1. H I S TO R I S C H E N OTAT E | 1 0
Werkschau 1.
Fotografien aus dem Volkswagenwerk 1948 – 1974
2.
3. H I STO R I S C H E N OTAT E
Schriftenreihe der Historischen Kommunikation der Volkswagen Aktiengesellschaft
Werkschau 1.
Fotografien aus dem Volkswagenwerk 1948 – 1974
Manfred Grieger
Dirk Schlinkert
5. I N H A LT
Dirk Schlinkert
Zwischen Dokumentation, Kommunikation und Repräsentation.
Fotografien aus der Fotozentrale des Volkswagenwerks 5
Manfred Grieger
Boom am Mittellandkanal.
Wachstum und Wandlungen im Volkswagenwerk 15
Dirk Schlinkert
Architektur: Von Modernität und Monumentalität 23
Sachen: Von Form und Funktionalität 51
Reportage: Von Serien und Stationen 81
Porträt: Vom Teil und Ganzen 103
Anmerkungen 135
7. DI R K SC H LI N KERT
Zwischen Dokumentation,
Kommunikation und Repräsentation.
Fotografien aus der Fotozentrale des Volkswagenwerks
5
8. 001 Käferkarosserie im Studio, 1963
Ein Foto Dieses Buch präsentiert kein komplettes Album der Fotografien,
öffnet Tore in die Vergangenheit. Es ist beredter Zeuge von etwas die von 1948 bis 1974 im Volkswagenwerk Wolfsburg entstanden
Vergangenem und durchbricht die Regeln der Zeit. Die „Licht- sind. Es enthält statt dessen ein Kaleidoskop, eine Art von visueller
schreibung“ der technischen Apparatur fixiert auf einem Disposi- Kollektion, die nach den klassischen Kriterien der fotografischen
tiv „einen winzigen Augenblick in der unendlichen Dauer der Zeit, Zunft unter den Rubriken „Architektur, Sachfotografie, Reportage
der sich ständig entzieht; ein Augenblick, der sofort vergeht, wenn und Porträt“ zusammengefügt wurde. Die Bilder bieten eine reprä-
er eingetreten ist“.1 Das Medium der Fotografie stellt also in der sentative Auswahl aus dem reichhaltigen, bis 1970 etwa 160.000
Momentaufnahme die Vergangenheit auf Dauer und produziert registrierte Negative umfassenden Archivbestand, den die „Foto-
ein allem Anschein nach exaktes Abbild dieser Wirklichkeit. Ein zentrale“ im Volkswagenwerk hinterlassen hat. Es handelt sich um
Foto gilt als unbestechlicher Kronzeuge der Vergangenheit, weil es „Werksfotografie“ im echten Sinne des Wortes. Die Anthologie
Wahrheit suggeriert und dem Betrachter gestern wie heute in der zeigt Auftragsarbeiten, die entweder von angestellten Werksfoto-
„Aura des Authentischen“ begegnet.2 grafen oder von externen Freiberuflern im Auftrag des Unterneh-
mens innerhalb wie außerhalb der Werksanlagen und in der Stadt
Wolfsburg angefertigt wurden.
6
9. F OTO G R A F I E N AU S D E R F OTOZ E N TR A L E
002 Heckleuchte Käfer, 1967
Die betrieblichen Gebrauchsweisen dieser Art der angewandten Die Anfänge der Fotografie im Volkswagenwerk Wolfsburg liegen
Fotografie lagen vor allem in der Kommunikation des Volkswagen- in der Rekonstruktionsphase des Unternehmens unter britischer
werks: Zum einen wurden die Bilder in der Öffentlichkeitsarbeit Regie. 5 Zunächst begleiteten ortsansässige Berufsfotografen im
eingesetzt, die im externen Umfeld wie bei den Werksangehörigen Auftrag des Werkes die rasante Take-off-Phase des Unternehmens,
und deren Familien versuchte, Sympathie, Glaubwürdigkeit und die mit der Serienfertigung der Volkswagen Limousine im Dezem-
Vertrauen als Grundlagen für ein positives Image des Unterneh- ber 1945 ihren Anfang genommen hatte. Doch blieb diese Praxis
mens und Identifikationsangebote mit dem Arbeitgeber zu erzeu- des Engagements externer Fotografen ein Provisorium. Mit der
gen.3 Vehikel dieser Kommunikation war die Fotografie als illustra- Gründung einer „Fotozentrale“ im Bereich „Allgemeine Verwal-
tive Beilage von Presseaussendungen, von Artikeln in der Kunden- tung“, zu der auch Post und Druckerei gehörten, trat im September
zeitschrift „VW Informationen“ oder in Eigenbroschüren des 1949 eine organisatorische Einheit ins Leben, die über eigenes
Unternehmens. Zum anderen diente die Fotografie als visuelles Personal und Budget für die Produktion, Reproduktion und Distri-
Medium der Produktkommunikation, die den kommerziellen bution von Fotografien verfügte.6 Mit diesem Schritt bündelte die
Erfolg auf nationalen wie internationalen Märkten sicher stellen Volkswagenwerk GmbH ihre fotografischen Arbeiten und Aufträge
und den Absatz weiter fördern wollte.4 Und schließlich begegnet – anders als etwa die Hoesch Hüttenwerke nach 1945 – unter dem
die Fotografie als Mittel zum Zweck in dokumentarischer Absicht, institutionellen Dach einer „Fotozentrale“ mit Labor und Studio.7
also als Beweisstück. Sie lieferte durch die fotografische Bestands- [001]
aufnahme einen aktuellen Situationsbericht bei Veränderungen
im Baubestand des Werkes oder reproduzierte technische Sach-
verhalte in Bildern, die überwiegend der Binnendokumentation
dienten.
7
10. 003 Linhof, 1955 004 Reparaturhilfen im Fotostudio, 1951
Dieser organisatorischen Alleinstellung im Unternehmen ent- Erster Abteilungsleiter der Fotozentrale wurde im Januar 1953
sprach ein Privileg, das sich aus dem Auftrag ergab: Das Werk war Willi Luther (1909–1996). Er drückte der Abteilung seinen Stem-
für die angestellten Fotografen der Fotozentrale – im Unterschied pel auf, führte er doch die hauseigene Organisationseinheit mehr
zu Besuchern oder externen Presse- oder Werbefotografen – kein als 20 Jahre bis zum Eintritt in den Ruhestand Ende Juli 1974.
aus Gründen der Sicherheit oder aus Furcht vor Werksspionage Luther war Schiffbautechniker, kein gelernter Fotograf. Er war ein
„hermetisches Areal“8, dessen Tore nur eine Sondererlaubnis der fotografischer „Selfmademan“, der sein Hobby zum Beruf machte.
Werkleitung öffnete. Die Fotografen hatten in der Regel Zutritt, Sein Handwerkszeug hatte er im Hamburg der späten 1930er
selbst in die Halle der automobilen Prototypen, einer Art Hoch- Jahre durch Kurse bei Willi Beutler (1903–1968), dem Leiter der
sicherheitstrakt auf dem Werksgelände. Denn sie verfügten über Fotografischen Abteilung der Landesbildstelle, gelernt.10 Luther
eine durch den betrieblichen Auftrag gerechtfertigte Erlaubnis zu bewarb sich auf eine Stellenanzeige, in der sich das künftige Profil
fotografieren. Im Gegenzug bedeutete diese Lizenz, die die Foto- der Fotozentrale im Wolfsburger Werk deutlich abzeichnete. Ge-
grafen von werksinternen Sicherheitsbestimmungen ausnahm, sucht wurde ein Multi-Talent mit handwerklicher Fachausbildung,
einen erheblichen Vertrauensvorschuss, der von den Fotografen technischem Faible und weitem fotografischen Horizont: Ein
hohe Verlässlichkeit im Umgang mit ihren Bildern erforderte. „Werksphotograph“, so lautete die Stellenanzeige aus dem Ham-
Darüber hinaus ist dies ein Hinweis auf ein organisatorisches burger Abendblatt vom November 1952, der „in allen einschlägi-
Prozedere, das Fotografien aus der Fotozentrale einer besonderen gen Arbeiten auf den Gebieten Architektonik, Technik, Genrebild,
Kontrolle unterwarf, ehe sie das Werk Wolfsburg verließen und in Photoreportage, Bildberichterstattung und Farbaufnahme absolut
der Öffentlichkeit zum Einsatz kamen.9 firm“ sein sollte.11
8
11. F OTO G R A F I E N AU S D E R F OTOZ E N TR A L E
005 Rolleiflex, 1955
Die Fotozentrale arbeitete hauptsächlich im Auftrag der „Öffent- Aufgabenvielfalt regierte den Betrieb der Fotozentrale16, und der
lichkeitsarbeit“, gelegentlich für die Geschäftsführung, den Be- Alltag war oft geprägt von hektischer Betriebsamkeit. Häufige Rei-
triebsrat, die Bauabteilung, die Technische Entwicklung, für den sen bestimmten den Kalender der Fotografen.17 Zu ihren Standard-
Kundendienst12 sowie für die „Werbe-Abteilung“, die seit 1948 aufgaben gehörten neben der Entwicklungsarbeit im Labor die
dem Bereich „Verkauf und Kundendienst“ zugeordnet war.13 Aufnahme von Passbildern für die Werksausweise oder die Repor-
Eigene Initiativen kamen durchaus vor. Aber Auftragsarbeiten tage über bedeutsame Ereignisse wie die Jahrespressekonferenz,
waren die Regel. Den ausführenden Fotografen wurde also von die Hauptversammlungen, Internationale Automobilausstellun-
Dritten das Ziel ihrer Arbeit mehr oder weniger vorgegeben. Wie gen, Betriebsversammlungen, Produktionsanläufe oder andere
dieses Ziel zu erreichen war, konnten sie weitestgehend selbst be- betriebliche Feierlichkeiten. In diese Matrix vielfältiger Routine-
stimmen, doch stimmten sie sich in aller Regel im Vorfeld mit dem tätigkeiten gehörten auch die Auftragsarbeiten für Kommunikation
Auftraggeber ab. Dennoch blieb dem Fotografen für die Auswahl und Produktwerbung und für die dokumentarischen Zwecke der
der Motive und die Umsetzung mit der Kamera und im Labor ein Technischen Entwicklung oder der Bauabteilung, die sich aus den
eigener Gestaltungs- und Handlungsspielraum.14 Individuelle Erweiterungen und Umgestaltungen der Fabrikhallen und Liegen-
Kreativität und Originalität hatten in diesem strukturellen Kontext schaften in Wolfsburg und an den anderen Standorten ergaben.
