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Sudanarchäologische Gesellschaft zu Berlin e.V.

            Freitag, 7. Dezember 2007

            Fritz-Hintze-Vorlesung



Hintzes Kategorie der Erzählung im
         Neuägyptischen –
  zwischen Stil und Grammatik.


             Von Helmut Satzinger
Fritz Hintze (1915-1993) hat ein reiches und
wertvolles wissenschaftliches Œuvre
hinterlassen. Seine Interessen waren markant
auf sprachwissenschaftlichem Gebiet:
Ägyptisch und Koptisch.


                Ägyptisch (Auswahl):
                Die Haupttendenzen der ägyptischen Sprachentwicklung,
                  Zeitschrift für Phonetik und allgemeine
                  Sprachwissenschaft 1, Berlin, 1947, 85-108.
                „Konversion“ und „analytische Tendenz“ in der
                  ägyptischen Sprachentwicklung, Zeitschrift für Phonetik
                  und allgemeine Sprachwissenschaft, Berlin 4 (1950), 41-
                  56.
                Überlegungen zur ägyptischen Syntax, Lingua Aegyptia 5
                  (1997), 57-106. (Posthum!)
Neuägyptisch:
Untersuchungen zu Stil und Sprache neuägyptischer Erzählungen, [1./2.
   Lieferung,] Berlin, Akademie-Verlag, 1950/1962 = Deutsche
   Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Institut für Orientforschung.
   Veröffentlichung Nr. 2/6.

Koptische Sprache (Auswahl):
Bemerkungen zur Aspiration der Verschlusslaute im Koptischen, Zeitschrift
    für Phonetik und allgemeine Sprachwissenschaft 1, Berlin, 1947, 199-213.
Ist koptisch sown „wissen“ eine Pielbildung?, MIO 1 (1953), 27-37.
Zur koptischen Phonologie, Enchoria 10 (1980), 23-91.
Eine Klassifizierung der koptischen Dialekte, in: Studien Westendorf, 411-432.


Hamitosemitistik:
Zur hamitosemitischen Wortvergleichung, Zeitschrift für Phonetik und
   allgemeine Sprachwissenschaft, Berlin 5 (1951), 65-87. [Besprechung von
   Marcel Cohen Essai comparatif.]
Seit Mitte der 50er Jahre kamen dazu
Altnubisch und Meroitisch, antike Sprachen
Nubiens und des Sudan, also des Gebietes, in
dem er nunmehr auch als Archäologe tätig
wurde, als Ausgräber der Heiligtümer vom el-
Musawwarât el-Sufra.
Altnubisch
Beobachtungen zur altnubischen Grammatik
—— [I—Il]. Wissenschaftliche Zeitschrift der Humboldt-Universität zu
Berlin 20.3, 1971, 287—293. [I. Die „Partizipien“; II. Die
Genitivpartikeln -n und -na.]
—— [III]. Altorientalische Forschungen 2 (1975) 11—23. [Die
sogenannten „Genera verbi“.]
—— [IV]. Nubia: Récentes recherches. Warschau 1975, 65—69. [Die
Determination.]
—— [V]. Altorientalische Forschungen 5 (1977) 37—43. [Das Futurum.]
—— [VI]. Nubische Studien. Mainz am Rhein 1986, 287—293. [1. Die
allgemeine Struktur des Altnubischen; 2. Grundzüge der
Morphophonologie; 3. Zum Problem der Orthographie.]
Meroitistik
Die sprachliche Stellung des Meroitischen, in: Afrikanistische Studien
Diedrich Westermann zum 80. Geburtstag gewidmet, Berlin, Akademie-
Verlag, 1955, 355-372 = Deutsche Akademie der Wissenschaften zu
Berlin. Institut für Orientforschung, Veröffentlichung Nr. 26, 355-372.
Die Struktur der quot;Deskriptionssätzequot; in den meroitischen Totentextenquot;,
MIO 9 (1963), 1-29.
Some Problems of Meroitic Philology, in: Sudan in Altertum. Berlin 1973,
321-336.
Meroitische Verwandtschaftsbezeichnungen, Meroitic Newsletter 14
(Februar 1974), 30-32.
                                                                     ./.
Die Häufigkeitsverteilung der Deskriptionssätze in den meroitischen
    Totentexten, Meroitic Newsletter No. 17 (Oktober 1976), 11-35 (6 tables,
    2 fig.).
Genetivkonstruktion, Artikel und Nominalsatz im Meroitischen, in: Meroè
    [1977], 22-36.
Beiträge zur meroitischen Grammatik, Berlin 1979, speziell 11-92.
Statistische Beobachtungen zu den meroitischen Opfertafeln und Stelen, in:
    Meroitic Studies. 1982, 123-147.
Zur Interpretation des meroitischen Schriftsystems, Beiträge zur
    Sudanforschung 2 (1987), 41-50.
Meroitisch und Nubisch. Eine vergleichende Studie, Beiträge zur
    Sudanforschung 4 (1989), 95-106.
... antike Sprachen Nubiens und des Sudan, also des Gebietes, in
dem er nunmehr auch als Archäologe tätig wurde, als Ausgräber
der Heiligtümer von Musawwarât el-Sufra.




                Musawwarat 1968. Aufnahme: Ursula Hintze
Exkurs.
 Gerald M. Browne, Introduction to Old Nubian. Berlin 1989.
Vorwort (S. IX):
... I have been continually inspired by Professor Fritz Hintze’s magisterial
Beobachtungen zur altnubischen Gramatik. In addition, I owe Professor Hintze a more
personal debt of gratitude: for it was at his instigation that I was invited to teach Old
Nubian in the fall semester of 1986 at the Humbodt-Universität in Berlin (DDR).
Stimulated by the exciting intellectual environment that he and his colleagues,
Professors Erika Endesfelder, Steffen Wenig and Dr. Jochen Hallof, generously
provided, I was able in the course of my stay in the DDR to marshal the conceptual
forces that inform this grammar.

Gerald M. Browne, ehem. University of Illinois, vor drei Jahren
viel zu früh verstorben, war der führende — praktisch der einzige
— Editor und Grammatiker des Altnubischen. Er verdankte viel
von seinem know how Fritz Hintze.
Hintze und das Neuägyptische
Untersuchungen zu Stil und Sprache neuägyptischer
Erzählungen, [1./2. Lieferung,] Berlin, Akademie-Verlag,
1950/1952 = Deutsche Akademie der Wissenschaften zu
Berlin. Institut für Orientforschung. Veröffentlichung Nr.
2/6.

