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Materialie zur Ringvorlesung „Lernende Regionen“ – SS 2005
Gerlind Weber „Nachhaltige Raumentwicklung“
1. Grundsätzliches
“Der Mensch ist träge, eigennützig und intelligent“, sagt eine Volksweisheit. Diese Eigen-
schaften gilt es besonders im Auge zu behalten, wenn es um die Entwicklung und Umsetzung
neuer gesellschaftsrelevanter Leitbilder geht. So fragt zunächst der Durchschnittsbürger:
“Warum soll ich mich überhaupt mit einem neuen Anspruch auseinandersetzen?“ Zweitens:
“Was bringt er mir? Und drittens: “Wie kann ich in den Genuss der damit für mich verbunde-
nen Vorteile kommen?“
Die Politik muss imstande sein, Antworten auf diese Fragen geben zu können, um neuen ge-
sellschaftsrelevanten Denkansätzen, wie den von der nachhaltigen Entwicklung, tatsächlich
zum Durchbruch verhelfen zu können.
Die vorliegende Arbeit versteht sich deshalb als Versuch, in der hier gebotenen Kürze wissen-
schaftlich fundierte Antworten auf die oben aufgeworfenen Fragen zu liefern und sich dabei
Schritt für Schritt dem mit dem Paradigma der Nachhaltigkeit verbundenen Denken anzunä-
hern. Dabei sollen die räumlichen Auswirkungen von sustainable development im Vorder-
grund der einschlägigen Reflexionen stehen.
2. Vom Umweltschutz zur nachhaltigen Entwicklung
Die Trägheit des Menschen verlangt zunächst nach einer Erörterung, warum der ihm vertraute
Umweltschutz von dem ihm noch fremden Anspruch der Nachhaltigkeit überhaupt abgelöst
werden soll. Sich mit letzterem auseinanderzusetzen, kostet ihn Zeit und Energie, ist also mit
Aufwand verbunden, den er nur eingeht, wenn er von der Notwendigkeit der Fortentwicklung
des Bekannten überzeugt werden kann:
2.1 Die Schwächen des Umweltschutzes herkömmlicher Prägung
• End-of-pipe-Orientierung
Der Umweltschutz herkömmlicher Prägung ist nachsorgenorientiert und versteht sich als
bloße “Reparatur an der Natur“. Zum Schutz der Natur wurden und werden z.B. auf exis-
tierende Techniken schadstoffemissionsvermeidende Technologien aufgestülpt. So not-
wendig diese Strategie als erste Reaktion auf die zunehmende Luft-, Boden- und Wasser-
verschmutzung war und ist, so führt sie doch aufgrund folgender Punkte in eine wirt-
schaftliche Sackgasse:
End-of-pipe-Technologien führen zu einer Verteuerung der existierenden Technik,
setzen die Effizienz der Basistechnik herab und machen letztere mehr reparaturanfäl-
lig.
Sie verursachen zusätzlichen Verbrauch von Ressourcen bei gleichem Output.
Sie setzen falsche Signale: es gelten nicht jene Unternehmen als umweltfreundlich und
fortschrittlich, die ressourcensparend produzieren, sondern jene, die Emissionen er-
zeugen, aber einzelne Schadstoffe herausfiltern.
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Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung
Die “Verschmutzerwirtschaft“ wird durch eine “Saubermacherwirtschaft“ ersetzt, was
keinen volkswirtschaftlichen Wohlstandsgewinn bringt.
Der nachsorgende Umweltschutz setzt auf Ordnungsrecht hinsichtlich der Durchset-
zung seiner Ziele. Ordnungsregelungen legen aber die Versuchung bei den Adressaten
nahe, sie zu umgehen. Die dadurch erforderlichen Kontrollen seitens der öffentlichen
Hand kosten Geld.
• Monokausale Betrachtung
Umweltschädigungen werden als Einzelereignisse angesehen, die durch Einzelmaßnah-
men jeweils einer Lösung zugeführt werden sollen. Beispielsweise wurde als Reaktion auf
die Problematik des sauren Regens der Katalysator für Autos eingeführt, ohne damit Prob-
leme, wie das ständig steigende Verkehrsaufkommen und die damit verbundene Gefahr
des Verkehrskollapses, die zunehmende Verlärmung, das erhöhte Unfallrisiko und den
wachsenden Ressourcenverbrauch zu entschärfen.
Monokausale Lösungsansätze sind in Summe deshalb kritisch zu bewerten, weil sie eine
strukturkonservierende Wirkung erzeugen, d.h., dazu beitragen, umweltschädigende Vor-
gangsweisen im Wirtschafts- und Gesellschaftssystem weiterhin aufrecht zu erhalten.
• Hohe Kosten-Wirksamkeitsdiskrepanz
Umweltsanierungen sind unverhältnismäßig teurer als Umweltvorsorgemaßnahmen. Das
Verhältnis beträgt zwischen 3:1 bis 16:1. Das heißt, es konnte schlüssig nachgewiesen
werden, dass jeder in die Umweltvorsorge investierte Euro 3 bis 16 Euro an Umweltsanie-
rungskosten spart. Insbesondere fällt dabei ins Gewicht, dass die Umwelttechnik ab einem
gewissen Wirkungsgrad unverhältnismäßig teuer wird.
• Medienspezifische Problemorientierung
Die nachsorgende Umweltstrategie nimmt sich wesensgemäß der Umweltprobleme nur
an, wenn Schäden an Mensch und/oder Natur akut, messbar oder nachweisbar auftreten
und die Öffentlichkeit - meist mit Unterstützung der Medien - eine Lösung des jeweils
aufgezeigten Missstandes verlangt. Das Setzen von geforderten ad hoc–Maßnahmen birgt
aber latent die Gefahr der ungewollten bloßen Problemverschiebung in sich, die verschie-
dener Art sein kann:
- Intermedial: die Umweltbelastung wird von einem Umweltmedium in ein anderes
verfrachtet (z.B. vom Wasser über den Klärschlamm in den Boden);
- Interregional: das Umweltproblem wird von einem Ort zu einem anderen Ort “abge-
schoben“ (z.B. “Mülltourismus“, Verschieben atomaren Abfalls von Zwischenlagern
zu Endlagern);
- Intergenerativ: Umweltschäden treten zeitlich verzögert auf, was dazu genützt wird,
die Lösung des Problems auf nachfolgende Generationen abzuwälzen (z.B. die Klima-
veränderung, Altlasten).
• Trennung von Ursachen- und Wirkungsebene
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Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung
Um die Umweltprobleme anzugehen, wurden in Westeuropa ab den späten sechziger Jah-
ren letzten Jahrhunderts eigene Umweltbehörden auf den verschiedenen Verwaltungsebe-
nen eingerichtet. Dies erfolgte, ohne gleichzeitig Kompetenzverschiebungen aus anderen
Fachressorts vorzunehmen. Die Folge war eine Desintegration zwischen Ursachen- und
Wirkungsebene dahingehend, als in einem Fachressort mitunter jene Entscheidungen ge-
troffen werden, zu deren Beseitigung später die Umweltbehörden eingeschaltet werden.
Durch die weitgehende Herausnahme der Sanierungskompetenz und –pflicht aus den die
Umweltschäden verursachenden Ressorts geht für diese aber der Anreiz- bzw. der Prob-
lemdruck verloren, der sie dazu veranlassen könnte, selbst vorsorgende Strategien für eine
langfristige Sicherung der ökologischen Grundlagen einzuleiten.
• Fazit: Keine Verbesserung der ökologischen Gesamtsituation
Heute zeigt sich, dass der nachsorgende Umweltschutz weder den fortgesetzten raubbau-
artigen Zugriff auf die endlichen natürlichen Ressourcen noch die steigenden Umweltbe-
lastungen hintanhalten konnte. Das heißt, der herkömmliche Umweltschutz war und ist
nicht in der Lage, Mensch und Natur aus der “Zwickmühle“ zu viel Rohstoffinput/zu viel
Schadstoffoutput tatsächlich zu befreien.
Die additiven Umweltschutzmaßnahmen können wesensgemäß nur einer Schadensbe-
grenzung dienen, nicht aber eine fortgesetzte Schädigung des Naturhaushalts verhindern,
was bereits zum Überschreiten ökologischer Belastbarkeitsgrenzen führt. Der Umwelt-
schutz traditioneller Prägung befindet sich wesensgemäß immer in der Defensive, indem
er stets reagiert, aber nicht aktiv gestaltet.
Aufgrund all der genannten Gründe kann der Ausweg für eine Verbesserung der ökologi-
schen Gesamtsituation nicht in einer Intensivierung des herkömmlichen Umweltschutzes
liegen, sondern nur in einem grundlegenden Wandel von der additiven zu einer integrier-
ten Umweltpolitik.
2.2 Die Grundstrukturen des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung
Um die zunehmenden Umweltprobleme weltweit in den Griff bekommen zu können, müssen
die gesellschaftlichen und ökologischen Entwicklungsverläufe generell an den ökologischen
Folgewirkungen orientiert, d.h., an der Endlichkeit und Erschöpfbarkeit der natürlichen Res-
sourcen ausgerichtet werden. Mit anderen Worten: Es muss sich die Einsicht durchsetzen,
dass langfristig eine sozio-ökonomische Entwicklung nur innerhalb eines dauerhaft funktions-
fähigen Naturhaushaltes möglich ist. Dies bedingt, dass bei allen gesellschafts- und wirt-
schaftsrelevanten Entscheidungen immer die Umweltauswirkungen mitzuberücksichtigen und
die absolut geltenden ökologischen Belastungsgrenzen zu respektieren sind.
Für diesen ganzheitlichen Denkansatz steht das Schlagwort der nachhaltigen Entwicklung
(respektive von sustaniable development). Es wurde 1989 durch den UN-Bericht “Our Com-
mon Future“ etabliert, der nach der Vorsitzenden der Kommission, die diesen Bericht erarbei-
tet hat, im Fachjargon als “Brundtland-Report“ benannt wird.
Der Brundtland-Report beschreibt ganz allgemein nachhaltige Entwicklung als “eine Ent-
wicklung, die die gegenwärtigen Bedürfnisse befriedigt, ohne die Zukunftschancen nachfol-
gender Generationen zu schmälern.“ Hinter diesem Anspruch steht demnach:
- ein koevolutionäres Mensch-Natur-Konzept
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Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung
- ein sozialwissenschaftliches Bedürfniskonzept und
- ein naturwissenschaftliches Konzept der begrenzten Welt.
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Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung
• Die drei Grundcharakteristika nachhaltiger Entwicklung
In seinen Grundzügen lässt sich das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung wie folgt charakte-
risieren:
Erstens: Integration ökologischer, sozialer und ökonomischer Aspekte
Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung versteht sich als eine auf den Erhalt der Natur-
funktionen ausgerichtete Optimierung des Zusammenwirkens von Natur, Gesellschaft und
Wirtschaft. Charakteristisch für diesen Ansatz ist das systemische Denken, das davon ausgeht,
dass Umweltprobleme nur dadurch gelöst werden können, wenn Gesellschaft und Wirtschaft
die Restriktionen, die die Natur vorgibt, in ihre Entscheidungen so integrieren, dass ein Fließ-
gleichgewicht zwischen ökologischer Stabilität, hoher Lebensqualität und wirtschaftlicher
Wettbewerbsfähigkeit erreicht und langfristig gehalten werden kann.
Die Integration ökologischer, gesellschaftlicher und ökonomischer Aspekte kann wie folgt
veranschaulicht werden:
Natur
Gesellschaft
Wirt-
schaft
Abb. 1: Natur, Gesellschaft und Wirtschaft als unterschiedliche Ebenen eines einheitlichen
Gesamtsystems
Die Abbildung soll ausdrücken, dass die Natur der umfassendste Systembereich ist, innerhalb
dessen die Gesellschaft ein Subsystem darstellt, von dem wiederum die Wirtschaft einen in-
tegrierten Bestandteil bildet.
Die Abbildung symbolisiert, dass die Natur, das heißt, die begrenzte Belastbarkeit und Trag-
fähigkeit ihrer Ökosysteme, jenen anthropogenen Handlungsspielraum vorgeben, innerhalb
dessen sich eine Gesellschaft entsprechend ihrer vorherrschenden Werte und Ziele vielfältig
entwickeln kann. Diese vom Natursystem ableitbaren Begrenzungen werden auch als “ökolo-
gische Leitplanken“ oder als “ökologischer Korridor“ der gesellschaftlichen und wirtschaftli-
chen Entwicklung bezeichnet. Als Subsystem der Gesellschaft stellt die Wirtschaft jenes Mit-
tel dar, das der Befriedigung der menschlichen Ansprüche dient und daher sowohl an den ge-
sellschaftlichen Bedürfnissen als auch an dem übergeordneten ökologischen Rahmen ausge-
richtet sein muss.
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Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung
Die Pfeile zwischen den einzelnen Teilsystemen stellen nicht nur die starken Wechselbezie-
hungen zwischen Natur, Gesellschaft und Wirtschaft dar, sondern sollen auch darauf hinwei-
sen, dass gerade die Schnittstellen zwischen den drei Bereichen so zu gestalten sind, dass ein
dauerhaftes Zusammenwirken ohne Gefährdung der Funktionsfähigkeit bzw. der Stabilität
auch nur eines Bereiches möglich wird. Nachhaltige Entwicklung kann somit nur dann er-
reicht werden, wenn jeder der drei Systembereiche dauerhaft stabil ist. Diese Stabilität ist je-
doch nicht im statischen Sinne zu verstehen, sondern setzt die ständige Anpassung an Verän-
derungen voraus.
Zweitens: Integration der Umweltpolitik in sozio-ökonomische Entwicklungsverläufe
Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung fokussiert in seinen Bestrebungen um Verbesse-
rung der Umweltsituation nicht mehr bloß die Umweltmedien (Boden, Wasser, Luft), sondern
setzt auf eine auf den Erhalt der Umwelt ausgerichtete sozio-ökonomische Entwicklung. Die-
ser Wechsel des Betrachtungswinkels ist mit einer drastischen Komplexitätszunahme auf der
Ziel- und Mittelebene verbunden, was Konsequenzen nach sich zieht:
Offenheit: Die zahllosen Zusammenhänge und Rückwirkungen zwischen Natur, Ge-
sellschaft und Wirtschaft verunmöglichen, dass eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete
Politik die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen in allen Details vor-
ausplanen kann. Es muss daher von einer grundsätzlichen Offenheit der Entwick-
lungsverläufe ausgegangen werden, was gleichzeitig eine Abkehr von anthrozentri-
schen Machbarkeitsansprüchen bedeutet.
Geringe Eingriffstiefe: Um trotz der Offenheit gravierende Fehlentwicklungen ver-
meiden zu können, ist bei den Gestaltungsmaßnahmen eine möglichst geringe Ein-
griffstiefe in funktionierende ökologische, gesellschaftliche oder ökonomische Sys-
temabläufe anzustreben. Damit soll sichergestellt werden, dass Maßnahmen, die sich
im Laufe der Entwicklung als falsch herausgestellt haben, wieder aus dem jeweiligen
Systemkontext herausgenommen werden können, ohne das betreffende System zu ge-
fährden.
Breite Mitbestimmung: Alle diejenigen Personen und Institutionen, die einen Ein-
fluss auf die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung haben, werden zu Ak-
teuren der Nachhaltigkeitspolitik. Der Bogen spannt sich dabei etwa von den Ent-
scheidungsträgern im Kleinen (z.B. Konsumenten, “Häuselbauern“), die durch ihre
vielen individuellen Entscheidungen in Summe gesehen eine ähnliche zentrale Bedeu-
tung besitzen wie die Entscheidungsträger im großen (z.B. Politiker, Großunterneh-
men), bei denen zwar weniger Entscheidungen, diese aber mit einer größeren Reich-
weite getroffen werden. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Notwendigkeit einer
möglichst breiten Mitbestimmung und Mitwirkung bei den einschlägigen Verände-
rungsprozessen eine Aufwertung.
Drittens: Dominanz des Prinzips der Selbstorganisation
Nachhaltige Entwicklung baut auf dem Prinzip der Selbstorganisation auf. Dies gründet auf
dem Umstand, dass komplexe Systeme nicht von außen gestaltet werden können, sondern nur
von innen durch die Nutzung der diesen Systemen immanenten Eigendynamik. Das heißt,
nachhaltige Entwicklung lässt sich nicht als “Patentrezept von oben“ verordnen, sondern be-
darf eines ständigen Diskurses der Gesellschaft, der immer nur vorläufige und hypothetische
Zwischenbestimmungen ergeben kann. Nachhaltigkeit hat demgemäss den Charakter eines
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Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung
Leitbildes, dessen (Teil-)Ziele im Rahmen eines ständigen diskursiven Prozesses einer lau-
fenden Überprüfung, Verbesserung und gegebenenfalls Korrektur oder Erweiterung unterlie-
gen. Die Vorstellung darüber, was nachhaltige Entwicklung im Konkreten ist, ist im starken
Maße zeit-, situations-, kultur- oder wissensabhängig. Wichtig ist dabei immer nur die wech-
selseitige Abstimmung der ökologischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Aspekte und
eine entsprechende Koordination der zu setzenden Maßnahmen.
Aus der offenen Konzeption von Nachhaltigkeit ergibt sich auch die Notwendigkeit instituti-
onenübergreifender Diskurse innerhalb der, respektive zwischen den verschiedenen Gruppen
und Akteuren aus Gesellschaft und Wirtschaft. Damit dieser wechselseitige Austausch frucht-
bringend verlaufen kann, setzt dies auf allen Seiten das Selbstverständnis einer “lernenden
Organisation“ voraus. Dies bedeutet, dass die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Einzel-
akteure und Gruppen einerseits aktiv für sich Impulse für eigene Veränderungs- und Erneue-
rungsprozesse suchen und andererseits die Bereitschaft haben, Impulse für Lernprozesse an-
derer abzugeben.
3. Das Leitbild nachhaltiger Raumentwicklung
3.1 Grundsätzliches
Gegenwärtig steckt das Konzept der nachhaltigen Entwicklung in der schwierigen Phase des
Übergangs vom Wissen zum Handeln, vom Leitbild zur Umsetzung. Dieser Umstand bringt
die räumliche Dimension dieses Anspruchs ins Spiel. Dies aufgrund der Tatsache, dass Le-
bensräume immer Rückschlüsse auf den jeweiligen geistigen, kulturellen und zivilisatorischen
Status einer Gesellschaft zulassen. Dies bedingt den Schluss, dass auch eine nach Nachhaltig-
keit strebende Gesellschaft sich in hohem Maße über Gestaltung und Funktion von Räumen
ausdrücken wird. Das heißt, ein sich in Richtung Nachhaltigkeit entwickelndes Gemeinwesen
wird immer auch entsprechende räumliche Leitbilder formulieren und danach trachten, diese
Schritt für Schritt umzusetzen. Der Raum als Lebensraum des Menschen ist so wesentliche
Auswirkungsebene, aber auch zentraler Impulsgeber nachhaltiger Entwicklung.
Aufgrund dieser Einsichten ist es nur konsequent, dass aus dem Leitbild nachhaltiger Ent-
wicklung nun ein Leitbild nachhaltiger Raumentwicklung abgeleitet wird. In wenigen Worten
zum Ausdruck gebracht, geht es dabei bei letzterem um die Frage, wie die einzelnen Daseins-
grundfunktionen des Menschen ausgestaltet sein müssen, dass die räumlichen Folgewirkun-
gen dauerhaft den ökologischen Rahmenbedingungen entsprechen und gleichzeitig ein gutes
Leben ermöglichen. Das Leitbild nachhaltiger Raumentwicklung konzentriert sich demnach
auf die Suche nach entsprechenden gesellschaftlichen und individuellen Lebensstilen und den
daraus resultierenden Anforderungen an die Lebensraumgestaltung und –organisation einer-
seits sowie auf Fragen der ökologischen Belastbarkeit von Räumen anderseits.
3.2 Ökologische Anforderungen an die nachhaltige Raumentwicklung
Die Raumentwicklung der letzten Jahrzehnte wurde fast ausschließlich auf die Ansprüche von
Gesellschaft und Wirtschaft ausgerichtet. Hingegen blieben die Anforderungen des natürli-
chen Systems weitgehend unbeachtet. Inzwischen wird jedoch zunehmend erkannt, dass eine
intakte, funktionsfähige Natur die Grundlage jeder gesellschaftlichen und wirtschaftlichen
Entwicklung darstellt und ihrer langfristigen Erhaltung oberste Priorität beizumessen ist. So-
mit ist die bisherige Sichtweise umzukehren: Die Anforderungen des ökologischen Systems
sind vorderhand auszuloten und gelten in der Folge als absolut zu respektierende Leitplanken
der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung.
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Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung
Die ökologischen Anforderungen an eine nachhaltige Raumentwicklung sind prinzipiell aus
zwei verschiedenen Blickwinkeln heraus zu betrachten:
- Ökosystemare Sichtweise: sie stellt den Systemcharakter der Natur in den Mittelpunkt
der Betrachtung
- Ökomediale Sichtweise: sie stellt die einzelnen Umweltmedien in den Mittelpunkt der
Betrachtung.