ihren Ort, die bisweilen auf ein minimales Maß schrumpften, falls
der Fotograf es erlaubte oder sogar wünschte, dass ein Auftragge- Der Kalender der Fotografen folgte dem Tempo des hohe Zuwachs-
ber über seine Schulter schaute, wenn er den Finger am Auslöser raten aufweisenden Volkswagenwerks. Die Anforderungen an die
hatte.15 Fotografen als Chronisten laufender Ereignisse und Veranstal-
tungen des Unternehmens nahmen zu. Und das Unternehmen
reagierte auf diese Handlungserfordernisse mit einer stetigen
9
12. 006 Kofferraum des VW 1600 Variant, 1962
Erweiterung des Personalstamms der Fotozentrale auf mehr als Bei der Auswahl der Motive war das Urteil der Leitung der Fotozen-
20 Personen, von denen 10 als Laboranten tätig waren. Fünf trale entscheidend. Gemeinsam mit seinem Labormeister wachte
Studiofotografen arbeiteten ausschließlich im Studio an Produkt- Luther mit dem geschulten Auge eines technisch versierten Foto-
aufnahmen, während die übrigen Fotografen andere Auftrags- grafen darüber, dass die für die Öffentlichkeit bestimmten Foto-
arbeiten erledigten.18 [002] grafien dem qualitativen Niveau der Publikationen und dem Image
des Unternehmens und seiner Produkte entsprachen. Luther hat
Provenienz, Fundort und Datierung der Fotografien sind eindeutig. auf Grund seiner budgetären Verantwortung als Führungskraft
Strittig oder unklar ist oftmals der Ort der Veröffentlichung einzel- auch bei der Umsetzung der Aufträge ein gewichtiges Wort mitge-
ner Motive oder ganzer Bildserien, die an die Presse ausgesandt sprochen und steuerte den Prozess vom Auftragseingang über die
wurden oder als Illustrationen in Publikationen oder Verkaufsbro- Aufnahme bis zur endlichen Auslieferung eines Fotos.20 Kurzum:
schüren des Volkswagenwerks dienten. Hinzu kommt die Unmög- Luther war der Dreh- und Angelpunkt in der betrieblichen, von der
lichkeit, die Urheberschaft eines Bildes zu ermitteln. Der Fotograf Fotozentrale realisierten Bildpraxis. Seine Person ist daher in die-
lieferte ein Bild auftragsgemäß zu und hatte damit seinen betrieb- ser Sammlung ein stiller, aber allgegenwärtiger Gast, wenn nicht
lichen Zweck erfüllt. Sein Name taucht nicht weiter auf, so dass als aktiver Fotograf, dann als der Fachmann an der Spitze der Foto-
heute nicht immer verlässlich gesagt werden kann, wer im Einzel- zentrale, der über die Weiternutzung der Fotografien entschied
fall den Auslöser der zweiäugigen Rolleiflex Mittelformat oder oder organisatorische Einheiten des Hauses über ihre Verwen-
der Linhof betätigte, schon gar nicht, wer das Negativ im Labor dungsweisen in der internen wie externen Öffentlichkeit beriet.
entwickelte.19
10
13. F OTO G R A F I E N AU S D E R F OTOZ E N TR A L E
007 Heckpartie des VW 1600 Variant LE, 1969
Die im Werk entstandenen Produktfotografien bilden eine gemein- Was kennzeichnet Charakter und Qualität der Bilder aus der Foto-
same Schnittmenge mit den Bildern externer, freiberuflicher Foto- zentrale? Hohe Qualitätsanforderungen stellte das Volkswagen-
grafen, die mit denselben kommunikativen und kommerziellen werk an seine Fotografen und ihre Produkte – nicht anders als an
Aufgaben21 beauftragt wurden und deren Produkte schließlich Techniker, Kaufleute oder Ingenieure, um ein hochwertiges und
auch zum Einsatz vor relevanten Zielgruppen kamen. In dieser am Markt konkurrenzfähiges Automobil zu entwickeln, herzustel-
Richtung erweitern einige Fotografien von Johann Albrecht Cropp len und zu verkaufen. Diesen Sachverhalt belegt das breite Quali-
das Spektrum der Werksfotografien.22 Cropp war seit 1958 Auftrag- fikationsprofil in der Ausschreibung für den ersten Leiter der Foto-
nehmer der Volkswagen Werbeabteilung. Ununterbrochen über 40 zentrale. Als Luther sich im Winter 1952 im Wettbewerb um die
Jahre produzierte er als „Bildberichterstatter“ und „Globetrotter“ Leitungsposition als Fotograf im Volkswagenwerk durchsetzte,
in einer Person Fotografien für die jährlichen Volkswagen Wand- setzte sich ein Quereinsteiger durch, dessen um 1950 entstande-
kalender. Inhaltlich folgen diese Bilder zumeist dem Export- nen Fotografien vom Berufsverband vielfach ausgezeichnet wur-
Thema „Volkswagen in aller Welt“. Cropp setzt damit eine Traditi- den und in den Augen der Fachjury künstlerischen Ansprüchen
on fort, die bereits frühzeitig in der Volkswagen Werbung als Motiv mehr als genügten.24 Qualität hieß also für den Leiter und die Foto-
von Werbeanzeigen in deutschen Zeitschriften und Magazinen und grafen der Fotozentrale nicht nur produktbezogene Normen zu
in Filmreportagen in der „Deutschen Wochenschau“ eingesetzt erfüllen, die das Unternehmen seinen organisatorischen Einhei-
wurde.23 ten setzte. Qualität bedeutete in der alltäglichen Betriebspraxis als
Fotograf, zeitgemäße Bilder herzustellen und in die Kommunika-
tionskanäle des Unternehmens einzuspeisen25, die einen Vergleich
mit professioneller Fotografie von Freiberuflern oder der damali-
gen Kunstfotografie nicht scheuen mussten.26
11
14. 008 Exportlimousine, 1959
Die Fotografien aus dem Volkswagenwerk kennzeichnet auf den „Wirtschaftswunders“ und der Käfer als „Epochensymbol“ für die
Feldern der Architekturaufnahmen, der Sachfotografie, der Re- junge Bundesrepublik tief verankert ist.29
portagebilder und der Porträts eine erstaunliche Affinität zu den
Bildern der „subjektiven Fotografie“ und damit zu den artistischen Das kollektive Gedächtnis der Gegenwart speist sich wesentlich aus
Trendsettern der Fotografie in den 1950er und frühen 1960er Jah- visuellen Quellen und damit auch aus den Fotografien, die in der
ren in Westdeutschland. Im Rückgriff auf die avantgardistischen Periode zwischen 1948 und 1974 im Volkswagenwerk produziert
Positionen des „Neuen Sehens“ und auf Traditionen des Bauhau- und in der internen wie externen Öffentlichkeit verbreitet wurden.
ses der 1920er Jahre hatte sich 1949 um Siegfried Lauterwasser, Sie rufen beim Betrachter Illusionen einer realistischen Abbildung
Wolfgang Reisewitz, Otto Steinert, Ludwig Windstoßer, Peter Keet- vergangener Wirklichkeit hervor und tragen das Verständnis der
man und Toni Schneiders die Gruppe „fotoform“ formiert, die eine Fotografie als Informationsquelle von hoher Authentizität in die
enorme Wirkung in Deutschland und in der internationalen Foto- Zukunft. Darin besteht bis heute die genuine Faszination der Foto-
szene entfaltete.27 Spuren der „subjektiven Fotografie“ finden sich grafie und ihre Verführungskraft. Doch ist die „authentische Lesart
vielfach in dieser Auswahlsammlung angewandter Fotografie, und Deutung“ der Fotografie nicht selbst ein Kind einer vergan-
die in der Fotozentrale des Volkswagenwerks in Wolfsburg in 26 genen Zeit?30 Wir sehen Fotografien heute mit anderen Augen als
Betriebsjahren entstanden ist. Die „Werkschau 1“ fügt dem über damalige Produzenten, Nutzer und Betrachter. Wir wollen mit
Jahrzehnte gewachsenen Bilderkanon aus dem Volkswagenwerk dieser fotografischen „Werkschau“ dem „Wirklichkeitseffekt“ der
unbekannte Motive und Ansichten des Werkes, des Volkswagen Werksfotografie bei der Volkswagenwerk GmbH auf die Spur kom-
Käfer, des Volkswagen Transporter, der Werksangehörigen und men.31 Im Studium exemplarischer Fotografien ist zu erkennen,
der Stadt Wolfsburg hinzu.28 Die Bilder der „Werkschau 1“ er- wie ein Bild aus der Fotozentrale die Wirklichkeit(en) des Volks-
gänzen und erweitern den Erinnerungshaushalt der Gegenwart, wagenwerks in dokumentarischer, kommunikativer und repräsen-
in dem das Volkswagenwerk als Synonym des westdeutschen tativer Absicht herstellte und darstellte.