„Erzählung“ — „Rede“:
„In den vorliegenden Untersuchungen werden die quot;Erzählungquot;
und die innerhalb dieser Erzählung vorkommende quot;Redequot;
getrennt untersucht. Dies schien deswegen notwendig zu sein,
weil sprachlich-stilistisch zwischen quot;Erzählungquot; und quot;Redequot; in
diesen Texten ganz offensichtlich ein wesentlicher Unterschied
besteht...“ (Hintze, Untersuchungen I, Einleitung.)
LILA: Rede            BLAU: Erzählung

Zur Zeit des Pflügens nun sagte sein Bruder zu ihm:
       »Lass ein Paar Ochsen für das Pflügen bereitstellen,
       »denn der Ackerboden ist so weit herausgekommen,
       »dass er gut geeignet für das Pflügen ist!
       »Desgleichen hole auch Getreide auf den Acker,
       »denn wir wollen morgen früh mit dem Pflügen be-
       »ginnen!
So sagte er zu ihm.
Da führte sein jüngerer Bruder alle Aufträge aus,
von denen ihm sein älterer Bruder gesagt hatte:
       »Tue sie!
Und als das Land hell geworden und ein anderer Tag entstanden war,
da gingen sie auf das Feld mit ihrem Getreide
und begannen zu pflügen,
wobei sie über ihren Arbeitsverlauf und (insbesondere) über ihren
       Arbeitsbeginn höchst zufrieden waren.
(Zwei-Brüder-Märchen 2,2-7.)
„Die quot;Erzählungquot; ist im allgemeinen einfache Mitteilung eines
Geschehnisses, in der die objektiven affektfreien Elemente
überwiegen. Bei der Schlichtheit und Anspruchslosigkeit dieser
quot;Erzählungquot; ist hier von vornherein eine gleichförmige
Satzgestaltung zu erwarten. Im Gegensatz dazu überwiegen in der
quot;Redequot; mehr die subjektiven affektischen Elemente; sehr oft
steht die quot;Redequot; im Dienste der Beeinflussung fremden Willens
(Wunsch, Aufforderung, Befehl). (Hintze, ebenda.)


 Da trat der junge Bursche in seinen Stall ein
 und er holte ein großes Gefäß,
 denn er wollte viel Saatgut nehmen;
 und er belud sich mit Gerste und Emmer
 und trug sie hinaus.
 (Zwei-Brüder-Märchen 3,2-4.)
„Ein solcher Funktionsunterschied muß sich aber auch syntaktisch
und stilistisch (z. B. in der Wahl der Satzschemata, der Rede-
wendungen, der einzelnen Ausdrücke und ihrer Verknüpfung)
auswirken und aus diesem Grunde werden Erzählung und Rede hier
getrennt behandelt. Die Untersuchungen selbst werden erweisen, daß
dies berechtigt war, und daß viele Erscheinungen erst auf Grund
dieser Teilung in ihrer Bedeutung ganz erkannt werden konnten.“
(Hintze, ebenda.)

Fußnote:
Diese subjektiven und objektiven Elemente sind in jedem Sprechakt
vermischt enthalten, aber ihr Anteil ist je nach seinem Charakter
verschieden...

Nota bene: Hintze war sich also dessen bewusst, dass seine
Entdeckung eine universelle war; nicht aus Neuägyptische
beschränkt.
Hintze hat mit dieser Präsuppostion die Grundidee der
wahrlich epochalen Behandlung des Themas durch Harald
Weinrich 1964 vorweg genommen:

       Harald Weinrich:
       Tempus. Besprochene und erzählte Welt. (1964.)
       ... und das Gründungsdokument der Textlinguistik, Harald
       Weinrichs für die Literaturwissenschaft wie für die Linguistik
       so unerhört folgenreiche Studie aus dem Jahre 1964. Ein
       Buch, das 1971 grundlegend überarbeitet wurde und bis heute
       nichts von seiner ursprünglichen Frische verloren hat, auf
       angenehm entspannte Weise gelehrt ist und lehrreich,
       stilistisch gewandt, ja meisterlich geschrieben, dabei rasch und
       überzeugend zu Ergebnissen kommend. Eine Offenbarung,
       ein Glücksfall der Wissenschaft.
       (Lutz Hagestedt, http://www.literaturkritik.de/public/
       rezension.php?rez_id=4210&ausgabe=200110)
besprochene Welt. According to Weinrich, one of two distinct and complementary
   categories of textual worlds, comprising such forrns as dialogue, lyric poetry, the
   critical essay, the political memorandum, and the scientific report, and—in
   English—signated by the use of the present, the present perfect, and the future...

besprochene Welt. Nach Weinrich eine der zwei gegensätzlichen
und einander ergänzenden Kategorien von Textwelten; sie umfasst
Formen wie Dialog, lyrische Dichtung, kritischen Essay, politische
Denkschrift und wissenschaftlichen Bericht, und ist gekennzeichnet
durch den Gebrauch des Präsens, des Perfekts und des Futurs...
    ... —as opposed to the ERZÄHLTE WELT (narrated world) category—the
    ADDRESSER and ADDRESSEE are directly linked to and concerned by what is
    described.

... — im Gegensatz zur Kategorie erzählte Welt — Sprecher und
Angesprochener sind mit dem Beschriebenen direkt verbunden
und davon betroffen.
¶Weinrich's distinction between besprochene Welt and erzählte Welt is analogous to
  Benveniste's distinction between DISCOURS and HISTOIRE and is related to
  Hamburger's distinction between AUSSAGE and FIKTIONALES ERZÄHLEN...


¶Weinrichs Unterscheidung zwischen der besprochenen Welt and der
erzählten Welt is analog zu Benvenistes Unterscheidung zwischen
discours and histoire, und sie ist auch verwandt mit Hamburgers
Unterscheidung zwischen Aussage and fiktionalem Erzählen...
(Stichwort “besprochene Welt” in Gerald Prince,
A Dictionary of Narratology. Lincoln & London 2003.)


