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TrinkGuTes.

Konzept und Entwurf einer Biermarke
Humberto Gregorio
Schriftlicher Teil der Diplomarbeit an der FH Düsseldorf, FB Design

Sommersemester 2008

Erstprüfer: Prof. Dr. Rainer Zimmermann

Zweitprüferin: Anja Steinig
1. Vorwort 8
2. Die kulturgeschichte des Bieres 11
2.2. Mesopotamien, die Wiege der Kultur 12
2.3 Ägypten 13
2.4 Germanien 14
2.5 Griechenland und das römische Reich 15
2.6 Juden und Christen 17

2.7 Das Mittelalter 17

2.7.1 Das Reinheitsgebot 18

2.8 Industrialisierung 20

2.8.1 Wider dem Branntwein 21

2.9 Beginn der Moderne 22

2.10 Die Moderne 22

2.11 Die Frauen und das Bier 24

3. Die Trinkkultur 27

3.1 Geschichte 28

3.2 Die bäuerliche Trinkkultur des Mittelalters 28

3.3 Das mittelalterliche Gastgewerbe 30

3.4 Kneipen, die Kommerzialisierung des Gastgewerbes 31

3.5 Die studentische Trinkkultur 31

3.5.1. Paragraph 11 33

3.6 Prost, Prosit, Trinksitten 33

3.6.1 Die Kneipenrunde 34

3.6.2 Salamander 35

3.6.3 Wettsaufen 35

3.6.4 Biertrinkspiele 35

3.7 Bier- und Trinkfeste 36

3.7.1 Das Schützenfest 36

3.7.2 Das Oktoberfest 37
3.7.3 Festivals 37
3.8 Trinkrituale anderer Getränke 38
3.8.1 Absinth 38
Das französische Absinth-Trinkritual 38
3
Das tschechische Trinkritual 38

3.8.2 Kleiner Feigling 38

3.8.3 Tequila 38

3.8.4 Sambuca 39

4. Das Bier 41

4.1 Der Brauprozess 42

4.1.2 Braugerste 44

4.1.3 Hopfen 44

4.1.4 Hefe 44

4.1.5 Brauwasser 44

4.1.6 Stammwürze 45

4.2 Gebraut nach deutschem Reinheitsgebot 45

4.3 Die wichtigsten Biersorten 47

4.3.1 Lager 47

4.3.2 Pils 47

4.3.3 Alt 47

4.3.4 Kölsch 48

4.3.5 (Hefe)Weizen / Weißbier / Weisse 48

4.3.6 Bock 49

5. Die Josefsgesellschaft 51

5.1 Geschichte 52

5.2 Struktur 52

5.2.1 Wohnen 52

5.2.2 Berufsbildungswerk 53

5.2.3 Arbeit 54

5.3 Die Josefsbrauerei 55

5.3.1 Gründung 55

5.3.2 Ziele 55

5.3.3 Getränke 55

5.3.4 Zahlen 56

5.3.5 Absatz Bier 2007 56

5.3.6 Absatz Alkoholfreie Getränke 2007 57

4
6. Der Biermarkt 59
6.1 Der weltweite Biermarkt 60
6.1.1 Braunationen 60
6.1.2 Pro-Kopf-Verbrauch 2004 nach Ländern 61
6.1.4 weltweiter Bierverbrauch nach Kontinenten 62
6.1.3 weltweiter Bierverbrauch nach Gebieten 62
6.1.5 Ausstoßentwicklung zwischen 2005 und 2006 63
6.1.6 Global Player	 64
6.2 Der Biermarkt in Deutschland quantitativ	 65
6.2.1 allgemeine Aussagen	 65
6.2.2 Umsatzentwicklung 1995 – 2006 in Deutschland 66
6.2.3 Brauereidichte	 66
6.2.4 Anzahl betriebener Braustätten nach Bundesländern 67
6.2.5 Bierabsatz nach Bundesländern in 1000 hl 68
6.2.6 Gebinde	 69
Anteil der Gebinde am Bierausstoß 2005 (%) 69
6.2.7 Absatz nach Biersorten	 70
6.3 Der Biermarkt in Deutschland qualitativ	 71
6.3.1 Konsum	 72
Konsumorte 73
Einkaufsorte 74
Kaufkriterien 75
6.3.2 Einstellungen zum Bier	 76
Die Qualität von Billigbier ist… 76
6.3.3 Marken	 77
Sympatie 77
Bekanntheit bei Männern und Frauen 78
Bekanntheit nur bei Männern 78
Alter und Einkommen 79
6.3.4 Zukünftige Strategien der Brauereien	 80
Erwartete Entwicklung des Absatzes nach Sorten 80
Zukünftige Wettbewerbsstrategien der Brauereien 80
Zukünftige Produkt-/Marktstrategien 81
5
83
7. Biermarken
7.1 Markenkampf	 84

7.2 Brauereigruppen	 85

7.3 Deutsche Biermarken im Vergleich	 88

7.3.1 Warsteiner	 88

Aktuelle Anzeigenmotive 88

TV-Werbung 89

7.3.2 Krombacher	 90

Aktuelles Anzeigenmotiv 90

TV-Kampagne 91

7.3.3 Veltins	 92

TV-Kampagne 93

7.3.3 Hasseröder	 94

TV-Kampagne 94

7.3.4 Rothaus Tannenzäpfle	 95

7.3.5 Beck’s	 96

7.3.6 Astra	 98

Plakatmotive 99

8. Abschließende Bewertung	 101

9. Mögliche Positionierungsstrategien 105

Positionierung als nonprofit Produkt 106

Verknappung, kein Volumenbier 106

Getränkemarke statt Biermarke 106

Das ganzheitlich gute Bier 106

10. Quellenangaben	 108

6
Vorwort
Dieses Buch ist der Recherche und Analyseteil im Rahmen meiner Diplomarbeit am FB Design
der FH Düsseldorf. Mein Thema ist die Konzeption und Entwicklung einer Biermarke. Als Brau­
erei habe ich mir die Josefsbrauerei aus Bigge (Olsberg, Sauerland) ausgesucht, weil sie neben
einem guten, regionalen Bier auch eine gute Geschichte hat. Die Mitarbeiter der Brauerei sind
größtenteils körperlich behindert und stellen neben verschiedenen Biersorten auch Alkoholfreie
Getränke her. Ein absolutes Novum in Europa.
Warum muss man wenn man ein Diplom im Kommunikationsdesign anstrebt sich mit soviel
Theorie auseinandersetzen? Geht es nicht einfach nur um schöne Gestaltung? Die Antwort auf
die letzte Frage kannte ich schon vor dieser ganzen Recherche- und Analysearbeit. Ohne Inhalt
keine Gestaltung. Ohne inhaltlich fundiert über sein Thema sprechen zu können und ohne den
inhaltlichen Hintergrund kann man keine gute Gestaltung machen. Wenn ich nicht weiß wie der
Markt funktioniert, wie kann ich dann dafür gestalten? Kommunikationsdesign bedeutet, Inhalte
zu kommunizieren. Ergo muss man sich die entsprechenden Inhalte aneignen. Das wusste ich
vorher schon. Neu war mir die gewaltige Dimension dieses Themas. Informationen, die sich zu
einer immer komplexeren Struktur zusammenfügten, je tiefer ich in die Materie einstieg. Dieses
Buch beschreibt die Ergebnisse meiner Recherchen und fasst sie analytisch zusammen.
Zu Beginn meiner Recherche war ich nur ein ganz normaler Biertrinker, der den Gerstensaft
gerne nach dem Sport oder abends auf Feiern trank. Daran hat sich auch nicht viel geändet, aber
die Einstellung zum Bier hat sich sehr verändert. Mein Respekt vor diesem Getränk ist merklich
gestiegen und tendiert Streckenweise in Richtung Bewunderung. Klar wusste ich wie jeder andere
interessierte Mensch so einiges über das wundersame, meist goldgelbe Getränk. „Hopfen und
Malz, Gott erhalts.“ Bier wird aus Hopfen, Malz und Wasser gebraut und die Mönche spielten
eine wichtige Rolle bei der Bierentwicklung. Mir war auch bewusst, dass in Deutschland viele
Biermarken gibt. Ich habe mir schon vor den Recherchen so einiges über das Bier angelesen und
das ein oder andere unterschiedliche Bier probiert.
Besonders erstaunt bin ich noch immer über die lange Kulturgeschichte, die knapp 10.000
Jahare umfasst. Vom Wein hätte ich das eher vermutet, aber nicht vom Bier. Das andere Kulturen
außer den Germanen gerne Bier tranken war mir nie so recht bewußt und von den Ägyptern hätte
ich es nicht erwartet. Bier ist ein Getränk, dass in seiner frühen Form nicht mehr viel mit dem zu
tun hat, was wir heute Bier nennen. Das moderne Bier ist technisch, geschmacklich als auch hy­
gienisch auf allerhöchstem Niveau und ich kann mir schwer vorstellen, wie es früher zugegangen
ist. Da wurde das Bier gepanscht, ihm wurden ekelerregende Substanzen wie abgetrennte Finger
beigemischt oder mit Pech versetzt. So kann ich mich glücklich schätzen in einer Zeit und in einer
8
Region zu leben, die Wert auf das Reinheitsgebot legt.
Der Bierrausch, oder vielmehr der Alkoholrausch war bis in die Moderne hinein ein ge­
sellschaftlich akzeptierter „Gemütszustand“ und Teil des täglichen Lebens. Aus heutiger Sicht
kann ich mir das nur noch sehr schwer vorstellen, ist doch der klare Verstand und Geist einer
der wichtigsten Voraussetzungen in unserem Berufsleben. Damals war das nicht so. Ehrlich ge­
sagt kommt mir ein Lächeln über die Lippen, wenn ich mir vorstelle, dass eine Gesellschaft jahr­
hundertelang besoffen durch die Gegend torkelte. Aber es waren andere Epochen, Zeiten ohne
Computer, Büros, flächendeckende Bildung und Zeiten harter körperlicher Arbeit. Vor diesem
Hintergrund lässt sich leichter verstehen, dass beispielsweise auf dem Bau noch immer ein hoher
Alkoholkonsum herrscht; sind doch die Arbeitsstrukturen ähnlich des Mittelalters geblieben,
was aber durchaus ein Vorurteil sein kann.
Bier ist Teil der Gesellschaft und für Vieles das Bindemittel schlechthin. Bier macht im be­
sten Sinne kommunikativ, was an seiner langsamen Rauschwirkung liegt. Man kann eben einen
ganzen Abend beim Bier miteinander plaudern. Auch in der Politik darf Bier nicht fehlen; man
denke an einen CSU-Parteitag ohne Bier oder den bekennenden Biertrinker Gerhard Schröder –
„hol’ mir mal ne Flasche Bier, sonst streik’ ich hier.“ Zu allen Anlässen trinken wir gerne mal ein
Glas Bier, ob beim Sport – hier sei der natürlich Fußball genannt, zum Essen oder einfach nur
zum Feiern.
Steigt man tiefer in das Thema ein, so kann man sich vor Quellen und Statistiken kaum
retten. Bier ist eben ein gesellschaftlich relevantes Thema und wird von der Gesellschaft ebenso
fröhlich wie auch ernst behandelt. Die Kunst besteht darin die wichtigsten Zahlen und Fakten zu
fokussieren und daraus Schlüsse zu ziehen.
Ich werde den Entwurf und die Konzeption der Biermarke auf diese Analyse aufbauend ent­
wickeln. Die Analyse soll den Grundstock für eine anschließend sachlich fundierte Konzeptions­
arbeit legen und Raum für kreative Interpretationen schaffen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Spaß beim Lesen und hoffe, dass sie sich ähnlich für
das Thema begeistern können, wie es mir passierte.
9
2. kapitel
Die kulturgeschichte 