3.2.1 Ökosystemare Anforderungen
Folgende ökosystemare Voraussetzungen müssen über die Zeiten hinweg gewährleistet wer-
den, damit natürliche Systeme bestehen können:
• Erhaltung der natürlichen Dynamik
Natürliche Systeme befinden sich ständig in Veränderung. Sie streben zum einen permanent
nach einem Zustand ökologischer Stabilität. Dieses Ziel kann nur dadurch erreicht werden,
indem jedes Ökosystem fließend von einem Gleichgewichtszustand in einen anderen zu
wechseln imstande ist, um sich dadurch z.B. auf neue Umfeldkonstellationen einstellen zu
können. Zum anderen strebt jedes natürliche System nach seiner Weiterentwicklung im Sinne
der Erhöhung seiner inneren Komplexität, weil eine hohe Vielfalt von Systemelementen und
deren Beziehungen untereinander Stabilität verspricht und damit eine höhere Resistenz ge-
genüber externen Einflüssen möglich wird.
Insgesamt heißt dies: je höher die Vielfalt eines Systems ist, desto mehr unterschiedliche Zu-
stände kann es einnehmen und umso mehr Möglichkeiten besitzt es, auf Veränderungen des
Umfeldes zu reagieren.
Bei Raumnutzungsentscheidungen ist dementsprechend auf eine größtmögliche Erhaltung der
in einem Ökosystem vorhandenen Vielfalt zu achten.
• Wahrung der ökologischen Stabilität
Unter ökologischer Stabilität wird einerseits die Fähigkeit eines Ökosystems verstanden, Stö-
rungen von außen zu widerstehen und zum anderen die Fähigkeit zu seiner Regeneration,
wenn es von einer Störung betroffen ist. Prinzipiell wird die ökologische Stabilität durch das
Maß der genetischen Vielfalt in einer Population bestimmt.
Für raumrelevante Nutzungsentscheidungen heißt dies, dass nicht ausschließlich der anthro-
pogene Bedarf, sondern die Empfindlichkeit des jeweils betroffenen Ökosystems einen Nut-
zungseingriff rechtfertigt oder nicht.
• Einhaltung von Belastungsgrenzen
Jedes Ökosystem hat die Fähigkeit, einen bestimmten Grad an Belastungen zu tolerieren, oh-
ne seine immanenten Strukturen und Funktionen zu verändern. Wie weit eine Belastung an
die Grenzen der Belastbarkeit eines natürlichen Systems heranreicht, hängt zum einen von
den spezifischen Toleranzen jedes einzelnen Systems und zum anderen von Art, Intensität
und Dauer der Belastung ab.
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Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung
Eine langfristige Beständigkeit der Ökosysteme und der Ökosphäre kann nur dann gesichert
werden, wenn die anthropogenen Raumnutzungsansprüche die Belastbarkeitsgrenzen nicht
überschreiten. Damit diese Bedingung erfüllt werden kann, müssen insbesondere zwei Forde-
rungen beachtet werden: einerseits die prinzipiell schonende und sparsame Entnahme von
natürlichen Ressourcen und anderseits die Respektierung der prinzipiell beschränkten Ab-
sorptionsfähigkeit der Ökosphäre.
• Sicherung der ökosystemaren Funktionen
Jedes Ökosystem erbringt für den, respektive die Menschen eine Vielfalt an Funktionen:
die Produktionsfunktion = die Bereitstellung erneuerbarer Rohstoffe,
die Trägerfunktion = das Tragen menschlicher Aktivitäten und Strukturen sowie die
Aufnahmefähigkeit menschlicher Abfälle,
die Informationsfunktion = die Gewinnung von Informationen über den Zustand der
natürlichen Umwelt sowie über vorbildlich gestaltete Produktionsprozesse,
die Regulationsfunktion = die Erhaltung der Stabilität des Ökosystems,
die ästhetische und Erholungsfunktion = die sinnliche Erfahrung von Natur; sie wird
durch Vielfalt, Eigenart und Natürlichkeit bestimmt.
Werden diese Umweltfunktionen über das systemadäquate Ausmaß beansprucht und dadurch
das Ökosystem zerstört, so ist dieser Verlust unwiederbringlich. Damit dies vermieden wer-
den kann, ist eine Ökologisierung der menschlichen Raumnutzungsmuster anzustreben.
3.2.2 Ökomediale Anforderungen
Die Umweltmedien Wasser, Boden, Luft sowie Flora und Fauna stellen die Bestandteile von
Ökosystemen dar und sind daher in die “ökosystemare Sichtweise“ gedanklich schon einbe-
zogen worden. Aufgrund ihrer herausragenden Bedeutung als “Lebensmedien des Menschen“
ist jedes Medium für sich noch zu beschreiben:
• Wasser
Wasser erfüllt folgende Funktionen:
Elementares Lebensmittel für Mensch und Tier
Essentieller biologischer Produktionsfaktor
Medium für die Lösung und den Transport von Stoffen und für zahlreiche Stoffwech-
selfunktionen
Medium für die Energiegewinnung
Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten
Faktor in der Klimaregulation und -beeinflussung.
Zum Schutz der Hydrosphäre und zur dauerhaften Sicherstellung der Wasserversorgung in
ausreichender Quantität und Qualität sind insbesondere folgende Ziele anzustreben:
Erhaltung des ökologischen Potenzials der Gewässer (z.B. durch Schutz des natürli-
chen Gewässerraumes vor weiteren Verbauungen);
Reduzierung umweltgefährdender Wasserschadstoffe (z.B. durch Beschränkung des
Verkaufs von wassergefährdenden Stoffen);
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Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung
Schutz der Grund- und Quellwasserreserven (z.B. durch Nutzungsverbot von Tiefen-
wässern);
Verringerung des Wasserverbrauchs (z.B. durch verstärkten Einsatz von Brauchwas-
sersystemen).
• Boden
Der Boden erfüllt folgende Funktionen:
Lebensraumfunktion z.B. für Bodenorganismen, Bestandteil von Lebensräumen für
Lebensgemeinschaften
Produktionsfunktion von Nutzpflanzen
Hydrologische Regelungsfunktion z.B. durch Einfluss auf den Landschaftswasser-
haushalt, auf die Speicherung von Wasser, auf die Grundwasserneubildung
Transformationsfunktion: z.B. Humusbildung durch Auf- und Umbauprozesse
Filterfunktion z.B. werden Fremdstoffe festgehalten, ausgefällt oder umgeformt
Archivfunktion für die Erd- und Kulturgeschichte
Standortfunktion für Gebäude und Infrastrukturanlagen
Landschaftsfunktion durch Prägung der Landschaftsformen.
Der Schutz des Bodens als endliche Ressource in quantitativer und qualitativer Hinsicht
ist zu sichern. Das heißt unter anderem
Weitgehendste Sicherung der natürlichen Bodenbeschaffenheit
Verringerung von anthropogenen Einträgen in Böden
Verringerung der Boden- und Flächenversiegelung
Bekämpfung der Bodenerosion.
• Luft
Die Hauptfunktionen der Luft sind:
Faktor im Wetter- und Klimageschehen
Schutz vor schädlicher UV-Strahlung
Atmungsmedium aller Lebewesen.
Die vordringlichsten Schutzziele für die Atmosphäre sind:
drastische Reduktion des Einsatzes fossiler Energieträger wie Kohle, Erdöl und Erd-
gas
bevorzugter Einsatz von CO2-neutralen erneuerbaren Energieträgern wie von Holz,
Pflanzenölen und Sonnenenergie
drastische Reduktion des Verbrauchs naturnaher Flächen.
• Flora und Fauna
Die Pflanzen- und Tierwelt erfüllt folgende Funktionen:
Sicherung der biologischen Vielfalt und damit der Stabilität von Ökosystemen
Nahrungsgrundlage
Speicher genetischer Informationen
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Träger bestimmter Funktionen in Ökosystemen.
Ein umfassender Artenschutz muss bei folgenden Maßnahmen ansetzen:
Sicherung, Erweiterung und Vernetzung von Flächen mit großer ökologischer Bedeu-
tung
Grundsätzlich schonende Landnutzung
Spezieller Schutz gefährdeter Pflanzen- und Tierarten
Genereller Schutz von Lebensgemeinschaften und Artenkollektiven.
3.3 Soziale Anforderungen an die nachhaltige Raumentwicklung
Bei Betrachtung der gesellschaftsrelevanten Dimension nachhaltiger Raumentwicklung ist
davon auszugehen, dass die räumlichen Entwicklungstrends grundsätzlich als Resultate der
Lebensweise der Mitglieder einer Gesellschaft zu deuten sind. Daraus folgt, dass nur eine
Gesellschaft, die eine dauerhaft umweltverträgliche Gestaltung ihrer Lebensweise anstrebt,
imstande ist, nachhaltige Raumentwicklungsmuster zu entwickeln und umzusetzen. Dement-
sprechend ist hier die Frage zu klären, welche vorherrschenden kulturprägenden Werthaltun-
gen und Normen charakteristisch für eine nachhaltige Lebensweise sind.
3.3.1 Grundwerte eines nachhaltigen Lebensstils
Es sind sieben Grundwerte, die als “soziale Leitprinzipien“ zur Errichtung einer nachhaltigen
Gesellschaft anzusehen sind. Sie müssen von den Individuen, aber auch der Gesellschaft “ver-
innerlicht“ werden, um nachhaltige Raumentwicklungen hervorbringen zu können:
• Dematerialisierung
Die Priorität dieses Wertes entspringt der Erkenntnis, dass in unseren Breiten der übliche
Verbrauch von Rohstoffen und Energie auf Dauer nicht aufrecht zu erhalten ist. In der
Fachwelt setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass eine nachhaltige Entwicklung
eine Reduktion der Stoffströme um den Faktor 10 bezogen auf den status quo erfordert.
Dass dieses Ziel mit den Ansprüchen an Lebensqualität und Wohlstand durchaus verein-
bar ist, zeigt ein fiktives Beispiel:
Verdoppelung der Nutzungsdauer eines Produktes (z.B. durch dessen Reparierbarkeit)
Recycling des Zweieinhalbfachen der Materialmenge (z.B. durch Fraktionierbarkeit
der Stoffe)
Halbierung der Materialeinsatzmenge bei der Herstellung (kleine, leichte Produkte).
Der Anspruch auf Dematerialisierung muss durch zwei einander ergänzende Strategien
gleichzeitig verfolgt werden:
Suffizienzstrategie: sie verfolgt die Frage des “Wieviel ist genug?“, das heißt, sie hin-
terfrägt, welche Güter und Dienstleistungen zur Sicherung eines “guten Lebens“ ü-
berhaupt notwendig sind. Dies schließt die Feststellung mit ein, dass in vielen Fällen
ein “Weniger“ an Materiellem ein “Mehr“ an Lebensqualität bedeuten kann. Die Suf-
fizienzstrategie zielt deshalb auf eine Bedürfnisreduktion vor allem dort ab, wo Güter
und Dienstleistungen keinen positiven Beitrag zu einem nachhaltigen Lebensstil leis-
ten. Suffizienz bedeutet eine neue Genügsamkeit, die aber nichts mit Mangel, sondern
etwas mit der Erkenntnis zu tun hat, dass man ohnehin ausreichend versorgt ist.
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Effizienzstrategie: sie verfolgt die Frage, wie die unverzichtbaren Güter und Dienst-
leistungen unter größtmöglicher Sparsamkeit in Bezug auf Ressourcenverbrauch und
Vermeidung von Schadstoffen herzustellen, zu nutzen und zu entsorgen sind. Dieses
Ressourcenmanagement ist heute die dominierende Umweltvorsorgestrategie. Beispie-
le hiefür sind die Entwicklung schadstoffärmerer Produkte. Auch die Änderung des
Nutzerverhaltens (z.B. die Begründung von Fahrgemeinschaften) kann zur Steigerung
der Ressourceneffizienz beitragen.
Der Dematerialisierungsanspruch erfordert eine Kombination von Effizienz- und Suffi-
zienzstrategien. Bloße Effizienzsteigerung kann zur Überkompensation von Einspareffek-
ten durch Wachstumseffekte führen (z.B. erhöhte Luftschadstoffbelastungen aus dem Au-
toverkehr durch steigendes Verkehrsaufkommen trotz umweltfreundlicherer Fahrzeuge),
während reine Suffizienzstrategien auf unzureichende gesellschaftliche Akzeptanz treffen
können.
• Natürlichkeit
Mit diesem Grundwert der Nachhaltigkeit verbindet sich der Anspruch der bevorzugten Nut-
zung sich natürlich regenerierender Quellen, der Orientierung an den Kreisläufen der Natur
sowie der Verfolgung des Prinzips des Recyclings. Jedes Produkt, jede Funktion und jede
Organisation soll mit der Biologie von Mensch und Natur vereinbar sein und deren Gesetz-
mäßigkeiten entsprechen. Natürlichkeit und Lebensqualität sind über die Ästhetik miteinander
verbunden. Die Ästhetik des Natürlichen zeigt den Weg zu einer nachhaltigen Lebensraum-
gestaltung.
• Entschleunigung
Dieser Anspruch zielt auf die Anpassung der Geschwindigkeit gesellschaftlicher und ökono-
mischer Abläufe sowie individueller Lebensstile an die natürlichen Zeitrhythmen. Zunehmend
leidet die Gesellschaft in unseren Breiten unter der fortlaufenden Beschleunigung, die ihre
Ursache in der immer schnelleren technisch-ökonomischen Entwicklung hat. Neben ökologi-
schen Krisenerscheinungen sind die immer dichtere Abfolge von beruflichen und privaten
Aktivitäten (Stress in Beruf und Freizeit), von Produktgenerationen oder die Kurzlebigkeit
von Informationen symptomatisch für die Akzeleration. Dass diese Entwicklung in die “Be-
schleunigungsfalle“ führt, wird inzwischen auch von der Wirtschaft erkannt. Sie erfährt
Nachteile daraus, dass die immer kürzeren Produktzyklen nicht mehr gewährleisten, dass die
Entwicklungskosten neuer Produkte finanziell amortisiert werden können. Im Zusammenle-
ben führt die wachsende Veränderungsgeschwindigkeit zu Spannungen zwischen den Genera-
tionen, weil immer weniger Gemeinsamkeiten in der Alltagskultur die (Großeltern) – Eltern–
Kind–Beziehungen verbindet.
Entschleunigung bedeutet die Wiederentdeckung der Langsamkeit und zielt auf einen konse-
quenten Abbau von zeitbedingten Zwängen. Qualitäten wie Langlebigkeit, Dauerhaftigkeit,
Stabilität, Besonnenheit, Muße u.a.m. gewinnen unter dem Prätext der Nachhaltigkeit an Ge-
wicht. Im räumlichen Kontext bedeutet Verlangsamung eine bewusste Favorisierung der
räumlichen Nähe bei der Nutzungsverteilung und eine Abkehr von der energieintensiven Be-
schleunigung von Verkehrssystemen.
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• Vielfalt
Dieser Anspruch will den herrschenden Trend in Richtung Funktionstrennung und der daraus
resultierenden Spezialisierung von Räumen entgegenwirken. Die zunehmende Nutzungsent-
flechtung beruht auf der immer hochgradigeren Arbeitsteilung postindustrieller Gesellschaf-
ten. Für jede der menschlichen Daseinsgrundfunktionen gibt es dafür festgelegte Orte, wo die
jeweilige Tätigkeit innerhalb eines fix vorgegebenen Rahmens intensiv ausgeübt wird.
Vielfalt steht in der Natur für ökologische Stabilität und Anpassungsfähigkeit von Ökosyste-
men. Sie bedeutet im menschlichen Zusammenleben Krisensicherheit, Lebendigkeit und Effi-
zienz durch Kurzwegigkeit und Mehrfachnutzung. Im räumlichen Kontext bedeutet sie eine
Absage an räumliche Monostrukturen und stattdessen das Bemühen um mannigfaltige Funk-
tionsverflechtungen.
• Identität
Sie bildet sich aus dem Zusammenspiel von Individualität, sozialem Eingebundensein und
kultureller Verankerung. Sie ist Individualismus ohne Egozentrismus. Gerade heute, wo die
herkömmlichen Identitätsstifter, nämlich Nationalstaat, Beruf und Familie, als wichtige Be-
zugspunkte individueller Identitätsbildung zunehmend ihre Bedeutung verlieren, ist es wich-
tig, neue aufzubauen. In diesem Zusammenhang bietet sich die Region als adäquate Bezugs-
einheit an. Ihre jeweilige Entwicklung soll sich am Gewachsenen und an der Tradition orien-
tieren, ohne die Notwendigkeit zur steten Veränderung aus den Augen zu verlieren.
• Kreativität
Sie ist Voraussetzung für das Auffinden alternativer Sichtweisen und Denkschemata, denn
Kreativität bildet die unverzichtbare Basis für die Entwicklungsfähigkeit von Systemen. Es
braucht sie, um das unhinterfragte Forschreiben bestehender Entwicklungstrends zu verhin-
dern, um sich aus sogenannten “Sachzwängen“ zu befreien, um Lösungen im Sinne einer qua-
litativen Entwicklung ohne quantitatives Wachstum erwirken zu können oder, um die Res-
sourcen aus Regionen im Sinne der Nachhaltigkeit einsetzen zu können.
• Sicherheit
Sie zählt zu den zentralsten und komplexesten Bausteinen des menschlichen Bedürfnisspekt-
rums. Will die Menschheit auch auf lange Sicht in eine sichere Zukunft gehen, so muss sie
zweifelsfrei fundamentale Änderungen in ihren Werthaltungen und in ihrer Wirtschaftsweise
vornehmen. Die großen Gefahrenpotenziale liegen heute kaum mehr in der natürlichen Um-
welt, sondern in der Kultursphäre, dass heißt in der Lebensweise der Industriegesellschaften.
Der Unterschied zu den Lebensrisiken vergangener Epochen besteht hier in der Mittelbarkeit
der Bedrohungen, die der instinktiven Wahrnehmung und der intuitiven Abwehr entzogen
sind.
Die Erfassung zivilisatorischer Risiken und ein Dagegensteuern kann nur über eine entspre-
chende Bewußtseinsbildung erfolgen. Merkmale einer sicherheitsfördernden Entwicklung
sind z.B. grundsätzliche Behutsamkeit bei Eingriffen in die Natur, konsequente Gesundheits-
und Gefahrenvorsorge, Förderung der wirtschaftlichen Selbstständigkeit von Regionen im
Sinne einer aktiven Krisenvorsorge, Förderung von solidarischem Verhalten u.a.m.
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3.3.2 Nachhaltige Ausgestaltung der Daseinsgrundfunktionen
Gesellschaftlich als bedeutsam erkannte Werte können nur im Alltagsleben der Bevölkerung
verwirklicht werden. Dementsprechend ist hier darzulegen, wie die oben genannten Grund-
werte der Nachhaltigkeit auf die raumrelevanten menschlichen Daseinsgrundfunktionen ein-
wirken und diese entsprechend modifizieren:
• Wohnen
Im Rahmen eines nachhaltigen Lebensstils stellt die Wohnung den räumlichen Lebensmittel-
punkt dar. Voraussetzung dafür ist, dass Wohnung und Wohnumfeld die Möglichkeit bieten,
Grundbedürfnisse und persönliche Wünsche zu erfüllen, eigenen Lebensinteressen nachzuge-
hen und soziale Kontakte zu ermöglichen.
Ziele für das Wohnen unter dem Nachhaltigkeitsaspekt sind beispielsweise:
Engmaschige Vernetzung des Wohnens mit den anderen Daseinsgrundfunktionen;
Durchmischung des Wohnens mit verträglichen anderen Raumnutzungen;
Bedachtnahme auf Elemente der Versorgungssicherheit im Hinblick auf Ernährung,
Energie, im Krankheitsfall etc.;
Beachtung von Prinzipien wie optimierter Flächeneinsatz, Niedrigenergie- und
Leichtbauweise, Einsatz von heimischen Materialien, natürliche Belichtung bei der
Gebäudeplanung u.ä.m.;
Priorität von Sanierung und Ausbau bestehender Bausubstanz vor Neubau;
Anpassung des Wohnbaustandortes und der Gebäudeform an natürliche Gegebenhei-
ten; Alten- und Behindertengerechtigkeit des Baues;
Anpassung an das historisch gewachsene soziale und kulturelle Umfeld im Sinne einer
traditionsorientierten Entwicklungsfähigkeit;
Vernetzung des Wohninnenbereiches mit dem Wohnumfeld nach dem Motto “im Gar-
ten wohnen – die Natur ins Zimmer holen“;
Individuelle Gestaltungsmöglichkeit persönlicher Frei- und Rückzugsräume, jedoch
mit Einbettung in das Ganze (“Einheit in der Vielfalt“).
• Arbeit
Positive Anknüpfungspunkte in Richtung nachhaltige Gestaltung von Arbeit sind im gegen-
wärtigen Umbruch der Arbeitswelt durchaus erkennbar. So fördert der Wertewandel die
Etablierung ganzheitlicher Arbeitsformen, was Selbstentfaltung und Identifikation mit dem
Arbeitsergebnis begünstigt. Mit der wachsenden Dienstleistungsorientierung verbindet sich
ferner eine zunehmende Entmaterialisierung der Wertschöpfung. Die Informationstechnologie
macht prinzipiell eine Dezentralisierung gewisser Betriebsabläufe möglich, sie begünstigt die
Entstehung dezentraler Arbeitsplätze und trägt zur Überwindung der scharfen Trennung von
Arbeitswelt und Familie bei.