          Hintzes Rede      ~ Weinrichs besprochene Welt
          Hintzes Erzählung ~ Weinrichs erzählte Welt
Neuägyptische erzählende Verbformen
 Der Monotonie des Stils entspricht eine Monotonie der Formen

Allgemein: iw=f Hr sdm „da hörte er“ (der „Narrativ“)

Nur literarisch:
• Dd.in=f „da sagte er:“ (nur dieses Verb; rein mittelägyptisch)
• wn.in=f Hr sdm „daraufhin hörte er“ (urspr. „da war er beim
     Hören“ — mittelägyptisch „da kam er dazu, zu hören“)
• aHan sdm=f „daraufhin hörte er“ (urspr. „er stand auf und hörte“;
     leicht modifiziertes Mittelägyptisch)
• aHan=f Hr sdm „daraufhin hörte er“ (urspr. „er stand auf beim
     Hören“ — „da begann er zu hören“; mitteläg. sehr selten)
• Sm.t pw i.ir=f „daraufhin ging er“ (urspr. „gehen ist’s, was er
     tat“; leicht modifiziertes Mittelägyptisch)
Die literarischen Erzählformen markieren einen gewissen Absatz;
die allgemeine Erzählform hingegen einen engen Anschluss.


 ij.t pw ir.n nA-n-Hthrjj.t r SA n=f SAjj.t „Daraufhin kamen nun
 die Hathoren, um ihm (sein) Schicksal zu bestimmen,“
                        iw=sn Hr Dd ... „und sie sagten: ...“
(Prinzengeschichte 4,5-6)


                            wn.in As.t Hr iy.t „Daraufhin kam Isis,“


 iw=s (Hr) spr r antj pA-mXnj
 „und sie gelangte zu ‘Anti, dem Fährmann...“
 (Streit v. Horus u. Seth 5,6)
Rein narrative Passagen — dynamische Äußerungen;
zweitrangig (Nebensätze) — auch statische Äußerungen
Hintergrund (backgrounding).


Da wurde ein Streitwagen für ihn angespannt,
    der mit allen Arten von Waffen versehen war,
und ein Bediensteter wurde ihm zur Bedienung gegeben,
er wurde zum östlichen Ufer übergeführt,
und man sagte zu ihm: quot;———quot;,
    wobei sein Windhund mit ihm war;
Er fuhr, seinem Herzen folgend, nordwärts über die Wüste,
    wobei er von allerlei Wild der Wüste lebte.
Endlich gelangte er zum Fürsten von Naharaini —————
(Prinzengeschichte 4, 13—5,3)
Die quot;Erzählungquot; ist hinsichtlich der verwendeten
Verbformen ziemlich monoton. Das kommt daher, dass
quot;Erzählungquot; nur eínen Zeitbezug, und nur eínen Aspekt
kennt.

Das Erzählen läuft ab wie ein Film. Es gibt nur
Geschehen, nur Vorgänge. XY kam, er setzte sich (NB:
nicht er saß, denn das wäre statisch), er sagte ...., YZ
antwortete usw.
Neun quot;Narrativequot; in Folge
(davon 2 im Wert eine Temporalsatzes)
iw ‘-s-t-r-t Hr sdm             und ‘Astarte hörte das, was
    pA-’i-Dd n=s pA-ym            das Meer ihr gesagt hatte,
iw=s Hr fA=s r Sm r-Hr tA-psd.t und sie machte sich auf, zur
                                Neunheit zu gehen,
iw nA-n-aAy.w Hr ptr=s          und die Großen sahen sie*)
iw=sn Hr aHa r-HA.t=s           und sie standen vor ihr auf,
iw nA-n-Srj.w Hr ptr=s          und die Kleinen sahen sie*)
iw=sn Hr sDr Hr X.t=sn          und sie legten sich auf ihren
                                Bauch,
iw.tw Hr rd.t n=s tAy=s-isb.t   und man gab ihr ihren Stuhl,
iw=s Hr Hms                     und sie setzte sich,
iw.tw Hr ms n=s pA-////         und man brachte ihr ihren...
*) Wert eine Temporalsatzes.
Die Abfolge dieser Verbformen wird jedoch gegliedert durch
vorangestellte Temporalausdrücke, die Zeitformeln. In den
neuägyptischen Erzählungen sind diese sehr typisch.

Orb 2,5: xr ir m-xt tA Hd.w sn-nw hrw xpr.w iw=sn Hr
Sm.t r sx.t Xr nAy=sn-pr.t „Nachdem das Land hell geworden
und ein neuer Tag entstanden war, da gingen sie mit ihrem
Saatgaut zum Feld“.
Orb 7,2: xr ir m-xt tA Hd.w sn-nw hrw xpr.w iw pA-Ra Îr-
Axtj Hr wbn iw wa Hr ptr wa im=sn „Nachdem das Land hell
geworden und ein neuer Tag entstanden war, da ging Rê-
Harachte (= der Sonengott = die Sonne) auf, und einer [der
Brüder] erblickte den anderen“.
Orb 16,6: xr ir m-xt tA Hd.w sn-nw hrw xpr.w iw.tw Hr njs
aAb.t aA.t „Nachdem das Land hell geworden und ein neuer Tag
entstanden war, da rief MAN (= der König) ein großes Opfer aus“.
Orb 12,7: xr ir m-xt tA Hd.w sn-nw hrw xpr.w iw Sad pA-aS
iw (I)npw pA-sn aA n B-t Hr aq r pAjj=f-pr „Nachdem das Land
hell geworden und ein neuer Tag entstanden war — nachdem (also)
die Tanne umgeschnitten worden war, trat Anûp, der ältere Bruder
des Bata, in sein Haus ein“.

Pr 4, 11: xr ir nA-hrw.w swA.w Hr-sA nn iw pA-Xrd Hr tnj m
Ha.wt=f nb.wt „Nachdem die Tage darüber vergangen waren, da
wurde der Knabe älter an seinem ganzen Leib“.




 Diese Zeitformeln sind sehr stereotyp — so sehr, dass sie bei
 wörtlichem Verständnis nicht selten sinnlos sind.
Der Anfang des Zwei-Brüder-Märchens enthält eine Milieu-
schilderung, keine Erzählung; dennoch werden Zeitformeln
verwendet:

Es waren einmal zwei Brüder von eíner Mutter und eínem Vater;
der eine hieß Anûp, der andere Bata. Anûp hatte ein Haus und eine
Frau, und sein jüngerer Bruder war bei ihm wie ein Sohn...
Nun war aber sein (=Anûps) jüngerer Bruder (=Bata) ein schöner
junger Mann, dessengleichen es im ganzen Land nicht gab. Es
war die Kraft Gottes in ihm.
Als viele Tage danach vergangen waren —
sein jüngerer Bruder hütete in seiner täglichen Art (immer) das
Vieh und kehrte jeden Abend zu seinem Haus zurück, wobei er mit
jeglichen Pflanzen des Grünlandes beladen war.... und er legte sie
(dann immer) vor seinen älteren Bruder, während der mit seiner
Frau da saß, und er (= Bata) trank und aß und ging täglich hinaus,
um sich inmitten von seinem Vieh im Stall nieder zu legen.
Die Reihe der Erzählformen wird also gegliedert durch einleitende
Adverbialphrasen. Syntaktisch sind es Topikalisierungen,
also vordere Heraushebungen (frontal extrapositions).

