Das Jahr 1989 war – in den Worten des polnischen Publizisten und ehemaligen Dissidenten Adam Michnik – ein europäisches „annus mirabilis“. Die friedliche Revolution von 1989 war ein Wunder, das von Menschen gemacht wurde. Kaum jemand hat vorausgesehen, dass eine grenzüberschreitende Volksbewegung binnen weniger Monate die realsozialistischen Regimes zum Einsturz bringen und die mächtige Sowjetunion zum Rückzug auf die inneren Grenzen Russlands bewegen würde – schon gar kein westlicher Staatsmann. Zwar gab es da Ronald Reagans legendären Aufruf vom Juni 1987 an der Berliner Mauer: „Mr Gorbatchev, tear down this wall!“ Aber weder die US-Diplomatie noch die europäischen Regierungen haben daran ernstlich geglaubt, und manche haben es sich auch gar nicht gewünscht. Ihnen waren zwei Deutschländer lieber als eins.
Dieses Wunder der Freiheit fiel nicht vom Himmel – es hat eine lange Vorgeschichte; die tschechoslowakische Charta 77 gehört unbedingt dazu wie die Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc in Polen; man kann noch weiter zurückgehen bis zum Prager Frühling von 1968 und zu den sowjetischen Dissidenten um Andrej Sacharow, oder noch weiter bis zum Ungarn-Aufstand von 1956 und dem 17. Juni 1953 in der DDR, der ersten Massenerhebung im sowjetischen Machtbereich nach dem Krieg. [...]
Die Frage die wir am Ende des ersten Jahrzehnts des neuen Millenniums stellen müssen ist: ist diese Beschreibung noch aktuell? Oder erleben wir nicht vielmehr in zahlreichen Transformationsländern eine Erosion der frisch gewonnenen Demokratie, während zugleich die aktuelle Krise der Weltwirtschaft die Legitimität des Kapitalismus in Frage stellt? Auch wenn die empirische Krise von Demokratie und Marktwirtschaft noch lange nicht bedeutet, dass sich Alternativen zu beiden herausbilden, die eine ähnliche Wucht wie die kommunistischen und faschistischen Gegenbewegungen der 1930er Jahre entwickeln könnten.
Der Wellenschlag der Freiheit von 1989 reichte weit über Europa hinaus. Auch die chinesische Demokratiebewegung gehört dazu, die auf dem Tienanmen-Platz nach dem alten Muster niedergewalzt wurde. Aber sein Epizentrum hatte er doch in Europa, Russland mit eingeschlossen. Und zu seinen wichtigsten Errungenschaften gehörte die politische Wiedervereinigung Europas auf der Basis von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. [...]
Die Autoren und Autorinnen dieser Broschüre werfen nicht nur einen freudigen Blick zurück auf jene euphorischen Tage, in denen die Völker Mittel-Osteuropas die Spaltung Europas beendet haben. Sie ziehen auch eine nüchterne Bilanz der Entwicklungen von damals bis heute. Was ist aus dem demokratischen Aufbruch von 1989 geworden?Wieweit haben sich die Hoffnungen von damals erfüllt und wo sind sie in Enttäuschung umgeschlagen? Welche Rolle hat Europa, das Beispiel der Europäischen Union, bei den Entwicklungen der letzten zwanzig Jahre gespielt? Wo stehen die postkommunistischen Länder Mittel- und Osteuropas, aber auch die des Westbalkans heute in Europa? Welchen Einfluss hat dies alles auf das „alte Europa“ gehabt, auf die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, deren Geschichte sich auf der anderen Seite der Mauer abspielte? Aber auch: wie hat der Beitritt der postkommunistischen Länder aus Mittel-, Ost-und Südosteuropa die Europäische Union und ihre Politik beeinflusst?
Auch ein Blick nach vorn wird geworfen: Wo sehen sich die postkommunistischen Länder Europas in 20 Jahren? Welche Werte und Ziele sollen Europas Zukunft prägen Denn eins ist klar: So sehr die europäische Einigung starke gemeinsame Institutionen braucht, so wenig kann sie allein von den Institutionen getragen werden. Ohne gemeinsame Werte und Ideale, ohne europäische Öffentlichkeit und eine Verständigung darüber, wie wir in Zukunft unsere Gesellschaft gestalten wollen, fehlt der europäischen Einigung der Schwung, den sie braucht, wenn sie vorankommen soll.
4. VORWORT 4
ERSTER TEIL
Mitteleuropa: die neuen Mitgliedstaaten 7
1. Ilana Bet-El: Die postkommunistischen Länder und die europäische Integration 8
2. Adam Krzemiƒski: Zwischen Enttäuschung und Optimismus – die polnische Erfahrung 18
3. Jifií Pehe: Die Tschechische Republik und die Europäische Union – eine problematische Beziehung 23
4. Veiko Spolitis: Inmitten zentripetaler und zentrifugaler Bewegungen – 33
die andauernde Transformation der baltischen Staaten von 1989-2009
5. Werner Schulz: Aufbruch nach Europa – 46
die Deutsche Einheit als Vorstufe zum Vereinten Europa
ZWEITER TEIL
Der Westbalkan und die EU-Perspektive 55
6. Nicholas Whyte: Die EU und der Westbalkan 56
7. Vladimir Pavićević: Die europäische Perspektive Serbiens, Montenegros und Kosovos 65
8. Tihomir Ponoš: Kroatien – ein zögerlicher Europa-Anhänger 73
9. Ugo Vlaisavljević: Bosnien und Herzegowina – 85
die Fortsetzung der Ethnopolitik im Zeitalter europäischer Integration
DRITTER TEIL
Die Länder der früheren Sowjetunion: die neuen östlichen Nachbarn der EU 99
10. Fraser Cameron: Die Osteuropa-Politik der Europäischen Union 100
11. Beka Natsvlishvili: Georgien auf dem Weg nach Europa 111
12. Jens Siegert: Russland und die Europäische Union – großer Graben statt Eiserner Vorhang? 121
13. Juri Durkot: Geschichten aus der Ukraine 131
5. 4
VORWORT
Das Jahr 1989 war – in den Worten des polnischen litischen Frühling in Moskau, ohne Gorbatschows
Publizisten und ehemaligen Dissidenten Adam Bereitschaft, die russischen Truppen in den Ka-
Michnik – ein europäisches „annus mirabilis“ Die
. sernen zu belassen und die Reformbewegung in
friedliche Revolution von 1989 war ein Wunder, den „Bruderländern“ gewähren zu lassen, wäre
das von Menschen gemacht wurde. Kaum jemand die Geschichte von 1989 in sehr viel dunkleren
hat vorausgesehen, dass eine grenzüberschreiten- Farben gezeichnet worden. Das bleibt Gorba-
de Volksbewegung binnen weniger Monate die tschows historischer Verdienst, auch wenn er auf
realsozialistischen Regimes zum Einsturz bringen einem Irrtum beruhte: nämlich der Vorstellung,
und die mächtige Sowjetunion zum Rückzug auf man könnte das sozialistische System durch Re-
die inneren Grenzen Russlands bewegen würde – formen stärken, die tatsächlich seinen Untergang
schon gar kein westlicher Staatsmann. Zwar gab besiegelten.
es da Ronald Reagans legendären Aufruf vom Juni
1987 an der Berliner Mauer: „Mr Gorbatchev, tear Den Zeitgeist der Aufbruchsperiode in den frü-
down this wall!“ Aber weder die US-Diplomatie hen neunziger Jahren hat der amerikanische Po-
noch die europäischen Regierungen haben da- litikwissenschaftler Francis Fukuyama in seinem
ran ernstlich geglaubt, und manche haben es berühmt gewordenen Buch vom „Ende der Ge-
sich auch gar nicht gewünscht. Ihnen waren zwei schichte“, das 1992 erschien, eingefangen. Fuku-
Deutschländer lieber als eins. yamas Kernthese lautete, dass es mit dem Unter-
gang des realen Sozialismus keinen ernsthaften
Dieses Wunder der Freiheit fiel nicht vom Him- Gegenentwurf zum Liberalismus mehr gebe, dass
mel – es hat eine lange Vorgeschichte; die tsche- also die ganze Welt sich jetzt jener Kombination
choslowakische Charta 77 gehört unbedingt dazu von Demokratie und Kapitalismus verschreiben
wie die Gewerkschaftsbewegung Solidarność in werde, die sich in der Systemkonkurrenz als so
Polen; man kann noch weiter zurückgehen bis erfolgreich erwiesen hat.
zum Prager Frühling von 1968 und zu den sow-
jetischen Dissidenten um Andrej Sacharow, oder Die Frage die wir am Ende des ersten Jahrzehnts
noch weiter bis zum Ungarn-Aufstand von 1956 des neuen Millenniums stellen müssen ist: ist die-
und dem 17. Juni 1953 in der DDR, der ersten se Beschreibung noch aktuell? Oder erleben wir
Massenerhebung im sowjetischen Machtbereich nicht vielmehr in zahlreichen Transformations-
nach dem Krieg. ländern eine Erosion der frisch gewonnenen De-
mokratie, während zugleich die aktuelle Krise der
Dass 1989 im Unterschied zu früheren Erhebun- Weltwirtschaft die Legitimität des Kapitalismus in
gen so erfolgreich war, hat auch damit zu tun, dass Frage stellt? Auch wenn die empirische Krise von
es eine friedliche Revolution war. Die Bilder der Demokratie und Marktwirtschaft noch lange nicht
Panzer von Ostberlin, Budapest und Prag standen bedeutet, dass sich Alternativen zu beiden heraus-
noch allen vor Augen, und niemand konnte sicher bilden, die eine ähnliche Wucht wie die kommu-
sein, dass sich diese Tragödien nicht wiederholen nistischen und faschistischen Gegenbewegungen
würden. Aus diesem Trauma war ein ganz neues der 1930er Jahre entwickeln könnten.
Konzept des Widerstands entstanden, das auf Ge-
waltfreiheit und Dialog mit der Macht gründete Der Wellenschlag der Freiheit von 1989 reichte
und auf friedliche Transformation zielte. weit über Europa hinaus. Auch die chinesische
Demokratiebewegung gehört dazu, die auf dem
Dass dieses unwahrscheinliche Ergebnis tatsäch- Tienanmen-Platz nach dem alten Muster nieder-
lich eintrat, beruhte nicht nur auf der Klugheit gewalzt wurde. Aber sein Epizentrum hatte er doch
und Umsicht der Oppositionellen. Ohne den po- in Europa, Russland mit eingeschlossen. Und zu
6. Vorwort 5
seinen wichtigsten Errungenschaften gehörte die damals erfüllt und wo sind sie in Enttäuschung
politische Wiedervereinigung Europas auf der Ba- umgeschlagen? Welche Rolle hat Europa, das
sis von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Beispiel der Europäischen Union, bei den Ent-
wicklungen der letzten zwanzig Jahre gespielt?
