genügend Eigenmittel für eine dauerhafte Geschäftstätigkeit verfügt
und ein einwandfreies Geschäftsverhalten des Konzessionsnehmers gewährleistet ist.
Zudem muss der Konzessionsnehmer im Rahmen der Leistungsfähigkeit die
Wirtschaftlichkeit der beabsichtigten Sportwettenveranstaltung unter Berücksichti-
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4. gung der Abgaben darlegen. Weiterhin hat der Konzessionsnehmer nachzuweisen,
dass die erforderlichen Sicherheitsleistungen gegeben sind und die zum Schutz der
Spieler notwendigen Versicherungen abgeschlossen wurden.
3. Transparenz und Sicherheit der Sportwettenveranstaltung
§ 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 enthält Regelungen zur Sicherheit und Transparenz der zu
veranstaltenden Sportwetten. Demnach hat der Konzessionsnehmer die Transparenz
des Betriebes sicherzustellen und er muss gewährleisten, dass eine Überwachung des
Vertriebsnetzes jederzeit möglich ist (das allerdings nach den jeweiligen
Ausführungsgesetzen der Länder völlig unterschiedlich geregelt ist). Insoweit ist auch
darzulegen, dass die Überwachung des Vertriebsnetzes durch die Aufsichtsbehörde
nicht durch Außenstehende oder am Betrieb Beteiligte vereitelt wird.
Der Konzessionsnehmer muss seinen Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen
Union haben. Insofern der Konzessionsnehmer über keinen Sitz in der Bundesrepublik
Deutschland verfügt, hat er der Verwaltungsbehörde einen Empfangs- und Ver-
tretungsbevollmächtigten in der Bundesrepublik Deutschland zu benennen. Dieser
muss gleichfalls die nach § 4a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1b) GlüÄndStV erforderliche
Zuverlässigkeit und Sachkunde für die Veranstaltung der Sportwetten besitzen.
Für das Angebot im Internet hat der Konzessionsnehmer auf der obersten Stufe (top
domain) eine Internetdomäne „.de“ zu errichten (ähnlich wie die Regelung in
Frankreich).
Der Konzessionsnehmer hat für alle Spiel- und Zahlungsvorgänge eine eigene
Buchführung einzurichten und spielbezogene Zahlungsvorgänge über ein deutsches
Konto oder ein Konto einer Bank mit Sitz in der Europäischen Union abzuwickeln.
Der Konzessionsnehmer hat Schnittstellen zur Prüfung aller Spielvorgänge in Echtzeit
zur Verfügung zu stellen.
Im Übrigen muss gewährleistet sein, dass vom Sportwettkunden eingezahlte Beträge
unmittelbar nach Eingang der Zahlung beim Konzessionsnehmer auf dem Spielkonto
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5. gutgeschrieben werden und ein etwaiges Guthaben dem Spieler auf Wunsch
jederzeit ausgezahlt wird. Darüber hinaus hat eine getrennte Verwaltung der auf den
Spielkonten deponierten Kundengelder vom sonstigen Vermögen des
Konzessionsnehmers zu erfolgen. Die Kundengelder dürfen insoweit auch nicht zum
Risikoausgleich verwendet werden. Darüber hinaus muss das gesamte
Kundenguthaben jederzeit durch liquide Mittel gedeckt sein.
4. Berücksichtigung der Ziele des § 1 GlüÄndStV
Über § 4a Abs. 4 Satz 2 iVm § 4 Abs. 2 Satz 1 sind bei der Konzessionsvergabe die Ziele
des § 1 GlüÄndStV zu berücksichtigen. Insoweit darf die Veranstaltung der
Sportwetten nicht den Zielen des § 1 GlüÄndStV zuwiderlaufen (wirksame
Suchtbekämpfung, Lenkung des natürlichen Spieltrieb in geordnete Bahnen,
Jugend- und Spielerschutz, ordnungsgemäße Durchführung, Schutz vor
betrügerischen Machenschaften und Abwehr von Folge- und Begleitkriminalität
sowie Integrität des sportlichen Wettbewerbs).