12
15. F OTO G R A F I E N AU S D E R F OTOZ E N TR A L E
13
18. Fast drei Jahrzehnte worden. Selbst die innerbetrieblichen Arbeitsbeziehungen wiesen
währte nach dem Zweiten Weltkrieg der Wachstumszyklus, der durch die gewählten Betriebsräte und eine partizipative Betriebs-
der Weltwirtschaft, aber auch der Bundesrepublik Deutschland vereinbarung einen beispielgebenden Stand auf, wozu auch der
ihre nachhaltige Form gab.32 Als Motor wie als Kulminationspunkt erste Generaldirektor und Haupttreuhänder Dr. Hermann Münch
dieses einmaligen Aufstiegs kann das in der niedersächsischen beigetragen hatte.35
Provinz beheimatete Volkswagenwerk angesehen werden. Eine Be-
schleunigung dieser Entwicklung brachte die deutsche Währungs- Der Wolfsburger Autohersteller brachte alles mit, um in West-
reform im Juni 1948, in deren Folge das Automobilwerk am Mittel- deutschland als Konjunkturlokomotive zu wirken. In seiner ersten
landkanal die hohe Schwelle zu Marktbeziehungen überschritt Belegschaftsansprache über den Werksfunk am 5. Januar 1948
und seinen Weg in die Welt fand. Hatte das Volkswagenwerk im nannte Heinrich Nordhoff das Volkswagenwerk „einen Schritt-
Jahre 1947 unter Regie der Britischen Militärregierung insgesamt macher des Friedens und des Aufbaus“.36 Der Bandablauf des
8.987 Volkswagen Limousinen gefertigt, von denen 56 Fahrzeuge zwanzigtausendsten Volkswagen gab ihm zehn Tage später die
exportiert wurden, so kletterte die Produktion binnen Jahresfrist Gelegenheit, vor Medienvertretern die ihrer Produktion nach
auf 19.244 Limousinen, von denen bereits mehr als 22 Prozent im größte deutsche Automobilfabrik als „ganz wesentlichen Faktor
Ausland Absatz fanden.33 Das Wachstum gab dem ab Januar 1948 in der deutschen Friedenswirtschaft“ auszugeben.37 Nordhoff
in Wolfsburg tätigen Generaldirektor Heinrich Nordhoff eine wusste mit dem Volkswagen den „modernsten Kleinwagen“ der
Trumpfkarte in die Hand, die er über mehr als zwei Jahrzehnte Welt auf seiner Seite. Angesichts des allenthalben herrschenden
auszuspielen vermochte. Der unaufhaltsame ökonomische Erfolg Materialmangels und der bürokratischen Hemmnisse erschien
verlieh dem Manager wie dem eingeschlagenen Entwicklungspfad seine Vision vermessen, das Volkswagenwerk könne sich „zum
den Status gesellschaftlicher Institutionen.34 Der frühere Opel-Ma- wirksamsten Devisenbringer für die deutsche Wirtschaft“ ent-
nager Nordhoff fand wesentliche Erfolgsfaktoren vor: Die Britische wickeln, doch die Zukunft lag genau auf diesem Feld.
Militärregierung hatte bereits im Sommer 1945 für die Konversion
auf Zivilfertigung gesorgt. Der Vertreter der Briten im Werk, Ivan
Hirst, hatte eine Qualitätspolitik durchgesetzt, die die Volkswagen
Limousine weltmarktfähig machte. Das Kundendienstnetz war
trotz aller Schwierigkeiten gespannt und der Export aufgenommen
16
19. BOOM AM MITTELLANDKANAL
Im Zusammenhang mit der Durchsetzung von Marktbeziehungen Neben dem ökonomischen Erfolg wusste Nordhoff auch die herr-
entstand im Juli 1948 im Unternehmensbereich „Verkauf und schende Meinung auf seiner Seite; sein PR-Chef Frank Novotny
Kundendienst“ eine eigene „Werbe-Abteilung“.38 Auch die im Som- hatte ganze Inszenierungsarbeit geleistet. So kann aus heutiger
mer 1948 erfolgte Verlegung des Unternehmenssitzes von Berlin, Perspektive kaum noch unterschieden werden, was denn kommu-
wo das Unternehmen Volkswagen am 28. Mai 1937 von zwei Wirt- nikative Profilierung und was betriebliche Realität gewesen sein
schaftsgesellschaften der nationalsozialistischen „Deutschen mag. Im öffentlichen Nordhoff-Bild verschmolzen vor aller Augen
Arbeitsfront“ gegründet worden war, nach Wolfsburg diente dieser die Stilisierung der Person mit der ökonomischen Bedeutung des
Neuausrichtung des Unternehmens auf seinen ostniedersächsi- amerikanisch geschulten Managers.
schen Standort.
Da weder der Bund noch das Land Eigentümerrechte ausüben
Am östlichen Rande Westdeutschlands gelang die Etablierung konnten, gerann die Leitungsstruktur bei Volkswagen zum Idealty-
eines Wachstumszentrums, als die Bindung des Stammpersonals pus des „managerial capitalism“, in dem angestellte Facheliten
an das aufstrebende Unternehmen gelang. Eine vergrößerte Beleg- die Entwicklung des Unternehmens bestimmten und verantworte-
schaft war wiederum die Voraussetzung für eine Steigerung der ten. 40 Einzig unterbrochen durch die Korea-Krise, die kurzfristig
Automobilfertigung. Die vervielfachte Produktion fand weltweit Rohstoffe verknappte und Zulieferpreise erhöhte, räumte die welt-
Abnehmer, da die internationalen Automobilmärkte nach der wirtschaftliche Dynamik Nordhoff Handlungsspielräume ein, die
unverwüstlichen Volkswagen Limousine verlangten. Je stärker die er gewohnt selbstbewusst unter Rückgriff auf den von ihm benann-
ökonomischen Wachstumskräfte in dem Vorzeigeunternehmen ten Kundenwunsch gegenüber Bonn und Hannover nutzte. Der Er-
Westdeutschlands wurden, desto mehr zog sich die Britische Mili- folg setzte den Überbringer der glücklichen Nachrichten ins Recht
tärregierung aus dem nach Kriegsende beschlagnahmten Unter- und erhöhte sein Renommee nachhaltig: Die Verneunfachung der
nehmen zurück. Am 8. Oktober 1949 legten sie das herrenlose Produktion binnen fünf Jahren auf insgesamt 179.740 Fahrzeuge
Volkswagenwerk in die Treuhänderschaft der Bundesregierung im Jahre 1953, von denen mehr als ein Drittel exportiert wurden,
und übertrugen dem Land Niedersachsen die Verwaltung.39 Das sprach eine eindeutige Sprache. Auch das Belegschaftswachstum
Volkswagenwerk wurde dadurch zu einer Art von öffentlichem auf 20.569 Beschäftigte gab dem Volkswagenwerk Argumente in
Unternehmen, sein Generaldirektor zum starken Mann am die Hand, die sowohl im Bund als auch im Land verstanden wur-
Mittellandkanal. den. Die junge Bonner Republik hatte in mancher Hinsicht in der
17
20. automobil geprägten Stadt am Mittellandkanal ihre Blaupause Dass Volkswagen eine gleichsam überdeterminierte Bedeutung für
einer Wohlstandsinsel gefunden, und Nordhoff wusste um die das deutsche Wirtschaftswunder zukam, zeigte sich nicht zuletzt in
öffentliche Bedeutung des Volkswagenwerks, das durch Export- der Inszenierung der Feierlichkeiten zum Bandablauf des einmilli-
erfolge und Wirtschaftswachstum bestach.41 onsten Volkswagen im August 1955. Die Belegschaft hatte arbeits-
frei, um die in Wolfsburg weilende Welt zu begrüßen und sich
Das Jahr 1953 markierte für Volkswagen eine wichtige Durch- selbst – angefeuert durch Sambaschulen aus Brasilien und Militär-
gangsstation.42 Mit zwei Fahrzeugen, der Limousine und dem 1950 kapellen – zu feiern. Der wirtschaftliche Wiederaufstieg Deutsch-
in Produktion gegangenen Transporter, stieg das Unternehmen zu lands, die Vorboten des kollektiven Wohlstands und auch die
einem nationalen Faktor auf. Zugleich geriet die Wolfsburger Fab- Bündelung wohlmeinender Politik in der Person des gütigen, aber
rik an ihre Leistungsgrenze, so dass Neubauten und eine Moderni- Leistung einfordernden Unternehmenslenkers – all die Faktoren
sierung der Fabrikationsanlagen erforderlich waren. Die neuen der deutschen Erfolgsgesellschaft konnten vor der Folie des Volks-
Fabrikhallen übersprangen die heutige „Mittelstraße“ in Richtung wagenwerks aufgespannt werden. Wie ein Bernstein umschloss
Norden und erweiterten damit die Produktionskapazitäten.43 Die das quasi öffentliche Unternehmen den Insektenfleiß seiner
Neuansiedlung eines eigenen Transporterwerks stand außerhalb arbeitsamen Mitarbeiter und seine frühe Amerikanisierung.
von Wolfsburg an. Dem Werkswohnungsbau, mit dem die erwei-
terte Belegschaft in Wolfsburg angesiedelt werden sollte, kam Als der Anbietermarkt durch einen Nachfragemarkt ergänzt und
zeitweise die gleiche Bedeutung zu wie der Gründung eigener später auch ersetzt wurde, wuchs die Bedeutung von Werbung und
Produktionsgesellschaften im Ausland: 1953 traten sowohl die Marketing an. Über den Umweg seines Nordamerikaengagements
„VW-Wohnungsbau-Gemeinnützige Gesellschaft mbH“ als auch lernte Volkswagen die Macht visueller Botschaften zu nutzen,
die „Volkswagen do Brasil Ltda.“ auf die ökonomische Bühne, indem das Werk seine Aktivitäten mit einer wahren Bilderflut zu
um den Expansionskurs fortsetzen zu können. untermauern begann. Die ab 1962 in Deutschland für Volkswagen
tätige Agentur DDB veränderte das Werbegenre nachhaltig und
machte den Automobilhersteller auch zum seriellen Bilderprodu-
zenten.