Diese historische Mission, ein freies und verei- Wo stehen die postkommunistischen Länder
nigtes Europa zu schaffen, ist noch nicht abge- Mittel- und Osteuropas, aber auch die des West-
schlossen. Wir sollten nicht den Fehler begehen, balkans heute in Europa? Welchen Einfluss hat
neue, dauerhafte Trennungslinien in Europa zu dies alles auf das „alte Europa“ gehabt, auf die
errichten oder zu akzeptieren, weder gegenüber Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, deren
den Nationen des ehemaligen Jugoslawien noch Geschichte sich auf der anderen Seite der Mau-
gegenüber der Türkei, der Ukraine oder Georgi- er abspielte? Aber auch: wie hat der Beitritt der
en. Gegenwärtig bedrohen die Auswirkungen der postkommunistischen Länder aus Mittel-, Ost-
ökonomischen Krise selbst den bereits erreichten und Südosteuropa die Europäische Union und
Stand der europäischen Integration. Wir erleben ihre Politik beeinflusst?
einen gefährlichen Mangel an europäischer Soli-
darität und Handlungsfähigkeit in einer Phase, in Auch ein Blick nach vorn wird geworfen: Wo sehen
der wir mehr statt weniger Europa brauchen, um sich die postkommunistischen Länder Europas in
der Krise Herr zu werden. 20 Jahren? Welche Werte und Ziele sollen Europas
Zukunft prägen? Denn eins ist klar: So sehr die
Die Autoren und Autorinnen dieser Broschüre europäische Einigung starke gemeinsame Institu-
werfen nicht nur einen freudigen Blick zurück tionen braucht, so wenig kann sie allein von den
auf jene euphorischen Tage, in denen die Völker Institutionen getragen werden. Ohne gemeinsame
Mittel-Osteuropas die Spaltung Europas beendet Werte und Ideale, ohne europäische Öffentlichkeit
haben. Sie ziehen auch eine nüchterne Bilanz und eine Verständigung darüber, wie wir in Zu-
der Entwicklungen von damals bis heute. Was ist kunft unsere Gesellschaft gestalten wollen, fehlt
aus dem demokratischen Aufbruch von 1989 ge- der europäischen Einigung der Schwung, den sie
worden? Wieweit haben sich die Hoffnungen von braucht, wenn sie vorankommen soll.
Ralf Fücks studierte Sozial- und Wirtschaftswissenschaft sowie Politologie in Hei-
delberg und Bremen. 1982 wurde er Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen. Nach
seinem Studium arbeitete er als Lektor an der Bremer Universität und als Heraus-
geber der Zeitschriften Moderne Zeiten und hefte für demokratie und sozialismus.
1991-1995 war er Senator für Stadtentwicklung und Umweltschutz in Bremen.
Seit 1996 ist Ralf Fücks Vorstandsmitglied der Heinrich-Böll-Stiftung.
9. 8 ZWANZIG JAHRE DANACH
ILANA BET-EL
Die postkommunistischen Länder und die
europäische Integration
Die Europäische Union ist eine Anomalie: eine andere zu schmieden, und wurden als Kriegsgrund
wirklich historische Schöpfung, die grundlegend missbraucht. Auf einen Kampf folgte der nächste, in
ahistorisch ist. Es gibt zu keiner Zeit ein vergleich- einer grausamen und fast ununterbrochenen Spira-
bares Beispiel, in der eine große Anzahl souveräner le der Gewalt. Aber dann, nach der unvorstellbaren
Staaten sich freiwillig dazu entschließt, ihre Souve- Brutalität des Zweiten Weltkrieges, endete es. Die
ränität und Ressourcen zum Wohl einer größeren Geschichte wurde samt ihrer Teilaspekte fortge-
Einheit zu bündeln. Diese definitionsgemäß ambi- schafft, außer Sichtweite platziert, verbannt – und
valente Bündelung stellt aber auch eine der heraus- das, was später die EU werden sollte, eine neue,
ragenden Stärken der Union dar, da sie es zulässt, prozessorientierte Ordnung der Gegenwart und der
im Laufe der Zeit Meinungen zu ändern und das Zukunft begann. Es war eine entschlossene Umset-
Ganze zu reflektieren. Es ist diese Ambivalenz, die zung des berühmten Ausspruchs von L.P. Hartley:
das Projekt mit Leben erfüllt und sicherstellt, dass „Die Vergangenheit ist ein fremdes Land, dort gelten
jede Generation dessen Möglichkeiten aufs Neue andere Regeln.“
verhandelt und neue Entscheidungen trifft. Dies ist
eine bemerkenswerte, historische Leistung – und So geschah es im Westen und ist auch nur die
doch entschieden ahistorisch, da das Projekt sich als halbe Wahrheit. Auch woanders in Europa wurde
besonders ausgeklügelter Mechanismus erwiesen die Vergangenheit ausgemerzt, aber aus anderen
hat, auf kollektiver Ebene nicht über die Geschichte Gründen. Ein Eiserner Vorhang wurde quer durch
zu sprechen und wenn möglich, sie sogar aktiv zu den Kontinent gezogen und verwehrte den Men-
ignorieren. schen dahinter ihre eigene Identität oder Geschich-
te. Im Ostblock und im ehemaligen Jugoslawien
Die komplizierten Regeln und Richtlinien, der war das Reden über die Vergangenheit weitgehend
Juristenjargon, die arbeitsaufwendigen Überset- verboten, das Gedenken und Erinnern war, wenn
zungen, die endlosen Verhandlungen, die verwir- überhaupt, auf von oben legitimierte Themen be-
renden Institutionen, die Vermittlungsverfahren schränkt. Jugoslawien wurde ein Staat mit erzwunge-
und neuerlichen Vermittlungsverfahren – diese und ner „Brüderlichkeit und Einheit“, der sich an keinen
viele andere Maßnahmen gewährleisten ein streng Block anschloss, und die anderen besiegten Staaten
geregeltes und oft zeitaufwendiges Miteinander der wurden entweder als vollwertige Sowjetrepubliken
Menschen, Gemeinschaften und Staaten. In der Fol- oder als „Satellitenstaaten“ neu geschaffen – in je-
ge wandern die Gefühle, die Forderungen und die dem Fall mit einer Geschichte, die bis zum Sieg und
Empörung in Ausschüsse, sie werden in ihre Einzel- ihrer Besatzung durch die Russen zurückreichte, ge-
teile zerlegt und bürokratisch verarbeitet – sie unter- koppelt an die Zeitrechnung der kommunistischen
liegen einem Prozess und nicht dem Hass, Konflik- Revolution. Dies war keine Einrichtung mit der die
ten oder der Geschichte. Das ist an sich schon eine Geschichte zugunsten einer besseren gemeinsamen
beachtliche Leistung und erst recht für Europa, ein Gegenwart und Zukunft ignoriert wurde, sondern
Kontinent, der jahrhundertelang gedieh, indem er ein System, das die Vergangenheit verdrängte und
die Geschichte ausschlachtete und damit jede Form so umformen wollte, dass sie den Anforderungen ei-
von Hass und Konflikt rechtfertigte. Gebietsansprü- nes diktatorischen und oft gewalttätigen Bezwingers
che und Ressourcen, Religion und Ethnizität, He- diente. Es war ein abscheuliches System, das fast ein
gemonie und Macht – zahlreiche Themen wurden halbes Jahrhundert lang in Mittel- und Osteuropa
über viele Jahre sorgfältig kultiviert, dienten als Ar- herrschte – und doch keine Aussicht auf Erfolg hatte,
gumente gegeneinander oder dazu, Allianzen gegen weil es nicht überlebensfähig war.
10. ERSTER TEIL Mitteleuropa: die neuen Mitgliedstaaten 9
Die Geschichte kann gelegentlich ignoriert wer- tungen innerhalb des Kontinents verschwinden
den, wie die EU bewiesen hat, aber sie kann nicht zu lassen, und nicht unbedingt als Maßnahme, die
geleugnet werden, ebenso wenig wie Erinnerung Staaten und Völker zusammenzubringen. Die his-
und Identität von außen und auf ewig auferlegt torische Leistung der Union besteht darin, einen
werden können. Indem die Sowjets die Geschichte Rahmen geschaffen zu haben, der es ermöglicht, die
unterdrückten, haben sie dafür gesorgt, dass die Ge- Spaltungen längerfristig zu beseitigen, und einen
schichte, vor allem die individuelle und einzigartige wesentlichen Teil Europas umfasst und einschließt.
Geschichte jedes unterdrückten Landes, zum Kern Leider liegt der Fluch darin, mit den Folgen umzu-
des Widerstands und letztendlich zur nationalen gehen: erhöhter politischer Einfluss und Bedeutung
Identität wurde. Wie der estnische Dichter Jaan Kap- innerhalb und außerhalb der Union. Denn die EU
linski anmerkte: „Die überwältigende Mehrheit der hat sich in all ihren Erscheinungsformen über die
Esten akzeptierte die ihnen auferlegte sowjetische Jahre traditionell davor gescheut, direkten politi-
Identität nicht und, durch die Nähe zu Finnland er- schen Einfluss zu nehmen, was eher als angenom-
mutigt, klammerte sie sich stattdessen an eine echte mener Nutzen gemeinsamer Handels- und Wirt-
oder imaginäre westliche.“ Dies traf im Großen und schaftstätigkeit angesehen werden sollte, als ein er-
Ganzen auf alle sowjetisch besetzten Länder zu. klärtes Ziel. Zu diesem Zweck hat der schier endlose
In der Folge entwickelte jedes dieser Länder nach Entscheidungsprozess der der Union inhärent ist
dem Ende des Kalten Krieges, nachdem der Eiserne gleichsam das Politische innerhalb der Union sub-
Vorhang verschwunden war, einen starken Sinn für sumiert als auch zugestanden, dieses auszustrahlen
die eigene Identität und Geschichte und hatte das wenn nötig – und machte sie so zu einem potenziel-
dringende Bedürfnis, endlich frei und offen über die len internationalen Akteur, was von allen Mitglied-
Vergangenheit reden zu können – über die gesam- staaten im Großen und Ganzen akzeptiert wurde
te Vergangenheit, quer über den Kontinent. Es war und neben den laufenden nationalen Verlautbarun-
notwendig, die Jahre der Unterdrückung zu begrei- gen und Aktivitäten gelegentlich auch gemeinsame
fen, um sie dann zugunsten der Zukunft beizulegen. Erklärungen und Handlungen zuließ. Doch durch
Und es gab das verständliche Bedürfnis, die Last der die Ereignisse ab 1989 wurde es immer schwieriger,
Unterdrückung mit den anderen Europäern zu tei- diese Haltung beizubehalten.
len. Aber dann trafen diese befreiten Staaten auf die
Europäische Union: der historische Rahmen, der Die massive Erweiterung der EU, die durch das
ihnen helfen sollte und würde, sich zu modernisie- Ende des Kalten Krieges ausgelöst wurde, war eine
ren und mit ihrer eigenen Identität zu wachsen und offen politische Entscheidung: Eine ganze Reihe
gedeihen – aber auch ein ahistorisches Projekt, ein von Staaten war plötzlich befreit worden und trieb
System, die Vergangenheit zu ignorieren. Es war ein losgelöst zwischen dem geschmähten Russland und
Kulturschock auf beiden Seiten: Weder die Staaten der reichen EU. Zwar grundsätzlich westlich aus-
noch die EU waren auf diese Begegnung vorbereitet. gerichtet, waren die meisten dieser Länder nicht
Und doch war und ist es die Kulisse des faszinieren- zwangsläufig demokratisch, schon weil es ihnen an
den europäischen Integrationsprozesses. einer langen demokratischen Tradition mangelte,
und alle waren arm und heruntergewirtschaftet.