Das Ägyptische hat dafür ein eigenes Morphem, nämlich
die Partikel ir.

Am Anfang von zwei der Erzählungen steht das (neu)ägyptische
„Es war einmal...“. Es lautet:

ir ntf — xr.tw — wa-n-...

Die Analyse und Auffassung war lange Zeit umstritten;
vielleicht ist sie es noch heute. Die wesentliche Voraussetzung
für ihr Verständnis ist das Konzept des quot;einteiligen Nominalsatzesquot;,
das wir Sarah Groll verdanken.
Eine Äußerung wie „es ist ein König“ wird ägyptisch von einem
Nominalsatz bestritten; neuägyptisch: wa-n-nswt pAj .
Da das Prädikat ein Nomen ist (wa-n-swt „(ist) ein König“),
und kein Verb (wie „ist“) enthalten ist,
sprechen wir von einem Nominalsatz.

Der Nominalsatz mit dem Subjekt es, also „es ist ein(e) ...“,
verzichtet unter bestimmten Bedingungen aus den Ausdruck
dieses Subjekts (also pAj „es“). In der tatsächlichen sprachlichen
Oberflächenform erscheint lediglich das Prädikat; in unserem Fall:
wa-n-nswt „(ist) ein König“) — „eingliedriger Nominalsatz“.

Nicht verwunderlich, dass das auf Seiten der Übersetzer zu
Missverständnissen geführt hat.
Das neuägyptische „Es war einmal...“ lautet folglich:

      ir ntf — xr.tw — wa-n-nswt...

      „Was es (=unser Thema) betrifft — so sagt man —
      es war ein König, der ...“


Auf die „es-war-einmal“-Formel folgt der Beginn der
Erzählung, bis eine „Zeitformel“ den ersten größeren
Abschnitt markiert. Diese wird von Narrativen (jw=f Hr sdm)
gefolgt. Kleinere Abschnitte werden durch die „literarischen
Narrativformen“ gekennzeichnet.
Anfang der Geschichte vom Prinzen:

                                      Was es/ihn betrifft — es wird gesagt — ,
jr ntf — xr.tw — wa-n-nswt               es war ein König
bw-pwjj msjj n=f sA TAjj              Nicht ist ihm ein Sohn geboren worden.
[........ Hr] dbH n=f Srj m-a ntr.w   Da erbat er sich ein Kind von den
    n hAw=f                              Göttern seines Bereiches.
jw=sn Hr wD djt msjj.t n=f            Da befahlen sie, dass ihm eine Geburt
                                         gewährt werde.
jw=f Hr sdr Hna tAjj=f-Hm.t m pA-     Da schlief er in der Nacht mit seiner
   grH                                   Frau.
jst [sw Hr (?)] jwr                   Nun aber wurde sie schwanger.
skm=s Abd.w n ms.t                    Nachdem sie die Monate des Gebärens
                                         vollendet hatte
aHa.n msjj wa-n-sA TAjj               da wurde ein Sohn geboren.
jj.t pw jr.n nA-n-HtHrjj.wt           Daraufhin kamen die Hathoren
r SA n=f SAjj                         um ihm das Schicksal zu bestimmen,
jw=sn Hr dd                           und sie sagten:
mwt=f m pA-msH m-r-pw pA-HfAw         „Er wird durch das Krokodil sterben,
(m) mit.t pA-iw                          oder die Schlange
                                      (oder) auch den Hund!“
Jan. 1986 im „Wörterbuch“
Fritz Hintze und ich — neuägyptisch




           Jan. 1986 im „Wörterbuch“
Hintzes neuägyptische Studien erfolgten in den späten 40er
Jahren.

Meine eigenen neuägyptischen Studien hingegen in der Mitte
der 70er Jahr.

Neue Situation:
H. J. Polotskys Erkenntnisse zu den Zweiten Tempora
und den Emphatischen Formen waren fürs Neuägyptische
rezipiert.

Jaroslav Černý hatte das Neuägyptische im engeren Sinn von
anderen Idiomen der fraglichen Periode abgegrenzt: es liegt
v.a. in den nichtliterarischen Texten der 20. Dynastie vor.
Meine eigene Zielvorstellung: durch strukturalistische Analyse des
neuägyptischen Materials das inhärente Tempussystem des Verbs
heraus zu arbeiten.

Die Vorgabe: das quot;koptische Konjugationssystem“, wie es
Polotsky 1960 dargestellt hat.



Im Rückblick bin ich sicher, dass mir das nur gelingen konnte,
weil ich Hintzes Dichotomie Rede — Erzählung meinen
Analysen zugrunde legte.
Wien 1976
Mein neuäg. Tempussystem
                            stark vereinfacht

Primäre Tempora                 Sekundäre Tempora
Perfekt                         Plusquamperfekt
transitiv
TAj=j ich habe genommen         wn TAj=j ich hatte genommen
intransitiv
tw=j ij.kw ich bin gekommen wn=j ij.kw ich war gekommen

Präsens/Aorist                  Imperfekt
tw=j Hr TAj.t ich nehme         wn=j Hr TAj.t ich pflegte zu nehmen

Futurum                       Futurum in præterito
iw=j r TAj.t ich werde nehmen wn=j r TAj.t
                              ich war im Begriff zu nehmen

              Nur „Rede“!
„Erzählung“:
Abgeleitet von: Präsens/Aorist tw=j Hr TAj.t ich nehme


Narrativ
iw=j Hr TAj.t da nahm ich / und ich nahm
Literarische Narrativformen (alle: daraufhin nahm ich)
wn.in=j Hr TAj.t
aHan=j Hr TAj.t
aHan TAj=j
Usw.
Vorzeitigkeit: iw plus PERFEKT
iw TAj=j nachdem ich genommen hatte
iw=j Smj.kw nachdem ich gegangen war
Die Dichotomie Rede — Erzählung im Neuägyptischen
war freilich nur ein Gebiet von vielen,
auf denen mir Fritz Hintzes Arbeiten
von größtem Wert und Interesse waren,
andere Gebiete waren vor allem:

Ägyptisch — Koptisch —Altnubisch — Meroitisch
Statistik in der Linguistik.

