Anwesenheitspflicht an der Universität Rostock - Auswertung der Studierendenbefragung Juli 2011
1. Anwesenheitspflicht
an der Universität Rostock
- Auswertung der
Studierendenbefragung
Juli 2011
Autoren: Falko Tesch
Florian Fröhlich
Marcus Sümnick
Robert Thomas
2. Methodik te die Umfrage nur zwischen zwei
und vier Antworten am Tag.
Die Umfrage wurde vom 15. bis Als Grundgesamtheit wird die
22. Juni mit den Mitgliedern des Angabe des Wahlamtes genutzt,
StuRa/AStA getestet. Insgesamt welche sich auf die wahlberechtig-
sieben Umfragen mit gleichem ten Studierenden am 1. Juni 2011
Inhalt wurden über das Programm an der Universität Rostock bezieht.
Evasys geschaltet. Für vier davon Demnach sind 12.713 für die Wahl
wurden die betreffenden Personen zum akademischen Senat regist-
am 30. Juni, für weitere drei am riert. Die übrigen 1293 Personen
1. Juli informiert. Insgesamt wurden sind demnach Promotionsstuden-
E-Mails an 14.006 Personen ver- ten. Für die Wahl der Fakultätsräte
schickt und die Teilnahme bis zum sind 12.514 Personen berechtigt, da
2. August ermöglicht. Die Versen- die Fernstudenten keiner Fakultät
dung erfolgte TAN-basiert, das zuzuordnen sind. An der Umfrage
verhinderte das wiederholte Aus- haben sich 3629 Personen beteiligt
füllen des Onlinefragebogens. Eine (56 % Frauen, 44 % Männer), was
E-Mail, die der Erinnerung dienen einem Rücklauf von 25,9 % ent-
sollte, wurde am 14. Juli verschickt, spricht. Bei den Promovierenden
sowie im AStA-Newsletter an alle sind es 11,6 %, bei den Studieren-
Studierenden am 12. Juli und täglich den, ohne Fernstudierende, 27,4 %.
über den Monitor in der Südstadt- Den größten Rücklauf hat es an
mensa darauf hingewiesen. Jeder der Philosophischen Fakultät mit
1200 zehnte Befragte antworte- 36,2 % gegeben, den geringsten an
te sofort auf die Umfrage. der Juristischen (13,1 %) und der
1000
Die letzten Tage schwank- Theologischen Fakultät (10,1 %).
Um ein Gesamtbild der Universität
zu erhalten werden die einzelnen
800
Fakultäten gewichtet. Der Gewich-
tungsfaktor ist in Tabelle 1 ange-
600 geben. Für Vergleiche der PHF mit
den übrigen Fakultäten zusammen
400
200
0
30.6. 2.7. 4.7. 6.7. 8.7. 10.7. 12.7. 14.7. 16.7. 18.7. 20.7. 22.7. 24.7. 26.7. 28.7. 30.7. 1.8.
Abbildung 1 Teilnahmeverlauf an Umfrage zur Anwesenheitspflicht an der Universität Rostock 2011
1
3. kommt ein weiterer Gewichtungs-
faktor zum tragen.