Wiedervereinigung Damit war ihr eigenes Überleben bedroht und sie
stellten eine Gefahr für die Stabilität des ganzen
Europa war nie vereinigt. Über die Jahrtausende Kontinents dar. Während die EU vermutlich lieber
wurden Teile Europas in Zollunionen, König- und nur die wirtschaftliche Unterstützung dieser unab-
Kaiserreichen zusammengeschlossen – zuletzt im hängig gewordenen Staaten intensiviert hätte, wur-
Sowjetreich – aber als Ganzes war der Kontinent nie de es schnell deutlich, dass auch zu ihrem eigenen
eine geschlossene Einheit. Andererseits ist Europa Wohle die Staaten in Mittel- und Osteuropa deutlich
aber zum einen oft in sich selbst geteilt worden, stärker unterstützt werden mussten, um ihre demo-
zum anderen von andern geteilt worden, zuletzt kratische Unabhängigkeit zu gewährleisten und sie
im Kalten Krieg. „Wiedervereinigung“ muss daher davor zu bewahren, von Russland zurück auf seine
als eine Maßnahme verstanden werden, die Spal- Seite gezogen zu werden. Die EU-Mitgliedschaft
11. 10 ZWANZIG JAHRE DANACH
wurde so zur politischen Zweckmäßigkeit; sie stell- Prozess untergeordnet werden und jeder Staat war
te nicht nur eine wirtschaftliche Lösung dar oder bemüht, seine eigene politische Stimme zu behalten,
gar Ausdruck von Altruismus. Dies war allerdings insbesondere auf der internationalen Bühne. Nach
nicht die einzige politische Entscheidung, die von 1989 wurde dies deutlich schwieriger: Der Status quo
der EU getroffen wurde. Über die Jahre hat die EU der latenten internationalen Machtverhältnisse war
viele und sehr unterschiedliche Entscheidungen ge- dahin, und Ereignisse wie die Balkankriege mach-
troffen, doch waren sie in der Regel nicht so radikal. ten eine gemeinsame Haltung erforderlich, die nicht
So war beispielsweise die Währungsunion, die letzt- nur schwierig zu finden und beizubehalten war, son-
lich zum Euro geführt hat, zweifellos eine politische dern von 15 eigenständigen Positionen begleitet und
Entscheidung, doch war sie ebenfalls wirtschaftlich oftmals widersprochen wurde. Seit 2004 verlangen
motiviert und entspricht damit der traditionellen immer mehr internationale Themen nach einer ge-
Handlungsweise der Union. Es war auch nicht das meinsamen Stimme, die aber zwangsläufig von dem
erste Mal, dass die EU eine politische Entscheidung chaotischen Missklang der 27 Einzelstimmen über-
bezüglich ihrer Erweiterung getroffen hat: Spanien, tönt wird. Dies könnte gewissermaßen als der höchste
Portugal und Griechenland wurden aufgenommen, Ausdruck der Redefreiheit verstanden werden, in der
nachdem diese Länder sich von ihren Militärdikta- jede Nation ihre eigene, einzigartige Sichtweise ein-
turen befreit hatten, um ihre demokratische Stabi- bringt. In Wahrheit ist es aber ein deutliches Zeugnis
lität und Entwicklung – und damit den Frieden auf der unterschiedlichen Ansichten in West und Ost, von
dem Kontinent – sicherzustellen. In allen drei Fällen alten, neuen und unterschiedlichen Prioritäten.
hat sich der Beitritt sowohl für die Länder als auch
für die EU als äußerst nützlich erwiesen. Die Erwei- Befreiung
terung nach dem Kalten Krieg hat jedoch eine ganz
andere Dimension, da sie nicht nur einzelne Staaten Wie vieles aus der Symbolik des Endes des Kal-
sondern eine ganze geostrategische Region betraf. ten Krieges wurde auch die Wiedervereinigung als
Diese Entscheidung sollte das Schicksal von Staaten Brückenschlag zwischen Gegenwart und Vergan-
besiegeln, die sich über Jahrzehnte und Jahrhunder- genheit verstanden, der diese Vergangenheit in ei-
te als individuelle, unabhängige westliche Entitäten nem neuen Licht erscheinen ließ. Es ging darum,
zwischen Russland und Deutschland bewegt hat- den Zweiten Weltkrieg „richtig“ zu beenden, d. h. die
ten. Es sollte ein Block demokratischer Staaten mit Beschlüsse der Konferenz von Jalta zur Neuordnung
ähnlichen Grundsätzen von Recht, Ordnung und der Nachkriegswelt endlich in die Tat umzusetzen.
Wirtschaft entlang der russischen Grenze geschaf- Bereits im Februar 1945, noch vor Ende des Krieges,
fen werden. Es war eine mutige politische Entschei- hatten der US-Präsident Roosevelt, der britische Pre-
dung und sie veränderte die EU für immer. mierminister Churchill und der sowjetische Premier
Stalin diese Beschlüsse unterzeichnet, bei denen es
Obwohl die 15 Staaten der Union bereits eine be- mehrheitlich um die Befreiung Europas ging:
trächtliche Fläche beanspruchten, wurde sie durch
die Erweiterung zu einem geografischen Riesen. Als Die Herstellung der Ordnung in Europa und
der Geltungsbereich des Schengener Abkommens der Wiederaufbau eines nationalen Wirtschaftsle-
entsprechend ausgeweitet und so die Freizügigkeit in bens müssen in einer Weise zuwege gebracht wer-
einem Großteil des Gebiets möglich wurde, kam zu- den, die es den befreiten Völkern gestattet, die letz-
nehmend auch das Gefühl eines erweiterten gemein- ten Spuren des Nationalsozialismus und Faschis-
samen Raumes auf. Ihre schiere Größe, ihre gemeinsa- mus zu beseitigen und demokratische Einrichtun-
me globale Handelsfähigkeit, ihre gemeinsame Wäh- gen nach eigener Wahl zu schaffen. Der Grundsatz
rung und ihr Reichtum haben die Union grundlegend der Atlantik-Charta – das Recht aller Völker, sich die
verändert: Eher durch Zufall als durch Planung ist sie Regierungsform, unter der sie leben werden, selbst
zu einer internationalen Macht geworden, wobei die zu wählen – ist die Rückgabe der souveränen Rechte
Betonung auf Zufall liegen muss, da sie sich schwert- und der Selbstverwaltung an diejenigen Völker, die
at, auf natürliche Weise zu einer politischen Entität zu dieser durch die Angriffsvölker mit Gewalt beraubt
werden. Politische Handlungen können nicht einem worden sind.
12. ERSTER TEIL Mitteleuropa: die neuen Mitgliedstaaten 11
Zur Schaffung von Bedingungen, unter gelegt wurde) voraussagen können, dass die EU bei
denen die befreiten Völker diese Rechte ausüben der Transition so vieler mittel- und osteuropäischer
können, werden die drei Regierungen, wo immer Staaten von Repression und Kommunismus zu De-
es die Umstände ihrer Ansicht nach erfordern, die mokratie und von Armut zu Wohlstand so eine zen-
Völker der befreiten europäischen Staaten oder der trale Rolle spielen würde. (Auch wenn diese Länder
früheren europäischen Vasallenstaaten der Achse stark unter der Wirtschaftskrise 2008/2009 litten, ist
gemeinsam in folgendem unterstützen: (a) bei der ihre reformierte wirtschaftliche Grundlage ungleich
Wiederherstellung von Friedensverhältnissen; (b) stabiler und florierender als vor 1989.) Die Rolle der
bei der Durchführung von Notmaßnahmen zwecks NATO bei ihrer Annäherung an die euroatlantische
Unterstützung Hilfsbedürftiger; (c) bei der Schaf- Gemeinschaft war zweifellos von entscheidender
fung vorläufiger Regierungsgewalten, die eine um- Bedeutung, doch den Löwenanteil hat die EU auf-
fassende Vertretung aller demokratischen Elemente gebracht, bei den arbeitsaufwendigen Verfahren, für
der Bevölkerung darstellen und die zur baldestmög- sämtliche nun unabhängige Staaten den gemein-
lichen Errichtung von dem Volkswillen entspre- schaftlichen Besitzstand (Acquis communautaire)
chenden Regierungen auf dem Wege freier Wahlen herauszubilden, bei der Verhandlung grundsätzli-
verpflichtet sind und (d) nötigenfalls bei der Durch- cher Reformen (Justiz, Wirtschaft, Industrie) und
führung solcher Wahlen. dabei, die Regierungen auf ihrem Weg, sich zu ver-
antwortungsvollen Demokratien zu entwickeln, zu
Zweifellos spiegeln diese Worte die Vision eines unterstützen und das alles auch noch zu bezahlen.
befreiten, demokratischen Europas wider, das sich
aus selbstbestimmten, international anerkannten Sämtliche Staaten, die in die Erweiterungsrunde
Staaten mit direkt gewählten unabhängigen Regie- aufgenommen wurden – wie auch jene, die außen
rungen zusammensetzt. Obwohl Stalin das Doku- vor gelassen wurden – begannen, sich für die EU zu
ment unterzeichnet hatte, machte er sich unglück- erwärmen, sobald ihnen bewusst wurde, was ihnen
licherweise umgehend daran, ein großes Gebiet geboten wurde: die Mitgliedschaft im reichsten Han-
Osteuropas durch seine Truppen nicht nur aus den delsblock der Welt, mit der zusätzlichen kollektiven
Händen der Nazis zu befreien, sondern sie gleich Sicherheit durch die NATO sowie ein unglaublich
für die Sowjetunion in Besitz zu nehmen. Nach hoher Lebensstandard. Anfangs war ihnen vielleicht
dem Ende des Krieges wurde deutlich, dass Europa noch nicht klar, wie dies funktionierte oder, noch
nicht gemäß den Beschlüssen der Konferenz von wichtiger, wieso es auf eine bestimmte Art und Weise
Jalta befreit und neu geordnet würde, was Chur- funktionierte, aber es war zweifellos und bei Weitem
chill im März 1946 bestätigte, indem er den Begriff die beste Option. Denn aus ihrer Sicht bot die EU nicht
des „Eisernen Vorhangs“ prägte. Die Befreiung ließ nur die oben genannten Vorzüge, sondern kümmer-
noch bis 1989 auf sich warten, als die Sowjetunion te sich ebenfalls um ihre zwei Hauptanliegen: eine
zusammenbrach und viele der besetzten Staaten starke Position gegenüber Russland und Demokratie,
begannen, sich zu befreien. Doch kaum war diese einschließlich und ganz besonders um die Redefrei-
hoch verdiente Befreiung vollzogen, mussten sie heit. Das Problem war nur, dass ihre neuen Verbün-
feststellen, dass die „drei Regierungen“, die sie bei deten aus dem Westen, die fünfzehn Mitgliedstaaten
der Umsetzung der vier Artikel des zweiten Absat- der EU, weder diese Union noch die Bedürfnisse der
zes unterstützen sollten, nicht mehr aktuell waren: Beitrittskandidaten unbedingt gleich einschätzten.
Russland war endlich besiegt und in seine eigenen
Grenzen zurückgedrängt worden, die USA waren Konflikt der Erinnerungsnarrative
zwar kooperativ, aber nur aus der Ferne, und das
Vereinigte Königreich war nun ein Teil der Europä- Für die westlichen Mitgliedstaaten war die EU
ischen Union. immer ein Instrument, die tödliche Rivalität zwi-
schen Frankreich und Deutschland zu neutralisie-
Niemand hätte 1987 (oder gar 1951, als das Fun- ren, die über die Jahrhunderte immer wieder Kriege
dament der zukünftigen EU mit der Gründung der entfacht hat, insbesondere im 19. und 20. Jahrhun-
Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl dert und vor allem zu den unsäglichen Vergehen
13. 12 ZWANZIG JAHRE DANACH
Deutschlands im Zweiten Weltkrieg geführt hat. Und enden und die Vision der Konferenz von Jalta umzu-
bis zu einem gewissen Punkt ist sie das noch heute. setzen, bedeuteten sie für viele im Osten die längst
Sie war vor allem ein Instrument, die Erinnerung an überfällige Einlösung der spezifischen Versprechen
diese Rivalität und an die Geschehnisse zu entschär- und Verpflichtungen aus diesen Vereinbarungen.
fen. Russland kommt in dieser Narrative kaum vor, Während für den Westen diese Verspätung eine un-
außer als gelegentlicher und notwendiger Verbün- vermeidliche Folge des Kalten Krieges war, empfan-
deter in den zwei Weltkriegen, als langjähriger, ent- den sie die Menschen und Staaten Mittel- und Ost-
fernter Feind im sowjetischen Lager im Kalten Krieg europas als Verzicht des Westens und als Absage an
und als zuverlässiger und doch unangenehmer Ener- das Versprechen. Für einige Staaten, insbesondere
gielieferant. Aus Sicht der östlichen Länder war und für Polen und die ehemalige Tschechoslowakei, war
ist Russland in allen Geschichtserzählungen jedoch es die Fortsetzung des unzuverlässigen Verhaltens
der grausame und gefürchtete Feind, zu dem sich des Westens im Vorfeld des Zweiten Weltkriegs, als
im Zweiten Weltkrieg die Deutschen gesellen, aber beide Länder von Deutschland besetzt wurden, aus
nicht in der darauf folgenden Geschichtserzählung. ihrer Sicht mit dem Wohlwollen der übrigen west-
Tatsächlich gehörte das halbe Deutschland zum lichen Staaten. Für sie bedeutete der EU-Beitritt
Einzugsbereich der UdSSR und wie in den anderen demnach in erster Linie auch, ihren westlichen
eroberten Republiken und Satellitenstaaten war das Nachbarn entgegenzutreten.