18
21. BOOM AM MITTELLANDKANAL
Die Fabrik am Mittellandkanal war schon längst ein erfolgreiches Es lag angesichts der gesellschaftlichen Bedeutung des Unterneh-
Stück Fordismus geworden, das aber die tayloristische Großserien- mens und seiner Fahrzeuge auf der Hand, dass das Volkswagen-
produktion mit einer spezifischen Form der innerbetrieblichen werk auch Gegenstand der Bundes- und Landespolitik wurde. Jede
Arbeitsbeziehungen verband. Geradezu als Musterbeispiel einer Volkswagen Silvesteranzeige, die in den 1950er Jahren alljährlich
in der frühen Bundesrepublik Deutschland grunderneuerten im deutschen Blätterwald die Erfolgssummierung des Volkswagen-
Katholischen Soziallehre entfaltete das Unternehmen unter dem werks verbreitete, illustrierte zugleich den Erfolg der Sozialen
Einfluss seines Generaldirektors Nordhoff zahlreiche Aktivitäten, Marktwirtschaft, die zu propagieren der gleichfalls zum Marken-
um die soziale Lage der Belegschaft zu verbessern. Über die zur zeichen aufsteigende Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard
Anlockung einer ausreichenden Zahl von Beschäftigten relativ ho- nicht müde wurde. So rankten in der Adenauer-Regierung schon
hen Löhne hinaus etablierte das Volkswagenwerk nach 1949 Ver- früh Absichten einer Privatisierung des automobilen Treuhandver-
sorgungsleistungen, etwa auf dem Gebiet der Betriebsrente oder mögens. Zusätzliche Fahrt nahm der Entscheidungsprozess auf,
der Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle, die binnen eines Jahr- nachdem Bundeskanzler Konrad Adenauer in seiner Regierungs-
zehnts zu einem System der unternehmerischen Daseinsfürsorge erklärung vom 29. Oktober 1957 das Ziel einer breiten Streuung
anwuchsen.44 Auch die 1950 erstmalig gewährte Erfolgsprämie, von so genannten Volksaktien als „wichtigstes Ziel“ der Legislatur-
die nur wenige Jahre später fester Bestandteil des Tarifvertrags periode ausgegeben hatte.46 Um durch die Aktienausgabe „Eigen-
wurde, schuf eine damals noch ungewöhnliche Beteiligungsleis- tum für alle“ schaffen zu können, bedurfte es der Aushandlung
tung an die Belegschaft. Vor diesem Hintergrund entwickelte sich eines am 11./12. November 1959 unterzeichneten Staatsvertrags
die betriebliche Partizipation der Arbeitnehmer sowohl im 1951 zwischen dem Bund und dem Land Niedersachsen. Auf Grundlage
etablierten Beirat als auch durch den 1953 konstituierten paritä- dieses Kompromisses verabschiedete der Deutsche Bundestag am
tischen Wirtschaftsausschuss gleichermaßen kooperativ wie er- 9. Mai 1960 mit den Stimmen der Regierungskoalition und der
folgreich. Dem sich gütig gebenden Generaldirektor entsprach FDP das „Gesetz über die Regelung der Rechtsverhältnisse bei der
auf Arbeitnehmerseite der ruhig auf einen gerechten Anteil abzie- Volkswagenwerk GmbH“. Am 21. Juli 1960 trat das „Gesetz über
lende Betriebsratsvorsitzende Hugo Bork, während in der sonsti- die Überführung der Anteilsrechte an der Volkswagenwerk Gesell-
gen Metallindustrie die Konfliktparteien schärfer aufeinander schaft mit beschränkter Haftung in private Hand“ in Kraft, mit dem
prallten.45 die Teilprivatisierung des Unternehmens und seine Umwandlung
in eine Aktiengesellschaft geregelt wurden.47 Damit war ein Aus-
nahmeunternehmen Deutschlands zumindest in ökonomischer
Hinsicht zu einer Profan-AG geworden, in der Gewinn und Divi-
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22. dendenzahlungen eine wachsende Bedeutung zukam. Allerdings Wenngleich noch im Jahre 1966 der Typ 1, der als „Beetle“ in den
behielten der Bund und das Land Niedersachsen in ihrem Vor- USA zum besten Devisenbringer und zum emotionalen Teil der
zeigebetrieb noch jeweils 20 Prozent des Aktienkapitals, wodurch amerikanischen „car culture“ aufstieg, mit fast 1,1 Millionen
deren Einfluss als größte Einzelaktionäre erhalten blieb. gebauten Fahrzeugen das ökonomische Rückgrat des Konzerns
bildete, so hatte doch 1961 mit der Fertigung der intern als „Typ 3“
Das Unternehmen setzte auch als Aktiengesellschaft seinen vorhe- bezeichneten Limousine der unteren Mittelklasse, des Volkswagen
rigen Expansionskurs fort. Nachdem gleichsam als Vorgeschmack 1500, eine Diversifizierung des Fahrzeugangebots eingesetzt. Da
des neuen AG-Zeitalters im Sommer 1959 das neue dreizehn- die Erstmotorisierung vieler in Deutschland, aber auch in anderen
stöckige Verwaltungsgebäude im Südwesten der Hallenfront bezo- Ländern, etwa in Brasilien oder später auch in Mexiko, mit der
gen worden war, baute das Unternehmen seine Positionen auf den Volkswagen Limousine erfolgt war, standen die Gesellschaften
internationalen Märkten weiter aus. Die am 8. Dezember 1964 und die Individuen jedoch noch im Bann des ungewöhnlichen
erfolgte Inbetriebnahme des insbesondere für den Export nach Automobils. Zugleich führt die unterbliebene Produktinnovation
Nordamerika gebauten Werks in Emden diente diesem Zweck, so vor Augen, dass das Volkswagenwerk in mancher Hinsicht auch als
wie 1965 die Übernahme der Ingolstädter „Auto Union GmbH“ erfolgreicher Repräsentant der gesellschaftlichen und ökonomi-
aus dem bereits stark internationalisierten Unternehmen einen schen Ausstockung der etablierten Bundesrepublik anzusehen ist.
deutschen Mehrmarkenkonzern machte. Nordhoff gab am 11. März 1968 auf die vom Aufsichtsrat aufgewor-
fene Frage, wie es im Jahr 1968 weitergehe, die „klare Antwort,
Mit dem „Käfer“ gelangten Deutschland und das Volkswagenwerk dass es niemand wisse“.50
in das Zeitalter der Konsumdemokratie, die durch Wohlstand,
Überfluss und wachsende Freizeit gekennzeichnet war.48 Den lan-
gen Weg in die Weltwirtschaft wussten die Volkswagen Limousine
und der Transporter des Wirtschaftswunders mit Leichtigkeit
zu überwinden, was ein gerüttelt Maß zur Modernisierung der
westdeutschen Gesellschaft beitrug. Die sich auf die individuelle
Automobilität ausrichtende Verkehrsinfrastruktur wurde ebenso
ein Produkt der Volkswagenisierung Westdeutschlands wie die
Amerikanisierung der Fabrik in den 1950er Jahren geradezu
beispielhaft gelang.49
20
23. BOOM AM MITTELLANDKANAL
So wie das Jahr 1968 in der Bundesrepublik Deutschland in gesell- Heute kennt die Welt Volkswagen, und sein erstes Erfolgsfahrzeug,
schaftspolitischer und kultureller Hinsicht Umbrüche einleitete, die intern als „Typ 1“ bezeichnete Limousine, trägt vielen Kose-
so suchte Kurt Lotz, der am 1. Mai 1968 die Nachfolge des am namen. Bekannt geworden durch seine Silhouette, gerühmt für
Karfreitag verstorbenen Nordhoff angetreten hatte, den Umbau seine Zuverlässigkeit und den hohen Gebrauchswert und geliebt
des Unternehmens nach Kräften zu forcieren, zumal sich das Ende als automobile Ikone, lief der Käfer in mehr als 21,5 Millionen
des Käferbooms abzeichnete.51 Unter seiner Ägide konzentrierte Exemplaren vom Band und schrieb sich in den kollektiven Erinne-
sich das Unternehmen auf die Aufgabe, „neue Modelle zu bringen, rungshaushalt ein.55 Zusammen mit dem Transporter ermöglichte
zu rationalisieren und Kosten einzusparen“.52 Unter diesen Vor- die in Blech gebogene Emotion die weltwirtschaftliche Ausrichtung
zeichen vollzog das Volkswagenwerk einen insgesamt verspäteten eines Auto-Konzerns, dessen Fahrzeugproduktion zwischen 1948
Übergang von den luftgekühlten auf die wassergekühlten Motoren und 1973 von knapp 20.000 auf mehr als 2,3 Millionen Einheiten
und vom Heck- auf den Frontantrieb. Als erstes Fahrzeug der neu- explodierte, dessen Umsatz sich von 89,2 Millionen DM auf
en Produktoffensive kam der K 70, der zwischen 1970 und 1975 knapp 17 Milliarden DM steigerte und der anstatt 8.700 nunmehr
in dem neuen Werk in Salzgitter gefertigt wurde, auf den Markt.53 215.000 Menschen in und außerhalb von Wolfsburg Arbeit gab.
Passat, Scirocco, Golf und Polo krempelten die Angebotspalette Inzwischen hat der 1974 eingeführte Golf die legitime Nachfolge
komplett um und sicherten dem Unternehmen seine weitere Zu- als klassenloses Automobil angetreten und seinen Vorläufer
kunft. In gewisser Weise verkörperten die neuen Fahrzeuge zeit- auch in den Produktionszahlen weit überholt.56 Wie schon beim
und marktgerechte Antworten auf die veränderten gesellschaftli- Käfer gerinnen die damit verbundenen Aktivitäten zu Bauten
chen, wirtschaftlichen und kulturellen Verhältnisse nach der tief und Bildern.
greifenden Weltwirtschaftskrise der mittsiebziger Jahre, die u.a.
im Ölpreisschock und in der erlahmenden Wachstumsdynamik
ihren Ausdruck fand.54
21
25. DI R K SC H LI N KERT
Architekturfotografie
Von Modernität und Monumentalität
23
26. 009 Käfer am Tor Sandkamp, Februar 1960
Jedes Foto Ein Panorama des Werkes aus Westen [015] oder Osten [012] mit
besitzt dokumentarischen Charakter. Die Beweiskraft des Bildes der parallel zum Mittellandkanal verlaufenden, durch vorgelagerte
als kaum anfechtbare Momentaufnahme dominiert in den Auf- Treppenhäuser und schmale hochgezogene Fenster klar geglieder-
tragsarbeiten, die den baulichen Zustand der Fabrik und die ten Südrandbebauung zeigt das Werk als geschlossenen Baukör-
Erweiterungsbauten in Werk und Stadt abbilden, wie sie im Zuge per. Die Bilder unterstreichen die für die damalige Entstehungs-
des enormen Auftragsbooms im Wirtschaftswunder errichtet wur- situation der Fabrik „ungewöhnliche monumentale Note“ der
den. Die Bilder sind Narrative, die vom permanenten Wandel, Industrieanlage.57 Der Aspekt der Monumentalität wiederholt sich
vom Wachstum, von der Größe und Gleichförmigkeit der Werks- in einer sorgfältig vorbereiteten Nachtaufnahme [013].58 Die archi-
anlagen berichten. Neben dem reinen Referenzwert, der sich tektonischen Grundelemente der dunklen Klinkerfassade werden
besonders deutlich in den Dokumentarfotos der Halle 12 wider- mit künstlicher Beleuchtung aus der Froschperspektive drama-
spiegelt [011, 012], spielt die repräsentative Dimension eine turgisch hervorgehoben. Die Lampen der Straßenbeleuchtung,
wichtige Rolle. die exakt auf die Firstlinien der Treppenhaustürme ausgerichteten
Strahler und ihre Lichtreflexe laufen in einem Fluchtpunkt zu-
Die Fotografen setzen das Volkswagenwerk mit Großbildkamera, sammen und erzeugen die räumliche Tiefe des Bildes. Die ver-
Weitwinkelobjektiv und durch ungewöhnliche Positionen ihrer schiedenen Lichtquellen lösen die Südrandbebauung aus dem
Stative als Symbol moderner Industriearchitektur in Szene, die ge- Tiefdunkel der Nacht und aus ihrem lokalen Umfeld heraus. Neben
radezu organisch in die umgebende Landschaft eingepasst wurde die Monumentalität des kompakten Baukörpers der Fabrik tritt in
[011]. Vor der Kulisse der Südrandbebauung mit dem Verwaltungs- dieser effektvollen Nachtaufnahme die Symmetrie der Baukompo-
hochhaus am Horizont bietet die Totale dem Betrachter von einem nenten in der Architektur, die mit der Serialität der Produktions-
erhöhten Standpunkt einen Überblick über die zentrale Nahtstelle prozesse innerhalb der Werkshallen korrespondiert.59
von Stadt und Werk an der Heinrich-Nordhoff-Straße. In der hoch-
sommerlichen Atmosphäre erscheinen die Menschen und Auto-
mobile auf der Straße oder dem Parkplatz als Statisten, die den
Eindruck von geschäftigem Treiben und ruhiger Tagesnormalität
in reizvoller Landschaft unterstreichen. Die Bildsprache zielt auf
die Darstellung einer geordneten Geschlossenheit von Werk und
Stadt in harmonisch-idyllischer Koexistenz.