Situation
Von den Teilnehmern streben 1260 Anwesenheitspflicht
einen Bachelor an, 1018 das Lehr-
amt, 441 ein anderes Staatsexa- Insgesamt gaben 382 Personen
men, 226 das Diplom, 480 einen an, schon einmal von einem Lehr-
Master und 42 Personen einen veranstaltung ausgeschlossen
Bakkalaureus oder Magister. Sieben worden zu sein. 378 ließen sich
Personen machten keine Angaben auf die Fakultäten verteilen. An
zu ihrem Studiengang, können aber den Fakultäten für Maschinenbau
einer Fakultät zugeordnet werden. und Schiffbau (MSF), für Informatik
48 können einem Studienabschluss, und Elektrotechnik (IEF) sowie der
jedoch nicht einer Fakultät zuge- Juristischen Fakultät (JUF) existiert
ordnet werden und weitere fünf keine Regelung zur Anwesenheits-
Personen weder noch. In der Folge pflicht. Es gibt sehr wenige Fälle in
kommt es, je nachdem wie viele denen Studierende dieser Fakultä-
Personen eine Angabe gemacht ten ausgeschlossen wurden. Auf die
haben, zu Abweichungen in der Frage, ob Anwesenheitslisten ge-
Zahl der Personen. führt wurden, antwortete die Hälfte
Fakultät Studierende Teilnehmer Aus LVS Anteil der Rücklauf Gewicht
ausgeschlossen Ausschlüsse
PHF 3287 1190 278 23,5 0,362 0,7564
WSF 2000 556 39 7,0 0,278 0,9851
MNF 1728 469 27 5,8 0,271 1,0090
MEF 1768 439 8 1,8 0,248 1,1029
MSF 1111 282 3 1,1 0,254 1,0789
IEF 955 198 3 1,5 0,207 1,3209
AUF 572 165 6 3,7 0,288 0,9494
JUF 579 76 3 4,0 0,131 2,0863
THF 514 52 11 21,2 0,101 2,7069
Summe 12514 3427 378 11,1 0,274
Tabelle 1 Aufschlüsselung der Teilnehmer der Umfrage nach Fakultät, denjenigen, die bisher aus einer
Lehrveranstaltung (LVS) ausgeschlossen wurden, dem Rücklauf und dem Gewichtungsfaktor Universität
Rostock Juli 2011
vereinzelt, viele auch mit Nein (IEF
43 %), was sich mit dem Lehrimport
etwa aus dem Sprachenzentrum
2
4. erklären lässt. tungen im Bereich Humanmedizin
An der Mathematisch-Naturwis- und Zahnmedizin. Für die BA/MA
senschaftlichen Fakultät (MNF) Medizinische Biotechnologie gibt
und der Agrar- und Umweltwissen-
schaftlichen Fakultät(AUF) gibt es Wurden Sie schon einmal aufgrund zu vieler Fehlzeiten
aus einer Lehrveranstaltung ausgeschlossen?
für bestimmte Lehrveranstaltungen 25
eine Anwesenheitspflicht, etwa für
20 23,5 %
Laborpraktika und Exkursionen.
Der überdurchschnittliche Wert der 15
MNF erklärt sich aus den Lehramts- 10
studierenden, die ihr zweites Fach 5
9,8 %
an einer anderen Fakultät haben. 5,0 %
0
Nur für die Bachelor-Studierenden Uni gewichtet PHF Uni ohne PHF gewichtet
beträgt der Wert 1,3%. Jedes vierte Abbildung 2 Anteil der aus Lehrveranstaltungen
bisher ausgeschlossenen Studierenden gewichtet
Mitglied dieser Fakultäten berichte- nach der Fakultät.
te, dass mehrmals Anwesenheits-
listen geführt wurden. es noch keine Grundlage dafür in
An der Wirtschafts- und Sozialwis- der Studienordnung. Eine Änderung
senschaftlichen Fakultät (WSF) ist ist für den Master jedoch bereits
der Wert ebenfalls für Lehramtsstu- beschlossen worden und wird wohl
dierende am höchsten. Insgesamt für den Bachelor bald folgen. An
ist die Spannweite bei der Verwen- der Theologischen Fakultät(THF)
dung von Anwesenheitslisten hier besteht für den Diplomstudiengang
sehr groß. 31,4 % geben an, dass Anwesenheitspflicht in Seminaren,
mehrmals Anwesenheitslisten ge- Übungen und Exkursionen. Für
führt wurden, 36 % vereinzelt und den Bachelor „Religions Studies“
32,7 % nie. Dies mag sich mit den sowie den Lehramtsstudiengang
Unterschieden derjenigen, die nur existiert derzeit keine Regelung.
an der WSF studieren und jenen 80 % der Befragten an der MEF
Studierenden der Soziologie, Poli- bzw. 83 % an der THF geben an,
tologie und des Lehramts Sozialwis- dass mehrmals Anwesenheits-
senschaften erklären, welche noch listen geführt wurden. Jedoch
ein weiteres Fach an einer anderen wurden an der MEF nur 1,8 %,
Fakultät haben. Es bestehen keine an der THF aber 21,2 % der Be-
Regelungen zur Anwesenheits- fragten bereits aus einer Lehrveran-
pflicht an dieser Fakultät. staltung ausgeschlossen. Letzterer
An der Medizinischen Fakultät Wert ist sehr unsicher aufgrund der
(MEF) besteht Anwesenheitspflicht geringen Fallzahl, so ergibt sich bei
für die Mehrheit der Lehrveranstal- 5 % Irrtumswahrscheinlichkeit ein
3
5. Schwankungsintervall von 10 % Fehlzeiten aus einer Lehrveran-
bis 32 %. staltung ausgeschlossen wurden,
An der Philosophischen Fakultät erreicht mit 23,5 % (21 % bis 25,9 %
gaben 87 % an, dass mehrmals auf dem 95 % Konfidenzinterval)
Anwesenheitslisten geführt werden. Universitätsspitze.