Konzessionsverfahren gem. § 4b Abs. 1 bis 4 GlüÄndStV
Die Sportwettenkonzessionen werden im Rahmen eines unionsweiten Aus-
schreibungsverfahrens vergeben. Das Ausschreibungsverfahren wurde im Amtsblatt
der Europäischen Union vom 8. August 2012 bekannt gemacht (siehe den
nachfolgenden Beitrag).
Die Bewerbung für eine der 20 Konzessionen hat in Schriftform und in deutscher
Sprache zu erfolgen. Auch alle vorzulegenden Auskünfte, Nachweise und
Unterlagen sind in deutscher Sprache (bzw. Übersetzung) vorzulegen.
Insbesondere ist im Konzessionierungsverfahren vorzulegen:
Eine Darstellung der unmittelbaren und mittelbaren Beteiligungen sowie der
kapital- und Stimmrechtsverhältnisse bei dem Konzessionsbewerber sowie aller
mit ihm verbundenen Unternehmen. Zudem sind der Gesellschaftsvertrag und
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6. die satzungsmäßigen Bestimmungen des Konzessionsnehmers, sowie
Vereinbarungen, die zwischen dem Konzessionsbewerber und an ihm
unmittelbar oder mittelbar Beteiligten bestehen und im Zusammenhang mit
der Veranstaltung von Glücksspielen stehen.
Vorzulegen ist auch ein sog. Sicherheitskonzept, das insbesondere die Belange
der IT- und Datensicherheit berücksichtigt.
Weiterhin sind ein Sozial- (Minderjährigen- und Spielerschutz) und ein
Wirtschaftlichkeitskonzept, insbesondere unter Berücksichtigung der
Abgabenpflicht, vorzulegen.
Erforderlich ist auch eine Erklärung der Kostenübernahme für etwaige
Sachverständige und Wirtschaftsprüfer, die von der Behörde zur Überprüfung
der oben bezeichneten Konzepte hinzugezogen wird.
Der Konzessionsnehmer hat eine Verpflichtungserklärung dergestalt
abzugeben, dass er weder selbst noch durch ein mit ihm verbundenes
Unternehmen ein nicht konzessioniertes Glücksspiel in Deutschland anbietet.
Zudem hat der Konzessionsnehmer zu versichern, dass die vorgelegten
Unterlagen und Angaben im Konzessionsverfahren vollständig sind.
Nachweise und Unterlagen aus einem anderen Mitgliedsstaaten der
Europäischen Union können u.U. inländischen Nachweisen und Unterlagen
gleichstehen. Diese sind in beglaubigter deutscher Übersetzung vorzulegen.
Die Konzessionsbehörde ist zudem befugt, Erkenntnisse deutscher
Sicherheitsbehörden, insbesondere in Bezug auf die rechtmäßige Herkunft der
erforderlichen Geldmittel, abzufragen.
Änderungen der maßgeblichen Umstände bzw. Veränderungen der
Beteiligungsverhältnisse haben die Konzessionsbewerber während des
Konzessionsverfahrens unverzüglich mitzuteilen bzw. schriftlich mitzuteilen.
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7. Auswahlkriterien zur Vergabe der Konzessionen
Die 20 zu vergebenden Konzessionen werden nach Geeignetheit der Bewerber
vergeben. Insoweit regelt § 4b Abs. 5 Nr. 3 bis 5 GlüÄndStV die maßgeblichen
Eignungskriterien. Insoweit ist der Konzessionsbewerber am besten geeignet, der
seine nachhaltige finanzielle Leistungsfähigkeit nachweist, der einen wirtschaftlichen
Betrieb und die Erfüllung der Abgabenpflichten gewährleistet (wobei die
Gewichtung hinsichtlich dieser zum Teil divergierenden Ziele nicht ganz klar ist).