24
28. Die Struktur der Panoramabilder folgt der Struktur der Fassade Auch in einer Variation dieser Thematik ist der Samba-Bus alles
und Baukörper nicht in der etwa die gegenwärtige Industriefoto- andere als Staffage [015]. Der Fokus der Kamera liegt auf dem
grafie von Bernd und Hilla Becher prägenden Frontalansicht60, Volkswagen als Endprodukt der Serienfertigung, der vor frühlings-
sondern aus diagonalen Perspektiven. Beherrschende Elemente hafter Werkskulisse in der Bildmitte positioniert ist. Die Serie
bleiben dennoch die senkrechten und waagerechten Linien der der aus der Südrandbebauung vorgezogenen Treppenhaustürme
Architektur. So entstehen in Manier der „Neuen Sachlichkeit“ von findet im Osten durch das Kraftwerk seinen Fluchtpunkt.64 Die
Albert Renger-Patzsch und Werner Mantz Panoramen des Werkes Architektur dient als visuelles Bindeglied. Sie stellt eine Verbin-
von brillanter Tiefenschärfe61, die Kernelemente der Architektur dung zwischen Samba-Bus und der östlichen Werksgrenze her,
wie Hochhaus, Kraftwerk, Südrandbau mit Klinkerfassade, Trep- um die semantische Einheit von „Werk und Wagen“ zu betonen.
penhaustürmen und hohen Fensterfluchten in ihrer typischen
Physiognomie erfassen. Diese Fotografien erzählen von der Die Aspekte der Modernität und seriellen Ordnung wiederholen
Monumentalität und der Modernität des rasant gewachsenen sich in den Fotografien, die Innenansichten des Werkes oder Aus-
Volkswagenwerks. Durch die auf das Wesentliche konzentrierte schnitte des betrieblichen Arbeitsprozesses zeigen. Die Bilder
Darstellung der architektonischen Charakteristika inszenieren stammen aus dem produktiven wie nicht produktiven Bereich.
diese Panoramen das Werk als Ikone.62 Die Bildsprache knüpft Gemeinsam ist ihnen die Akzentuierung eines in beiden Geschäfts-
damit an eine semantische Strategie an, die in der Anfangszeit feldern komplexen, wohl geordneten und leistungsfähigen Groß-
der Volkswagen Werbung in grafischen Anzeigen unter der Schlag- betriebes. Das mit funktionalem Mobiliar eingerichtete, Licht
zeile „Werk und Wagen“ kommuniziert wurde.63 durchflutete Großraumbüro im Verwaltungshochhaus verspricht
optimale Arbeitsbedingungen für die Angestellten. In der exakten
Reihung der Schreibtische, Aktenschränke und Telefone erinnert
diese Fotografie [017; vgl. 058] an die Stationen der Fließfertigung
der Fahrzeuge in den Werkshallen. Das Großraumbüro mit seinen
Accessoires wartet auf seine Inbetriebnahme, und die auf der
Schiene angelieferten Stahlrollen und Stapel zugeschnittener
Bleche stehen ebenfalls kurz vor ihrem betrieblichen Einsatz
[018].
26
29. A R C H I TE K TU R F OTO G R A F I E
Zurück zum Verhältnis von Werk und Stadt kehren die Fotografien, Dieser Effekt einer attraktiven, modernen Wohnsiedlung wird
die bauliche Aktivitäten des Volkswagenwerks innerhalb des durch die Innenansicht des vom Volkswagenwerk errichteten
Werksgeländes wie auch jenseits der Werkstore dokumentieren. „VW-Bades“ [020] ergänzt, das Ende Juli 1951 eröffnet wurde.67
Den Gegensatz von alt und neu stellt die aus dem Osten aufgenom- Der ovale Bogen der Wasserrutsche führt den Blick auf die linke
mene Nachtaufnahme der Gebäude am westlichen Ende der Süd- Seite und schneidet einen Ausschnitt heraus. So entsteht ein „Bild
randbebauung heraus [016]. Die im Abbruch befindliche Ruine des im Bild“, das ein eigenes Bedeutungsfeld eröffnet: Die beiden am
ehemaligen Verwaltungstraktes schiebt sich als eine Art dunkle Beckenrand in der Morgensonne sitzenden Kinder und die ruhige
Schablone vor das kurz zuvor fertig gestellte, hell erleuchtete Ver- Wasserfläche erzeugen eine Atmosphäre von Erholung und Ent-
waltungshochhaus mit dem VW-Markenzeichen an der Stirnseite. spannung, die dem Werksangehörigen und seiner Familie als
Dieses Bild rekurriert auf die Bildsprache der „Trümmerfotogra- attraktives Freizeitangebot dargeboten wird. Das Volkswagenwerk
fie“65 und liefert im Hell-Dunkel-Kontrast den geradezu triumpha- tritt als ein sozialer, im Wohn- und Freizeitbereich engagierter
len Beweis für den betrieblichen Fortschritt, der durch den Neubau Partner seiner Belegschaft in Wolfsburg auf, und das Foto ist Refe-
und seine Inbetriebnahme für die Weiterentwicklung des Werkes rent für ein enges, harmonisches Verhältnis zwischen Volkswagen-
erreicht wurde. werk und Stadt.
Dass das Volkswagenwerk Initiativen zur Schaffung von Wohnraum
und Freizeitangeboten jenseits der Werkstore ergriffen hat, bele-
gen zahlreiche Fotografien, die bauliche Fortschritte in Wolfsburg
dokumentieren. Als Schlüsselbotschaft wird dem Betrachter ver-
mittelt, dass die Lebensstandards in der noch jungen Stadt durch
die Investitionen des Volkswagenwerks im Stadtzentrum qualitativ
verbessert wurden. Der Rohbau eines Mehrfamilienhauses [019]
und eine Wohnsiedlung in Werksnähe [021] markieren Anfangs-
und Endpunkte baulicher Aktivitäten der Volkswagen Tochter-
gesellschaft, die für Werksangehörige und ihre Familien kaum
Wünsche offen lassen.66
27
30. 010 Stadt und Werk an der Heinrich-Nordhoff-Straße, 1972
28
53. DI R K SC H LI N KERT
Sachfotografie
Von Form und Funktionalität
51
54. 022 Käfer auf Schlitten im Fotostudio, 1965
Die „Evidenz des Faktischen“ In diese Richtung können auch die Aufnahmen des hinteren
ist unabweisbar.68 Diesen Effekt nutzen Fotografen, deren Bilder Kotflügels [024] oder des auf die Seite gelegten Käfer-Chassis mit
in der Fotozentrale der Binnendokumentation oder kommunika- Motor [025] gedeutet werden. Das Pressteil und der fertige Bausatz
tiver Verwertung dienten. Im Vordergrund steht die detailgetreue wurden vor Ort in der Produktionshalle auf einem weißen Tuch
Abbildung eines Volkswagen und seiner Komponenten in tech- positioniert und mit künstlichem Licht beleuchtet. Kotflügel wie
nisch ausgereifter Qualität und Präzision, ihrer stofflichen Materi- Chassis werden mit dieser Technik aus ihrem Fertigungskontext
alität und vor allem in ihrer Form. Diese Qualitätsanforderungen isoliert. Filigrane Strukturen des in Großpressen gezogenen Me-
bedingen für die Fotografen einen hohen Aufwand an Zeit und tallblechs oder die vertikalen und horizontalen Rippen des Boden-
Material, um die Produkte in einer angemessenen und vom Auf- blechs machen die Reflexionen des künstlichen Lichts sichtbar.
traggeber und Kunden geforderten Bildkomposition zu arrangie- Kotflügel wie Chassis erscheinen in gestochener Schärfe – ein
ren und über eine akzentuierte Lichtführung mit direktem wie Foto, das scheinbar nichts verbirgt. Es handelt sich um die direkte
indirektem Licht zu beleuchten. Schauplatz dieser fotografischen und dichte Darstellungstechnik der Sachfotografie, die mit ihrer
Inszenierungen war das Studio der Fotozentrale, das mit dem Plastizität der Gegenstände hohe Authentizität beansprucht.