Anforderungen an eine nachhaltige Arbeitswelt sind beispielsweise:
Forcierung von Erwerbsarbeitsplätzen in der Nähe des Wohnortes. Dazu kann gerade
im ländlichen Raum eine endogene Regionalentwicklung zur Schaffung von Arbeits-
plätzen fern wirtschaftlicher Zentren beitragen;
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Bewusstseinsbildung der Konsumenten dahingehend, jene Produkte und Dienstleis-
tungen nachzufragen, die aus der Nähe kommen;
Aufwertung des informellen Arbeitssektors, also Umorientierung in der Fixierung auf
die Erwerbsarbeit hin zur Eigen- und Beziehungsarbeit (Nachbarschaftshilfe, Vereins-
arbeit);
Verbesserung der Integration von Berufs- und Privatsphäre durch flexible Arbeitsplät-
ze, die räumlich und zeitlich an individuelle Verhältnisse anpassbar sind. Flexibilisie-
rung heißt, dass Technik und Arbeitsorganisation sich dem jeweiligen Menschen an-
passen und nicht umgekehrt;
Kreation und Organisation ganzheitlicher Arbeitsformen;
Freihalten von Gestaltungsspielräumen und Mitbestimmungsmöglichkeiten am Ar-
beitsplatz als Grundlage einer befriedigenden Arbeitssituation;
Ausbau der Gesundheits- und Sicherheitsvorsorge am Arbeitsplatz. Forcierung des
Grundsatzes: Risikoreduktion statt Gefahrenzulagen;
Auf Nachhaltigkeit ausgerichtete wirtschaftspolitische Weichenstellungen, wie eine
ökologische Steuerreform, zum Schutz der regionalen Wirtschaft durch Verteuerung
von Transport und Energieverbrauch.
• Freizeit
Ein großes Hoffnungspotenzial für eine nachhaltige Freizeitgestaltung liegt im Verschwinden
der ehemals scharfen Trennlinien zwischen Freizeit und Erwerbsarbeit. Wurden in der Ver-
gangenheit an beide Sphären ganz unterschiedliche Erwartungen geknüpft, so wollen heute
immer mehr Menschen sowohl bei der Arbeit als auch in der Freizeit Selbstverwirklichung
und -entfaltung erleben.
Ziele für die Funktion Freizeit unter dem Nachhaltigkeitsaspekt sind beispielsweise:
Errichtung eines freizeitgerechten Wohnumfeldes als Basis für stressfreien Freizeitge-
nuss. Eine abwechslungsreiche Freizeitgestaltung (Ruhe, Bildung, Kreativität, Sport
etc.) soll primär durch die Nutzung der Umgebungsvielfalt erzielt werden;
Vermeidung von lebensqualitätsbeeinträchtigenden “Freizeitmonokulturen“;
Erhöhung des Anteils konsumfrei verbrachter Freizeit (z.B. Gartenarbeit, Wandern)
Favorisierung von Naturerleben mit möglichst geringem technischen Aufwand;
Propagierung risikoarmer Sportarten zur Erholung ohne Gefahr;
Soziale Einbindung des Freizeitverhaltens stärken (Freizeit als Gemeinschaftserleb-
nis);
Aufwertung der realen gegenüber der virtuellen Welt (z.B. wirkliches Erleben anstatt
TV, Gesellschaftsspiele statt Computerspiele).
• Ernährung
Die Art und Weise wie der Mensch das Grundbedürfnis Ernährung deckt, hat zum einen per-
sönliche Auswirkungen auf sein Wohlbefinden und seine Gesundheit und zum anderen
kommt über diese Individualentscheidungen die vorherrschende Ernährungsweise einer Ge-
sellschaft zustande. Letzteres bestimmt wieder in einem beträchtlichen Ausmaß die Art der
Nahrungsmittelverarbeitung sowie die ökonomische und ökologische Situation in der Land-
bewirtschaftung.
Anforderungen an eine nachhaltige Ernährungsweise sind beispielsweise:
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Aufwertung des Gesundheitsbewusstseins als persönlicher Identitätsbestandteil;
Etablierung einer “slowfood-Kultur“ zur Förderung geistiger, seelischer und sozialer
Gesundheit;
Forcierung von naturverträglich produzierten Lebensmitteln aus der Region, ein-
schließlich der engen Verbindung zwischen Nahversorgung und heimischer Landwirt-
schaft (Ziel: das in der Nähe erzeugte Produkt aus dem nahen Geschäft);
Wertigkeitssteigerung der Ernährung durch Erhöhung des pflanzlichen Anteils. Mehr
Saisongerechtigkeit durch Berücksichtigung des jahreszeitlich unterschiedlichen An-
gebots an heimischen Lebensmitteln;
Renaissance bzw. Entwicklung einer Esskultur; Essen als soziales und kommunikati-
ves Ereignis.
• Konsum
Die Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs ist im Raum der EU im Prinzip gelöst und
damit ist die materielle Basis für die Vereinbarkeit individueller Existenzansprüche mit einer
zukunftsverträglichen Gesamtentwicklung im Sinne einer kulturell-zivilisatorischen Evolution
des Menschen geschaffen.
Charakteristika einer nachhaltigen Konsumwelt sind beispielsweise:
Persönlichkeit und Identität als Eckpfeiler eines neuen Konsumentenleitbildes: Selbst-
bestimmtheit, Informiertheit, Bedarfs- statt Modeorientierung charakterisieren den au-
tonom entscheidenden Konsumenten;
Nutzen hat Vorrang vor Besitz. Vielfältige Gebrauchsmodelle (z.B. Car-sharing)
schaffen Alternativen zum Erwerb von Produkten;
Ersatz von Konsum durch Naturerlebnisse; Befreiung von Ersatzbefriedigung durch
Konsum; der Status wird mittels Persönlichkeit und weniger mit materiellen Symbolen
zum Ausdruck gebracht;
Aufrechterhaltung der Nahversorgung sowie Vorrang heimischer Produkte als Teil der
Wahrnehmung der Verantwortung für die Kulturlandschaft;
Neue Kriterien für “nachhaltige Produktqualität“: lange Nutzungsdauer, Reparierbar-
keit, längere Produktzyklen, Aufrüstung statt Neukauf, Multifunktionalität von Pro-
dukten sowie langfristige Gebrauchssicherheit (lange Verfügbarkeit von Ersatzteilen
und Zubehör etc.) gewinnen an Bedeutung;
Orientierung an ökologischen Produktinformationen als maßgebliches individuelles
Kaufkriterium;
Verständnis des Haushalts als produktive Einheit. Der Haushalt wird nicht nur als
Konsumgemeinschaft interpretiert, sondern als produktive Einheit, die Leistungen wie
Kindererziehung, Nachbarschaftshilfe, Fertigstellung von Vor- und Halbfertigproduk-
ten erbringt.
• Bildung
Während Mobilität die Daseinsgrundfunktionen räumlich-physisch verbindet, sorgt Bildung
für ihre geistig-abstrakte Vernetzung zu einer Ganzheitlichkeit. So setzt ein nachhaltiger Le-
bensstil das Erkennen von Zusammenhängen und Phänomenen voraus, die über die primäre
Sinneswahrnehmung und unmittelbare Lebenserfahrung hinausgehen.
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Merkmale eines zukunftsorientierten Bildungswesens sind beispielsweise:
Förderung des vernetzten Denkens; Vermittlung eines Wert- und Grenzenbewusst-
seins; Förderung der Überschaubarkeit des Wissens;
Neuer Stellenwert von Solidarität, Verantwortung und Demokratie: Zum Beispiel
brauchen die neu abzuschließenden sozialen Verträge zur Alterssicherung bei verän-
dertem Altersaufbau und der Wahrung der Lebensrechte kommender Generationen
neben materiellen und organisatorisch-systembezogenen Weichenstellungen einen ge-
sellschaftlichen Grundkonsens, dessen tragfähige Säule Ethik und Werterziehung bil-
den. Wandel der leistungs- zu einer selbstwertorientierten Schulkultur;
Aufwertung von Persönlichkeitsbildung, Forcierung sozialer Kompetenz, inklusive
Gesundheits- und Risikobewusstseins sowie Vermittlung positiven Denkens; Wecken
und Entwickeln von Problemlösungskompetenz;
Forcierung des “Dualismus“ im Sinne einer ausgewogenen Entwicklung beider Ge-
hirnhälften, das heißt Abkehr von der “linkshemisphärischen“ Orientierung; Verbin-
dung von “Kopfarbeit“ mit allen sonstigen Fähigkeiten des Menschen;
Herstellung eines Bezuges zur regionalen Erfahrungswelt, Schaffung neigungs- und
eignungsgerechter Bildungsangebote im Wohnumfeld;
Verknüpfung der Bildung mit anderen Lebensbereichen (z.B. “Bildungsurlaub“).
• Mobilität
Bei der Mobilität ist im Prinzip das planerische Instrumentarium bekannt, das dazu eingesetzt
werden könnte, um den motorisierten Individualverkehr einzuschränken. Was noch fehlt, ist
ein entsprechendes Mobilitäts- und Verkehrsverhalten der Menschen, um die Akzeptanz die-
ser Lösungen zu erhöhen. Eine Auseinandersetzung mit Mobilität sollte daher weniger voll-
ziehenden und mehr normentwickelnden Charakter entfalten.
Elemente der Mobilität unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit sind beispielsweise:
Räumliches Nebeneinander aller Lebensbereiche zum Abbau von Mobilitätszwängen.
Weniger Mobilität hätte mehrere wünschenswerte Effekte: Entstehen lokaler Arbeits-
plätze und Forcierung der Entwicklung endogener Wirtschaftspotenziale durch ver-
stärkten Konsum regionaler Produkte wegen des Wegfalls langer Transportwege; po-
sitive Auswirkung auf Lebensqualität, Gesundheit und Wohlbefinden aufgrund ver-
minderter Verkehrsfolgen; Entwicklung von intraregionalen Bindungen und Bezie-
hungsnetzen; Mobilität soll räumliche nicht durch zeitliche Nähe, die durch Beschleu-
nigung im Verkehrssystem erreicht wird, ersetzen;
Substitution von Mobilität durch Kommunikation;
Ausnützen organisatorischer Möglichkeiten zur umweltgerechten Befriedigung des
Mobilitätsbedürfnisses (z.B. Begründung von Fahrgemeinschaften);
Erhaltung, Attraktivierung und Ausbau von lokalen und regionalen Fuß- und Radwe-
genetzen;
Erweiterung der Sicherheitsdimension im Verkehrswesen, das heißt, einer Optimie-
rung des Gesamtsystems ist gegenüber der Maximierung in einzelnen Bereichen der
Vorzug zu geben;
Sicherheit, Komfort und fehlerfreundliche Technologien sind dem Faktor “Geschwin-
digkeit“ vorzuziehen.
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Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine Fortentwicklung der Lebensstile in Richtung
Nachhaltigkeit auf eine dauerhafte Stabilisierung der Gemeinwesen auf den verschiedenen
Organisationsstufen – gewissermaßen von der Familie bis zur supranationalen Ebene – hin-
ausläuft und zudem das einzelne Individuum einen Gewinn an Lebensqualität und Lebenser-
füllung daraus ziehen kann. Nachhaltige Entwicklung verspricht ein “gutes Leben“, das in
seinem Anspruch über das bloße “viel Haben“ hinausgeht.
4. Nachhaltige Raumstrukturen
4.1 Grundsätzliches
Ausgehend von der Einsicht, dass durch die physische und organisatorische Struktur von
Räumen sehr entscheidend Lebensstile verändert werden, ist hier zu fragen, welche zukunfts-
fähigen Erscheinungsformen der räumlichen Entwicklung nachhaltige Lebensstile fördern
bzw. diese Schritt für Schritt hervorbringen. Dies geschieht unter Einbeziehung der Forde-
rung, dass dabei die genannten ökologischen Ziele gewahrt werden. Ferner ist zu bedenken,
dass hier die ökonomischen Aspekte weitgehend mit den inhaltlichen Ausformungen des Le-
bensstils verbunden sind, weil im Konzept der nachhaltigen Entwicklung “die Wirtschaft“
bloß eines der zentralen Mittel zur Realisierung zukunftsverträglicher Lebensweisen darstellt
(und nicht umgekehrt die Lebensweise der Menschen ein Ergebnis vorderhand ökonomischer
Zielvorstellungen ist). Eine nachhaltige Wirtschaft entwickelt sich durch entsprechend verän-
derte makroökonomische Rahmenbedingungen einerseits und durch eine geänderte Nachfrage
anderseits.
Die nachfolgende Beschreibung, wie bei gegenwärtigem Wissensstand nachhaltige Raum-
strukturen zu charakterisieren sind, ist nicht dahingehend zu missinterpretieren, dass derartige
Strukturen “von oben her“ verordnet werden sollten und Bestehendes weichen müsste, son-
dern, dass sich durch Bewusstseinsbildung und Anreize, nach und nach die Lebensstile im
vorausgehenden Kapitel dargelegten Sinn verändern und parallel dazu auch Schritt für Schritt
die Raumstrukturen.
4.2 Nachhaltige Entwicklung der Siedlungsstrukturen
Siedlungen, also die durch Bauten und Anlagen dominierten räumlichen Strukturen, sind
zentraler Ausdruck und zugleich Rahmenbedingung für die vielfältigen Lebensäußerungen
der Menschen als Individuen als auch als Teile der Gesellschaft. Die gebaute Umwelt ist
demnach immer physischer Ausdruck des technologischen Entwicklungsstandes, des jeweils
vorherrschenden ökonomischen Imperativs, des ökologischen “Gewissens“ sowie der domi-
nierenden sozialen, ästhetischen und ethischen Strömungen einer Gesellschaft. Dementspre-
chend wird “sustainable development“ nur Hand in Hand mit Veränderungen im Siedlungs-
wesen erreicht werden können.
Aus regionaler Sicht ist davon auszugehen, dass sich nachhaltige Raumstrukturen nur auf Ba-
sis eines möglichst eigenständigen und stabilen ländlichen Raumes einerseits und auf nicht
wuchernden, aber vitalen Städten anderseits realisieren lassen. Stadt und Land sind gerade in
ihrer gewachsenen physischen und soziokulturellen Gegensätzlichkeit als einander prinzipiell
ergänzende Raumphänomene zu erkennen, die miteinander gleichberechtigte “symbiotische“
Austauschbeziehungen verschiedenster Art auf möglichst kurzem Wege pflegen sollen.
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4.2.1 Ländliche Siedlungsstrukturen
Folgende Ziele und Maßnahmen fördern die nachhaltige Entwicklung in ländlich geprägten
Siedlungsräumen:
• Mehrfachnutzungen begünstigen
Multifunktionelle Raumnutzung: Die am Land dominierende Form des Ein- oder
Zweifamilienhauses bietet in der Regel genug Platz, um die anzustrebende Aufwer-
tung des Eigenarbeitsanteils räumlich zu bewältigen, aber auch um in Hinkunft ver-
mehrt von zu Hause aus Erwerbstätigkeiten nachzugehen;
Aufbau multifunktioneller Läden: neue Chancen ergeben sich durch Zusammenlegung
von Versorgungseinrichtungen, die für sich allein in Dörfern nicht mehr überlebensfä-
hig sind. Zum Beispiel Funktionskonzentration durch Gemischtwarenhandel, kombi-
niert mit Post, Lotto-Toto, Annahmestelle für Putzereien, Schuhreparaturen, Fax- und
Fotokopierstelle etc.;
“fliegende“ Dienstleister: “fahrende“ Greißler, mobile Bauernmärkte, mobile Alten-
und Krankenversorgungen etc.
• Abhängigkeit vom motorisierten Individualverkehr abbauen – Fußläufigkeit auf-
bauen
Aufbau von Widerständen gegen den motorisierten Individualverkehr im Straßennetz
ländlicher Siedlungen und Dörfer;
Aufbau neuer Beförderungsformen: Forcieren von Fahrgemeinschaften, Carsharing,
Rufbus, Bürgerbus u.ä.;
sorgfältigere Gestaltung der Straßenräume und Plätze;
Konditionierung der Kinder auf die Nähe sowie auf das Gehen und Radeln.
• Flächenverbrauch drastisch reduzieren
Wirksame aktive Bodenpolitik;
Kostenwahrheit bei der Erschließung;
Förderung der baulichen Entwicklung “nach innen“;
Förderung flächensparender Bauformen.
• Ressourceneinsatz und Außenabhängigkeit reduzieren
Sparsamkeit, Sauberkeit, Unabhängigkeit und Nähe müssen die Leitprinzipien bei der Ver-
und Entsorgung werden. Die bedeutet beispielsweise für die:
Energieversorgung:
Grundsatz muss es sein, die am entsprechenden Ort vorhandenen Energiequellen so zu
nützen, dass man mit möglichst wenig Fremdenergie auskommt; das wird z.B. erreicht
durch
Verstärkte Beachtung mikroklimatischer Faktoren bei Baulandausweisungen;
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Anordnung und Ausformung der Baukörper entsprechend optimaler Sonnenener-
gienutzung;
Vermeidung von offenen Bauformen;
Absoluter Vorrang erneuerbarer Energieformen aus der Region;
Erstellung örtlicher Energiekonzepte.
Wasserver- und –entsorgung
Keine Mischkanalisationen, vielmehr Sammlung und Gebrauch respektive Versi-
ckerung des Regenwassers vor Ort;
Staffelung der Wassertarife nach Pro-Kopf-Verbrauchsquoten;
Abwassergrundgebühren nach Lage des Gebäudes.
Grundsätzlich sind die “kommunalen Dienste“ so weit wie möglich zu entkommunalisieren
und zu entkommerzialisieren und in die Selbstverantwortung und Selbstorganisation der Bür-
ger und Betriebe zurückzuführen. Die daraus erwachsenden Vorteile sind: Entlastung der öf-
fentlichen Haushalte, Stärkung des informellen Arbeitssektors und dessen gesellschaftliche
Aufwertung, Ausbau von tätigen Nachbarschaften und Problembewusstsein sowie Reduktion
der Außenabhängigkeit.
• Abkehr vom utilitaristischen Denken
Es sollen verstärkt folgende Grundsätze Beachtung finden: “Das Schöne kommt vor dem Nur-
Nützlichen“ und “das Beständige kommt vor dem Nur-Modernen“. Das heißt beispielsweise:
Anknüpfen an und Weiterentwicklung von regionsspezifischen Siedlungstraditio-
nen und Bauformen;
Möglichst hoher Einsatz von regionsbürtigen Materialien;
Verwendung natürlicher Materialien, die durch Altern an Qualität gewinnen und
problemlos entsorgt werden können;
Verwendung qualitativ hochwertiger, aber nicht teurer Materialien;
Renovierung und Sanierung alten Bau- und Infrastrukturbestandes geht vor Abriss
und Neubau;
Propagierung der Ästhetik der Einfachheit und Sparsamkeit;
Wertschätzung von kreativen Eigenleistungen und traditionellen (Handwerks-)
Fertigkeiten.
Ökosiedlung Dunkelsteiner Wald
Lage:
Das Projekt Ökosiedlung Dunkelsteiner Wald befindet sich an den südöstlichen Ausläufern des Niederösterrei-
chischen Granithügellandes. Der Ort Obritzberg liegt zwischen 400m und 500m Seehöhe im Bezirk St. Pölten.
Geprägt ist das Gebiet durch Waldwirtschaft und Viehzucht, weiter im Osten herrschen Ackerbau mit Viehhal-
tung vor.
Projektbetreiber: die Bewohner der Ökosiedlung Dunkelsteiner Wald
Projektziel:
Folgende Ziele sollen mit diesem Projekt erreicht werden:
Leistung eines Beitrags zur Nachhaltigkeit und zum Klimaschutz
Realisierung des neuesten Stands der Technik zu ökonomisch vertretbaren Kosten, basierend auf internatio-
nalen Erfahrungen
Entstehungsgeschichte des Projektes:
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Begonnen hat dieses Projekt mit insgesamt 5 Familien, die den sie verbindenden Wunsch nach einer ökologi-
schen und nachhaltigen Bauweise ihres Eigenheims verwirklichen wollten. Gemeinsam wurde die Idee formu-
liert, alle zu dessen Realisierung notwendigen rechtlichen Fragen im Vorfeld abgeklärt und im Frühjahr 1993 ein
geeignetes Grundstück zur Errichtung einer Siedlung aus Niedrigenergiehäusern gefunden. Anschließend wurde
ein Architekt beauftragt und mit dem Projekt begonnen.
Stand der Dinge:
Die Ökosiedlung Dunkelsteiner Wald umfaßt 2 Gebäude mit 420m² Wohnfläche und insgesamt 6 Wohneinhei-
ten, welche zur Verringerung des Energieverbrauchs in Form von Reihenhäusern mit kuppelförmigem Dach
angelegt sind.
Zur Ermöglichung einer optimalen passiven Sonnenenergienutzung wurden die exakt nach Süden ausgerichteten
und am höchsten Punkt des Grundstücks erbauten Häuser zusätzlich noch um ein Geschoß in der Höhe versetzt.
An ihrer Südseite dienen große Fenster und Wintergärten der Belichtung und der Wärmeaufnahme.
Um Energieverluste aufgrund der exponierten Lage zu vermeiden, sind die Gebäude, mit Ausnahme der Südsei-
te, in das Erdreich eingeschüttet und begrünt. In das Erdreich, das nicht nur als Windschutz, sondern auch als
Wärmepuffer dient, wird Überschußwärme aus den Sonnenkollektoren und Wintergärten eingebracht. Dieser
Erdkollektor dient als Energiespeicher, der zudem einen verringerten Aufwand an Isoliermaterial für die Haus-
dämmung bedingt. Aufgrund der ausgeklügelten Bauweise sowie natürlicher Isolationsmaterialien werden die
Transmissionsverluste auf ein Minimum reduziert und somit eine wichtige Maßnahme zur Einsparung der Ener-
giekosten bewirkt.