Volk unterdrückt. Diese Divergenz der Erinnerungs-
narrative, die nicht sofort augenscheinlich war, nähr- Diese Divergenz in der Geschichtserzählung,
te sich aus dem unterschiedlichen Verständnis der die sich aus einem inhärenten Kampf der Kulturen
freien Rede: Die westlichen Staaten hatten Jahrzehnte und dem Ergebnis unterschiedlicher Erfahrungen
damit verbracht, die Kunst zu verfeinern, nicht über aus über 50 Jahren zusammensetzt, barg in sich das
die Vergangenheit zu sprechen, und teilten eine Sicht Potenzial für weitaus gravierendere Unstimmigkei-
der Geschichtserzählung. Auch wenn die Staaten, die ten, sobald es um Geld ging. Denn während sich die
der EU nach den sechs Gründungsmitgliedern beige- EU in ihrer westlichen Erscheinung großzügig tat
treten sind, jeweils eine leicht unterschiedliche Versi- und den Beitrittskandidaten Milliarden von Euro
on bevorzugten, akzeptierten sie diese Geschichtser- aus Steuergeldern – in den verschiedenen existie-
zählung und die unausgesprochene Regel: Nicht über renden Währungen – zukommen ließ, um die Ent-
die Geschichte zu sprechen war nicht schwer. Das galt wicklung voranzutreiben, die eine Mitgliedschaft in
auch für Spanien, Portugal und Griechenland, deren Aussicht stellte, sahen viele in diesen Staaten dies
Beitritt ein höheres Maß an politischer Entscheidung als Entschädigungszahlungen an und einige weni-
seitens der EU bedeutete. Alle drei Staaten hatten ge sogar als Vergeltungsmaßnahme. Aus ihrer Per-
ihre Gründe, die ahistorische Haltung der EU gut- spektive waren die gezahlten Milliarden angesichts
zuheißen, da sie alle ihre inneren Dämonen in Form der knapp 50 Jahre sowjetischer Unterdrückung,
von langjährigen Bürgerkriegen und Diktaturen hat- der diese Völker ausgesetzt waren nicht gerade viel
ten, über die sie nur ungern sprechen wollten – und Geld. In den Worten des polnischen Schriftstellers
akzeptierten die unausgesprochene Geschichtser- Pawel Huelle:
zählung der EU, auch wenn sich diese deutlich von
ihrer eigenen unterschied. Die Beitrittskandidaten „Für die meisten Polen ist unsere Akzep-
aus Mittel- und Osteuropa wollten jedoch ihre eigene tanz in der EU kein Akt der Großzügigkeit oder gar
Version der Erzählung als Teil der kollektiven unaus- ein besonderes Geschenk seitens Europas. Wir sind
gesprochenen Fassung mit einbringen, um sie dann immer Teil Europas gewesen. Wäre das Abkommen
laut und deutlich vorzutragen. Wichtiger noch, sie von Jalta nicht gewesen und jener Federstreich, der
wollten die Rollen, Werte und Verantwortlichkeiten die Nationen Mitteleuropas unter Stalins Herrschaft
im Rahmen dieser neuen Geschichtserzählung ver- brachte, würden wir diese Diskussion heute nicht
teilt wissen. führen. Wir wären von Anfang an ein Teil der EU
gewesen. Für uns ist der EU-Beitritt ein Mittel, das
Wenn der Westen in den Ereignissen von 1989 Gleichgewicht wieder herzustellen und dabei neue
eine Gelegenheit sah, die Befreiung Europas zu voll- Möglichkeiten zu schaffen.“
14. ERSTER TEIL Mitteleuropa: die neuen Mitgliedstaaten 13
In diesen Worten lässt sich deutlich das Poten- nem nicht klar ist, dass es dabei um die Vergangen-
zial für eine verheerende Explosion heraushören, heit und ihre Unterdrückung ging. Es ging um das
was übrigens nicht nur für Polen, sondern für alle im Zweiten Weltkrieg von den Kroaten begangene
Beitrittskandidaten galt und welche glücklicherwei- Unrecht an den Serben, um das von den Muslimen
se nicht eintraf. Wie der polnische Autor anmerkt, begangene Unrecht nach jahrhundertelanger tür-
war die Aussicht auf eine bessere Zukunft letztlich kischer Besetzung, um das im Ersten Weltkrieg von
angenehmer, als sich über die Vergangenheit zu und an den Serben begangene Unrecht, um den an-
beklagen, und wenn das Ziel die EU-Mitgliedschaft dauernden Mythos der serbischen Unterdrückung
war – nicht zuletzt, um Sicherheit vor Russland zu seit ihrer Niederlage 1389 auf dem Amselfeld in Ko-
gewinnen – sollte man über die Geschichte Still- sovo, um die Zwangsansiedlung der Serben durch
schweigen bewahren, auch wenn diese Haltung die Türken in der kroatischen Krajina vor dreihun-
gänzlich ungewohnt ist. Wie Huelle es am Vorabend dert Jahren, um die Bildung Jugoslawiens nach dem
des EU-Beitritts formulierte: Ersten Weltkrieg anstelle eigenständiger Staaten, um
fünfzig Jahre des zweiten Jugoslawiens, in dem sich
„Die Polen haben die von unseren Dichtern Kroaten, Muslime und Slowenen von den Serben
erschaffenen romantischen Mythen längst hinter unterdrückt fühlten und um fünfzig Jahre „Brüder-
sich gelassen, die Polen als heiliges Opfer der eu- schaft und Einheit“, in denen es nicht erlaubt war,
ropäischen Geschichte verklärten. An der Weichsel über diese Missstände und schmerzhaften Erinne-
herrschten nun der Pragmatismus und das Gefühl, rungen zu sprechen. Als Jugoslawien stürzte, brach
zusammen mit den anderen Nationen Europas, all dies hervor.
eine gemeinsame und bessere Geschichte schaffen
zu wollen. Und wenn wir auch Bedenken haben, Es gibt diverse Theorien darüber, warum in Ju-
sind diese darin begründet, dass sich in der Europä- goslawien Kriege entbrannten und in der ehemali-
ischen Union alles um Agrarsubventionen und den gen Sowjetunion nicht. Für einige ist es das Ergeb-
Wert des Euro zu drehen scheint, als ob wir keine nis einer Art verdorbener Neigung – „schon wieder
andere gemeinsame Basis hätten.“ Krieg auf dem Balkan“ – als wären die Menschen
dieser Region prädisponiert, sich gegenseitig zu
Die Grenzen der Wiedervereinigung bekämpfen. Für andere war es der wirtschaftliche
Niedergang nach dem Tode Titos 1980, der Jugosla-
Bei der Wiedervereinigung ging es nicht nur um wien in seiner merkwürdigen Position als nicht an-
die Erweiterung der EU. Sie betrifft auch jene Staa- geschlossener Staat, aufgrund des relativen Wohl-
ten, die nach dem Zusammenbruch der Sowjetuni- stands in den Jahrzehnten davor, empfindlich traf
on außen vor bleiben mussten: das ehemalige Jugo- und zu Rissen in der Gesellschaft führte, die schließ-
slawien und Albanien – der Westbalkan, die Staaten lich in einen Krieg mündeten. Für die erste Theorie
in unmittelbarer Nachbarschaft Russlands, insbe- spricht wenig, für die zweite vieles, und sei es, weil
sondere die Ukraine und Belarus sowie die Staaten sich Situationen immer verschlechtern, wenn das
des Südkaukasus. Für all diese Länder gestaltete Geld als Schmiermittel fehlt, aber auch weil Jugo-
sich die Entwicklung weitaus schwieriger und kom- slawien als Konstrukt leicht zu zerschlagen war:
plizierter, und im Falle von Belarus ist sie gänzlich Während die Menschen seit Jahrhunderten Seite an
missglückt. Diese Staaten kommen nur langsam, Seite lebten, wies das nach dem Zweiten Weltkrieg
wenn überhaupt, in den Genuss der Vorzüge der EU, zusammengeschusterte Gebilde – eine Neuauflage
einerseits aus Unfähigkeit oder mangelndem Willen des nach dem Ersten Weltkrieg geschaffenen Jugo-
der EU, ihnen das Zuckerbrot der Mitgliedschaft an- slawien – keine gewachsenen historischen Wurzeln
zubieten, andererseits weil viele von ihnen noch in auf. Völker und Forderungen wurden im Namen
der Vergangenheit gefangen sind. der politischen Zweckdienlichkeit zusammengelegt
und mit einer seltsamen Mischung aus Diktatur, re-
Das gilt insbesondere für das ehemalige Jugos- lativem Wohlstand und dem absoluten Verbot, über
lawien: Es ist nicht möglich, die 1991 in diesen Re- die Geschichte der interethnischen Zerwürfnisse
publiken entbrannten Kriege zu verstehen, wenn ei- zu sprechen, zusammengehalten – in dem Versuch,
15. 14 ZWANZIG JAHRE DANACH
wie Misha Glenny es formulierte, „den Hass in die
Tiefkühltruhe der Geschichte zu verbannen.“ Doch
mit dem Tode Titos, des starken Führers, der strikten
Gehorsam forderte, begann die Eisschmelze und das
Ende des Kalten Krieges. Das latente Chaos wirkte
sich wie eine Hitzewelle auf den eingefrorenen Hass
aus, schmolz die noch vorhandenen Eisschichten
und legte ihn für alle sichtbar offen.