Die maßgeblichen Zuschlagskriterien für die Zuteilung einer Konzession sind in § 4b
Abs. 5 Nr. 1 und 2 GlüÄndStV geregelt. Demnach wird der den Zuschlag erhalten,
der bei der Veranstaltung der Sportwetten die Erreichung der oben Ziffer unter II.2.4
bezeichneten Ziele des § 1 GlüÄndStV am besten gewährleistet und der zuständigen
Aufsichtsbehörde die am weitesten gehenden Informations-, Einwirkungs- und
Kontrollbefugnisse einräumt.
Konzessionserteilung
Nachdem das für die Erteilung der Konzession zuständige Land Hessen (§ 9a Abs. 2
Satz 1 Nr. 3 GlüÄndStV) zur Bewerbung und Durchführung des Auswahlverfahrens
durch Bekanntgabe im Amtsblatt der Europäischen Union aufgerufen und darin eine
angemessene Frist zur Einreichung der Bewerbungsunterlagen gesetzt hat (was bei
einer Frist von nunmehr weniger als einem Monat fraglich ist), die eingegangenen
Bewerbungen geprüft hat und eine Auswahl von 20 Veranstaltern anhand der
eingereichten Unterlagen nach § 4b Abs. 5 GlüÄndStV getroffen hat, erteilt das Land
Hessen für den gesamten Raum der Bundesrepublik Deutschland (zumindest jedoch
für die bis dahin beigetretenen deutschen Länder) die Konzessionen zur
Veranstaltung von Sportwetten gem. § 4c GlüÄndStV.
Nach § 4 c Abs. 1 Satz 2 GlüÄndStV ist eine Übertragung der Konzession auf einen
Dritten nur mit Zustimmung des auch für die Konzessionserteilung zuständigen Landes
Hessen möglich.
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8. In § 4c Abs. 2 GlüÄndStV ist der Konzessionsbehörde die Möglichkeit vorbehalten, die
Konzession mit Inhalts- und Nebenbestimmungen zu versehen.
Darüber hinaus hat der Konzessionsnehmer vor Erteilung der Konzession zur
Sicherstellung von Auszahlungsansprüchen der Wettkunden und von staatlichen
Zahlungsansprüchen, insbesondere Ansprüche der Länder auf die
Konzessionsabgabe, eine Sicherheitsleistung in Form einer selbstschuldnerischen
Bankbürgschaft zu erbringen. Dabei muss die selbstschuldnerische Bürgschaft iHv
mindestens EUR 5 Mio. bis zu maximal EUR 25 Mio. von einer Bank mit Sitz in der
Europäischen Union stammen.
Konzessionsabgabe gem. § 4d GlüÄndStV
Für die Erteilung der Konzession wird eine Konzessionsabgabe in Höhe von 5% des
Spieleinsatzes erhoben, die an das Land Hessen zu entrichten ist. Allerdings sind auf
den Umsatz gezahlte Steuern anzurechnen (vgl. den nachfolgenden Beitrag zur
Besteuerung von Sportwetten), so dass nach einer effektiv auf den Spieleinsatz
gezahlten Steuer nach dem neuen RWG ein Abgabensatz von 0% verbleibt.
Auf Verlangen der zuständigen Behörde hat der Konzessionsnehmer dieser Einsicht in
die Bücher zu gewähren und Auskünfte zu erteilen, die für die Feststellung der Höhe
der Konzessionsabgabe erforderlich sind. Damit ist der Behörde eine weitreichende
Kontrollmöglichkeit an die Hand gegeben.
Zur Sicherung der Zahlungsansprüche auf die Konzessionsabgabe kann die Behörde
eine eigenständige Sicherheit, z.B. einer selbstschuldnerischen Bankbürgschaft,
verlangen.