des Bieres
2.1. einleitung
Kein von Menschenhand hergestelltes Getränk, nicht einmal Wein hat eine so lange Kulturg­
schichte und ist so eng mit der Weltgeschichte verbunden wie das Bier. Seit Anbeginn der Hoch­
kulturen wird es von den Menschen getrunken. Es diente als Hauptnahrungsmittel, als Rausch­
droge zur Weltflucht, wie auch als gesellschaftliches Kommunikationsvehikel. Bier hat bis ins
Mittelalter hinein nicht wirklich viel mit dem zu tun, was wir heute als Bier bezeichnen. Vielmehr
steht es bis ins Mittelalter als Synonym fü¨r gegorene Getränke auf Basis von Stärke. Der Brau­
prozess, auf den ich später noch detailliert eingehen werde, ist im Prinzip sehr simpel und erklärt
die Klassifizierung von Getränken als Bier. Im Prinzip nimmt man Getreide, bringt es mit Wasser
zum Keimen und wartet (anschließend) eine gewisse Zeit ab, bis die in der Luft herumfliegende
Hefe das Getreide-Wasser-Gemisch zum gären bringt. Fertig. Dabei spielt es wahrlich keine Rol­
le, ob das Getreide nun aus Gerste, Weizen, Emmer oder Reis besteht. Historisch ist das Bier
lange vor dem Wein bekannt.
2.2. Mesopotamien, die Wiege der kultur
Eine der ersten Überlieferungen von Bier (gegorene Getränke auf Stärkebasis) kommt aus dem
Gilgamesch-Epos, dass seinen Ursprung schon Jahrtausende vor Christi hat. Ein Sumerischer
König sandte zu einem in der Steppe lebenden Wilden eine Prostituierte und befahl ihr ihm Brot
und Bier zu geben, auf das er Mensch werde. Für die Sumerer war Bier ein Medium der Schöp­
fungsgeschichte des Menschen. Durch das Backen von Brot und dem Brauen von Bier wurde der
Mensch zum Mensch und unterschied sich von der Tierwelt. „Iss das Brot, Enkidu, das gehört
zum Leben. Trinke das Bier, wie es im Leben Brauch ist! Enkidu aß das Brot, bis er satt war. Er
trank das Bier, sieben Krüge voll. [...] Er wusch sich den zottigen Leib mit Wasser, salbte sich mit
Öl – und ward ein Mensch.1
Eines der ältesten Dokumente der Menschheit ist aus dem 7. Jt. v. Chr. „das blaue Mo­
nument“ zeigt die Herstellung von Bier mit Emmer (Gerstenähnliches Getreide) und religiöse
Tier- und Bieropfer. Die Schrifttafel befindet sich im Pariser Louvre und zeigt die zwei größten
Errungenschaften der Sumerer: Die Schrift und das Bier. Der Göttin „Ninkasi“ wird auf dem
Monument ein Opfer dargebracht, denn sie galt den Sumerern als Erfinderin eben dieses Bieres.
In der sumerischen Götterwelt erfüllt sie die äußerst wichtige Aufgabe der Schankwirtin. Die
Sumerer benutzen zum Bierbrauen Gerste oder Emmer. Das durch mahlen entstandene Mehl
wurde mit Wasser verdünnt, direkt getrunken oder zu einem Teig geformt. Anschließend wurde
12
es heiß gebacken und ähnelte einem Bierbrot. Ein regelmäßiger Alkoholkonsum konnte aber
nicht ohne Behältnisse stattgefunden haben. Das älteste zur Zeit bekannte Behältnis wurde 1992
im iranischen Zagros-Gebirge entdeckt, dessen organische Spuren eindeutig von Aufbewahrung
und Vergärung getreidehaltiger Flüssigkeiten hinweisen.
Da man die Wirkung von Hefe natürlich noch nicht kannte, war der einfachste Trick, Flüs­
sigkeiten zum Gären zu bringen, immer das Selbe Gefäß zu benutzen. Die Hefekulturen konnten
an den Gefäßwänden überleben. Für die Sumerer war im Zweistromland der Bierkonsum und der
einhergende Bierrausch Teil eines sozialen Rituals. „Die Götter und die Menschen trafen sich
im Rausch.“ Die Sumerer waren passionierte Bürokraten und im täglichen Leben wurde alles in
strenge gesetzliche Bestimmungen gepresst. Die Bewohner des Ortes, den viele Historiker für
den historischen Ort des „Paradieses“ hielten, reglementierten natürlich auch den Bierausschank.
Das erste Reinheitsgebot wurde nicht von bayrischen Herzögen erlassen, sondern von König
Hammurabi, 3000 Jahre zuvor. Auf Bierpanschen stand die Todesstrafe. Bier wurde in Korn be­
zahlt und das Korn wieder dem Biere zugeführt. Bier wurde von Frauen ausgeschenkt, die je nach
Neigung und Fähigkeit auch als Prostituierte, bzw. als Vermittlerin käuflicher Liebe diente. So ist
die Verbindung von Schankwirtin, dem Genuss von Alkohol, den geistigen Freuden und der kör­
perlichen, den sexuellen Freuden nur logisch. Die Schenke war im alten Mesopotamien beliebter
Treffpunkt aller Couleur.
DierömischeAntikeunterschiednichtzwischenSchankwirtinundProstituierte.DieSchen­
ke war in Mesopotamien wichtiger Ort kultischer Prostitution, Religionsausübung und Besäuf­
nis zu Ehren der Götter.
Die Sumerer kannten bis zu 20 Biersorten, die sich in Farbe und Grundsubstanz unter­
schieden. Den einzelnen Schichten wurden bestimmte Biersorten zugedacht, z.B. das Königsbier
(„Heute ein König. Königpilsener.“)
2.3 Ägypten
Für die Ägypter war Trunkenheit ein Ausdruck von Freude, es stand für gottgefälliges Handeln.
Das jahrhunderte lang gefeierte Talfest zu Ehren der Ahnen schuf den Rahmen für ein Massen­
besäufnis… Ein Mädchen kommt mit einer Schale voll Bier in einen Raum und reicht es seinen
Eltern mit den Worten: „Betrinkt euch tüchtig und feiert einen schönen Tag, wie Gott es euch
befohlen hat.“3
Für die Ägypter war es der krönende Abschluß der Feierlichkeiten, als man sich
mit Bier abgefüllt erbrechen musste. Darstellungen erbrechender Menschen war im alten Ägyp­
ten ein beliebtes Bildmotiv.
13
Bier wurde den Göttern geopfert und wurde den Toten als Grabbeigabe mit auf den be­
schwerlichen Weg ins Jenseits gegeben. Niemand anderes als Osiris galt als Erfinder des Bieres.
Im übrigen war der Begriff für Flüssiges und Bier der Gleiche. Der Bierrausch war für die Ägypter
sehr wichtig, er vermittelte Menschen mit Göttern, er half Kontakte auf erotischer und sexueller
Ebene zu vereinfachen. Wie auch heute verhalf der Alkohol Schranken zu überwinden. Der Rausch
erhob den Trinker über sich selbst. Das Trinken war ungezügelt und der anschließende Verlust
der Selbstkontrolle war erwünscht. Der tüchtigste Trinker stand auf der sozialen Hierarchie ganz
oben. Er war der vitalste, der kräftigste. Das ist auch heute in vielen Männerrunden nicht anders.
Bier war hoch geschätzt und war Teil der Arbeitsentlohnung in Ägypten. „In der herr­
schenden Naturalwirtschaft erhielten Landarbeiter einen Liter leichten Bieres, drei Maß Vollbier
die hohen Beamten wie auch die Haremsfrauen, übertroffen nur von den höchsten Würdenträ­
gern mit fünf Maß. Aus der jeweiligen Stärke und Menge der Zuteilung ließ sich der Grad der
sozialen Anerkennung ermessen.“4
Insgesamt tranken die Ägypter sehr viel Bier, dennoch war das Bier das Getränk der Un­
ter- und Mittelschicht in Ägypten. Die wirklich reichen Ägypter konnten sich Wein leisten und
tranken ihn auch lieber als Bier. So ist der Unterschied zwischen Biertrinkern, den eher einfachen
Leuten, und den Weintrinkern, den gut betuchten schon damals zu beobachten gewesen.
2.4 Germanien
Damals kannte der Mensch in unseren Breitengraden zwei Arten von Getreide: Gerste und Hir­
se. Getreide, das geröstet, gemahlen und mit Wasser gekocht wurde, stellte die damalige pflanz­
liche Hauptnahrung dar. Aus diesem Brei muss wohl die wundersame Verwandlung zu Bier ent­
standen sein. Für die Germanen war die Herstellung von Bier oder Met göttlichen Ursprungs.
Sie konnten unmöglich wissen, warum ein Getreidebrei wenn er unbeaufsichtigt in einem Gefäß
ein, zwei Tage herumstand, seine Konsistenz veränderte oder beim Hinzufügen von Honig noch
rasanter anfing zu gären. Jacob Blume vermutet in „Bier, was die Welt zusammenhält“, dass viel­
leicht bei der Bärenjagd der Getreidebrei vergessen wurde und nach ein paar Tagen getrunken.
„Schon fand die noch heute beliebte deftige Kombination, Kotelett mit Bier, zueinander.5
Die Germanen tranken sowohl Bier als auch Met. Die Klassifikation von Met als Bier ist
nicht stimmig, aber eng damit verwandt. Bier wird auf Getreidestärkebasis hergestellt, Met auf
Basis vom Zucker des Honigs. Vielmehr ist Met mit Wein verwandt.
Der Alkoholrausch war schon sehr früh in das göttlich, kultische eingebunden. „Ganz Ger­
manien soff inklusive seiner Götter.“6
Bier wurde wie bei den Ägyptern, ohne dass die Germanen
14
irgendetwas von dem weit entfernten Land wussten, den Göttern geopfert. Der Germane fühl­
te sich den Göttern umso näher, desto berauschter er war. Das Bier wurde kollektiv getrunken
und war wiederum für die Gemeinschaft von erheblicher Bedeutung. Das Trinken schweißte die
Gruppe zusammen und verpflichtete jeden einzelnen zur Sippe und zu den Göttern. Trinkrituale
bahnten sich ihren Weg und verhalfen dem Trinker Kontakt zum Jenseits herzustellen. Im Ge­
dächtnis an die Toten und Götter entwickelte sich das „ritualisierte Minnetrinken.“ Die Germa­
nen betranken sich sehr häufig und so kam es beim Gelage auch häufig zu Mord und Totschlag.
Doch auch Friedensverträge, Hochzeiten oder Wahlen der Stammesoberhäupter wurden bei die­
sem kolletiven Umtrunk getätigt.
In der germanischen Vorstellung brauten auch die Götter Bier, und das in großen Mengen.
Den Toten wurde Bier als Grabbeigabe in versiegelten Krügen mit auf den Weg an Odins Tafel
gegeben. Der damalige Glaube besagte, dass wenn ein Krieger in einer Schlacht tapfer gefallen
war, er an Odins Tafel käme und ihm als erstes Bier oder Met gereicht würde. Das Bier als Grab­
beigabe diente als Wegzehrung zu dieser Tafelrunde. Der Tod erschien durch das Bier nicht mehr
so beängstigend. Das Schlimmste was einem Germanen passieren konnte war, dass ihm der Him­
mel auf den Kopf fiele; eine Art Umschreibung, dass der Braukessel verloren ging.
Eine Sage berichtet von einem Riesen, der den Göttern den Braukessel stahl. Schnell fanden
Sie den Riesen und töteten ihn und seine Sippschaft. Der Kessel wurde wieder in Besitz genom­
men und, um ihn endgültig zu sichern, am Himmelsgewölbe befestigt. Jedes Mal wenn die Götter
ihr Bier brauten, erlebten die Menschen dies am eigenen Leibe mit. Es zogen Wolken auf und am
Himmel braute sich was zusammen. Und wenn Thor den Braukessel putzte, donnerte es.
Thor, einer der besten Trinker, legte sich mit dem Dämonen Loki an und sie veranstalteten
ein Wetttrinken. Thor konnte zu seiner großen Verblüffung sein Horn nicht leeren und musste
aufgeben. Erst später bemerkte er, dass Loki sein Horn mit dem Meer verbunden hatte und das
Meerwasser in Bier verwandelte. Dieses Wetttrinken hinterließ dem Menschen Ebbe und Flut.
Der Brauprozess unterschied sich im Wesentlichen nicht vom heutigen Prozess. Sie rösteten
gekeimtes Getreide und kochten es anschließend in Wasser. Der große Unterschied war, dass sie
das aufgesetzte Gebräu mit Honig anreicherten um es zum Gären zu bringen. Sie wussten nichts
von Hefe und glaubten der Honig bringe die Maische zum Gären. Leider haben die Germanen
nichts aufgeschrieben, deshalb wissen wir das meiste heute ausrömischen Erzählungen.
15
2.5 Griechenland und das römische reich
Bier war bei den Griechen und Römern absolut verpönt. Sie berichteten stets abfällig über das
Getränk der Barbaren. Dennoch stellten die Griechen Bier nach Art der Ägypter her. Mit Obst
gemischt diente es als Fitnessgetränk, z.B. zur Olympiade. Um das herumschwimmende Getrei­
de nicht zu trinken benutzten sie Strohhalme, fanden aber nicht wirklich Geschmack am Bier.
Dennoch hatte Dionysos, Gott der Extase und Fruchtbarkeit, Mitleid mit den Leuten auf der
Erde, dessen Klima keinen Weinanbau zuließ. „Da lehrte er sie, die Ackerfrüchte zu nutzen und
aus der Gerste Bier zu bereiten: einen Trank, der dem Wein an Geschmack kaum nachsteht.“7
Ari­
stoteles bemerkte: „Bier die Eigentümlichkeit besitzt, den Menschen, der zu viel davon getrun­
ken hat, nach rückwärts fallen zu lassen, während allzu reichlicher Weingenuss ein Niederstürzen
nach allen Seiten verursacht.“8
Es mag einen verwundern, warum die Römer und Griechen das Bier so sehr verachteten. Der
Geschmack war eine Sache, Abgrenzung sicher die andere. Wie auch heute klafft die Schere zwi­
schen Weintrinkern und Biertrinkern auseinander. Jeder behauptet von sich, dass sein Getränk
das Beste sei. Seit den Griechen und Römern steht Wein für guten Geschmack, eher als Getränk
für die etwas besser gestellten Menschen und Bier für das gemeine, ärmere Volk, dem Proletariat.
Eine andere Erklärung für die Abneigung könnte auch die Xenophobie, die Fremdenfeindlich­
keit sein. Wein war das Nationalgetränk und Bier das der Ägypter und Germanen. So diente der
Wein als Abgrenzung gegenüber den Barbaren und schuf Gemeinschaft nach innen, definierte
und versicherte diese ebenso. Ein noch bis heute weit verbreitetes gültiges, kulturelles Muster.
Die Grenzen des Weinanbaus konnten so auch als Kulturgrenzen angesehen werden.
Der Römer konnte sich zwar bis zur Besinnungslosigkeit besaufen und tat es auch, doch mus­
ste das Besäufnis sozial legitimiert sein. Der Selbstkontrolle wurde ein hoher Stellenwert zugespro­
chen. Deshalb durfte die Sauferei den Alltag des Trinkenden unter keinen Umständen irgendwie
beinträchtigen. Vielleicht kommt daher die Ablehnung gegenüber der Trinkfreude der Germanen,
die ja hemmungslos und immerzu Bier tranken. Wein steht also im Gegensatz zu hemmungslosen
SaufgelagenundFreuden.Weinstehteherfürden„kontrolliertenAbschuss.“TrotzallerAbneigung
gestanden die Römer dem Bier göttliche Legitimation durch die Göttin Ceres zu. Sie war Göttin des
GetreidesundderErdfrüchte.Cervesa,wahrscheinlichabgeleitetauscererisvis,KraftderCeres.Der
römische Kaiser Valens war ein Biertrinker, was ihm den spöttischen Beinamen „Gerstentränkler“
bescherte.
Bier galt als Getränk der Armen, da es ja doch recht nahrhaft ist. So war Bier das Getränk der
Armen, galt als Fitnessgetränk oder als Medizin gegen Würmer oder Durchfall. Nur genießen
mochte es so recht keiner.
16
2.6 Juden und Christen
In der Bibel waren die Juden und einhergehend die Christen bis ins Mittelalter Bierabstinenzler.
Mit Alkohol war der Mensch ohne Gott. Noah ist ein gutes Beispiel dafür, war er doch Säufer von
Gottess Gnaden. Nachdem Moses das Volk Israel aus Ägypten geführt hatte, landeten sie doch in
einem Land, dass für die Herstellung von Wein und Bier prädestiniert war. Archäoligische Funde
lassen den Schluss zu, dass die Philister viel getrunken haben. „ein Land von Weizen und Gerste
und Weinstöcken und Feigenbäumen und Granatbäumen; ein Land von ölreichen Olivenbäumen
und Honig.“9
In der Bibel sucht man vergeblich nach Bier. Alle alkoholischen Getränke fallen unter den Na­
men „starkes Getränk.“ Die Unterscheidung zwischen Wein und Bier liegt in der Bibel darin, dass
das starke Getränk aus anderen Früchten, Honig und Getreide hergestellt wird. „Und auch diese
wanken vom Wein und taumeln vom starken Getränk: Priester und Prophet wanken vom starken
Getränk.“10
Der frühe Christ war sicherlich kein rauschliebender Mensch. Auch hier ist wieder das kul­
turelle Muster der Abgrenzung zu beobachten. Die Römer tranken Alkohol, der Christ nicht.
Dennoch spielt gerade Wein eine sehr wichtige Rolle im Christlichen Glauben: Jesu Blut reinkar­
niert schließlich im beim Abendmahl Wein und Jesus selbst verwandelte bei einer Hochzeit Was­
ser in Wein. Trotz aller Mäßigung und Abstinenz, Alkohol muss dabei sein. Interessant wird der
christliche Bezug zum Bier erst bei der Missionierung in Germanien und im angelsächsischen
Raum. Wesentlicher Bestandteil dieser Kulturen war ja der Bierrausch. So wurden einige heid­
nischen Rituale christlich überbaut. Der heilige Columban, Missionar in Schottland, Britannien
und Germanien verwandelte gar Wasser in Bier, so wie Jesus Wasser in Wein. Eine Verwandlung
in Wein hätte die Bierliebenden Heiden wohl nicht so sehr beeindruckt.
2.7 Das Mittelalter
Die Mönche in Deutschland waren es, die das Bier so wie wir es heute kennen entdeckt bzw.
erfunden haben. Manche Forscher behaupten gar, dass alle Kulturen zuvor nicht Bier, sondern
Cerevis tranken. Aber diese durchaus kleinliche Ansicht teilen nicht alle, vielmehr sprechen an­
dere Forscher von einer Qualitätssteigerung. Generell bis zu den Mönchen nicht von Bier zu
sprechen, würde den eigentlichen Ursprung verleugnen.
Aus menschlicher Sicht war Bier zunächst wie flüssiges Brot und weil es flüssig war, brach
es das Fasten der Mönche nicht. Sie entwickelten verschiedenste Biersorten. Die Klöster wurden
17
durch das aufkeimende Bürgertum und dem Verfall der Ritterorden von der weltlichen Macht ab­
hängig. So mussten die Mönche Wege finden an Geld zu kommen. Das Bier, dass in den Klöstern
gebraut wurde, entwickelte sich zu einer der größten finanziellen Einnahmequellen. Ein ande­
rer Grund waren die katastrophalen hygienischen Umstände. Wasser war meist sehr verdreckt.
Dadurch waren Biertrinker meist resistenter gegenüber Epidemien wie der Pest (Pestbier). Die
Mönche waren für damalige Verhältnisse sehr fortschrittlich und hatten vor allem Bildung und
Zeit zu forschen. Das Bierbrauen erhob sich ab dem 6. Jhrd. n.Chr. zur Kunst.
Die Benediktiner und Zisterzienser erwarben sich besonders viele Kenntnisse rund um das
Bierbrauen und der Schutzpatron der Bierbrauer ist nicht umsonst ein Benediktinermönch aus
dem 11. Jhrd; der heilige Arnold bzw. Arnulf. Die Mönche entwickelten einen sehr ausgeklügelten
Arbeitsablauf und erreichten einen sehr guten, weil sehr sorgfältigen Getreideanbau.
Das Kloster St. Gallen war ein Paradebeispiel für gute Arbeitsteilung. In dem Kloster arbei­
teten über 100 Mönche an drei Sorten Bier: eine sehr starke, kräftige Sorte für geistige Elite, eine
für den täglichen Verzehr der Mönche und Gäste und eine für die Armen. Das Kloster hatte einen
separaten Sud-, Gär- und Kühlraum. Später kamen auch Lagerräume hinzu.
Die Verpflichtung der Mönche Reisende zu bewirten führte zu einer schnellen Verbreitung
der Klosterbiere und einem regelrechten Boom. Im Hochmittelalter entstanden rund 500 Klo­
sterbrauereien. Die Mönche fügten dem Bier jede erdenkliche Zutat zu; von Wehrmut bis Och­
sengalle. Irgendwann einigte man sich auf Hopfen als notwendige Zutat, weil es das Bier haltbar
macht. Im 12. Jhrd. wird Hopfen erstmals wissenschaftlich erwähnt.11
Die ersten Hopfenanbaugebiete lagen logischer Weise in der unmittelbaren Nähe von Klö­
stern. Die Mönche hatten über den eigenen Bedarf hinaus eine Ausschankgenehmigung. Dies
führte zu verschiedensten Konflikten vor allem mit den städtischen Brauern. In den Städten gab
es zwei Arten von Brauern: Einmal die Braugilden, zu einem „Verband“ zusammengeschlossene
Brauereien und die Reihenbrauer. Die Reihenbrauer entstanden aus den Hausbrauereien. In den
Städten wurde in den Wohnhäusern Bier gebraut, was zu vielen Brandkatastrophen führte. So
richtete man Brauhäuser ein. In den steinernen Brauhäusern durften die Bürger ihr Bier brau­
en. So entstanden Konflikte zwischen den Gilden, Brauhäusern und den Klosterbrauereien. Die
Klöster durften uneingeschränkt ausschenken, zahlten weniger Steuern und hatten überdies bil­
lige Arbeitskräfte. Die Konflikte wurden durch Einschränkungen und Verbote durch die Landes­
herren gelöst. Durch die Reformation, dem dreißigjährigen Krieg und der Säkularisation nahm
die Zahl der Klosterbrauereien dramatisch ab. Nur die Namen blieben, wenn sie durch Privatleute
gekauft wurden: Paulaner, Augustiner etc. Nur sehr wenige „echte“ Klosterbrauereien überlebten
wie z.B. Kloster Andechs.
18
2.7.1 Das reinheitsgebot
Das Reinheitsgebot entstand aus einer Notwendigkeit. So wurde Bier allerorts gepanscht und
ihm wurden diverse, auch ungesunde Zutaten beigemengt. Auch wenn Bierpanschen unter Strafe
stand, so fügte man gerne Ochsengalle, harte Eier, Schlangenkraut, Ruß, Pech oder Kreide dem
Bier hinzu. So verordneten die Verantwortlichen Stadtherren diverse Gesetze zur Reinheit und
setzten auf drakonische Strafen bis hin zur Todesstrafe.
Die meisten Verordnungen wurden im Süden erlassen, weil sie dort erlassen werden mussten.
Das süddeutsche Bier war schlimm. In der damaligen Zeit waren die norddeutschen was das Bier-
brauen angeht deutlich im Vorteil, das süddeutsche Bier kaum konkurrenzfähig.
Durch den dreißigjährigen Krieg wurde die damalige Brauwirtschaft, die vorwiegend im
Norden zu finden war und die Weinkultur im Süden zerstört, was dem Staate Bayern zum Auf­
stieg zur Biernation verhalf.
Gilden und Zünfte strukturierten den norddeutschen Raum sehr gut, dass man eine gute
Qualität in der gewerblichen Braukunst voraussetzen konnte. Spätestens im 15. Jrhd. wurde Bier
zu einem bedeutenden Wirtschaftsgut, besonders durch die Hanse gefördert.
Alle Bemühungen zur Qualitätssteigerung mündeten in das berühmte Reinheitsgebot vom
23. April 1516 in Bayern, dass bis heute Bestand hat. Bier durfte nur Gerste, Hopfen und Wasser
enthalten. Sonst nichts. Das Reinheitsgebot galt bis 1906 aber nur regional und so kam ein Süd­
Nord-Gefälle beim Bier zustande. Das Bier war weiterhin von schrecklicher Qualität.
Seit 1906 galt das Gebot in allen Gebieten des Deutschen Reiches und die Bayern machten
es 1918 zur unverzichtbaren Forderung zum Beitritt zur Republik. Seit dem galt in Deutschland
bis 1987, dass in Deutschland Bier nur nach dem Reinheitsgebot verkauft werden dürfe. Der eu­
ropäische Gerichtshof entschied am 12. März 1987, dass in Deutschland Biere importiert wer­
den dürfen, die nicht dem Reinheitsgebot entsprechen. Der EGH sah in dem Reinheitsgebot ein
Handelshemmnis und damit einen Verstoß gegen die römischen Verträge. Entsprechend dürfen
ausländische Biere Zusatzstoffe beimengen, die aber deutlich gekennzeichnet werden müssen.
Die Marktanteile ausländischer Biere sind in Deutschland verschwindend gering. Das seit 1918
allgemein gültige Reinheitsgebot gilt aber weiterhin für deutsche Biere! So stehen die deutschen
Brauer in internationaler Konkurrenz und bewerben ihr Bier mit Hinweis auf Einhaltung des
Reinheitsgebotes. Bisher hat es noch keine ausländische Brauerei so recht versucht in Deutsch­
land mit Verzicht auf das Gebot Fuß zu fassen.
Bei aller Liebe zur Reinheit und Qualität war das Reinheitsgebot der Bayrischen Herzöge
sicherlich auch, oder vor allem von ökonomischer Natur. Sie wollten sich das Monopol auf Hop­
fen sichern. Gab es schon vorher diverse Gebote und Verordnungen wie das Bier beschaffen sein
19
sollte, so tauchte der Hopfen im berühmten Gebot von 1516 erstmalig auf.
Über die Reinheit kann man in heutigen Zeiten von Gentechnologie bei Gerste und Hopfen,
Behandlung mit Pestiziden oder der Reinheit des Wassers (Kalkbeigabe, Nitratgehalt etc.) durch­
aus streiten. Aber das sind allgemeine Probleme, die nicht das Bier an sich betreffen. Richard von
Weizäcker: „Man könne froh sein, wenn die Luft so rein wäre wie das Bier.“
2.8 industrialisierung
Allgemein geschichtliches
Gewerbefreiheit, eine Erfindung der französischen Revolution im Jahre 1791, hatte die erstarrten,
verkrusteten Vorschriften der Gilden und Zünfte aufgebrochen. Viele Zollschranken fielen. Bier
wurde, wie zu Zeiten der Hanse, wieder im großen Stil exportiert. Die Kulmbacher schickten
ihres nach Sachsen und Thüringen. Und die Kitzinger transportierten ihr Bügerbräu mit Och­
senkarren nach Hamburg und von dort mit Segelschiffen in alle Welt.
exportbier: Zu Beginn des 19. Jhrd. konnte man inzwischen auch „Exportbier“ brauen - einen
Typ, der Transporte überstand, ohne schlecht zu werden. Da kam die Erfindung der Eisenbahn
gerade richtig. Das erste Frachtgut, das jemals von einer Lokomotive durch Deutschland gezogen
wurde, waren zwei Fäßchen Nürnberger Bier am 11.07.1836.
Braurecht: In Bayern wurde als Zugeständnis an den Freiheitswillen der mittelalterliche
Bierzwang abgeschafft. Ab 1800 konnte jeder selbst entscheiden, welches Bier er trinken wollte.
1805 erhielten die Brauereien auf dem Lande das Recht, ebenso viel Bier zu brauen und zu liefern
wie ihre Konkurrenz in der Stadt. Und alle Brauereien durften nun ihr Bier selbst ausschenken.
Brauereivielfalt: Im Jahre 1880 gab es in Deutschland über 19.000 Brauereien. So viele gab es
nie zuvor, aber auch später nie mehr. Am Ende des Jahrhunderts stammte jedes vierte Glas Bier,
das irgendwo auf der Welt getrunken wurde, aus Deutschland.
Im Zuge dieser Entwicklung änderte sich manche Braugewohnheit. In Berlin gab es im Jahre
1820 nicht weniger als 74 Brauereien. Aber alle stellten nur obergäriges Bier her, vor allem die
Berliner »Weiße«. Doch als immer mehr bayerisches Bier nach Berlin exportiert wurde, lernte
man dort sehr schnell, auch untergärig zu brauen. Mit dem Ergebnis, dass am Ende des 19. Jahr­
hunderts die „Weiße“ fast ganz durch untergäriges Bier verdrängt war. Allerdings wurde dadurch
Berlin im Jahre 1896 auch Deutschlands größte Bierstadt.12
20
2.8.1 Wider dem Branntwein
Durch die Industrialisierung zogen immer mehr Menschen vom Land in die Städte. Bauern und
Handwerker wurden zu Fabrikarbeitern und mutierten zum Arbeiterproletariat, der arbeitenden
Unterschicht. Mit Beginn der Industrialisierung und der „Erfindung der Freizeit“ gab es ein­
schneidende Veränderungen in der Trinkkultur. Zeit war jetzt durch die Maschinen vorgegeben
und Zeit bedeutete Geld. Die Menschen hatten sehr lange Arbeitszeiten, 14-18 Arbeitsstunden
und der Rest, also die Freizeit musste effektiv eingeteilt werden. Also musste man in seiner knapp
bemessenen Freizeit entsprechend schnell das erledigen, wozu man sonst vielleicht Stunden Zeit
hatte.
Die Wirtshäuser veränderten sich dahingehend, dass deren einziger Zweck darin bestand,
Geld zu verdienen. Die soziale Komponente des Zechens verlor immer mehr an Bedeutung und
der Branntwein erlebte einen immensen Boom. Der Trinker ging oft alleine in die Kneipe, trank
seinen Schnaps und war volltrunken schnell wieder draussen. Eine effektive Art sich zu besaufen.
Oft konnten die Arbeiter die dreckigen, giftigen, heißen und monotonen Arbeitsbedingungen
nur durch hochprozentige Alkoholika ertragen. Am damaligen Arbeitsplatz war es normal, dass
die Arbeiter, die ja nur äußerst einfache, stupide Arbeiten zu erledigen hatten, während der Ar­
beitszeit hochprozentigen Alkohol zu sich nahmen.
Durch den Branntwein war nicht mehr das Gesellschaftliche im Vordergrund, das gemein­
same Betrinken, sondern der Rausch – und er beschleunigte den Weg dorthin immens. So steht
der Schnaps in diesen Jahren für die immer schneller werdende Gesellschaft. Der Rausch war
jetzt nicht mehr gesellig und andererseits war die Geselligkeit auch nicht berauschend. Die Knei­
pen waren regelrecht „auf Durchzug“ eingestellt. Man trank in Kellerkneipen, Branntweinstuben
oder direkt in Lebensmittelgeschäften. Es gab einen Tresen, an dem sich der Trinker festhalten
konnte, aber keine Toiletten. So war die Aufenthaltsdauer natürlich beschränkt. Auf diese Weise
entstanden in den Großstädten unzählige Kneipen. Berlin hatte Mitte des vorletzten Jahrhun­
derts eine Kneipendichte von 190 Menschen pro Kneipe. „Die Zäsuren im Leben der Arbeiter
folgten nun nicht mehr jahreszeitlichen Einschnitten, sondern allein der Verfügbarkeit von Geld­
mitteln und Zeit, also den Auszahlungstagen.“13
„Alle Kneipen sind, besonders Sonnabend und Sonntag, überfüllt, und abends um elf, wenn
sie geschlossen werden, entströmen ihnen die Betrunkenen und schlafen ihre Räusche meistens
im Chausseegraben aus.“14
So hatte die Kneipe an den Auszahlungstagen eine gesellschaftsbil­
dende Funktion, aber was sich darin zeigt ist nicht die Geselligkeit der Germanen oder des Mit­
telalters, sondern die Entstehung der modernen Masse.
Bier war zu dieser Zeit kaum eine Alternative, weil es ebenso schrecklich schmeckte wie der
Schnaps. Obwohl es in Bayern das Reinheitsgebot und im Norden die Kontrolle durch die Stände
21
gab, wurde Bier allerorts auf illegale Art gepanscht – meist aus ökonomischen Gründen.
Der Alkoholmissbrauch provozierte im anderen Teil der Bevölkerung, der nicht in der Mas­
senproduzierenden Industrie arbeitenden, eine tiefe Abscheu gegenüber der Trunkenheit. Diese
richtete sich vor allem gegen den hervorgerufenen Kontrollverlust und einhergehenden Unver­
nunft. Effektivität war das Wichtigste und ein Betrunkener war nicht effektiv. In dieser Zeit ent­
stand der medizinische Begriff der krankhaften Sucht. Regel- und übermäßiger Alkoholkonsum
wurde als krankhaft bezeichnet. Im Mittelalter wurde der Trinker noch von der Gemeinschaft
aufgefangen und unterstützt. Ab der Neuzeit war er krank und individuell gescheitert, er wurde
süchtig.
2.9 Beginn der Moderne
Mittedes19.Jhrd.ändertesichdieIndustriekulturunddievölliginhumanenArbeitsbedingungen
durch Gründung von Gewerkschaften und Arbeiterparteien. Die Technologie entwickelte sich
sehr rasant, so dass den Arbeitern mehr geistige Fähigkeiten abverlangt werden musste. Der
schnapstrinkende Arbeiter wurde nicht mehr akzeptiert, er war im Schnapsrausch auch sehr
aufmüpfig, was den Oberen der Industrien nicht gefiel. Der nüchterne und fleißige Mann war
gefragter denn je. Hinzu kommt dass er sich durch Leistung sozial und materiell nach oben ar­
beiten konnte. Da passte die Trunkenheit am Arbeitsplatz nicht. Schnaps wurde in der Industrie
nicht mehr verteilt, Krupp verteilte bis 1866 kostenlos Schnaps in seinen Werken. Der Schnaps
wurde durch Bier ausgetauscht. Bier galt als geeignetes Getränk in der Industrie und am Arbeits­
platz. Das lag an der immensen Qualitätssteigerung der Biere, der erfunden Kühlmaschine durch
Carl von Linde, um 1872, als auch durch die Erfindung des Bügelverschlusses 1877 durch Nicolai
Fritzner. Der Arbeiter nahm sich jetzt sein Bier mit in die Fabrik. So entwickelte sich in den un­
teren Schichten der Gesellschaft eine Klassifizierung von Alkohol. Der Branntweintrinker stand
ganz unten, sowohl beruflich als auch privat. Bier war nicht Alkohol, sondern stand im Gegensatz
zum Schnaps für Genuss der arbeitenden Klasse, war legitim und diente der Abgrenzung zur
sozialen, untersten Schicht.
2.10 Die Moderne
Ab Mitte des 19. Jhrd. begann sich das bayrische Lagerbier landesweit durchzusetzen. Die hand­
werklichen Zünfte verloren ihre Macht und Bedeutung und die Industriegesellschaft formte sich
22
zu einer eigenständigen Kultur. Die Handwerker schlossen sich zu Arbeiterbildungsvereinen
zusammen und übernahmen alte Traditionen wie Zutrinken, Zutoasten oder dem Willkom­
menstrunk. Der Personenkreis wurde so immer größer und selbst Frauen und Kinder nahmen
an den Festen teil. Vereine wurden immer wichtiger und bekamen eine wichtige Rolle in der Ge­
sellschaft. So schloss man sich zu Interessengemeinschaften zusammen und die Freiwilligkeit
darin zeigte dessen Modernität. Die natürliche Ordnung durch Dörfer oder Zünfte löste sich auf
und es entstand ein Bedürfnis nach individuell organisierten Zusammenschlüssen. Bier war das
Bindemittel dieser Vereinigungen nicht nur bei Festen und Tagungen und wurde zum „sozialde­
mokratischen Saft.“15
So entstanden viele Arten von Vereinen, vom Fußballverein bis hin zum Gesangsverein. Auf
dieser Entwicklungsbasis kann man die Entstehung von Gewerkschaften und Parteien herleiten.
Politik, Freizeit und Bier, das gehörte zusammen. In den Kneipen wurde viel politisiert. Der en­
gagierte Arbeiter grenzte sich mit der neuen Trinkkultur gegenüber des Pöbels, der Branntwein
trank, ab. Es ist ein altbekanntes Muster. Die SPD forderte von ihren Genossen Disziplin, Pünkt­
lichkeit, Nüchternheit, Ehrlichkeit, Gesetzestreue und Gewaltlosigkeit.16
Die Arbeiterkneipe
avancierte zu einem Ort der gesellschaftlichen und politischen Begegnung. Sogar Biersorten be­
kamen eine politische Färbung.17
Bier war des Deutschen liebstes Getränk. 1900 betrug der Pro-
Kopf-Verbrauch 120 Liter pro Jahr und war damit der dritthöchste der Welt. Bier, Wirtshaus und
Gemütlichkeit wurde zum Nationalmerkmal der Deutschen erhoben. Bier war zu dieser Zeit etwas
sehr demokratisches. Der geringste Arbeiter und der höchste Adelsmann tranken das Gleiche.
Bier war das Nationalgetränk schlechthin und verwischte beim Trinken soziale Unterschiede. Die
allgemeine Laune wurde zu der Zeit deutlich besser, bzw. entwickelte sich bei den Deutschen ein
Nationalbewusstsein, wozu das Bier als Nationalgetränk seinen Beitrag leistete. Lenin hielt sich
während seiner Emigration einige Jahre in München auf. Im Tagebuch seiner Lebensgefährtin
Nadeschda Krupskaja findet sich der Satz: „Besonders gern erinnern wir uns an das Hofbräuhaus,
wo das gute Bier alle Klassenunterschiede verwischt.”18
Biertrinken, Politisieren und Sozialdemokratie
war in dieser Zeit das Gleiche.
Der Begriff „Stammtischparole“ rührt aus diesen Zeiten. Um 1900 entstanden die ersten
Bierpaläste, riesige Säle, auf den Massenkonsum ausgelegte Hallen. Um eine große Masse an­
zulocken, bedurfte es auch entsprechender Veranstaltungen. So wurden Säle oft an Parteien oder