erforderlichen Equipment zur Ausleuchtung der Objekte ausge-
rüstet war. Im Fotostudio wurden Sachfotografien in hoher Zahl Ein hoher Inszenierungsgrad kennzeichnet auch die Werbefoto-
hergestellt, die in Katalogen und Bedienungsanleitungen der grafien der Volkswagen Limousine, die auf dem Werksgelände
Volkswagen Modelle zum Einsatz kamen. Allein fünf Fotografen [031] und im Studio [027] entstanden. Der Käfer wurde in spitzem
waren mit diesem Großauftrag des Kundendienstes befasst.69 Winkel zur Fassade der Werkshalle ausgerichtet, und mit einem
Spezialwerkzeug die Volkswagen Logos auf den Radkappen manu-
Erst durch den nüchtern-sachlichen Blick in der mit den vielfälti- ell in eine aufrechte, deutlich lesbare Stellung gebracht. Um unbe-
gen Potenzialen des Kunstlichts arbeitenden Umgebung des Stu- absichtigte Lichtreflexionen auf den glänzend polierten Flächen zu
dios wird es möglich, die feinen Rillen und exakt zugeschnittenen vermeiden, wurde auf beiden Chromradkappen ein Mattierungs-
Kanten eines Zahnrades heraus zu präparieren [029]. Detailauf- mittel aufgetragen. Der Fotograf entschied sich für eine Perspekti-
nahmen dieser Art setzten auf die Wirkung, die beim Betrachter ve, die dem Betrachter eine komplette Seitenansicht der Limousi-
durch eine scheinbar direkte, kühle und präzise Präsenz der ne mit großflächigen Fenstern präsentierte. Um die Größe der
Gegenstände hervorgerufen wird: der unanfechtbare Realitäts- Seitenscheiben zu betonen, wählte er einen Kamerastandpunkt,
beweis für das technische Niveau und die Qualität der Fertigung. der sich in einer geraden Linie zu den beiden B-Säulen des Käfer
52
56. befand. 70 In der Studioaufnahme [027] wird der Käfer durch Refle- Die Materialität und konstruktive Gestalt von Komponenten im
xionen aus direktem wie indirektem Licht in Szene gesetzt, um die Produktionsprozess oder vor der Auslieferung erfassen Detailauf-
besondere Ausstattung und die Hochwertigkeit des Exportmodells nahmen oder Halbtotalen mit begrenzten Ausschnitten [033, 034,
zu unterstreichen: Spitzlicht funkelt auf den verchromten Stoß- 037, 038]. Diese Fotografien, die im Herbst 1953 im Wolfsburger
stangen und Radkappen, und das Licht zeichnet auf dem glänzen- Werk entstanden, schlagen eine Brücke zur subjektiven Fotografie
den Lack des Kofferraumdeckels das Design des Käfer ab – zusätz- der Künstlergruppe „fotoform“, deren Gründungsmitglied Peter
liche visuelle Argumente für die Produktwerbung und Kaufanreize Keetman im April 1953 eine Serie von 71 Fotografien in der Fabrik
für die Kunden. am Mittellandkanal anfertigte.72 Ein Vergleich dieser Bilder, die
im Abstand von nur sechs Monaten aufgenommen wurden, zeigen
Charakteristisches Merkmal dieser frühen Produktfotografien in Willi Luther und die Werksfotografen in einer großen Nähe zu den
werblicher Absicht ist die statische Präsentation der Volkswagen. Positionen der künstlerischen Avantgarde der Zeit.73 Der Fokus der
Der Käfer mit seinem unverwechselbaren Design ist der unbe- Kamera liegt auf kleinen Ausschnitten, die der Fotograf auf Stapeln
strittene Star dieser Art von Werbefotografie, die in der Betonung von Blechen oder halbfertigen Bauteilen findet.74 Diese Motive
abstrakt-formaler Qualitäten der Modelle die Traditionen des werden durch starke Vergrößerung aus dem Umfeld der Produk-
„Neuen Sehens“ aufgreift.71 Das Produktdesign rangiert in der tion gelöst, um die Lichtspuren auf dem Metall und die beinahe
Kompositionstechnik dieser Werbefotografien vor der Funktio- haptischen Oberflächen eines geschnittenen, gekanteten und ge-
nalität der Fahrzeuge, also vor einer bildlichen Darstellung der zogenen Kotflügels zu erfassen [033]. Das Licht modelliert auf sub-
konkreten Nutzwerte des Volkswagen für Beruf, Freizeit oder tile Weise die Struktur der gestapelten Kotflügel oder der auf einer
persönlichen Lebensstil. Palette nach dem Polieren in der Galvanik aufgereihten Radkappen
[034]. 75 Zwei Bilder führen auf den Auslieferungsplatz im Nord-
westen der Fabrik [037, 038] und zeigen in einer halbtotalen Per-
spektive das Finale des Produktionsprozesses: Die geordnete Serie
und die hohe Stückzahl der Volkswagen sind wie in den Fotografien
von Peter Keetman tragende Elemente der Bildsprache.76 Deut-
liche Parallelen besitzt diese Bildkomposition zu Darstellungen
innerbetrieblicher Arbeitsprozesse in der Architekturfotografie
[017, 018], die auf den seriellen Aspekt im produktiven Bereich
wie in der Verwaltung verweisen.
54
57. SAC H F OTO G R A F I E
Atmosphäre, Emotionen und Aspekte des Lebensstils fehlen Diesem Darstellungsmuster folgen Werbeaufnahmen, die von
keineswegs in der werblichen Produktfotografie, die in der zweiten der Verwendung des Transporter beim Camping am Badesee [026]
Hälfte der 1950er Jahre hergestellt wurde. Die Volkswagen werden oder vom Erntebetrieb von Weinbauern [032] erzählen. Die Funk-
vor Kulissen und mit Attributen ins Bild gesetzt, die weniger die tionalität des Transporters beweist sich in der Freizeit wie in der
perfekte Form kommunizieren als die Funktionalitäten und den gewerblichen Alltagssituation.79 Nur wenige Jahre später für den
Zusatznutzen der Fahrzeuge in unterschiedlichen Lebenswelten Volkswagen Wandkalender produzierte Fotografien des „Bildbe-
potenzieller Kunden. Sichtbar wird darin ein allgemeiner Trend richterstatters“ Johann A. Cropp tragen dieses kommunikative
der deutschen Werbung, der um etwa 1960 die „Öffnung vom Le- Muster weiter. In der Präsentation der Limousine im Familien-
bensstandard zum Lebensstil“ einleitete.77 So posiert ein modisch urlaub in den Schweizer Alpen [036] oder auf einer Wüstenpiste
gekleidetes, weibliches Model freundlich lächelnd an eine Limou- in Nordafrika [023] werden Visionen individueller Mobilität ins
sine gelehnt in einer Heidelandschaft [028]. 78 Die junge Frau steht Bild gesetzt, die den Volkswagen in der Konsum- und Reisewelle
– der gewohnten Aufnahmetechnik des Sachfotografen der Foto- des Wirtschaftswunderlands Deutschland begleiteten.80
zentrale getreu – hinter dem Fahrzeug, um den Blick auf das De-
sign des Käfer nicht zu beeinträchtigen. Das Produkt bleibt im
Mittelpunkt, aber symbolische Attribute treten hinzu, die positiv
auf einen verbesserten Lebensstil der Kunden hinweisen, die
einen eigenen Volkswagen erwerben und nutzen.
55
58. 023 Käfer in Kairouan (Tunesien), März 1957 (J. A. Cropp)
56
83. DI R K SC H LI N KERT
Reportagefotografie
Von Serien und Stationen
81
84. 039 Lohntütenausgabe, Dezember 1955
Die Reportage Die Hallentotale des Transporter-Rohbaus [041] und die Halbtotale
liefert in journalistischem Stil visuelle Berichte über betriebliche der Endmontagelinie aus dem Motorenbau [042] präsentieren
Abläufe des Volkswagenwerks. Sie erzählen, als Totalen oder Halb- bildliche Variationen der Serialität, die um die rationalisierte
totalen der Fabrikhallen aufgenommen, von der Serialität der Pro- Produktion der Volkswagen kreisen. Die Perspektive der Kamera
duktionsprozesse. Der Blick der Werksfotografen erscheint nüch- ist orientiert an einem imaginären Fluchtpunkt außerhalb des
tern, sachlich und auf das Wesentliche konzentriert. Er ist damit Bildhorizonts, in dem die Transportbänder zusammenlaufen. So
wiederum den Positionen der Sachfotografie und der „subjektiven erzeugt der Fotograf räumliche Tiefe, die nicht nur auf die riesigen
Fotografie“ eng verwandt. Daneben begegnen auch Momentauf- Ausmaße der Fabrikhalle, sondern auch auf die schier endlose
nahmen aus dem Alltag in der Fabrik abseits der Produktion, unter Länge der Transportketten hinweist.81
ihnen rechte „Schnappschüsse“ mit für den Betrachter dramati-
schen, emotionalen, teils überraschenden, teils verstörenden und „Zur Industriereportage gehört der Mensch an die Maschine“82,
spannungsvollen Effekten. lautet die Empfehlung in einem Handbuch für Industriefotografen
von 1966. Diesem Rat folgten die Werksfotografen in den Hallen-
Drei Rohkarossen, die dicht hintereinander an einem Transport- totalen nur in eingeschränktem Maße. Diese Bilder sind in Pro-
band hängen und nacheinander auf ein Querband abgesetzt duktionspausen entstanden. So kommt den Arbeitern vor Ort nur
werden, berichten von der Leistungsfähigkeit und Präzision der eine Statistenrolle zu, und der Fokus des Bildes liegt auf der Wie-
automatisierten Fertigung im Werk [040]. Die Dynamik wird – kein dergabe der räumlichen Dimensionen und der Serienfertigung
Arbeiter ist in Sicht – durch die schwebenden Karossen am Trans- von Volkswagen, die auf hohe Stückzahlen und Produktivität
portband erzeugt, die in kurzem Zeittakt zur nächsten Fertigungs- ausgerichtet ist.
station befördert werden. Dem Betrachter wird auf diese Weise die
Bedeutung des Faktors „Zeit“ in der seriellen Fließfertigung im
Volkswagenwerk plastisch vorgeführt.
