2. TRANSGENE TIERE
Definitionen
Begriff „transgen“
erstmalig im Zusammenhang mit Labormäusen, in deren Genom fremdes genetisches
Material mittels Vorkerninjektion übertragen wurde
(Gordon JW, Ruddle FH; Science, 1981;214:1244-46)
Gentechnisch modifizierter Organismen
1. nach deutschem Gentechnikrecht (§3 GenTG, 1993):
ein Organismus, dessen genetisches Material in einer Weise verändert worden ist,
wie sie unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzen oder natürliche
Rekombination nicht vorkommt
mittels gentechnischer Verfahren: - Vorkerninjektion
- homologer Rekombination
- retroviraler Vektoren
2. Palmiter und Brinster, 1985 (Transgenic Mice. Cell;41:343-345):
Organismen, bei denen eine in vitro rekombinierte und experimentell übertragene
DNA-Sequenz stabil ins Genom integriert ist und vererbt wird
3. Gesetzliche Grundlagen
Gentechnische Arbeiten:
Die Erzeugung gentechnisch veränderter Organismen.
Die Vermehrung, Lagerung, Zerstörung oder Entsorgung sowie der
innerbetriebliche Transport gentechnisch veränderter Organismen....
Gentechnikrecht
Gentechnikgesetz (GenTG):
Genehmigung des Betriebes der jeweiligen Anlage
Gentechniksicherheitsverordnung (GenTSV)
Sachkundenachweis für: Projektleiter
Beauftragter für biol. Sicherheit
§§ 15, 17 GenTSV
4. Tierschutzrechtliche Bestimmungen
Tierschutzgesetz Herstellung und Haltung transgener Tiere
Experimente mit transgenen Tieren
1. Gewinnung von Embryonen:
Organentnahme nach Töten der Spendertiere (ohne Superovulation!):
nicht anzeige- oder genehmigungspflichtig
2. Hormonelle Stimulation/Superovulation:
für TVA als Halter und Züchter: eine biotechnolog. Zuchtmaßnahme
für Wissenschaftler: im Rahmen Erstellung transgener Tiere
genehmigungspflichtig!
5. Der Gentransfer:
- Nutzung in vitro: kein Tierversuch § 7 Abs.1 TSchG
hier aber: Weiterentwicklung zu lebenden Individuen zu Versuchszwecken
alle notwendigen Tätigkeiten wie Superovulation
Tötender Spendermäuse
Gentransfer
Vasektomie
Embryotransfer
Charaktersierung
genehmigungspflichtiger Tierversuch !
4. Zucht/Haltung:
Erlaubnis nach §11 TierSchG, Abschnitt1, Nr.1 TVA
in Verbindung mit Anhang V der GenTSV
5. Versuche mit transgenen Tieren: genehmigungs- oder anzeigenpflichtig
6. Techniken
1. Mikroinjektion in den Vorkern (Maus)
Herstellung klassischer Transgene: Expression zusätzlichen Gens
2. Homologe Kombination in Embryonalen Stammzellen, (Maus)
Herstellung von Knock out Tiere: Ausschalten Genfunktion
3. Retrovirale Vektoren: zufällige Änderung im Genom
Herstellung und Entwicklung transgener Tiere:
Eingriffe an Embryonen unterschiedlichen Entwicklungsalters nötig
Embryonen im 1 –2 Zellstadium
Blastozysten
8. Entwicklungsstadien der befruchteten Eizellen
Tag 0.5 p.c. Einzeller Tag 1.5 p.c. Zweizellstadium
Tag 2 p.c. Vierzellstadium Tag 2.5 p.c. Achtzellstadium Tag 3.5 p.c. Blastozyste
9. Gewinnung und Kultivierung von Embryonen bzw. Blaszozysten
1. Superovulation der Spendertiere
- ermöglicht höhere Ausbeute an entwickelten Eizellen
- hormonell: PMSG (Pregnant Mare‘s Serum Gonadotropin)
hCG (human chorionic Gonadotropin)
1. 5-10 IU PMSG i.p. nach 48 h
2. 5-10 IU hCG i.p.