Ich verdanke ihm sehr viel.

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Hintzes Kategorie der Erzählung im Neuägyptischen – zwischen Stil und Grammatik.

  • 1. Sudanarchäologische Gesellschaft zu Berlin e.V. Freitag, 7. Dezember 2007 Fritz-Hintze-Vorlesung Hintzes Kategorie der Erzählung im Neuägyptischen – zwischen Stil und Grammatik. Von Helmut Satzinger
  • 2. Fritz Hintze (1915-1993) hat ein reiches und wertvolles wissenschaftliches Œuvre hinterlassen. Seine Interessen waren markant auf sprachwissenschaftlichem Gebiet: Ägyptisch und Koptisch. Ägyptisch (Auswahl): Die Haupttendenzen der ägyptischen Sprachentwicklung, Zeitschrift für Phonetik und allgemeine Sprachwissenschaft 1, Berlin, 1947, 85-108. „Konversion“ und „analytische Tendenz“ in der ägyptischen Sprachentwicklung, Zeitschrift für Phonetik und allgemeine Sprachwissenschaft, Berlin 4 (1950), 41- 56. Überlegungen zur ägyptischen Syntax, Lingua Aegyptia 5 (1997), 57-106. (Posthum!)
  • 3. Neuägyptisch: Untersuchungen zu Stil und Sprache neuägyptischer Erzählungen, [1./2. Lieferung,] Berlin, Akademie-Verlag, 1950/1962 = Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Institut für Orientforschung. Veröffentlichung Nr. 2/6. Koptische Sprache (Auswahl): Bemerkungen zur Aspiration der Verschlusslaute im Koptischen, Zeitschrift für Phonetik und allgemeine Sprachwissenschaft 1, Berlin, 1947, 199-213. Ist koptisch sown „wissen“ eine Pielbildung?, MIO 1 (1953), 27-37. Zur koptischen Phonologie, Enchoria 10 (1980), 23-91. Eine Klassifizierung der koptischen Dialekte, in: Studien Westendorf, 411-432. Hamitosemitistik: Zur hamitosemitischen Wortvergleichung, Zeitschrift für Phonetik und allgemeine Sprachwissenschaft, Berlin 5 (1951), 65-87. [Besprechung von Marcel Cohen Essai comparatif.]
  • 4. Seit Mitte der 50er Jahre kamen dazu Altnubisch und Meroitisch, antike Sprachen Nubiens und des Sudan, also des Gebietes, in dem er nunmehr auch als Archäologe tätig wurde, als Ausgräber der Heiligtümer vom el- Musawwarât el-Sufra.
  • 5. Altnubisch Beobachtungen zur altnubischen Grammatik —— [I—Il]. Wissenschaftliche Zeitschrift der Humboldt-Universität zu Berlin 20.3, 1971, 287—293. [I. Die „Partizipien“; II. Die Genitivpartikeln -n und -na.] —— [III]. Altorientalische Forschungen 2 (1975) 11—23. [Die sogenannten „Genera verbi“.] —— [IV]. Nubia: Récentes recherches. Warschau 1975, 65—69. [Die Determination.] —— [V]. Altorientalische Forschungen 5 (1977) 37—43. [Das Futurum.] —— [VI]. Nubische Studien. Mainz am Rhein 1986, 287—293. [1. Die allgemeine Struktur des Altnubischen; 2. Grundzüge der Morphophonologie; 3. Zum Problem der Orthographie.]
  • 6. Meroitistik Die sprachliche Stellung des Meroitischen, in: Afrikanistische Studien Diedrich Westermann zum 80. Geburtstag gewidmet, Berlin, Akademie- Verlag, 1955, 355-372 = Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Institut für Orientforschung, Veröffentlichung Nr. 26, 355-372. Die Struktur der quot;Deskriptionssätzequot; in den meroitischen Totentextenquot;, MIO 9 (1963), 1-29. Some Problems of Meroitic Philology, in: Sudan in Altertum. Berlin 1973, 321-336. Meroitische Verwandtschaftsbezeichnungen, Meroitic Newsletter 14 (Februar 1974), 30-32. ./.
  • 7. Die Häufigkeitsverteilung der Deskriptionssätze in den meroitischen Totentexten, Meroitic Newsletter No. 17 (Oktober 1976), 11-35 (6 tables, 2 fig.). Genetivkonstruktion, Artikel und Nominalsatz im Meroitischen, in: Meroè [1977], 22-36. Beiträge zur meroitischen Grammatik, Berlin 1979, speziell 11-92. Statistische Beobachtungen zu den meroitischen Opfertafeln und Stelen, in: Meroitic Studies. 1982, 123-147. Zur Interpretation des meroitischen Schriftsystems, Beiträge zur Sudanforschung 2 (1987), 41-50. Meroitisch und Nubisch. Eine vergleichende Studie, Beiträge zur Sudanforschung 4 (1989), 95-106.
  • 8. ... antike Sprachen Nubiens und des Sudan, also des Gebietes, in dem er nunmehr auch als Archäologe tätig wurde, als Ausgräber der Heiligtümer von Musawwarât el-Sufra. Musawwarat 1968. Aufnahme: Ursula Hintze
  • 9. Exkurs. Gerald M. Browne, Introduction to Old Nubian. Berlin 1989. Vorwort (S. IX): ... I have been continually inspired by Professor Fritz Hintze’s magisterial Beobachtungen zur altnubischen Gramatik. In addition, I owe Professor Hintze a more personal debt of gratitude: for it was at his instigation that I was invited to teach Old Nubian in the fall semester of 1986 at the Humbodt-Universität in Berlin (DDR). Stimulated by the exciting intellectual environment that he and his colleagues, Professors Erika Endesfelder, Steffen Wenig and Dr. Jochen Hallof, generously provided, I was able in the course of my stay in the DDR to marshal the conceptual forces that inform this grammar. Gerald M. Browne, ehem. University of Illinois, vor drei Jahren viel zu früh verstorben, war der führende — praktisch der einzige — Editor und Grammatiker des Altnubischen. Er verdankte viel von seinem know how Fritz Hintze.