82
86. Als handelnde Personen, die durch die Ausführung der für ihren Die Serie der Reportagefotografien verlässt dann ihre Stationen in
Arbeitsplatz typischen Handgriffe eine Station im betrieblichen den Produktionshallen des Volkswagenwerks. Bestimmte Inhalte
Ablauf der Fließfertigung illustrieren, treten ein Meister und ein kehren indes wie Stereotypen wieder: Das Bild über die Verladung
Arbeiter bei der Montage von Leitungen am Fahrwerk des Käfer auf der Käfer am Werksbahnhof [045] erzählt – unter Rekurs auf die
[044]. Die Perspektive wechselt zu einer Einzelszene im Produkti- Techniken der Bildkompositionen aus der Produktion [041, 042] –
onsablauf, die einen Knotenpunkt in der Serienfertigung akzentu- von der Serialität der Käfer in der Auslieferung, dem letzten
iert. In Szene gesetzt werden die letzten Handgriffe, bevor Fahr- Kapitel der Automobilproduktion im Volkswagenwerk Wolfsburg.
werk und Karosserie – zwei im Vorfeld separat gefertigte Bausätze
der Limousine – zusammengeführt werden und – in den Worten Von Situationen des betrieblichen Alltags berichten Reportagefotos
der Produktionstechniker – die „Hochzeit“ vollzogen wird. Die aus dem Fahrzeugtest, der Qualitätsprüfung und dem Personal-
Akteure werden eingerahmt von einem Transportband und einer wesen. Der Schnappschuss eines Käfer in einer kuriosen „Kopf-
fertig lackierten Käferkarosse, die von einem Kettenförderer stand-Position“ gibt dem heutigen Betrachter viele Rätsel auf, die
punktgenau abgesetzt wird. Diese Komposition dynamisiert den letztlich nur durch eine Befragung von Zeitzeugen oder damaliger
Augenblick vor der „Hochzeit“. Die gemeinsame Richtung der Akteure zu lösen sind [046]. Den betrieblichen Alltagsvorgang der
Förderbänder und die leicht geneigte Käferkarosserie verstärken Klangprüfung einer Kurbelwelle lädt ein Reportagefotograf aus
den Eindruck eines zeitlich eng bemessenen Arbeitsvorgangs. Der der Fotozentrale durch die Wahl des Kamerastandpunktes mit
Takt der Serienfertigung diktiert Tempo und Rhythmus der letzten Spannung und Witz auf [047]: Der runde Schirm der Hängeleuchte
Handgriffe von Monteur und Meister. Trotz eines engen Zeitkorri- verdeckt das Gesicht des Inspektionsarbeiters oberhalb der Nase.
dors erledigen sie ihre Aufgabe gewissenhaft und ohne Hektik. Eine Identifizierung der Person ist ausgeschlossen, und der
Die Handgriffe sitzen, und beide Werksangehörige erscheinen Werksangehörige wird zum anonymen Inspekteur, der mit einem
mit diesen professionellen Gesten als glaubhafte Zeugen für einen Hammer seiner Prüftätigkeit nachgeht. Die Arbeitskleidung sitzt
Produktionsprozess auf hohem technischen Niveau, in dem korrekt, die Hände leicht verschmutzt, und eine zweite Kurbel-
Mensch und Maschine reibungslos und verlässlich ihre Arbeit welle liegt griffbereit auf der aufgeräumten und sauberen Werk-
verrichten. bank – alles wirkt sorgfältig vorbereitet und vor allem in der Zu-
sammenarbeit mit dem Qualitätsprüfer bis ins Letzte arrangiert.
Einen geringeren Inszenierungsgrad weist die Reportage über
die Entgeltauszahlung auf [039], die unmittelbar aus der Betriebs-
wirklichkeit entnommen zu sein scheint.
84
87. R E P O R TA G E F O T O G R A F I E
Serialität, die Ordnung und Hierarchie in den Arbeitsbeziehungen Die Reportage über die Totenwache des Vorstands für den am
symbolisiert, findet sich in dem Bildbericht, als der Vorstand die Karfreitag, den 12. April 1968 verstorbenen Nordhoff folgt dem-
Betriebsräte der deutschen Volkswagenwerke anlässlich des Mai- selben Aufbau [049]: Der in der Versuchshalle der Technischen
feiertages 1965 empfängt [048]. Die Reihe der feierlich gekleideten Entwicklung fast schulterhoch aufgebahrte Leichnam des Gene-
Vorstände auf der linken und der Betriebsräte der Werke auf der raldirektors bildet die Bildmitte, rechts und links flankiert von je
rechten Seite des festlich gedeckten Tisches – zwei Gruppen, ein zwei Vorstandsmitgliedern und einer Reihe weißer Kerzen sowie
gemeinsamer Tisch – findet ihren Fluchtpunkt in Heinrich Nord- Trauergebinden. Der Fotograf findet in der Versuchshalle eine
hoff, der zur Begrüßung der Gäste am Mikrofon steht. Die Augen bis ins letzte Detail vorbereitete Trauerszenerie vor, die er in der
und Blickrichtung der sitzenden Zuhörer unterstützen diese Per- Bildregie seiner Reportage aufgezeichnet hat, die mit wenigen
spektive auf den Generaldirektor. Das Bild dokumentiert ein gestalterischen Mitteln auskam und wohl beim Gedenkritual der
betriebliches Ereignis und setzt zugleich den Vorstand als Gast- Totenwache auch auszukommen hatte.
geber in Szene. Nordhoff erscheint als die zentrale Figur des
Geschehens. Er ist der einzige, der eine aktive Rolle spielt und als
oberster Gastgeber im Namen der Geschäftsführung die Vertreter
des Betriebsrates in seiner Tischrede begrüßt. Diese Reportage
fügt sich mit ihrer Inszenierung Nordhoffs als überragender Gene-
raldirektor in einen umfangreichen Bestand von Fotografien ein,
die den Vorstandsvorsitzenden in der Öffentlichkeit als erfolgrei-
chen Manager des Volkswagenwerks präsentierte.83
85
88. 040 Absetzen der Karossen auf Förderband im Rohbau, 1968 (J. A.Cropp)
86
105. DI R K SC H LI N KERT
Porträtfotografie
Vom Teil und Ganzen
103
106. 050 Boccia im „Italienischen Dorf“, Oktober 1962
Die Bandbreite Die Porträts zeigen Momente einzelner Arbeitsabläufe im Volks-
der Belegschaftsporträts ist groß. Das Interesse der Fotografen und wagenwerk.84 Das Bild eines Werksangehörigen am Schmelzofen
ihrer Auftraggeber richtet sich auf drei Lebenswelten: Werksan- [051] wirkt in hohem Maße stilisiert. Der Fotograf bemüht sich, die
gehörige an ihren Arbeitsplätzen in der Produktion, in den nicht Lichtführung effektvoll auf Gesicht und Oberkörper einzustellen.
produktiven Bereichen und schließlich in Alltag und Freizeit. Vor Als Lichtquelle dient die heiße Glut des Schmelzofens, die in star-
allem in den Bildern, die zur Selbstdarstellung des Unternehmens ken Hell-Dunkel-Kontrasten die markante Profillinie des Arbeiters
in der Öffentlichkeit eingesetzt wurden, repräsentieren die abge- in ein theatralisches Licht mit Dampf und Rauch taucht. Was der
bildeten Werksangehörigen die Gesamtbelegschaft. Ihre persön- Arbeiter konkret tut, lässt die Aufnahme – im Wortsinne – im Dun-
liche Identität ist unklar und – wie bei den Werksfotografen – ohne keln. Imaginär bleibt das Werkzeug in den Händen des Arbeiters.
kommunikativen Belang. Als „Werksangehörige“ sind sie Teil des Imaginär bleibt auch der Schmelzofen, obschon er als Lichtquelle
Ganzen und stehen in der Kommunikation für die Arbeiter oder für das leichte Seitenprofil des Arbeiters wie auch als Ausgangs-
Angestellten des Unternehmens: Aus dem „Porträt eines Arbeiters“ punkt von Gefahren im Bild präsent ist. Zwischen beiden Bild-
wird das „Porträt der Arbeit im Volkswagenwerk“. elementen schafft einzig die dunkle Brille eine Verbindung, die
die Augen des Metallgießers vor der hohen, potentiell gesund-
heitsschädlichen Lichtstrahlung des Ofens schützt. Der Arbeiter
muss sich unter den schwierigen Bedingungen von Licht, Hitze
und Rauch behaupten. Er darf, um sich selbst nicht zu gefährden,
die Kontrolle über die Maschine und das brandgefährliche Metall
nicht verlieren und erledigt diese existenziellen Herausforde-
rungen am Arbeitsplatz in einem Habitus professioneller
Souveränität.85
104
108. An Schnittstellen von Mensch und Maschine führen Abbildungen Eine ähnliche Bildsprache besitzt die Aufnahme des Ausbildungs-
eines Arbeiters in der Gießerei [052] oder in der Lackiererei [056]. jahrgangs 1965, die für einen Bericht im Magazin „stern“ angefer-
Die aktive Tätigkeit des Arbeiters bestimmt Dynamik und Duktus tigt wurde [057]. Vollständig eingerahmt von den Werkshallen prä-
der Bilder, die den Blick auf die Arbeitsgeräte öffnen. Körperbewe- sentieren sich die Auszubildenden in einer gründlich arrangierten
gungen und Gesten sind nur auf die Maschinen, Werkzeuge und Aufnahme. Die weiblichen Auszubildenden in ihren weißen Kitteln
das Werkstück bezogen. Die Porträts berichten von der konkreten und die Ausbilder wurden gleichmäßig auf die Flanken der Gruppe
Tätigkeit eines Arbeiters in seiner betrieblichen Funktion als Be- verteilt. Das Individuum verschwindet in einer anonymen Masse
diener von Maschinen in einem Fertigungsprozess, der hohe kör- junger Nachwuchskräfte, die durch ihre hohe Zahl und ihre hori-
perliche wie fachliche Anforderungen an die Arbeitskräfte stellt. zontale Reihung auf das Volumen und die serielle Ordnung der
Prozesse im Volkswagenwerk hinweisen.
Das Porträt der Transportarbeiter greift den Aspekt der Serialität
der Produktion auf und dekliniert ihn am Beispiel einer Abteilung Den Arbeitsgang der Materialprüfung setzt eine Seitenaufnahme
durch, die für die Materialversorgung der Fertigung unverzichtbar plastisch ins Bild, die Intensität wie hohe Genauigkeit der Quali-
ist [054]. Vor der Kulisse der gleichförmigen Klinkerfassade des tätskontrolle im Volkswagenwerk signalisiert [060]. Der Blick auf
Südrandbaus ist die Gruppe in Arbeitskleidung und mit Arbeitsge- die Messapparatur ist offen und suggeriert dem Betrachter die
rät in gereihter Formation aufgestellt. Die Serie von Personal und Möglichkeit, das Ergebnis unmittelbar überprüfen zu können. Die
Elektrokarren, die auf die Figur des Meisters am Ende der Reihe Körperhaltung des Inspekteurs ist konzentriert, und seine Augen
zuläuft, zeigt interne Hierarchien und Statusunterschiede. Sie sind nur auf die Kurbelwelle und das Messgerät gerichtet, das
zeigt auch, welche Position der einzelne Transportarbeiter in sei- offensichtlich ein filigranes und sorgfältiges Abtasten durch einen
ner betrieblichen Abteilung besetzt: Er ist Teil eines Ganzen, das erfahrenen Fachmann erfordert, um auch kleinste Beschädigun-
wie die Architektur der Südfassade im Hintergrund eine funk- gen zu erkennen.
tionale Ordnung besitzt.