Dieser Wert überrascht, da es keine Der durchschnittliche Wert be-
Regelung in der Studienordnung der trägt 11,1 % für die Universität
Diplom Erziehungswissenschaftler, als Ganzes aufgrundlage der Be-
der Bakkalareus/Magister oder der fragung. Nach Gewichtung der
Bachelor und Masterstudiengänge Werte nach Fakultäten liegt er bei
hierzu gibt und auch keine universi- 9,8 % (8,8 % bis 10,8 % auf dem
tätsweite Rahmenordnung existiert, 95 % Konfidenzinterval). Nimmt
die dies für Lehramtsstudierende re- man die Philosophische Fakultät
gelt. Ein diesbezüglicher Beschluss aus der Betrachtung heraus, so
des Fakultätsrates vom Januar beträgt der Wert lediglich 5,0 %
2011 wurde von der Rechtsabtei- (4,1 % bis 5,9 % auf dem 95 %
lung der Universität für unwirksam Konfidenzinterval), weniger als ein
erklärt. Der Anteil derjenigen, die Viertel des PHF wertes.
schon einmal aufgrund zu vieler Das Risiko, jemals aus einer Lehr-
Haben Sie sich wegen dieses Ausschlusses an den
zuständigen Prüfungsausschuss gewedet?
60 übrige Uni
PHF 59 %
50
52 %
40 45 %
36 %
30
20
10 5%
3%
0 Ja Nein,ich sah wenig Nein, ich wollte es
Aussicht auf Erfolg mir mit dem Dozenten
nicht verderben
Abbildung 3 Verteilung der Antworten auf die Frage nach der rechtliche Grundlage in der eigenen
Studienordnung. PHF im Vergleich mit der übrigen Universität gewicht nach Fakultäten
4
6. veranstaltung ausgeschlossen zu
werden, steigt mit der Verweildauer
Informationslage bei
an der Universität. Im ersten Stu- den Studierenden
dienjahr sind es an der philosophi-
schen Fakultät 12 %, im zweiten
und Beschwerden
Studienjahr 16 %, im dritten und Es überrascht, dass gerade an einer
vierten Studienjahr 25 %, bzw. 27 %, Fakultät, an der es keine Regelung
im vierten 32 %, im fünften 47 %, im zur Anwesenheitspflicht gibt, so vie-
sechsten (Lehramt PHF 57,8 %) und le Ausschlüsse erfolgen, die dazu
45 % in den weiteren Studienjahren. beitragen können die Studiendauer
Für die übrige Universität ist nur der zu verlängern, so dass widerrecht-
Wert für die Langzeitstudierenden lich Studienplätze blockiert werden.
mit 16 % über dem Durchschnitt der Ein Problem ist das fehlende Be-
Universität. Im Mittel wusstsein der Studierdenden für
ist ein Studierender 2,21-mal aus- diese Sachlage. 43 % der Umfra-
geschlossen (2,26 PHF; 2,14 übrige geteilnehmer an der PHF geben
Uni) worden. Bis zum sechsten nicht zu wissen, ob es eine Re-
Studienjahr steigt dieser Wert auf gelung in ihrer Studienordnung zu
3,41 an. Anwesenheitspflicht gibt. An der
übrigen Universität sind es 54 %.
Jedoch sagten 16 % an den übrigen
Fakultäten, dass es keine Regelung
Gibt es in ihrer Studienordnung eine rechtliche
Grundlage für eine Anwesenheitspflicht?
60 übrige Uni
50 PHF 54 %
47 %
40 43 %
30
20 16 %
12 %
9% 18 %
10
1%
0 Ja Nein, aber mache Nein und es werden Ich weiß nicht,
Dozenten verwenden auch keine ob es hierzu eine
trotzdem Anwesenheitslisten Anwesenheitslisten Regelung in meiner
geführt Studienordnung gibt
Abbildung 4 Verteilung der Antworten auf die Frage nach einem Einspruch im Prüfungsausschuss, bezüglich
des Ausschlusses von einer Lehrveranstaltung. PHF im Vergleich mit der übrigen Universität gewicht nach
Fakultäten.
