Innovation und agile Methoden scheitern oft in großen Unternehmen. Die Methoden sind da: Design Thinking , Co-Creation, User Centered Design.
Unternehmenskultur, Hierarchie, Macht und Entscheidungsprozesse vereiteln aber oft/meistens den Projekterfolg.
Ich erläutere die Zusammenhänge und habe ein paar Lösungsvorschläge, die aber teilweise etwas radikal sind.
Für gute digitale Services
20. Es
gibt
ein
paar
Probleme
…
cc via http://en.wikipedia.org/wiki/Machiavellianism
21. „Entwickeln Sie ein Konzept. Das stimmen wir dann
später ab.“
„Beim Kick-off kann ich nur kurz dabei sein.“
Damit ist die Basis für das Scheitern schon
gelegt.
35. eparo GmbH
Manufaktur für digitale Services
Stahltwiete 22
22761 Hamburg
www.eparo.de
Dr. Rolf Schulte Strathaus
rolf.schulte@eparo.de
Notes de l'éditeur
Ich möchte heute etwas über den Kampf der Kulturen in Unternehmen erzählen. Bei digitalen Projekten werden mit innovativen Methoden in crossfunktionalen Teams sehr schnell innovative digitale Services entwickelt. Dann kommt die Abstimmung und Entscheidungsphase. Hier schlägt dann die Hierarchie zu und die Sache geht schief.
Ich will etwas über diese Gegensätze berichten und ein paar Lösungsansätze aufzeigen.
Digital ist die neue Fabrik. Digitale Services sind mindestens der wichtigste Vertriebsweg oder oft sogar der 3er BMW. Also das Produkt. BMW lässt den 3er ja auch nicht von einer Agentur entwickeln.
Kernkompetenz bleibt im Haus. Das kann man draussen auch gar nicht aufbauen. Das ist gerade ein großer Trend. Ich merke das daran, welche Anfragen wir für In-Haus-Schulungen bekommen.
Überall entstehen interne UX-Teams. Ob das so richtig ist, kann man auch lange diskutieren, aber dafür reicht hier die Zeit nicht.
Fakt ist: Ein großer Teil der Kompetenz ist immer im Unternehmen. Und damit treffen zwei Kulturen und Arbeitsweisen aufeinander, die nicht kompatibel sind.
Digitale Services können nicht mit traditionellen Mitteln entwickelt werden.
Gründe dafür
digital ist komplex
Es gibt extrem viele Faktoren, die mit reinspielen (Nutzer, Technik, Legal, Wettbewerb, Produkt, Ressourcen, Zeit…)
digital ist ein Kompromiss
Im Ergebnis entsteht immer ein Kompromiss. Die hohe Kunst ist es, den richtigen Kompromiss zu finden mit den richtigen Prioritäten. Da kommt dann der „Product Owner“ ins Spiel. Bauen wir etwas Tolles für die Kunden oder etwas, das schnell umzusetzen ist. Über Product Owner kann man auch lange sprechen…
digital ist Kunst
Hier wird es jetzt ganz schwierig für die HIPPOs. Letztendlich steckt in den wirklich guten Sachen immer auch ein Schuss Genialität. Das kann man dann nicht mehr rational ableiten. Da muss man einfach dran glauben.
Darum haben Künstler auch keine Abnahme-Meetings.
Das geht leichter, wenn man bei der Entstehung der Idee dabei war. Aus dem Grund gibt es auch so wenig kreative Marketing-Kampagnen. Viele Gewinner goldener Löwen oder ADC-Nägeln sind oft Projekte, die nur deswegen gestartet wurden. Wir machen was richtig kreatives für dich (für umsonst), aber du musst uns auch machen lassen.
Und etwas Diktatur ist auch dabei: Manchmal gibt es ein, zwei Köpfe mit einer sehr klaren Vorstellung über den Service. Die sorgen dann dafür, dass die Richtung beibehalten wird und der Kompromiss sich auf die unvermeidlichen Dinge beschränkt. Das sind die Künstler, die dafür sorgen, dass die ganzen Kompromisse die Grundidee nicht zerstören.
Es gibt auch eine gute Nachricht: Im Prinzip haben wir die Methoden, um schnell gute, innovative digitale Services zu entwickeln. Die ganzen Konferenzen sind inzwischen voll davon.
User Research vor Beginn der eigentlich Konzeption sollte inzwischen zum Standard gehören. Wichtig ist hier die Beobachtung und nicht das Lesen von MaFo-Ergebnissen. Es geht um das eigene Kennenlernen der Menschen, für die man einen Service entwickeln will.
Personas gehören zum etablierten Handwerkszeug im UX-Bereich. Auch hier gilt: Die Personas müssen auf echtem Wissen über die Nutzer basieren - und nicht auf Wunschdenken.
Hier ein kurzes Zeitraffer-Video, wie wir gemeinsam mit einer Probanden ihr konkretes Handeln visualisieren. In diesem Fall die Nutzung von Apps im Zusammenhang mit einer Reise.
Customer Journeys kann man dann auch visualisieren. Hier kommt es auf die richtige Kombination von leichter Verständlichkeit und Detaillierungsgrad an.
Das Bild zeigt das Ergebnis eines Workshop zum Business Model. Wir haben die Business Model Canvas Methodik genutzt, um die Geschäftsidee noch einmal zu schärfen. Wenn hier nämlich schon Unklarheiten sind, wird es danach sonst richtig schwierig.
Design Studios sind unser Mittel der Wahl, um schnell im Team Ideen zu entwickeln. Am Schluss hat man eigentlich immer den Kern der Lösung fertig. Und der sieht immer anders aus, als die initialen Vorstellungen der Teilnehmer.