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9. Die europaweite Ausschreibung der 20 deutschen Sportwetten-
Konzessionen
von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG
In Amtsblatt der Europäischen Union vom 8. August 2012 ist die Vergabe der
20 Sportwetten-Konzessionen nach dem in derzeit 14 Ländern (außer
Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein) in Kraft getretenen Glücks-
spieländerungsstaatvertrag veröffentlicht worden (Auftragsbekanntmachung
2012/S 151-253153). Anträge sind bis zum 4. September 2012, 12:00 Uhr,
einzureichen, so dass für eine Bewerbung weniger als ein Monat bleibt.
Angesichts der Vielzahl der angeforderten Unterlagen ist fraglich, ob diese
knapp bemessene Frist noch als angemessen zu beurteilen ist.
Die Auswahl erfolgt laut der Ausschreibung zweistufig. In der ersten Stufe ist
die Bewerbung in einem verschlossenen Briefumschlag einzureichen. Sofern
die Bewerber die Voraussetzungen erfüllen, können sie in einer zweiten Stufe
„ihre Bewerbung ergänzen und so einen vollständigen Antrag auf Erteilung
einer Konzession“ stellen (Ziff. VI.3).
Als Kontaktstelle für das Ausschreibungsverfahren ist nicht das für die Vergabe
zuständige Hessischer Ministerium des Innern und für Sport angegeben,
sondern überraschenderweise die Kanzlei CBH Rechtsanwälte, die seit
Jahrzehnten den Deutschen Lotto- und Totoblock und deren Gesellschafter,
die 16 Landeslotteriegesellschaften vertritt (u.a. in zahlreichen Gerichts-
verfahren gegen potentielle Bewerber). Der Deutsche Lotto- und Totoblock
wird sich voraussichtlich über die kürzlich gegründete ODS Oddset
Deutschland Sportwetten GmbH, München, ebenfalls um eine der 20
Konzessionen bewerben. Insoweit sind erhebliche Zweifel an der
Unparteilichkeit der Kontaktstelle CBH Rechtsanwälte angebracht,
insbesondere nachdem diese auch auf dreimalige E-mails hin nicht die in der
Ausschreibung erwähnten Formblätter zur Verfügung stellen wollte (ohne die
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10. eine Bewerbung nicht möglich ist). Dieses „Geschmäkle“ einer offenkundig
parteiischen Kontaktstelle macht das gesamte Verfahren angreifbar.
In der Ausschreibung sind über die gesetzlichen Regelungen hinaus gehende
Voraussetzungen festgelegt. So muss die IT-Abteilung aus mindestens zwei
Personen bestehen, die mindestens fünf Jahre Berufserfahrung nachweisen
müssen. Eine gleiche Regelung gibt es für den „kaufmännischen Bereich“. Der
für die Veranstaltung Verantwortliche muss laut Ausschreibung eine
Ausbildung als (Pferdewett-)Buchmacher nach dem RWG oder einen
vergleichbaren Abschluss nachweisen. Alternativ muss eine Berufserfahrung
von drei Jahren mit der Veranstaltung von Glücksspielen nachgewiesen
werden (was für eine Marktöffnung ungewöhnlich ist, da es bislang ja keine
privaten Anbieter gab und Pferdewetten nach bisheriger Auffassung der
Behörden mit Sportwetten nicht zu vergleichen sind).
Völlig unterschiedlich ist die Vermittlung von Sportwetten in den jeweiligen
Ausführungsgesetzen geregelt (die – anders als der Änderungsstaatsvertrag –
nicht der Europäischen Kommission notifiziert worden sind, vgl. den
nachfolgenden Beitrag zur Notifizierungspflicht). So darf es in ganz Sachsen-
Anhalt nur drei Wettvermittlungsstellen je Konzessionsnehmer geben, während
in Niedersachen voraussichtlich 2.400 zugelassen sind. Für diese extremen
Unterschiede zwischen den Ländern ist eine sachliche Berechtigung nicht
ersichtlich. Insoweit dürfte es grundsätzliche Zweifel geben, ob tatsächlich das
europarechtlich zwingend erforderliche „level playing field“ zwischen den
neuen Konzessionsnehmern und den Landeslotteriegesellschaften und deren
neuer Tochtergesellschaft ODS Oddset Deutschland Sportwetten GmbH
besteht (vgl. hierzu die europarechtlichen Anforderungen im Costa-Urteil des
EuGH http://wettrecht.blogspot.de/2012/02/costa-urteil-europaischer-
gerichtshof.html).