5
7. gibt und demnach auch keine Prä- schluss des Fakultätsrates der
senzpflicht praktiziert wird. 12 % PHF im Januar 2011 gefällt wurde,
gaben an, dass es eine Regelung brachte der allgemeine Studieren-
geben würde, aber auch 9 % an denausschuss (AStA) ein Wider-
der PHF, wo dies ausgeschlossen spruchsformular heraus, wonach
werden kann. Fast jeder zweite Be- beim Prorektor für Studium und
fragte an der PHF ist sich aber im Lehre sofortiger Einspruch erhoben
Klaren darüber, dass die derzeitige werden kann. Von dieser Möglich-
Situation dadurch gekennzeichnet keit haben ein halbes Jahr später
ist, dass es keine Regelung gibt nur 18 Teilnehmende der Umfrage
und trotzdem Anwesenheitslisten Gebrauch gemacht, davon 14 an
geführt werden. Der Wert für die der PHF. Auf alle Ausschlüsse sind
anderen Fakultäten ergibt sich wie es weniger als 5 %.
oben aus der Tatsache, dass viele Der StudentINNenrat (StuRa) hatte
Studierende zwei Fächer studieren, im Dezember 2009 eine Reihe von
davon oft eines an der PHF. So liegt Forderungen in der Hochschulbil-
der Wert für die WSF bei 30 %, ob- dung in Zusammenarbeit mit dem
wohl dem AStA keine Beschwerde Plenum des damals besetzen Au-
einer rechtswidrigen Verwendung dimax und der Fachschaftsrätekon-
von Anwesenheitslisten an der WSF ferenz (FSRK) aufgestellt. Darunter
bekannt ist . auch der Beschluss, Anwesenheits-
Aufgrund der Rechtslage ist ein pflicht in jeder Form abzulehnen.
Einspruch gegen einen Ausschluss Anderthalb Jahre später ist dieser
beim zuständigen Prüfungsaus- Beschluss 3 von 4 Befragten unbe-
schuss jedoch oft vielversprechend. kannt. Diejenigen, die ihn kennen,
Jedoch gehen diesen Weg nur 3 % befürworten ihn zu 50 %, wobei
der Betroffenen an der PHF und 5 % weitere 25 % ihn für grundsätzlich
an den anderen Fakultäten. Als richtig aber zu weitgehend halten
Gründe für fehlenden Widerspruch und die übrigen ihn ablehnen. Un-
wurden genannt: Die Einschätzung, ter den Befragten der PHF, ist der
dass wenig Aussicht auf Erfolg be- Beschluss 36 % bekannt und 4 von
steht und dass Sanktionen durch 5 unterstützen ihn.
den Dozenten zu einem späteren
Zeitpunkt bei einem Einspruch zu
erwarten seien. Der zweite Punkt
ist an der PHF mit 51 % zu 38 %
an den übrigen Fakultäten stärker
ausgeprägt.
Nachdem der unwirksame Be-
6
8. Einschätzung Lehrveranstaltungen, in denen
Leistungen schwer abgeprüft wer-
Für die Anwendung einer Anwesen- den können, wie Sprachübungen,
heitspflicht kann es ver-
schiedene Gründe ge- Einschätzung der Anwesenheitspflicht
ben. Zum einen kann es Studierende können besuchen sollten.einschätzen, welche
Veranstaltungen Sie
noch nicht selbst
sein, dass viele Studie-
rende noch nicht selbst Ohne Sanktionen würden viele Studierende kaum etwas für ihr
Studium machen.
einschätzen können,
welche Veranstaltungen Anwesenheitspflicht ist wichtig um auch Studierende, die an ihrem
sie besuchen sollten. Studienfach kein Interesse ahben, zu einem Abschluss zu führen.
Diese Auffassung wird
von 3 von 4 Befragten Anwesnehitspflicht ist in Sprachübungen, schulpraktischen Übungen,
werden können, etwa
dort zulässig, wo Fähigkeiten schwer abgeprüft
abgelehnt. Des Weiteren Exkursionen, Berufs- und Laborpraktika.
besteht die Möglichkeit,
dass Sanktionen not- Anwesenheitspflicht führt dazu, dass auch jene, die an der andere
Lehrveranstaltung nicht interessiert sind, anwesend sind und
wendig sind, um die Stu- Teilnehmer stören.
dierenden zum Arbeiten
anzuspornen. Die Auf- Anwesenheitspflicht senkt die Studierenden dann nicht mehran
Lehrveranstaltungen, weil
die Motivation für die Beteiligung
freiwillig
fassung wird von 69 % dort sind.