Gewerkschaften vermietet, die ihre Parteitage oder Gewerkschaftkundgebungen hielten. Die
Saalmiete war meist an den Bierkonsum gebunden.
„Die Paläste entstanden, als Bier, – im Zuge der Romantik, mit dem aufsteigenden National­
bewusstsein und dem damit verbundenen Rückgriff auf das Mittelalter – als der Gerstensaft auch
als Getränk bei höheren sozialen Schichten akzeptiert wurde. Vor allem die Brauereien errichteten
23
repräsentative Bauten, die in ihrer Größenordnung an Industriegebäude erinnerten und so in der
Lage sein sollten, das ganze Volk und alle sozialen Schichten zu beherbergen.“18
Die Paläste wur­
den überwiegend von den Brauereien selbst erbaut, um dort ihr Bier anzubieten. Die Gebäude ent­
wickelten sich zu wichtigen Orten in den Städten. Besonders angemerkt sei hier München. Dort
entstanden u.a. der Mathäser als seinerzeit größter Bierausschank der Welt, der Löwenbräukeller,
der Bierpalast bei der Brauerei zum Münchner Kindl oder das Hofbräuhaus am Platzl. Das Hof­
bräuhaus, wurde 27. September 1589 vom bayrischen Herzog Wilhelm V. in Auftrag gegeben und
steht für viele historische Zusammenkünfte und Veranstaltungen. 1828 wurde das Hofbräuhaus
für das normale Volk geöffnet. Das Hofbräuhaus wurde ab 1896 durch Beschluss von Prinzregent
Luitpold wegen starker, touristischer Aktivitäten umfangreich ausgebaut. Aus heutiger, trauriger
Sicht erlangte das Hofbräuhaus am 24. Februar 1920 zweifelhafte Berühmtheit durch die Grün­
dung der NSDAP.
Auch heute werden Parteitage, vor allem die der bayrischen CSU, in solchen Hallen abge­
halten und bei der CSU gehört es zum guten Ton, sogar zur politischen Verpflichtung Bier aus
Krügen während dieser Veranstaltungen zu trinken.
2.11 Die Frauen und das Bier
Bier war schon immer Frauensache. Welch ein Zufall, aber bezeichnender Weise eignen sich zum
Bierbrauen nur die unbefruchteten weiblichen Blütenstände. Schon seit der Antike brauten die
Frauen das Bier. Denn bei Hitze sondert die menschliche Haut Hefezellen ab und die Frauen
sondern davon hormonell bedingt mehr ab als Männer. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Bier
zu gären begann, lag bis zur Entdeckung der Hefe durch die Mönche im Mittelalter, bei Frauen
am höchsten. Bei der Würdigung der Klosterbrauereien werden die Nonnen gerne vergessen,
spielten sie bei der Zubereitung des Bieres doch eine entscheidende Rolle.
Die Frauen waren zu Urzeiten der Sumerer und Ägypter maßgeblich und meist alleinig für
das Bierbrauen zuständig. Das lag vor allem daran, dass die Bierherstellung sehr eng mit der
Herstellung von Brot zusammenhing und damit verwandt ist. Bierbrauen war Hausarbeit und
bis in die Neuzeit hinein tranken auch Frauen sehr viel Bier. Der Braukessel war bis ins 19. Jhrd.
Mitgift. Selbst bei den Germanen war das Bierbrauen reine Frauensache. Das Kaffeekränzchen
hat seinen Ursprung im mittelalterlichen Bierkränzchen. Die Frauen luden ihre Nachbarinnen
nach dem Bierbrauen zu sich nach hause ein und zechten gemeinsam. Frauen fanden schon sehr
früh Gefallen an weiblichen Trinkrunden.
Da das Bierbrauen seinen Ursprung in der Hauswirtschaft hat, erinnert der Umstand, dass
24
bis weit ins 18. Jahrhundert Bierschenken von alleinstehenden Frauen betrieben wurde. Das Mit­
telalter machte bei seinen Hexenverbrennungen auch nicht Halt vor den Bierbrauerinnen. So
wurden Frauen zu Hexen erklärt, sobald beim Brauen etwas schief ging. Man war überzeugt, dass
Hexen Braukessel stahlen, um auf ihnen zu reiten. Hexen tranken die Reste aus den Bierkrügen.
Es gabe auch den Aberglauben, dass wenn man nicht den Schaum vom Bier wegblies, die Hexen
Gewalt über den Trinker erhielten. Die Gefahr endete beim Volltrunkenen, über den die Hexen
keine Macht mehr erlangen konnten. Die bäuerliche Trinkkultur machte zwischen Männern und
Frauen keinen Unterschied. Die Frauen tranken genauso viel wie Bier wie die Männer, nur die
Ereignisse waren different. Die Anlässe bei denen sich die Frauen betranken und das Dorf unsi­
cher machten waren z.B. Kindsgeburten.
25
3. kapitel
Die Trinkkultur
3.1 Geschichte
Das älteste und direkteste Ritual ist wohl das Trinkritual oder das Zutrinken. Dabei werden tradi­
tionell diverse Formen angewendet, bei der „Prost“ eines der kürzesten ist. Das Zutrinken ersetzt
das Schulterklopfen. Es zeigt gegenseitige Verbundenheit und übermittelt gute Wünsche.
Im mittelalterlichen Europa endete noch jedes Saufgelage mit dem Vollrausch, was vollends
akzeptiert wurde. Wer das Gelage früher verlies, beleidigte die Gemeinschaft. So kann man in
den Jahrtausenden der Entstehung darin die ambivalente Verbindung zwischen sozialer Einge­
bundenheit von Alkoholge- und Missbrauch und freundschaftlicher Zuwendung sehen. Noch
heute ist die Kneipe einer der letzten Orte, bei denen solche archaischen Sozialformen erhalten
geblieben sind. Trinken schweißt zusammen, hier entwickeln sich auch erst die meisten Freund­
schaften so richtig. Die Kneipengesellschaft geht soweit, dass die Mehrzahl aller Kneipengäste,
wenn sie gemeinschaftlich trinken, ihre Gläser fast gleichzeitig leeren. Die Pegelstände der Gläser
unterscheiden sich oft in weniger als einem Zentimeter.
Ein Blick ins Café zeigt sehr deutlich den Unterschied zwischen Trinken und Trinken.
Wenn eine Person alleine in einem Café sitzt, macht das keinen sonderlichen Eindruck. Sitzt eine
Person aber alleine in der Kneipe, so macht die Person direkt einen einsamen und verlassenen
Eindruck. Kaffee oder Tee sind keine Gemeinschaftsgetränke, man prostet sich nicht zu, sie sind
Individualgetränke.
3.2 Die bäuerliche Trinkkultur des Mittelalters
Das Leben im Mittelalter war geprägt von natürlichen Zyklen wie den vier Jahreszeiten. Das Le­
ben der Bauern richtete sich nach Aussaat, Ernte und Viehzucht. Die Arbeit war Mittelpunkt und
die Freizeit noch nicht erfunden. Niemand vermisste sie dementsprechend. Der Rausch und das
Bier hatte eine bedeutende, gemeinschaftsbildende Funktion. Die Bauern hatten eine ausgeprägte
Festkultur mit Hochzeiten, Taufen, Erntedankfest etc. Diese Feste schufen wenn auch nur für
kurze Zeit, eine egalitäre Gesellschaft. Denn im Rausche waren alle gleich.
Die Handwerker waren nicht nur nach Gewinn aus. Viel wichtiger als das Einkommen war
die Berufsehre und der soziale Rang. Das Handwerk war in Zünften zusammengeschlossen. Die
Zunft regelte alles, vom Status bis zur Auftragsvergabe und bildete gleichzeitig das soziale Umfeld
des Handwerkers. Die Hierarchien waren omnipräsent. Die Basis bildeten die Mägde, Tagelöhner
und ländliches Gesinde; oben standen die freien Bauern, die ihr eigenes Land besaßen. So ent­
stand eine funktionierende Gesellschaft, deren Rituale die Produktion und den Ablauf regelten
28
und verbanden. Die Rituale, zu denen nicht nur die Feste zählten, gaben der damaligen Welt den
notwendigen Sinn. Eines dieser Rituale war das gemeinsame Trinken von Bier. So gab es z.B. das
Kindel-, Kindstauf-, und Lobelbier zur Geburt und Taufe, das Grasbier zum Mähen einer Wiese,
das Fenster- oder Lehmelbier zum Ausbessern der Fenster und Wände, Neubauerbier bei Aufnah­
me eines Neubauern, Tröstelbier bei Totenfeiern, Schlussbier beim Abschluss eines Baues etc. Es
gab etliche Anlässe zu trinken.
Die Arbeiter wurden von ihren Dienstherren immer auch mit Bier bezahlt, je nach Rang
gab es mehr oder weniger. Handwerkslehrlinge bekamen nur einfache Kost und schwaches Bier,
Gesellen besseres Essen und besseres Bier. Das gemeinsame Trinken regelte das Verhältnis zwi­
schen Arbeit und Muße. Wann und vor allem wie jemand mit einem Anderen trank unterlag
einem strengen Regelwerk, dem Trinkkomment. Dieser benannte z.B. das Einstiegsritual, das
neue Mitglieder zwang Bier zu trinken, den Willkomm. Er diente der Versicherung, dass er für
die Gemeinschaft da ist und stets für sie einsteht.
Fahrende Gesellen hatten ein festes Abfrageritual zu bestehen, wenn sie fremde Gastlichkeit
in Anspruch nehmen wollten. Mit dem Zutrinken wurde die Gastlichkeit gewährt. Diese Rituale
unterschieden sich von Innung zu Innung, aber das Ziel dieser Rituale war immer, Fröhlichkeit
und Solidarität. Sie entwickelten sich zu einer unverzichtbaren Kommunikationsform. Zeremo­
nien begleiteten den Menschen bei allem was der mittelalterliche Mensch tat.
Je mehr Trinksprüche ein Geselle klopfen konnte, desto weiter müsste er gereist sein, desto
mehr müsste er gelernt haben. Sein Ansehen war entsprechend groß. In männlichen Trinkrunden
ist dies heute nicht viel anders.
Diese Rituale dienten der Abgrenzung nach aussen und der Selbstversicherung nach innen.
Der schon oben erwähnte Willkomm ist heute noch z.B. auf Baustellen und Fußballvereinen üb­
lich und heißt „Einstand.“ Dabei spendet der Neuling ein oder mehrere Kisten Bier, welches als
Symbol für das Einstehen der Kameradschaft bedeutet.
Trinkrituale waren im Mittelalter friedensstiftend. Zünftige Streithähne konnten beim Bier
aufeinander zu gehen ohne ihr Gesicht zu verlieren, um anschließend wieder miteinander um­
zugehen. Monatlich veranstalteten die Handwerker die Krugstage, bei denen für die sog. Lade
gesamelt und gemeinsam getrunken wurde. Die Teilnahme an den Veranstaltungen war für jeden
Pflicht und wurde gerne angenommen.
Initiationen waren im Mittelalter ohne Bier undenkbar, der Pokal stand im Mittelpunkt
sozialer Verbindungen und das Biertrinken war eng mit der Produktion und dem individuellen
Selbstverständnis verbunden. Auch heute ist die Verbindung zwischen Arbeit und Biergebrauch
überall dort noch anzutreffen, wo wenig mechanisiert und in mittelalterlichen Wirtschaftweisen
gearbeitet wird, z.B. auf dem Bau oder auf dem Land.
29
3.3 Das mittelalterliche Gastgewerbe
Die Taberna ist der älteste Ort in Mitteleuropa, an dem gegen Bezahlung Alkohol ausgeschenkt
wird. Die eigentliche Erfindung der Schenke, oder der Taverne ist den Römern zuzuschreiben.
Die Römer erfanden die Taverne für die vielen Reisenden des Reiches. Die Tavernen standen an
den Reisestrassen verteilt und verkauften den Reisenden Getränke und Essen.
Der Wirt, der caupo (Wirt, Krämer), bot in der Tabernae, lat. für Kramladen und Wirtshaus,
im Mittelalter neben Alkohol auch weitere nützliche Gegenstände des Alltags feil. Aus dem cau­
po entwickelte sich später der deutsche Kaufmann.
Alle Ausschankorte des Mittelalters entwickelten sich aus dem klassischen Gastrecht, das
jedem Gast die Verköstigung mit Speis und Trank sowie die Beherbergung garantierte; zunächst
unentgeltlich. Das Gastrecht war im Mittelalter für fahrende Kaufleute, Handwerker, Mönche
und weltliche Herrscher äußerst wichtig, nur so konnten sie pausenlos unterwegs sein. Das Gast­
recht wurde durch weltliche, sowie durch kirchliche Gesetze geregelt und verpflichtete Jedermann
Gäste zu beherbergen, auch wenn er es eigentlich gar nicht wollte. Mit den wirtschaftlichen Ver­
änderungen änderte sich das Gastrecht. An die Stelle des privaten Gastrechts trat das kommer­
zielle Gastrecht. Wegen ihrer materiellen Besserstellung übten Bürger, Adelige und Klöster das
Gastrecht aus. Gleichzeitig hatten sie das Privileg, Wein und Bier zu produzieren und ihre Über­
schüsse zu verkaufen. Zu jener Zeit durfte jeder Bier brauen. Wenn jemand Bier braute musste
er es öffentlich kenntlich machen und Steuern dafür zahlen. Der private Brauer hing dann einen
Besen, den Buschen oder eine Fahne vor das Haus; ein Zeichen für Gastlichkeit. Und jeder der
Lust hatte ging zu dem Brauer, trank das Bier und zahlte auch dafür. Der Bürger betrieb den
Handel mit Bier aber meist nicht als Beruf, heute würde man sagen als Hobby. Das Zeichen für
Gastlichkeit hat seine heutige Entsprechung in der Aussenreklame oder bunten Leuchtschildern
der Brauereien. Wenn durchreisende Ritter und Burschenschaften an der Gaststätte ihr Wappen
anbrachten, stand das Wirtshaus unter ihrem Schutz bzw. hatte deren Empfehlung – eine mittel­
alterliche Form der Werbung.19
Wie Bier, in welchen Mengen etc. auszuschenken war unterlag strengen Vorschriften, die
regional immer unterschiedlich waren. Nur das Ende des Zechens war überall gleich – der Zap­
fenstreich oder der Zapfenstrich. Der Zapfenstreich wurde auf den Strassen mit Pauken und
Trommeln eingeläutet und untersagte jedem ab dann weiter Bier zu trinken. Amtspersonen mar­
kierten nach Feierabend den Zapfhahn mit einem Kreidestrich und machten es unmöglich ohne
aufzufallen weiter Bier auszuschenken. Die Gaststube war in ihrer ursprünglichen Form das glei­
che wie der Privathaushalt. Die Gäste aßen und tranken mit der Gastgeberfamilie gemeinsam in
der Küche. Gäste wurden bis weit ins 18. Jhrd. ins tägliche Familienleben integriert.
30
3.4 kneipen, die kommerzialisierung des Gastgewerbes
Die Kommerzialisierung des Gastgewerbes machte es notwendig die Gasträume anzupassen. Die
materielle Markierung der Trennung zwischen Käufer und Verkäufer verweist auf den Status der
veränderten Gastlichkeit: Sie schaffen Grenzen und macht diese, wie jede Grenze, kontrollierbar.
Sie schafft Innen und Außen.
Die Einführung des Tresen in England kam erst sehr spät. Die Gäste standen an der sog. Bar
und tranken meist Hochprozentiges. Das Trinken im Stehen beschleunigte den Trinkvorgang
und ermöglichte eine rationellere Bewirtung. Der deutsche Tresen war kürzer. Man setzte sich
nicht an den Tresen sondern an einen Tisch, was Stimmungen ermöglichte, die auch im Eng­
lischen mit „Gemütlichkeit“ beschrieben werden.20
Die Theke definierte nicht nur die Grenze
zwischen Gast und Wirt, sondern auch die größtmögliche Nähe. Der Stammgast sitzt am Tre­
sen.
Die gutbürgerliche Gaststube ist eine Nachbildung der alten Tradition des deutschen Wirts­
hauses und ermöglichte gemütliche Gespräche über Gott und die Welt, später auch Politik. Bier
kann man den ganzen Abend trinken, ohne davon direkt richtig betrunken zu werden. Zum Zwe­
cke der Konversation wurden Stammtische gegründet und zum gemeinsamen Zechen und Plau­
dern eignete sich schon immer das Bier hervorragend. Fernab von Zünften und Ständen konnte
in der Gaststätte jeder einkehren und trinken, egal ob arm oder reich, adelig oder Bauer, wichtig
war nur, dass er auch zahlen konnte. Im 16. Jahrhundert zahlte nicht jeder individuell, dass was
er trank, sondern packte in einen Topf das was er konnte. Eine sonst unübliche Gleichheit. Das
angetrunken-, brüderliche Zusammensein, das Jeder-fällt-jedem-in-den-Arm, die Möglichkeit
der Kommunikation über die regulären Standes- und Berufsgrenzen hinaus schuf und schafft die
scheinbar unbezwingbare Sehnsucht nach diesem Ort und sein Trinkangebot.21
Im Suff sind alle
gleich, was auch heute noch im Karneval und Fußball gilt.
3.5 Die studentische Trinkkultur
MittelalterlicheUniversitätenkanntenkeinPrivatlebenundBierwarschondamalsdesStudenten
liebstes Getränk. Es bildeten sich zahlreiche Trinkgesellschaften, deren Trinkrituale durch kö­
nigliche und kirchliche Vorbilder bereichert wurden. Die Studenten begannen ab dem 17. Jhrd.
sich in Kooperationen und Landsmannschaften zu organisieren, die als Vorgänger heutiger Bur­
schenschaften und Verbindungen gelten. Die Landsmannschaften hatten einen ähnlichen Auf­
bau wie der von Zünften. Dabei stand aber immer das gemeinsame Vergnügen und ganz explizit
31
das Saufen im Vordergrund. Es gab sogar juristisch formulierte Trinkordnungen: „Saufen ist ein
ernsthafter, mit Bechern, Gläsern, Krausen und dergleichen weinfähigen Geschirren vorgenommener
Streit. Zech- und Saufrecht wird genannt, welches vom Saufen entsprungen und daher seinen Namen
bekommen hat, in sich haltend die Gebräuche und Solennitäten dieses Festes, auch was einer dem an­
dern, solchem Recht und Gesetz nachzuhalten oder nicht, schuldig und verbunden sey, erklärend und
anzeigend. Den Willkomm anzubieten, dem Freund, der einen besuchen kommt, einen Ehrentrunk
zu kredenzen gehörte zur Grundbedingung studentischen Seins. Trinksitten waren und und sind seit
jeher stark rituell gebunden.“22
Der Rausch wurde beim Kommerz, ein Begriff aus jener Zeit und
steht für Feste und Schenken, durch vielfältige Rituale in ordentliche, feste Bahnen gelenkt. Jeder
konnte und durfte beim Saufen die Kontrolle, nicht aber sein Gesicht verlieren. Das gemeinsame
Trinken unter bestimmten, definierten Regeln ermöglichte innerhalb dieses Kreises absolutes
Gehenlassen und Ausschluss von Peinlichkeiten. Wichtigstes Merkmal war das Zutrinken als
Ritual oder als Trinksitte. Das Zutrinken drückte gegenseitige Verbundenheit aus.
Die trotz allem recht losen Verbindungen, Gemeinsamkeit war ja nur das Trinken, waren in
ihrem Erfindungsreichtum von Trinkspielen sehr kreativ. Die Studenten gründeten sog. Bierfa­
kultäten, deren Vorsitzender der Dekan war, der von allen der geübteste Trinker war. Die Stu­
denten promovierten zu Doctor Cerevisiae et Vini. Studenten, die in diese Kreise aufgenommen
werden wollten, mussten nach festgelegten Riten die Doctores herausfordern und mit ihnen um
die Wette trinken. Das bei der Masse zwangsweise Erbrechen des Bieres tat dem Wettstreit kei­
nen Abbruch, vielmehr gehörte es selbstverständlich dazu. Ein Aufnahmeritual in den Kreis der
Doctores sah z.B. so aus: Sämtliche Doctores nahmen unbedeckten Hauptes um die Tafel Platz. Ein
am Tisch stehender Bewerber gab sein Interesse bekannt, aufgenommen zu werden. Er trank sein erstes
Maß Bier auf die Runde. Auf die Zustimmung zu diesem Ansinnen durch die anwesenden Doctores
unterzog sich der Kandidat einer Prüfung. Er musste drei oder vier Opponenten wählen, mit denen er um
die wette trinken wollte. Der erste der Erwählten begann dann: „Gegen deinen ersten Satz opponiere mit
drei Maß Bier“ und trank diese anschließend in größtmöglicher Geschwindigkeit. Der Kandidat hatte
gegenzuhalten. Nachdem er diese Prozedur diverse Male über sich hatte ergehen lassen […] konnte er sich
mit der angestrebten Doktorwürde schmücken.23
Die Studenten gründeten überdies hinaus Bierstaaten und Bierherzogtümer, die als Paro­
die der herrschaftlichen Strukturen des Heiligen Römischen Reiches, der Aristokratie und des
Klerus konzipiert waren. Diese Veranstaltungen gingen meist über mehrere Tage und dienten
vor allem dem übermäßigen Alkoholgenuß. Typisch für diese Veranstaltungen war die Kombi­
nation von karnevalistischer Parodie, kabarettistisch-literarischem Vortrag („Spottreden“) und
exzessivem Alkoholgenuss.24
Mit den Bierstaaten waren einige Bierspiele, wie das Papstspiel, eng
verwandt und stellten solche Zusammenkünfte in verkürzter, aber nicht minder alkoholisierten
32
Form dar. Das Papstspiel war sehr beliebt und stellt sich in verkürzter Form wie folgt dar: Die
Studenten befestigten in der Mitte des Tisches eine sich drehende Holznadel. Mit Beginn jeder
Runde drehten sie die Nadel bis sie stillstand und eine Person zeigte. Selbige musste eine Maß
Bier trinken und stieg in der Hierarchie eine Stufe höher. Ganz unten standen die Philister, dann
folgten alle militärischen Ränge bis hin zum General, anschließend die des Adelsstandes, also
Baron, Graf, Fürst, König, Kaiser und dann kam der Student. Von dort aus konnte er Kardinal
werden und als höchsten Rang die Papstwürde erlangen. Der durch drehen des Holzes ernannte,
trinkfeste und höchstwahrscheinlich schon sturztrunkene Papst singt ein zwölfstrophiges Lied:
„O lector lectorum“, bei jeder Strophe trinkt er eine Maß Bier. Der Gewinner des Spiels wurde
anschließend absichtlich zum Erbrechen (Pabsten) oder zur Bewusstlosigkeit durch einatmen
von Tabakrauch gebracht.
Die Studenten boten sich viele Anlässe zum Trinken, und wenn es keine gab, wurden kur­
zerhand welche mit fest definierten Regeln erfunden.
3.5.1. Paragraph 11
Auf vielen Fässern und Bildern von und mit Bier ist ein §11 aufgeschrieben. Der Paragraph wur­
de in den studentischen Biercommenten festgeschrieben und bedeutet: „Es wird fortgesoffen!“
Dieses Gebot findet sich erstmals im Neuen Jenaischen Biercomment von 1853. Seine Herkunft
ist umstritten. Am überzeugendsten und urkundlich nachgewiesen ist die Ableitung von einer
deutschen Handwerksgesellenordnung aus dem Jahre 1815, welche mit den Worten „Es wird wei­
tergewandert“ besagt, die Wanderung eines Gesellen (die „Walz“) dürfte auch unter widrigsten
Umständen nicht abgebrochen werden. Analog soll auch keine Ausrede gelten, um mit dem Trin­
ken aufzuhören.25
3.6 Prost, Prosit, Trinksitten
Das Zutrinken oder Zuprosten wie man es heute nennt, hat schon seit den Germanen eine wich­
tige Bedeutung. Das Zutrinken bzw. Anstoßen ist ein wichtiger, symbolischer Akt für alle mög­
lichen Anlässe. Es ist eines der wichtigsten gesellschaftlichen Rituale. Das Anstoßen beschließt
Freundschaften, besiegelt Verträge oder bezeugt seine gegenseitige Zuneigung und Freude. Es ist
ein wichtiger Gestus zur Pflege von Sozialbeziehungen. Die einfachste Form ist das „Zuprosten“
und zeitgleiche Trinken zu zweit oder in größeren Gruppen, oft nach einer Ansprache (engl. toa­
st), auf das gegenseitige Wohl oder auf einen oder mehrere Dritte.26
Prosit oder abgekürzt Prost
ist in Deutschland der gängigste Trinkspruch und geht auf das lateinsche „prodesse“ (= „nützen“,
33
„zuträglich sein“) zurück. Synonyme in deutsch sind „wohl bekomm‘s“, „zum Wohl“ oder im eng­
lischsprachigen Raum „cheers“.
Im Grunde spielt es keine Rolle ob traditionell mit Bier oder mit anderen Getränken angesto­
ßen wird. Zutrinken ist in allen Kulturen positiv besetzt. Die Studenten haben viele dieser Sitten
und Gebräuche gepflegt und erhalten. „Das Trinken (von Alkohol) ist in allen Gesellschaften eine ge­
regelte Aktivität, eingegrenzt durch Vorschriften und Normen im Hinblick darauf, wer wieviel von was
trinkt, wann, wo, mit wem, auf welche Weise und zu welchem Zweck.“ 27
3.6.1 Die kneipenrunde
Das Ritual, sich gegenseitig zu einem alkoholischen Getränk einzuladen und dadurch eine Form
der Verbundenheit herzustellen, ist Studien zufolge fast universell verbreitet. Im deutschen
Sprachgebrauch stehen die Begriffe „einen ausgeben“ oder „eine Runde ausgeben“ für diesen
Brauch. Auch für diese Trinksitte gibt es ungeschriebene Regeln, die interessanterweise wiederum
in allen untersuchten Ländern übereinstimmen, in den USA ebenso wie in Europa und in Austra­
lien.28
„Wenn einmal erklärt wurde, daß eine Runde beginnt, sind alle Teilnehmer verpflichtet,
mitzuhalten, und zwar unabhängig von ihrer persönlichen Stimmung in jenem Augenblick. Man
kann in dieser Situation nicht darauf bestehen, nur für sich selber zu zahlen. Wenn einer aus der
Gruppe nach der ersten Runde das Lokal verlassen muß, so wird er in der Regel erklären, daß
er die erste Runde ausgeben wird […] Obwohl es ihm gegenüber eine gewisse Ungerechtigkeit
darstellt, mehr Getränke zu bezahlen als er selber trinken kann, wird die Gruppe sein Angebot
annehmen,oderabereinandererRundenteilnehmererklärtsichbereit,dieersteRundezuüberneh­
men und dem, der bald das Lokal verlassen muß, ein Glas gleichsam als Geschenk zu zahlen. […]
Wenn das Rundentrinken begonnen hat, ist jeder Teilnehmer verpflichtet, mindestens eine Runde
zu übernehmen. Das heißt, wenn eine Gruppe aus vier Teilnehmern besteht, müssen mindestens
vier Runden absolviert werden. Danach kann dann entweder ein neuer Zyklus von Runden begin­
nen, oder die Teilnehmer trinken auf eigene Kosten weiter.”29
Beim Ritual der Trinkrunde handelt es sich de facto nicht um eine Geste des Schenkens,
sondern um eine Form von Tauschgeschäft, denn jeder bezahlt im Prinzip für die Menge, die er
trinkt.30
3.6.2 salamander
Der Salamander (auch Schoppensalamander) ist eine noch heute bei Studentenverbindungen
übliche, besonders feierliche Form des Zutrinken. Praktiziert wird dieses Ritual hauptsächlich
bei Kommersen, um Gäste, zu denen eine besonders enge Beziehung besteht, im Rahmen der Be­
grüßung zu ehren. Das können die eigenen Alten Herren sein, aber auch Vertreter besonders eng
34
befreundeter Verbindungen aus anderen Universitätsorten. Weiterhin kann ein Salamander etwa
auch im Rahmen eines Stiftungsfestes zur Ehre der feiernden Verbindung gerieben werden.
Ein Salamander wird auf Kommando „gerieben“. Dazu stehen alle Teilnehmer auf und trin­
ken auf das Kommando „ad exercitium salamandri“ (lat. „zur Ausführung des Salamanders“) mit
dem Zuruf „Prost“ ihr Glas Bier aus. Die weitere Vorgehensweise ist von Ort und Verbindung ab­
hängig. Gemeinsam ist, dass nach dem (möglichst restlosen) Austrinken die Gläser gemeinsam
auf dem Tisch gerieben oder geklappert und auf ein bestimmtes Kommando gleichzeitig deutlich
hörbar (einmal oder dreimal) auf dem Tisch abgesetzt werden.
Die besondere Wirkung des Vorgangs entsteht aus dem lauten Geräusch des Klapperns,
dem kurzen lauten Schlag des gleichzeitigen Absetzens der Gläser und dem darauf entstehenden
Moment völliger Stille. Dieser Effekt wird nur bei koordiniertem Verhalten aller Beteiligten her­
vorgerufen und gilt als ein Ausdruck des Gemeinschaftsgefühls der Trinkenden und der Wert­
schätzung gegenüber den Begrüßten. In der Regel revanchieren sich die so Begrüßten bei den
Gastgebern ebenfalls mit einem Schoppensalamander.31
3.6.3 Wettsaufen
Als Binge Drinking wird im englischen Sprachraum übermäßiger Alkoholkonsum bis zum to­
talen Kontrollverlust, mitunter bis zur Bewusstlosigkeit (Komasaufen), verstanden. Die sinnge­
mäße Übersetzung wäre Kampftrinken oder Wetttrinken, die historische Entsprechung ist das
Trinkgelage. Am ausgeprägtesten ist die Erscheinung des Binge Drinking in Irland, Großbritan­
nien und den USA, obwohl es in den letzten Jahren auf dem europäischen Kontinent bei jungen
Leuten zunehmend populär wird.
Der Historiker Wolfgang Schivelbusch vertritt die Ansicht, dass sich in den unteren Schich­
ten der mitteleuropäischen Bevölkerung die Trinksitten des Mittelalters teilweise bis heute ge­
halten haben. Die alten Rituale des Zutrinkens und Wettsaufens hätten gerade im Arbeitermilieu
nach wie vor eine Bedeutung. Dies ist als ein Erklärungsansatz für Binge Drinking zu sehen,
obwohl es die unterschiedliche Ausprägung in verschiedenen Ländern nicht erklärt.
Aufschlussreicher ist ein Erklärungsansatz von Roderick Phillips: „In der zweiten Hälfte des
18. Jahrhunderts verbreitete sich unter den englischen Männern der besseren Gesellschaft eine Trinkkul­
tur, in der viel galt, wer viel vertrug.“32
3.6.4 Biertrinkspiele
Es gibt unzählige Bier- oder Trinkspiele, wahrscheinlich ähnlich viele wie es Biermarken gibt.
Hier möchte ich mal eins vorstellen, die mit Bier direkt zu tun haben. Sicherlich ist diese Liste äu­
ßerst unvollständig, aber sie zeigt, wie Bier- und Trinkspiele generell funktionieren und welchem
35
Zweck sie dienen: dem schnellen und massenhaften Trinken von Bier.
Dosenstechen
Dosenstechen (auch Dosenschießen, Kosakenpumpe, Turbobier, Shotgun oder Holzfäller) ist
ein vor allem bei Jugendlichen beliebtes Trinkritual, um eine Bierdose schnell auszutrinken.
Hierbei wird die Bierdose mit einem stichfähigen Werkzeug (Kugelschreiber, Schraubenzieher
o.ä.) seitlich unterhalb der Mitte aufgestochen. Die neu entstandene Öffnung wird an den Mund
angesetzt und der Ring an der Oberseite der Dose geöffnet. Durch die nachströmende Luft fließt
das Bier schwallartig aus dem Loch in der Dosenwand.
Eine Möglichkeit diesen Vorgang zu beschleunigen ist es, die Dose erst nach ein paar Schlu­
cken zu öffnen. Dadurch wirkt zunächst der auf Grund der enthaltenden Kohlensäure entstehen­
de Druck zusätzlich zu der Schwerkraft. Sobald ein Vakuum entsteht und der Fluss verlangsamt,
wird die Dose geöffnet.
3.7 Bier- und Trinkfeste
3.7.1 Das schützenfest
Heutzutage gibt es neben vielen kirchlichen und privaten Feiern einige Feste, die einerseits hi­
storisch, traditionell begründet sind und einen festen Platz im Kalender vieler Städte und Ge­
meinden tragen, aber anderseits alleinig auf den kollektiven Rausch ausgelegt sind. Eines dieser
Feste ist das Schützenfest, das sich historisch aus den regelmäßigen Treffen der Schützenbru­
derschaften und -Vereinen ableitet oder in anderen Teilen Deutschlands aus dem Freischiessen.
Während dieses Festes wird in der Regel ein Schützenkönig, der beste Schütze ermittelt. Beim
Freischiessen konnte sich früher der Schütze für ein Jahr von seinen Steuerabgaben befreien.
In anderen Teilen geht die Tradition der Schützenfeste auf die mittelalterlichen Bürgerwehren
zurück.
Die Bräuche um das Schützenfest werden vor allem in Bayern und Niedersachsen, aber auch
am Niederrhein, Mittelrhein und in Westfalen (insbesondere im Sauerland) mit Schützenum­
zügen gepflegt. Schützenfeste können von einem bis zu mehreren Tagen dauern und mit unter­
schiedlichen Beiprogrammen angereichert sein. Sie finden oft in einem Festsaal der lokalen Gast­
wirtschaft oder in einem extra aufgebauten Festzelt statt. Im Sauerland haben die meisten Orte
eine eigene Schützenhalle, die für die Schützenfeste genutzt wird. Viele Schützenfeste beginnen
mit einem festlichen Umzug, bei dem der amtierende Schützenkönig mit seinem Hofstaat, von
seinen Vereinsmitgliedern abgeholt, mit Musik durch den Ort zum Schützenplatz oder Festzelt
36
marschiert oder kutschiert wird. Rund um das Festzelt ist oft ein Jahrmarkt oder eine Kirmes
aufgebaut.33
Aber immer sind die Feste kollektive Rauschanlässe. Gerade in kleineren Orten ist wäh­
rend des Schützenfestes das ganze Dorf im Rauschzustand, und das über mehrere Tage. Bier und
Geselligkeit spielt dabei eine tragende Rolle und Motivation. Heimat, Tradition und die signi­
fikatente Schützenuniform hat nur noch eine untergeordnete Rolle und wird gerade von jungen
Leuten aus einem karnevalistischen Blickwinkel gesehen.
3.7.2 Das Oktoberfest
Das Oktoberfest feiert man aus historischen und brautechnischen Gründen. Das berühmteste,
das Münchner Oktoberfest (Die Wiesn) wurde 1810 erstmalig zum Anlass der Hochzeit von
Kronprinz Ludwig und Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen gefeiert. König Maxi­
milian ordnete persönlich ein Volksfest mit Freibier an. Am 17. Oktober fand auf dem Gelände
zwischen Sendlinger Berg und Allgemeinem Krankenhaus ein Pferderennen zu Ehren des Braut­
paares statt. Schon damals stellten die Wirte Zelte für die Gäste auf. Die jubelnde Menge über­
zeugte das Königshaus derart, dass sie die namenlose Wiese nach der Braut in „Theresienwiese“
benannten. Ab dann fand jedes Jahr auf der Wiese ein Volksfest mit allem Drumherum statt. Von
1939 bis 1948 fand kein Oktoberfest in München statt.
Das Oktoberfest ist das größte Volks- und Bierfest der Welt mit jährlich über 6 Millionen
Besuchern und einem Absatz von 6,7 Millionen Maß Bier im Jahre 2007. Das größte Festzelt
stellt das Münchner Hofbräu mit Platz für 10.000 Gäste auf. Das größte Wiesn-Bierzelt aller
Zeiten war das Pschorr-Bräu-Rosl-Zelt von 1913, das mit seinen 5.500 Quadratmetern etwa
12.000 Gästen Platz bot.34
Beim Oktoberfest in München, dass im übrigen im September aus
geschäftlichen Gründen stattfindet, gibt es nur die untergärigen Festbiere der Münchner Tradi­
tionsbrauereien.
Der andere Grund für die auch andernorts stattfindenden Oktoberfeste ist brautechnischer
Natur. Im Herbst konnte man wieder die schweren Winterbiere trinken – entweder frisch gebraut
oder aus dem März in kühlen Kellern gelagerte Märzenbiere. Im Sommer wurden entweder leich­
tere obergärige Biere hergestellt oder, wie in München bis zur Mitte des 19. Jhrd., es wurde gar
nicht gebraut.35
3.7.3 Festivals
Das Bierfest mit der größten Auswahl an Bieren ist das Great American Beer Festival, dass jedes
Jahr im Oktober in Denver, Colorado stattfindet. Es bietet den Besuchern über 1000 Biersorten
an. Jede Brauerei darf drei Bierproben anbieten. Die Biergläser dürfen nur einen Finger breit
37
gefüllt werden, was zu Folge hat, dass auf dem Fest keine betrunkenen herumlaufen. Das Fest hat
also eher den Charakter einer Biermesse als den eines Volksfestes.
In Europa ist das größte Festival das Great British Beer Festival (GBBF), dass jedes Jahr in
der ersten Augustwoche in der Olympiahalle in London stattfindet. In Deutschland findet seit
1997 jährlich auf der Kal-Marx-Allee in Berlin ein internationales Bierfestival mit über hundert
verschiedenen Bieren statt.36
3.8 Trinkrituale anderer Getränke
3.8.1 Absinth
Absinth kann auf verschiedenste Art getrunken werden. Jedoch haben sich aufgrund der Charak­
teristik des Absinths, wie z. B. der Louche-Effekt, der hohe Alkoholgehalt und manchmal bittere
Geschmack, im Laufe der Zeit ganz spezielle Verfahren entwickelt um den persönlichen Genuss
des Absinths noch zu steigern.
Das französische Absinth-Trinkritual
ca. 2-4 cl Absinth in ein Absinthglas füllen.