Paradoxerweise sind diese Kriege demnach so-
PnP!
wohl Wiederauflage als auch Abschluss des Endes
des Zweiten Weltkrieges, doch anders als der zweite
und weitgehend erfolgreiche Versuch, die Beschlüs-
se der Konferenz von Jalta umzusetzen, hatte der Mahnmal erinnernd an den Krieg und die Zerstörung der
zweite Durchgang in Jugoslawien tragische Fol- Brücke in Mostar.
gen. Slowenien beeilte sich, dem Krieg und seinen
Schrecken zu entkommen und setzte entschieden Vergangenheit als nach vorn, aber hier standen an-
Kurs auf eine Zukunft in der EU (im Umgang mit dere Sachzwänge im Vordergrund. Es stellt sich die
seinen ehemaligen Landsleuten hausiert Slowenien Frage, ob sich die Menschen dieser Länder diese
allerdings genauso meisterhaft in der Vergangen- rückwärtsgerichtete Haltung wünschten, aber es ist
heit wie alle anderen Balkanstaaten). Die anderen unbestritten, dass die starken Männer der Vergan-
wandten sich ab: Sie zogen die Vergangenheit der genheit sogar nach dem Zusammenbruch der So-
Gegenwart und der Zukunft vor und in vielerlei Hin- wjetunion auf ihren Machtanspruch beharrten und
sicht haben sie diese Haltung bis heute nicht aufge- die Bevölkerung es nicht schaffte, sie loszuwerden.
geben. Die politischen Meinungsverschiedenheiten In der Ukraine dauerte es noch bis zur Orangen
zwischen den Hauptdarstellern wurden durch das Revolution Ende 2004, bis sich die Menschen für
Abkommen von Dayton, mit dem der Bosnienkrieg echte Freiheit und Demokratie erhoben, in Belarus
1995 beendet wurde, aber nicht mehr als eine äu- steht dies noch aus und es herrscht eine repressive
ßerst erfolgreiche Waffenstillstandsvereinbarung Diktatur. Und dann gilt es natürlich auch noch, die
darstellte, nicht beigelegt, und sie bestehen mehr Geografie und die Geschichte zu berücksichtigen.
oder weniger unverändert bis heute. Während sich Da diese beiden Staaten geografisch von Westeu-
Kroatien, Montenegro und bis zu einem gewissen ropa weiter entfernt sind und es nur wenige histo-
Grad auch Mazedonien anscheinend auf den Weg rische Verbindungen gibt, hatte die EU nie das Be-
der Veränderung begeben haben, werden sie nach dürfnis – und hielt es bis vor Kurzem nicht einmal
wie vor von ihrer Vergangenheit verfolgt, die im Üb- für notwendig – sie in ihren Kreis aufzunehmen,
rigen immer noch ihre wichtigste politische Wäh- und beschränkte sich darauf, allen Republiken und
rung darstellt – besonders in Bosnien, Serbien und Satellitenstaaten der ehemaligen UdSSR ihre Un-
Kosovo, das mit seiner Unabhängigkeit einen muti- terstützung anzubieten. Demgegenüber verbindet
gen Schritt in Richtung Zukunft gemacht hat, seine beide Staaten eine lange historische Beziehung
Differenzen mit Serbien allerdings noch zur Sprache zu Russland, größtenteils aufgrund jahrhunderte-
bringen und irgendwann auch beilegen muss. Ehe langer russischer Besatzung, wodurch in beiden
die Vergangenheit auch auf politischer Ebene be- Ländern heute eine große russische Minderheit
handelt wird, gibt es wenig Hoffnung auf einen er- lebt. Die EU war sich stets bewusst, dass während
folgreichen Abschluss der europäischen Wiederver- die endgültige Umsetzung des Abkommens von
einigung: Eine Insel im Westbalkan wird weiterhin Jalta das Ende der „Einflusssphären“ bedeutete,
im Abseits stehen. Russland diese beiden Staaten – und jene im Süd-
kaukasus – ohne Zweifel als seinen „Hinterhof“
Auch die Ukraine und Belarus blickten nach betrachtete und es nicht gerne sieht, dass andere
dem Ende des Kalten Krieges eher zurück in die darin spielen. Zudem misst es ihnen mehr als al-
16. ERSTER TEIL Mitteleuropa: die neuen Mitgliedstaaten 15
len anderen europäischen Staaten strategische Be- schadete die EU sich auch selbst. Viele Mitglied-
deutung zu, insbesondere der Ukraine, da Sewas- staaten hatten im Rahmen der UN-Friedensmission
topol der Heimathafen eines Teils der russischen Soldaten in die Krisenregion geschickt, aber wegen
Flotte ist. Angesichts dieser Ausgangslage – der der kollektiven politischen Unzulänglichkeiten der
mangelnden Bereitschaft seitens der EU und der EU-Mitgliedstaaten konnten sie bis 1995 nicht wir-
Skepsis seitens Russlands – herrschte bis 2005 und kungsvoll eingesetzt werden. Während die Luftan-
der erfolgreichen Orangenen Revolution offenbar griffe durch die NATO zwar von entscheidender Be-
eine annehmbare Situation, in der die Ukraine und deutung waren, um die serbischen Flugabwehrstel-
Belarus scheinbar im Niemandsland zwischen der lungen auszuschalten, war es die vom europäischen
EU und Russland schwebten, aber dennoch de fac- UN-Kommandanten der UNPROFOR geleitete
to Satellitenstaaten Russlands blieben. In anderen schnelle Eingrifftruppe der EU, die der Belagerung
Worten, die Wiedervereinigung Europas machte an von Sarajewo ein Ende bereitete – so wie die kroa-
ihren Grenzen halt. tische Armee Bihać und den Norden befreite. Diese
Entwicklung benötigte sehr viel Zeit und wurde in
Fehlschläge keiner Weise weder von Brüssel noch von kaum ei-
ner anderen Hauptstadt politisch betreut.
Die EU erwies sich angesichts der Balkankriege Das Ende des Bosnienkriegs führte dazu, dass
als unfähig, wenn nicht gar schlimmer: Sie konnte sich die EU deutlich anders wahrnahm als zuvor
weder mit der Gewalt auf ihrem eigenen Kontinent sowie zu der Einsicht, künftig auf Sicherheits- und
umgehen, noch akzeptieren oder begreifen, dass die Verteidigungsfragen politisch reagieren können zu
Geschichte ein weiteres Mal auf einen Krieg zusteu- müssen. Dies wiederum führte zur Schaffung der
erte. Nachdem sie sich auf fast sklavische Weise da- Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspo-
rin geübt hatte, die Geschichte zu ignorieren, unter- litik (ESVP) und der Gemeinsamen Außen- und
stellte sie den Menschen im ehemaligen Jugoslawi- Sicherheitspolitik (GASP). Deren Entwicklung ist
en anscheinend eine Art primitiven Instinkt, der es auf politischer Ebene aufgrund des anhaltenden
zuließ, dass die Geschichte die Gegenwart diktierte Stimmengewirrs zu einem Stillstand gekommen,
und sie in den Krieg führen würde. Gepaart mit ih- in materieller Hinsicht dagegen hat eine beträchtli-
rer Abneigung, auf kollektiver Ebene offen politisch che Entwicklung stattgefunden. Die EU hat sich mit
zu handeln, versagte die damalige Europäische Ge- ihren Verfahren in die Region begeben, vermutlich
meinschaft im Grunde, auf die Ereignisse zu reagie- in der Hoffnung, einen Offenbarungsmoment aus-
ren, bevor sie in einen Konflikt ausgeartet waren und zulösen, durch den die Konfliktparteien den Ge-
sogar dann wurde ihre einheitliche Stimme von den spenstern der Vergangenheit endlich den Garaus
rivalisierenden nationalen Stimmen ständig über- machen, oder sie zumindest ignorieren und sich der
tönt: Wenn dieser Krieg die Geschichte zum Thema Gegenwart und der Zukunft zuwenden. Gleichzeitig
hatte, würden die historischen Bündnisse wieder ist aus der EU eine riesige Hilfsorganisation für das
geltend gemacht. Die Gemeinschaft entschied also, ehemalige Jugoslawien und Albanien geworden,
dass sie keine der jugoslawischen Republiken aner- eine Entwicklung, die durch den Konflikt in Kosovo
kennen würde, ehe sie eine Einigung erreicht hät- 1999 unterstützt wurde, der es aber an einer deutli-
ten – doch dann erkannte Deutschland Kroatien an, chen politischen Richtung mangelte. Während das
seinen historischen Schützling. Die Gemeinschaft Angebot einer EU-Mitgliedschaft an die Staaten der
prangerte die Gewalt seitens der Serben zwar an, Region anscheinend weiterhin besteht, ist es auch
doch das Vereinigte Königreich weigerte sich viele äußerst missverständlich formuliert und an keinen
Monate lang, sich dem anzuschließen, da die Par- festen Zeitplan gebunden. So sind die Balkanstaaten
tisanen im Zweiten Weltkrieg ihre Verbündeten wa- in ihrer Vergangenheit gefangen, unterstützt von ei-
ren. Und so ging es weiter: ein heilloses Stimmenge- ner Flut von Vorschriften und Richtlinien – zu Visa,
wirr, das die Situation nur noch verschlimmerte. Exportquoten, Lizenzvereinbarungen, usw. – die
es ihnen, und insbesondere der jüngeren Genera-
Neben den Zivilisten, die der Gewalt ausgelie- tion mit all ihrem Änderungspotenzial, unmöglich
fert waren und verzweifelt nach Rettung suchten, macht, daraus auszubrechen.
17. 16 ZWANZIG JAHRE DANACH
Aber auch in der fortdauernden Konfrontation gebunden waren. Die Unterbrechungen der Gaslie-
mit Russland erweist sich die EU als handlungsun- ferungen während der vergangenen Winter haben
fähig. Während Russland in der noch vorhandenen gezeigt, wie real diese Bedrohung ist und dabei die
Geschichtserzählung der EU keine herausragende Grenzen der politischen Handlungsfähigkeit der EU
Rolle spielte, hat es durch den Erweiterungsprozess aufgezeigt: Die gemeinsame Reaktion hat auf sich
als Politikum für die Union zweifellos an Bedeu- warten lassen, nach langwierigen rechtlichen Ver-
tung gewonnen, nicht zuletzt weil Russland in den fahren über die Liberalisierung der Energiemärkte
letzten Jahren verstärkt selbst darauf aufmerksam und Infrastruktur – das klassische Handels-, Wirt-
gemacht hat. Da Russland selbst seine postsow- schafts- und Prozessgebahren der EU – während
jetische Phase durchlebt hat und schließlich in jeder einzelne der 27 Mitgliedstaaten einen eigenen
der Putin-Zeit aufgetaucht ist, hat es sich auch mit Deal mit Russland aushandelte. Die Kakofonie der
seiner eigenen Identität und Geschichte auseinan- Einzelstimmen hat sich mit voller Lautstärke über
dersetzen wollen. Es hat nie an seiner Einmaligkeit die gemeinsame Stimme der Union erhoben.
gezweifelt und sieht sich auch stets als Europa zuge-
wandt – jedoch ohne dieser Verbindung all zu viel Volljährigkeit
Anerkennung auszusprechen. Weder die Auflösung
des Sowjetreichs, noch die ersten Jahre finanziellen Die Wiedervereinigung Europas hat zur Erwei-
Durcheinanders waren eine einfache Erfahrung für terung der EU geführt, aus der nun eine weitaus
die Russen. In all diesen Jahren spielte die EU aber heterogenere Gruppe von Ländern, diverser Kultu-
keine große Rolle bei der russischen Bedeutungssu- ren und Glaubensrichtungen geworden ist, die alle
che. Der Erfolg der Orangenen Revolution – die von noch dabei sind, zu lernen, miteinander zu leben
der EU unverhohlen unterstützt wurde und der eine und sich gegenseitig zu respektieren, heute einan-
erweiterte Partnerschaft und sogar die vage Ankün- der freundlich gesinnt und morgen wieder feind-
digung einer möglichen Mitgliedschaft der Ukraine lich. Die EU gleicht nicht einer Ehe, in der Liebe und
folgte – änderte das und führte nebenbei zu einer Loyalität vorausgesetzt werden, sondern eher einer
massiven Erhöhung der Energiepreise. Russland be- modernen Beziehung, in der die Partner jahrzehn-
gann, seine Energieressourcen auch in artfremden telang zusammenleben, ohne sich jedoch endgültig
Gebieten zu nutzen, insbesondere für die Außen- zueinander zu bekennen und in der stets eine ge-
politik und speziell in seiner Beziehung zur EU, sei- wisse Unsicherheit und Spannung herrscht. Oft tei-
nem wichtigsten Kunden. So entwickelte es sich zu len sie sich ein Haus, doch jeder behält auch seine
einem weitaus bedeutenderen Akteur, auch jenseits eigene Wohnung. Es ist eine enge und nicht greifba-
Europas, und war bestrebt, die Beziehung zu Eu- re Beziehung, die jahrelang funktioniert, eine auf-
ropa wieder ins Gleichgewicht zu bekommen oder regende, nicht eindeutig festgelegte Beziehung und
mittels der europäischen Abhängigkeit von seinen eine Bündelung von Eigenständigkeiten. Durch die
Energielieferungen sogar eine gewisse Überlegen- Erweiterung wurde diese Beziehung nicht zersetzt,
heit herzustellen. doch hat sie sie verändert: Während sich die älteren
Mitgliedstaaten vermutlich in Würde zurückziehen
Seit den ersten Anzeichen dieser Entwicklung wollten, wurde aus der Vergrößerung der Familie
wurde die wachsende Kluft zwischen West und Ost eine Notwendigkeit, die viel Arbeit und Geld kosten
in der EU erkennbar: Für die westlichen Mitglied- sollte. Hoffen wir, dass sie genügend Liebe in sich
staaten war dies der Energielieferant Russland von trägt, um die Familie zusammenzuhalten.