106
109. P O R T R ÄT F O T O G R A F I E
Die fotografische Kleinserie über den Tagesablauf eines Werksan- an der Stechuhr und am Montageband zu sein. Die Dynamik erzielt
gehörigen mit Stationen am Arbeitsplatz im Werk und in der priva- der Fotograf durch die Position der Kamera, die so am Werkstor
ten Umgebung ist im Sommer 1962 als Pressematerial angefertigt platziert wurde, dass die Beschäftigten diesen Standpunkt auf
worden [059, 061, 062]. Die Bilderstrecke erzählt im Stil einer jour- ihrem Weg zur Arbeit passierten. Der Bildsprache gelingt es, das
nalistischen Reportage über 24 Stunden aus dem Leben eines Tempo der Schritte und den Rhythmus der Bewegungen zu ver-
Volkswagen Arbeiters in Wolfsburg. Die Kamera folgt ihm an die deutlichen. Der Fotograf entdeckt bei der Suche nach einem Motiv
Montagelinie der Fabrik und nach Schichtende in die Wohnung nicht nur eine modisch gekleidete, weibliche Angestellte, die sich
der Familie. Sie liefert Einblicke in die Arbeits- und Lebenswelten aus dem Kreis der männlichen Kollegen abhebt. Er entdeckt auch
eines durchschnittlichen Arbeitnehmers in Wolfsburg, der mit sei- ein junges, attraktives Paar in trauter Zweisamkeit inmitten der
ner Familie am gestiegenen Konsum der „Wohlstandsgesellschaft“ hektischen Betriebsamkeit vor Schichtbeginn.
der frühen 1960er Jahre teilhatte.86 Das Volkswagenwerk wird in
dieser Serie zwar nur als eine Alltagsstation eingebracht, ist aber Die Tatsache, dass die Werksfotografen beauftragt wurden, Werks-
in allen Fotos gegenwärtig als Arbeitgeber, der seinen Werksange- angehörige in diversen Situationen des Alltags in der Fabrik, in der
hörigen durch die Erwerbsarbeit in der Fabrik materiellen Wohl- Wohnung und in der Freizeit [050, 065] aufzunehmen, verdeutlicht
stand, sozialen Aufstieg und modernen Lebensstil ermöglicht.87 den Stellenwert der „Porträts“, die der Arbeit im Volkswagenwerk
in der Außendarstellung des Unternehmens ein charakteristisches
Der Werksfotograf dokumentierte in einer Reportage laut Register- Gesicht geben sollten.
eintrag der Fotozentrale die „Kleidung“ der Werksangehörigen auf
ihrem Weg in die Fabrik [064]. Bewegungen, Körperhaltung wie
Gesichter des Paares in der Bildmitte offenbaren Zielstrebigkeit
und Selbstbewusstsein, während andere Werksangehörige am
Bildrand dem Zeitdruck des Schichtbeginns folgen, um pünktlich
107
138. ZWISCHEN DOKUMENTATION, 001 006 012
Marc Bloch: Apologie pour l’histoire ou Métier Organisations-Richtlinien der Geschäftsleitung Interview mit Wolfgang Reimer am 21. Juni 2004,
KOMMUNIKATION UND d’historien (zuerst posthum 1949), S. 90, 229, der Allgemeinen Verwaltung vom 23.09.1949 S. 19 f. (UVW, Z 303/203).
zit. nach Marc Bloch. Aus der Werkstatt des (Unternehmensarchiv der Volkswagen AG (UVW),
REPRÄSENTATION. Historikers. Hrsg. von Peter Schöttler, Frankfurt Z 69/550).
am Main 2000, S. 46 Anm. 1. Vgl. Gisela Ecker, 013
FOTOGRAFIEN AUS DER Susanne Scholz: Fundstücke, Inszenierungen, Dirk Schlinkert: Von der Reklame zum Marketing,
Effekte. Lektüren der Sachfotografie, in: Im 007 in: Es gibt Formen, die man nicht verbessern
FOTOZENTRALE DES Rausch der Dinge. Hrsg. von Thomas Seelig, Die Hoesch Hüttenwerke AG, später Hoesch kann. 50 Jahre Volkswagen Werbung. Hrsg. von
Urs Stahel, Göttingen 2004, S. 176 ff. Stahl AG, verfügte im Bereich der Fotografie Andreas Schilling, Michael Grosche, Manfred
VOLKSWAGENWERKS über eine dezentrale Organisation mit drei Ab- Grieger, Hamburg 2002, S. 8 f.
teilungen im Konzern, deren Zuständigkeiten
002 und Aufgabengebiete nicht abgegrenzt wurden:
Alf Lüdke: Gesichter der Belegschaft, in: Karl-Peter Ellerbrock: Signatur der Zeit. 014
Bilder von Krupp. Fotografie und Geschichte Visuelle Unternehmenskultur bei Hoesch in den Interview mit Wolfgang Reimer am 21. Juni 2004,
im Industriezeitalter. Hrsg. von Klaus Tenfelde, „langen 1950er Jahren“, in: Unternehmenskom- S. 22 f. (UVW Z 300/203); Interview mit Wolfgang
München 2000, S. 68. Vgl. Katharina Sykora: munikation, S. 149 f. Die AEG folgte seit 1899 mit Reimer am 26. Oktober 2004, ebda. Wolfgang
Splitscreen und Blackbox. Über Metaphern der Einstellung eines Fotografen im „Literari- Reimer, Jahrgang 1942, kam im Januar 1962 in die
und Brüche in der Ruhrgebietsfotografie, in: schen Bureau“ einem ebenfalls zentralistischen Fotozentrale und war als „Koordinator“, wie er
Schwarzweiß und Farbe. Das Ruhrgebiet in Modell: Kerstin Lange: Die Bilder der AEG, in: selbst sagte, die „rechte Hand“ von Willi Luther.
der Fotografie. Hrsg. von Sigrid Schneider, Die AEG im Bild. Hrsg. von Lieselotte Kugler, Nach einer Ausbildung zum Berufsfotografen in
Essen 2000, S. 148 f. Berlin 2000, S. 18 ff. und Jörg Schmalfuß: Zur Bad Doberan arbeitete er 1958 bis 1960 als Port-
Geschichte fotografischer Sammlungen bei rätfotograf in Hildesheim, danach ein Jahr im F
der AEG, ebda. S. 23 f. Zur „Graphischen Anstalt“ otogroßhandel in Hannover und wechselte dann
003 bei Krupp: Tenfelde, Geschichte S. 317 ff. Vgl. ins Volkswagenwerk. Reimer war mehr als 42
Vgl. Klaus Tenfelde: Geschichte und Fotografie die Empfehlungen für die „Einrichtung einer Jahre als Werksfotograf für Volkswagen tätig.
bei Krupp, in: Bilder von Krupp, S. 305 ff. industriellen Fotoabteilung“ im Handbuch von
Joachim Giebelhausen: Industriefotografie für
Technik und Wirtschaft, München 1966. 015
004 Interview mit Wolfgang Reimer am 21. Juni 2004,
Vgl. Winfried Feldenkirchen: Theorie der Unter- S. 18 (UVW, Z 300/203).
nehmenskommunikation, in: Unternehmens- 008
kommunikation im 19. und 20. Jahrhundert. Axel Föhl: Zum Innenleben deutscher Fabriken.
Hrsg. von Clemens Wischermann, Dortmund Industriearchitektur und sozialer Kontext bei 016
2000, S. 13 ff. und Hartmut Berghoff: Krupp, in: Bilder von Krupp, S. 160 f. Ebda., S. 2, 14 f. Henrike Junge-Gent attestiert
Die Zähmung des entfesselten Prometheus? dem Fotografen Luther eine „außergewöhnliche,
Die Generierung von Vertrauenskapital und enzyklopädische Breite“, Junge-Gent, Luther, S. 7.
die Konstruktion des Marktes im Industriali- 009
sierungs- und Globalisierungsprozess, in: Interview mit Wolfgang Reimer am 21. Juni 2004,
Wirtschaftsgeschichte als Kulturgeschichte. S. 18 ff. (UVW, Z 300/203). 017
Hrsg. von dems., Jakob Vogel, Frankfurt am Interview mit Wolfgang Reimer am 21. Juni 2004,
Main 2004, S. 143 ff. S. 23 f. (UVW, Z 300/203).
010
005 Henrike Junge-Gent: Willi Luther, Ausschnitte us 018
Markus Lupa: Das Werk der Briten. dem fotografischen Werk, Gifhorn 2001, S. 4, 8 f. Ebda., S. 7. Interview mit Wolfgang Reimer
Volkswagenwerk und Besatzungsmacht 1945– Luther erhielt 1951, 1954 und 1956 die Plakette am 26. Oktober 2004 (UVW, Z 300/203).
1949, Wolfsburg 2005 (Historische Notate, der „photokina“ in Köln und vor seiner Zeit als
Heft 2); Ralf Richter: Ivan Hirst. Britischer professioneller Fotograf in Wolfsburg dreimal
Offizier und Manager des Volkswagenaufbaus, die Verbandsurkunde des VDAV für Angewandte 019
Wolfsburg 2003 (Historische Notate, Heft 8); Fotografie (1941, 1950, 1952). 1953 verlieh ihm die Vgl. Reinhard Matz: Werksfotografie. Ein Versuch
Hans Mommsen, Manfred Grieger: Stadt Hamburg die Ehrenurkunde mit Senats- über den kollektiven Blick, in: Bilder von Krupp,
Das Volkswagenwerk und seine Arbeiter im preis. S. 289 f., 302 f.; Tenfelde, Geschichte, S. 317 ff. und
Dritten Reich, Düsseldorf 1996, S. 947 ff. Lange, Bilder, S. 18 f.
011
Ebda., S. 4.
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