Zeitpunkt abh. vom Hell-Dunkel-Rhythmus des Tierraumes
- nach hCG- Gabe Verpaarung
- Kontrolle der Verpaarung: Kontrolle Vaginalpfropf
- high ovulators z.B. C57BL/6
- low ovulators z.B. BALB/c
10. 1. Spendertiere Embryonen: ausreichende Anzahl an Embryonen
-Tiere: ♀ Alter 4-6 Wochen
-Gewinnung der Embryonen an Tag 0.5 (Einzellstadium für Vorkerninjektion)
an Tag 1.5 (2-Zellstadium für Hygienesanierung)
2. Empfängertiere:
Stämme: z.B. B6 x CBA F1 Hybriden, FVB Inzucht, NMRI Auszucht
♀ Tag 0.5 – 1.5 ihrer Pseudogravidität
Anforderungen:
Fellfarbenunterschied zwischen Empfänger- und Spendertier
Empfängertiere sollten auch kleine Würfe großziehen
3. Technik: Ovidukttransfer
11. Blastozystengewinnung:
1. Spendertiere:
zu beachten:
- Fellfarbenunterschied zwischen ES-Zellen Spenderstamm und Empfängerstamm
- Wirtsblastozyste geeigneter Empfänger für ES-Zelllinie
- Manipulierbarkeit der Wirtsblastozyst
- genügende Anzahl an injizierbaren Blastozysten
- Superovulation bei 3 – 4 Wochen alter Tiere
- Gewinnung der Blastozysten an Tag 3.5
2. Empfängertiere:
♀ Tag 2.5 ihrer Pseudogravidität
3. Technik
Uterustransfer
12. Isolierung von Ovidukt bzw. Uterus
-Töten der Tiere zum gewünschten Zeitpunkt
1- bzw. 2- Zell-Stadium: Tag 0.5-1.5 p.c.
Blastozysten: Tag 3.5-4.5 p.c.
- Entnahme von Eileiter: Gewinnung von Embryonen im
1-Zell-Stadium Vorkerninjektion
2-Zell-Stadium hygienische Sanierung
- Entnahme von Uterus: Blastozystengewinnung Tag 3.5 p.c.
ES-Zellen homologe Rekombination
16. -überführen der Embryonen in M2-Medium
-Spülen, ev. Zugabe von Hyaluronidase
-Überführen in M16 Medium
-Kultivieren über Nacht im Brutschrank möglich
-Aufnehmen in Transferkapillare und M2-Medium
-8-10/Ovidukt
Transferkapillare mit Embryonen
19. Vasektomie: Durchtrennung der Samenleiter
Sexualverhalten aber noch vorhanden
zur Erzeugung scheinträchtiger Weibchen:
sexuell intakte Weibchen werden mit vasektomierten Männchen verpaart
20. 1. Mikroinjektion in den Vorkern:
-Vorkerne: sichtbar in befruchteter Eizelle im Einzellstadium
-befruchtete Eizelle: 2 Vorkerne
1 Polkörperchen
-Injektion mittels Mikroinjektionsanlage in männlichen Vorkern
-Fixation mittels Haltekapillare
-Injektionskapillare durch Zona pellucida und Cytoplasma in Vorkern
-Zugabe der DNA-Lösung (ca. 1-2 Picoliter) Anschwillen Vorkern
-Waschen der Embryonen
-Eileitertransfer
23. 2. Kultivierung Embryonaler Stammzellen für Blastozysteninjektion:
ES von Mäusen = pluripotente Zellen
gewonnen aus Blastocysten
Vorteil:
Möglichkeit der gezielten Änderung eines Gens mit Hilfe homologer Rekombination
Isolierung von ES Zellen:
- aus Blastozysten
- Embryonalstadium:Tag 3,5 Embryonalentwicklung
- Entfernung des embryonalen Teils
- Kultivierung der Zellen:
auf Gelatine vorbehandelten Petrischalen
enthalten Fibroblasten als Feeder- Schicht
24. DNA-Integration:
- mittels Elektroporation
Eintreten der DNA in die Zellen durch elektrischen Puls
Nachweis der homologen Rekombination
-positive Selektion erforderlich
-Verwendung eines Resistenzgens, z.B. Neomycin Resistenzgen
-Selektion mit Geniticin
-nach Selektion Isolierung der resistenten Kolonien
-Injektion diese ES Zellen in Blastozysten Uterustransfer
-Ergebnis: chimäre Tiere
28. Zucht/Zuchtaufbau
1. Allgemeine Zielsetzung bei der Zucht transgener Tiere:
- Keimbahnübertragung
- stabile Integration des Transgens
-Ausgangstier: transgenes Foundertier
2. Rückkreuzung