ehedem, unangenehm aber zuverlässig, mit dem
jeder Staat unabhängig voneinander Geschäfte ma- Durch die Erweiterung ist die EU zum größten
chen konnte. Für die östlichen Mitgliedstaaten ging und reichsten Handelsblock der Welt geworden.
es um Russland als Eroberer, das seine Autorität Mehr noch, sie ist Maßstab: das Maß an Entwick-
behaupten wollte. Diese Auffassung barg ein greif- lung, das in jedem Bereich angestrebt wird – in Poli-
bares Element, da die ehemals sowjetisch besetzten tik und Regierung, Finanzen und Wirtschaft. Einige
Mitgliedstaaten über die Pipelines noch an Russland empfanden entweder das Gesellschaftsmodell als
18. ERSTER TEIL Mitteleuropa: die neuen Mitgliedstaaten 17
falsch, die Wirtschaft zu protektionistisch, die ge- Die EU hat nach wie vor Schwierigkeiten mit
meinsame Währung – den Euro – als nicht adäquat politischer Macht, wie auch mit der Vorstellung,
oder dass die Unfähigkeit, eine gemeinsame politi- Verteidigungs- und Sicherheitspolitik sowie die
sche Haltung entsprechend ihrer Wirtschaftsmacht Frage der Gewaltanwendung gemeinsam anzuge-
zu entwickeln, einen wesentlichen Mangel darstell- hen. Das alles verlangt nicht nur nach einer starken
te. Alles in allem sprechen die Tatsachen allerdings und möglicherweise deutlicheren Festlegung, Sou-
eine andere Sprache: Durch die Aussicht auf eine veränitäten zu bündeln – was paradoxerweise die
Mitgliedschaft in der Union auf der Grundlage ei- Stärke des gesamten Projekts untergraben könnte
ner Systemreform und umfassender finanzieller – sondern auch die Fähigkeit, mit der eigenen Ge-
Unterstützung wurden zehn Staaten erfolgreich schichte umzugehen, statt sie zu ignorieren. Allein
umgeformt (obwohl die Mitgliedschaft von Zypern die Tatsache, politische oder militärische Macht
vielleicht nicht mit dem Ende des Kalten Krieges auszuüben, kann bereits Erinnerungen an vergan-
einherging) und auch Rumänien und Bulgarien sind gene Zeiten der Macht und an die Folgen wecken.
auf dem besten Weg dahin. Die Tatsache, dass diese In vielerlei Hinsicht ist die EU als Gemeinschaft an
beiden Staaten für eine Mitgliedschaft noch nicht dieser Option nicht interessiert. Sie sieht ihre Stärke
bereit waren und dennoch aufgenommen wurden, in ihrer Fähigkeit, Dinge zu ändern – als ob diese von
zeigt, dass sich die EU allen Unkenrufen und ihren Politik und von der Geschichte und deren Mustern
eigenen Instinkten zum Trotz langsam aber sicher zu trennen wäre. Insofern ähnelt Europa der „alten
zu einer politischen Instanz entwickelt: Diese bei- Dame“ des Essayisten Mario Andrea Rigoni, die,
den großen Staaten waren nach dem Kalten Krieg „nachdem sie sich Freiheiten aller Art geleistet und
nicht nur allein gelassen, sie hatten auch weitaus zahlreiche Gräueltaten begangen hat, nun müde
stärkere historische Beziehungen zu Russland und und geschwächt ist und von der Welt möchte, dass
seinen Nachbarn, dem problematischen Westbal- diese sich ihren Bedürfnissen nach Mäßigung, Ge-
kan. Die Aufnahme dieser Staaten war in erster Linie rechtigkeit und Frieden anpasse.“
eine Maßnahme politischer Zweckdienlichkeit.
Ilana Bet-El ist Autorin, Historikerin und politische Analystin in Brüssel, wo sie
sich vor allem mit EU-Politik und europäischer Verteidigungspolitik befasst. In den
1990er Jahren arbeitete sie mit und für die Vereinten Nationen in New York und auf
dem Balkan als politische Analystin, davon zweieinhalb Jahre in Bosnien während
und nach dem Krieg. 2002 schuf sie die Meinungsseite der Wochenzeitung European
Voice, die zur Economist-Gruppe gehört. Sie war bis Dezember 2005 Redakteurin
der Seite und schreibt heute regelmäßig eine Kolumne über Verteidigungs- und
Außenpolitik für diese Zeitung. Ilana Bet-El promovierte in Geschichte an der
London University und beschäftigt sich als Historikerin vor allem mit Krieg und Erinnerung.
19. 18 ZWANZIG JAHRE DANACH
'
ADAM KRZEMINSKI
Zwischen Enttäuschung und Optimismus –
die polnische Erfahrung
Die Ereignisse im Jahr 1989 in den Ostblock- von Solidarność eine Erklärung an den Sejm,2
ländern haben eine lange Vorgeschichte. Sie be- dass Deutschland das Recht auf Vereinigung
ginnt 1944-48 mit dem bewaffneten Widerstand hätte. Im September belagerten Tausende von
der Polen gegen die kommunistische Macht- Ostdeutschen die westdeutschen Botschaften in
übernahme und setzte sich in einer Reihe von Ar- Budapest, Prag und Warschau. Während des 40.
beiteraufständen und Rebellionen fort – 1953 in Jahrestages der DDR in Berlin im Oktober skan-
der DDR, 1956 in Polen und Ungarn, 1968 in der dierten Demonstranten „Gorbi, hilf uns!“, worauf
Tschechoslowakei und Anfang der 1980er Jahre die SED-Führung eine Lösung im Tiananmen-Stil
erneut in Polen. erwog.3 Schließlich verzichtete die DDR-Regie-
rung allerdings auf Gewaltanwendung gegen die
Die Ereignisse 1989 in Polen haben ihre Wur- nahezu 100.000 Protestierenden in Leipzig, die
zeln in den Streikwellen des vorherigen Sommers, am 16. Oktober nahe der Nikolaikirche zusam-
die bewiesen hatten, dass die unabhängige Ge- mengekommen waren und „Wir sind das Volk“
werkschaftsbewegung Solidarność, die 1980 ge- riefen. Drei Tage darauf dankte Honecker zugun-
gründet worden war, die Repression des Kriegs- sten Egon Krenz’ ab. Am 9. November endlich fiel
rechts überlebt hatte und, neben der katholischen die Mauer, aufgrund des wohl „größten bürokra-
Kirche, eine Kraft blieb, die nicht zu unterschätzen tischen Missverständnisses in der Geschichte Eu-
war. Es war der polnische Runde Tisch,1 an dem ropas“.4 Fast zwei Jahre später hörte die Sowjetu-
die kommunistischen Behörden und die Opposi- nion auf zu existieren.
tion teilnahmen, welcher die Lawine losgetreten
hatte, die schließlich zum Fall der Mauer und zum Die „Hall of Fame“ von 1989
Zusammenbruch der UdSSR führte.
Der Streit darüber, wem der Ehrenplatz in der
Am 4. Juni 1989 gewann Solidarność die ersten „Hall of Fame“ von 1989 gebührt, nimmt kein Ende.
semidemokratischen Wahlen in der Geschichte Verdient ihn Michail Gorbatschow, der „gute Zar“
des Ostblocks. Wenige Tage darauf öffnete Un- aus Moskau, oder war er lediglich Symbol der
garn seine Grenze zu Österreich und löste damit kläglichen Reaktion des Sowjetapparats auf den
einen Exodus der Ostdeutschen in den Westen Niedergang des Imperiums, der von Solidarność
aus. Im August übermittelten die Abgeordneten und anderen Bürgerbewegungen, dem wirtschaft-
1 Der polnische Runde Tisch fand vom 6. Februar bis zum 4. April 1989 in Warschau statt.
2 Das polnische Parlament
3 Am 4. Juni 1989 setzten die chinesischen Behörden Panzer ein, um den Tiananmen-Platz in Peking zu räumen, der seit
April von Tausenden friedlicher Demonstranten besetzt worden war. Nach offiziellen Angaben kamen dabei 200-300
Menschen ums Leben, andere Quellen – etwa das Chinesische Rote Kreuz – sprechen dagegen von 2000-3000 Toten.
4 Angesichts des stetig wachsenden Stroms von Flüchtlingen, die die DDR über die Nachbarländer in den Westen verließen,
beschloss Krenz am 9. November, den Flüchtlingen die Ausreise auch über die Grenzübergänge in die Bundesrepublik
– einschließlich Berlin – zu gestatten. Noch am selben Tag fügte der Ministerrat dem Vorschlag eine Bestimmung über
private Reisen hinzu. Die neue Regelung sollte am 10. November in Kraft treten, um die Grenzer darüber informieren
zu können. Günter Schabowski, Sekretär des ZK der SED für Informationswesen, war mit der Aufgabe betraut worden,
darüber zu informieren, da er aber im Urlaub gewesen war, hatte man ihn nicht umfassend ins Bild gesetzt. Auf die
Frage, wann die Regelung in Kraft träte, antwortete er wörtlich: „Das tritt nach meiner Kenntnis… ist das sofort,
unverzüglich“. Auf weitere Fragen der Journalisten bestätigte er, dass die Regelung auch die Grenzübergänge nach
Westberlin beträfe. Der Rest ist, in der Tat, Geschichte.
20. ERSTER TEIL Mitteleuropa: die neuen Mitgliedstaaten 19
Pawel Kabanski
Flaggen Polens, der EU und der NATO.
lichen Kollaps der Sowjetunion und der Niederla- wegungen in den sowjetischen „Kolonien“ hierher,
ge der sowjetischen Armee in Afghanistan bereits etwa Lech Wałęsa, der Vorsitzende von Solidarność,
signalisiert wurde? Oder ist es etwa Ronald Rea- oder Václav Havel, einer der Initiatoren der Charter
gan, dem beherzten „Anführer der freien Welt“, 77 in der Tschechoslowakei. Auch sollten die „Hel-
dem das Verdienst zukommt, die Kommunisten den, die sich der Geschichte entzogen“ nicht verges-
im Wettrüsten vernichtend geschlagen zu ha- sen werden, jene Apparatschiks, die bereit waren,
ben? Verdient ihn gar der bundesdeutsche Kanz- auf ihre Macht zu verzichten und so Blutvergießen
ler Willy Brandt für seine „Neue Ostpolitik“ oder verhinderten. Die Vorgeschichte dieser Ereignisse
der US-amerikanische Außenminister Henry muss berücksichtigt werden, um die letzten 20 Jahre
Kissinger, dessen Entspannungspolitik und Un- beurteilen zu können, in denen sich die ehemaligen
terstützung des Helsinki-Abkommens5 den Kreml Satellitenstaaten der Sowjetunion in die euroatlan-
zu mehr Freiheiten für Bürger- und Oppositions- tischen Strukturen eingereiht haben.
bewegungen im Ostblock zwang? Und könnte die
Ehre nicht sogar Johannes Paul II. gebühren, nach „Altes Europa“ vs. „neues Europa“
dessen Wahl zum Papst 1978 Millionen von Polen
sich erhoben hatten, bereit, sich der kommunisti- Die Gründungsnarrative der Europäischen
schen Machtmaschine ohne Gewaltanwendung Union fußt auf der Nachkriegsversöhnung der
zu widersetzen? beiden „Erbfeinde“ Deutschland und Frankreich.
