1. NEO RAUCH
Biographie
Neo Rauch (* 18. April 1960 in Leipzig) ist ein deutscher Maler, der
international als bedeutender Künstler seiner Generation angesehen wird.
Rauchs Eltern starben am 15. Mai 1960 bei einem Zugunglück. Er wurde zu
den Großeltern gegeben, bei denen er in Aschersleben seine Kindheit
verbrachte. Nach seinem Abitur studierte Rauch ab 1981 an der Leipziger
Hochschule für Grafik und Buchkunst. Von 1986 bis 1990 war er
Meisterschüler bei Professor Bernhart Heising an der Leipziger Akademie.
Nach der Wiedervereinigung arbeitete er von 1993
bis 1998 als Assistent von Arno Rink an der Leipziger
Akademie. Im August 2005 wurde Neo Rauch als
Nachfolger von Arno Rink zum Professor an der
Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst
berufen.
Zusammen mit seiner Frau Rosa Loy lebt und arbeitet
Neo Rauch in einer ehemaligen Fabrikanlage einer
Baumwollspinnerei in der Nähe von Leipzig. Er selbst
sagt:„Es ist der Ort der Konzentration und der
Inspiration. Mir wachsen hier die besten Einfälle zu.“
Eine
Gruppenausstellung 1986 im
Lindenau-Museum sollte den Begin
seiner Kariere darstellen. Im Jahr
1997 erhielt Rauch den Kunstpreis
der Leipziger Volkszeitung und die
damit verbundene Einzelausstellung,
„Randgebiete”, im Museum der
bildenden Künste. Es folgen weitere
Ausstellungen.
Sein bekanntes Gemälde "Etappe" hängt bei Brad Pitt.
2. Stilrichtung
Neo Rauch hat einen nur für sich typischen Stil entwickelt. Seine Kunst ist
gegenständlich und sehr figurativ. In seinen Werken überwiegt eine matt
gebrochene Farbigkeit welche aus seiner Vorliebe für altertümliche
Kinderbücher und der grellen Farbenwelt der Comics entspringt. Des
Weiteren fließen Elemente der Pop-Art ein. Außerdem haben seine Werke
einen erkennbaren sozialistisch-realistischen Tuoch, wahrscheinlich
zurückzuführen auf seine Vergangenheit in der ehemaligen DDR.
Konzeptionell jedoch sind seine Werke eher dem Surrealismus zuzuordnen.
Wiederzuerkennen sind Elemente wie Sprechblase, Pfeile, Rohre, Schnüre,
usw. Es wirkt fast wie das „Aufleben der Farben und Formen der 1960er
Jahre.
An Fotomontagen fast, erinnert das willkürliche Anordnen von Personen
oder Gegenständen, die er verwendet wie Versatzstücke. Wie
schlafwandelnde bewegen sie sich umgebungsunabhängig wie auf
festgelegten Bahnen. Seine Bilder addieren oft mehrere Szenen. Sie tragen
einen ganz eigenen Erzählstiel in sich, der sich nicht nur auf eine Thematik
begrenzt, sondern auch mehrere Szenen
auf einer „Simultanbühne“ darstellt. Es
gibt keine eindeutige Definition. Unter der
asphaltierten Straße ist kein schöner
Strand, und kein drohender Abgrund, nur
schwarze Farbe, platz für Phantasie.
3. Bildanalyse „Füller"
Das Bild „Füller" scheint auf den ersten Blick sehr bewegt. 2 Arbeiter,
gekleidet mit roten Jacken mit der Aufschrift „Werk“, befinden sich
in einem Zimmer mit großem Fenster. Währenddessen einer den
Vorhang zuzieht, versucht ein anderer, weiter im Vordergrund
stehender, etwas aus einer großen Urne in einen Trichter zu füllen.