der Befragten (gewichtet
nach Fakultäten) zu- Anwesenheitspflicht istden Dozenten befürchtet werden.
weil Sanktionen durch
etwas über das sich selten beschwert wird,
rückgewiesen. 72 %
der Befragten halten es Anwesenheitspflicht behindert die Integration von
zudem für völlig unzu- Studierenden mit kleinen Kindern in den Studienablauf.
treffend eine Anwesen-
heitspflicht mit dem Ziel Anwesenheitspflicht behindert dieBehinderungen in den Studienablauf.
mit chronischen Krankheiten und
Integration von Studierenden
einzuführen, auch dieje-
nigen, die kein Interesse Anwesenheitspflicht nimmt Dozenten den Druck in ihren
Lehrveranstaltungen didaktisch überzeugen zu müssen.
an ihrem Fach haben
zu einem Abschluss zu Anwesenheitspflicht nimmt Dozenten den Druck in ihren
führen. Nur 12 % halten Lehrveranstaltungen fachlich überzeugen zu müssen.
dies für berechtigt.
Anwesenheitspflicht für Anwesenheitspflicht ist ein Studienordnungen integriert werden muss.
weshalb sie in den BA/MA
Bestandteil der Bolognavereinbarung,
Abbildung 5 Verteilung der
Antworten zur Einschätzung
verschiedner Auffassungen zur 0 20 40 60 80 100
Anwesenheitspflicht Universität
Rostock 2011 gewichtet nach voll zutreffend völlig unzutreffend
Fakultäten eher zutreffend eher unzutreffend
7
9. schulpraktische Übungen, Exkur- Lehrveranstaltung dadurch stärker
sionen, Berufs- und Laborpraktika auffallen. Angesichts der Vorbehalte
halten 84 % der Befragten für der Studierenden sich zu beschwe-
zulässig. Ebenso ist auch 80 % ren, ist dies jedoch unwahrschein-
bewusst, dass damit das Risiko lich. Andererseits kann durch die
einhergeht, dass auch Personen, Pflicht zur Teilnahme aber auch der
die an der Lehrveranstaltung selbst Druck vom Dozenten genommen
kein Interesse haben, anwesend werden, didaktisch oder fachlich
sind und andere stören. Dass überzeugen zu müssen, schließlich
Präsenzpflicht die Beteiligung an kommen die Studierenden ohnehin.
Lehrveranstaltungen senkt, weil die Im Bezug auf Didaktik halten 59 %
Studierenden dann nicht mehr frei- dies für zutreffend, im Bezug auf
willig dort sind, unterstützen 64 % das fachliche Niveau sind es 51 %.
der Befragten und 83 % derjeni- Bei den „Ausgeschlossenen“ sind
gen, die schon einmal aus einer es 76 % bei Didaktik und 67 %
Lehrveranstaltung ausgeschlossen beim fachlichen Niveau. In der
wurden. Bei der Aussage, dass sich kleinen Gruppe der Promotions-
über Anwesenheitspflicht selten be- studierenden (ungewichtet), die
schwert wird, weil Sanktionen durch bisher nicht Bestandteil der Unter-
den Dozenten befürchtet werden, suchungspopulation sind, unter-
hält sich das Antwortverhalten die stützen nur 43 % die These, dass
Waage. Bei den Ausgeschlossenen das didaktische Niveau in der Folge
sind es hingegen 75 %, die diese einer Einführung der Anwesen-
These unterstützen. heitspflicht zunimmt und nur 40 %
Dass die Integration von Studie- beim fachlichen Niveau.
renden mit Kindern in den Stu- Zuletzt wurde gefragt, ob die Ein-
dienablauf durch eine Anwesen- führung von Anwesenheitspflicht
heitspflicht erschwert wird, halten etwas mit der Bolognaerklärung zu
79 % für zutreffend (92 % der tun hat, ein oft genutztes Argument
Ausgeschlossenen). Bei Personen ohne reale Grundlage. Zwei Drittel
mit chronischen Krankheiten sind enthält sich hier der Abstimmung.
es 74 % (91 % der Ausgeschlos- Von den übrigen sind noch 20 %
senen). Allerdings geben auch ein von dieser Idee überzeugt.
Drittel der Befragten an, dies nicht
einschätzen zu können.
Auch auf die Lehre kann eine An-
wesenheitspflicht Einfluss haben.