Diese beiden Länder, die großen Verlierer des
Es gibt noch weitere Personen, für die ein Platz Zweiten Weltkrieges – der absolute Verlierer von
in der „Hall of Fame“ von 1989 freigehalten werden 1945 und der virtuelle Verlierer von 1940 – begrif-
sollte. So gehören die Anführer diverser Bürgerbe- fen, dass sie nur Bedeutung erlangen konnten,
5 Die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die im Juli und August 1975 in Helsinki stattfand,
war ein Versuch, Spannungen zwischen Ost und West im Kalten Krieg abzubauen. Der Teil über die Bürgerrechte des
Helsinki-Abkommens wurde zur Arbeitsgrundlage der „Moskauer Helsinki-Gruppe“, einer Nichtregierungsorganisation,
die über die Einhaltung der Bestimmungen über die Bürgerrechte wacht.
21. 20 ZWANZIG JAHRE DANACH
wenn sie sich gegenseitig unterstützen und sich durch den alten „harten Kern“. Bisweilen ist ih-
europäisierten. In der Praxis lief dies auf die mo- nen dies auch gelungen. Der polnische Premier-
ralische Führung der Franzosen in der EWG und minister Marek Belka beschämte das „alte“ Eu-
auf Zuschüsse für Deutschland hinaus. ropa während des ersten EU-Gipfels 2005, als er
den Vorschlag machte, die neuen Mitgliedstaaten
Das Jahr 1989 hätte der europäischen Ge- könnten auf einige ihrer EU-Fördermittel ver-
schichte einen weiteren Mythos hinzufügen kön- zichten, als ein Weg aus der haushaltspolitischen
nen: den der friedlichen Selbstbefreiung Osteuro- Sackgasse, in die die alten Nettozahler die EU
pas von seiner Abhängigkeit von Moskau, die ihm hineingesteuert hatten.
von Stalin 1946 auferlegt worden war. Doch leider
kam es anders. Der Schock der politischen Trans- Die neuen Mitgliedstaaten wurden auch zu
formation, die Wiedereinführung des Kapitalis- einem mächtigen Instrument für die Politik ge-
mus, der Wechsel der Eliten und die Entwicklung genüber der ehemaligen Sowjetunion. Im No-
einer parlamentarischen Demokratie wurden von vember 2004 vermittelte der polnische Präsident
den westeuropäischen Gesellschaften mit kühler Aleksander Kwaśniewski zusammen mit dem li-
Zurückhaltung begrüßt. Aus Angst vor den neuen tauischen Präsidenten Valdas Adamkus und dem
Konkurrenten blockierten sie die für die Aufnahme Hohen Vertreter der EU Javier Solana zwischen
neuer Mitglieder erforderlichen EU-Reformen. den opponierenden Parteien während der Oran-
genen Revolution in der Ukraine und schafften
Als die ehemaligen sowjetischen Satelliten- es, trotz anfänglichem Widerstand aus Berlin,
staaten der NATO und der EU beitraten, fühlten Bundeskanzler Schröder und Präsident Chirac
sich viele ihrer Bürger nicht als „Gewinner der zu überzeugen, Druck auf den „lupenreinen
Geschichte“ behandelt, denen das moderne Äqui- Demokraten“ Wladimir Putin6 auszuüben, dem
valent zum Sturm der Bastille 1789 gelungen war, ukrainischen Wahlbetrüger Wiktor Janukowytsch
sondern als „arme Vettern“ am Mittagstisch ge-
, nicht zur Hilfe zu kommen.
rade einmal geduldet, was die Empörung Chiracs
über die konträren Positionen der Polen und Doch dauerte es nicht lange, bis das „alte“
Tschechen im Irakkrieg auf krasse Weise bewies. Europa seine traditionelle Auffassung von Po-
Chiracs Äußerung im Jahre 2003, die Polen hätten len als zweitrangiges Land auf hässlichste Wei-
„eine Gelegenheit verpasst, den Mund zu halten“ , se erneut zeigte. 2005 ließ Gerhard Schröder es
ist bereits als Beleg für den Überlegenheitskom- sich nicht nehmen, bei der Unterzeichnung der
plex der Franzosen in die Geschichte eingegangen. russisch-deutschen Vereinbarung für den Bau
Die – finanzielle und anderweitige – Unterstützung der Ostseepipeline anwesend zu sein, durch die
der neuen Mitgliedstaaten durch die EU hat einen Polen von Moskau deutlichem Druck ausgesetzt
scharfen Neonationalismus in Westeuropa entfes- wurde. Im selben Jahr nahm Schröder zusam-
selt, der 2005 zu Wahlkampfstrategien geführt hat, men mit Chirac Putins Einladung zur 750-Jahr-
mit denen die deutschen Wähler vor der Bundes- feier Kaliningrads an, während die unmittel-
tagswahl mit der Gefahr des „polnischen Fliesen- baren Nachbarn der russischen Enklave, Polen
legers“ und die französischen Wähler vor dem EU- und Litauen, nicht eingeladen waren. Berlin
Referendum mit der des „polnischen Klempners“ und Paris zeigten, dass ihnen gute Beziehungen
verängstigt werden sollten. zu Moskau wichtiger waren als die Solidarität
in der EU. Dafür galt das polnische Veto gegen
Während die alten EU-Mitgliedstaaten ihre das neue Partnerschafts- und Kooperationsab-
Privilegien eifersüchtig schützten, kämpften die kommen zwischen der EU und Russland 2006
Neuankömmlinge um den Aufstieg in die erste (als Vergeltung für das russische Embargo für
Liga und bemühten sich um Gleichbehandlung Fleisch aus Polen) bei der westlichen Öffentlich-
6 In einem Interview der ARD im November 2004 antwortete Schröder auf die Frage, ob er Putin für einen lupenreinen
Demokraten halte, spontan: „Ja, ich bin überzeugt, dass er das ist.”
22. ERSTER TEIL Mitteleuropa: die neuen Mitgliedstaaten 21
schen Republik – nach den Volksabstimmungen
in Ländern abgelehnt wurde, die dem „alten“ und
nicht dem „neuen“ Europa angehören: Frankreich,
die Niederlande und Irland. Trotz pathosgelade-
ner Parolen wie „Der Vertrag von Nizza oder der
Tod“ und dem erfolglosen Showdown bezüglich
der „Quadratwurzelregelung“7 im Europäischen
Rat unterstützte Polen dagegen schließlich die
deutsche Präsidentschaft 2007 und nahm davon
Julo
Abstand, den Vertrag von Lissabon zu blockieren.
Tygodnik Solidarność – die erste legale Wochenzeitung von
„Solidarność“, Nr.18, Juli 1981. Man kann auf die letzten fünf Jahre zurück-
blicken als eine Zeit, in der alle Mitgliedstaaten
keit als symptomatisch für ein traumatisiertes – alte und neue – sich näherkamen und kennen-
Verhalten. lernten. Berlin, Paris, London und Rom zeigten
immer wieder den „alten“ Reflex, sich, die Haupt-
Polen als neues EU-Mitglied seinerseits zeig- städte ehemaliger Imperien, als das wahre Eu-
te, dass optimale Beziehungen zu Washington – ropa zu sehen. In dieser Rolle fielen sie auf den
zumindest in Sicherheitsfragen – Vorrang hatten. Trick der Russen rein, die Union in Nationalstaa-
Obwohl die Bundesrepublik Deutschland vor ten zu teilen und die ehemaligen „sowjetischen
1989 dieselbe Meinung vertreten hatte, begann Kolonien“ bloß als „benachbartes Ausland“ zu
die deutsche Presse nun, Polen als den „trojani- behandeln. Demgegenüber haben Warschau,
schen Esel der USA“ zu betiteln. Die Bemühun- Prag und Vilnius, in ihrer Rolle als Sprecher für
gen Polens und der Tschechischen Republik, die Region, die Ukraine näher an die NATO und
Teile des geplanten US-amerikanischen Raketen- die EU geführt. Außerdem machten sie auf Russ-
abwehrschilds in ihren Ländern zu stationieren, land neoimperiale Bestrebungen aufmerksam so-
wurden praktisch als Provokation aufgefasst. wie auf deren Verharmlosung der Verbrechen unter
Stalin, der im Kreml einfach „russischer Bismarck“
Dennoch gelang es der EU, ein ausgegliche- genannt wird.
nes Verhältnis in ihrer Außenpolitik herzustellen.
Das „alte“ und das „neue“ Europa zogen zusam- Zusammenwachsen
men an einem Strang, um den russischen Angriff
in Georgien zu beenden – auch wenn Frankreich Alles in allem haben das „alte“ und das „neue“
und Deutschland unterschiedliche Schwerpunk- Europa jedoch gelernt, sich gegenseitig besser zu
te setzten als Polen und die baltischen Länder. Es verstehen, wie die von der EU unternommenen
war kein Zufall, dass Polen und Schweden sich Schritte in Richtung einer gemeinsamen Energie-
zusammen für eine neue Politik der Annäherung politik eindeutig beweisen. Die Welt am Sonntag
an die Ukraine einsetzten, die später auch von spekulierte sogar, dass die Ostseepipeline das
Deutschland unterstützt wurde. letzte deutsch-russische Vorhaben sein könne,
bei dem die Belange der Nachbarländer nicht in
Wir sollten nicht außer Acht lassen, dass der Betracht gezogen würden. Zukünftige Aktivitäten
Verfassungsvertrag – trotz der Vorbehalte der euro- müssen Teil einer gemeinsamen EU-Strategie
skeptischen Präsidenten Polens und der Tschechi- sein. Weitere Beispiele sind die schnelle Antwort
7 Im Verfassungsvertrag wurde einstimmig das System der doppelten Mehrheit beschlossen, in dem eine (qualifizierte)
Mehrheit erfordert, dass mindestens 55% der Mitgliedstaaten mit mindestens 65% der EU-Bevölkerung für einen
Vorschlag stimmen. Die neue polnische Regierung schlug vor, die Wurzelformel zu verwenden, nach der nur eine
Mehrheit erforderlich ist, die mit der Quadratwurzel aus der Anzahl der Bevölkerung des entsprechenden Mitgliedstaates
ermittelt wird.