Im Zentrum steht ein Fernseher dessen Bildschirm viele blaue und
rote Schläuche in den Raum zu spucken scheint. Einer dieser
Schläuche wirkt verbunden mit dem Trichter. Rechts im
Vordergrund sieht man die Kante eines Tisches der mit einer farblich
und vom Motiv her passenden Tischdecke geschmückt ist, darauf
noch knapp zu erkennen eine rote Urne. Die Gardine ist mit dem
gleichen Muster verziert. Darauf dargestellt sind, auch im Zimmer als
Tische wiederzufinden, rote runde Zylinder die sich aus blauem
Hintergrund wiederholen. Vom Zimmer entfernt ist ein leicht
bewachsener Wohnblock durch das große Fenster zu erkennen
Die zwei Personen rechts und links sorgen für ein Gleichgewicht im Bild. Der
Blickfang ist der Fernseher mittig der rechten Seite. Seine Schläuche und
Kabel ziehen sich zu beiden Personen hin über den gesamten unteren Teil
des Bildes. Die drei Zylindertische geben dem Bild eine starke Spannung und
trennen die rechte von der linken Seite farblich ab. Die einzige Bewegung
findet bei den Personen statt.
Gemalt wurde das Werk mit Pinsel und Acrylfarbe auf Leinwand.
Die Farben sind sehr kontrastreich gewählt. Die Urne, sowie der Fernseher
und manche dessen Schläuche, die Hosen der beiden Arbeiter und die
entfernte Häuserfront, ziehen mit ihrem hellen Blau eine Art Strich durch das
Überwiegende Rot der Jacke, der Zylinder, der Gardine, der Tischdecke
und Häuserseite. Im Hintergrund ist die Zimmerwand nur noch mit einem
matten gelb und der Rest mit weißer Fläche zu erkennen. Diese
Farbkonstallation bringt enorme Spannung in das Bild.
Licht und Schatten sind unregelmäßig zu erkennen. Besonders ausgeprägt
sind diese jedoch bei allen Stoffen im Zimmer sowie den Zylindern. Trotzdem
hat das Bild eine starke räumliche Wirkung aufgrund der Wahllos in den
Raum gestellten Gegenständen und dem entfernten Haus im Mittelgrund.
4. Ich interpretiere das Bild als eine Art Kritik am schlechten Programm des
Fernsehens. Die Person auf der rechten Seite stellt das Abschotten von
eigenen und anderen Einflüssen dar, die Konzentration soll einzig und allein
auf das Fernsehprogramm gerichtet sein und sich diesem am voll und ganz
hingeben.
Die Urne auf der linken Seite beinhaltet das stetig gleiche und wenig
variable Fernsehprogramm. Es wird uns auf direktem Wege eingetrichtert
und wirkt wie eine gefährliche Waffe. Was am ende den Fernseher verlässt
ist ein wildes Kauderwelsch der uns die Intelligenz nimmt und die
Katastrophengeilheit fördert, sehr schön zu sehen an den bunt gemischten
Schläuchen die quer durch das Zimmer führen. Jedoch jeder von uns holt
sich diese „Privatverdummung“ direkt in sein Wohnzimmer, ohne darüber
nachzudenken wie schnell ihn seine Fantasie verlässt.
Neo Rauch: „Ich erwarte, oder erhoffe eigentlich, in erster Linie einen
Betrachter, der meine Bilder als Malerei wahrnimmt und reflektiert und nicht
zu sehr, zumindest nicht in erster Linie, als Erzählung, als buchstabierbares
Bilderrätsel, dem man vollständig auf den Grund kommen kann. Ich selbst
verhalte mich ja vor Tintoretto oder Beckmann auch nicht anders. Ich
nehme es als Malerei wahr und will nicht sofort wissen, was passiert dort
eigentlich. Da komm ich bei Tintoretto, aber vor allen Dingen bei
Beckmann, schnell in des Teufelsküche. Weil, wie man ja weiß, auch Max
Beckmann sich seine Bilder von anderen teilweise hat erklären lassen, und
es hat ihm ein großes Vergnügen bereitet, andere in die labyrinthischen
Verzweigungen seines Bildkosmos zu schicken. Das heißt, ausschlaggebend
ist zu guter letzt doch die Frage, wie ist eine wie auch immer geartete
Geschichte ins Bild gesetzt. Wie ist es letzten Endes über das Handwerk
realisiert und welche Wirkung kann es praktisch zwischen den Zeilen des
Textes entfalten. Denn der Text selbst, das sind die Gitterstäbe und dahinter
geht die Bedeutung wie ein Tiger im Käfig auf und ab. So hätte ich es gern.”