Zum einen könnte eine didaktisch
oder fachlich unterdurchschnittliche
8
10. Auswirkungen auf die dagogik liegt die durchschnittliche
Studiendauer bei elf Semestern,
Sudierendenschaft wobei die Regelstudienplatz bei
neun Semestern liegt. Diese über-
Welche gravierenden Probleme bei durchschnittliche Studiendauer
der derzeitigen Praxis entstehen wird zu einem großen Teil durch
können und worüber anscheinend die notwendige Wiederholung von
von Seiten der Dozierendenschaft Veranstaltung auf Grund der An-
hinweggesehen wird, soll nachfol- wesenheitskontrolle verursacht. Ein
gend dargestellt werden. Hierbei besonderes Problem stellt in diesem
handelt es sich Überwiegend um Zusammenhang das Verfahren in
Einzelschicksale. Diese zeigen aber der „Mathematik der Grundschul-
dennoch, welche verherrenden pädagogik“ da. Dort verhindert eine
Auswirkungen die Durchführung von ebenfalls illegale Regelung das
Anwesenheitslisten mit sich bringen Vorziehen von höheren Kursen bei
können. Die vorliegenden Beispiele nichtbestehen von Grundkursen.
sind am Institut für Schulpädagogik Weiterhin sind einige Dozenten
geschehen. Vergleichbare Fälle sind nicht in der Lage verantwortungsvoll
aber auch in vielen anderen Institu- mit den Mitteln der Anwesenheits-
ten so oder so ähnlich vorgefallen. kontrolle umzugehen. So wurden
Studentinnen mit Kindern von Ver-
Etwa die Hälfte aller Studentinnen anstaltungen ausgeschlossen, weil
und Studenten beziehen teilweise sie zu often fehlten, da ihre Kinder
Bafög oder können nur auf Grund erkrankt waren. Es wurden auch
von Stipendien oder anderen Zu- Studenten von Veranstaltungen
schüssen ihr Studium absolvieren. ausgeschlossen, welche auf Grund
Der illegale Ausschluss von Stu- einer zu späten Einschreibung von
dierenden aus Veranstaltungen Seiten der Universität nicht recht-
hat daher teilweise zur Folge, dass zeitig an den Veranstaltungen teil-
diese auf Grund von Brüchen in nehmen konnten. Solche Fälle sind
ihrer Studienplanung nicht weiter zum Beispiel in der Grundschulpä-
oder nicht ausreichend lang finan- dagogik vorgekommen.
zielle Unterstützung erhalten. Das Auch die Möglichkeit der Aus-
Festhalten an diesem Verfahren hat gleichsleistungen wird von einigen
zum Ergebnis, das derzeit ein Groß- Dozierenden schädlich missbraucht.
teil der Studierenden der PHF ihr So sind bereits mehrfach völlig un-
Studium über der Regelstudienzeit angemessene Ausgleichsarbeiten
abschließen. Bei den Grundschul- von Studierenden verlangt worden,
pädagogen am Institut für Schulpä-
9
11. welche einen massiven Mehrauf-
wand von Seiten der Studierenden
Unterstützt durch
verlangten und nach allgemeiner
Rechtssprechung keinesfalls zu-
lässig waren. Arbeiten von 40 und
mehr Seiten sind in der Grundschul-
pädagogik als Ausgleichsleistung
für zwei oder drei veräumte Veran-
staltungen keine Seltenheit.
Dies sind nur einige Probleme,
welche durch die oftmals wilkürliche
Anwenden und Auslegen der recht- Danksagung
lich nicht verankerten Anwesen-
heitspflicht an der PHF entstanden Die Autoren bedanken sich im be-
sind und immer noch täglich ent- sonderen bei Frau Astried Martin
stehen. Sie sind Grund dafür, dass vom ITMZ für ihre technische Un-
sich die Dauer des Studiums vieler terstützung bei der Durchführung
Studenten um Manche zur Aufgabe der Umfrage.
ihres Studiums zwang, da sie nicht
mehr an die Rechtmäßigkeit der
Arbeitsweise der Mitarbeiter der
Lizenz
Universität und auch ihres Studiums Dieses Werk bzw. Inhalt steht unter
glaubten und den massiven Druck, einer Creative Commons Namens-
welcher durch solche fragwürdigen nennung 3.0 Deutschland Lizenz.
Entscheidungen aufgebaut wird,
standhalten konnten.
10