auf einen anderen genetischen Hintergrund (z.B. von 129 Sv auf C57BL/6)
Problem: - starke Reduktion des Transgens möglich
- Erreichen des gewünschten genetisch. Hintergrunds nach 10 Generationen
Vorteil: Wurfgeschwister als Kontrolltiere nicht mehr notwendig
32. Haltung und Transport
Haltung:
- Haltung und/oder Zucht gentechnisches Arbeiten
- nur in behördlich zugelassenen gentechnischen Anlagen
- Sicherheitsstufen (S1-S4, i.d.R. S1, S2)
Empfängerlabor:
- personelle und räumliche Vorraussetzungen (nach GenTG, GenTS-VO)
Transport:
- innerbetrieblich, zwischenbetrieblich
- geschlossene Behälter, bei Bedarf doppelwandig
- Käfig/Box gegen Bruch gesichert
- Transportrisiken: Gefährdung des Personals
Entfliehen transgener Tiere
33. Nomenklatur gentechnisch modifizierter Stämme:
Transgene Linien
Targeted Mutation (Knock out)
Targeted Mutation (Double Knock out)
Targeted Mutation (Knock in)
-Symbol für Transgene: 1. Tg für Transgen
2. Offizielles Gensymbol der intergrierten DNA
3. Laborlinie/Gründerbezeichnung/fortlaufende Nummer
4. Registrierter Laborkode des Ursprungslabors
TgX = die angewandte transgene Technik
TgN = nicht homologe Insertion (Vorkernmikroinjektion)
TgR = Insertion über retrovirale Vektoren
TgH = homologe Rekombination (ES-Zellen)
34. 1.Beispiel: Transgene Linien (Mikroinjektion):
C75BL/6J-TgN(CD8Ge)23Jwg:
der CD8 Klon aus dem humanen Genom
integriert in C57BL/6 Mäuse aus dem Jackson Laboratory
23. Maus, die im Labor von Jon W. Gordon etabliert wurde
2. Beispiel: Targeted Mutation (Knock out)
B6.129P2-TgHCftrtm1Unc: tm = targeted mutation
Ziffer = Anzahl der gerichteten Mutation
Laborcode
erste gerichtete Mutation im cystic fibrosis transmembrane
conductance regulator homolog
der University of North Carolina
unter Verwendung von 129P2 ES Zellen, rückgekreuzt auf C57BL/6
; RK noch nicht abgeschlossen, . RK abgeschlossen
Inzuchtmaus: z.B. C57BL/6 = C57BL/6NCrl
Auszuchtmaus: z.B. NMRI = Crl:NMR(Han)
35. Einflussfaktoren auf den Phänotyp transgener Tiere (nach Rülicke und Mertens, 1999)
genetische Faktoren Interaktion nichtgenetische Faktoren
(biotische, abiotische Umwelt)
direkte Wirkung indirekte Wirkung
(Mutation) (genet. Hintergrund)
Integrations-
stellen
Anzahl Kopien
Struktur des Transgens
PHÄNOTYP
36. Auswirkung gentechnischer Manipulation
- abhängig vom transgenen Modell
- abhängig vom genetische Hintergrund
- betroffen können sein: Wohlbefinden, Lebensfähigkeit, Fertilität, Phänotyp
Genetischer Hintergrund: Beispiel: IL2 Knockouts*
Linie genetischer Hintergrund Phänotyp
B6;129-IL2tm gemischt: 50% Todesrate bei 4-9 Wochen
C57bl/6 Splenomegalie, Anämie
129P2/OlaHsd
B6.129-IL2tm C57BL/6 congen Tod im Alter von 3 – 6 Monaten
hämolytische Anämie
C3.129P2-IL2tm C3H/HeJ congen Tod im Alter von 7 Wochen
hämolytische Anämie
*Linder, 2001
37. Bedeutung Maus: Transgene Mausmodelle
idealer Modellorganismus für genetische Analysen bei Säugern durch:
- physiologische Ähnlichkeit zum Mensch
- hohe Fruchtbarkeit schnell produzierbar
- kurzes Generationsintervall
- geringer Platzbedarf
Bedeutung für Humangenetik durch umfassende genetische Charakterisierung
der Maus
Einsatz zur:
Aufklärung molekularer Ursachen von Krankheiten
-Strategieentwicklung für Therapie
-Gentherapie
-Testsystem für toxikologische Untersuchungen
(Abbildungen aus:Hogan et al. 1994. Manipulating the mouse embryo: a laboratory manual, 2nd ed. Cold Spring Harbor (NY)