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11. Hinsichtlich einer rechtlichen Überprüfung hält die Ausschreibung fest: „Die
Zuständigkeit der Nachprüfungsinstanzen (§§ 102 ff. GWB) ist nicht eröffnet.
Rechtsbehelfsverfahren müssten bei den Verwaltungsgerichten eingeleitet werden.“
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Neuregelung der Besteuerung von Sportwetten
von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG
Neben dem Änderungsstaatsvertrag zum Glücksspielstaatsvertrag ist zum 1. Juli 2012
auch das Gesetz zur Besteuerung von Sportwetten in Kraft getreten. Anders als der
Staatsvertrag, bei dem es sich um Landesrecht handelt (das zunächst in 14 der 16
deutschen Länder in Kraft getreten ist, mit dem Nachzügler NRW und dem Sonderfall
Schleswig-Holstein) handelt es sich bei diesem Gesetz um Bundesrecht.
Das Gesetz wurde innerhalb kürzester Zeit verabschiedet. Die am
Donnerstag, den 28. Juni 2012, im Bundestag durchgeführte zweite und
anschließend gleich dritte Lesung dauerten zusammen lediglich 75 Sekunden (da die
Reden zu Protokoll gegeben wurden). Nur einen Tag später stimmt der Bundesrat in
einer Sondersitzung zu. Noch am 29. Juni 2012 wurde das Gesetz im
Bundesgesetzblatt (Teil I Nr. 29, BGBl. 2012, 1424 ff.) veröffentlicht. Etwa 30 Stunden
später trat das Gesetz am Sonntag um 0:00 Uhr in Kraft.
Mit dem neuen Gesetz wird das aus dem Jahr 1922 stammende (und damit
vorkonstitutionelle) Rennwett- und Lotteriegesetz (RWG) grundlegend geändert, im
Folgenden auch als RWG n.F. (neue Fassung) bezeichnet. Es werden nunmehr
sämtliche Sportwetten mit Kunden in Deutschland einer 5%-igen Steuer auf den
Spieleinsatz unterworfen, unabhängig davon ob der Vertragsabschluss ortgebunden
oder über das Internet stattfindet. Diese Steuer ist vom Veranstalter abzuführen
(unabhängig davon, ob dieser in Deutschland konzessioniert ist oder nicht).
Das Gesetz zur Besteuerung von Sportwetten beruht auf einer Gesetzesinitiative des
Bundesrats aus dem letzten Jahr und flankiert den neuen Glücksspielstaatsvertrag
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12. 2012. So ist in diesem eine Anrechnung der Steuer auf die Konzessionsabgabe
vorgesehen. Die abweichende Regelung der Konzessionsabgabe in Schleswig-
Holstein ist dagegen angesichts dieser Neuregelung obsolet (was wohl auch
bezweckt war).
Die Steuerregeln hinsichtlich Sportwetten finden sind nach den Abschnitt I, der
Pferdewetten regelt („Rennwetten“, §§ 1 ff. RWG), in dem Abschnitt II (§§ 17 ff. RWG
n.F.). Dabei (wie auch in den ergänzenden Ausführungsbestimmungen zum RWG)
wird der bislang verwendet Begriff der „Oddset-Wette“ (Wetten zu festen Odds)
durchgängig durch den weiteren Begriff „Sportwette“ ersetzt, mit dem sämtliche
„Wetten aus Anlass von Sportereignissen“ erfasst werden.