  • 10. Hintze und das Neuägyptische Untersuchungen zu Stil und Sprache neuägyptischer Erzählungen, [1./2. Lieferung,] Berlin, Akademie-Verlag, 1950/1952 = Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Institut für Orientforschung. Veröffentlichung Nr. 2/6. „Erzählung“ — „Rede“: „In den vorliegenden Untersuchungen werden die quot;Erzählungquot; und die innerhalb dieser Erzählung vorkommende quot;Redequot; getrennt untersucht. Dies schien deswegen notwendig zu sein, weil sprachlich-stilistisch zwischen quot;Erzählungquot; und quot;Redequot; in diesen Texten ganz offensichtlich ein wesentlicher Unterschied besteht...“ (Hintze, Untersuchungen I, Einleitung.)
  • 11. LILA: Rede BLAU: Erzählung Zur Zeit des Pflügens nun sagte sein Bruder zu ihm: »Lass ein Paar Ochsen für das Pflügen bereitstellen, »denn der Ackerboden ist so weit herausgekommen, »dass er gut geeignet für das Pflügen ist! »Desgleichen hole auch Getreide auf den Acker, »denn wir wollen morgen früh mit dem Pflügen be- »ginnen! So sagte er zu ihm. Da führte sein jüngerer Bruder alle Aufträge aus, von denen ihm sein älterer Bruder gesagt hatte: »Tue sie! Und als das Land hell geworden und ein anderer Tag entstanden war, da gingen sie auf das Feld mit ihrem Getreide und begannen zu pflügen, wobei sie über ihren Arbeitsverlauf und (insbesondere) über ihren Arbeitsbeginn höchst zufrieden waren. (Zwei-Brüder-Märchen 2,2-7.)
  • 12. „Die quot;Erzählungquot; ist im allgemeinen einfache Mitteilung eines Geschehnisses, in der die objektiven affektfreien Elemente überwiegen. Bei der Schlichtheit und Anspruchslosigkeit dieser quot;Erzählungquot; ist hier von vornherein eine gleichförmige Satzgestaltung zu erwarten. Im Gegensatz dazu überwiegen in der quot;Redequot; mehr die subjektiven affektischen Elemente; sehr oft steht die quot;Redequot; im Dienste der Beeinflussung fremden Willens (Wunsch, Aufforderung, Befehl). (Hintze, ebenda.) Da trat der junge Bursche in seinen Stall ein und er holte ein großes Gefäß, denn er wollte viel Saatgut nehmen; und er belud sich mit Gerste und Emmer und trug sie hinaus. (Zwei-Brüder-Märchen 3,2-4.)
  • 13. „Ein solcher Funktionsunterschied muß sich aber auch syntaktisch und stilistisch (z. B. in der Wahl der Satzschemata, der Rede- wendungen, der einzelnen Ausdrücke und ihrer Verknüpfung) auswirken und aus diesem Grunde werden Erzählung und Rede hier getrennt behandelt. Die Untersuchungen selbst werden erweisen, daß dies berechtigt war, und daß viele Erscheinungen erst auf Grund dieser Teilung in ihrer Bedeutung ganz erkannt werden konnten.“ (Hintze, ebenda.) Fußnote: Diese subjektiven und objektiven Elemente sind in jedem Sprechakt vermischt enthalten, aber ihr Anteil ist je nach seinem Charakter verschieden... Nota bene: Hintze war sich also dessen bewusst, dass seine Entdeckung eine universelle war; nicht aus Neuägyptische beschränkt.
  • 14. Hintze hat mit dieser Präsuppostion die Grundidee der wahrlich epochalen Behandlung des Themas durch Harald Weinrich 1964 vorweg genommen: Harald Weinrich: Tempus. Besprochene und erzählte Welt. (1964.) ... und das Gründungsdokument der Textlinguistik, Harald Weinrichs für die Literaturwissenschaft wie für die Linguistik so unerhört folgenreiche Studie aus dem Jahre 1964. Ein Buch, das 1971 grundlegend überarbeitet wurde und bis heute nichts von seiner ursprünglichen Frische verloren hat, auf angenehm entspannte Weise gelehrt ist und lehrreich, stilistisch gewandt, ja meisterlich geschrieben, dabei rasch und überzeugend zu Ergebnissen kommend. Eine Offenbarung, ein Glücksfall der Wissenschaft. (Lutz Hagestedt, http://www.literaturkritik.de/public/ rezension.php?rez_id=4210&ausgabe=200110)
  • 15. besprochene Welt. According to Weinrich, one of two distinct and complementary categories of textual worlds, comprising such forrns as dialogue, lyric poetry, the critical essay, the political memorandum, and the scientific report, and—in English—signated by the use of the present, the present perfect, and the future... besprochene Welt. Nach Weinrich eine der zwei gegensätzlichen und einander ergänzenden Kategorien von Textwelten; sie umfasst Formen wie Dialog, lyrische Dichtung, kritischen Essay, politische Denkschrift und wissenschaftlichen Bericht, und ist gekennzeichnet durch den Gebrauch des Präsens, des Perfekts und des Futurs... ... —as opposed to the ERZÄHLTE WELT (narrated world) category—the ADDRESSER and ADDRESSEE are directly linked to and concerned by what is described. ... — im Gegensatz zur Kategorie erzählte Welt — Sprecher und Angesprochener sind mit dem Beschriebenen direkt verbunden und davon betroffen.
  • 16. ¶Weinrich's distinction between besprochene Welt and erzählte Welt is analogous to Benveniste's distinction between DISCOURS and HISTOIRE and is related to Hamburger's distinction between AUSSAGE and FIKTIONALES ERZÄHLEN... ¶Weinrichs Unterscheidung zwischen der besprochenen Welt and der erzählten Welt is analog zu Benvenistes Unterscheidung zwischen discours and histoire, und sie ist auch verwandt mit Hamburgers Unterscheidung zwischen Aussage and fiktionalem Erzählen... (Stichwort “besprochene Welt” in Gerald Prince, A Dictionary of Narratology. Lincoln & London 2003.) Hintzes Rede ~ Weinrichs besprochene Welt Hintzes Erzählung ~ Weinrichs erzählte Welt