ein oder zwei Stück Würfelzucker auf einen Absinthlöffel platzieren.

ganz langsam und vorsichtig frisches, stilles Wasser über den Zucker gießen. Verdünnt wird, je 

nach Geschmack, im Verhältnis 1:3 bis 1:5, so dass man den Alkohol geschmacklich nicht mehr 

oder kaum noch spürt.

Das tschechische Trinkritual
ca. 2-4 cl Absinth in ein Absinthglas füllen.
ein oder zwei Stück Würfelzucker in den Absinth tauchen, auf einen Absinthlöffel platzieren und
anzünden.
sobald das Zuckerstück Blasen zeigt und karamellisiert, die Flammen löschen und den Löffel in
das mit Absinth gefüllte Glas tauchen. Auf keinen Fall dürfen noch brennende Zuckerstücke in
den Absinth gegeben werden, da hierbei Brandgefahr besteht.
mit Eiswasser im Verhältnis 1:3 bis 1:5 mischen. Auch hier entscheiden persönlicher Geschmack
und Stärke des Absinth
http://www.suchtmittel.de/info/spirituosen/000454.php
38
3.8.2 kleiner Feigling
Die ungeöffnete Flasche wird in einem bestimmen Rhythmus mit dem Verschluss auf einen Tisch
oder auf das dafür vorgesehene Klopfbrett, ein ebenfalls von Hersteller Behn, produziertes Wer­
begeschenk, geklopft. Anschließend wird der Verschluss aufgedreht und die Flasche wird mit der
Öffnung zwischen die Zähne geklemmt. Danach wird der Kopf in den Nacken gelegt und man
lässt den gesamten Inhalt in den Mund laufen.
3.8.3 Tequila
Der weiße Tequila wird mit einer Zitronenscheibe, der braune mit einer Orangenscheibe und
Salz getrunken. Das Salz wird auf die Hand gestreut, die Fruchtscheibe in die linke Hand, den
Tequila in die rechte Hand. Der Trinker leckt das Salz ab, beißt in die Fruchtscheibe und trinkt
den Tequila mit einem Schluck weg. Andernorts wird die Reihenfolge auch geändert, wichtig
ist dabei immer nur das Salz, die Zitrone und der Tequila. Im Übrigen ist diese Art Tequila zu
trinken keineswegs aus Mexiko importiert, sondern wurde in Europa erfunden. Der Mexikaner
rümpft über diese Art den Tequila zu trinken die Nase.
3.8.4 sambuca
Sambuca ist ein Anislikör aus dem Latium. Er wird mit drei Kaffeebohnen getrunken. Oft wird der
Likör, vor allem ausserhalb Italiens, vor dem trinken angezündet und die Flamme nach wenigen
Sekunden mit einem Bierdeckel gelöscht. Der Sambuca wird dann getrunken und die enthaltenen
drei Kaffeebohnen zerkaut. Die Bohnen kontrastieren mit ihrem bitteren Geschmack die Süße des
Likörs.
39
4. kapitel
Das Bier
4.1 Der Brauprozess
Bier brauen ist im Grunde genommen sehr einfach. Bier ist ein allgemein und per Definition ein
vergorenes Getränk auf Basis verzuckerter Stärke. Man braucht dazu tatsächlich nur irgendeine
Art von Getreide, Hefe und Wasser.
Aus dem Getreide, im Einzugsgebiet des Deutschen Reinheitsgebotes Gerste oder Weizen,
in anderen Ländern auch Reis, Hafer, Roggen, Mais oder Hirse wird Malz hergestellt. Theore­
tisch sind auch Kartoffeln oder andere Gemüse wie Erbsen möglich.
Malz (mälzen) wird durch anfeuchten und trocknen des Getreides hergestellt. Das Getrei­
de beginnt durch die Anfeuchtung zu keimen. Die im Korn vorhandene Stärke wird durch die
Keimung mit Hilfe von Enzymen in Zucker umgewandelt. Das entstandene Grünmalz (aus den
Keimen wachsen kleine Pflänzchen) wird anschließend unter Zufügung von Hitze (85-100°C)
„gedarrt“, also getrocknet. Durch die Trocknung wird der Keimvorgang abgebrochen. Je höher
die Temperatur beim darren ist, desto dunkler und aromatischer wird das Bier. Jetzt spricht man
von Malz. Dauer der Keimung, Keimtemperatur, Feuchtigkeitsgrad und Darrtemperatur sind die
entscheidenden Faktoren für die Art und den Geschmack des Bieres. Jetzt spricht man von Darr­
malz. Das Darrmalz wird im Anschluss geschrotet, also zerkleinert. Das erleichtert die spätere
Lösung im Brauwasser.
Das geschrotete Malz wird in Wasser gegeben und erhitzt. Die Mischung aus Malz und
Wasser heißt Maische (maischen). Bei der Erhitzung (45°C) im Sudkessel wird die Maische
stetig umgerührt und die Stärke löst sich im Wasser. Die Maische wird im Anschluss auf 70°C
erhitzt. Enzyme sorgen jetzt dafür, dass aus der Getreidestärke vergärbarer Malzzucker wird.
Rasten, längere Pausen, bei der die Temperatur zwischen 45°C und 70°C nicht erhöht, sondern
konstant gehalten wird, sind entscheidend für den späteren Geschmack. Werden längere Pausen
eingelegt, löst sich mehr Stärke im Wasser, was zu süßeren, malzigen Bieren führt. Der Maisch­
prozess ist ausschlaggebend für den späteren Geschmack und Biersorte. Der gesamte Vorgang
dauert zwischen 2 und 4 Stunden. Auch die richtige Wahl des Wassers spielt hier eine Rolle: So
verwendet man kalkarmes, weiches Wasser für herbe Biere wie z.B. Pils.
DieMaischewird jetzt gefiltert (läutern). Dabei wird die feste Maische vom Wasser getrennt.
Das Wasser mit seinen gelösten Stoffen heißt jetzt (Bier)Würze. Die Maische dient dabei selbst als
Filter. Sie setzt sich am Boden des Läuterbottichs ab und lässt nur noch das Wasser nach unten
durch. Im Läuterbottich bleibt zum Schluss nur noch der Treber (Malzkuchen) übrig, der meist als
Viehfutter verwendet wird. Der Würze wird während der Filterung heißes Wasser nachgegossen
(Aufguss). Dabei verändert sich die Konzentration der Stärkeabbauprodukte und des Malzzuckers.
Dieser Prozess ist wichtig für den späteren Alkoholgehalt und die Stammwürze des Bieres.
42
Die Würze wird jetzt in der Sudpfanne gekocht. Hier kommt der Hopfen ins Spiel. Der
Hopfen wird in Form von Dolden, im Zeitalter der Industriellen Fertigung immer mehr in Form
von Extrakten oder Pellets, hinzugegeben. Menge und Sorte steuern die Haltbarkeit und den
Geschmack. Je mehr Hopfen verwendet wird, desto haltbarer, bitterer und herber wird das Bier.
Durch das Aufkochen und Verdampfen des Wassers wird die Würze auf die je nach Sorte fest­
gelegte Stammwürze konzentriert. Die Stammwürze definiert die Sorte und entsprechend die
Steuerklasse.
Im Anschluss wird die Würze in einem Whirlpool in Rotation gebracht. Die nichtgelösten
Hopfen- und Eiweißbestandteile bleiben zurück und die klare Würze wird in den Gärbottich
geleitet und mit Sauerstoff angereichert.
Je nach Hefesorte wird die Würze im Gärbottich auf 5°C bis 20°C abgekühlt. die Hefe wird
anschließend hinzugegeben. Die Hefe sorgt für den Gärprozess. Zunächst vermehrt sich die Hefe
durch den vorhandenen Sauerstoff sehr rapide bis zu einem bestimmten Punkt. Wenn der Sau­
erstoff in den isolierten Tanks aufgebraucht ist, zersetzt die Hefe den Zucker innerhalb von 5-8
Tagen in Alkohol und Kohlenstoffdioxid. Die Hefe wird im Anschluss, außer beim Hefeweizen,
abgeschöpft.
Je nach Hefesorte und Würzetemperatur ergibt die Gärung ein untergäriges oder obergä­
riges Bier. Beim untergärigen Bier setzt sich die Hefe am Boden des Bottichs ab, beim obergä­
rigen schwimmt sie oben auf. Obergärige Hefesorten brauchen höhere Umgebungstemperaturen
bei der Gärung (15-20°C) als untergärige (4-9°C). Die Vergärung von obergäriger Hefe verläuft
schneller und war schon möglich, als es noch keine moderne Kühltechnik gab. Dafür ist das ober­
gärige Bier anfälliger für Verunreinigungen mit Fremdpilzen und Bakterien.
Untegärige Biere gären langsamer, brauchen eine längere Lager- und Reifezeit, sind dafür
länger haltbar und weniger anfällig für Verunreinigungen.
Das sog. Jungbier wird jetzt in große Lagertanks geleitet und gärt eine Weile nach. Die
Tanks stehen unter Druck, so dass das Kohlendioxid nicht mehr entweichen kann und sich im
Jungbier bindet. Nachgärung kann 2 Wochen bis 3 Monate dauern, je nach Biersorte. Das dient
der Reifung und der endgültigen Geschmacksentfaltung.
Die anschließende Ausfilterung von Gerbstoffen, Hopfenharzen, toten Hefezellen oder
bierschädlichen Bakterien ergibt die letztlich klare Beschaffenheit des Bieres. Bei naturtrüben
Bieren entfällt der Schritt der Filterung.
Zum Schluss wird das Bier in Flaschen, Fässern oder Dosen abgefüllt und ist ab jetzt trink­
bar. Bei der Abfüllung ist wichtig, dass das Bier nicht mit Sauerstoff in Berührung kommt, weil
es sonst die Qualität beeinträchtigen würde. Moderne Abfüllanlagen arbeiten heute mit dem Ge­
gendruckverfahren, damit die Kohlensäure enthalten bleibt.
43
4.1.2 Braugerste
Die ältesten Nachweise von menschlichem Gerstenanbau lassen ich bis auf 10500 v.Chr. datieren.
Gerste gilt als gutes Futtermittel, weil es relativ viel Eiweiß enthält. Die Pflanze ist Anspruchslos
und kann an schlechten Standorten mit Weizen gut konkurrieren.
Als wichtiges Qualitätskriterium für Braugerste gilt vor allem der gegenüber Futtergersten
geringere Eiweißgehalt von 9,5 und 11,5 Prozent, welcher durch Züchtung und durch gezielt spar­
samere Stickstoff-Düngung erzielt wird. Weiterhin zeichnet Braugerste eine Keimfähigkeit von
mindestens 97 Prozent aus, da bei einem nicht keimfähigen Gerstenkorn die Umsetzungspro­
zesse beim Mälzen nicht stattfinden können. Ebenfalls sollte Braugerste einen Vollgerstenanteil
(Siebgröße > 2,5 mm) von mindestens 90 Prozent, einen Ausputz (Siebgröße < 2,2 mm) von
höchstens 2,0 Prozent und einen Wassergehalt von höchstens 14,5 Prozent aufweisen.37
Größter Gerstenproduzent weltweit ist Russland, gefolgt von Kanada und Deutschland auf
dem dritten Platz mit 11.722.000 Tonnen.38
4.1.3 Hopfen
Hopfen wächst an 3 bis 5 Meter hohen Stauden, vornehmlich in Süddeutschland. Zum Bierbrau­
en werden die weiblichen, unbefruchteten Blüten (Dolden) von kultiviertem Hopfen verwandt.
Wichtig sind die Bitterstoffe und das Aroma. Hopfen verleiht dem Bier Haltbarkeit. Nach dem
Deutschen Reinheitsgebot einer der vier Bestandteile des Bieres. Der Hopfen gibt dem Bier den
typischen herben Geschmack, erhöht die Haltbarkeit und verhilft der Blume zur Standfestigkeit.
Berühmt für seine besondere Güte ist der Hallerthauer Aromahopfen.39
Brauwasser
Zu hartes Wasser hat einen zu hohen Salzgehalt, namentlich an Karbonaten. Die Härte des Was­
sers hat insofern Einfluß auf den Charakter des Bieres, als sich die Wassersalze beim Braupro­
zeß mit den löslichen Stoffen von Malz und des Hopfen umsetzen und die Enzyme im Malz
beeinflussen. Chemisch soll das Brauwasser neutral, also weder sauer noch alkalisch sein. Hartes
Wasser färbt Biere zu, macht sie also dunkler. Es führt zu bitterem Hopfengeschmack und setzt
die Enzymtätigkeit (beim Verzuckern der Stärke im Sudhaus) herab. Seit diese Einflüsse bekannt
sind, haben die Brauereien begonnen, ihr Wasser aufzubereiten und auf 2 bis 5 Härtegrade zu
enthärten.
So sind die bekannten Hauptbiertypen jeweils auf ein Brauwasser ganz spezifischer Zusam­
mensetzung zurückzuführen, wie es regionaltypisch natürlich vorkommt und wie es sich zur Pro­
duktion gerade dieser Sorten als besonders geeignet erwiesen hat: das weiche, salzarme Wasser
Pilsens zur Herstellung des hellen, hopfenbetonten „Pilsener“ Biertyps, das harte Dortmunder
44
Wasser (hohe „Nichtcarbonathärte“) für den „Exporttyp“ und das ebenfalls harte Münchner
Wasser (hohe „Carbonathärte“) für den dunklen „Münchner Typ“.
Um das Brauwasser den Anforderungen des jeweils herzustellenden Biertyps optimal anzu­
passen und z.B. auch aus hartem Wasser ein Pils brauen zu können, das höchsten Ansprüchen
genügt, werden Brauwässer bei Bedarf auf physikalischem Wege entkarbonisiert bzw. entsalzt.
Man verwendet zum Ausgleich entweder gesättigtes Kalkwasser, setzt einen Ionenaustauscher
ein oder bedient sich der Verfahren der Elektro-Osmose oder Umkehrosmose. Diese Verfahren,
die nicht im Widerspruch zum Reinheitsgebot stehen und deren Einsatz in der Trinkwasser-Auf­
bereitungsverordnung geregelt ist, ermöglichen es dem Brauer heute, auf besonders reine Tief­
brunnenwässer zurückzugreifen, ohne durch deren Zusammensetzung auf die Produktion einer
bestimmten Biersorte festgelegt zu sein. www.bierundwir.de
stammwürze
Stammwürze oder auch Stammwürzgehalt ist eine Messgröße, die den Anteil der Stoffe bezeich­
net, die sich vor der Gärung aus dem Malz und Hopfen im Wasser gelöst haben. Stammwürze
besteht hauptsächlich aus Malzzucker, Vitaminen, Eiweiß, Aminosäuren, Mineralien, Hopfen­
anteilen und Aromastoffen. Die Bedeutung der Stammwürze für die Bierbrauerei kann mit der
Bedeutung von Most für die Weinherstellung verglichen werden. Bei der Weinherstellung wird
Most zu Wein und Stammwürze wird durch Gärung zu Bier. Erheblichen Einfluss hat Stamm­
würze auf den Alkoholgehalt von Bier, sowie den Nährwert. Die Stammwürze wird durch die
Wirkung der Hefe ca. zu einem Drittel zu Alkohol und zu einem weiteren Drittel zu Kohlensäure.
Das übrige Drittel der Stammwürze ist nicht zu vergären und somit ein Restextrakt. Der Gehalt
der Stammwürze wird als „Grad Plato“ bezeichnet.40
Am meisten verbreitet ist in Deutschland
das Vollbier mit einem Stammwürzegehalt von 11% - 16%. In Deutschland wird die Biersteuer an­
hand des Stammwürzegehalts ermittelt. Biere werden unterschiedlich besteuert und in folgende
Klassen aufgeteilt:
Einfachbiere mit einer Stammwürze von 0 bis unter 7 %
Schankbiere mit einer Stammwürze ab 7 % bis unter 11 %
Vollbiere mit einer Stammwürze ab 11 % bis unter 16 %
Starkbiere ab einer Stammwürze von 16 % oder mehr
45
4.2 Gebraut nach deutschem reinheitsgebot
Das deutsche Reinheitsgebot war in Deutschland bis 1987 für alle Brauereien in Deutschland
ein allgemein gültiges Gesetz. Bier durfte nur aus Hopfen, Malz, Hefe und Wasser hergestellt
werden. Der Europäischen Gerichtshofs fiel 1987 nach langjährigem Streit ein Grundsatzurteil,
das besagte, dass auch ausländische Biere, die nicht nach dem Reinheitsgebot gebraut wurden in
Deutschland verkauft werden dürfen. Der Grundsatz: In einem Mitgliedsstaat der EU rechtmäßig
hergestellte und in den Verkehr gebrachte Erzeugnisse - gleich welcher Art - können grundsätzlich auch in
den anderen Mitgliedsstaaten in Verkehr gebracht werden. Dieses Inverkehrbringen darf durch nationale
Gesetze wie in Deutschland unter Berufung auf das Reinheitsgebot nicht behindert werden.41
Durch die
Anwendung des Reinheitsgebots auch auf Importbiere verstoße die Bundesrepublik gegen Art.
30 des EWG-Vertrages so der vorwurf des Europäischen Gerichtshof.
Biere, die in anderen Mitgliedsländern der EU rechtmässig hergestellt oder verkehrsfähig
waren, erlangen diese Verkehrsfähigkeit auch auf dem deutschen Markt - unabhängig davon, ob
sie entsprechend den strengen Vorschriften des Reinheitsgebotes hergestellt werden oder nicht.
Jedoch machte der EGH den Deutschen auch ein Zugeständnis: Wenn ein Bier nicht nach dem
Reinheitsgebotgebrautwurde,somüssenalleInhaltsstoffeaufdemEtikettdeutlichgekennzeich­
net werden. Die Gesetzeslage sieht für Deutschland aber weiterhin vor, dass deutsche Brauereien
ihr Bier, wenn sie es im Inland brauen, nach dem Reinheitsgebot brauen müssen. Für deutsche
Exportbiere gilt diese Regelung nicht.
In Deutschland hat der Anteil an ausländischen Bieren, die nicht nach dem Reinheitsgebot
gebraut werden, nur verschwindend geringe Marktanteile. Die Brauereien bewerben ihr Bier seit­
dem verstärkt mit Hinweis auf Einhaltung des Reinheitsgebotes.
Mit der Zusatzstoffzulassungsverordnung hat die EU-Kommission beschlossen, welche
Zusatzstoffe in Lebensmitteln verwendet werden dürfen. Sie hat auf einer Liste alle Stoffe auf­
gelistet, die in der EU rechtmäßig zum Einsatz kommen dürfen. Zusatzstoffe sind Farbstoffe,
Antioxidationsmittel, Emulgatoren, Süßstoffe, Geschmacksverstärker etc. Dieses gilt auch für
deutsche Biere. Diese Verordnung wurde 1998 ins deutsche Recht übernommen. Der Verweis bei
Nutzung dieser Zusatzstoffe auf das Reinheitsgebot ist nicht zulässig.
Seitdem darf auch ein deutsches Bier, Bier heißen auch wenn es zusätzliche Stoffe beinhal­
tet. Positive Konsequenz war die Einführung von Biermixgetränken, die bis dato nicht in Braue­
reien abgefüllt werden durften.
Um getreu traditionellen Rezepturen oder Verfahren hergestellte Lebensmittel vor billigen
Imitaten zu schützen, schuf die EU das „Traditionelle Lebensmittel“ und erstellte eine Liste aus­
gewählter Lebensmittel (europaweit 15), deren Herstellungsverfahren und Rezeptur zwingend
46
eingehalten werden muss, soll das Lebensmittel unter der geschützten Bezeichnung auch zu­
künftig vermarktet werden.
Die deutschen Bierbrauer haben sich darauf verständigt auch in Zukunft nur nach deut­
schem Reinheitsgebot zu brauen.
4.3 Die wichtigsten Biersorten
4.3.1 Lager
Das Lager ist ein untergäriges Bier, dass sehr kalte Temperaturen und eine lange Reifungszeit
benötigt. Es wurde früher vorwiegend in Bayern gebraut und konnte bei entsprechend kalter Um­
gebungstemperatur lange Zeit gelagert werden.
Da es in Bayern viele kühle Keller gab, war es schon früh möglich untergäriges Bier zu brau­
en. Man hat im Winter aus den Seen große Eisblöcke geschnitten und in die Keller gebracht.
Das Lager ist traditionell eher mild und weniger bitter. Die Bezeichnung Lager ist in
Deutschland nicht mehr sehr geläufig, in den angelsächsischen Ländern dagegen schon. Große
Marken wie Beck‘s nutzen in Deutschland diese Bezeichnung.
4.3.2 Pils
Das mit Abstand am häufigsten getrunkene Bier in Deutschland ist das Pils, oder Pilsener. Das
Pils wurde erstmalig in Pilsen, Tschechien gebraut. Weil das Bier in Pilsen um 1842 so schrecklich
war, berief der Braumeister von Pilsen einen bayrischen Braumeister um der Stadt ein gutes Bier
zu brauen. So kommt es, dass das Pils eigentlich nach bayrischer Brauart (Lager) gebraut wurde
und noch immer wird. Von dort an vollzog sich der weltweite Siegeszug des Pils. Das Pilsner
Urquell gilt als Originalpils.
Pils wird untergärig gebraut, es benötigt daher kalte Temperaturen zur Gärung. Mit Erfindung
der Kühlmaschine war es überall möglich Pils zu brauen, was einer der Gründe für den weltweiten
Siegeszug ist. Wegen dem hohen Hopfenanteil ist Pils lange haltbar und robust im Transport,
was sich auf den Export sehr positiv auswirkt.
Pils ist ein sehr bekömmliches Bier durch das alkalische Wasser, mit einer leicht bitteren
Hopfennote und einer festen Schaumkrone. Pils sollte wenn es urtypisch schmecken soll, eine
deutliche, blumige und trockene Hopfennote haben, wie es für die pilstypische Hopfenart „Saaz“
üblich ist.42
Die Darrung ist sehr schonend und das Malz ist sehr hell, was für die goldgelbe Farbe
verantwortlich ist. Es hat eine lange Gär- und Lagerzeit.
47
4.3.3 Alt
Altbier ist eigentlich ein irreführender Begriff. Altbier ist nicht besonders alt, sondern, der Begriff
wurde erst nach dem 2. Weltkrieg geprägt, steht für Bier nach alter Art. Demnach ist Altbier ein
obergäriges Bier, was bei Zimmertemperatur gärt. Charakteristisch ist die braune Farbe und der
teilweise sehr aggressiv bittere Geschmack. Durch das dunkle Malz hat das Alt einen leicht ka­
kaoiges Aroma. Die größte Verbreitung von Altbier ist im Rheinland mit der Althochburg Düs­
seldorf. Die Internationale Entsprechend für Alt wäre Ale oder Bitter. Düsseldorfer Marken wie
Füchsen oder Ueriges kämen einer Entsprechung von Extra special bitter gleich. Ein gutes, weil
etabliertes int. Pendant zum Altbier wäre das Fuller‘s Extra Special Bitter. Ale und Alt vereint die
starke Hopfung und obergärige Brauart.43
4.3.4 kölsch
Kölsch ist ein regional geschützter Begriff für Biere, die in Köln und in wenigen ausserhalb Kölns
gelegenen Brauereien gebraut werden. Kölsch ist die einzige Biersorte, die eine Konvention hat
und klar regelt was ein Kölsch ist und woher es kommen muss. Der Wortlaut der Konvention
veröffentlicht im Bundesanzeiger am 25.06.1985: „Die Bezeichnung Kölsch darf nur für nach dem
Reinheitsgebot hergestelltes helles, hochvergorenes, hopfenbetontes, blankes obergäriges Vollbier verwendet
werden, das innerhalb des Herkunftsbereiches von Kölsch hergestellt wird und dem dort herkömmlich und
unter Bezeichnung Kölsch hergestellten und vertriebenen obergärigen Bier entspricht. Der Herkunftsbe­
reich von Kölsch ist das Stadtgebiet von Köln. Zum Herkunftsbereich gehören darüber hinaus diejenigen
Brauereien außerhalb des Stadtgebietes von Köln, die an der Bezeichnung Kölsch bereits vor Inkrafttre­
ten dieser Wettbewerbsregeln einen wertvollen Besitzstand erworben hatten.“44
4.3.5 (Hefe)Weizen / Weißbier / Weisse
Weißbier ist obergärig und hat seine stärkste Verbreitung in Süddeutschland. Ein Weizen wird
zum Weizen wenn in der Maische außer Gerstenmalz auch Weizenmalz enthalten ist. Typisch für
das Weizen ist seine fruchtig-frische Note mit wenig Bittergeschmack. Der Geschmack erinnert
deutlich an Gewürznelken, Bananen oder Birnen. Insgesamt ist das Weizen sehr reich an Aroma,
was auch zur Ausprägung des typischen Weizenglases geführt hat. So entfalten sich die vielfäl­
tigen Aromen durch die große Mundöffnung besser.
Meistens wird das Weizen nach der Gärung nicht filtriert, was seine Trübung erklärt. Ein
gefiltertes Weizenbier nennt man entsprechend Kristallweizen. Sehr weit verbreitet ist bei dieser
Biersorte die Flaschengärung. Die Sitte die abgelagerte Hefe vom Flaschenboden aufzuschütteln
gilt unter Kennern bei Weizenbieren als schlecht und verleiht dem Bier eine überbetonte und
unerwünschte Hefenote. Generell sollte man den Bodensatz nicht aufschütteln, sondern in der
48
Flasche lassen, was nicht für das Hefeweizen gilt – hier ist der Hefegeschmack erwünscht. Das
Bier entwickelt viel Kohlensäure und hat entsprechend eine starke und feste Schaumkrone,45
die
durch Zitronen im Glas zerstört wird.
4.3.6 Bock
Bockbier hat einen hohen Stammwürzegehalt und einen entsprechend hohen Alkoholgehalt. Von
Bock spricht man, wenn der Stammwürzegehalt über 16% liegt. Entsprechend hoch ist der Anteil
an positiven Inhaltsstoffen wie z.B. Vitaminen, pflanzlichem Eiweiß, etc. Wenn der Stammwürze­
gehalt über 18% liegt spricht man von Doppel-Bock. Bockbier wird traditionell um die Fastenzeit
herum gebraut und verkauft.
49
5. kapitel
Die Josefsgesellschaft
5.1 Geschichte
Heinrich Sommer, Priester im Erzbistum Paderborn, gründete in Bigge die Josefs-Gesellschaft.
Sein Ziel war: „Heilung, Pflege und gewerbliche Ausbildung verkrüppelter Personen.“
Am 03. Januar 1872 in Ahlen in Westfalen geboren, wurde Heinrich Sommer am 05. Februar
1899 zum Priester geweiht. Sein Wunsch als Missionar auszureisen, wurde ihm aus gesundheit­
lichen Gründen verwehrt. Beherzt wählte er die ihn schon lange interessierende Krüppelfürsorge
als neues Arbeitsfeld und studierte die Fachliteratur. Ein Antrag im Caritasausschuß des Katho­
likentages im August 1903, die Errichtung von Anstalten für krüppelhafte Kinder zu bedenken,
gab Heinrich Sommer den Anstoß, seine lang gehegten Pläne zu verwirklichen. Er gewann den
Freiherrn Conrad von Wendt auf Schloß Gevelinghausen, dem damals „sozialsten Adeligen West­
falens“, und dessen Frau, einer Schwester des „Löwen von Münster“, Clemens August Kardinal
von Galen, für seine Pläne.
1904 verschickte Rektor Sommer von Schloss Schellenstein einen Aufruf zur Gründung
eines Vereins, der Josefs-Gesellschaft genannt werden sollte. Gleichzeitig veröffentlichte er in 70
katholischen Zeitungen von Westfalen und Rheinland aufklärende Werbeartikel und bat um Un­
terstützung.
Der Paderborner Bischof unterstützte ebenfalls diesen Aufruf, ein katholisches Krüppelheim
zu gründen. Die Antwort darauf waren zahlreiche Geldspenden. Mit Hilfe dieser Geldspenden
konnte das Haus Hoffmann (am Bahnhof Bigge) erworben werden und am 31. Oktober 1904
wurde in diesem Haus das „Josefs-Krüppelheim“ mit 7 Pfleglingen eröffnet, die in der Setzerei,
Druckerei und Buchbinderei Beschäftigung fanden. Die Verwaltung der Anstalt wurde vorläufig
auf dem vom Freiherrn von Wendt zur Verfügung gestellten Schloss Schellenstein in Bigge einge­
richtet. Der Grundstein für das heutige Josefsheim Bigge und der Josefs-Gesellschaft war gelegt.46
Die Josefsgesellschaft ist heute Träger von bundesweit 16 Einrichtungen der Rehabilitation, Kran­
ken- und Altenpflege.
5.2 struktur
5.2.1 Wohnen
Das Josefsheim ist primär eine Einrichtung für körperlich Behinderte. Je nach Grad der Behinde­
rung ist der Pflegeaufwand entsprechend hoch. Die Arten der Behinderungen sind mannigfaltig.
In der Regel ist der Behinderungsgrad bei den im Heim lebenden sehr hoch. Das Spektrum geht
von leicht bis schwerst mehrfachen Behinderungen .
52
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Analyse trink Gutes. Recherche zum Thema Bier