Zu der Besteuerung im Einzelnen:
1. Besteuerungsgegenstand
Besteuert werden nach § 17 RWG n.F. Sportwetten, die von den „Rennwetten nach
Abschnitt I“ abgrenzt werden (d.h. die dort geregelten Pferdewetten). Sportwetten
sind steuerbar, wenn der Spieler seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort in
Deutschland hat und „die zur Entstehung des Wettvertrages erforderlichen
Handlungen“ auch in Deutschland vornimmt. Mit der letzteren Umschreibung sollen
offenkundig auch Abschlüsse über das Internet (Computer des Spielers in
Deutschland) erfasst werden. Dass Personen, die „nicht natürliche Personen“ sind,
d.h. sog. juristische Personen (wie etwa insbesondere Kapitalgesellschaften, GmbH,
AG etc.) Sportwetten abschließen, dürfte in der Praxis allerdings wohl nicht oder nur
sehr selten vorkommen.
§ 17 Abs. 2 RWG n.F. bezeichnet den Besteuerungsgegenstand wie folgt:
„Wetten aus Anlass von Sportereignissen (Sportwetten), die nicht als
Rennwetten nach Abschnitt I dieses Gesetzes besteuert werden, unterliegen
einer Steuer, wenn
1. die Sportwette im Inland veranstaltet wird oder
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13. 2. der Spieler eine natürliche Person ist und bei Abschluss des
Wettvertrages seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im
Geltungsbereich dieses Gesetzes hat oder, wenn er keine natürliche
Person ist, bei Abschluss des Wettvertrages seine Geschäftsleitung oder
seinen Sitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat. Dies gilt nicht, wenn
der Spieler sich bei Abschluss des Wettvertrages außerhalb des
Geltungsbereiches dieses Gesetzes aufhält und die zur Entstehung des
Wettvertrages erforderlichen Handlungen dort vorgenommen werden.
Die Steuer beträgt 5 vom Hundert des Nennwertes der Wettscheine
beziehungsweise des Spieleinsatzes.“
2. Steuersatz
Der Steuersatz beträgt 5%, wobei auf den (in der Praxis bislang ungebräuchlichen
Begriff des) „Nennwertes der Wettscheine beziehungsweise des Spieleinsatzes“
abgestellt wird.
Auch Nebenleistungen sind zu dem „Nennwert“ hinzuzurechnen (beispielhaft
werden „Schreib- und Kollektionsgebühren“ genannt), was sich aus einer Änderung
der Ausführungsbestimmungen zum RWG ergibt. § 37 Abs. 1 der
Ausführungsbestimmungen lautet nunmehr:
„Bei der Berechnung der Lotteriesteuer für im Inland veranstaltete Lotterien
und Ausspielungen und der Sportwettensteuer nach § 17 Absatz 2 des
Rennwett- und Lotteriegesetzes sind alle für den Erwerb eines Loses oder eines
Wettscheines an den Veranstalter oder dessen Beauftragten zu bewirkenden
Leistungen dem Preise des Loses oder dem Wetteinsatz hinzuzurechnen,
insbesondere in Rechnung gestellte Schreib- und Kollektionsgebühren.“
Damit soll offenbar eine Umgehung bzw. der Reduzierung der Steuer durch
(zusätzlich berechnete) Servicegebühren o.ä. oder einer „Wettscheingebühr“
verhindert werden.