Zur Gewährleistung weiterer Energieeffizienz ist eine automatische Be- und Entlüftung der Wohnungen einge-
baut, dessen Rohrkanalsystem einerseits der Lüftung, andererseits der Wärmerückgewinnung aus der Abluft
dient. Umgekehrt wirkt dieses System im Sommer kühlend.
Die am Dach angebrachte Sonnenkollektor-Anlage dient sowohl der Raumheizung als auch der Warmwasser-
aufbereitung. Wand– und Fußbodenheizungen optimieren die Wärmeabgabe, aufgrund dessen wird schon bei
vergleichsweise niedrigen Temperaturen Behaglichkeit empfunden.
Durch den Einsatz stromsparender Geräte kann der jährliche Strombedarf niedrig gehalten werden.
Auch im Bereich der Mobilität wurden energie- und klimaschonende Maßnahmen gesetzt, wie z.B. die Verringe-
rung der Arbeitswege durch Integration von Arbeitsräumen in die Wohnsiedlung, Vermeidung weiterer Auto-
fahrten aufgrund von Selbstversorger-Gärten, gemeinschaftlicher Einkäufe bzw. Lieferungen sowie des Mehrge-
nerationen-Wohnens (Wegfall von Besuchsfahrten).
Eine weitere Maßnahme zur Ressourcenschonung ist die Filterung und Sammlung des Niederschlagswassers,
das für die Gartenbewässerung und (solar erwärmt) für die Waschmaschine verwendet wird. Das Abwasser aus
Bädern, Küchen und Toiletten wird in einer Pflanzenkläranlage gereinigt und als „Grauwasser“ auf den Grünflä-
chen verregnet sowie zur WC-Spülung verwendet. So findet auf dem gesamten Grundstück ein geschlossener
Wasserkreislauf statt, der lediglich durch eine geringe Trinkwassereinspeisung ergänzt wird, jedoch kein Abwas-
ser nach außen hin abgibt.
Das Projekt selbst ist bereits realisiert, jedoch findet zur Zeit eine wissenschaftliche Begleitforschung statt, die
sich mit der Evaluierung der einzelnen Komponenten des Energiekonzeptes befaßt.
Zukunftsperspektiven:
Für die Zukunft sind diverse Verbesserungen, wie z.B. die Optimierung der Heizung geplant, da es immer wie-
der kleinere Anfälligkeiten gibt.
Weiters soll im Bereich des „Wasser-Moduls“ ein in Österreich zum ersten Mal verlegter Drainageschlauch zum
Einsatz kommen, der das geklärte Abwasser wieder der Biosphäre zuführt.
Bedeutung des Projektes für die Nachhaltigkeit:
Das Projekt Ökosiedlung Dunkelsteiner Wald zeichnet sich durch den äußerst sparsamen Umgang mit Ressour-
cen aus, ohne dabei die Lebensqualität der Siedlungsbewohner zu beeinträchtigen. Dieses Projekt ist somit der
gelebte Beweis für die Aussage: „Reich ist nicht nur, wer viel hat, sondern auch, wer wenig braucht.“
Kontakt:
Ökosiedlung Dunkelsteiner Wald / Wohnprojekt Hotzenplotz Company Ges.n.b.R
Michael Bockhorni Tel.: 0043 / 2786 / 29 09 59
Neustift 26/2 Fax.: 0043 / 2786 / 31 05 314
A-3123 Obritzberg E-mail: m.bockhorni@netway.at
Internetadresse: http://www.municipia.at Suchwort: „Ökolsiedlung Dunkelsteiner Wald“
4.2.2 Städtische Siedlungsstrukturen
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Da die weitgehende Bestandsschonung vorhandener Baustrukturen sowohl aus ökologischen
(Ressourcenschonung), finanziellen (sparsamer Mitteleinsatz), sozialen (Schonung ange-
stammter Interessen) und rechtlichen Gründen (Eigentumsschutz) ein Ziel nachhaltiger Stadt-
entwicklung ist, heißt das, dass es auch unter dem Paradigma der Nachhaltigkeit keine “ho-
mogene“ Stadt geben kann. Realistischerweise muss an die derzeitige stadträumliche Nut-
zungsverteilung in den einschlägigen Überlegungen angeknüpft und innerhalb dieses sehr
starren Rahmens nach kleinen, meist unspektakulären Verbesserungen Ausschau gehalten
werden:
a) Citybezogene Maßnahmen
durch Dachgeschossausbauten Rückholung der stark verdrängten Wohnnutzung: keine
weitere Umnutzung von Wohnungen;
Einsatz aktiver und passiver Sonnenenergienutzung;
Begünstigung der Versickerung und Verdunstung von Regenwasser;
Optimale Ausnutzung der oft minimalen Grünraumpotenziale (Fassaden-, Hof- und
Dachbegrünungen).
b) Alltagsstadtbezogene Maßnahmen
• weitere Zurückdrängung des motorisierten Individualverkehrs
absoluter Baustopp von Einkaufszentren in Agglomerationsrandlage, um das autoab-
hängige Einkaufen und den weiteren Kaufkraftabfluss “auf die grüne Wiese“ zu ver-
hindern;
Schaffung positiver Nutzungsanreize für leerstehende Wohnungen und Unterstützung
des Wohnungstausches;
Forcierung der Umnutzung, der Bebauung und der baulichen Sanierung von brachge-
fallenen innerstädtischen Arealen; Sicherstellung der Nutzungsmischung bei der
Nachnutzung.
• (Re-) Integration innerstädtischer Grünoasen
Innenhof-, Fassaden-, Dach- und Tiefgaragenbegrünungen;
Nutzung von Baulücken als (temporäre) öffentliche Erholungsflächen;
Verbesserung der Wohnraum-Freiraumrelationen durch Umwidmung und -gestaltung
von Verkehrsräumen zu Ruhe-, Spiel- und Sportflächen;
Reintegration offener Wasserläufe in das Stadtgefüge.
• Ressourceneinsatz und Außenabhängigkeit reduzieren
Nachbesserung beim baulichen Wärmeschutz forcieren;
Solarenergienutzung und Abwärmenutzung anstreben;
Möglichkeit stadtteilbezogener Kompostierung prüfen.
• Stadterweiterung nach innen begünstigen
Anlage von Baulückenkatastern; aktives Baulückenmanagement verfolgen;
Dachgeschossausbauten, maßvolle Aufstockungen und Standardverbesserungen von
Altbauwohnungen forcieren;
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Gezielter Abbau städtebaulicher Barrieren wie Überbauung von Bahnanlagen, Einhau-
sung bzw. Überplattung hochfrequentierter Straßenzüge, Eröffnung von Passagen;
keinen Perfektionismus anstreben, sondern die entsprechenden Spielräume für ein
allmähliches Anwachsen, Verändern und Aneignen zulassen;
Einsatz von Materialien mit möglichst kleinem “ökologischen Rucksack“;
Realisierung von Demonstrationsprojekten zur Nachhaltigkeit, die zeigen, dass nach-
haltige Raumstrukturen nicht nur “ökologisches Flickwerk“ sind, sondern ein umfas-
sendes städtebauliches Konzept mit hoher individueller und gemeinschaftlicher Le-
bensqualität.
c) Stadtrandbezogene Maßnahmen
Wesensgemäß setzen die großflächig spezialisierten Stadtteile am Stadtrand einer Verände-
rung in Richtung Nachhaltigkeit den größten siedlungsstrukturellen Widerstand entgegen.
• Beschränkung des ungezügelten Stadtwachstums
Festlegen eines robusten Freiraumgerüsts um den Stadtkörper und rechtliche wie fak-
tische Tabuisierung dieser Flächen;
Vorrangiges Ausschöpfen der Nachverdichtungsmöglichkeiten nach innen;
Verzicht auf weitere Großprojekte “auf der grünen Wiese“, wie Einkaufszentren, Frei-
zeitparks, große monofunktionale Wohn, respektive Gewerbesiedlungen.
• Maßnahmen bei monofunktionalen Gebieten mit Geschosswohnungsanlagen
Nachverdichtungspotenziale, verbunden mit einer Aufwertung der betreffenden Ge-
biete beteiligungsorientiert prüfen und bei Akzeptanz der angestammten Bewohner
nützen;
Anlage von Mietergärten auf den verbleibenden Freiflächen;
Nutzerfreundliche Umgestaltung der Freiflächen;
Zur Verfügungstellung von Gemeinschaftsräumen (Werkstätten, Musikproberäume,
Jugendtreffs);
Gezielte Ansiedlung von Arbeitsplätzen;
Umrüsten in der Energieversorgung und Energiesparmaßnahmen konsequent verfol-
gen.
Generell sind jene Nachbesserungen in den monofunktionalen Wohngebieten zu forcieren, die
- den Selbstorganisationsgrad der Bewohner fördern
- die Außenabhängigkeit bei der Ver- und Entsorgung abbauen
- den Material- und Energiedurchsatz verringern und
- die Multifunktionalität fördern.
Ökologisch Wohnen
Lage:
Das Projekt mit dem Namen Ökologisch Wohnen befindet sich in Österreich, im Bundesland Salzburg. Die
Landschaftsformen und die damit verbunden Seehöhen variieren in diesem Bundesland sehr stark. Im Norden
beträgt die Seehöhe zwischen 400m und 500m und steigt Richtung Süden bis über 3000m an. Geprägt ist das
Bundesland Salzburg sowohl durch die Land- und Forstwirtschaft als auch durch den Tourismus.
Projektbetreiber: die Umwelt-Abteilung der Salzburger Landesregierung
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Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung
Projektziel:
Folgende Ziele sollen mit diesem Projekt erreicht werden:
Reduktion des Strom-, Heizenergie- und Wasserverbrauchs
Verringerung der Abfallmenge (konsumbedingter Müll)
Reduktion der Betriebskosten
Erhöhung der Lebensqualität
Das eigentliche, übergeordnete Ziel dieses Projektes ist:
Breite Bewußtseinsbildung durch Aufzeigen der Realisierbarkeit der oben angeführten Zielrichtungen
Projektentwicklung:
Begonnen wurde dieses Projekt 1999 mit einer Ausschreibung in der Regionalzeitung (Gratiszeitschrift) „Salz-
burger Fenster“. Gesucht waren Familien, die in Modellhaushalten aufgrund einfacher Maßnahmen den
Verbrauch von Energieträgern, Wasser sowie der kosumbedingten Abfallmenge meßbar verringern sollten.
In Folge meldeten sich 15 Familien, die daraufhin zu den Themen Wohnraum, Heizung, Haushaltsgeräte, Ener-
gie- und Wasserverbrauch, Mobilität, Konsum sowie Abfall befragt wurden.
Aus dem Bewerberkreis wurden Ende Oktober 1999 4 „Teilnehmer-Familien“ ausgewählt, wobei auf eine mög-
lichst repräsentative Mischung von Familiengröße, Wohnort, Hausform und –alter sowie genutzten Energieträ-
gern geachtet wurde.
Zu Beginn der einjährigen Aufzeichnungsperiode (1.1. - 31.12.2000) erhielten die Teilnehmer-Familien neben
schriftlichen Unterlagen eine umfassende Energiesparberatung sowie von Firmen zur Verfügung gestellte Ener-
giesparlampen und Wassersparprodukte (Wasserspareinsätze an Armaturen und in Spülkästen).
Während des Jahres 2000 notierten die Teilnehmer-Familien wöchentlich ihre Verbrauchszahlen, um sie mit den
Vorjahreswerten zu vergleichen. Diese Aufzeichnungen dokumentierten tatsächlich meßbare Einsparungen,
insbesondere bei Strom und Frischwasser. Erstaunlich gering waren die wöchentlich anfallenden Abfallmengen,
verglichen mit den Durchschnittswerten pro Einwohner im Bundesland Salzburg.
Stand der Dinge:
Durch laufende Berichterstattung in der Zeitschrift „Salzburger Fenster“ sollen möglichst viele Haushalte dazu
motiviert werden, dem Beispiel der Projekt-Teilnehmer zu folgen und aktiven Umweltschutz, verbunden mit
finanziellen Vorteilen, zu betreiben.
Zukunftsperspektiven:
Nach Abschluß des Projektes und Auswertung der Aufzeichnungen ist für Anfang 2001 eine Präsentation der
Ergebnisse der Bewußtseins-Kampagne „Ökologisch Wohnen“ vorgesehen.
Bedeutung des Projektes für die Nachhaltigkeit:
Dieses Projekt ist bezüglich der Nachhaltigkeit von besonderer Bedeutung, da es folgende Merkmale aufweist:
Geringere Betriebskosten: der Einspareffekt ist direkt und für jeden einzelnen Haushalt spürbar
Entlastung der Umwelt: die Schonung der Ressourcen kommt der Umwelt zugute
Mehr Wohlbefinden: Bemühungen um Verbrauchseinsparungen führen oft auch zur Steigerung der Behag-
lichkeit im Wohnraum, da zugleich störende Effekte wie etwa Zugluft, zu niedrige Oberflächentemperaturen
der Außenwände, Schimmelbildung, unnötiger Lärm oder blendendes Licht beseitigt werden.
Kontakt:
Dipl.-Ing. Dr. Robert Gross Tel: 0043 / 662 / 8042-4415
Land Salzburg, Umweltschutz Fax: 0043 / 662 / 8042-4167
Postfach 527, A-5010 Salzburg E-mail: robert.gross@land-sbg.gv.at
Internetadresse: http://www.land-sbg.gv.at
• Maßnahmen bei monofunktionalen Industrie- und Gewerbegebieten
Primat der Bestandsschonung bei der Umnutzung;
Verwendung gut dämmender, alterungsfähiger und recyclebarer Baumaterialen mit
möglichst kleinem “ökologischen Rucksack“;
“Durchlässigkeit“ monofunktionaler Betriebsbaugebiete für andere Nutzungen forcie-
ren, wie Öffnung von Kantinen, Parkplätzen, Versammlungssälen und Besprechungs-
räumen für betriebsfremde Nutzer;
Durchmischung mit verträglichen Nutzungen forcieren;
Bündelung von Unternehmen zwecks gemeinsamer Nutzung von Know-how und Inf-
rastruktur; Handwerkerhöfe, Gewerbeparks, Intelligence-Centers u.a.m.;
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Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung
durchgrünte, sorgfältige Freiraumgestaltung;
Aufbau von Stadt-Land-Partnerschaften zwischen Industrie- und Gewerbebetrieben
einerseits und nahen Lebensmittel- bzw. Rohstoffproduzenten anderseits;
Einsatz erneuerbarer Energieformen forcieren und Energiesparmaßnahmen ausschöp-
fen.
4.3 Nachhaltige Entwicklung der Arbeitsstättenstruktur
Die Orientierung der Arbeitsplatzpolitik am Anspruch der Nachhaltigkeit strebt nach einer
Dezentralisierung des Wirtschaftsgeschehens und bedeutet, jene Weichenstellungen tenden-
ziell zu begünstigen, die eine Aufwertung der regionalen Wirtschaftsebene erwarten lassen.
Eine Regionalisierung des Wirtschaftsgeschehens heißt, dass ein weitaus größerer Teil des
regionalen Bedarfs als derzeit an Gütern und Dienstleistungen durch Nutzung regionaler Ar-
beitskraftpotenziale und regionaler Ressourcen (insbesondere in den Bereichen Dienstleistun-
gen, Energieversorgung, Lebensmittelversorgung, Bauwesen) gedeckt wird und dass ein grö-
ßerer Teil des regionalen Einkommens vor Ort zirkuliert, anstatt aus der Region abzufließen.
Eine Regionalisierung der Arbeitsstättenstruktur lässt sich durch kurz-, mittel- und langfristig
anzusteuernde Maßnahmen umsetzen. Sie zielen insgesamt darauf ab, den gegenwärtigen
Trend der zunehmenden Konzentration des Wirtschaftsgeschehens auf die Ballungsräume
entgegenzuwirken und ländliche Räume ökonomisch zu stärken. Insbesondere sind hier zu
nennen:
• Ökologische Steuerreform
Die mit einer ökologischen Steuerreform ausgelöste Verteuerung von Energie zieht auch ei-
nen Anstieg der Transportkosten nach sich, was kurze Wege im Wirtschaftsgeschehen ten-
denziell begünstigen würde. Von einer ökologischen Steuerreform wäre auch zu erwarten,
dass sie die erneuerbaren Energieträger gegenüber den fossilen begünstigt. Dies würde zusätz-
lich Arbeitsplätze in der Biomassegewinnung und –verwertung bedeuten.
• Sicherung einer leistungsstarken Land- und Forstwirtschaft
Im Streben nach einer nachhaltigen Entwicklung kommt der Agrarwirtschaft eine Schlüssel-
funktion zu, indem sie wichtige Versorgungs-, Erholungs- und Ausgleichsleistungen für die
Gesellschaft erbringt. Ziel muss es deshalb sein, die bäuerlichen Einkommen zu sichern und
gleichzeitig eine naturverträgliche Bewirtschaftung zu gewährleisten.
Bausteine auf dem Weg dazu sind:
Erhöhung des Wertschöpfungsanteils bei der Produktionsfunktion durch Veredelung,
Verarbeitung und Aufbau neuer Absatzwege für Lebensmittel;
Aufbau von Erwerbskombinationen landwirtschaftlicher und nichtlandwirtschaftlicher
Betriebszweige (z.B. Altenbetreuung am Hof, Kombination Holzgewinnung mit Holz-
verarbeitung);
Forcierung der touristischen und freizeitorientierten Dienstleistungen (Urlaub am
Bauernhof, Reiterhof, Bauerncafé);
Durchführung von kommunalen Diensten (Schneeräumung, Grünraumpflege, entgelt-
liche Landschaftspflege);
Nahwärmeversorgung (Energiedienstleister);
Erzeugung von erneuerbaren Rohstoffen (Holz, Flachs, Hanf).
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Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung
• Förderung des Dienstleistungssektors
In ländlichen Räumen gibt es – außerhalb der Tourismusgebiete – erhebliche Tertiärisie-
rungsdefizite. Dies führt oft zur Abwanderung der jungen, qualifizierten Bevölkerung, da die-
se in der Regel zu Dienstleistern ausgebildet sind, das heißt Qualifikationen haben, die derzeit
auf dem Land noch zuwenig nachgefragt werden. Das sind beispielsweise gesellschaftlich
wertvolle Tätigkeiten, die durch ihre Bindung an Orte, Anlässe und Personen nicht exportier-
bar sind, nicht wegrationalisiert werden können und dezentral anfallen. Dazu zählen folgende
zukunftsträchtige Aufgabenbereiche:
Soziale Aufgabenbereiche: Hilfen für Haushalte bzw. landwirtschaftliche Betriebe,
Alten-, Behinderten-, Kinder- und Krankenbetreuung;
Ausbildnerische Aufgabenbereiche: berufliche Weiterbildung, postgraduale Ausbil-
dung, Erwachsenenbildung;
Landespflegerische Aufgabenbereiche: Pflege, Sicherung, Sanierung von Böden,
Landschaftsräumen, Wäldern, Ökosystemen, Wasserreserven u.ä.m.;
Aufgaben aus dem Bereich der Ressourcenschonung: Energieberatung, Aufbau von
Alternativenergieversorgungen etc.;
Kulturpflegerische Aufgaben: Stadt- und Dorferneuerung, Denkmalpflege.
Ökofit.kmu Feldbach
Lage:
Das Projekt Ökofit.kmu Feldbach befindet sich in Österreich, im Oststeirischen Hügelland, etwa. 35km von der
Landeshauptstadt Graz entfernt. Die Gemeinde Feldbach liegt zwischen 300m und 400m Seehöhe im gleichna-
migen Bezirk. Geprägt ist dieses Gebiet neben der Land- und Forstwirtschaft durch kleinere und mittlere Wirt-
schaftsunternehmen.
Projektbetreiber: STENUM GmbH, Graz
Projektziel:
Ziel dieses Projektes ist es, einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung der Region Feldbach in eine „ökologi-
sche Musterregion“ zu leisten.
Entstehungsgeschichte des Projektes:
Das Projekt Ökofit.kmu (Ökologischer Bezirk Feldbach durch integrierte Technik. kleine und mittlere Unter-
nehmen) verstand sich als konsequente Fortführung des zuvor abgeschlossenen Projektes „ÖKOFIT I“. In die-
sem wurde versucht, die Grundlagen einer ökologisch und ökonomisch nachhaltigen Regionalentwicklung zu
erarbeiten und aufzuzeigen. Das Projekt „ÖKOFIT I“ erzielte über den Bezirk hinaus folgende wirksame Ergeb-
nisse:
- Eine Systematik der Analyse von Regionen in der Größe eines Bezirkes im Hinblick auf eine nachhaltige
Entwicklung
- ein Konzept für ökologische Industrie- und Gewerbeparks als Entscheidungsgrundlage für zukünftige Be-
triebsansiedlungen, die sich in die ökonomische und ökologische Situation von Gemeinden und Regionen
einpassen bzw. diese verbessern
- eine Dokumentation des Potenzials der Region in ökologischer und ökonomischer Hinsicht für eine nachhal-
tige Entwicklung.
Die an diesem Projekt teilnehmenden 15 kleinen und mittleren Betriebe wurden in einem ersten Schritt zu Mus-
terbetrieben, sowohl in ihrer Branche als auch in ihrer Region, entwickelt. Sie geben jährlich eine Bilanz über
erbrachte Umweltleistungen sowie eine Vorausschau der nächsten Umweltvorhaben des Betriebes ab.