  • 1. TrinkGuTes. Konzept und Entwurf einer Biermarke Humberto Gregorio Schriftlicher Teil der Diplomarbeit an der FH Düsseldorf, FB Design Sommersemester 2008 Erstprüfer: Prof. Dr. Rainer Zimmermann Zweitprüferin: Anja Steinig
  • 2.
  • 3. 1. Vorwort 8 2. Die kulturgeschichte des Bieres 11 2.2. Mesopotamien, die Wiege der Kultur 12 2.3 Ägypten 13 2.4 Germanien 14 2.5 Griechenland und das römische Reich 15 2.6 Juden und Christen 17 2.7 Das Mittelalter 17 2.7.1 Das Reinheitsgebot 18 2.8 Industrialisierung 20 2.8.1 Wider dem Branntwein 21 2.9 Beginn der Moderne 22 2.10 Die Moderne 22 2.11 Die Frauen und das Bier 24 3. Die Trinkkultur 27 3.1 Geschichte 28 3.2 Die bäuerliche Trinkkultur des Mittelalters 28 3.3 Das mittelalterliche Gastgewerbe 30 3.4 Kneipen, die Kommerzialisierung des Gastgewerbes 31 3.5 Die studentische Trinkkultur 31 3.5.1. Paragraph 11 33 3.6 Prost, Prosit, Trinksitten 33 3.6.1 Die Kneipenrunde 34 3.6.2 Salamander 35 3.6.3 Wettsaufen 35 3.6.4 Biertrinkspiele 35 3.7 Bier- und Trinkfeste 36 3.7.1 Das Schützenfest 36 3.7.2 Das Oktoberfest 37 3.7.3 Festivals 37 3.8 Trinkrituale anderer Getränke 38 3.8.1 Absinth 38 Das französische Absinth-Trinkritual 38 3
  • 4. Das tschechische Trinkritual 38 3.8.2 Kleiner Feigling 38 3.8.3 Tequila 38 3.8.4 Sambuca 39 4. Das Bier 41 4.1 Der Brauprozess 42 4.1.2 Braugerste 44 4.1.3 Hopfen 44 4.1.4 Hefe 44 4.1.5 Brauwasser 44 4.1.6 Stammwürze 45 4.2 Gebraut nach deutschem Reinheitsgebot 45 4.3 Die wichtigsten Biersorten 47 4.3.1 Lager 47 4.3.2 Pils 47 4.3.3 Alt 47 4.3.4 Kölsch 48 4.3.5 (Hefe)Weizen / Weißbier / Weisse 48 4.3.6 Bock 49 5. Die Josefsgesellschaft 51 5.1 Geschichte 52 5.2 Struktur 52 5.2.1 Wohnen 52 5.2.2 Berufsbildungswerk 53 5.2.3 Arbeit 54 5.3 Die Josefsbrauerei 55 5.3.1 Gründung 55 5.3.2 Ziele 55 5.3.3 Getränke 55 5.3.4 Zahlen 56 5.3.5 Absatz Bier 2007 56 5.3.6 Absatz Alkoholfreie Getränke 2007 57 4
  • 5. 6. Der Biermarkt 59 6.1 Der weltweite Biermarkt 60 6.1.1 Braunationen 60 6.1.2 Pro-Kopf-Verbrauch 2004 nach Ländern 61 6.1.4 weltweiter Bierverbrauch nach Kontinenten 62 6.1.3 weltweiter Bierverbrauch nach Gebieten 62 6.1.5 Ausstoßentwicklung zwischen 2005 und 2006 63 6.1.6 Global Player 64 6.2 Der Biermarkt in Deutschland quantitativ 65 6.2.1 allgemeine Aussagen 65 6.2.2 Umsatzentwicklung 1995 – 2006 in Deutschland 66 6.2.3 Brauereidichte 66 6.2.4 Anzahl betriebener Braustätten nach Bundesländern 67 6.2.5 Bierabsatz nach Bundesländern in 1000 hl 68 6.2.6 Gebinde 69 Anteil der Gebinde am Bierausstoß 2005 (%) 69 6.2.7 Absatz nach Biersorten 70 6.3 Der Biermarkt in Deutschland qualitativ 71 6.3.1 Konsum 72 Konsumorte 73 Einkaufsorte 74 Kaufkriterien 75 6.3.2 Einstellungen zum Bier 76 Die Qualität von Billigbier ist… 76 6.3.3 Marken 77 Sympatie 77 Bekanntheit bei Männern und Frauen 78 Bekanntheit nur bei Männern 78 Alter und Einkommen 79 6.3.4 Zukünftige Strategien der Brauereien 80 Erwartete Entwicklung des Absatzes nach Sorten 80 Zukünftige Wettbewerbsstrategien der Brauereien 80 Zukünftige Produkt-/Marktstrategien 81 5
  • 6. 83 7. Biermarken 7.1 Markenkampf 84 7.2 Brauereigruppen 85 7.3 Deutsche Biermarken im Vergleich 88 7.3.1 Warsteiner 88 Aktuelle Anzeigenmotive 88 TV-Werbung 89 7.3.2 Krombacher 90 Aktuelles Anzeigenmotiv 90 TV-Kampagne 91 7.3.3 Veltins 92 TV-Kampagne 93 7.3.3 Hasseröder 94 TV-Kampagne 94 7.3.4 Rothaus Tannenzäpfle 95 7.3.5 Beck’s 96 7.3.6 Astra 98 Plakatmotive 99 8. Abschließende Bewertung 101 9. Mögliche Positionierungsstrategien 105 Positionierung als nonprofit Produkt 106 Verknappung, kein Volumenbier 106 Getränkemarke statt Biermarke 106 Das ganzheitlich gute Bier 106 10. Quellenangaben 108 6
  • 7.
  • 8. Vorwort Dieses Buch ist der Recherche und Analyseteil im Rahmen meiner Diplomarbeit am FB Design der FH Düsseldorf. Mein Thema ist die Konzeption und Entwicklung einer Biermarke. Als Brau­ erei habe ich mir die Josefsbrauerei aus Bigge (Olsberg, Sauerland) ausgesucht, weil sie neben einem guten, regionalen Bier auch eine gute Geschichte hat. Die Mitarbeiter der Brauerei sind größtenteils körperlich behindert und stellen neben verschiedenen Biersorten auch Alkoholfreie Getränke her. Ein absolutes Novum in Europa. Warum muss man wenn man ein Diplom im Kommunikationsdesign anstrebt sich mit soviel Theorie auseinandersetzen? Geht es nicht einfach nur um schöne Gestaltung? Die Antwort auf die letzte Frage kannte ich schon vor dieser ganzen Recherche- und Analysearbeit. Ohne Inhalt keine Gestaltung. Ohne inhaltlich fundiert über sein Thema sprechen zu können und ohne den inhaltlichen Hintergrund kann man keine gute Gestaltung machen. Wenn ich nicht weiß wie der Markt funktioniert, wie kann ich dann dafür gestalten? Kommunikationsdesign bedeutet, Inhalte zu kommunizieren. Ergo muss man sich die entsprechenden Inhalte aneignen. Das wusste ich vorher schon. Neu war mir die gewaltige Dimension dieses Themas. Informationen, die sich zu einer immer komplexeren Struktur zusammenfügten, je tiefer ich in die Materie einstieg. Dieses Buch beschreibt die Ergebnisse meiner Recherchen und fasst sie analytisch zusammen. Zu Beginn meiner Recherche war ich nur ein ganz normaler Biertrinker, der den Gerstensaft gerne nach dem Sport oder abends auf Feiern trank. Daran hat sich auch nicht viel geändet, aber die Einstellung zum Bier hat sich sehr verändert. Mein Respekt vor diesem Getränk ist merklich gestiegen und tendiert Streckenweise in Richtung Bewunderung. Klar wusste ich wie jeder andere interessierte Mensch so einiges über das wundersame, meist goldgelbe Getränk. „Hopfen und Malz, Gott erhalts.“ Bier wird aus Hopfen, Malz und Wasser gebraut und die Mönche spielten eine wichtige Rolle bei der Bierentwicklung. Mir war auch bewusst, dass in Deutschland viele Biermarken gibt. Ich habe mir schon vor den Recherchen so einiges über das Bier angelesen und das ein oder andere unterschiedliche Bier probiert. Besonders erstaunt bin ich noch immer über die lange Kulturgeschichte, die knapp 10.000 Jahare umfasst. Vom Wein hätte ich das eher vermutet, aber nicht vom Bier. Das andere Kulturen außer den Germanen gerne Bier tranken war mir nie so recht bewußt und von den Ägyptern hätte ich es nicht erwartet. Bier ist ein Getränk, dass in seiner frühen Form nicht mehr viel mit dem zu tun hat, was wir heute Bier nennen. Das moderne Bier ist technisch, geschmacklich als auch hy­ gienisch auf allerhöchstem Niveau und ich kann mir schwer vorstellen, wie es früher zugegangen ist. Da wurde das Bier gepanscht, ihm wurden ekelerregende Substanzen wie abgetrennte Finger beigemischt oder mit Pech versetzt. So kann ich mich glücklich schätzen in einer Zeit und in einer 8
  • 9. Region zu leben, die Wert auf das Reinheitsgebot legt. Der Bierrausch, oder vielmehr der Alkoholrausch war bis in die Moderne hinein ein ge­ sellschaftlich akzeptierter „Gemütszustand“ und Teil des täglichen Lebens. Aus heutiger Sicht kann ich mir das nur noch sehr schwer vorstellen, ist doch der klare Verstand und Geist einer der wichtigsten Voraussetzungen in unserem Berufsleben. Damals war das nicht so. Ehrlich ge­ sagt kommt mir ein Lächeln über die Lippen, wenn ich mir vorstelle, dass eine Gesellschaft jahr­ hundertelang besoffen durch die Gegend torkelte. Aber es waren andere Epochen, Zeiten ohne Computer, Büros, flächendeckende Bildung und Zeiten harter körperlicher Arbeit. Vor diesem Hintergrund lässt sich leichter verstehen, dass beispielsweise auf dem Bau noch immer ein hoher Alkoholkonsum herrscht; sind doch die Arbeitsstrukturen ähnlich des Mittelalters geblieben, was aber durchaus ein Vorurteil sein kann. Bier ist Teil der Gesellschaft und für Vieles das Bindemittel schlechthin. Bier macht im be­ sten Sinne kommunikativ, was an seiner langsamen Rauschwirkung liegt. Man kann eben einen ganzen Abend beim Bier miteinander plaudern. Auch in der Politik darf Bier nicht fehlen; man denke an einen CSU-Parteitag ohne Bier oder den bekennenden Biertrinker Gerhard Schröder – „hol’ mir mal ne Flasche Bier, sonst streik’ ich hier.“ Zu allen Anlässen trinken wir gerne mal ein Glas Bier, ob beim Sport – hier sei der natürlich Fußball genannt, zum Essen oder einfach nur zum Feiern. Steigt man tiefer in das Thema ein, so kann man sich vor Quellen und Statistiken kaum retten. Bier ist eben ein gesellschaftlich relevantes Thema und wird von der Gesellschaft ebenso fröhlich wie auch ernst behandelt. Die Kunst besteht darin die wichtigsten Zahlen und Fakten zu fokussieren und daraus Schlüsse zu ziehen. Ich werde den Entwurf und die Konzeption der Biermarke auf diese Analyse aufbauend ent­ wickeln. Die Analyse soll den Grundstock für eine anschließend sachlich fundierte Konzeptions­ arbeit legen und Raum für kreative Interpretationen schaffen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Spaß beim Lesen und hoffe, dass sie sich ähnlich für das Thema begeistern können, wie es mir passierte. 9
  • 10.
  • 12. 2.1. einleitung Kein von Menschenhand hergestelltes Getränk, nicht einmal Wein hat eine so lange Kulturg­ schichte und ist so eng mit der Weltgeschichte verbunden wie das Bier. Seit Anbeginn der Hoch­ kulturen wird es von den Menschen getrunken. Es diente als Hauptnahrungsmittel, als Rausch­ droge zur Weltflucht, wie auch als gesellschaftliches Kommunikationsvehikel. Bier hat bis ins Mittelalter hinein nicht wirklich viel mit dem zu tun, was wir heute als Bier bezeichnen. Vielmehr steht es bis ins Mittelalter als Synonym fü¨r gegorene Getränke auf Basis von Stärke. Der Brau­ prozess, auf den ich später noch detailliert eingehen werde, ist im Prinzip sehr simpel und erklärt die Klassifizierung von Getränken als Bier. Im Prinzip nimmt man Getreide, bringt es mit Wasser zum Keimen und wartet (anschließend) eine gewisse Zeit ab, bis die in der Luft herumfliegende Hefe das Getreide-Wasser-Gemisch zum gären bringt. Fertig. Dabei spielt es wahrlich keine Rol­ le, ob das Getreide nun aus Gerste, Weizen, Emmer oder Reis besteht. Historisch ist das Bier lange vor dem Wein bekannt. 2.2. Mesopotamien, die Wiege der kultur Eine der ersten Überlieferungen von Bier (gegorene Getränke auf Stärkebasis) kommt aus dem Gilgamesch-Epos, dass seinen Ursprung schon Jahrtausende vor Christi hat. Ein Sumerischer König sandte zu einem in der Steppe lebenden Wilden eine Prostituierte und befahl ihr ihm Brot und Bier zu geben, auf das er Mensch werde. Für die Sumerer war Bier ein Medium der Schöp­ fungsgeschichte des Menschen. Durch das Backen von Brot und dem Brauen von Bier wurde der Mensch zum Mensch und unterschied sich von der Tierwelt. „Iss das Brot, Enkidu, das gehört zum Leben. Trinke das Bier, wie es im Leben Brauch ist! Enkidu aß das Brot, bis er satt war. Er trank das Bier, sieben Krüge voll. [...] Er wusch sich den zottigen Leib mit Wasser, salbte sich mit Öl – und ward ein Mensch.1 Eines der ältesten Dokumente der Menschheit ist aus dem 7. Jt. v. Chr. „das blaue Mo­ nument“ zeigt die Herstellung von Bier mit Emmer (Gerstenähnliches Getreide) und religiöse Tier- und Bieropfer. Die Schrifttafel befindet sich im Pariser Louvre und zeigt die zwei größten Errungenschaften der Sumerer: Die Schrift und das Bier. Der Göttin „Ninkasi“ wird auf dem Monument ein Opfer dargebracht, denn sie galt den Sumerern als Erfinderin eben dieses Bieres. In der sumerischen Götterwelt erfüllt sie die äußerst wichtige Aufgabe der Schankwirtin. Die Sumerer benutzen zum Bierbrauen Gerste oder Emmer. Das durch mahlen entstandene Mehl wurde mit Wasser verdünnt, direkt getrunken oder zu einem Teig geformt. Anschließend wurde 12
  • 13. es heiß gebacken und ähnelte einem Bierbrot. Ein regelmäßiger Alkoholkonsum konnte aber nicht ohne Behältnisse stattgefunden haben. Das älteste zur Zeit bekannte Behältnis wurde 1992 im iranischen Zagros-Gebirge entdeckt, dessen organische Spuren eindeutig von Aufbewahrung und Vergärung getreidehaltiger Flüssigkeiten hinweisen. Da man die Wirkung von Hefe natürlich noch nicht kannte, war der einfachste Trick, Flüs­ sigkeiten zum Gären zu bringen, immer das Selbe Gefäß zu benutzen. Die Hefekulturen konnten an den Gefäßwänden überleben. Für die Sumerer war im Zweistromland der Bierkonsum und der einhergende Bierrausch Teil eines sozialen Rituals. „Die Götter und die Menschen trafen sich im Rausch.“ Die Sumerer waren passionierte Bürokraten und im täglichen Leben wurde alles in strenge gesetzliche Bestimmungen gepresst. Die Bewohner des Ortes, den viele Historiker für den historischen Ort des „Paradieses“ hielten, reglementierten natürlich auch den Bierausschank. Das erste Reinheitsgebot wurde nicht von bayrischen Herzögen erlassen, sondern von König Hammurabi, 3000 Jahre zuvor. Auf Bierpanschen stand die Todesstrafe. Bier wurde in Korn be­ zahlt und das Korn wieder dem Biere zugeführt. Bier wurde von Frauen ausgeschenkt, die je nach Neigung und Fähigkeit auch als Prostituierte, bzw. als Vermittlerin käuflicher Liebe diente. So ist die Verbindung von Schankwirtin, dem Genuss von Alkohol, den geistigen Freuden und der kör­ perlichen, den sexuellen Freuden nur logisch. Die Schenke war im alten Mesopotamien beliebter Treffpunkt aller Couleur. DierömischeAntikeunterschiednichtzwischenSchankwirtinundProstituierte.DieSchen­ ke war in Mesopotamien wichtiger Ort kultischer Prostitution, Religionsausübung und Besäuf­ nis zu Ehren der Götter. Die Sumerer kannten bis zu 20 Biersorten, die sich in Farbe und Grundsubstanz unter­ schieden. Den einzelnen Schichten wurden bestimmte Biersorten zugedacht, z.B. das Königsbier („Heute ein König. Königpilsener.“) 2.3 Ägypten Für die Ägypter war Trunkenheit ein Ausdruck von Freude, es stand für gottgefälliges Handeln. Das jahrhunderte lang gefeierte Talfest zu Ehren der Ahnen schuf den Rahmen für ein Massen­ besäufnis… Ein Mädchen kommt mit einer Schale voll Bier in einen Raum und reicht es seinen Eltern mit den Worten: „Betrinkt euch tüchtig und feiert einen schönen Tag, wie Gott es euch befohlen hat.“3 Für die Ägypter war es der krönende Abschluß der Feierlichkeiten, als man sich mit Bier abgefüllt erbrechen musste. Darstellungen erbrechender Menschen war im alten Ägyp­ ten ein beliebtes Bildmotiv. 13
  • 14. Bier wurde den Göttern geopfert und wurde den Toten als Grabbeigabe mit auf den be­ schwerlichen Weg ins Jenseits gegeben. Niemand anderes als Osiris galt als Erfinder des Bieres. Im übrigen war der Begriff für Flüssiges und Bier der Gleiche. Der Bierrausch war für die Ägypter sehr wichtig, er vermittelte Menschen mit Göttern, er half Kontakte auf erotischer und sexueller Ebene zu vereinfachen. Wie auch heute verhalf der Alkohol Schranken zu überwinden. Der Rausch erhob den Trinker über sich selbst. Das Trinken war ungezügelt und der anschließende Verlust der Selbstkontrolle war erwünscht. Der tüchtigste Trinker stand auf der sozialen Hierarchie ganz oben. Er war der vitalste, der kräftigste. Das ist auch heute in vielen Männerrunden nicht anders. Bier war hoch geschätzt und war Teil der Arbeitsentlohnung in Ägypten. „In der herr­ schenden Naturalwirtschaft erhielten Landarbeiter einen Liter leichten Bieres, drei Maß Vollbier die hohen Beamten wie auch die Haremsfrauen, übertroffen nur von den höchsten Würdenträ­ gern mit fünf Maß. Aus der jeweiligen Stärke und Menge der Zuteilung ließ sich der Grad der sozialen Anerkennung ermessen.“4 Insgesamt tranken die Ägypter sehr viel Bier, dennoch war das Bier das Getränk der Un­ ter- und Mittelschicht in Ägypten. Die wirklich reichen Ägypter konnten sich Wein leisten und tranken ihn auch lieber als Bier. So ist der Unterschied zwischen Biertrinkern, den eher einfachen Leuten, und den Weintrinkern, den gut betuchten schon damals zu beobachten gewesen. 2.4 Germanien Damals kannte der Mensch in unseren Breitengraden zwei Arten von Getreide: Gerste und Hir­ se. Getreide, das geröstet, gemahlen und mit Wasser gekocht wurde, stellte die damalige pflanz­ liche Hauptnahrung dar. Aus diesem Brei muss wohl die wundersame Verwandlung zu Bier ent­ standen sein. Für die Germanen war die Herstellung von Bier oder Met göttlichen Ursprungs. Sie konnten unmöglich wissen, warum ein Getreidebrei wenn er unbeaufsichtigt in einem Gefäß ein, zwei Tage herumstand, seine Konsistenz veränderte oder beim Hinzufügen von Honig noch rasanter anfing zu gären. Jacob Blume vermutet in „Bier, was die Welt zusammenhält“, dass viel­ leicht bei der Bärenjagd der Getreidebrei vergessen wurde und nach ein paar Tagen getrunken. „Schon fand die noch heute beliebte deftige Kombination, Kotelett mit Bier, zueinander.5 Die Germanen tranken sowohl Bier als auch Met. Die Klassifikation von Met als Bier ist nicht stimmig, aber eng damit verwandt. Bier wird auf Getreidestärkebasis hergestellt, Met auf Basis vom Zucker des Honigs. Vielmehr ist Met mit Wein verwandt. Der Alkoholrausch war schon sehr früh in das göttlich, kultische eingebunden. „Ganz Ger­ manien soff inklusive seiner Götter.“6 Bier wurde wie bei den Ägyptern, ohne dass die Germanen 14
  • 15. irgendetwas von dem weit entfernten Land wussten, den Göttern geopfert. Der Germane fühl­ te sich den Göttern umso näher, desto berauschter er war. Das Bier wurde kollektiv getrunken und war wiederum für die Gemeinschaft von erheblicher Bedeutung. Das Trinken schweißte die Gruppe zusammen und verpflichtete jeden einzelnen zur Sippe und zu den Göttern. Trinkrituale bahnten sich ihren Weg und verhalfen dem Trinker Kontakt zum Jenseits herzustellen. Im Ge­ dächtnis an die Toten und Götter entwickelte sich das „ritualisierte Minnetrinken.“ Die Germa­ nen betranken sich sehr häufig und so kam es beim Gelage auch häufig zu Mord und Totschlag. Doch auch Friedensverträge, Hochzeiten oder Wahlen der Stammesoberhäupter wurden bei die­ sem kolletiven Umtrunk getätigt. In der germanischen Vorstellung brauten auch die Götter Bier, und das in großen Mengen. Den Toten wurde Bier als Grabbeigabe in versiegelten Krügen mit auf den Weg an Odins Tafel gegeben. Der damalige Glaube besagte, dass wenn ein Krieger in einer Schlacht tapfer gefallen war, er an Odins Tafel käme und ihm als erstes Bier oder Met gereicht würde. Das Bier als Grab­ beigabe diente als Wegzehrung zu dieser Tafelrunde. Der Tod erschien durch das Bier nicht mehr so beängstigend. Das Schlimmste was einem Germanen passieren konnte war, dass ihm der Him­ mel auf den Kopf fiele; eine Art Umschreibung, dass der Braukessel verloren ging. Eine Sage berichtet von einem Riesen, der den Göttern den Braukessel stahl. Schnell fanden Sie den Riesen und töteten ihn und seine Sippschaft. Der Kessel wurde wieder in Besitz genom­ men und, um ihn endgültig zu sichern, am Himmelsgewölbe befestigt. Jedes Mal wenn die Götter ihr Bier brauten, erlebten die Menschen dies am eigenen Leibe mit. Es zogen Wolken auf und am Himmel braute sich was zusammen. Und wenn Thor den Braukessel putzte, donnerte es. Thor, einer der besten Trinker, legte sich mit dem Dämonen Loki an und sie veranstalteten ein Wetttrinken. Thor konnte zu seiner großen Verblüffung sein Horn nicht leeren und musste aufgeben. Erst später bemerkte er, dass Loki sein Horn mit dem Meer verbunden hatte und das Meerwasser in Bier verwandelte. Dieses Wetttrinken hinterließ dem Menschen Ebbe und Flut. Der Brauprozess unterschied sich im Wesentlichen nicht vom heutigen Prozess. Sie rösteten gekeimtes Getreide und kochten es anschließend in Wasser. Der große Unterschied war, dass sie das aufgesetzte Gebräu mit Honig anreicherten um es zum Gären zu bringen. Sie wussten nichts von Hefe und glaubten der Honig bringe die Maische zum Gären. Leider haben die Germanen nichts aufgeschrieben, deshalb wissen wir das meiste heute ausrömischen Erzählungen. 15
  • 16. 2.5 Griechenland und das römische reich Bier war bei den Griechen und Römern absolut verpönt. Sie berichteten stets abfällig über das Getränk der Barbaren. Dennoch stellten die Griechen Bier nach Art der Ägypter her. Mit Obst gemischt diente es als Fitnessgetränk, z.B. zur Olympiade. Um das herumschwimmende Getrei­ de nicht zu trinken benutzten sie Strohhalme, fanden aber nicht wirklich Geschmack am Bier. Dennoch hatte Dionysos, Gott der Extase und Fruchtbarkeit, Mitleid mit den Leuten auf der Erde, dessen Klima keinen Weinanbau zuließ. „Da lehrte er sie, die Ackerfrüchte zu nutzen und aus der Gerste Bier zu bereiten: einen Trank, der dem Wein an Geschmack kaum nachsteht.“7 Ari­ stoteles bemerkte: „Bier die Eigentümlichkeit besitzt, den Menschen, der zu viel davon getrun­ ken hat, nach rückwärts fallen zu lassen, während allzu reichlicher Weingenuss ein Niederstürzen nach allen Seiten verursacht.“8 Es mag einen verwundern, warum die Römer und Griechen das Bier so sehr verachteten. Der Geschmack war eine Sache, Abgrenzung sicher die andere. Wie auch heute klafft die Schere zwi­ schen Weintrinkern und Biertrinkern auseinander. Jeder behauptet von sich, dass sein Getränk das Beste sei. Seit den Griechen und Römern steht Wein für guten Geschmack, eher als Getränk für die etwas besser gestellten Menschen und Bier für das gemeine, ärmere Volk, dem Proletariat. Eine andere Erklärung für die Abneigung könnte auch die Xenophobie, die Fremdenfeindlich­ keit sein. Wein war das Nationalgetränk und Bier das der Ägypter und Germanen. So diente der Wein als Abgrenzung gegenüber den Barbaren und schuf Gemeinschaft nach innen, definierte und versicherte diese ebenso. Ein noch bis heute weit verbreitetes gültiges, kulturelles Muster. Die Grenzen des Weinanbaus konnten so auch als Kulturgrenzen angesehen werden. Der Römer konnte sich zwar bis zur Besinnungslosigkeit besaufen und tat es auch, doch mus­ ste das Besäufnis sozial legitimiert sein. Der Selbstkontrolle wurde ein hoher Stellenwert zugespro­ chen. Deshalb durfte die Sauferei den Alltag des Trinkenden unter keinen Umständen irgendwie beinträchtigen. Vielleicht kommt daher die Ablehnung gegenüber der Trinkfreude der Germanen, die ja hemmungslos und immerzu Bier tranken. Wein steht also im Gegensatz zu hemmungslosen SaufgelagenundFreuden.Weinstehteherfürden„kontrolliertenAbschuss.“TrotzallerAbneigung gestanden die Römer dem Bier göttliche Legitimation durch die Göttin Ceres zu. Sie war Göttin des GetreidesundderErdfrüchte.Cervesa,wahrscheinlichabgeleitetauscererisvis,KraftderCeres.Der römische Kaiser Valens war ein Biertrinker, was ihm den spöttischen Beinamen „Gerstentränkler“ bescherte. Bier galt als Getränk der Armen, da es ja doch recht nahrhaft ist. So war Bier das Getränk der Armen, galt als Fitnessgetränk oder als Medizin gegen Würmer oder Durchfall. Nur genießen mochte es so recht keiner. 16
  • 17. 2.6 Juden und Christen In der Bibel waren die Juden und einhergehend die Christen bis ins Mittelalter Bierabstinenzler. Mit Alkohol war der Mensch ohne Gott. Noah ist ein gutes Beispiel dafür, war er doch Säufer von Gottess Gnaden. Nachdem Moses das Volk Israel aus Ägypten geführt hatte, landeten sie doch in einem Land, dass für die Herstellung von Wein und Bier prädestiniert war. Archäoligische Funde lassen den Schluss zu, dass die Philister viel getrunken haben. „ein Land von Weizen und Gerste und Weinstöcken und Feigenbäumen und Granatbäumen; ein Land von ölreichen Olivenbäumen und Honig.“9 In der Bibel sucht man vergeblich nach Bier. Alle alkoholischen Getränke fallen unter den Na­ men „starkes Getränk.“ Die Unterscheidung zwischen Wein und Bier liegt in der Bibel darin, dass das starke Getränk aus anderen Früchten, Honig und Getreide hergestellt wird. „Und auch diese wanken vom Wein und taumeln vom starken Getränk: Priester und Prophet wanken vom starken Getränk.“10 Der frühe Christ war sicherlich kein rauschliebender Mensch. Auch hier ist wieder das kul­ turelle Muster der Abgrenzung zu beobachten. Die Römer tranken Alkohol, der Christ nicht. Dennoch spielt gerade Wein eine sehr wichtige Rolle im Christlichen Glauben: Jesu Blut reinkar­ niert schließlich im beim Abendmahl Wein und Jesus selbst verwandelte bei einer Hochzeit Was­ ser in Wein. Trotz aller Mäßigung und Abstinenz, Alkohol muss dabei sein. Interessant wird der christliche Bezug zum Bier erst bei der Missionierung in Germanien und im angelsächsischen Raum. Wesentlicher Bestandteil dieser Kulturen war ja der Bierrausch. So wurden einige heid­ nischen Rituale christlich überbaut. Der heilige Columban, Missionar in Schottland, Britannien und Germanien verwandelte gar Wasser in Bier, so wie Jesus Wasser in Wein. Eine Verwandlung in Wein hätte die Bierliebenden Heiden wohl nicht so sehr beeindruckt. 2.7 Das Mittelalter Die Mönche in Deutschland waren es, die das Bier so wie wir es heute kennen entdeckt bzw. erfunden haben. Manche Forscher behaupten gar, dass alle Kulturen zuvor nicht Bier, sondern Cerevis tranken. Aber diese durchaus kleinliche Ansicht teilen nicht alle, vielmehr sprechen an­ dere Forscher von einer Qualitätssteigerung. Generell bis zu den Mönchen nicht von Bier zu sprechen, würde den eigentlichen Ursprung verleugnen. Aus menschlicher Sicht war Bier zunächst wie flüssiges Brot und weil es flüssig war, brach es das Fasten der Mönche nicht. Sie entwickelten verschiedenste Biersorten. Die Klöster wurden 17