  • 17. Neuägyptische erzählende Verbformen Der Monotonie des Stils entspricht eine Monotonie der Formen Allgemein: iw=f Hr sdm „da hörte er“ (der „Narrativ“) Nur literarisch: • Dd.in=f „da sagte er:“ (nur dieses Verb; rein mittelägyptisch) • wn.in=f Hr sdm „daraufhin hörte er“ (urspr. „da war er beim Hören“ — mittelägyptisch „da kam er dazu, zu hören“) • aHan sdm=f „daraufhin hörte er“ (urspr. „er stand auf und hörte“; leicht modifiziertes Mittelägyptisch) • aHan=f Hr sdm „daraufhin hörte er“ (urspr. „er stand auf beim Hören“ — „da begann er zu hören“; mitteläg. sehr selten) • Sm.t pw i.ir=f „daraufhin ging er“ (urspr. „gehen ist’s, was er tat“; leicht modifiziertes Mittelägyptisch)
  • 18. Die literarischen Erzählformen markieren einen gewissen Absatz; die allgemeine Erzählform hingegen einen engen Anschluss. ij.t pw ir.n nA-n-Hthrjj.t r SA n=f SAjj.t „Daraufhin kamen nun die Hathoren, um ihm (sein) Schicksal zu bestimmen,“ iw=sn Hr Dd ... „und sie sagten: ...“ (Prinzengeschichte 4,5-6) wn.in As.t Hr iy.t „Daraufhin kam Isis,“ iw=s (Hr) spr r antj pA-mXnj „und sie gelangte zu ‘Anti, dem Fährmann...“ (Streit v. Horus u. Seth 5,6)
  • 19. Rein narrative Passagen — dynamische Äußerungen; zweitrangig (Nebensätze) — auch statische Äußerungen Hintergrund (backgrounding). Da wurde ein Streitwagen für ihn angespannt, der mit allen Arten von Waffen versehen war, und ein Bediensteter wurde ihm zur Bedienung gegeben, er wurde zum östlichen Ufer übergeführt, und man sagte zu ihm: quot;———quot;, wobei sein Windhund mit ihm war; Er fuhr, seinem Herzen folgend, nordwärts über die Wüste, wobei er von allerlei Wild der Wüste lebte. Endlich gelangte er zum Fürsten von Naharaini ————— (Prinzengeschichte 4, 13—5,3)
  • 20. Die quot;Erzählungquot; ist hinsichtlich der verwendeten Verbformen ziemlich monoton. Das kommt daher, dass quot;Erzählungquot; nur eínen Zeitbezug, und nur eínen Aspekt kennt. Das Erzählen läuft ab wie ein Film. Es gibt nur Geschehen, nur Vorgänge. XY kam, er setzte sich (NB: nicht er saß, denn das wäre statisch), er sagte ...., YZ antwortete usw.
  • 21. Neun quot;Narrativequot; in Folge (davon 2 im Wert eine Temporalsatzes) iw ‘-s-t-r-t Hr sdm und ‘Astarte hörte das, was pA-’i-Dd n=s pA-ym das Meer ihr gesagt hatte, iw=s Hr fA=s r Sm r-Hr tA-psd.t und sie machte sich auf, zur Neunheit zu gehen, iw nA-n-aAy.w Hr ptr=s und die Großen sahen sie*) iw=sn Hr aHa r-HA.t=s und sie standen vor ihr auf, iw nA-n-Srj.w Hr ptr=s und die Kleinen sahen sie*) iw=sn Hr sDr Hr X.t=sn und sie legten sich auf ihren Bauch, iw.tw Hr rd.t n=s tAy=s-isb.t und man gab ihr ihren Stuhl, iw=s Hr Hms und sie setzte sich, iw.tw Hr ms n=s pA-//// und man brachte ihr ihren... *) Wert eine Temporalsatzes.
  • 22. Die Abfolge dieser Verbformen wird jedoch gegliedert durch vorangestellte Temporalausdrücke, die Zeitformeln. In den neuägyptischen Erzählungen sind diese sehr typisch. Orb 2,5: xr ir m-xt tA Hd.w sn-nw hrw xpr.w iw=sn Hr Sm.t r sx.t Xr nAy=sn-pr.t „Nachdem das Land hell geworden und ein neuer Tag entstanden war, da gingen sie mit ihrem Saatgaut zum Feld“. Orb 7,2: xr ir m-xt tA Hd.w sn-nw hrw xpr.w iw pA-Ra Îr- Axtj Hr wbn iw wa Hr ptr wa im=sn „Nachdem das Land hell geworden und ein neuer Tag entstanden war, da ging Rê- Harachte (= der Sonengott = die Sonne) auf, und einer [der Brüder] erblickte den anderen“. Orb 16,6: xr ir m-xt tA Hd.w sn-nw hrw xpr.w iw.tw Hr njs aAb.t aA.t „Nachdem das Land hell geworden und ein neuer Tag entstanden war, da rief MAN (= der König) ein großes Opfer aus“.
  • 23. Orb 12,7: xr ir m-xt tA Hd.w sn-nw hrw xpr.w iw Sad pA-aS iw (I)npw pA-sn aA n B-t Hr aq r pAjj=f-pr „Nachdem das Land hell geworden und ein neuer Tag entstanden war — nachdem (also) die Tanne umgeschnitten worden war, trat Anûp, der ältere Bruder des Bata, in sein Haus ein“. Pr 4, 11: xr ir nA-hrw.w swA.w Hr-sA nn iw pA-Xrd Hr tnj m Ha.wt=f nb.wt „Nachdem die Tage darüber vergangen waren, da wurde der Knabe älter an seinem ganzen Leib“. Diese Zeitformeln sind sehr stereotyp — so sehr, dass sie bei wörtlichem Verständnis nicht selten sinnlos sind.
  • 24. Der Anfang des Zwei-Brüder-Märchens enthält eine Milieu- schilderung, keine Erzählung; dennoch werden Zeitformeln verwendet: Es waren einmal zwei Brüder von eíner Mutter und eínem Vater; der eine hieß Anûp, der andere Bata. Anûp hatte ein Haus und eine Frau, und sein jüngerer Bruder war bei ihm wie ein Sohn... Nun war aber sein (=Anûps) jüngerer Bruder (=Bata) ein schöner junger Mann, dessengleichen es im ganzen Land nicht gab. Es war die Kraft Gottes in ihm. Als viele Tage danach vergangen waren — sein jüngerer Bruder hütete in seiner täglichen Art (immer) das Vieh und kehrte jeden Abend zu seinem Haus zurück, wobei er mit jeglichen Pflanzen des Grünlandes beladen war.... und er legte sie (dann immer) vor seinen älteren Bruder, während der mit seiner Frau da saß, und er (= Bata) trank und aß und ging täglich hinaus, um sich inmitten von seinem Vieh im Stall nieder zu legen.