Durch die Zusammenführung dieser Betriebe in gemeinsamen Workshops wurde ein branchenintegrierendes
Diskussions- und Problemlösungsforum geschaffen, das in einem zweiten Schritt des Projektes die Basis für
betriebliche Netzwerke und Kooperationen bildete.
Die Bezeichnung als „Pilotprojekt“ war für Ökofit.kmu deshalb so zutreffend, da ein Projektansatz verfolgt wur-
de, der in folgenden Punkten innovativ war:
- Herstellung eines Regionalbezuges unter den einzelnen Betrieben
- Anwendung eines Workshopmodells, an dem 15 Betriebe aus unterschiedlichen Branchen teilnahmen
- Implementierung des „Vorsorgenden Umweltschutzes“ als wesentliches Handlungsprinzip in den Betrieben
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Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung
- Erstmalige Anregung von Netzwerken und Kooperationen unter den Betrieben im Zusammenhang mit um-
weltrelevanten Projekten
- Erstmalige Aufnahme von Entsorgungs- und Energieversorgungsunternehmen in die Projektgruppe eines
umweltrelevanten Projektes
- Parallele Einrichtung eines projektbegleitenden Netzwerkes mit wichtigen regionalen Akteuren (z.B. Kam-
mern), zwecks Informationsaustausches.
Stand der Dinge:
Das Projekt wurde 1999 mit einer Veranstaltung abgeschlossen. Die Laufzeit betrug 2 Jahre (1997 bis 1999).
Zukunftsperspektiven:
Aufgrund der positiven Projektergebnisse sowie der guten persönlichen Kontakte, die mit den Unternehmen in
der Region aufgebaut werden konnten, soll ein „ÖKOFIT-Klub“ installiert werden, um die Betriebe auf dem
bereits eingeschlagenen Kurs der Nachhaltigkeit zu halten und weiter zu betreuen.
Bedeutung des Projektes für die Nachhaltigkeit:
Ökofit.kmu war ein Pilotprojekt, das durch die Anwendung einer neuen Projektmethode – regionalbezogen,
branchenübergreifend, betriebliche und überbetriebliche Ansätze in einem Workshopmodell vereinend – und
durch die Anbindung an die Prinzipien der lokalen Agenda 21 (Integration wichtiger Akteure, wie Entsorger und
Versorger in das Projektteam sowie Bildung eines regionalen Begleitnetzwerkes) die Region Feldbach zu einer
Insel der Nachhaltigkeit ansatzweise entwickelte.
Kontakt:
Dr. Heinz Peter Wallner Tel.: 0043 / 316 / 367156-50
Geidorfgürtel 21 Fax: 0043 / 316 / 367156-13
A-8010 Graz E-mail: office@stenum.at bzw. h.p.wallner@stenum.at
Internetadresse: http://www.stenum.at
• Herausbildung neuer Arbeitsformen
Langfristig zielt die nachhaltige Entwicklung auf die ausgewogene Mischung von Erwerbs-
und Eigenarbeit ab. In der Praxis läuft dieser Anspruch auf erheblich verkürzte Erwerbszeiten,
auf eine deutliche Aufwertung informeller Arbeit und eine Auflösung der Grenzen zwischen
Erwerbsarbeit, Eigenarbeit und Freizeit hinaus. Diese Entwicklung besteht beispielsweise aus
folgenden Bausteinen:
Entstehung neuer Formen der Selbstständigkeit;
Mischung von Ausbildungs-, Selbstversorgungs- und Jobphasen über das Leben;
Entstehung neuer Formen der Subsistenzwirtschaft, des Tausches, der gegenseitigen
Hilfe jenseits der Geldwirtschaft;
teilweise Entkoppelung von Erwerbsarbeit und Einkommen.
Insgesamt würde diese Entwicklung mehrere Effekte nach sich ziehen:
- Entlastung der Arbeitsmärkte
- Positive ökologische Effekte durch Substitution von Ressourcen durch Arbeit
- Steigerung der individuellen und gesellschaftlichen Lebensqualität
- Kostenentlastung der öffentlichen Hand.
• Dezentralisierung von Arbeitsplätzen durch Einsatz von Informationstechnologien
Aus Sicht der nachhaltigen Entwicklung erweist sich ein Aspekt der Telearbeit als von beson-
derer Relevanz: Es handelt sich um eine Arbeitsform, die einen Beitrag zur Dematerialisie-
rung der Wertschöpfung durch Substitution von Produkten durch Dienstleistung leistet. Dies
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Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung
allerdings mit der Einschränkung, dass die erforderliche Hardware in Herstellung und Entsor-
gung material- und energieintensiv ist.
Folgende für die Raumentwicklung relevante Erwartungen knüpfen sich an den Einsatz der
Informationstechnologien:
Ermöglichung von Arbeitsleistungen, unabhängig von einem Betriebsstandort und
kann daher den Arbeits- und Familienbereich wieder zusammenführen;
Stärkung regionaler Arbeitsplatzvielfalt;
Stärkung des Dienstleistungssektors im ländlichen Raum;
Abbau der Schere zwischen angebotenen und nachgefragten Qualifikationen vor allem
in ländlichen Gebieten, womit Pendelvolumen und Abwanderungsdruck reduziert
werden.
Telearbeit und Tele-Service-Center
Lage:
Das Projekt Telearbeit und Tele-Service-Center befindet sich im Süden der Bundesrepublik Deutschland, im
baden-württembergischen Dorf Sternenfels auf einer Seehöhe von ca. 300m. Die Landschaft ist geprägt durch
Wald und Weinberge.
Projektbetreiber: die Gemeinde Sternenfels in Baden-Württemberg (BRD)
Projektziel:
Das übergeordnete Ziel dieses Projektes ist
Die Entwicklung der Orte Diefenbach und Sternenfels zu lebendigen Gemeinwesen mit einer guten, öffent-
lichen Infrastruktur und Versorgung in einer intakten, lebenswerten Umwelt
Dies bedeutet im Detail:
Die Schaffung neuer Arbeitsplätze im Dorf bzw. in der näheren Umgebung
Die Verhinderung der Abwanderung von Dienstleistungen aus dem ländlichen Raum sowie die Entwicklung
neuer Lösungen für die Kooperation von Verwaltung und Wirtschaft
Entstehungsgeschichte/Projektentwicklung:
Die Gemeinde Sternenfels wurde 1974 im Zuge der Gemeindereform aus den Orten Sternenfels (1800 Einwoh-
ner) und Diefenbach (950 Einwohner) gebildet. Diefenbach war bzw. ist durch die Landwirtschaft und den
Weinbau geprägt, Sternenfels durch seine gewerbliche Vergangenheit.
Innerhalb von 15 Jahren gingen in Sternenfels fast drei Viertel aller gewerblichen Arbeitsplätze verloren. Das
Dorf drohte, bedingt durch die strukturelle Veränderung in der Landwirtschaft und den allgemeinen Verlust von
Arbeitsplätzen im produzierenden Bereich, mehr und mehr zu einer „Pendlergemeinde“ zu werden
Um der Gefahr, ein reines Schlaf- und Wohndorf zu werden, zu begegnen, beschäftigte sich die Gemeinde Ster-
nenfels intensiv mit der innerörtlichen Erneuerung. Aufgrund der Erkenntnis, dass Informations- und Kommuni-
kationstechniken derzeit große Zukunftschancen haben, konzentrierte man sich beim Bemühen um neue Arbeits-
plätze auf diese Technologie.
Derzeitiger Stand:
Die Bausteine des wirtschaftlichen Lebens in Sternenfels stellen derzeit vier Einrichtungen dar:
Das Innovations- und Gründungszentrum dient als Anlaufstelle für Personen, die an einer Existenzgründung
interessiert sind. Neben geeigneten Räumlichkeiten für junge Unternehmen bietet es die notwendige technische
Infrastruktur und eine Reihe von Serviceleistungen (Beratung in der Gründungsphase, kompetente Begleitung in
den ersten Jahren des Unternehmens, Vermittlung von Kontakten zu regionalen Wirtschaftsunternehmen sowie
zu Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung und die Nutzung neuer Ebenen der Vermarktung
durch den gemeinsamen Auftritt auf Messen und Ausstellungen).
Das Tele-Service-Center versteht sich als Dienstleister für kleinere und mittlere Unternehmen sowie Existenz-
gründer. Unter anderem werden Telemarketing, Kundenberatung, Telefonservice und Erledigung von Sekretari-
atsleistungen geboten. Dabei wird modernste Technologie eingesetzt.
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Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung
Die Akademie Sternenfels begleitet die Menschen im ländlichen Raum mit einem breiten Angebot an Kursen,
Seminaren sowie Trainingsmaßnahmen unter Einsatz neuer Lernformen wie Tele-Lernen, um Lernen unabhän-
gig von Zeit und Ort zu ermöglichen.
Das „Komm-in“-Konzept ist als ein Informations-, Kommunikations- und Dienstleistungsmittelpunkt zu verste-
hen, der virtuelle und persönliche Kontakte ermöglicht. Kompetenz aus den Zentren wird erstmals virtuell durch
Videokonferenz-Technik in den ländlichen Raum transferiert, um den Bürgern Fahrten und Zeit bei Behörden-
gängen und sonstigen Erledigungen zu ersparen und überhaupt bestimmte Dienste im Ort erstmals zu ermögli-
chen. Hier finden die Bürger Arbeitsamt, Kommunalverwaltung, Post, Landratsamt, Tageszeitungen, Bank,
Immobilien, Reisebüro, Telefondienstleistungen, Versicherungsdienste und Polizei.
Zukunftsperspektiven:
Mit den oben erwähnten Einrichtungen des „TeleGIS Innovationscenters“ nimmt Sternenfels eine Vorreiterrolle
für den ländlichen Raum ein. Jene Einrichtungen sollen daher als Modell für andere ländliche Gemeinden dienen
und zur Nachahmung anregen. Ziel ist die Schaffung von 1000 Arbeitsplätzen, wovon bereits zwei Drittel einge-
richtet sind.
Bedeutung des Projektes für die Nachhaltigkeit:
Alle Aktivitäten, die im Zuge der Dorfentwicklung in Sternenfels durch den Gemeinderat umgesetzt wurden
(dazu gehören neben dem Thema „Arbeiten“ auch noch die Bereiche „Wohnen“ und „Erholen“), sind im Vorfeld
mit der Bevölkerung entwickelt worden.
Für viele Entwicklungsfragen im ländlichen Raum ist die Gemeinde Sternenfels seit 1977 Modellgemeinde.
Tradition und Fortschritt, Ökologie und Ökonomie, Dorf und Landschaft sind die Wurzeln der ganzheitlichen
Dorfentwicklung, einer nachhaltigen Entwicklung im Sinne der Agenda 21.
Kontakt:
Gemeindeverwaltung Sternenfels
Maulbronner Str.7, A-75447 Sternenfels Tel: 0049 / 7045 / 970 4000
Internetadresse: http://www.sternenfels.org/flash.htm
4.4 Nachhaltige Entwicklung der Landschaftsstruktur
4.4.1 Integrierter Naturschutz
Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung folgt dem Konzept des integrierten Naturschut-
zes, das sich mit der Frage auseinandersetzt, wie die Erfordernisse des Schutzes der Natur von
vornherein bei allen Planungen, Entscheidungen und Handlungen in allen Lebensbereichen
und auf allen Konkretisierungsebenen der Naturnutzung mitbedacht werden können. Dieser
Ansatz knüpft an die Einsicht an, dass weder der Staat noch die Industrie alleine die Umwelt-
probleme zu lösen imstande sind. Vielmehr muss jedem Bürger bewusst werden, dass er
durch seinen Lebensstil unmittelbar auf die Umwelt einwirkt.
Bausteine des Umbaues einer nachsorgend-additiven zu einer vorsorgend-integrierten Natur-
schutzpolitik sind beispielsweise:
Integration des Naturschutzes in das staatliche Handeln: Der neue Naturschutz ist kein
Verhinderungsinstrument mehr, sondern eine “Strategie der besseren Lösung“. Jedes
Ressort, jede Abteilung berücksichtigt den Schutz der Natur in allen ihren Entschei-
dungen mit;
Integration des Naturschutzes in das Alltagshandeln: Ein integrierter Naturschutz ist
auf breiter gesellschaftlicher Ebene nur zu erreichen, wenn deutlich gemacht wird,
dass Umweltqualität auch Lebensqualität bedeutet. Um dies zu erreichen, müssen so-
wohl die entsprechenden ökonomischen Anreize als auch bewusstseinsbildende Maß-
nahmen gesetzt werden, wie beispielsweise:
- Internalisierung der negativen externen Kosten in das Wirtschaftsgeschehen
29
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Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung
- Besteuerung umweltschädigender Aktivitäten
- Umweltbildung auf allen Bildungs- und Ausbildungsstufen
- Propagierung eines Naturschutzaspekte berücksichtigenden Lebensstils durch die
Medien.
Steinbacher Dörrobst und Natursäfte
Lage:
Das Projekt Steinbacher Dörrobst und Natursäfte befindet sich in Österreich, in der Oberösterreichischen Ge-
meinde Steinbach an der Steyr. Sie liegt am Nordrand der Alpen, zwischen 380m und 1200m Seehöhe im Bezirk
Kirchberg an der Steyr. Geprägt ist die Landschaft dieses Gebietes vor allem durch Ackerbau mit Viehhaltung,
aber auch durch Wald.
Projektbetreiber: die Gemeinde Seinbach an der Steyr
Projektziel:
Folgende Ziele sollen mit den Projekten „Steinbacher Dörrobst“ und „“Steinbacher Natursäfte“ erreicht werden:
Sicherung der landschaftsprägenden Streuobstgärten und Obstbaumreihen
Erhaltung alter regionaler Obstsorten
Verbesserung der bäuerlichen Wertschöpfung
Entwicklung neuer Produkte für eine gesunde Ernährung
Entstehungsgeschichte des Projektes:
Die Grundlage für die Projekte Steinbacher Dörrobst und Steinbacher Natursäfte bilden die umfangreichen
Obstbaumbestände und die Vielzahl der noch vorhandenen alten Obstbaumsorten. Im Rahmen der Vorbereitung
einer Apfelausstellung konnten mehr als 120 verschiedene Apfelsorten im Gemeindegebiet entdeckt werden, die
es daraufhin durch neue Formen der wirtschaftlichen Nutzung dauerhaft zu sichern galt. Damit war die Idee für
diese beiden Projekte geboren.
Stand der Dinge:
Die beiden Projekte Steinbacher Dörrobst und Natursäfte sind zwei von etwa 50 Projekten, die in Steinbach an
der Steyr im Zuge der seit 1987 stattfindenden Dorferneuerung realisiert wurden. Die dabei anhand eines brillan-
ten Entwicklungskonzeptes umgesetzte, wertorientierte Gemeindeentwicklung, die gleichzeitig Basis für eine
innovative, nachhaltige Regionalentwicklung darstellte, ist bekannt unter dem Namen „Der Steinbacher Weg“.
Diesem Entwicklungskonzept liegt das Prinzip der Ganzheitlichkeit zugrunde, womit gemeint ist, dass soziales
Miteinander, Arbeiten und Wirtschaften sowie Erhalten des kulturellen Erbes und der intakten natürlichen Um-
welt eine innere Einheit bilden. Die Gemeindeentwicklung basiert daher auf folgenden vier gleichermaßen un-
verzichtbaren Säulen, auf die sich alle Projekte und Umsetzungsaktivitäten beziehen: „Dorfgemeinschaft und
Lebensqualität“, „Kultur“, „Arbeit und Wirtschaft“ sowie „Umwelt“.
Die Projekte Steinbacher Dörrobst und Steinbacher Natursäfte sind im Themenbereich „Arbeit und Wirtschaft“
beinhaltet, dessen Aufgabe die Verbesserung der dörflichen Wertschöpfung ist. Zur Erreichung dieses Zieles
sind folgende Maßnahmen vorgesehen:
- Förderung kleiner Kreisläufe sowie Nutzung eigener Stärken und Ressourcen
- Stärkung der Kooperation der Wirtschaftsträger (Produzenten-Nahversorgung-Konsumenten)
- Vorrang der Nähe bei Menschen und Gütern
- Schaffung eigener Arbeitsplätze sowie Gründung neuer zukunftsorientierter Betriebe.
Gleichzeitig wird mit den beiden Projekten Steinbacher Dörrobst und Natursäfte auch das Ziel des Themenbe-
reiches bzw. der Säule „Umwelt“ erfüllt, in der die Sicherung des natürlichen Erbes im Vordergrund steht. Die
Umsetzung erfolgt durch Erhaltung sowohl der kleinstrukturierten naturnahen Kulturlandschaft als auch der na-
turnahen bäuerlichen Landwirtschaft.
Projekt „Steinbacher Dörrobst“: Nach dem Zusammenschluß von 8 Bauern zur „ Arge Steinbacher Dörrobst“
1990 und Errichtung von drei Dörrobstkammern, einem Arbeits- und Verkaufsraum sowie einem Lagerraum
werden seit 1991 Äpfel, Birnen und Zwetschken – ungespritzt und handgepflückt – zu „Steinbacher Dörrobst“
verarbeitet. Hauptabnehmer sind Seminar- und Gasthäuser, Fachgeschäfte, Bauernmärkte und Sporteinrichtun-
gen.
Projekt „Steinbacher Natursäfte“, das aufgrund der Erfolge des Steinbacher Dörrobstes entstanden ist.
Seit dem Zusammenschluß von 12 Bauern zur gemeinsamen Erzeugung und Vermarktung von „Steinbacher
Natursäften“ im Jahr 1996 werden Fruchtsäfte in fünf Sorten erzeugt: Apfel naturtrüb, Birne naturtrüb, Apfel-
Holunder, Apfel Johannisbeere und Birne-Johannisbeere. Diese Säfte werden naturrein, ohne Zucker und chemi-
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Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung
sche Zusätze, durch Pasteurisieren haltbar gemacht. Aufgrund ihres „märchenhaft“ guten Geschmacks ist das
Rotkäppchen ihr Markenzeichen.
Zukunftsperspektiven:
Durch weitere Investitionen, wie beispielsweise Produktionsanlagen und Vermarktungseinrichtungen, ist eine
künftige Steigerung der Wertschöpfung im Dorf zu erwarten.
Außerdem sollen diese beiden Projekte (im Zuge des Gesamtprojektes „Der Steinbacher Weg“) anderen Ge-
meinden als Vorbild dienen und zur Nachahmung anregen.
Bedeutung des Projektes für die Nachhaltigkeit:
Die Besonderheit der Projekte Steinbacher Dörrobst und Natursäfte bezüglich der Nachhaltigkeit läßt sich an
den Projektergebnissen ablesen:
Erhaltung der Kulturlandschaft sowie der Landwirtschaft: durch die dauerhafte Sicherung von 160 ha bzw.
800 ha naturnaher Kulturlandschaft wird eine jährliche Verarbeitung von 15.000 kg Frischobst zu Dörrobst
sowie 350.000 kg Obst zu Natursäften ermöglicht
Verbesserung der bäuerlichen Wertschöpfung: aufgrund des oben genannten Umsatzes kam es zur Schaf-
fung eines Zusatzeinkommens für 8 bzw. 50 Bauern durch höhere Obstpreise
Nutzung eigener Stärken und Ressourcen sowie Kommunikation und Kooperation in der Bevölkerung:
durch Vermarktung der erzeugten Obst-Produkte wurde für den Ort ein beachtlicher Werbeeffekt erzielt.
Die weitere Bedeutung für die Nachhaltigkeit stellt jedoch der Umstand dar, dass durch diese beiden Projekte
alle oben erwähnten (auf Nachhaltigkeit aufbauenden) Ziele erreicht wurden.
Kontakt:
Oberösterreichischer Verein für Entwicklungsförderung
Gabriele Preundler
Pfarrhofstraße 1 Tel.: 0043 / 7257 / 84 11
A-4594 Steinbach an der Steyr Fax.: 0043 / 7257 / 84 55
Internetadresse: http://www.municipia.at Suchwort: „Steinbacher Weg“
4.4.2 Extensivierung der Landbewirtschaftung
Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung setzt auf eine Neuausrichtung der Agrarpolitik,
die sich zum Ziel setzt, zu einer flächendeckenden Nutzungsextensivierung zu kommen und
dabei besonderes Augenmerk auf die ökosystemaren Zusammenhänge zu richten.
Bausteine der Extensivierung der landwirtschaftlichen Produktion sind beispielsweise:
Einschränkung des Einsatzes von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln durch
- Abgabe auf mineralische Stickstoffdünger
- Erweiterung der Fruchtfolge
- Mechanische Bekämpfung von Wildkräutern
- Verbesserung der Lebensbedingungen für Nützlinge.
Forcierung der Umstellung auf eine ökologische Landbewirtschaftung, was heißt:
- maximale Nutzung des betriebseigenen Stoffkreislaufes
- prinzipieller oder zumindest weitgehender Verzicht auf chemisch synthetisierte
Produktionsmittel
- Verwendung von Hilfs- und Pflegemitteln, die natürlichen Ursprungs sind.
Eine Umstellung auf den ökologischen Landbau setzt einen entsprechenden Wertewandel
voraus. Daher spielen eine auf den Werten der nachhaltigen Entwicklung ausgerichtete Aus-
und Weiterbildung, eine einschlägige Information der in der Landwirtschaft tätigen Personen
und Initialförderungen eine wichtige Rolle.