5. Zwei Männer in Betrachtung des Flaschenbodens
Friedrich und Heinrich, zwei alt gewordene Brüder stehen am Berg oberhalb
eines Dorfes. Anstrengend war der Weg hier hoch gewesen zu einer kleinen
Lichtung am Wegrand. Es ist später Abend, die Dunkelheit bricht herein. Die
beiden Männer betrachten den Mond und trinken ein Bier.
Friedrich legt Heinrich seine Hand auf die Schulter
„Na, Heinrich, hab' ich dir nicht versprochen, dass wir nochmal hier hoch
kommen?“
„Ja, ja, Friedrich. ... Hilfe.“
„Heute ist vielleicht das letzte Mal. Unser Platz. Wie viele Stunden, Tage,
Wochen ja vielleicht sogar Monate haben wir hier verbracht?“
„Weiß nicht, Friedrich. ... Hilfe.“
„Schau mal da drüben steht unsere Hütte! Oh wie sehr ich diese Hütte
liebte. So schön … abgeschieden, und ihre Farben strahlen so wie zu dem
Zeitpunkt, als wir sie von Großvater übernommen haben.“
„Hilfe.“
„Sie war damals schon an die 200 Jahre alt. Mutter war gar nicht begeistert.
Ich glaube sie hat es ihm nie verziehen,
dass er uns die Hütte für diesen Zweck
gab. Es war unser 21. Geburtstag, als er
mit den vielen Kisten und Schläuchen
kam und sagte: „So Jungs, jetzt seid ihr
dran“.“
„Ja, ja, Friedrich. ... Hilfe.“
„Niemand wird jemals den Wert dieser
Hütte benennen können.“
„Mocken? ...Hilfe.“
„Ja, da haben wir unser Geschäft
gemacht, und zwar so wie es gemacht
werden musste.“
„Hilfe.“
„Meine Güte, ist das schon so lange her.
Aber schau uns an, wir werden alt, die
elektronische Musik hält uns länger jung,
früher oder später werden wir trotzdem
sterben.“
„Ja, ja, Friedrich. ... Hilfe.“
Erinnerst du dich noch an unsere erste Synthese? Wir hatten zu viel
6. Ammoniak im Topf und das Zeug schmeckte grässlich. Niemand wollte es
uns abnehmen, und auch das Coffein half nicht den Phosphorgeschmack
zu überdecken.“
Da unten kommen sie schon. Ich sehe ihre Lampen. Viel Zeit haben wir nicht
mehr. Genieße jede Note, wer weiß, ob wir nochmal die Musik unserer
Jugend spüren. Zum Glück sind die Jungen Leute heute nicht mehr in der
Form wie wir damals. Ich hoffe, sie lassen sich noch ein bisschen Zeit.“
„Zeit.“
„Was meinst du, Heinrich?“
„Hilfe.“
„Denkst du oft an das Mocken? Ich vermisse die lauten Partys, vorwärts
waren wir immer. In den letzten Tagen unseres Erfolges sehr oft. Auch die
Bräute. Für die hätten wir keine Betten gebraucht. Das war manchmal ein
Theater.“
„Ja, ja, Friedrich. ... Hilfe.“
„Jetzt höre ich sie schon. Bald werden sie da sein.“
„Hilfe.“
„Zum Glück haben wir noch das Depot. Und heute können wir nochmal auf
unser Leben schauen, hier drüben liegt es – auf dem Spiegel.“
„Ja, ja, Friedrich. ... Hilfe.“
„Heinrich, heute ist´s unsere 68714., und wir werden uns wie Fürsten die Nase
pudern und mit herausgestreckter Brust zurück in die Anstalt gehen. Da
hinten sind sie schon!“
„Hilfe.“