  • 18. durch das aufkeimende Bürgertum und dem Verfall der Ritterorden von der weltlichen Macht ab­ hängig. So mussten die Mönche Wege finden an Geld zu kommen. Das Bier, dass in den Klöstern gebraut wurde, entwickelte sich zu einer der größten finanziellen Einnahmequellen. Ein ande­ rer Grund waren die katastrophalen hygienischen Umstände. Wasser war meist sehr verdreckt. Dadurch waren Biertrinker meist resistenter gegenüber Epidemien wie der Pest (Pestbier). Die Mönche waren für damalige Verhältnisse sehr fortschrittlich und hatten vor allem Bildung und Zeit zu forschen. Das Bierbrauen erhob sich ab dem 6. Jhrd. n.Chr. zur Kunst. Die Benediktiner und Zisterzienser erwarben sich besonders viele Kenntnisse rund um das Bierbrauen und der Schutzpatron der Bierbrauer ist nicht umsonst ein Benediktinermönch aus dem 11. Jhrd; der heilige Arnold bzw. Arnulf. Die Mönche entwickelten einen sehr ausgeklügelten Arbeitsablauf und erreichten einen sehr guten, weil sehr sorgfältigen Getreideanbau. Das Kloster St. Gallen war ein Paradebeispiel für gute Arbeitsteilung. In dem Kloster arbei­ teten über 100 Mönche an drei Sorten Bier: eine sehr starke, kräftige Sorte für geistige Elite, eine für den täglichen Verzehr der Mönche und Gäste und eine für die Armen. Das Kloster hatte einen separaten Sud-, Gär- und Kühlraum. Später kamen auch Lagerräume hinzu. Die Verpflichtung der Mönche Reisende zu bewirten führte zu einer schnellen Verbreitung der Klosterbiere und einem regelrechten Boom. Im Hochmittelalter entstanden rund 500 Klo­ sterbrauereien. Die Mönche fügten dem Bier jede erdenkliche Zutat zu; von Wehrmut bis Och­ sengalle. Irgendwann einigte man sich auf Hopfen als notwendige Zutat, weil es das Bier haltbar macht. Im 12. Jhrd. wird Hopfen erstmals wissenschaftlich erwähnt.11 Die ersten Hopfenanbaugebiete lagen logischer Weise in der unmittelbaren Nähe von Klö­ stern. Die Mönche hatten über den eigenen Bedarf hinaus eine Ausschankgenehmigung. Dies führte zu verschiedensten Konflikten vor allem mit den städtischen Brauern. In den Städten gab es zwei Arten von Brauern: Einmal die Braugilden, zu einem „Verband“ zusammengeschlossene Brauereien und die Reihenbrauer. Die Reihenbrauer entstanden aus den Hausbrauereien. In den Städten wurde in den Wohnhäusern Bier gebraut, was zu vielen Brandkatastrophen führte. So richtete man Brauhäuser ein. In den steinernen Brauhäusern durften die Bürger ihr Bier brau­ en. So entstanden Konflikte zwischen den Gilden, Brauhäusern und den Klosterbrauereien. Die Klöster durften uneingeschränkt ausschenken, zahlten weniger Steuern und hatten überdies bil­ lige Arbeitskräfte. Die Konflikte wurden durch Einschränkungen und Verbote durch die Landes­ herren gelöst. Durch die Reformation, dem dreißigjährigen Krieg und der Säkularisation nahm die Zahl der Klosterbrauereien dramatisch ab. Nur die Namen blieben, wenn sie durch Privatleute gekauft wurden: Paulaner, Augustiner etc. Nur sehr wenige „echte“ Klosterbrauereien überlebten wie z.B. Kloster Andechs. 18
  • 19. 2.7.1 Das reinheitsgebot Das Reinheitsgebot entstand aus einer Notwendigkeit. So wurde Bier allerorts gepanscht und ihm wurden diverse, auch ungesunde Zutaten beigemengt. Auch wenn Bierpanschen unter Strafe stand, so fügte man gerne Ochsengalle, harte Eier, Schlangenkraut, Ruß, Pech oder Kreide dem Bier hinzu. So verordneten die Verantwortlichen Stadtherren diverse Gesetze zur Reinheit und setzten auf drakonische Strafen bis hin zur Todesstrafe. Die meisten Verordnungen wurden im Süden erlassen, weil sie dort erlassen werden mussten. Das süddeutsche Bier war schlimm. In der damaligen Zeit waren die norddeutschen was das Bier- brauen angeht deutlich im Vorteil, das süddeutsche Bier kaum konkurrenzfähig. Durch den dreißigjährigen Krieg wurde die damalige Brauwirtschaft, die vorwiegend im Norden zu finden war und die Weinkultur im Süden zerstört, was dem Staate Bayern zum Auf­ stieg zur Biernation verhalf. Gilden und Zünfte strukturierten den norddeutschen Raum sehr gut, dass man eine gute Qualität in der gewerblichen Braukunst voraussetzen konnte. Spätestens im 15. Jrhd. wurde Bier zu einem bedeutenden Wirtschaftsgut, besonders durch die Hanse gefördert. Alle Bemühungen zur Qualitätssteigerung mündeten in das berühmte Reinheitsgebot vom 23. April 1516 in Bayern, dass bis heute Bestand hat. Bier durfte nur Gerste, Hopfen und Wasser enthalten. Sonst nichts. Das Reinheitsgebot galt bis 1906 aber nur regional und so kam ein Süd­ Nord-Gefälle beim Bier zustande. Das Bier war weiterhin von schrecklicher Qualität. Seit 1906 galt das Gebot in allen Gebieten des Deutschen Reiches und die Bayern machten es 1918 zur unverzichtbaren Forderung zum Beitritt zur Republik. Seit dem galt in Deutschland bis 1987, dass in Deutschland Bier nur nach dem Reinheitsgebot verkauft werden dürfe. Der eu­ ropäische Gerichtshof entschied am 12. März 1987, dass in Deutschland Biere importiert wer­ den dürfen, die nicht dem Reinheitsgebot entsprechen. Der EGH sah in dem Reinheitsgebot ein Handelshemmnis und damit einen Verstoß gegen die römischen Verträge. Entsprechend dürfen ausländische Biere Zusatzstoffe beimengen, die aber deutlich gekennzeichnet werden müssen. Die Marktanteile ausländischer Biere sind in Deutschland verschwindend gering. Das seit 1918 allgemein gültige Reinheitsgebot gilt aber weiterhin für deutsche Biere! So stehen die deutschen Brauer in internationaler Konkurrenz und bewerben ihr Bier mit Hinweis auf Einhaltung des Reinheitsgebotes. Bisher hat es noch keine ausländische Brauerei so recht versucht in Deutsch­ land mit Verzicht auf das Gebot Fuß zu fassen. Bei aller Liebe zur Reinheit und Qualität war das Reinheitsgebot der Bayrischen Herzöge sicherlich auch, oder vor allem von ökonomischer Natur. Sie wollten sich das Monopol auf Hop­ fen sichern. Gab es schon vorher diverse Gebote und Verordnungen wie das Bier beschaffen sein 19
  • 20. sollte, so tauchte der Hopfen im berühmten Gebot von 1516 erstmalig auf. Über die Reinheit kann man in heutigen Zeiten von Gentechnologie bei Gerste und Hopfen, Behandlung mit Pestiziden oder der Reinheit des Wassers (Kalkbeigabe, Nitratgehalt etc.) durch­ aus streiten. Aber das sind allgemeine Probleme, die nicht das Bier an sich betreffen. Richard von Weizäcker: „Man könne froh sein, wenn die Luft so rein wäre wie das Bier.“ 2.8 industrialisierung Allgemein geschichtliches Gewerbefreiheit, eine Erfindung der französischen Revolution im Jahre 1791, hatte die erstarrten, verkrusteten Vorschriften der Gilden und Zünfte aufgebrochen. Viele Zollschranken fielen. Bier wurde, wie zu Zeiten der Hanse, wieder im großen Stil exportiert. Die Kulmbacher schickten ihres nach Sachsen und Thüringen. Und die Kitzinger transportierten ihr Bügerbräu mit Och­ senkarren nach Hamburg und von dort mit Segelschiffen in alle Welt. exportbier: Zu Beginn des 19. Jhrd. konnte man inzwischen auch „Exportbier“ brauen - einen Typ, der Transporte überstand, ohne schlecht zu werden. Da kam die Erfindung der Eisenbahn gerade richtig. Das erste Frachtgut, das jemals von einer Lokomotive durch Deutschland gezogen wurde, waren zwei Fäßchen Nürnberger Bier am 11.07.1836. Braurecht: In Bayern wurde als Zugeständnis an den Freiheitswillen der mittelalterliche Bierzwang abgeschafft. Ab 1800 konnte jeder selbst entscheiden, welches Bier er trinken wollte. 1805 erhielten die Brauereien auf dem Lande das Recht, ebenso viel Bier zu brauen und zu liefern wie ihre Konkurrenz in der Stadt. Und alle Brauereien durften nun ihr Bier selbst ausschenken. Brauereivielfalt: Im Jahre 1880 gab es in Deutschland über 19.000 Brauereien. So viele gab es nie zuvor, aber auch später nie mehr. Am Ende des Jahrhunderts stammte jedes vierte Glas Bier, das irgendwo auf der Welt getrunken wurde, aus Deutschland. Im Zuge dieser Entwicklung änderte sich manche Braugewohnheit. In Berlin gab es im Jahre 1820 nicht weniger als 74 Brauereien. Aber alle stellten nur obergäriges Bier her, vor allem die Berliner »Weiße«. Doch als immer mehr bayerisches Bier nach Berlin exportiert wurde, lernte man dort sehr schnell, auch untergärig zu brauen. Mit dem Ergebnis, dass am Ende des 19. Jahr­ hunderts die „Weiße“ fast ganz durch untergäriges Bier verdrängt war. Allerdings wurde dadurch Berlin im Jahre 1896 auch Deutschlands größte Bierstadt.12 20
  • 21. 2.8.1 Wider dem Branntwein Durch die Industrialisierung zogen immer mehr Menschen vom Land in die Städte. Bauern und Handwerker wurden zu Fabrikarbeitern und mutierten zum Arbeiterproletariat, der arbeitenden Unterschicht. Mit Beginn der Industrialisierung und der „Erfindung der Freizeit“ gab es ein­ schneidende Veränderungen in der Trinkkultur. Zeit war jetzt durch die Maschinen vorgegeben und Zeit bedeutete Geld. Die Menschen hatten sehr lange Arbeitszeiten, 14-18 Arbeitsstunden und der Rest, also die Freizeit musste effektiv eingeteilt werden. Also musste man in seiner knapp bemessenen Freizeit entsprechend schnell das erledigen, wozu man sonst vielleicht Stunden Zeit hatte. Die Wirtshäuser veränderten sich dahingehend, dass deren einziger Zweck darin bestand, Geld zu verdienen. Die soziale Komponente des Zechens verlor immer mehr an Bedeutung und der Branntwein erlebte einen immensen Boom. Der Trinker ging oft alleine in die Kneipe, trank seinen Schnaps und war volltrunken schnell wieder draussen. Eine effektive Art sich zu besaufen. Oft konnten die Arbeiter die dreckigen, giftigen, heißen und monotonen Arbeitsbedingungen nur durch hochprozentige Alkoholika ertragen. Am damaligen Arbeitsplatz war es normal, dass die Arbeiter, die ja nur äußerst einfache, stupide Arbeiten zu erledigen hatten, während der Ar­ beitszeit hochprozentigen Alkohol zu sich nahmen. Durch den Branntwein war nicht mehr das Gesellschaftliche im Vordergrund, das gemein­ same Betrinken, sondern der Rausch – und er beschleunigte den Weg dorthin immens. So steht der Schnaps in diesen Jahren für die immer schneller werdende Gesellschaft. Der Rausch war jetzt nicht mehr gesellig und andererseits war die Geselligkeit auch nicht berauschend. Die Knei­ pen waren regelrecht „auf Durchzug“ eingestellt. Man trank in Kellerkneipen, Branntweinstuben oder direkt in Lebensmittelgeschäften. Es gab einen Tresen, an dem sich der Trinker festhalten konnte, aber keine Toiletten. So war die Aufenthaltsdauer natürlich beschränkt. Auf diese Weise entstanden in den Großstädten unzählige Kneipen. Berlin hatte Mitte des vorletzten Jahrhun­ derts eine Kneipendichte von 190 Menschen pro Kneipe. „Die Zäsuren im Leben der Arbeiter folgten nun nicht mehr jahreszeitlichen Einschnitten, sondern allein der Verfügbarkeit von Geld­ mitteln und Zeit, also den Auszahlungstagen.“13 „Alle Kneipen sind, besonders Sonnabend und Sonntag, überfüllt, und abends um elf, wenn sie geschlossen werden, entströmen ihnen die Betrunkenen und schlafen ihre Räusche meistens im Chausseegraben aus.“14 So hatte die Kneipe an den Auszahlungstagen eine gesellschaftsbil­ dende Funktion, aber was sich darin zeigt ist nicht die Geselligkeit der Germanen oder des Mit­ telalters, sondern die Entstehung der modernen Masse. Bier war zu dieser Zeit kaum eine Alternative, weil es ebenso schrecklich schmeckte wie der Schnaps. Obwohl es in Bayern das Reinheitsgebot und im Norden die Kontrolle durch die Stände 21
  • 22. gab, wurde Bier allerorts auf illegale Art gepanscht – meist aus ökonomischen Gründen. Der Alkoholmissbrauch provozierte im anderen Teil der Bevölkerung, der nicht in der Mas­ senproduzierenden Industrie arbeitenden, eine tiefe Abscheu gegenüber der Trunkenheit. Diese richtete sich vor allem gegen den hervorgerufenen Kontrollverlust und einhergehenden Unver­ nunft. Effektivität war das Wichtigste und ein Betrunkener war nicht effektiv. In dieser Zeit ent­ stand der medizinische Begriff der krankhaften Sucht. Regel- und übermäßiger Alkoholkonsum wurde als krankhaft bezeichnet. Im Mittelalter wurde der Trinker noch von der Gemeinschaft aufgefangen und unterstützt. Ab der Neuzeit war er krank und individuell gescheitert, er wurde süchtig. 2.9 Beginn der Moderne Mittedes19.Jhrd.ändertesichdieIndustriekulturunddievölliginhumanenArbeitsbedingungen durch Gründung von Gewerkschaften und Arbeiterparteien. Die Technologie entwickelte sich sehr rasant, so dass den Arbeitern mehr geistige Fähigkeiten abverlangt werden musste. Der schnapstrinkende Arbeiter wurde nicht mehr akzeptiert, er war im Schnapsrausch auch sehr aufmüpfig, was den Oberen der Industrien nicht gefiel. Der nüchterne und fleißige Mann war gefragter denn je. Hinzu kommt dass er sich durch Leistung sozial und materiell nach oben ar­ beiten konnte. Da passte die Trunkenheit am Arbeitsplatz nicht. Schnaps wurde in der Industrie nicht mehr verteilt, Krupp verteilte bis 1866 kostenlos Schnaps in seinen Werken. Der Schnaps wurde durch Bier ausgetauscht. Bier galt als geeignetes Getränk in der Industrie und am Arbeits­ platz. Das lag an der immensen Qualitätssteigerung der Biere, der erfunden Kühlmaschine durch Carl von Linde, um 1872, als auch durch die Erfindung des Bügelverschlusses 1877 durch Nicolai Fritzner. Der Arbeiter nahm sich jetzt sein Bier mit in die Fabrik. So entwickelte sich in den un­ teren Schichten der Gesellschaft eine Klassifizierung von Alkohol. Der Branntweintrinker stand ganz unten, sowohl beruflich als auch privat. Bier war nicht Alkohol, sondern stand im Gegensatz zum Schnaps für Genuss der arbeitenden Klasse, war legitim und diente der Abgrenzung zur sozialen, untersten Schicht. 2.10 Die Moderne Ab Mitte des 19. Jhrd. begann sich das bayrische Lagerbier landesweit durchzusetzen. Die hand­ werklichen Zünfte verloren ihre Macht und Bedeutung und die Industriegesellschaft formte sich 22
  • 23. zu einer eigenständigen Kultur. Die Handwerker schlossen sich zu Arbeiterbildungsvereinen zusammen und übernahmen alte Traditionen wie Zutrinken, Zutoasten oder dem Willkom­ menstrunk. Der Personenkreis wurde so immer größer und selbst Frauen und Kinder nahmen an den Festen teil. Vereine wurden immer wichtiger und bekamen eine wichtige Rolle in der Ge­ sellschaft. So schloss man sich zu Interessengemeinschaften zusammen und die Freiwilligkeit darin zeigte dessen Modernität. Die natürliche Ordnung durch Dörfer oder Zünfte löste sich auf und es entstand ein Bedürfnis nach individuell organisierten Zusammenschlüssen. Bier war das Bindemittel dieser Vereinigungen nicht nur bei Festen und Tagungen und wurde zum „sozialde­ mokratischen Saft.“15 So entstanden viele Arten von Vereinen, vom Fußballverein bis hin zum Gesangsverein. Auf dieser Entwicklungsbasis kann man die Entstehung von Gewerkschaften und Parteien herleiten. Politik, Freizeit und Bier, das gehörte zusammen. In den Kneipen wurde viel politisiert. Der en­ gagierte Arbeiter grenzte sich mit der neuen Trinkkultur gegenüber des Pöbels, der Branntwein trank, ab. Es ist ein altbekanntes Muster. Die SPD forderte von ihren Genossen Disziplin, Pünkt­ lichkeit, Nüchternheit, Ehrlichkeit, Gesetzestreue und Gewaltlosigkeit.16 Die Arbeiterkneipe avancierte zu einem Ort der gesellschaftlichen und politischen Begegnung. Sogar Biersorten be­ kamen eine politische Färbung.17 Bier war des Deutschen liebstes Getränk. 1900 betrug der Pro- Kopf-Verbrauch 120 Liter pro Jahr und war damit der dritthöchste der Welt. Bier, Wirtshaus und Gemütlichkeit wurde zum Nationalmerkmal der Deutschen erhoben. Bier war zu dieser Zeit etwas sehr demokratisches. Der geringste Arbeiter und der höchste Adelsmann tranken das Gleiche. Bier war das Nationalgetränk schlechthin und verwischte beim Trinken soziale Unterschiede. Die allgemeine Laune wurde zu der Zeit deutlich besser, bzw. entwickelte sich bei den Deutschen ein Nationalbewusstsein, wozu das Bier als Nationalgetränk seinen Beitrag leistete. Lenin hielt sich während seiner Emigration einige Jahre in München auf. Im Tagebuch seiner Lebensgefährtin Nadeschda Krupskaja findet sich der Satz: „Besonders gern erinnern wir uns an das Hofbräuhaus, wo das gute Bier alle Klassenunterschiede verwischt.”18 Biertrinken, Politisieren und Sozialdemokratie war in dieser Zeit das Gleiche. Der Begriff „Stammtischparole“ rührt aus diesen Zeiten. Um 1900 entstanden die ersten Bierpaläste, riesige Säle, auf den Massenkonsum ausgelegte Hallen. Um eine große Masse an­ zulocken, bedurfte es auch entsprechender Veranstaltungen. So wurden Säle oft an Parteien oder Gewerkschaften vermietet, die ihre Parteitage oder Gewerkschaftkundgebungen hielten. Die Saalmiete war meist an den Bierkonsum gebunden. „Die Paläste entstanden, als Bier, – im Zuge der Romantik, mit dem aufsteigenden National­ bewusstsein und dem damit verbundenen Rückgriff auf das Mittelalter – als der Gerstensaft auch als Getränk bei höheren sozialen Schichten akzeptiert wurde. Vor allem die Brauereien errichteten 23
  • 24. repräsentative Bauten, die in ihrer Größenordnung an Industriegebäude erinnerten und so in der Lage sein sollten, das ganze Volk und alle sozialen Schichten zu beherbergen.“18 Die Paläste wur­ den überwiegend von den Brauereien selbst erbaut, um dort ihr Bier anzubieten. Die Gebäude ent­ wickelten sich zu wichtigen Orten in den Städten. Besonders angemerkt sei hier München. Dort entstanden u.a. der Mathäser als seinerzeit größter Bierausschank der Welt, der Löwenbräukeller, der Bierpalast bei der Brauerei zum Münchner Kindl oder das Hofbräuhaus am Platzl. Das Hof­ bräuhaus, wurde 27. September 1589 vom bayrischen Herzog Wilhelm V. in Auftrag gegeben und steht für viele historische Zusammenkünfte und Veranstaltungen. 1828 wurde das Hofbräuhaus für das normale Volk geöffnet. Das Hofbräuhaus wurde ab 1896 durch Beschluss von Prinzregent Luitpold wegen starker, touristischer Aktivitäten umfangreich ausgebaut. Aus heutiger, trauriger Sicht erlangte das Hofbräuhaus am 24. Februar 1920 zweifelhafte Berühmtheit durch die Grün­ dung der NSDAP. Auch heute werden Parteitage, vor allem die der bayrischen CSU, in solchen Hallen abge­ halten und bei der CSU gehört es zum guten Ton, sogar zur politischen Verpflichtung Bier aus Krügen während dieser Veranstaltungen zu trinken. 2.11 Die Frauen und das Bier Bier war schon immer Frauensache. Welch ein Zufall, aber bezeichnender Weise eignen sich zum Bierbrauen nur die unbefruchteten weiblichen Blütenstände. Schon seit der Antike brauten die Frauen das Bier. Denn bei Hitze sondert die menschliche Haut Hefezellen ab und die Frauen sondern davon hormonell bedingt mehr ab als Männer. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Bier zu gären begann, lag bis zur Entdeckung der Hefe durch die Mönche im Mittelalter, bei Frauen am höchsten. Bei der Würdigung der Klosterbrauereien werden die Nonnen gerne vergessen, spielten sie bei der Zubereitung des Bieres doch eine entscheidende Rolle. Die Frauen waren zu Urzeiten der Sumerer und Ägypter maßgeblich und meist alleinig für das Bierbrauen zuständig. Das lag vor allem daran, dass die Bierherstellung sehr eng mit der Herstellung von Brot zusammenhing und damit verwandt ist. Bierbrauen war Hausarbeit und bis in die Neuzeit hinein tranken auch Frauen sehr viel Bier. Der Braukessel war bis ins 19. Jhrd. Mitgift. Selbst bei den Germanen war das Bierbrauen reine Frauensache. Das Kaffeekränzchen hat seinen Ursprung im mittelalterlichen Bierkränzchen. Die Frauen luden ihre Nachbarinnen nach dem Bierbrauen zu sich nach hause ein und zechten gemeinsam. Frauen fanden schon sehr früh Gefallen an weiblichen Trinkrunden. Da das Bierbrauen seinen Ursprung in der Hauswirtschaft hat, erinnert der Umstand, dass 24
  • 25. bis weit ins 18. Jahrhundert Bierschenken von alleinstehenden Frauen betrieben wurde. Das Mit­ telalter machte bei seinen Hexenverbrennungen auch nicht Halt vor den Bierbrauerinnen. So wurden Frauen zu Hexen erklärt, sobald beim Brauen etwas schief ging. Man war überzeugt, dass Hexen Braukessel stahlen, um auf ihnen zu reiten. Hexen tranken die Reste aus den Bierkrügen. Es gabe auch den Aberglauben, dass wenn man nicht den Schaum vom Bier wegblies, die Hexen Gewalt über den Trinker erhielten. Die Gefahr endete beim Volltrunkenen, über den die Hexen keine Macht mehr erlangen konnten. Die bäuerliche Trinkkultur machte zwischen Männern und Frauen keinen Unterschied. Die Frauen tranken genauso viel wie Bier wie die Männer, nur die Ereignisse waren different. Die Anlässe bei denen sich die Frauen betranken und das Dorf unsi­ cher machten waren z.B. Kindsgeburten. 25
  • 26.
  • 28. 3.1 Geschichte Das älteste und direkteste Ritual ist wohl das Trinkritual oder das Zutrinken. Dabei werden tradi­ tionell diverse Formen angewendet, bei der „Prost“ eines der kürzesten ist. Das Zutrinken ersetzt das Schulterklopfen. Es zeigt gegenseitige Verbundenheit und übermittelt gute Wünsche. Im mittelalterlichen Europa endete noch jedes Saufgelage mit dem Vollrausch, was vollends akzeptiert wurde. Wer das Gelage früher verlies, beleidigte die Gemeinschaft. So kann man in den Jahrtausenden der Entstehung darin die ambivalente Verbindung zwischen sozialer Einge­ bundenheit von Alkoholge- und Missbrauch und freundschaftlicher Zuwendung sehen. Noch heute ist die Kneipe einer der letzten Orte, bei denen solche archaischen Sozialformen erhalten geblieben sind. Trinken schweißt zusammen, hier entwickeln sich auch erst die meisten Freund­ schaften so richtig. Die Kneipengesellschaft geht soweit, dass die Mehrzahl aller Kneipengäste, wenn sie gemeinschaftlich trinken, ihre Gläser fast gleichzeitig leeren. Die Pegelstände der Gläser unterscheiden sich oft in weniger als einem Zentimeter. Ein Blick ins Café zeigt sehr deutlich den Unterschied zwischen Trinken und Trinken. Wenn eine Person alleine in einem Café sitzt, macht das keinen sonderlichen Eindruck. Sitzt eine Person aber alleine in der Kneipe, so macht die Person direkt einen einsamen und verlassenen Eindruck. Kaffee oder Tee sind keine Gemeinschaftsgetränke, man prostet sich nicht zu, sie sind Individualgetränke. 3.2 Die bäuerliche Trinkkultur des Mittelalters Das Leben im Mittelalter war geprägt von natürlichen Zyklen wie den vier Jahreszeiten. Das Le­ ben der Bauern richtete sich nach Aussaat, Ernte und Viehzucht. Die Arbeit war Mittelpunkt und die Freizeit noch nicht erfunden. Niemand vermisste sie dementsprechend. Der Rausch und das Bier hatte eine bedeutende, gemeinschaftsbildende Funktion. Die Bauern hatten eine ausgeprägte Festkultur mit Hochzeiten, Taufen, Erntedankfest etc. Diese Feste schufen wenn auch nur für kurze Zeit, eine egalitäre Gesellschaft. Denn im Rausche waren alle gleich. Die Handwerker waren nicht nur nach Gewinn aus. Viel wichtiger als das Einkommen war die Berufsehre und der soziale Rang. Das Handwerk war in Zünften zusammengeschlossen. Die Zunft regelte alles, vom Status bis zur Auftragsvergabe und bildete gleichzeitig das soziale Umfeld des Handwerkers. Die Hierarchien waren omnipräsent. Die Basis bildeten die Mägde, Tagelöhner und ländliches Gesinde; oben standen die freien Bauern, die ihr eigenes Land besaßen. So ent­ stand eine funktionierende Gesellschaft, deren Rituale die Produktion und den Ablauf regelten 28