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Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung
Flächenstilllegungen:
Ziel von Flächenstilllegungsprogrammen müsste es sein, insbesondere die ökologisch
wertvollen Biotope (z.B. für den Grundwasser- oder Artenschutz) aus jeglicher wirt-
schaftlichen Nutzung herauszunehmen und eine langfristige Stilllegung zu garantieren.
Errichtung von Biotopverbundsystemen
Die als Folge der intensiven Agrarbewirtschaftung mit naturnahen Landschaftselemen-
ten kaum mehr ausgestatteten Agrarlandschaften müssen mit jenen naturnahen Ele-
menten wieder “eingeräumt“ werden, die in Quantität und Qualität einen intakten
Landschaftshaushalt versprechen. Dabei ist ein ökologisches Verbundsystem anzu-
streben, was heißt, dass die unterschiedlichen naturnahen Biotope untereinander ver-
netzt sein sollen. Solide “Ökobrücken“ sorgen für eine Verbesserung der agrarökolo-
gischen Situation, eine Verbesserung des Lokalklimas sowie des Erosionsschutzes und
bedeuten eine Bereicherung des Landschaftsbildes.
Umstellung der Tierhaltungen
- Senkung des gesetzlichen Obergrenzen für Massentierhaltungen
- Koppelung der Tierhaltung an die Fläche (maximal 2 Großvieheinheiten/ha land-
wirtschaftliche Nutzfläche)
- generelles Verbot des Einsatzes von Wachstumsförderern und Antibiotika
- Umstellung auf Tierhaltungsformen, die auch eine Verwertung extensiv genutzter
Futterflächen ermöglichen.
Genereller Verzicht auf ertragsfördernde Meliorationsmaßnahmen wie Fluss- und
Bachregulierungen, Ent- oder Bewässerungsmaßnahmen, Wirtschaftswegebau, Gelän-
dekorrekturen, Zerstörung naturnaher Landschaftselemente, Vergrößerung der Schläge
u.a.m.;
Verbesserung der Effektivität des Maschineneinsatzes
- Aufbau von landwirtschaftlichen Maschinenringen
- bevorzugter Einsatz kleinerer, multifunktioneller Landwirtschaftsmaschinen.
4.4.3 Integrativer Tourismus
Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung setzt auf eine qualitative Tourismusentwicklung,
deren Eckpunkte sind:
- die Lebensqualität der Einheimischen
- das Wohlbefinden der Gäste
- die Achtung der natürlichen Umwelt
- die wirtschaftliche Entwicklung der betreffenden Region.
Ein an den Grundsätzen der Nachhaltigkeit orientierter Tourismus geht ferner davon aus, dass
ein sozial- und umweltgerechter Fremdenverkehr in eine neue Art der Lebensführung insge-
samt eingebettet sein muss. Denn nur ein entsprechend sensibilisierter und konditionierter
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Nachhaltige Raumentwicklung
Nachhaltige Raumentwicklung
Nachhaltige Raumentwicklung
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Nachhaltige Raumentwicklung

  • 1. Österreichisches Institut für Erwachsenenbildung (www.oieb.at) / TU-Wien Materialie zur Ringvorlesung „Lernende Regionen“ – SS 2005 Gerlind Weber „Nachhaltige Raumentwicklung“ 1. Grundsätzliches “Der Mensch ist träge, eigennützig und intelligent“, sagt eine Volksweisheit. Diese Eigen- schaften gilt es besonders im Auge zu behalten, wenn es um die Entwicklung und Umsetzung neuer gesellschaftsrelevanter Leitbilder geht. So fragt zunächst der Durchschnittsbürger: “Warum soll ich mich überhaupt mit einem neuen Anspruch auseinandersetzen?“ Zweitens: “Was bringt er mir? Und drittens: “Wie kann ich in den Genuss der damit für mich verbunde- nen Vorteile kommen?“ Die Politik muss imstande sein, Antworten auf diese Fragen geben zu können, um neuen ge- sellschaftsrelevanten Denkansätzen, wie den von der nachhaltigen Entwicklung, tatsächlich zum Durchbruch verhelfen zu können. Die vorliegende Arbeit versteht sich deshalb als Versuch, in der hier gebotenen Kürze wissen- schaftlich fundierte Antworten auf die oben aufgeworfenen Fragen zu liefern und sich dabei Schritt für Schritt dem mit dem Paradigma der Nachhaltigkeit verbundenen Denken anzunä- hern. Dabei sollen die räumlichen Auswirkungen von sustainable development im Vorder- grund der einschlägigen Reflexionen stehen. 2. Vom Umweltschutz zur nachhaltigen Entwicklung Die Trägheit des Menschen verlangt zunächst nach einer Erörterung, warum der ihm vertraute Umweltschutz von dem ihm noch fremden Anspruch der Nachhaltigkeit überhaupt abgelöst werden soll. Sich mit letzterem auseinanderzusetzen, kostet ihn Zeit und Energie, ist also mit Aufwand verbunden, den er nur eingeht, wenn er von der Notwendigkeit der Fortentwicklung des Bekannten überzeugt werden kann: 2.1 Die Schwächen des Umweltschutzes herkömmlicher Prägung • End-of-pipe-Orientierung Der Umweltschutz herkömmlicher Prägung ist nachsorgenorientiert und versteht sich als bloße “Reparatur an der Natur“. Zum Schutz der Natur wurden und werden z.B. auf exis- tierende Techniken schadstoffemissionsvermeidende Technologien aufgestülpt. So not- wendig diese Strategie als erste Reaktion auf die zunehmende Luft-, Boden- und Wasser- verschmutzung war und ist, so führt sie doch aufgrund folgender Punkte in eine wirt- schaftliche Sackgasse: End-of-pipe-Technologien führen zu einer Verteuerung der existierenden Technik, setzen die Effizienz der Basistechnik herab und machen letztere mehr reparaturanfäl- lig. Sie verursachen zusätzlichen Verbrauch von Ressourcen bei gleichem Output. Sie setzen falsche Signale: es gelten nicht jene Unternehmen als umweltfreundlich und fortschrittlich, die ressourcensparend produzieren, sondern jene, die Emissionen er- zeugen, aber einzelne Schadstoffe herausfiltern.
  • 2. Österreichisches Institut für Erwachsenenbildung www.oieb.at / TU-Wien – Ring-VO Lernende Regionen / SS 2005 Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung Die “Verschmutzerwirtschaft“ wird durch eine “Saubermacherwirtschaft“ ersetzt, was keinen volkswirtschaftlichen Wohlstandsgewinn bringt. Der nachsorgende Umweltschutz setzt auf Ordnungsrecht hinsichtlich der Durchset- zung seiner Ziele. Ordnungsregelungen legen aber die Versuchung bei den Adressaten nahe, sie zu umgehen. Die dadurch erforderlichen Kontrollen seitens der öffentlichen Hand kosten Geld. • Monokausale Betrachtung Umweltschädigungen werden als Einzelereignisse angesehen, die durch Einzelmaßnah- men jeweils einer Lösung zugeführt werden sollen. Beispielsweise wurde als Reaktion auf die Problematik des sauren Regens der Katalysator für Autos eingeführt, ohne damit Prob- leme, wie das ständig steigende Verkehrsaufkommen und die damit verbundene Gefahr des Verkehrskollapses, die zunehmende Verlärmung, das erhöhte Unfallrisiko und den wachsenden Ressourcenverbrauch zu entschärfen. Monokausale Lösungsansätze sind in Summe deshalb kritisch zu bewerten, weil sie eine strukturkonservierende Wirkung erzeugen, d.h., dazu beitragen, umweltschädigende Vor- gangsweisen im Wirtschafts- und Gesellschaftssystem weiterhin aufrecht zu erhalten. • Hohe Kosten-Wirksamkeitsdiskrepanz Umweltsanierungen sind unverhältnismäßig teurer als Umweltvorsorgemaßnahmen. Das Verhältnis beträgt zwischen 3:1 bis 16:1. Das heißt, es konnte schlüssig nachgewiesen werden, dass jeder in die Umweltvorsorge investierte Euro 3 bis 16 Euro an Umweltsanie- rungskosten spart. Insbesondere fällt dabei ins Gewicht, dass die Umwelttechnik ab einem gewissen Wirkungsgrad unverhältnismäßig teuer wird. • Medienspezifische Problemorientierung Die nachsorgende Umweltstrategie nimmt sich wesensgemäß der Umweltprobleme nur an, wenn Schäden an Mensch und/oder Natur akut, messbar oder nachweisbar auftreten und die Öffentlichkeit - meist mit Unterstützung der Medien - eine Lösung des jeweils aufgezeigten Missstandes verlangt. Das Setzen von geforderten ad hoc–Maßnahmen birgt aber latent die Gefahr der ungewollten bloßen Problemverschiebung in sich, die verschie- dener Art sein kann: - Intermedial: die Umweltbelastung wird von einem Umweltmedium in ein anderes verfrachtet (z.B. vom Wasser über den Klärschlamm in den Boden); - Interregional: das Umweltproblem wird von einem Ort zu einem anderen Ort “abge- schoben“ (z.B. “Mülltourismus“, Verschieben atomaren Abfalls von Zwischenlagern zu Endlagern); - Intergenerativ: Umweltschäden treten zeitlich verzögert auf, was dazu genützt wird, die Lösung des Problems auf nachfolgende Generationen abzuwälzen (z.B. die Klima- veränderung, Altlasten). • Trennung von Ursachen- und Wirkungsebene 2
  • 3. Österreichisches Institut für Erwachsenenbildung www.oieb.at / TU-Wien – Ring-VO Lernende Regionen / SS 2005 Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung Um die Umweltprobleme anzugehen, wurden in Westeuropa ab den späten sechziger Jah- ren letzten Jahrhunderts eigene Umweltbehörden auf den verschiedenen Verwaltungsebe- nen eingerichtet. Dies erfolgte, ohne gleichzeitig Kompetenzverschiebungen aus anderen Fachressorts vorzunehmen. Die Folge war eine Desintegration zwischen Ursachen- und Wirkungsebene dahingehend, als in einem Fachressort mitunter jene Entscheidungen ge- troffen werden, zu deren Beseitigung später die Umweltbehörden eingeschaltet werden. Durch die weitgehende Herausnahme der Sanierungskompetenz und –pflicht aus den die Umweltschäden verursachenden Ressorts geht für diese aber der Anreiz- bzw. der Prob- lemdruck verloren, der sie dazu veranlassen könnte, selbst vorsorgende Strategien für eine langfristige Sicherung der ökologischen Grundlagen einzuleiten. • Fazit: Keine Verbesserung der ökologischen Gesamtsituation Heute zeigt sich, dass der nachsorgende Umweltschutz weder den fortgesetzten raubbau- artigen Zugriff auf die endlichen natürlichen Ressourcen noch die steigenden Umweltbe- lastungen hintanhalten konnte. Das heißt, der herkömmliche Umweltschutz war und ist nicht in der Lage, Mensch und Natur aus der “Zwickmühle“ zu viel Rohstoffinput/zu viel Schadstoffoutput tatsächlich zu befreien. Die additiven Umweltschutzmaßnahmen können wesensgemäß nur einer Schadensbe- grenzung dienen, nicht aber eine fortgesetzte Schädigung des Naturhaushalts verhindern, was bereits zum Überschreiten ökologischer Belastbarkeitsgrenzen führt. Der Umwelt- schutz traditioneller Prägung befindet sich wesensgemäß immer in der Defensive, indem er stets reagiert, aber nicht aktiv gestaltet. Aufgrund all der genannten Gründe kann der Ausweg für eine Verbesserung der ökologi- schen Gesamtsituation nicht in einer Intensivierung des herkömmlichen Umweltschutzes liegen, sondern nur in einem grundlegenden Wandel von der additiven zu einer integrier- ten Umweltpolitik. 2.2 Die Grundstrukturen des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung Um die zunehmenden Umweltprobleme weltweit in den Griff bekommen zu können, müssen die gesellschaftlichen und ökologischen Entwicklungsverläufe generell an den ökologischen Folgewirkungen orientiert, d.h., an der Endlichkeit und Erschöpfbarkeit der natürlichen Res- sourcen ausgerichtet werden. Mit anderen Worten: Es muss sich die Einsicht durchsetzen, dass langfristig eine sozio-ökonomische Entwicklung nur innerhalb eines dauerhaft funktions- fähigen Naturhaushaltes möglich ist. Dies bedingt, dass bei allen gesellschafts- und wirt- schaftsrelevanten Entscheidungen immer die Umweltauswirkungen mitzuberücksichtigen und die absolut geltenden ökologischen Belastungsgrenzen zu respektieren sind. Für diesen ganzheitlichen Denkansatz steht das Schlagwort der nachhaltigen Entwicklung (respektive von sustaniable development). Es wurde 1989 durch den UN-Bericht “Our Com- mon Future“ etabliert, der nach der Vorsitzenden der Kommission, die diesen Bericht erarbei- tet hat, im Fachjargon als “Brundtland-Report“ benannt wird. Der Brundtland-Report beschreibt ganz allgemein nachhaltige Entwicklung als “eine Ent- wicklung, die die gegenwärtigen Bedürfnisse befriedigt, ohne die Zukunftschancen nachfol- gender Generationen zu schmälern.“ Hinter diesem Anspruch steht demnach: - ein koevolutionäres Mensch-Natur-Konzept 3
  • 4. Österreichisches Institut für Erwachsenenbildung www.oieb.at / TU-Wien – Ring-VO Lernende Regionen / SS 2005 Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung - ein sozialwissenschaftliches Bedürfniskonzept und - ein naturwissenschaftliches Konzept der begrenzten Welt. 4
  • 5. Österreichisches Institut für Erwachsenenbildung www.oieb.at / TU-Wien – Ring-VO Lernende Regionen / SS 2005 Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung • Die drei Grundcharakteristika nachhaltiger Entwicklung In seinen Grundzügen lässt sich das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung wie folgt charakte- risieren: Erstens: Integration ökologischer, sozialer und ökonomischer Aspekte Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung versteht sich als eine auf den Erhalt der Natur- funktionen ausgerichtete Optimierung des Zusammenwirkens von Natur, Gesellschaft und Wirtschaft. Charakteristisch für diesen Ansatz ist das systemische Denken, das davon ausgeht, dass Umweltprobleme nur dadurch gelöst werden können, wenn Gesellschaft und Wirtschaft die Restriktionen, die die Natur vorgibt, in ihre Entscheidungen so integrieren, dass ein Fließ- gleichgewicht zwischen ökologischer Stabilität, hoher Lebensqualität und wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit erreicht und langfristig gehalten werden kann. Die Integration ökologischer, gesellschaftlicher und ökonomischer Aspekte kann wie folgt veranschaulicht werden: Natur Gesellschaft Wirt- schaft Abb. 1: Natur, Gesellschaft und Wirtschaft als unterschiedliche Ebenen eines einheitlichen Gesamtsystems Die Abbildung soll ausdrücken, dass die Natur der umfassendste Systembereich ist, innerhalb dessen die Gesellschaft ein Subsystem darstellt, von dem wiederum die Wirtschaft einen in- tegrierten Bestandteil bildet. Die Abbildung symbolisiert, dass die Natur, das heißt, die begrenzte Belastbarkeit und Trag- fähigkeit ihrer Ökosysteme, jenen anthropogenen Handlungsspielraum vorgeben, innerhalb dessen sich eine Gesellschaft entsprechend ihrer vorherrschenden Werte und Ziele vielfältig entwickeln kann. Diese vom Natursystem ableitbaren Begrenzungen werden auch als “ökolo- gische Leitplanken“ oder als “ökologischer Korridor“ der gesellschaftlichen und wirtschaftli- chen Entwicklung bezeichnet. Als Subsystem der Gesellschaft stellt die Wirtschaft jenes Mit- tel dar, das der Befriedigung der menschlichen Ansprüche dient und daher sowohl an den ge- sellschaftlichen Bedürfnissen als auch an dem übergeordneten ökologischen Rahmen ausge- richtet sein muss. 5
  • 6. Österreichisches Institut für Erwachsenenbildung www.oieb.at / TU-Wien – Ring-VO Lernende Regionen / SS 2005 Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung Die Pfeile zwischen den einzelnen Teilsystemen stellen nicht nur die starken Wechselbezie- hungen zwischen Natur, Gesellschaft und Wirtschaft dar, sondern sollen auch darauf hinwei- sen, dass gerade die Schnittstellen zwischen den drei Bereichen so zu gestalten sind, dass ein dauerhaftes Zusammenwirken ohne Gefährdung der Funktionsfähigkeit bzw. der Stabilität auch nur eines Bereiches möglich wird. Nachhaltige Entwicklung kann somit nur dann er- reicht werden, wenn jeder der drei Systembereiche dauerhaft stabil ist. Diese Stabilität ist je- doch nicht im statischen Sinne zu verstehen, sondern setzt die ständige Anpassung an Verän- derungen voraus. Zweitens: Integration der Umweltpolitik in sozio-ökonomische Entwicklungsverläufe Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung fokussiert in seinen Bestrebungen um Verbesse- rung der Umweltsituation nicht mehr bloß die Umweltmedien (Boden, Wasser, Luft), sondern setzt auf eine auf den Erhalt der Umwelt ausgerichtete sozio-ökonomische Entwicklung. Die- ser Wechsel des Betrachtungswinkels ist mit einer drastischen Komplexitätszunahme auf der Ziel- und Mittelebene verbunden, was Konsequenzen nach sich zieht: Offenheit: Die zahllosen Zusammenhänge und Rückwirkungen zwischen Natur, Ge- sellschaft und Wirtschaft verunmöglichen, dass eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Politik die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen in allen Details vor- ausplanen kann. Es muss daher von einer grundsätzlichen Offenheit der Entwick- lungsverläufe ausgegangen werden, was gleichzeitig eine Abkehr von anthrozentri- schen Machbarkeitsansprüchen bedeutet. Geringe Eingriffstiefe: Um trotz der Offenheit gravierende Fehlentwicklungen ver- meiden zu können, ist bei den Gestaltungsmaßnahmen eine möglichst geringe Ein- griffstiefe in funktionierende ökologische, gesellschaftliche oder ökonomische Sys- temabläufe anzustreben. Damit soll sichergestellt werden, dass Maßnahmen, die sich im Laufe der Entwicklung als falsch herausgestellt haben, wieder aus dem jeweiligen Systemkontext herausgenommen werden können, ohne das betreffende System zu ge- fährden. Breite Mitbestimmung: Alle diejenigen Personen und Institutionen, die einen Ein- fluss auf die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung haben, werden zu Ak- teuren der Nachhaltigkeitspolitik. Der Bogen spannt sich dabei etwa von den Ent- scheidungsträgern im Kleinen (z.B. Konsumenten, “Häuselbauern“), die durch ihre vielen individuellen Entscheidungen in Summe gesehen eine ähnliche zentrale Bedeu- tung besitzen wie die Entscheidungsträger im großen (z.B. Politiker, Großunterneh- men), bei denen zwar weniger Entscheidungen, diese aber mit einer größeren Reich- weite getroffen werden. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Notwendigkeit einer möglichst breiten Mitbestimmung und Mitwirkung bei den einschlägigen Verände- rungsprozessen eine Aufwertung. Drittens: Dominanz des Prinzips der Selbstorganisation Nachhaltige Entwicklung baut auf dem Prinzip der Selbstorganisation auf. Dies gründet auf dem Umstand, dass komplexe Systeme nicht von außen gestaltet werden können, sondern nur von innen durch die Nutzung der diesen Systemen immanenten Eigendynamik. Das heißt, nachhaltige Entwicklung lässt sich nicht als “Patentrezept von oben“ verordnen, sondern be- darf eines ständigen Diskurses der Gesellschaft, der immer nur vorläufige und hypothetische Zwischenbestimmungen ergeben kann. Nachhaltigkeit hat demgemäss den Charakter eines 6