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14. 3. Steuerschuldner und Fälligkeit
Nach § 19 Abs. 2 RWG n.F. ist der Steuerschuldner der Veranstalter:
„Die Steuer für Sportwetten (§ 17 Absatz 2) schuldet der Veranstalter. Die
Steuerschuld entsteht, wenn die Wette verbindlich geworden ist. § 4 Absatz 2
gilt entsprechend. Die Steuer für Sportwetten ist am 15. Tag nach Ablauf des
Anmeldungszeitraums fällig.“
Durch das Abstellen auf die Verbindlichkeit der Wette in Satz 2 könnte man zunächst
meinen, dass bei nicht-konzessionierten Veranstaltern ggf. mangels Verbindlichkeit
der Wette auch keine Steuerschuld entstehen könnte. Dies will man offenkundig
aber durch den Verweis auf § 4 Abs. 2 RWG in Satz 3 ausdrücklich ausschließen. In
dieser Vorschrift (zu Pferdewetten) wird nämlich auf die bloße Aushändigung des
Wettscheins abgestellt:
„Ist der Wettschein ausgehändigt, so ist die Wette für den Unternehmer des
Totalisators und den Buchmacher verbindlich. Ein von dem Wettenden
gezahlter Einsatz kann nicht unter Berufung auf § 762 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs zurückverlangt werden. Soweit der Einsatz nicht gezahlt ist, kann
er von dem Gewinn abgezogen werden. Im übrigen bleiben die Vorschriften
des Bürgerlichen Gesetzbuchs unberührt.“
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Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur
Notifizierungspflicht bei der Änderung von Glücksspielregelungen
von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG
Die Richtlinie 98/34/EG zu Dienstleistungen der Informationsgesellschaft sieht vor, dass
die geplante Änderung nationaler Vorschriften der Europäischen Kommission vorab
notifiziert (d.h. im Entwurf mitgeteilt) werden müssen. Die Reichweite dieser auch
Glücksspiele betreffenden Notifizierungspflicht war bislang strittig, ist aber für die
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15. Praxis durchaus relevant, da eine nicht notifizierte Regelung nicht angewandt
werden darf. Insoweit sind die Regelungen in den nicht notifizierten
Ausführungsgesetzen der Länder zum Glücksspielstaatsvertrag kritisch zu überprüfen.
Eine erste Klärung brachte das kürzlich verkündete Fortuna-Urteil. Nach Auffassung
des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) müssen geplante Gesetzes-
änderungen hinsichtlich Glücksspielautomaten notifiziert werden, wenn diese
Bestimmungen die Art und die Vermarktung wesentlich beeinflussen können (Urteil
vom 19. Juli 2012 in den verbundenen Rechtssachen Fortuna C-213/11, Grand C-
214/11 und Forta C-217/11).
Der EuGH war – wie gemeldet http://wettrecht.blogspot.de/2011/09/europaischer-
gerichtshof-entscheidet.html - vom Verwaltungsgericht Danzig um Vorabent-
scheidung gebeten worden, nachdem mehrere Automatenaufsteller mit Klagen
geltend gemacht hatten, durch eine nicht notifizierte Gesetzesänderung würden ihre
Automaten praktisch nutzlos. Durch das zum 1. Januar 2010 in Kraft getretene
polnische Glücksspielgesetz waren Automatenspiele nunmehr nur noch in
Spielkasinos zulässig. Davor war lediglich eine Erlaubnis der örtlich zuständigen
Finanzbehörde erforderlich. Auch war nunmehr nach den Übergangsbestimmungen
eine Änderung der Orte der Spielveranstaltung nicht mehr möglich.
Rechtlich ging es vor dem EuGH um die Frage, ob diese Gesetzesänderungen als
„technische Vorschriften“ im Sinne der Richtlinie 98/34/EG zu betrachten sind, deren
Entwürfe der Europäischen Kommission übermittelt hätten werden müssen. Nach
Ansicht des EuGH wird durch die Übergangsbestimmungen die Vermarktung der
Spielautomaten beeinträchtigt. Das Verbot der Ausstellung, der Verlängerung und
der Änderung der Erlaubnisse für die Ausübung einer Tätigkeit im Bereich der
Automatenspiele mit niedrigen Gewinnen außerhalb von Spielkasinos sei nämlich
geeignet, den Handel mit den Automaten für Spiele mit niedrigen Gewinnen
unmittelbar zu beeinträchtigen (Rn. 36). Nach Auffassung des EuGH muss das
nationale Gericht neben der Möglichkeit einer (Um-)Programmierung der
Automaten nunmehr prüfen, ob die Verringerung der Stätten für Automatenspiele
auch mit einer Begrenzung der Höchstzahl der Spielkasinos und der dort benutzbaren
Spielautomaten einhergeht.
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