  • 29. und verbanden. Die Rituale, zu denen nicht nur die Feste zählten, gaben der damaligen Welt den notwendigen Sinn. Eines dieser Rituale war das gemeinsame Trinken von Bier. So gab es z.B. das Kindel-, Kindstauf-, und Lobelbier zur Geburt und Taufe, das Grasbier zum Mähen einer Wiese, das Fenster- oder Lehmelbier zum Ausbessern der Fenster und Wände, Neubauerbier bei Aufnah­ me eines Neubauern, Tröstelbier bei Totenfeiern, Schlussbier beim Abschluss eines Baues etc. Es gab etliche Anlässe zu trinken. Die Arbeiter wurden von ihren Dienstherren immer auch mit Bier bezahlt, je nach Rang gab es mehr oder weniger. Handwerkslehrlinge bekamen nur einfache Kost und schwaches Bier, Gesellen besseres Essen und besseres Bier. Das gemeinsame Trinken regelte das Verhältnis zwi­ schen Arbeit und Muße. Wann und vor allem wie jemand mit einem Anderen trank unterlag einem strengen Regelwerk, dem Trinkkomment. Dieser benannte z.B. das Einstiegsritual, das neue Mitglieder zwang Bier zu trinken, den Willkomm. Er diente der Versicherung, dass er für die Gemeinschaft da ist und stets für sie einsteht. Fahrende Gesellen hatten ein festes Abfrageritual zu bestehen, wenn sie fremde Gastlichkeit in Anspruch nehmen wollten. Mit dem Zutrinken wurde die Gastlichkeit gewährt. Diese Rituale unterschieden sich von Innung zu Innung, aber das Ziel dieser Rituale war immer, Fröhlichkeit und Solidarität. Sie entwickelten sich zu einer unverzichtbaren Kommunikationsform. Zeremo­ nien begleiteten den Menschen bei allem was der mittelalterliche Mensch tat. Je mehr Trinksprüche ein Geselle klopfen konnte, desto weiter müsste er gereist sein, desto mehr müsste er gelernt haben. Sein Ansehen war entsprechend groß. In männlichen Trinkrunden ist dies heute nicht viel anders. Diese Rituale dienten der Abgrenzung nach aussen und der Selbstversicherung nach innen. Der schon oben erwähnte Willkomm ist heute noch z.B. auf Baustellen und Fußballvereinen üb­ lich und heißt „Einstand.“ Dabei spendet der Neuling ein oder mehrere Kisten Bier, welches als Symbol für das Einstehen der Kameradschaft bedeutet. Trinkrituale waren im Mittelalter friedensstiftend. Zünftige Streithähne konnten beim Bier aufeinander zu gehen ohne ihr Gesicht zu verlieren, um anschließend wieder miteinander um­ zugehen. Monatlich veranstalteten die Handwerker die Krugstage, bei denen für die sog. Lade gesamelt und gemeinsam getrunken wurde. Die Teilnahme an den Veranstaltungen war für jeden Pflicht und wurde gerne angenommen. Initiationen waren im Mittelalter ohne Bier undenkbar, der Pokal stand im Mittelpunkt sozialer Verbindungen und das Biertrinken war eng mit der Produktion und dem individuellen Selbstverständnis verbunden. Auch heute ist die Verbindung zwischen Arbeit und Biergebrauch überall dort noch anzutreffen, wo wenig mechanisiert und in mittelalterlichen Wirtschaftweisen gearbeitet wird, z.B. auf dem Bau oder auf dem Land. 29
  • 30. 3.3 Das mittelalterliche Gastgewerbe Die Taberna ist der älteste Ort in Mitteleuropa, an dem gegen Bezahlung Alkohol ausgeschenkt wird. Die eigentliche Erfindung der Schenke, oder der Taverne ist den Römern zuzuschreiben. Die Römer erfanden die Taverne für die vielen Reisenden des Reiches. Die Tavernen standen an den Reisestrassen verteilt und verkauften den Reisenden Getränke und Essen. Der Wirt, der caupo (Wirt, Krämer), bot in der Tabernae, lat. für Kramladen und Wirtshaus, im Mittelalter neben Alkohol auch weitere nützliche Gegenstände des Alltags feil. Aus dem cau­ po entwickelte sich später der deutsche Kaufmann. Alle Ausschankorte des Mittelalters entwickelten sich aus dem klassischen Gastrecht, das jedem Gast die Verköstigung mit Speis und Trank sowie die Beherbergung garantierte; zunächst unentgeltlich. Das Gastrecht war im Mittelalter für fahrende Kaufleute, Handwerker, Mönche und weltliche Herrscher äußerst wichtig, nur so konnten sie pausenlos unterwegs sein. Das Gast­ recht wurde durch weltliche, sowie durch kirchliche Gesetze geregelt und verpflichtete Jedermann Gäste zu beherbergen, auch wenn er es eigentlich gar nicht wollte. Mit den wirtschaftlichen Ver­ änderungen änderte sich das Gastrecht. An die Stelle des privaten Gastrechts trat das kommer­ zielle Gastrecht. Wegen ihrer materiellen Besserstellung übten Bürger, Adelige und Klöster das Gastrecht aus. Gleichzeitig hatten sie das Privileg, Wein und Bier zu produzieren und ihre Über­ schüsse zu verkaufen. Zu jener Zeit durfte jeder Bier brauen. Wenn jemand Bier braute musste er es öffentlich kenntlich machen und Steuern dafür zahlen. Der private Brauer hing dann einen Besen, den Buschen oder eine Fahne vor das Haus; ein Zeichen für Gastlichkeit. Und jeder der Lust hatte ging zu dem Brauer, trank das Bier und zahlte auch dafür. Der Bürger betrieb den Handel mit Bier aber meist nicht als Beruf, heute würde man sagen als Hobby. Das Zeichen für Gastlichkeit hat seine heutige Entsprechung in der Aussenreklame oder bunten Leuchtschildern der Brauereien. Wenn durchreisende Ritter und Burschenschaften an der Gaststätte ihr Wappen anbrachten, stand das Wirtshaus unter ihrem Schutz bzw. hatte deren Empfehlung – eine mittel­ alterliche Form der Werbung.19 Wie Bier, in welchen Mengen etc. auszuschenken war unterlag strengen Vorschriften, die regional immer unterschiedlich waren. Nur das Ende des Zechens war überall gleich – der Zap­ fenstreich oder der Zapfenstrich. Der Zapfenstreich wurde auf den Strassen mit Pauken und Trommeln eingeläutet und untersagte jedem ab dann weiter Bier zu trinken. Amtspersonen mar­ kierten nach Feierabend den Zapfhahn mit einem Kreidestrich und machten es unmöglich ohne aufzufallen weiter Bier auszuschenken. Die Gaststube war in ihrer ursprünglichen Form das glei­ che wie der Privathaushalt. Die Gäste aßen und tranken mit der Gastgeberfamilie gemeinsam in der Küche. Gäste wurden bis weit ins 18. Jhrd. ins tägliche Familienleben integriert. 30
  • 31. 3.4 kneipen, die kommerzialisierung des Gastgewerbes Die Kommerzialisierung des Gastgewerbes machte es notwendig die Gasträume anzupassen. Die materielle Markierung der Trennung zwischen Käufer und Verkäufer verweist auf den Status der veränderten Gastlichkeit: Sie schaffen Grenzen und macht diese, wie jede Grenze, kontrollierbar. Sie schafft Innen und Außen. Die Einführung des Tresen in England kam erst sehr spät. Die Gäste standen an der sog. Bar und tranken meist Hochprozentiges. Das Trinken im Stehen beschleunigte den Trinkvorgang und ermöglichte eine rationellere Bewirtung. Der deutsche Tresen war kürzer. Man setzte sich nicht an den Tresen sondern an einen Tisch, was Stimmungen ermöglichte, die auch im Eng­ lischen mit „Gemütlichkeit“ beschrieben werden.20 Die Theke definierte nicht nur die Grenze zwischen Gast und Wirt, sondern auch die größtmögliche Nähe. Der Stammgast sitzt am Tre­ sen. Die gutbürgerliche Gaststube ist eine Nachbildung der alten Tradition des deutschen Wirts­ hauses und ermöglichte gemütliche Gespräche über Gott und die Welt, später auch Politik. Bier kann man den ganzen Abend trinken, ohne davon direkt richtig betrunken zu werden. Zum Zwe­ cke der Konversation wurden Stammtische gegründet und zum gemeinsamen Zechen und Plau­ dern eignete sich schon immer das Bier hervorragend. Fernab von Zünften und Ständen konnte in der Gaststätte jeder einkehren und trinken, egal ob arm oder reich, adelig oder Bauer, wichtig war nur, dass er auch zahlen konnte. Im 16. Jahrhundert zahlte nicht jeder individuell, dass was er trank, sondern packte in einen Topf das was er konnte. Eine sonst unübliche Gleichheit. Das angetrunken-, brüderliche Zusammensein, das Jeder-fällt-jedem-in-den-Arm, die Möglichkeit der Kommunikation über die regulären Standes- und Berufsgrenzen hinaus schuf und schafft die scheinbar unbezwingbare Sehnsucht nach diesem Ort und sein Trinkangebot.21 Im Suff sind alle gleich, was auch heute noch im Karneval und Fußball gilt. 3.5 Die studentische Trinkkultur MittelalterlicheUniversitätenkanntenkeinPrivatlebenundBierwarschondamalsdesStudenten liebstes Getränk. Es bildeten sich zahlreiche Trinkgesellschaften, deren Trinkrituale durch kö­ nigliche und kirchliche Vorbilder bereichert wurden. Die Studenten begannen ab dem 17. Jhrd. sich in Kooperationen und Landsmannschaften zu organisieren, die als Vorgänger heutiger Bur­ schenschaften und Verbindungen gelten. Die Landsmannschaften hatten einen ähnlichen Auf­ bau wie der von Zünften. Dabei stand aber immer das gemeinsame Vergnügen und ganz explizit 31
  • 32. das Saufen im Vordergrund. Es gab sogar juristisch formulierte Trinkordnungen: „Saufen ist ein ernsthafter, mit Bechern, Gläsern, Krausen und dergleichen weinfähigen Geschirren vorgenommener Streit. Zech- und Saufrecht wird genannt, welches vom Saufen entsprungen und daher seinen Namen bekommen hat, in sich haltend die Gebräuche und Solennitäten dieses Festes, auch was einer dem an­ dern, solchem Recht und Gesetz nachzuhalten oder nicht, schuldig und verbunden sey, erklärend und anzeigend. Den Willkomm anzubieten, dem Freund, der einen besuchen kommt, einen Ehrentrunk zu kredenzen gehörte zur Grundbedingung studentischen Seins. Trinksitten waren und und sind seit jeher stark rituell gebunden.“22 Der Rausch wurde beim Kommerz, ein Begriff aus jener Zeit und steht für Feste und Schenken, durch vielfältige Rituale in ordentliche, feste Bahnen gelenkt. Jeder konnte und durfte beim Saufen die Kontrolle, nicht aber sein Gesicht verlieren. Das gemeinsame Trinken unter bestimmten, definierten Regeln ermöglichte innerhalb dieses Kreises absolutes Gehenlassen und Ausschluss von Peinlichkeiten. Wichtigstes Merkmal war das Zutrinken als Ritual oder als Trinksitte. Das Zutrinken drückte gegenseitige Verbundenheit aus. Die trotz allem recht losen Verbindungen, Gemeinsamkeit war ja nur das Trinken, waren in ihrem Erfindungsreichtum von Trinkspielen sehr kreativ. Die Studenten gründeten sog. Bierfa­ kultäten, deren Vorsitzender der Dekan war, der von allen der geübteste Trinker war. Die Stu­ denten promovierten zu Doctor Cerevisiae et Vini. Studenten, die in diese Kreise aufgenommen werden wollten, mussten nach festgelegten Riten die Doctores herausfordern und mit ihnen um die Wette trinken. Das bei der Masse zwangsweise Erbrechen des Bieres tat dem Wettstreit kei­ nen Abbruch, vielmehr gehörte es selbstverständlich dazu. Ein Aufnahmeritual in den Kreis der Doctores sah z.B. so aus: Sämtliche Doctores nahmen unbedeckten Hauptes um die Tafel Platz. Ein am Tisch stehender Bewerber gab sein Interesse bekannt, aufgenommen zu werden. Er trank sein erstes Maß Bier auf die Runde. Auf die Zustimmung zu diesem Ansinnen durch die anwesenden Doctores unterzog sich der Kandidat einer Prüfung. Er musste drei oder vier Opponenten wählen, mit denen er um die wette trinken wollte. Der erste der Erwählten begann dann: „Gegen deinen ersten Satz opponiere mit drei Maß Bier“ und trank diese anschließend in größtmöglicher Geschwindigkeit. Der Kandidat hatte gegenzuhalten. Nachdem er diese Prozedur diverse Male über sich hatte ergehen lassen […] konnte er sich mit der angestrebten Doktorwürde schmücken.23 Die Studenten gründeten überdies hinaus Bierstaaten und Bierherzogtümer, die als Paro­ die der herrschaftlichen Strukturen des Heiligen Römischen Reiches, der Aristokratie und des Klerus konzipiert waren. Diese Veranstaltungen gingen meist über mehrere Tage und dienten vor allem dem übermäßigen Alkoholgenuß. Typisch für diese Veranstaltungen war die Kombi­ nation von karnevalistischer Parodie, kabarettistisch-literarischem Vortrag („Spottreden“) und exzessivem Alkoholgenuss.24 Mit den Bierstaaten waren einige Bierspiele, wie das Papstspiel, eng verwandt und stellten solche Zusammenkünfte in verkürzter, aber nicht minder alkoholisierten 32
  • 33. Form dar. Das Papstspiel war sehr beliebt und stellt sich in verkürzter Form wie folgt dar: Die Studenten befestigten in der Mitte des Tisches eine sich drehende Holznadel. Mit Beginn jeder Runde drehten sie die Nadel bis sie stillstand und eine Person zeigte. Selbige musste eine Maß Bier trinken und stieg in der Hierarchie eine Stufe höher. Ganz unten standen die Philister, dann folgten alle militärischen Ränge bis hin zum General, anschließend die des Adelsstandes, also Baron, Graf, Fürst, König, Kaiser und dann kam der Student. Von dort aus konnte er Kardinal werden und als höchsten Rang die Papstwürde erlangen. Der durch drehen des Holzes ernannte, trinkfeste und höchstwahrscheinlich schon sturztrunkene Papst singt ein zwölfstrophiges Lied: „O lector lectorum“, bei jeder Strophe trinkt er eine Maß Bier. Der Gewinner des Spiels wurde anschließend absichtlich zum Erbrechen (Pabsten) oder zur Bewusstlosigkeit durch einatmen von Tabakrauch gebracht. Die Studenten boten sich viele Anlässe zum Trinken, und wenn es keine gab, wurden kur­ zerhand welche mit fest definierten Regeln erfunden. 3.5.1. Paragraph 11 Auf vielen Fässern und Bildern von und mit Bier ist ein §11 aufgeschrieben. Der Paragraph wur­ de in den studentischen Biercommenten festgeschrieben und bedeutet: „Es wird fortgesoffen!“ Dieses Gebot findet sich erstmals im Neuen Jenaischen Biercomment von 1853. Seine Herkunft ist umstritten. Am überzeugendsten und urkundlich nachgewiesen ist die Ableitung von einer deutschen Handwerksgesellenordnung aus dem Jahre 1815, welche mit den Worten „Es wird wei­ tergewandert“ besagt, die Wanderung eines Gesellen (die „Walz“) dürfte auch unter widrigsten Umständen nicht abgebrochen werden. Analog soll auch keine Ausrede gelten, um mit dem Trin­ ken aufzuhören.25 3.6 Prost, Prosit, Trinksitten Das Zutrinken oder Zuprosten wie man es heute nennt, hat schon seit den Germanen eine wich­ tige Bedeutung. Das Zutrinken bzw. Anstoßen ist ein wichtiger, symbolischer Akt für alle mög­ lichen Anlässe. Es ist eines der wichtigsten gesellschaftlichen Rituale. Das Anstoßen beschließt Freundschaften, besiegelt Verträge oder bezeugt seine gegenseitige Zuneigung und Freude. Es ist ein wichtiger Gestus zur Pflege von Sozialbeziehungen. Die einfachste Form ist das „Zuprosten“ und zeitgleiche Trinken zu zweit oder in größeren Gruppen, oft nach einer Ansprache (engl. toa­ st), auf das gegenseitige Wohl oder auf einen oder mehrere Dritte.26 Prosit oder abgekürzt Prost ist in Deutschland der gängigste Trinkspruch und geht auf das lateinsche „prodesse“ (= „nützen“, 33
  • 34. „zuträglich sein“) zurück. Synonyme in deutsch sind „wohl bekomm‘s“, „zum Wohl“ oder im eng­ lischsprachigen Raum „cheers“. Im Grunde spielt es keine Rolle ob traditionell mit Bier oder mit anderen Getränken angesto­ ßen wird. Zutrinken ist in allen Kulturen positiv besetzt. Die Studenten haben viele dieser Sitten und Gebräuche gepflegt und erhalten. „Das Trinken (von Alkohol) ist in allen Gesellschaften eine ge­ regelte Aktivität, eingegrenzt durch Vorschriften und Normen im Hinblick darauf, wer wieviel von was trinkt, wann, wo, mit wem, auf welche Weise und zu welchem Zweck.“ 27 3.6.1 Die kneipenrunde Das Ritual, sich gegenseitig zu einem alkoholischen Getränk einzuladen und dadurch eine Form der Verbundenheit herzustellen, ist Studien zufolge fast universell verbreitet. Im deutschen Sprachgebrauch stehen die Begriffe „einen ausgeben“ oder „eine Runde ausgeben“ für diesen Brauch. Auch für diese Trinksitte gibt es ungeschriebene Regeln, die interessanterweise wiederum in allen untersuchten Ländern übereinstimmen, in den USA ebenso wie in Europa und in Austra­ lien.28 „Wenn einmal erklärt wurde, daß eine Runde beginnt, sind alle Teilnehmer verpflichtet, mitzuhalten, und zwar unabhängig von ihrer persönlichen Stimmung in jenem Augenblick. Man kann in dieser Situation nicht darauf bestehen, nur für sich selber zu zahlen. Wenn einer aus der Gruppe nach der ersten Runde das Lokal verlassen muß, so wird er in der Regel erklären, daß er die erste Runde ausgeben wird […] Obwohl es ihm gegenüber eine gewisse Ungerechtigkeit darstellt, mehr Getränke zu bezahlen als er selber trinken kann, wird die Gruppe sein Angebot annehmen,oderabereinandererRundenteilnehmererklärtsichbereit,dieersteRundezuüberneh­ men und dem, der bald das Lokal verlassen muß, ein Glas gleichsam als Geschenk zu zahlen. […] Wenn das Rundentrinken begonnen hat, ist jeder Teilnehmer verpflichtet, mindestens eine Runde zu übernehmen. Das heißt, wenn eine Gruppe aus vier Teilnehmern besteht, müssen mindestens vier Runden absolviert werden. Danach kann dann entweder ein neuer Zyklus von Runden begin­ nen, oder die Teilnehmer trinken auf eigene Kosten weiter.”29 Beim Ritual der Trinkrunde handelt es sich de facto nicht um eine Geste des Schenkens, sondern um eine Form von Tauschgeschäft, denn jeder bezahlt im Prinzip für die Menge, die er trinkt.30 3.6.2 salamander Der Salamander (auch Schoppensalamander) ist eine noch heute bei Studentenverbindungen übliche, besonders feierliche Form des Zutrinken. Praktiziert wird dieses Ritual hauptsächlich bei Kommersen, um Gäste, zu denen eine besonders enge Beziehung besteht, im Rahmen der Be­ grüßung zu ehren. Das können die eigenen Alten Herren sein, aber auch Vertreter besonders eng 34
  • 35. befreundeter Verbindungen aus anderen Universitätsorten. Weiterhin kann ein Salamander etwa auch im Rahmen eines Stiftungsfestes zur Ehre der feiernden Verbindung gerieben werden. Ein Salamander wird auf Kommando „gerieben“. Dazu stehen alle Teilnehmer auf und trin­ ken auf das Kommando „ad exercitium salamandri“ (lat. „zur Ausführung des Salamanders“) mit dem Zuruf „Prost“ ihr Glas Bier aus. Die weitere Vorgehensweise ist von Ort und Verbindung ab­ hängig. Gemeinsam ist, dass nach dem (möglichst restlosen) Austrinken die Gläser gemeinsam auf dem Tisch gerieben oder geklappert und auf ein bestimmtes Kommando gleichzeitig deutlich hörbar (einmal oder dreimal) auf dem Tisch abgesetzt werden. Die besondere Wirkung des Vorgangs entsteht aus dem lauten Geräusch des Klapperns, dem kurzen lauten Schlag des gleichzeitigen Absetzens der Gläser und dem darauf entstehenden Moment völliger Stille. Dieser Effekt wird nur bei koordiniertem Verhalten aller Beteiligten her­ vorgerufen und gilt als ein Ausdruck des Gemeinschaftsgefühls der Trinkenden und der Wert­ schätzung gegenüber den Begrüßten. In der Regel revanchieren sich die so Begrüßten bei den Gastgebern ebenfalls mit einem Schoppensalamander.31 3.6.3 Wettsaufen Als Binge Drinking wird im englischen Sprachraum übermäßiger Alkoholkonsum bis zum to­ talen Kontrollverlust, mitunter bis zur Bewusstlosigkeit (Komasaufen), verstanden. Die sinnge­ mäße Übersetzung wäre Kampftrinken oder Wetttrinken, die historische Entsprechung ist das Trinkgelage. Am ausgeprägtesten ist die Erscheinung des Binge Drinking in Irland, Großbritan­ nien und den USA, obwohl es in den letzten Jahren auf dem europäischen Kontinent bei jungen Leuten zunehmend populär wird. Der Historiker Wolfgang Schivelbusch vertritt die Ansicht, dass sich in den unteren Schich­ ten der mitteleuropäischen Bevölkerung die Trinksitten des Mittelalters teilweise bis heute ge­ halten haben. Die alten Rituale des Zutrinkens und Wettsaufens hätten gerade im Arbeitermilieu nach wie vor eine Bedeutung. Dies ist als ein Erklärungsansatz für Binge Drinking zu sehen, obwohl es die unterschiedliche Ausprägung in verschiedenen Ländern nicht erklärt. Aufschlussreicher ist ein Erklärungsansatz von Roderick Phillips: „In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts verbreitete sich unter den englischen Männern der besseren Gesellschaft eine Trinkkul­ tur, in der viel galt, wer viel vertrug.“32 3.6.4 Biertrinkspiele Es gibt unzählige Bier- oder Trinkspiele, wahrscheinlich ähnlich viele wie es Biermarken gibt. Hier möchte ich mal eins vorstellen, die mit Bier direkt zu tun haben. Sicherlich ist diese Liste äu­ ßerst unvollständig, aber sie zeigt, wie Bier- und Trinkspiele generell funktionieren und welchem 35
  • 36. Zweck sie dienen: dem schnellen und massenhaften Trinken von Bier. Dosenstechen Dosenstechen (auch Dosenschießen, Kosakenpumpe, Turbobier, Shotgun oder Holzfäller) ist ein vor allem bei Jugendlichen beliebtes Trinkritual, um eine Bierdose schnell auszutrinken. Hierbei wird die Bierdose mit einem stichfähigen Werkzeug (Kugelschreiber, Schraubenzieher o.ä.) seitlich unterhalb der Mitte aufgestochen. Die neu entstandene Öffnung wird an den Mund angesetzt und der Ring an der Oberseite der Dose geöffnet. Durch die nachströmende Luft fließt das Bier schwallartig aus dem Loch in der Dosenwand. Eine Möglichkeit diesen Vorgang zu beschleunigen ist es, die Dose erst nach ein paar Schlu­ cken zu öffnen. Dadurch wirkt zunächst der auf Grund der enthaltenden Kohlensäure entstehen­ de Druck zusätzlich zu der Schwerkraft. Sobald ein Vakuum entsteht und der Fluss verlangsamt, wird die Dose geöffnet. 3.7 Bier- und Trinkfeste 3.7.1 Das schützenfest Heutzutage gibt es neben vielen kirchlichen und privaten Feiern einige Feste, die einerseits hi­ storisch, traditionell begründet sind und einen festen Platz im Kalender vieler Städte und Ge­ meinden tragen, aber anderseits alleinig auf den kollektiven Rausch ausgelegt sind. Eines dieser Feste ist das Schützenfest, das sich historisch aus den regelmäßigen Treffen der Schützenbru­ derschaften und -Vereinen ableitet oder in anderen Teilen Deutschlands aus dem Freischiessen. Während dieses Festes wird in der Regel ein Schützenkönig, der beste Schütze ermittelt. Beim Freischiessen konnte sich früher der Schütze für ein Jahr von seinen Steuerabgaben befreien. In anderen Teilen geht die Tradition der Schützenfeste auf die mittelalterlichen Bürgerwehren zurück. Die Bräuche um das Schützenfest werden vor allem in Bayern und Niedersachsen, aber auch am Niederrhein, Mittelrhein und in Westfalen (insbesondere im Sauerland) mit Schützenum­ zügen gepflegt. Schützenfeste können von einem bis zu mehreren Tagen dauern und mit unter­ schiedlichen Beiprogrammen angereichert sein. Sie finden oft in einem Festsaal der lokalen Gast­ wirtschaft oder in einem extra aufgebauten Festzelt statt. Im Sauerland haben die meisten Orte eine eigene Schützenhalle, die für die Schützenfeste genutzt wird. Viele Schützenfeste beginnen mit einem festlichen Umzug, bei dem der amtierende Schützenkönig mit seinem Hofstaat, von seinen Vereinsmitgliedern abgeholt, mit Musik durch den Ort zum Schützenplatz oder Festzelt 36
  • 37. marschiert oder kutschiert wird. Rund um das Festzelt ist oft ein Jahrmarkt oder eine Kirmes aufgebaut.33 Aber immer sind die Feste kollektive Rauschanlässe. Gerade in kleineren Orten ist wäh­ rend des Schützenfestes das ganze Dorf im Rauschzustand, und das über mehrere Tage. Bier und Geselligkeit spielt dabei eine tragende Rolle und Motivation. Heimat, Tradition und die signi­ fikatente Schützenuniform hat nur noch eine untergeordnete Rolle und wird gerade von jungen Leuten aus einem karnevalistischen Blickwinkel gesehen. 3.7.2 Das Oktoberfest Das Oktoberfest feiert man aus historischen und brautechnischen Gründen. Das berühmteste, das Münchner Oktoberfest (Die Wiesn) wurde 1810 erstmalig zum Anlass der Hochzeit von Kronprinz Ludwig und Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen gefeiert. König Maxi­ milian ordnete persönlich ein Volksfest mit Freibier an. Am 17. Oktober fand auf dem Gelände zwischen Sendlinger Berg und Allgemeinem Krankenhaus ein Pferderennen zu Ehren des Braut­ paares statt. Schon damals stellten die Wirte Zelte für die Gäste auf. Die jubelnde Menge über­ zeugte das Königshaus derart, dass sie die namenlose Wiese nach der Braut in „Theresienwiese“ benannten. Ab dann fand jedes Jahr auf der Wiese ein Volksfest mit allem Drumherum statt. Von 1939 bis 1948 fand kein Oktoberfest in München statt. Das Oktoberfest ist das größte Volks- und Bierfest der Welt mit jährlich über 6 Millionen Besuchern und einem Absatz von 6,7 Millionen Maß Bier im Jahre 2007. Das größte Festzelt stellt das Münchner Hofbräu mit Platz für 10.000 Gäste auf. Das größte Wiesn-Bierzelt aller Zeiten war das Pschorr-Bräu-Rosl-Zelt von 1913, das mit seinen 5.500 Quadratmetern etwa 12.000 Gästen Platz bot.34 Beim Oktoberfest in München, dass im übrigen im September aus geschäftlichen Gründen stattfindet, gibt es nur die untergärigen Festbiere der Münchner Tradi­ tionsbrauereien. Der andere Grund für die auch andernorts stattfindenden Oktoberfeste ist brautechnischer Natur. Im Herbst konnte man wieder die schweren Winterbiere trinken – entweder frisch gebraut oder aus dem März in kühlen Kellern gelagerte Märzenbiere. Im Sommer wurden entweder leich­ tere obergärige Biere hergestellt oder, wie in München bis zur Mitte des 19. Jhrd., es wurde gar nicht gebraut.35 3.7.3 Festivals Das Bierfest mit der größten Auswahl an Bieren ist das Great American Beer Festival, dass jedes Jahr im Oktober in Denver, Colorado stattfindet. Es bietet den Besuchern über 1000 Biersorten an. Jede Brauerei darf drei Bierproben anbieten. Die Biergläser dürfen nur einen Finger breit 37