  • 7. Österreichisches Institut für Erwachsenenbildung www.oieb.at / TU-Wien – Ring-VO Lernende Regionen / SS 2005 Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung Leitbildes, dessen (Teil-)Ziele im Rahmen eines ständigen diskursiven Prozesses einer lau- fenden Überprüfung, Verbesserung und gegebenenfalls Korrektur oder Erweiterung unterlie- gen. Die Vorstellung darüber, was nachhaltige Entwicklung im Konkreten ist, ist im starken Maße zeit-, situations-, kultur- oder wissensabhängig. Wichtig ist dabei immer nur die wech- selseitige Abstimmung der ökologischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Aspekte und eine entsprechende Koordination der zu setzenden Maßnahmen. Aus der offenen Konzeption von Nachhaltigkeit ergibt sich auch die Notwendigkeit instituti- onenübergreifender Diskurse innerhalb der, respektive zwischen den verschiedenen Gruppen und Akteuren aus Gesellschaft und Wirtschaft. Damit dieser wechselseitige Austausch frucht- bringend verlaufen kann, setzt dies auf allen Seiten das Selbstverständnis einer “lernenden Organisation“ voraus. Dies bedeutet, dass die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Einzel- akteure und Gruppen einerseits aktiv für sich Impulse für eigene Veränderungs- und Erneue- rungsprozesse suchen und andererseits die Bereitschaft haben, Impulse für Lernprozesse an- derer abzugeben. 3. Das Leitbild nachhaltiger Raumentwicklung 3.1 Grundsätzliches Gegenwärtig steckt das Konzept der nachhaltigen Entwicklung in der schwierigen Phase des Übergangs vom Wissen zum Handeln, vom Leitbild zur Umsetzung. Dieser Umstand bringt die räumliche Dimension dieses Anspruchs ins Spiel. Dies aufgrund der Tatsache, dass Le- bensräume immer Rückschlüsse auf den jeweiligen geistigen, kulturellen und zivilisatorischen Status einer Gesellschaft zulassen. Dies bedingt den Schluss, dass auch eine nach Nachhaltig- keit strebende Gesellschaft sich in hohem Maße über Gestaltung und Funktion von Räumen ausdrücken wird. Das heißt, ein sich in Richtung Nachhaltigkeit entwickelndes Gemeinwesen wird immer auch entsprechende räumliche Leitbilder formulieren und danach trachten, diese Schritt für Schritt umzusetzen. Der Raum als Lebensraum des Menschen ist so wesentliche Auswirkungsebene, aber auch zentraler Impulsgeber nachhaltiger Entwicklung. Aufgrund dieser Einsichten ist es nur konsequent, dass aus dem Leitbild nachhaltiger Ent- wicklung nun ein Leitbild nachhaltiger Raumentwicklung abgeleitet wird. In wenigen Worten zum Ausdruck gebracht, geht es dabei bei letzterem um die Frage, wie die einzelnen Daseins- grundfunktionen des Menschen ausgestaltet sein müssen, dass die räumlichen Folgewirkun- gen dauerhaft den ökologischen Rahmenbedingungen entsprechen und gleichzeitig ein gutes Leben ermöglichen. Das Leitbild nachhaltiger Raumentwicklung konzentriert sich demnach auf die Suche nach entsprechenden gesellschaftlichen und individuellen Lebensstilen und den daraus resultierenden Anforderungen an die Lebensraumgestaltung und –organisation einer- seits sowie auf Fragen der ökologischen Belastbarkeit von Räumen anderseits. 3.2 Ökologische Anforderungen an die nachhaltige Raumentwicklung Die Raumentwicklung der letzten Jahrzehnte wurde fast ausschließlich auf die Ansprüche von Gesellschaft und Wirtschaft ausgerichtet. Hingegen blieben die Anforderungen des natürli- chen Systems weitgehend unbeachtet. Inzwischen wird jedoch zunehmend erkannt, dass eine intakte, funktionsfähige Natur die Grundlage jeder gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung darstellt und ihrer langfristigen Erhaltung oberste Priorität beizumessen ist. So- mit ist die bisherige Sichtweise umzukehren: Die Anforderungen des ökologischen Systems sind vorderhand auszuloten und gelten in der Folge als absolut zu respektierende Leitplanken der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung. 7
  • 8. Österreichisches Institut für Erwachsenenbildung www.oieb.at / TU-Wien – Ring-VO Lernende Regionen / SS 2005 Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung Die ökologischen Anforderungen an eine nachhaltige Raumentwicklung sind prinzipiell aus zwei verschiedenen Blickwinkeln heraus zu betrachten: - Ökosystemare Sichtweise: sie stellt den Systemcharakter der Natur in den Mittelpunkt der Betrachtung - Ökomediale Sichtweise: sie stellt die einzelnen Umweltmedien in den Mittelpunkt der Betrachtung. 3.2.1 Ökosystemare Anforderungen Folgende ökosystemare Voraussetzungen müssen über die Zeiten hinweg gewährleistet wer- den, damit natürliche Systeme bestehen können: • Erhaltung der natürlichen Dynamik Natürliche Systeme befinden sich ständig in Veränderung. Sie streben zum einen permanent nach einem Zustand ökologischer Stabilität. Dieses Ziel kann nur dadurch erreicht werden, indem jedes Ökosystem fließend von einem Gleichgewichtszustand in einen anderen zu wechseln imstande ist, um sich dadurch z.B. auf neue Umfeldkonstellationen einstellen zu können. Zum anderen strebt jedes natürliche System nach seiner Weiterentwicklung im Sinne der Erhöhung seiner inneren Komplexität, weil eine hohe Vielfalt von Systemelementen und deren Beziehungen untereinander Stabilität verspricht und damit eine höhere Resistenz ge- genüber externen Einflüssen möglich wird. Insgesamt heißt dies: je höher die Vielfalt eines Systems ist, desto mehr unterschiedliche Zu- stände kann es einnehmen und umso mehr Möglichkeiten besitzt es, auf Veränderungen des Umfeldes zu reagieren. Bei Raumnutzungsentscheidungen ist dementsprechend auf eine größtmögliche Erhaltung der in einem Ökosystem vorhandenen Vielfalt zu achten. • Wahrung der ökologischen Stabilität Unter ökologischer Stabilität wird einerseits die Fähigkeit eines Ökosystems verstanden, Stö- rungen von außen zu widerstehen und zum anderen die Fähigkeit zu seiner Regeneration, wenn es von einer Störung betroffen ist. Prinzipiell wird die ökologische Stabilität durch das Maß der genetischen Vielfalt in einer Population bestimmt. Für raumrelevante Nutzungsentscheidungen heißt dies, dass nicht ausschließlich der anthro- pogene Bedarf, sondern die Empfindlichkeit des jeweils betroffenen Ökosystems einen Nut- zungseingriff rechtfertigt oder nicht. • Einhaltung von Belastungsgrenzen Jedes Ökosystem hat die Fähigkeit, einen bestimmten Grad an Belastungen zu tolerieren, oh- ne seine immanenten Strukturen und Funktionen zu verändern. Wie weit eine Belastung an die Grenzen der Belastbarkeit eines natürlichen Systems heranreicht, hängt zum einen von den spezifischen Toleranzen jedes einzelnen Systems und zum anderen von Art, Intensität und Dauer der Belastung ab. 8
  • 9. Österreichisches Institut für Erwachsenenbildung www.oieb.at / TU-Wien – Ring-VO Lernende Regionen / SS 2005 Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung Eine langfristige Beständigkeit der Ökosysteme und der Ökosphäre kann nur dann gesichert werden, wenn die anthropogenen Raumnutzungsansprüche die Belastbarkeitsgrenzen nicht überschreiten. Damit diese Bedingung erfüllt werden kann, müssen insbesondere zwei Forde- rungen beachtet werden: einerseits die prinzipiell schonende und sparsame Entnahme von natürlichen Ressourcen und anderseits die Respektierung der prinzipiell beschränkten Ab- sorptionsfähigkeit der Ökosphäre. • Sicherung der ökosystemaren Funktionen Jedes Ökosystem erbringt für den, respektive die Menschen eine Vielfalt an Funktionen: die Produktionsfunktion = die Bereitstellung erneuerbarer Rohstoffe, die Trägerfunktion = das Tragen menschlicher Aktivitäten und Strukturen sowie die Aufnahmefähigkeit menschlicher Abfälle, die Informationsfunktion = die Gewinnung von Informationen über den Zustand der natürlichen Umwelt sowie über vorbildlich gestaltete Produktionsprozesse, die Regulationsfunktion = die Erhaltung der Stabilität des Ökosystems, die ästhetische und Erholungsfunktion = die sinnliche Erfahrung von Natur; sie wird durch Vielfalt, Eigenart und Natürlichkeit bestimmt. Werden diese Umweltfunktionen über das systemadäquate Ausmaß beansprucht und dadurch das Ökosystem zerstört, so ist dieser Verlust unwiederbringlich. Damit dies vermieden wer- den kann, ist eine Ökologisierung der menschlichen Raumnutzungsmuster anzustreben. 3.2.2 Ökomediale Anforderungen Die Umweltmedien Wasser, Boden, Luft sowie Flora und Fauna stellen die Bestandteile von Ökosystemen dar und sind daher in die “ökosystemare Sichtweise“ gedanklich schon einbe- zogen worden. Aufgrund ihrer herausragenden Bedeutung als “Lebensmedien des Menschen“ ist jedes Medium für sich noch zu beschreiben: • Wasser Wasser erfüllt folgende Funktionen: Elementares Lebensmittel für Mensch und Tier Essentieller biologischer Produktionsfaktor Medium für die Lösung und den Transport von Stoffen und für zahlreiche Stoffwech- selfunktionen Medium für die Energiegewinnung Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten Faktor in der Klimaregulation und -beeinflussung. Zum Schutz der Hydrosphäre und zur dauerhaften Sicherstellung der Wasserversorgung in ausreichender Quantität und Qualität sind insbesondere folgende Ziele anzustreben: Erhaltung des ökologischen Potenzials der Gewässer (z.B. durch Schutz des natürli- chen Gewässerraumes vor weiteren Verbauungen); Reduzierung umweltgefährdender Wasserschadstoffe (z.B. durch Beschränkung des Verkaufs von wassergefährdenden Stoffen); 9
  • 10. Österreichisches Institut für Erwachsenenbildung www.oieb.at / TU-Wien – Ring-VO Lernende Regionen / SS 2005 Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung Schutz der Grund- und Quellwasserreserven (z.B. durch Nutzungsverbot von Tiefen- wässern); Verringerung des Wasserverbrauchs (z.B. durch verstärkten Einsatz von Brauchwas- sersystemen). • Boden Der Boden erfüllt folgende Funktionen: Lebensraumfunktion z.B. für Bodenorganismen, Bestandteil von Lebensräumen für Lebensgemeinschaften Produktionsfunktion von Nutzpflanzen Hydrologische Regelungsfunktion z.B. durch Einfluss auf den Landschaftswasser- haushalt, auf die Speicherung von Wasser, auf die Grundwasserneubildung Transformationsfunktion: z.B. Humusbildung durch Auf- und Umbauprozesse Filterfunktion z.B. werden Fremdstoffe festgehalten, ausgefällt oder umgeformt Archivfunktion für die Erd- und Kulturgeschichte Standortfunktion für Gebäude und Infrastrukturanlagen Landschaftsfunktion durch Prägung der Landschaftsformen. Der Schutz des Bodens als endliche Ressource in quantitativer und qualitativer Hinsicht ist zu sichern. Das heißt unter anderem Weitgehendste Sicherung der natürlichen Bodenbeschaffenheit Verringerung von anthropogenen Einträgen in Böden Verringerung der Boden- und Flächenversiegelung Bekämpfung der Bodenerosion. • Luft Die Hauptfunktionen der Luft sind: Faktor im Wetter- und Klimageschehen Schutz vor schädlicher UV-Strahlung Atmungsmedium aller Lebewesen. Die vordringlichsten Schutzziele für die Atmosphäre sind: drastische Reduktion des Einsatzes fossiler Energieträger wie Kohle, Erdöl und Erd- gas bevorzugter Einsatz von CO2-neutralen erneuerbaren Energieträgern wie von Holz, Pflanzenölen und Sonnenenergie drastische Reduktion des Verbrauchs naturnaher Flächen. • Flora und Fauna Die Pflanzen- und Tierwelt erfüllt folgende Funktionen: Sicherung der biologischen Vielfalt und damit der Stabilität von Ökosystemen Nahrungsgrundlage Speicher genetischer Informationen 10
  • 11. Österreichisches Institut für Erwachsenenbildung www.oieb.at / TU-Wien – Ring-VO Lernende Regionen / SS 2005 Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung Träger bestimmter Funktionen in Ökosystemen. Ein umfassender Artenschutz muss bei folgenden Maßnahmen ansetzen: Sicherung, Erweiterung und Vernetzung von Flächen mit großer ökologischer Bedeu- tung Grundsätzlich schonende Landnutzung Spezieller Schutz gefährdeter Pflanzen- und Tierarten Genereller Schutz von Lebensgemeinschaften und Artenkollektiven. 3.3 Soziale Anforderungen an die nachhaltige Raumentwicklung Bei Betrachtung der gesellschaftsrelevanten Dimension nachhaltiger Raumentwicklung ist davon auszugehen, dass die räumlichen Entwicklungstrends grundsätzlich als Resultate der Lebensweise der Mitglieder einer Gesellschaft zu deuten sind. Daraus folgt, dass nur eine Gesellschaft, die eine dauerhaft umweltverträgliche Gestaltung ihrer Lebensweise anstrebt, imstande ist, nachhaltige Raumentwicklungsmuster zu entwickeln und umzusetzen. Dement- sprechend ist hier die Frage zu klären, welche vorherrschenden kulturprägenden Werthaltun- gen und Normen charakteristisch für eine nachhaltige Lebensweise sind. 3.3.1 Grundwerte eines nachhaltigen Lebensstils Es sind sieben Grundwerte, die als “soziale Leitprinzipien“ zur Errichtung einer nachhaltigen Gesellschaft anzusehen sind. Sie müssen von den Individuen, aber auch der Gesellschaft “ver- innerlicht“ werden, um nachhaltige Raumentwicklungen hervorbringen zu können: • Dematerialisierung Die Priorität dieses Wertes entspringt der Erkenntnis, dass in unseren Breiten der übliche Verbrauch von Rohstoffen und Energie auf Dauer nicht aufrecht zu erhalten ist. In der Fachwelt setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass eine nachhaltige Entwicklung eine Reduktion der Stoffströme um den Faktor 10 bezogen auf den status quo erfordert. Dass dieses Ziel mit den Ansprüchen an Lebensqualität und Wohlstand durchaus verein- bar ist, zeigt ein fiktives Beispiel: Verdoppelung der Nutzungsdauer eines Produktes (z.B. durch dessen Reparierbarkeit) Recycling des Zweieinhalbfachen der Materialmenge (z.B. durch Fraktionierbarkeit der Stoffe) Halbierung der Materialeinsatzmenge bei der Herstellung (kleine, leichte Produkte). Der Anspruch auf Dematerialisierung muss durch zwei einander ergänzende Strategien gleichzeitig verfolgt werden: Suffizienzstrategie: sie verfolgt die Frage des “Wieviel ist genug?“, das heißt, sie hin- terfrägt, welche Güter und Dienstleistungen zur Sicherung eines “guten Lebens“ ü- berhaupt notwendig sind. Dies schließt die Feststellung mit ein, dass in vielen Fällen ein “Weniger“ an Materiellem ein “Mehr“ an Lebensqualität bedeuten kann. Die Suf- fizienzstrategie zielt deshalb auf eine Bedürfnisreduktion vor allem dort ab, wo Güter und Dienstleistungen keinen positiven Beitrag zu einem nachhaltigen Lebensstil leis- ten. Suffizienz bedeutet eine neue Genügsamkeit, die aber nichts mit Mangel, sondern etwas mit der Erkenntnis zu tun hat, dass man ohnehin ausreichend versorgt ist. 11
  • 12. Österreichisches Institut für Erwachsenenbildung www.oieb.at / TU-Wien – Ring-VO Lernende Regionen / SS 2005 Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung Effizienzstrategie: sie verfolgt die Frage, wie die unverzichtbaren Güter und Dienst- leistungen unter größtmöglicher Sparsamkeit in Bezug auf Ressourcenverbrauch und Vermeidung von Schadstoffen herzustellen, zu nutzen und zu entsorgen sind. Dieses Ressourcenmanagement ist heute die dominierende Umweltvorsorgestrategie. Beispie- le hiefür sind die Entwicklung schadstoffärmerer Produkte. Auch die Änderung des Nutzerverhaltens (z.B. die Begründung von Fahrgemeinschaften) kann zur Steigerung der Ressourceneffizienz beitragen. Der Dematerialisierungsanspruch erfordert eine Kombination von Effizienz- und Suffi- zienzstrategien. Bloße Effizienzsteigerung kann zur Überkompensation von Einspareffek- ten durch Wachstumseffekte führen (z.B. erhöhte Luftschadstoffbelastungen aus dem Au- toverkehr durch steigendes Verkehrsaufkommen trotz umweltfreundlicherer Fahrzeuge), während reine Suffizienzstrategien auf unzureichende gesellschaftliche Akzeptanz treffen können. • Natürlichkeit Mit diesem Grundwert der Nachhaltigkeit verbindet sich der Anspruch der bevorzugten Nut- zung sich natürlich regenerierender Quellen, der Orientierung an den Kreisläufen der Natur sowie der Verfolgung des Prinzips des Recyclings. Jedes Produkt, jede Funktion und jede Organisation soll mit der Biologie von Mensch und Natur vereinbar sein und deren Gesetz- mäßigkeiten entsprechen. Natürlichkeit und Lebensqualität sind über die Ästhetik miteinander verbunden. Die Ästhetik des Natürlichen zeigt den Weg zu einer nachhaltigen Lebensraum- gestaltung. • Entschleunigung Dieser Anspruch zielt auf die Anpassung der Geschwindigkeit gesellschaftlicher und ökono- mischer Abläufe sowie individueller Lebensstile an die natürlichen Zeitrhythmen. Zunehmend leidet die Gesellschaft in unseren Breiten unter der fortlaufenden Beschleunigung, die ihre Ursache in der immer schnelleren technisch-ökonomischen Entwicklung hat. Neben ökologi- schen Krisenerscheinungen sind die immer dichtere Abfolge von beruflichen und privaten Aktivitäten (Stress in Beruf und Freizeit), von Produktgenerationen oder die Kurzlebigkeit von Informationen symptomatisch für die Akzeleration. Dass diese Entwicklung in die “Be- schleunigungsfalle“ führt, wird inzwischen auch von der Wirtschaft erkannt. Sie erfährt Nachteile daraus, dass die immer kürzeren Produktzyklen nicht mehr gewährleisten, dass die Entwicklungskosten neuer Produkte finanziell amortisiert werden können. Im Zusammenle- ben führt die wachsende Veränderungsgeschwindigkeit zu Spannungen zwischen den Genera- tionen, weil immer weniger Gemeinsamkeiten in der Alltagskultur die (Großeltern) – Eltern– Kind–Beziehungen verbindet. Entschleunigung bedeutet die Wiederentdeckung der Langsamkeit und zielt auf einen konse- quenten Abbau von zeitbedingten Zwängen. Qualitäten wie Langlebigkeit, Dauerhaftigkeit, Stabilität, Besonnenheit, Muße u.a.m. gewinnen unter dem Prätext der Nachhaltigkeit an Ge- wicht. Im räumlichen Kontext bedeutet Verlangsamung eine bewusste Favorisierung der räumlichen Nähe bei der Nutzungsverteilung und eine Abkehr von der energieintensiven Be- schleunigung von Verkehrssystemen. 12
  • 13. Österreichisches Institut für Erwachsenenbildung www.oieb.at / TU-Wien – Ring-VO Lernende Regionen / SS 2005 Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung • Vielfalt Dieser Anspruch will den herrschenden Trend in Richtung Funktionstrennung und der daraus resultierenden Spezialisierung von Räumen entgegenwirken. Die zunehmende Nutzungsent- flechtung beruht auf der immer hochgradigeren Arbeitsteilung postindustrieller Gesellschaf- ten. Für jede der menschlichen Daseinsgrundfunktionen gibt es dafür festgelegte Orte, wo die jeweilige Tätigkeit innerhalb eines fix vorgegebenen Rahmens intensiv ausgeübt wird. Vielfalt steht in der Natur für ökologische Stabilität und Anpassungsfähigkeit von Ökosyste- men. Sie bedeutet im menschlichen Zusammenleben Krisensicherheit, Lebendigkeit und Effi- zienz durch Kurzwegigkeit und Mehrfachnutzung. Im räumlichen Kontext bedeutet sie eine Absage an räumliche Monostrukturen und stattdessen das Bemühen um mannigfaltige Funk- tionsverflechtungen. • Identität Sie bildet sich aus dem Zusammenspiel von Individualität, sozialem Eingebundensein und kultureller Verankerung. Sie ist Individualismus ohne Egozentrismus. Gerade heute, wo die herkömmlichen Identitätsstifter, nämlich Nationalstaat, Beruf und Familie, als wichtige Be- zugspunkte individueller Identitätsbildung zunehmend ihre Bedeutung verlieren, ist es wich- tig, neue aufzubauen. In diesem Zusammenhang bietet sich die Region als adäquate Bezugs- einheit an. Ihre jeweilige Entwicklung soll sich am Gewachsenen und an der Tradition orien- tieren, ohne die Notwendigkeit zur steten Veränderung aus den Augen zu verlieren. • Kreativität Sie ist Voraussetzung für das Auffinden alternativer Sichtweisen und Denkschemata, denn Kreativität bildet die unverzichtbare Basis für die Entwicklungsfähigkeit von Systemen. Es braucht sie, um das unhinterfragte Forschreiben bestehender Entwicklungstrends zu verhin- dern, um sich aus sogenannten “Sachzwängen“ zu befreien, um Lösungen im Sinne einer qua- litativen Entwicklung ohne quantitatives Wachstum erwirken zu können oder, um die Res- sourcen aus Regionen im Sinne der Nachhaltigkeit einsetzen zu können. • Sicherheit Sie zählt zu den zentralsten und komplexesten Bausteinen des menschlichen Bedürfnisspekt- rums. Will die Menschheit auch auf lange Sicht in eine sichere Zukunft gehen, so muss sie zweifelsfrei fundamentale Änderungen in ihren Werthaltungen und in ihrer Wirtschaftsweise vornehmen. Die großen Gefahrenpotenziale liegen heute kaum mehr in der natürlichen Um- welt, sondern in der Kultursphäre, dass heißt in der Lebensweise der Industriegesellschaften. Der Unterschied zu den Lebensrisiken vergangener Epochen besteht hier in der Mittelbarkeit der Bedrohungen, die der instinktiven Wahrnehmung und der intuitiven Abwehr entzogen sind. Die Erfassung zivilisatorischer Risiken und ein Dagegensteuern kann nur über eine entspre- chende Bewußtseinsbildung erfolgen. Merkmale einer sicherheitsfördernden Entwicklung sind z.B. grundsätzliche Behutsamkeit bei Eingriffen in die Natur, konsequente Gesundheits- und Gefahrenvorsorge, Förderung der wirtschaftlichen Selbstständigkeit von Regionen im Sinne einer aktiven Krisenvorsorge, Förderung von solidarischem Verhalten u.a.m. 13