Das Geheimnis liegt in der Menge der Entwürfe
Manchmal lohnt es sich, die Paper Prototyping noch hübscher zu machen. Damit kann man dann schon erste Feedbackrunden mit den Nutzern drehen.
Der Schlüssel zum Erfolg liegt aber dann darin, möglichst schnell möglichst gute Prototypen zu erstellen und den Nutzern zum Ausprobieren zu geben. Hierbei muss man genau aufpassen, um zu spüren, ob die Idee trägt.
Das ganze geht nur im Team. Das fängt auch an, gut zu funktionieren. Titel und Abteilungszugehörigkeit werden an der Garderobere abgegeben.
Noch ein paar Erfolgskriterien:
Vertrauen
Im Kern ist das Ganze hier ein Plädoyer für mehr Spaß bei der Arbeit. Bereitschaft, für das Team zu arbeiten. Man weiss nicht mehr, von wem die Idee jetzt war.
Infrastruktur
Man muss auch arbeiten können. Dazu braucht es passende Räume, passende Werkzeuge
DU
Ganz wichtig: Ich glaube, mit „Herr Schmidt, können Sie mal die die Wand zur Seite stellen“ und „Gerne, Frau Meier“ wird es schwer…
Man erkennt dann auch die Hierarchien kaum noch.
Im Prinzip sind die Methoden also da.
Entstehen jetzt also nur noch tolle (digitale) Services und alles ist gut?
Oder sind die Methoden nur die netten Spielereien von Hochschulabsolventen, die dann auf Konferenzen vorgestellt werden?
Je größer das Unternehmen und je wichtiger das Projekt, desto eher entstehen grundlegende Probleme. Projekte scheitern und die tollen Methoden führen nicht zu den erwarteten Ergebnissen.
Woran liegt das?
Die Hierarchie schlägt zu. Entscheide halten sich zu Projektbeginn raus und nehmen ihre Entscheidungsmacht dann in Abnahmeterminen wahr.
Das ist der Grundstein für das Scheitern der Projekte.
Mit den neuen Methoden kann es nämlich keine Abnahmen mehr geben:
Je konkreter das Projekt, desto hochkarätiger werden die Abnahme-Meetings. Ganz zum Schluss kommt die große „Jetzt stellen wir es dem Vorstand vor“-Show. Und spätestens da passieren oft schlimme Dinge. Die Entscheidet meinen das auch gar nicht böse. Sie strampeln in ihrem eigenen Hamsterrad und versuchen, dass das Licht immer leuchtet. Darüber zu sprechen führt hier zu weit. Nächstes Jahr…
Wie sollte es laufen?
Der Vorstand oder HIPPO und alle, die sonst immer am Schluss in den Abnahme-Meetings dabei sind, kommen stattdessen zu Projektbeginn zwei Tage im Projekt. Und zwar um gemeinsam zu arbeiten und die Kernidee zu entwickeln. Und natürlich, um den User kennen zu lernen. Wenn die Idee nach ein paar Tagen dann irgendwann steht, kann man schnell den ersten Prototypen bauen und testen. Da sind die Chefs dann auch wieder mit dabei und sehen, was schon funktioniert und überlegen wieder mit, was noch zu ändern ist.
Im Prinzip können die gemeinsam entwickelten Lösungen nicht mehr verändert werden. Es gibt damit keine Abnahmemeetings mehr.
Typische Steuerkreise kann es dann auch nicht mehr geben.
Leider geht es in Unternehmen dann ab einer bestimmten Hierarchiestufe nur noch um eins - um Macht. Die wird nicht einfach so an ein Projekt abgegeben. Man wird ja dafür bezahlt, Entscheidungen zu treffen und zu bestimmen.
Der kleine Bruder der Macht heisst Karriere. Wenn ich aufsteigen will, muss ich meinen Chefs gefallen. Es ist da dann besser, Lösungen zu präsentieren, die erwartungskonform sind. Der Projekt- und Unternehmensnutzen steht da erst an zweiter oder dritter Stelle.
Und natürlich die Unternehmenskultur insgesamt. Die kann man nicht von unten ändern.
Gibt es Hoffnung oder wenigsten Kopfschmerztabletten?
Auf jeden Fall gibt es keine einfachen Lösungen.
Wir müssen anders arbeiten, damit tolle Dinge entstehen, die auch Spaß machen. Dabei geht es um die Art, wie Auftraggeber und Team zusammenarbeitet, um die Arbeit im Team und ganz am Schluss auch um neue/andere Methoden.
Eine Sache, die immer hilft: Die Entscheider mit echten Menschen konfrontieren. Es ist schwer, gegen die Nutzer zu argumentieren. Das können UX-Tests sein oder aber auch die Ergebnisse von a/b-Tests.
Blöd, aber nicht zu ändern: Kleine Pilotprojekte können helfen, um neue Formen der Zusammenarbeit zu demonstrieren. Allerdings kann jeder mühsam erarbeitete Erkenntnisfortschritt wieder zerstört werden. Es braucht bloß ein „reformierter“ Entscheider den Job wechseln. Dann geht die Missionierung von vorne los.
Eine sichere Art, um Aufmerksamkeit zu bekommen: Einfach das Projekt ablehnen, wenn man genau weiss, dass es scheitern muss. Wir sind schließlich dafür bezahlt, um gute, professionelle Arbeit zu machen. Da ist es unsere Pflicht, auf den dafür notwendigen Arbeitsbedingungen zu bestehen.
Und wenn das alles nichts hilft, gibt es da draussen inzwischen jede Menge Unternehmen und Jobs. Wir müssen schlechte Bedingungen nicht mehr tolerieren. Wenn man die Dinge nicht ändern kann, muss man weiterziehen.
Und ich freue mich über Kontakte über die üblichen Kanäle.