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Ft 01.10 coppens
1. MEN & LUXURY
AUS DEM HUT DES
CHRISTOPHE COPPENS
Christophe Coppens ist ein belgischer Designer. Er entwirft Accessoires und
erregte vor ungefähr zehn Jahren erstmals meine Aufmerksamkeit. Text: Alexander R. Moust
Erst kürzlich traf ich ihn wieder und war überrascht von der Meine erste Begegnung mit deiner Arbeit fand zur Jahrtau-
Vielzahl der Kreationen, die er zwischenzeitlich „aus dem Hut sendwende auf einer Modenschau für Hüte in Antwerpen
gezaubert“ hatte. Mittlerweile besitzt Christophe eigene Läden statt. Sie wirkte eher wie eine Las Vegas-Show als eine für
in Brüssel und Tokio und seine Kreationen werden von Pro- Nachwuchsdesigner, die Accessoires entwerfen. Erinnerst
minenten – unter ihnen zahlreiche Künstler – getragen. Ver- du dich daran und in welcher Phase deiner Karriere hast du
spieltheit und Eleganz, gekrönt von schrägem Humor, schei- dich damals befunden?
nen sein Markenzeichen zu sein. Wir verabredeten uns zu
einem Telefoninterview mitten im Dezember – zur Rush Hour. CC: Oh ja! Ich erinnere mich an diesen Abend – es war ziem-
Während wir von A nach B pendeln, unterhalten wir uns über lich hektisch, ja. Zu der Zeit sagten die Leute: 'Dein Theater
das Handy: ist kein Theater, sondern Mode'. Und später sagten sie dann
'Deine Mode ist keine Mode, sondern Theater'. Weil ich nie
Womit hast du dich als Teenager am liebsten beschäftigt? ein vierjähriges Studium zum Üben hatte, wurde ich sofort
mit der Realität konfrontiert – mit einem Geschäft, echten
CC: Ursprünglich wollte ich Schauspieler werden. Und ich tat Banken für die Finanzierung, echten Kunden. Ich wollte immer
auch alles in meiner Macht Stehende, um das zu erreichen - noch einfach alles machen und mir fällt auf, dass ich erst in
über viele Studien und Kurse. Schauspiel, Tanz, Dichtkunst den letzten fünf Jahren begriffen habe, dass das Weglassen
und so weiter. Aber ich fand bald heraus, dass ich mich nicht von Dingen ein wichtiger Faktor ist – die Menge der Akzen-
dirigieren und lenken ließ - ich konnte mich einfach nicht te zu reduzieren oder Dinge wieder zum Ursprung zurück-
gehen lassen. Ich war selbst eher Regisseur. Abgesehen davon zuführen.
interessierten mich am Theater die bildlichen Darstellungen
viel mehr als die Texte. Aus Langeweile gründeten wir eine Ich erkenne in deinen konzeptionellen Arbeiten – nennen
eigene Theatergruppe, für die ich die Accessoires, Dekora- wir sie ruhig Kunstwerke – auch die gleiche verspielte Atti-
tionen und Kostüme entwarf. Zu einem besonderen Anlass tüde wie in deinen tragbaren Werken. Welche Bedeutung
lud ich dann meine Schüler und Kollegen und deren Eltern haben die Begriffe "Humor" und "Spiel" für dich?
ein - und sie kauften all meine Kreationen! Es kamen auch ein
paar Presseleute und urplötzlich wurde ich entdeckt und CC: Ich schätze... Humor ist ein Teil meiner selbst. Am Anfang
bekam eine Menge Aufmerksamkeit. Die Akademie verdon- steht für mich da eine gewisse Tiefe und Auseinandersetzung
nerte mich dann dazu, mich zwischen Theater und Mode zu – recht formal und klassisch. Allerdings gefällt mir die Vor-
entscheiden – ein paar Wochen später eröffnete ich meinen stellung, was wohl passieren mag, wenn ich eine Sache um-
ersten Laden und verließ die Schule. krempele, von links auf rechts drehe. So, als würde man einen
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2. MEN & LUXURY
Siehst du dich selbst - als Mensch oder auch als
Designer - als jemand, der immer in Bewegung ist, sich
Gegenstand in ein und demselben Augenblick "massieren „im Umbruch" befindet?
oder einbalsamieren und traktieren und schlagen". Das ist
auch etwas typisch Belgisches. Bei uns sagt man "dem Ding CC: Im Umbruch... ja, könnte man so sagen. Was mich heut-
fehlt eine Ecke", wenn man ausdrücken möchte, dass es sich zutage nervt, ist, einer Tätigkeit nachzugehen, die dazu ten-
dabei um etwas ganz Besonderes handelt - um etwas mit diert, sich selbst zu wiederholen.
einem besonderen Touch, der der Sache Tiefe verleiht, eine
andere Möglichkeit bietet, sie zu betrachten. Sprichst du davon, ein Gleichgewicht zu finden –
zwischen wirklichem Leben und reiner Kreativität?
Wenn du dich dafür entscheiden könntest, nur noch kon-
zeptionell zu arbeiten – wärst du damit sogar zufriedener CC: Ja, genau das! Die Ausgeglichenheit zwischen der ge-
oder spielt die Tatsache, dass deine Konfektionen und Out- schäftlichen Seite und dem kreativen künstlerischen Schaf-
fits tatsächlich getragen werden – auch von Prominenten fen.
wie Róisín Murphy, Pete Doherty und dergleichen – für dich
eine wichtigere Rolle? Wie sollte sich deiner Meinung nach unsere Vorstellung
von Männerbekleidung in der Zukunft ändern und wie
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CC: Die Prominenten selbst sind eigentlich nicht wirklich wich- trägst du selbst dazu bei?
tig - es schmeichelt nur. Es ist eine gern gesehene Geste und
bringt durch die Medien auch Mehrwert. Aber das Größte für Die Sachen, die ich für Männer kreiere, sind weit weniger ex-
mich ist, tatsächlich etwas zu kreieren. Die Gegenstände zu travagant als meine Entwürfe für Frauen. Design für Männer
erschaffen ist zeitlich betrachtet nur nebensächlich - aber es ist subtil - und so betrachtet interessanter. Wenn man es über-
ist das, was ich wirklich am liebsten tue. treibt, sehen Männer schnell aus wie Cowboys, Machos oder
schrill affektiert. Ich entwerfe sowohl für Männer, die Arma-
Kannst du etwas über deine Beziehung zu Japan und ni, als auch für solche, die Kleidung von Ann Demeulemees-
insbesondere Tokio, wo du einen Laden besitzt, erzählen? ter tragen. Ich finde die meditative Art der Gestaltung für
Männer wesentlich befriedigender und lohnender.
CC: Japan ist so etwas wie meine zweite Heimat – die Men-
schen, die Moral, das Essen, die unterschiedlichen Schichten Christophe, ich danke dir für das Gespräch. Ich will dich
der Dinge. Es ist auch zweischneidig: Die Leute, mit denen nicht länger in Beschlag nehmen - wahrscheinlich ist dir
ich arbeite, haben ein hartes Leben - es ist eine strenge Ge- bereits der Arm eingeschlafen und dir tun die Ohren weh ...
sellschaft. Auch nach 12 Jahren gemeinsamer Arbeit lerne ich
jedes Mal, wenn ich zurückkomme, wieder etwas. Es ist kom- CC: Nein, das geht schon noch – aber meine Hand ist einge-
plex und die japanische Gesellschaft ist sehr vielschichtig. froren!