  • 38. gefüllt werden, was zu Folge hat, dass auf dem Fest keine betrunkenen herumlaufen. Das Fest hat also eher den Charakter einer Biermesse als den eines Volksfestes. In Europa ist das größte Festival das Great British Beer Festival (GBBF), dass jedes Jahr in der ersten Augustwoche in der Olympiahalle in London stattfindet. In Deutschland findet seit 1997 jährlich auf der Kal-Marx-Allee in Berlin ein internationales Bierfestival mit über hundert verschiedenen Bieren statt.36 3.8 Trinkrituale anderer Getränke 3.8.1 Absinth Absinth kann auf verschiedenste Art getrunken werden. Jedoch haben sich aufgrund der Charak­ teristik des Absinths, wie z. B. der Louche-Effekt, der hohe Alkoholgehalt und manchmal bittere Geschmack, im Laufe der Zeit ganz spezielle Verfahren entwickelt um den persönlichen Genuss des Absinths noch zu steigern. Das französische Absinth-Trinkritual ca. 2-4 cl Absinth in ein Absinthglas füllen. ein oder zwei Stück Würfelzucker auf einen Absinthlöffel platzieren. ganz langsam und vorsichtig frisches, stilles Wasser über den Zucker gießen. Verdünnt wird, je nach Geschmack, im Verhältnis 1:3 bis 1:5, so dass man den Alkohol geschmacklich nicht mehr oder kaum noch spürt. Das tschechische Trinkritual ca. 2-4 cl Absinth in ein Absinthglas füllen. ein oder zwei Stück Würfelzucker in den Absinth tauchen, auf einen Absinthlöffel platzieren und anzünden. sobald das Zuckerstück Blasen zeigt und karamellisiert, die Flammen löschen und den Löffel in das mit Absinth gefüllte Glas tauchen. Auf keinen Fall dürfen noch brennende Zuckerstücke in den Absinth gegeben werden, da hierbei Brandgefahr besteht. mit Eiswasser im Verhältnis 1:3 bis 1:5 mischen. Auch hier entscheiden persönlicher Geschmack und Stärke des Absinth http://www.suchtmittel.de/info/spirituosen/000454.php 38
  • 39. 3.8.2 kleiner Feigling Die ungeöffnete Flasche wird in einem bestimmen Rhythmus mit dem Verschluss auf einen Tisch oder auf das dafür vorgesehene Klopfbrett, ein ebenfalls von Hersteller Behn, produziertes Wer­ begeschenk, geklopft. Anschließend wird der Verschluss aufgedreht und die Flasche wird mit der Öffnung zwischen die Zähne geklemmt. Danach wird der Kopf in den Nacken gelegt und man lässt den gesamten Inhalt in den Mund laufen. 3.8.3 Tequila Der weiße Tequila wird mit einer Zitronenscheibe, der braune mit einer Orangenscheibe und Salz getrunken. Das Salz wird auf die Hand gestreut, die Fruchtscheibe in die linke Hand, den Tequila in die rechte Hand. Der Trinker leckt das Salz ab, beißt in die Fruchtscheibe und trinkt den Tequila mit einem Schluck weg. Andernorts wird die Reihenfolge auch geändert, wichtig ist dabei immer nur das Salz, die Zitrone und der Tequila. Im Übrigen ist diese Art Tequila zu trinken keineswegs aus Mexiko importiert, sondern wurde in Europa erfunden. Der Mexikaner rümpft über diese Art den Tequila zu trinken die Nase. 3.8.4 sambuca Sambuca ist ein Anislikör aus dem Latium. Er wird mit drei Kaffeebohnen getrunken. Oft wird der Likör, vor allem ausserhalb Italiens, vor dem trinken angezündet und die Flamme nach wenigen Sekunden mit einem Bierdeckel gelöscht. Der Sambuca wird dann getrunken und die enthaltenen drei Kaffeebohnen zerkaut. Die Bohnen kontrastieren mit ihrem bitteren Geschmack die Süße des Likörs. 39
  • 40.
  • 42. 4.1 Der Brauprozess Bier brauen ist im Grunde genommen sehr einfach. Bier ist ein allgemein und per Definition ein vergorenes Getränk auf Basis verzuckerter Stärke. Man braucht dazu tatsächlich nur irgendeine Art von Getreide, Hefe und Wasser. Aus dem Getreide, im Einzugsgebiet des Deutschen Reinheitsgebotes Gerste oder Weizen, in anderen Ländern auch Reis, Hafer, Roggen, Mais oder Hirse wird Malz hergestellt. Theore­ tisch sind auch Kartoffeln oder andere Gemüse wie Erbsen möglich. Malz (mälzen) wird durch anfeuchten und trocknen des Getreides hergestellt. Das Getrei­ de beginnt durch die Anfeuchtung zu keimen. Die im Korn vorhandene Stärke wird durch die Keimung mit Hilfe von Enzymen in Zucker umgewandelt. Das entstandene Grünmalz (aus den Keimen wachsen kleine Pflänzchen) wird anschließend unter Zufügung von Hitze (85-100°C) „gedarrt“, also getrocknet. Durch die Trocknung wird der Keimvorgang abgebrochen. Je höher die Temperatur beim darren ist, desto dunkler und aromatischer wird das Bier. Jetzt spricht man von Malz. Dauer der Keimung, Keimtemperatur, Feuchtigkeitsgrad und Darrtemperatur sind die entscheidenden Faktoren für die Art und den Geschmack des Bieres. Jetzt spricht man von Darr­ malz. Das Darrmalz wird im Anschluss geschrotet, also zerkleinert. Das erleichtert die spätere Lösung im Brauwasser. Das geschrotete Malz wird in Wasser gegeben und erhitzt. Die Mischung aus Malz und Wasser heißt Maische (maischen). Bei der Erhitzung (45°C) im Sudkessel wird die Maische stetig umgerührt und die Stärke löst sich im Wasser. Die Maische wird im Anschluss auf 70°C erhitzt. Enzyme sorgen jetzt dafür, dass aus der Getreidestärke vergärbarer Malzzucker wird. Rasten, längere Pausen, bei der die Temperatur zwischen 45°C und 70°C nicht erhöht, sondern konstant gehalten wird, sind entscheidend für den späteren Geschmack. Werden längere Pausen eingelegt, löst sich mehr Stärke im Wasser, was zu süßeren, malzigen Bieren führt. Der Maisch­ prozess ist ausschlaggebend für den späteren Geschmack und Biersorte. Der gesamte Vorgang dauert zwischen 2 und 4 Stunden. Auch die richtige Wahl des Wassers spielt hier eine Rolle: So verwendet man kalkarmes, weiches Wasser für herbe Biere wie z.B. Pils. DieMaischewird jetzt gefiltert (läutern). Dabei wird die feste Maische vom Wasser getrennt. Das Wasser mit seinen gelösten Stoffen heißt jetzt (Bier)Würze. Die Maische dient dabei selbst als Filter. Sie setzt sich am Boden des Läuterbottichs ab und lässt nur noch das Wasser nach unten durch. Im Läuterbottich bleibt zum Schluss nur noch der Treber (Malzkuchen) übrig, der meist als Viehfutter verwendet wird. Der Würze wird während der Filterung heißes Wasser nachgegossen (Aufguss). Dabei verändert sich die Konzentration der Stärkeabbauprodukte und des Malzzuckers. Dieser Prozess ist wichtig für den späteren Alkoholgehalt und die Stammwürze des Bieres. 42
  • 43. Die Würze wird jetzt in der Sudpfanne gekocht. Hier kommt der Hopfen ins Spiel. Der Hopfen wird in Form von Dolden, im Zeitalter der Industriellen Fertigung immer mehr in Form von Extrakten oder Pellets, hinzugegeben. Menge und Sorte steuern die Haltbarkeit und den Geschmack. Je mehr Hopfen verwendet wird, desto haltbarer, bitterer und herber wird das Bier. Durch das Aufkochen und Verdampfen des Wassers wird die Würze auf die je nach Sorte fest­ gelegte Stammwürze konzentriert. Die Stammwürze definiert die Sorte und entsprechend die Steuerklasse. Im Anschluss wird die Würze in einem Whirlpool in Rotation gebracht. Die nichtgelösten Hopfen- und Eiweißbestandteile bleiben zurück und die klare Würze wird in den Gärbottich geleitet und mit Sauerstoff angereichert. Je nach Hefesorte wird die Würze im Gärbottich auf 5°C bis 20°C abgekühlt. die Hefe wird anschließend hinzugegeben. Die Hefe sorgt für den Gärprozess. Zunächst vermehrt sich die Hefe durch den vorhandenen Sauerstoff sehr rapide bis zu einem bestimmten Punkt. Wenn der Sau­ erstoff in den isolierten Tanks aufgebraucht ist, zersetzt die Hefe den Zucker innerhalb von 5-8 Tagen in Alkohol und Kohlenstoffdioxid. Die Hefe wird im Anschluss, außer beim Hefeweizen, abgeschöpft. Je nach Hefesorte und Würzetemperatur ergibt die Gärung ein untergäriges oder obergä­ riges Bier. Beim untergärigen Bier setzt sich die Hefe am Boden des Bottichs ab, beim obergä­ rigen schwimmt sie oben auf. Obergärige Hefesorten brauchen höhere Umgebungstemperaturen bei der Gärung (15-20°C) als untergärige (4-9°C). Die Vergärung von obergäriger Hefe verläuft schneller und war schon möglich, als es noch keine moderne Kühltechnik gab. Dafür ist das ober­ gärige Bier anfälliger für Verunreinigungen mit Fremdpilzen und Bakterien. Untegärige Biere gären langsamer, brauchen eine längere Lager- und Reifezeit, sind dafür länger haltbar und weniger anfällig für Verunreinigungen. Das sog. Jungbier wird jetzt in große Lagertanks geleitet und gärt eine Weile nach. Die Tanks stehen unter Druck, so dass das Kohlendioxid nicht mehr entweichen kann und sich im Jungbier bindet. Nachgärung kann 2 Wochen bis 3 Monate dauern, je nach Biersorte. Das dient der Reifung und der endgültigen Geschmacksentfaltung. Die anschließende Ausfilterung von Gerbstoffen, Hopfenharzen, toten Hefezellen oder bierschädlichen Bakterien ergibt die letztlich klare Beschaffenheit des Bieres. Bei naturtrüben Bieren entfällt der Schritt der Filterung. Zum Schluss wird das Bier in Flaschen, Fässern oder Dosen abgefüllt und ist ab jetzt trink­ bar. Bei der Abfüllung ist wichtig, dass das Bier nicht mit Sauerstoff in Berührung kommt, weil es sonst die Qualität beeinträchtigen würde. Moderne Abfüllanlagen arbeiten heute mit dem Ge­ gendruckverfahren, damit die Kohlensäure enthalten bleibt. 43
  • 44. 4.1.2 Braugerste Die ältesten Nachweise von menschlichem Gerstenanbau lassen ich bis auf 10500 v.Chr. datieren. Gerste gilt als gutes Futtermittel, weil es relativ viel Eiweiß enthält. Die Pflanze ist Anspruchslos und kann an schlechten Standorten mit Weizen gut konkurrieren. Als wichtiges Qualitätskriterium für Braugerste gilt vor allem der gegenüber Futtergersten geringere Eiweißgehalt von 9,5 und 11,5 Prozent, welcher durch Züchtung und durch gezielt spar­ samere Stickstoff-Düngung erzielt wird. Weiterhin zeichnet Braugerste eine Keimfähigkeit von mindestens 97 Prozent aus, da bei einem nicht keimfähigen Gerstenkorn die Umsetzungspro­ zesse beim Mälzen nicht stattfinden können. Ebenfalls sollte Braugerste einen Vollgerstenanteil (Siebgröße > 2,5 mm) von mindestens 90 Prozent, einen Ausputz (Siebgröße < 2,2 mm) von höchstens 2,0 Prozent und einen Wassergehalt von höchstens 14,5 Prozent aufweisen.37 Größter Gerstenproduzent weltweit ist Russland, gefolgt von Kanada und Deutschland auf dem dritten Platz mit 11.722.000 Tonnen.38 4.1.3 Hopfen Hopfen wächst an 3 bis 5 Meter hohen Stauden, vornehmlich in Süddeutschland. Zum Bierbrau­ en werden die weiblichen, unbefruchteten Blüten (Dolden) von kultiviertem Hopfen verwandt. Wichtig sind die Bitterstoffe und das Aroma. Hopfen verleiht dem Bier Haltbarkeit. Nach dem Deutschen Reinheitsgebot einer der vier Bestandteile des Bieres. Der Hopfen gibt dem Bier den typischen herben Geschmack, erhöht die Haltbarkeit und verhilft der Blume zur Standfestigkeit. Berühmt für seine besondere Güte ist der Hallerthauer Aromahopfen.39 Brauwasser Zu hartes Wasser hat einen zu hohen Salzgehalt, namentlich an Karbonaten. Die Härte des Was­ sers hat insofern Einfluß auf den Charakter des Bieres, als sich die Wassersalze beim Braupro­ zeß mit den löslichen Stoffen von Malz und des Hopfen umsetzen und die Enzyme im Malz beeinflussen. Chemisch soll das Brauwasser neutral, also weder sauer noch alkalisch sein. Hartes Wasser färbt Biere zu, macht sie also dunkler. Es führt zu bitterem Hopfengeschmack und setzt die Enzymtätigkeit (beim Verzuckern der Stärke im Sudhaus) herab. Seit diese Einflüsse bekannt sind, haben die Brauereien begonnen, ihr Wasser aufzubereiten und auf 2 bis 5 Härtegrade zu enthärten. So sind die bekannten Hauptbiertypen jeweils auf ein Brauwasser ganz spezifischer Zusam­ mensetzung zurückzuführen, wie es regionaltypisch natürlich vorkommt und wie es sich zur Pro­ duktion gerade dieser Sorten als besonders geeignet erwiesen hat: das weiche, salzarme Wasser Pilsens zur Herstellung des hellen, hopfenbetonten „Pilsener“ Biertyps, das harte Dortmunder 44
  • 45. Wasser (hohe „Nichtcarbonathärte“) für den „Exporttyp“ und das ebenfalls harte Münchner Wasser (hohe „Carbonathärte“) für den dunklen „Münchner Typ“. Um das Brauwasser den Anforderungen des jeweils herzustellenden Biertyps optimal anzu­ passen und z.B. auch aus hartem Wasser ein Pils brauen zu können, das höchsten Ansprüchen genügt, werden Brauwässer bei Bedarf auf physikalischem Wege entkarbonisiert bzw. entsalzt. Man verwendet zum Ausgleich entweder gesättigtes Kalkwasser, setzt einen Ionenaustauscher ein oder bedient sich der Verfahren der Elektro-Osmose oder Umkehrosmose. Diese Verfahren, die nicht im Widerspruch zum Reinheitsgebot stehen und deren Einsatz in der Trinkwasser-Auf­ bereitungsverordnung geregelt ist, ermöglichen es dem Brauer heute, auf besonders reine Tief­ brunnenwässer zurückzugreifen, ohne durch deren Zusammensetzung auf die Produktion einer bestimmten Biersorte festgelegt zu sein. www.bierundwir.de stammwürze Stammwürze oder auch Stammwürzgehalt ist eine Messgröße, die den Anteil der Stoffe bezeich­ net, die sich vor der Gärung aus dem Malz und Hopfen im Wasser gelöst haben. Stammwürze besteht hauptsächlich aus Malzzucker, Vitaminen, Eiweiß, Aminosäuren, Mineralien, Hopfen­ anteilen und Aromastoffen. Die Bedeutung der Stammwürze für die Bierbrauerei kann mit der Bedeutung von Most für die Weinherstellung verglichen werden. Bei der Weinherstellung wird Most zu Wein und Stammwürze wird durch Gärung zu Bier. Erheblichen Einfluss hat Stamm­ würze auf den Alkoholgehalt von Bier, sowie den Nährwert. Die Stammwürze wird durch die Wirkung der Hefe ca. zu einem Drittel zu Alkohol und zu einem weiteren Drittel zu Kohlensäure. Das übrige Drittel der Stammwürze ist nicht zu vergären und somit ein Restextrakt. Der Gehalt der Stammwürze wird als „Grad Plato“ bezeichnet.40 Am meisten verbreitet ist in Deutschland das Vollbier mit einem Stammwürzegehalt von 11% - 16%. In Deutschland wird die Biersteuer an­ hand des Stammwürzegehalts ermittelt. Biere werden unterschiedlich besteuert und in folgende Klassen aufgeteilt: Einfachbiere mit einer Stammwürze von 0 bis unter 7 % Schankbiere mit einer Stammwürze ab 7 % bis unter 11 % Vollbiere mit einer Stammwürze ab 11 % bis unter 16 % Starkbiere ab einer Stammwürze von 16 % oder mehr 45
  • 46. 4.2 Gebraut nach deutschem reinheitsgebot Das deutsche Reinheitsgebot war in Deutschland bis 1987 für alle Brauereien in Deutschland ein allgemein gültiges Gesetz. Bier durfte nur aus Hopfen, Malz, Hefe und Wasser hergestellt werden. Der Europäischen Gerichtshofs fiel 1987 nach langjährigem Streit ein Grundsatzurteil, das besagte, dass auch ausländische Biere, die nicht nach dem Reinheitsgebot gebraut wurden in Deutschland verkauft werden dürfen. Der Grundsatz: In einem Mitgliedsstaat der EU rechtmäßig hergestellte und in den Verkehr gebrachte Erzeugnisse - gleich welcher Art - können grundsätzlich auch in den anderen Mitgliedsstaaten in Verkehr gebracht werden. Dieses Inverkehrbringen darf durch nationale Gesetze wie in Deutschland unter Berufung auf das Reinheitsgebot nicht behindert werden.41 Durch die Anwendung des Reinheitsgebots auch auf Importbiere verstoße die Bundesrepublik gegen Art. 30 des EWG-Vertrages so der vorwurf des Europäischen Gerichtshof. Biere, die in anderen Mitgliedsländern der EU rechtmässig hergestellt oder verkehrsfähig waren, erlangen diese Verkehrsfähigkeit auch auf dem deutschen Markt - unabhängig davon, ob sie entsprechend den strengen Vorschriften des Reinheitsgebotes hergestellt werden oder nicht. Jedoch machte der EGH den Deutschen auch ein Zugeständnis: Wenn ein Bier nicht nach dem Reinheitsgebotgebrautwurde,somüssenalleInhaltsstoffeaufdemEtikettdeutlichgekennzeich­ net werden. Die Gesetzeslage sieht für Deutschland aber weiterhin vor, dass deutsche Brauereien ihr Bier, wenn sie es im Inland brauen, nach dem Reinheitsgebot brauen müssen. Für deutsche Exportbiere gilt diese Regelung nicht. In Deutschland hat der Anteil an ausländischen Bieren, die nicht nach dem Reinheitsgebot gebraut werden, nur verschwindend geringe Marktanteile. Die Brauereien bewerben ihr Bier seit­ dem verstärkt mit Hinweis auf Einhaltung des Reinheitsgebotes. Mit der Zusatzstoffzulassungsverordnung hat die EU-Kommission beschlossen, welche Zusatzstoffe in Lebensmitteln verwendet werden dürfen. Sie hat auf einer Liste alle Stoffe auf­ gelistet, die in der EU rechtmäßig zum Einsatz kommen dürfen. Zusatzstoffe sind Farbstoffe, Antioxidationsmittel, Emulgatoren, Süßstoffe, Geschmacksverstärker etc. Dieses gilt auch für deutsche Biere. Diese Verordnung wurde 1998 ins deutsche Recht übernommen. Der Verweis bei Nutzung dieser Zusatzstoffe auf das Reinheitsgebot ist nicht zulässig. Seitdem darf auch ein deutsches Bier, Bier heißen auch wenn es zusätzliche Stoffe beinhal­ tet. Positive Konsequenz war die Einführung von Biermixgetränken, die bis dato nicht in Braue­ reien abgefüllt werden durften. Um getreu traditionellen Rezepturen oder Verfahren hergestellte Lebensmittel vor billigen Imitaten zu schützen, schuf die EU das „Traditionelle Lebensmittel“ und erstellte eine Liste aus­ gewählter Lebensmittel (europaweit 15), deren Herstellungsverfahren und Rezeptur zwingend 46
  • 47. eingehalten werden muss, soll das Lebensmittel unter der geschützten Bezeichnung auch zu­ künftig vermarktet werden. Die deutschen Bierbrauer haben sich darauf verständigt auch in Zukunft nur nach deut­ schem Reinheitsgebot zu brauen. 4.3 Die wichtigsten Biersorten 4.3.1 Lager Das Lager ist ein untergäriges Bier, dass sehr kalte Temperaturen und eine lange Reifungszeit benötigt. Es wurde früher vorwiegend in Bayern gebraut und konnte bei entsprechend kalter Um­ gebungstemperatur lange Zeit gelagert werden. Da es in Bayern viele kühle Keller gab, war es schon früh möglich untergäriges Bier zu brau­ en. Man hat im Winter aus den Seen große Eisblöcke geschnitten und in die Keller gebracht. Das Lager ist traditionell eher mild und weniger bitter. Die Bezeichnung Lager ist in Deutschland nicht mehr sehr geläufig, in den angelsächsischen Ländern dagegen schon. Große Marken wie Beck‘s nutzen in Deutschland diese Bezeichnung. 4.3.2 Pils Das mit Abstand am häufigsten getrunkene Bier in Deutschland ist das Pils, oder Pilsener. Das Pils wurde erstmalig in Pilsen, Tschechien gebraut. Weil das Bier in Pilsen um 1842 so schrecklich war, berief der Braumeister von Pilsen einen bayrischen Braumeister um der Stadt ein gutes Bier zu brauen. So kommt es, dass das Pils eigentlich nach bayrischer Brauart (Lager) gebraut wurde und noch immer wird. Von dort an vollzog sich der weltweite Siegeszug des Pils. Das Pilsner Urquell gilt als Originalpils. Pils wird untergärig gebraut, es benötigt daher kalte Temperaturen zur Gärung. Mit Erfindung der Kühlmaschine war es überall möglich Pils zu brauen, was einer der Gründe für den weltweiten Siegeszug ist. Wegen dem hohen Hopfenanteil ist Pils lange haltbar und robust im Transport, was sich auf den Export sehr positiv auswirkt. Pils ist ein sehr bekömmliches Bier durch das alkalische Wasser, mit einer leicht bitteren Hopfennote und einer festen Schaumkrone. Pils sollte wenn es urtypisch schmecken soll, eine deutliche, blumige und trockene Hopfennote haben, wie es für die pilstypische Hopfenart „Saaz“ üblich ist.42 Die Darrung ist sehr schonend und das Malz ist sehr hell, was für die goldgelbe Farbe verantwortlich ist. Es hat eine lange Gär- und Lagerzeit. 47
  • 48. 4.3.3 Alt Altbier ist eigentlich ein irreführender Begriff. Altbier ist nicht besonders alt, sondern, der Begriff wurde erst nach dem 2. Weltkrieg geprägt, steht für Bier nach alter Art. Demnach ist Altbier ein obergäriges Bier, was bei Zimmertemperatur gärt. Charakteristisch ist die braune Farbe und der teilweise sehr aggressiv bittere Geschmack. Durch das dunkle Malz hat das Alt einen leicht ka­ kaoiges Aroma. Die größte Verbreitung von Altbier ist im Rheinland mit der Althochburg Düs­ seldorf. Die Internationale Entsprechend für Alt wäre Ale oder Bitter. Düsseldorfer Marken wie Füchsen oder Ueriges kämen einer Entsprechung von Extra special bitter gleich. Ein gutes, weil etabliertes int. Pendant zum Altbier wäre das Fuller‘s Extra Special Bitter. Ale und Alt vereint die starke Hopfung und obergärige Brauart.43 4.3.4 kölsch Kölsch ist ein regional geschützter Begriff für Biere, die in Köln und in wenigen ausserhalb Kölns gelegenen Brauereien gebraut werden. Kölsch ist die einzige Biersorte, die eine Konvention hat und klar regelt was ein Kölsch ist und woher es kommen muss. Der Wortlaut der Konvention veröffentlicht im Bundesanzeiger am 25.06.1985: „Die Bezeichnung Kölsch darf nur für nach dem Reinheitsgebot hergestelltes helles, hochvergorenes, hopfenbetontes, blankes obergäriges Vollbier verwendet werden, das innerhalb des Herkunftsbereiches von Kölsch hergestellt wird und dem dort herkömmlich und unter Bezeichnung Kölsch hergestellten und vertriebenen obergärigen Bier entspricht. Der Herkunftsbe­ reich von Kölsch ist das Stadtgebiet von Köln. Zum Herkunftsbereich gehören darüber hinaus diejenigen Brauereien außerhalb des Stadtgebietes von Köln, die an der Bezeichnung Kölsch bereits vor Inkrafttre­ ten dieser Wettbewerbsregeln einen wertvollen Besitzstand erworben hatten.“44 4.3.5 (Hefe)Weizen / Weißbier / Weisse Weißbier ist obergärig und hat seine stärkste Verbreitung in Süddeutschland. Ein Weizen wird zum Weizen wenn in der Maische außer Gerstenmalz auch Weizenmalz enthalten ist. Typisch für das Weizen ist seine fruchtig-frische Note mit wenig Bittergeschmack. Der Geschmack erinnert deutlich an Gewürznelken, Bananen oder Birnen. Insgesamt ist das Weizen sehr reich an Aroma, was auch zur Ausprägung des typischen Weizenglases geführt hat. So entfalten sich die vielfäl­ tigen Aromen durch die große Mundöffnung besser. Meistens wird das Weizen nach der Gärung nicht filtriert, was seine Trübung erklärt. Ein gefiltertes Weizenbier nennt man entsprechend Kristallweizen. Sehr weit verbreitet ist bei dieser Biersorte die Flaschengärung. Die Sitte die abgelagerte Hefe vom Flaschenboden aufzuschütteln gilt unter Kennern bei Weizenbieren als schlecht und verleiht dem Bier eine überbetonte und unerwünschte Hefenote. Generell sollte man den Bodensatz nicht aufschütteln, sondern in der 48
  • 49. Flasche lassen, was nicht für das Hefeweizen gilt – hier ist der Hefegeschmack erwünscht. Das Bier entwickelt viel Kohlensäure und hat entsprechend eine starke und feste Schaumkrone,45 die durch Zitronen im Glas zerstört wird. 4.3.6 Bock Bockbier hat einen hohen Stammwürzegehalt und einen entsprechend hohen Alkoholgehalt. Von Bock spricht man, wenn der Stammwürzegehalt über 16% liegt. Entsprechend hoch ist der Anteil an positiven Inhaltsstoffen wie z.B. Vitaminen, pflanzlichem Eiweiß, etc. Wenn der Stammwürze­ gehalt über 18% liegt spricht man von Doppel-Bock. Bockbier wird traditionell um die Fastenzeit herum gebraut und verkauft. 49
  • 50.
  • 52. 5.1 Geschichte Heinrich Sommer, Priester im Erzbistum Paderborn, gründete in Bigge die Josefs-Gesellschaft. Sein Ziel war: „Heilung, Pflege und gewerbliche Ausbildung verkrüppelter Personen.“ Am 03. Januar 1872 in Ahlen in Westfalen geboren, wurde Heinrich Sommer am 05. Februar 1899 zum Priester geweiht. Sein Wunsch als Missionar auszureisen, wurde ihm aus gesundheit­ lichen Gründen verwehrt. Beherzt wählte er die ihn schon lange interessierende Krüppelfürsorge als neues Arbeitsfeld und studierte die Fachliteratur. Ein Antrag im Caritasausschuß des Katho­ likentages im August 1903, die Errichtung von Anstalten für krüppelhafte Kinder zu bedenken, gab Heinrich Sommer den Anstoß, seine lang gehegten Pläne zu verwirklichen. Er gewann den Freiherrn Conrad von Wendt auf Schloß Gevelinghausen, dem damals „sozialsten Adeligen West­ falens“, und dessen Frau, einer Schwester des „Löwen von Münster“, Clemens August Kardinal von Galen, für seine Pläne. 1904 verschickte Rektor Sommer von Schloss Schellenstein einen Aufruf zur Gründung eines Vereins, der Josefs-Gesellschaft genannt werden sollte. Gleichzeitig veröffentlichte er in 70 katholischen Zeitungen von Westfalen und Rheinland aufklärende Werbeartikel und bat um Un­ terstützung. Der Paderborner Bischof unterstützte ebenfalls diesen Aufruf, ein katholisches Krüppelheim zu gründen. Die Antwort darauf waren zahlreiche Geldspenden. Mit Hilfe dieser Geldspenden konnte das Haus Hoffmann (am Bahnhof Bigge) erworben werden und am 31. Oktober 1904 wurde in diesem Haus das „Josefs-Krüppelheim“ mit 7 Pfleglingen eröffnet, die in der Setzerei, Druckerei und Buchbinderei Beschäftigung fanden. Die Verwaltung der Anstalt wurde vorläufig auf dem vom Freiherrn von Wendt zur Verfügung gestellten Schloss Schellenstein in Bigge einge­ richtet. Der Grundstein für das heutige Josefsheim Bigge und der Josefs-Gesellschaft war gelegt.46 Die Josefsgesellschaft ist heute Träger von bundesweit 16 Einrichtungen der Rehabilitation, Kran­ ken- und Altenpflege. 5.2 struktur 5.2.1 Wohnen Das Josefsheim ist primär eine Einrichtung für körperlich Behinderte. Je nach Grad der Behinde­ rung ist der Pflegeaufwand entsprechend hoch. Die Arten der Behinderungen sind mannigfaltig. In der Regel ist der Behinderungsgrad bei den im Heim lebenden sehr hoch. Das Spektrum geht von leicht bis schwerst mehrfachen Behinderungen . 52