  • 25. Die Reihe der Erzählformen wird also gegliedert durch einleitende Adverbialphrasen. Syntaktisch sind es Topikalisierungen, also vordere Heraushebungen (frontal extrapositions). Das Ägyptische hat dafür ein eigenes Morphem, nämlich die Partikel ir. Am Anfang von zwei der Erzählungen steht das (neu)ägyptische „Es war einmal...“. Es lautet: ir ntf — xr.tw — wa-n-... Die Analyse und Auffassung war lange Zeit umstritten; vielleicht ist sie es noch heute. Die wesentliche Voraussetzung für ihr Verständnis ist das Konzept des quot;einteiligen Nominalsatzesquot;, das wir Sarah Groll verdanken.
  • 26. Eine Äußerung wie „es ist ein König“ wird ägyptisch von einem Nominalsatz bestritten; neuägyptisch: wa-n-nswt pAj . Da das Prädikat ein Nomen ist (wa-n-swt „(ist) ein König“), und kein Verb (wie „ist“) enthalten ist, sprechen wir von einem Nominalsatz. Der Nominalsatz mit dem Subjekt es, also „es ist ein(e) ...“, verzichtet unter bestimmten Bedingungen aus den Ausdruck dieses Subjekts (also pAj „es“). In der tatsächlichen sprachlichen Oberflächenform erscheint lediglich das Prädikat; in unserem Fall: wa-n-nswt „(ist) ein König“) — „eingliedriger Nominalsatz“. Nicht verwunderlich, dass das auf Seiten der Übersetzer zu Missverständnissen geführt hat.
  • 27. Das neuägyptische „Es war einmal...“ lautet folglich: ir ntf — xr.tw — wa-n-nswt... „Was es (=unser Thema) betrifft — so sagt man — es war ein König, der ...“ Auf die „es-war-einmal“-Formel folgt der Beginn der Erzählung, bis eine „Zeitformel“ den ersten größeren Abschnitt markiert. Diese wird von Narrativen (jw=f Hr sdm) gefolgt. Kleinere Abschnitte werden durch die „literarischen Narrativformen“ gekennzeichnet.
  • 28. Anfang der Geschichte vom Prinzen: Was es/ihn betrifft — es wird gesagt — , jr ntf — xr.tw — wa-n-nswt es war ein König bw-pwjj msjj n=f sA TAjj Nicht ist ihm ein Sohn geboren worden. [........ Hr] dbH n=f Srj m-a ntr.w Da erbat er sich ein Kind von den n hAw=f Göttern seines Bereiches. jw=sn Hr wD djt msjj.t n=f Da befahlen sie, dass ihm eine Geburt gewährt werde. jw=f Hr sdr Hna tAjj=f-Hm.t m pA- Da schlief er in der Nacht mit seiner grH Frau. jst [sw Hr (?)] jwr Nun aber wurde sie schwanger. skm=s Abd.w n ms.t Nachdem sie die Monate des Gebärens vollendet hatte aHa.n msjj wa-n-sA TAjj da wurde ein Sohn geboren. jj.t pw jr.n nA-n-HtHrjj.wt Daraufhin kamen die Hathoren r SA n=f SAjj um ihm das Schicksal zu bestimmen, jw=sn Hr dd und sie sagten: mwt=f m pA-msH m-r-pw pA-HfAw „Er wird durch das Krokodil sterben, (m) mit.t pA-iw oder die Schlange (oder) auch den Hund!“
  • 29. Jan. 1986 im „Wörterbuch“
  • 30. Fritz Hintze und ich — neuägyptisch Jan. 1986 im „Wörterbuch“
  • 31. Hintzes neuägyptische Studien erfolgten in den späten 40er Jahren. Meine eigenen neuägyptischen Studien hingegen in der Mitte der 70er Jahr. Neue Situation: H. J. Polotskys Erkenntnisse zu den Zweiten Tempora und den Emphatischen Formen waren fürs Neuägyptische rezipiert. Jaroslav Černý hatte das Neuägyptische im engeren Sinn von anderen Idiomen der fraglichen Periode abgegrenzt: es liegt v.a. in den nichtliterarischen Texten der 20. Dynastie vor.
  • 32. Meine eigene Zielvorstellung: durch strukturalistische Analyse des neuägyptischen Materials das inhärente Tempussystem des Verbs heraus zu arbeiten. Die Vorgabe: das quot;koptische Konjugationssystem“, wie es Polotsky 1960 dargestellt hat. Im Rückblick bin ich sicher, dass mir das nur gelingen konnte, weil ich Hintzes Dichotomie Rede — Erzählung meinen Analysen zugrunde legte.
  • 34. Mein neuäg. Tempussystem stark vereinfacht Primäre Tempora Sekundäre Tempora Perfekt Plusquamperfekt transitiv TAj=j ich habe genommen wn TAj=j ich hatte genommen intransitiv tw=j ij.kw ich bin gekommen wn=j ij.kw ich war gekommen Präsens/Aorist Imperfekt tw=j Hr TAj.t ich nehme wn=j Hr TAj.t ich pflegte zu nehmen Futurum Futurum in præterito iw=j r TAj.t ich werde nehmen wn=j r TAj.t ich war im Begriff zu nehmen Nur „Rede“!
  • 35. „Erzählung“: Abgeleitet von: Präsens/Aorist tw=j Hr TAj.t ich nehme Narrativ iw=j Hr TAj.t da nahm ich / und ich nahm Literarische Narrativformen (alle: daraufhin nahm ich) wn.in=j Hr TAj.t aHan=j Hr TAj.t aHan TAj=j Usw. Vorzeitigkeit: iw plus PERFEKT iw TAj=j nachdem ich genommen hatte iw=j Smj.kw nachdem ich gegangen war
  • 36. Die Dichotomie Rede — Erzählung im Neuägyptischen war freilich nur ein Gebiet von vielen, auf denen mir Fritz Hintzes Arbeiten von größtem Wert und Interesse waren, andere Gebiete waren vor allem: Ägyptisch — Koptisch —Altnubisch — Meroitisch Statistik in der Linguistik. Ich verdanke ihm sehr viel.