24. ERSTER TEIL Mitteleuropa: die neuen Mitgliedstaaten 23
JI¤í PEHE
Die Tschechische Republik und die Europäische
Union – eine problematische Beziehung
Die Europäische Union hat bei der Transfor- Rumänien und die Sowjetunion – waren allesamt
mation der ehemals kommunistischen Länder autoritäre Regime unterschiedlicher Art.
in demokratische Staaten mit funktionierenden
marktwirtschaftlichen und rechtsstaatlichen Mehrere Jahrzehnte später haben die Länder
Strukturen eine äußerst bedeutende Rolle ge- der EU eine vollkommen andere Rolle gespielt.
spielt. Der gewaltige Transfer von institutionel- Sie bildeten ein wohlwollendes internationales
lem und rechtlichem Know-how von den Mit- Umfeld für die Demokratisierung der Tschecho-
gliedstaaten zu den Beitrittsländern, der von der slowakei und nach 1993 ihrer Nachfolgestaaten,
Europäischen Kommission und anderen Institu- der Tschechischen Republik und der Slowakei.
tionen geleitet wurde, ist in vielerlei Hinsicht ein Tatsächlich kann man sagen, dass einige ehemals
historisch einzigartiges Ereignis. kommunistische Länder ohne die Unterstützung
der EU und die Aussicht auf eine Mitgliedschaft
Einige Beitrittskandidaten früherer EU-Er- möglicherweise zu autoritären Regierungsfor-
weiterungsrunden mussten die notwendigen men zurückgefunden hätten. Die Slowakei wäre
Veränderungen mit politischen und zivilen Insti- so ein Land.
tutionen in Angriff nehmen, die mit dem Erbe au-
toritärer Regime belastet waren. Doch keines die- Um den Einfluss der EU auf die Entwicklun-
ser Länder hat den Beitrittsprozess zur Aufnahme gen in der Tschechoslowakei zwischen 1989 und
in die EU aus der Situation der postkommuni- 1993, und in der Tschechischen Republik nach
stischen Länder heraus begonnen, deren politi- 1993 zu beurteilen, ist es sinnvoll, die Geschich-
sches System auf einer nahezu vollständigen Aus- te der Beziehungen zwischen der EU und der
schaltung von Zivilgesellschaft, Marktwirtschaft, Tschechischen Republik (bzw. der Tschechoslo-
Rechtstaatlichkeit und Demokratie basierte. wakei) in mehrere Perioden einzuteilen. Die er-
ste Periode, das „Werben“, dauerte von 1989 bis
Wie wichtig die Führung und Anreize wa- 1995; die zweite, die der Beitrittsverhandlungen,
ren, mit denen die EU den ehemals kommuni- bis 2003 und die dritte, die der Mitgliedschaft, be-
stischen Beitrittskandidaten bei deren rapiden gann 2004.
institutionellen Veränderung zur Seite stand,
um demokratische Systeme und eine Markt- Bei näherer Betrachtung dieser drei Perioden
wirtschaft nach westlichem Muster aufzubauen, zeigt sich, dass die Beziehungen nicht immer
lässt sich vielleicht am besten anhand eines hi- reibungslos verliefen. Tatsächlich hat die Tsche-
storischen Vergleichs veranschaulichen. Als die chische Republik – aus verschiedenen Gründen –
Tschechoslowakei 1918 aus den Trümmern der eine eher problematische Beziehung zur EU.
Österreichisch-Ungarischen Monarchie gebil-
det wurde, entwickelte sich das Land schnell zu Das Werben
einem demokratischen Staat. Es blieb ein demo-
kratisches Eiland in Mitteleuropa bis 1938 und Die erste Periode fand im Geiste eines post-
musste in einer zunehmend feindlich gesinn- revolutionären Ethos statt, während der die ge-
ten Nachbarschaft um seine Existenz kämpfen. meinsame Idee der „Rückkehr nach Europa“ eine
Letztendlich wurde es hauptsächlich im Zuge der wichtige Rolle spielte. Diese Rückkehr wurde je-
wachsenden Bedeutung Nazi-Deutschlands zer- doch erschwert, weil viele tschechische Politiker
stört. Seine anderen Nachbarn – Polen, Ungarn, fest an eine tschechische Exklusivität glaubten.
25. 24 ZWANZIG JAHRE DANACH
Sie glaubten, die Tschechische Republik sei ideologische Basis verfügten, die ihnen nicht nur
(insbesondere nach der Abspaltung von der Slo- das Recht gab, sich der in ihren Augen herablas-
wakei 1993) wirtschaftlich so viel weiter als ande- senden Einstellung der EU zu widersetzen, son-
re ehemals kommunistische Länder, dass sie eine dern zudem eigene Ideen vorzutragen, wie die EU
Sonderbehandlung der EU verdient hätte. Viele zu funktionieren habe. Klaus’ kritische Haltung
waren auch der Ansicht, die Tschechen seien auf- gegenüber der EU war in der Tschechischen Re-
grund ihrer Demokratie-Erfahrung vor dem Krieg publik und auch international berüchtigt, doch
für eine EU-Mitgliedschaft besser vorbereitet. erst später kritisierte er die EU gelegentlich als bü-
rokratisches, sozialistisch anmutendes Unterneh-
Es kann also gesagt werden, dass in dieser Pe- men, sogar noch bevor die Tschechische Republik
riode ein Zusammenstoß zweier politischer Kul- ihren Weg zur EU-Aufnahme begonnen hatte.
turen stattfand. Auf der einen Seite die nüchterne
Herangehensweise der EU, die ihre Maßstäbe für Eine Reihe von tschechischen Politikern war
neue Mitgliedstaaten nicht herabsetzen wollte, auch der festen Überzeugung, dass die westeu-
aufgrund politisch motivierter Herausforderun- ropäischen EU-Mitgliedstaaten einiges aus der
gen, sich so schnell wie möglich zu erweitern; auf Diktaturerfahrung der jungen Demokratien Mit-
der anderen Seite, die überhöhten Erwartungen telosteuropas lernen konnten. Die Länder der EU
der tschechischen Politiker und Bürger, die von wurden mitunter für ihre vermeintlich lasche und
dem Glauben an ihre eigene Besonderheit beflü- achtlose Haltung gegenüber diverser autoritärer
gelt waren. Bedrohungen kritisiert.
Die eher vorsichtige Haltung der EU bremste Diese „mentale Kluft“ zwischen dem Westen –
diese Erwartungen und führte zur Stärkung einer vorrangig die älteren Mitglieder der EU – und den
nationalistisch orientierten Politik. Mit Sicherheit jungen Demokratien in Mitteleuropa und Osteu-
gehen einige der Probleme im Verhältnis zwi- ropa wurde dadurch noch vertieft, dass Westeu-
schen der EU und der Tschechischen Republik ropa nur wenig Verständnis der Botschaft aus dem
auf diese Zeit zurück, als einige tschechische Poli- Osten gegenüber zeigte, ihre Erfahrungen mit to-
tiker das nationale Gefühl, etwas „Besonderes“ zu talitärer Herrschaft können einen wichtigen Bei-
sein, für ihre Zwecke nutzten und eine schlechte trag dazu leisten, die Demokratie im vermeintlich
Behandlung seitens der EU anprangerten, wenn demokratiemüden Westen aufzufrischen. Osteu-
diese dieselben Maßstäbe für ihr Land wie auch ropa verstand den Westen entweder nicht oder es
für andere ehemals kommunistische Länder an- unterschätzte die Rückständigkeit seiner eigenen
wendete. politischen, rechtlichen und wirtschaftlichen In-
stitutionen nach 40 Jahren Kommunismus.
Besonders der damalige Premierminister Vá-
clav Klaus forderte, dass die Tschechische Repu- Während die EU also auf eine umfassende
blik nahezu sofort in die EU aufgenommen wer- institutionelle Modernisierung der ehemals kom-
den sollte. Von Anfang an wehrte er sich dagegen, munistischen Länder, die auf eine EU-Mitglied-
die ehemaligen kommunistischen Länder als schaft hofften, bestand – was nicht von heute auf
„Schüler“ zu betrachten, die unter der Aufsicht morgen zu bewerkstelligen ist – glaubten einige
Brüssels und der EU-Mitgliedstaaten zunächst dieser Länder, und insbesondere die Tschechi-
ihre Hausaufgaben machen sollten. sche Republik, dass sie diesbezüglich gar nicht
so rückständig seien, wie die EU vorgab und dass
Er stand auch für einen besonderen Aspekt die EU durchaus von ihren Erfahrungen profitie-
der tschechischen Denkweise. Anders als Präsi- ren könne. Im Falle der Tschechischen Republik
dent Václav Havel, der zu Demut gegenüber den wurde diese vermeintlich besondere Erfahrung
weiter entwickelten westlichen Demokratien auf- von Klaus und seinen Kollegen besonders her-
rief, glaubten Klaus und seine neoliberalen Kol- vorgehoben. Sie waren der Überzeugung, dass
legen, dass sie über eine starke intellektuelle und sich nicht nur die Tschechen, sondern auch die
26. ERSTER TEIL Mitteleuropa: die neuen Mitgliedstaaten 25
EU mithilfe des Neoliberalismus gegen die ge- Mitgliedschaft“. Als man in der EU schließlich
fährlichen kommunistischen Tendenzen wapp- über die Verabschiedung einer EU-Verfassung
nen könne. sprach, ging die ODS noch stärker in die Oppo-
sition, stellte sich als Gegner einer weiteren po-
Beitritt litischen Integration der EU dar und sprach sich
gegen eine Verfassung aus.
Auch wenn Klaus das Partnerschaftsabkom-
men zwischen EU und Tschechischer Republik Unterm Strich hatte die EU ihren größten
unterzeichnet hat und Antrag auf die EU-Mit- Einfluss auf die Entwicklung der Tschechischen
gliedschaft stellte, unternahm seine Regierung Republik in den Jahren zwischen 1995 und 2002.
nicht viel, um die Beitrittskriterien zu erfüllen. Auch wenn tschechische Politiker die Notwen-
Diese Haltung beruhte größtenteils auf der be- digkeit einiger der von der EU geforderten Refor-
reits erwähnten Überzeugung, dass die von der men anzweifelten, mussten sie sich schließlich
EU geforderten Reformen im Grunde nicht er- den Forderungen aus Brüssel stellen. Dies ist
forderlich waren. Ende der 1990er Jahre war die auch der tschechischen Zivilbevölkerung zu ver-
Tschechische Republik bezüglich der Erfüllung danken, die mehrheitlich eine EU-Mitgliedschaft
der Mitgliedschaftskriterien an letzter Stelle aller befürwortete.
Beitrittskandidaten.
Die EU bot den Tschechen großzügige Unter-
Klaus war nicht nur darauf bedacht, die an- stützung bei der Reform mehrerer zentraler Be-
geblich herablassende Haltung der EU von sich reiche. In den im Herbst herausgegebenen Jah-
zu weisen, sondern wollte die EU-Beamten noch resberichten der Europäischen Kommission, in
über die Europäische Union belehren. Die oft zi- denen die Fortschritte der Beitrittskandidaten bei
tierte Bemerkung des EU-Kommissars für Erwei- der Erfüllung der erforderlichen Kriterien zusam-
terung, Hans van den Broek, zu Klaus bei einem mengefasst werden, wird die Tschechische Re-
ihrer Treffen, zeigt das Problem deutlich. Van den publik immer wieder für ihre mangelnde Trans-
Broek wies Klaus darauf hin, dass er nicht ver- parenz der Finanzmärkte, die ineffizienten Kon-
gessen solle, dass nicht die EU die Tschechische kursgesetze, den staatlichen Besitz der größten
Republik dabei haben wolle, sondern die Tsche- Banken und die mangelnde Reformbereitschaft
chische Republik die Mitgliedschaft in der EU der Justiz und Verwaltung kritisiert.
anstrebe.
Der sozialdemokratischen Regierung gelang
Nachdem die Sozialdemokraten 1998 an die es, diese Probleme größtenteils zu beheben. Ins-
Regierung gekommen waren, änderte sich die besondere die Wirtschaftsreformen waren Ende
Situation. Die ČSSD9 nutzte die Zeit, um die Bei- 2002 abgeschlossen. Die wichtigsten Banken
trittsverhandlungen voranzutreiben. Die Sozial- wurden privatisiert und ein funktionierender
demokraten hatten auch weitaus weniger Proble- Finanzmarkt, der den EU-Standards bezüglich
me als Klaus damit, die von der EU geforderten Transparenz genügte, war geschaffen worden.
Bedingungen für die Beitrittskandidaten zu ak- Zusammen mit weiteren, von der EU geforderten
zeptieren. Reformen, schufen diese Änderungen ein Klima,
das die Tschechische Republik bereits vor ihrem
Klaus’ ODS-Partei10 nutzte ihre Zeit in der offiziellen Beitritt zur EU zu einem der attraktiv-
Opposition, um ihr euroskeptisches Image aufzu- sten Investitionsziele machte.
bauen. Ihre Haltung gegenüber der EU war nicht
gerade enthusiastisch und beschränkte sich auf 2000 wurde die öffentliche Verwaltung dezen-
Äußerungen wie „es gibt keine Alternative zur tralisiert. Entsprechend den Forderungen der EU
9 âeská strana sociálnû demokratická (Tschechische Sozialdemokratische Partei).
10 Obãanská demokratická strana (Demokratische Bürgerpartei).