  • 14. Österreichisches Institut für Erwachsenenbildung www.oieb.at / TU-Wien – Ring-VO Lernende Regionen / SS 2005 Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung 3.3.2 Nachhaltige Ausgestaltung der Daseinsgrundfunktionen Gesellschaftlich als bedeutsam erkannte Werte können nur im Alltagsleben der Bevölkerung verwirklicht werden. Dementsprechend ist hier darzulegen, wie die oben genannten Grund- werte der Nachhaltigkeit auf die raumrelevanten menschlichen Daseinsgrundfunktionen ein- wirken und diese entsprechend modifizieren: • Wohnen Im Rahmen eines nachhaltigen Lebensstils stellt die Wohnung den räumlichen Lebensmittel- punkt dar. Voraussetzung dafür ist, dass Wohnung und Wohnumfeld die Möglichkeit bieten, Grundbedürfnisse und persönliche Wünsche zu erfüllen, eigenen Lebensinteressen nachzuge- hen und soziale Kontakte zu ermöglichen. Ziele für das Wohnen unter dem Nachhaltigkeitsaspekt sind beispielsweise: Engmaschige Vernetzung des Wohnens mit den anderen Daseinsgrundfunktionen; Durchmischung des Wohnens mit verträglichen anderen Raumnutzungen; Bedachtnahme auf Elemente der Versorgungssicherheit im Hinblick auf Ernährung, Energie, im Krankheitsfall etc.; Beachtung von Prinzipien wie optimierter Flächeneinsatz, Niedrigenergie- und Leichtbauweise, Einsatz von heimischen Materialien, natürliche Belichtung bei der Gebäudeplanung u.ä.m.; Priorität von Sanierung und Ausbau bestehender Bausubstanz vor Neubau; Anpassung des Wohnbaustandortes und der Gebäudeform an natürliche Gegebenhei- ten; Alten- und Behindertengerechtigkeit des Baues; Anpassung an das historisch gewachsene soziale und kulturelle Umfeld im Sinne einer traditionsorientierten Entwicklungsfähigkeit; Vernetzung des Wohninnenbereiches mit dem Wohnumfeld nach dem Motto “im Gar- ten wohnen – die Natur ins Zimmer holen“; Individuelle Gestaltungsmöglichkeit persönlicher Frei- und Rückzugsräume, jedoch mit Einbettung in das Ganze (“Einheit in der Vielfalt“). • Arbeit Positive Anknüpfungspunkte in Richtung nachhaltige Gestaltung von Arbeit sind im gegen- wärtigen Umbruch der Arbeitswelt durchaus erkennbar. So fördert der Wertewandel die Etablierung ganzheitlicher Arbeitsformen, was Selbstentfaltung und Identifikation mit dem Arbeitsergebnis begünstigt. Mit der wachsenden Dienstleistungsorientierung verbindet sich ferner eine zunehmende Entmaterialisierung der Wertschöpfung. Die Informationstechnologie macht prinzipiell eine Dezentralisierung gewisser Betriebsabläufe möglich, sie begünstigt die Entstehung dezentraler Arbeitsplätze und trägt zur Überwindung der scharfen Trennung von Arbeitswelt und Familie bei. Anforderungen an eine nachhaltige Arbeitswelt sind beispielsweise: Forcierung von Erwerbsarbeitsplätzen in der Nähe des Wohnortes. Dazu kann gerade im ländlichen Raum eine endogene Regionalentwicklung zur Schaffung von Arbeits- plätzen fern wirtschaftlicher Zentren beitragen; 14
  • 15. Österreichisches Institut für Erwachsenenbildung www.oieb.at / TU-Wien – Ring-VO Lernende Regionen / SS 2005 Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung Bewusstseinsbildung der Konsumenten dahingehend, jene Produkte und Dienstleis- tungen nachzufragen, die aus der Nähe kommen; Aufwertung des informellen Arbeitssektors, also Umorientierung in der Fixierung auf die Erwerbsarbeit hin zur Eigen- und Beziehungsarbeit (Nachbarschaftshilfe, Vereins- arbeit); Verbesserung der Integration von Berufs- und Privatsphäre durch flexible Arbeitsplät- ze, die räumlich und zeitlich an individuelle Verhältnisse anpassbar sind. Flexibilisie- rung heißt, dass Technik und Arbeitsorganisation sich dem jeweiligen Menschen an- passen und nicht umgekehrt; Kreation und Organisation ganzheitlicher Arbeitsformen; Freihalten von Gestaltungsspielräumen und Mitbestimmungsmöglichkeiten am Ar- beitsplatz als Grundlage einer befriedigenden Arbeitssituation; Ausbau der Gesundheits- und Sicherheitsvorsorge am Arbeitsplatz. Forcierung des Grundsatzes: Risikoreduktion statt Gefahrenzulagen; Auf Nachhaltigkeit ausgerichtete wirtschaftspolitische Weichenstellungen, wie eine ökologische Steuerreform, zum Schutz der regionalen Wirtschaft durch Verteuerung von Transport und Energieverbrauch. • Freizeit Ein großes Hoffnungspotenzial für eine nachhaltige Freizeitgestaltung liegt im Verschwinden der ehemals scharfen Trennlinien zwischen Freizeit und Erwerbsarbeit. Wurden in der Ver- gangenheit an beide Sphären ganz unterschiedliche Erwartungen geknüpft, so wollen heute immer mehr Menschen sowohl bei der Arbeit als auch in der Freizeit Selbstverwirklichung und -entfaltung erleben. Ziele für die Funktion Freizeit unter dem Nachhaltigkeitsaspekt sind beispielsweise: Errichtung eines freizeitgerechten Wohnumfeldes als Basis für stressfreien Freizeitge- nuss. Eine abwechslungsreiche Freizeitgestaltung (Ruhe, Bildung, Kreativität, Sport etc.) soll primär durch die Nutzung der Umgebungsvielfalt erzielt werden; Vermeidung von lebensqualitätsbeeinträchtigenden “Freizeitmonokulturen“; Erhöhung des Anteils konsumfrei verbrachter Freizeit (z.B. Gartenarbeit, Wandern) Favorisierung von Naturerleben mit möglichst geringem technischen Aufwand; Propagierung risikoarmer Sportarten zur Erholung ohne Gefahr; Soziale Einbindung des Freizeitverhaltens stärken (Freizeit als Gemeinschaftserleb- nis); Aufwertung der realen gegenüber der virtuellen Welt (z.B. wirkliches Erleben anstatt TV, Gesellschaftsspiele statt Computerspiele). • Ernährung Die Art und Weise wie der Mensch das Grundbedürfnis Ernährung deckt, hat zum einen per- sönliche Auswirkungen auf sein Wohlbefinden und seine Gesundheit und zum anderen kommt über diese Individualentscheidungen die vorherrschende Ernährungsweise einer Ge- sellschaft zustande. Letzteres bestimmt wieder in einem beträchtlichen Ausmaß die Art der Nahrungsmittelverarbeitung sowie die ökonomische und ökologische Situation in der Land- bewirtschaftung. Anforderungen an eine nachhaltige Ernährungsweise sind beispielsweise: 15
  • 16. Österreichisches Institut für Erwachsenenbildung www.oieb.at / TU-Wien – Ring-VO Lernende Regionen / SS 2005 Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung Aufwertung des Gesundheitsbewusstseins als persönlicher Identitätsbestandteil; Etablierung einer “slowfood-Kultur“ zur Förderung geistiger, seelischer und sozialer Gesundheit; Forcierung von naturverträglich produzierten Lebensmitteln aus der Region, ein- schließlich der engen Verbindung zwischen Nahversorgung und heimischer Landwirt- schaft (Ziel: das in der Nähe erzeugte Produkt aus dem nahen Geschäft); Wertigkeitssteigerung der Ernährung durch Erhöhung des pflanzlichen Anteils. Mehr Saisongerechtigkeit durch Berücksichtigung des jahreszeitlich unterschiedlichen An- gebots an heimischen Lebensmitteln; Renaissance bzw. Entwicklung einer Esskultur; Essen als soziales und kommunikati- ves Ereignis. • Konsum Die Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs ist im Raum der EU im Prinzip gelöst und damit ist die materielle Basis für die Vereinbarkeit individueller Existenzansprüche mit einer zukunftsverträglichen Gesamtentwicklung im Sinne einer kulturell-zivilisatorischen Evolution des Menschen geschaffen. Charakteristika einer nachhaltigen Konsumwelt sind beispielsweise: Persönlichkeit und Identität als Eckpfeiler eines neuen Konsumentenleitbildes: Selbst- bestimmtheit, Informiertheit, Bedarfs- statt Modeorientierung charakterisieren den au- tonom entscheidenden Konsumenten; Nutzen hat Vorrang vor Besitz. Vielfältige Gebrauchsmodelle (z.B. Car-sharing) schaffen Alternativen zum Erwerb von Produkten; Ersatz von Konsum durch Naturerlebnisse; Befreiung von Ersatzbefriedigung durch Konsum; der Status wird mittels Persönlichkeit und weniger mit materiellen Symbolen zum Ausdruck gebracht; Aufrechterhaltung der Nahversorgung sowie Vorrang heimischer Produkte als Teil der Wahrnehmung der Verantwortung für die Kulturlandschaft; Neue Kriterien für “nachhaltige Produktqualität“: lange Nutzungsdauer, Reparierbar- keit, längere Produktzyklen, Aufrüstung statt Neukauf, Multifunktionalität von Pro- dukten sowie langfristige Gebrauchssicherheit (lange Verfügbarkeit von Ersatzteilen und Zubehör etc.) gewinnen an Bedeutung; Orientierung an ökologischen Produktinformationen als maßgebliches individuelles Kaufkriterium; Verständnis des Haushalts als produktive Einheit. Der Haushalt wird nicht nur als Konsumgemeinschaft interpretiert, sondern als produktive Einheit, die Leistungen wie Kindererziehung, Nachbarschaftshilfe, Fertigstellung von Vor- und Halbfertigproduk- ten erbringt. • Bildung Während Mobilität die Daseinsgrundfunktionen räumlich-physisch verbindet, sorgt Bildung für ihre geistig-abstrakte Vernetzung zu einer Ganzheitlichkeit. So setzt ein nachhaltiger Le- bensstil das Erkennen von Zusammenhängen und Phänomenen voraus, die über die primäre Sinneswahrnehmung und unmittelbare Lebenserfahrung hinausgehen. 16
  • 17. Österreichisches Institut für Erwachsenenbildung www.oieb.at / TU-Wien – Ring-VO Lernende Regionen / SS 2005 Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung Merkmale eines zukunftsorientierten Bildungswesens sind beispielsweise: Förderung des vernetzten Denkens; Vermittlung eines Wert- und Grenzenbewusst- seins; Förderung der Überschaubarkeit des Wissens; Neuer Stellenwert von Solidarität, Verantwortung und Demokratie: Zum Beispiel brauchen die neu abzuschließenden sozialen Verträge zur Alterssicherung bei verän- dertem Altersaufbau und der Wahrung der Lebensrechte kommender Generationen neben materiellen und organisatorisch-systembezogenen Weichenstellungen einen ge- sellschaftlichen Grundkonsens, dessen tragfähige Säule Ethik und Werterziehung bil- den. Wandel der leistungs- zu einer selbstwertorientierten Schulkultur; Aufwertung von Persönlichkeitsbildung, Forcierung sozialer Kompetenz, inklusive Gesundheits- und Risikobewusstseins sowie Vermittlung positiven Denkens; Wecken und Entwickeln von Problemlösungskompetenz; Forcierung des “Dualismus“ im Sinne einer ausgewogenen Entwicklung beider Ge- hirnhälften, das heißt Abkehr von der “linkshemisphärischen“ Orientierung; Verbin- dung von “Kopfarbeit“ mit allen sonstigen Fähigkeiten des Menschen; Herstellung eines Bezuges zur regionalen Erfahrungswelt, Schaffung neigungs- und eignungsgerechter Bildungsangebote im Wohnumfeld; Verknüpfung der Bildung mit anderen Lebensbereichen (z.B. “Bildungsurlaub“). • Mobilität Bei der Mobilität ist im Prinzip das planerische Instrumentarium bekannt, das dazu eingesetzt werden könnte, um den motorisierten Individualverkehr einzuschränken. Was noch fehlt, ist ein entsprechendes Mobilitäts- und Verkehrsverhalten der Menschen, um die Akzeptanz die- ser Lösungen zu erhöhen. Eine Auseinandersetzung mit Mobilität sollte daher weniger voll- ziehenden und mehr normentwickelnden Charakter entfalten. Elemente der Mobilität unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit sind beispielsweise: Räumliches Nebeneinander aller Lebensbereiche zum Abbau von Mobilitätszwängen. Weniger Mobilität hätte mehrere wünschenswerte Effekte: Entstehen lokaler Arbeits- plätze und Forcierung der Entwicklung endogener Wirtschaftspotenziale durch ver- stärkten Konsum regionaler Produkte wegen des Wegfalls langer Transportwege; po- sitive Auswirkung auf Lebensqualität, Gesundheit und Wohlbefinden aufgrund ver- minderter Verkehrsfolgen; Entwicklung von intraregionalen Bindungen und Bezie- hungsnetzen; Mobilität soll räumliche nicht durch zeitliche Nähe, die durch Beschleu- nigung im Verkehrssystem erreicht wird, ersetzen; Substitution von Mobilität durch Kommunikation; Ausnützen organisatorischer Möglichkeiten zur umweltgerechten Befriedigung des Mobilitätsbedürfnisses (z.B. Begründung von Fahrgemeinschaften); Erhaltung, Attraktivierung und Ausbau von lokalen und regionalen Fuß- und Radwe- genetzen; Erweiterung der Sicherheitsdimension im Verkehrswesen, das heißt, einer Optimie- rung des Gesamtsystems ist gegenüber der Maximierung in einzelnen Bereichen der Vorzug zu geben; Sicherheit, Komfort und fehlerfreundliche Technologien sind dem Faktor “Geschwin- digkeit“ vorzuziehen. 17
  • 18. Österreichisches Institut für Erwachsenenbildung www.oieb.at / TU-Wien – Ring-VO Lernende Regionen / SS 2005 Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine Fortentwicklung der Lebensstile in Richtung Nachhaltigkeit auf eine dauerhafte Stabilisierung der Gemeinwesen auf den verschiedenen Organisationsstufen – gewissermaßen von der Familie bis zur supranationalen Ebene – hin- ausläuft und zudem das einzelne Individuum einen Gewinn an Lebensqualität und Lebenser- füllung daraus ziehen kann. Nachhaltige Entwicklung verspricht ein “gutes Leben“, das in seinem Anspruch über das bloße “viel Haben“ hinausgeht. 4. Nachhaltige Raumstrukturen 4.1 Grundsätzliches Ausgehend von der Einsicht, dass durch die physische und organisatorische Struktur von Räumen sehr entscheidend Lebensstile verändert werden, ist hier zu fragen, welche zukunfts- fähigen Erscheinungsformen der räumlichen Entwicklung nachhaltige Lebensstile fördern bzw. diese Schritt für Schritt hervorbringen. Dies geschieht unter Einbeziehung der Forde- rung, dass dabei die genannten ökologischen Ziele gewahrt werden. Ferner ist zu bedenken, dass hier die ökonomischen Aspekte weitgehend mit den inhaltlichen Ausformungen des Le- bensstils verbunden sind, weil im Konzept der nachhaltigen Entwicklung “die Wirtschaft“ bloß eines der zentralen Mittel zur Realisierung zukunftsverträglicher Lebensweisen darstellt (und nicht umgekehrt die Lebensweise der Menschen ein Ergebnis vorderhand ökonomischer Zielvorstellungen ist). Eine nachhaltige Wirtschaft entwickelt sich durch entsprechend verän- derte makroökonomische Rahmenbedingungen einerseits und durch eine geänderte Nachfrage anderseits. Die nachfolgende Beschreibung, wie bei gegenwärtigem Wissensstand nachhaltige Raum- strukturen zu charakterisieren sind, ist nicht dahingehend zu missinterpretieren, dass derartige Strukturen “von oben her“ verordnet werden sollten und Bestehendes weichen müsste, son- dern, dass sich durch Bewusstseinsbildung und Anreize, nach und nach die Lebensstile im vorausgehenden Kapitel dargelegten Sinn verändern und parallel dazu auch Schritt für Schritt die Raumstrukturen. 4.2 Nachhaltige Entwicklung der Siedlungsstrukturen Siedlungen, also die durch Bauten und Anlagen dominierten räumlichen Strukturen, sind zentraler Ausdruck und zugleich Rahmenbedingung für die vielfältigen Lebensäußerungen der Menschen als Individuen als auch als Teile der Gesellschaft. Die gebaute Umwelt ist demnach immer physischer Ausdruck des technologischen Entwicklungsstandes, des jeweils vorherrschenden ökonomischen Imperativs, des ökologischen “Gewissens“ sowie der domi- nierenden sozialen, ästhetischen und ethischen Strömungen einer Gesellschaft. Dementspre- chend wird “sustainable development“ nur Hand in Hand mit Veränderungen im Siedlungs- wesen erreicht werden können. Aus regionaler Sicht ist davon auszugehen, dass sich nachhaltige Raumstrukturen nur auf Ba- sis eines möglichst eigenständigen und stabilen ländlichen Raumes einerseits und auf nicht wuchernden, aber vitalen Städten anderseits realisieren lassen. Stadt und Land sind gerade in ihrer gewachsenen physischen und soziokulturellen Gegensätzlichkeit als einander prinzipiell ergänzende Raumphänomene zu erkennen, die miteinander gleichberechtigte “symbiotische“ Austauschbeziehungen verschiedenster Art auf möglichst kurzem Wege pflegen sollen. 18
  • 19. Österreichisches Institut für Erwachsenenbildung www.oieb.at / TU-Wien – Ring-VO Lernende Regionen / SS 2005 Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung 4.2.1 Ländliche Siedlungsstrukturen Folgende Ziele und Maßnahmen fördern die nachhaltige Entwicklung in ländlich geprägten Siedlungsräumen: • Mehrfachnutzungen begünstigen Multifunktionelle Raumnutzung: Die am Land dominierende Form des Ein- oder Zweifamilienhauses bietet in der Regel genug Platz, um die anzustrebende Aufwer- tung des Eigenarbeitsanteils räumlich zu bewältigen, aber auch um in Hinkunft ver- mehrt von zu Hause aus Erwerbstätigkeiten nachzugehen; Aufbau multifunktioneller Läden: neue Chancen ergeben sich durch Zusammenlegung von Versorgungseinrichtungen, die für sich allein in Dörfern nicht mehr überlebensfä- hig sind. Zum Beispiel Funktionskonzentration durch Gemischtwarenhandel, kombi- niert mit Post, Lotto-Toto, Annahmestelle für Putzereien, Schuhreparaturen, Fax- und Fotokopierstelle etc.; “fliegende“ Dienstleister: “fahrende“ Greißler, mobile Bauernmärkte, mobile Alten- und Krankenversorgungen etc. • Abhängigkeit vom motorisierten Individualverkehr abbauen – Fußläufigkeit auf- bauen Aufbau von Widerständen gegen den motorisierten Individualverkehr im Straßennetz ländlicher Siedlungen und Dörfer; Aufbau neuer Beförderungsformen: Forcieren von Fahrgemeinschaften, Carsharing, Rufbus, Bürgerbus u.ä.; sorgfältigere Gestaltung der Straßenräume und Plätze; Konditionierung der Kinder auf die Nähe sowie auf das Gehen und Radeln. • Flächenverbrauch drastisch reduzieren Wirksame aktive Bodenpolitik; Kostenwahrheit bei der Erschließung; Förderung der baulichen Entwicklung “nach innen“; Förderung flächensparender Bauformen. • Ressourceneinsatz und Außenabhängigkeit reduzieren Sparsamkeit, Sauberkeit, Unabhängigkeit und Nähe müssen die Leitprinzipien bei der Ver- und Entsorgung werden. Die bedeutet beispielsweise für die: Energieversorgung: Grundsatz muss es sein, die am entsprechenden Ort vorhandenen Energiequellen so zu nützen, dass man mit möglichst wenig Fremdenergie auskommt; das wird z.B. erreicht durch Verstärkte Beachtung mikroklimatischer Faktoren bei Baulandausweisungen; 19
  • 20. Österreichisches Institut für Erwachsenenbildung www.oieb.at / TU-Wien – Ring-VO Lernende Regionen / SS 2005 Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung Anordnung und Ausformung der Baukörper entsprechend optimaler Sonnenener- gienutzung; Vermeidung von offenen Bauformen; Absoluter Vorrang erneuerbarer Energieformen aus der Region; Erstellung örtlicher Energiekonzepte. Wasserver- und –entsorgung Keine Mischkanalisationen, vielmehr Sammlung und Gebrauch respektive Versi- ckerung des Regenwassers vor Ort; Staffelung der Wassertarife nach Pro-Kopf-Verbrauchsquoten; Abwassergrundgebühren nach Lage des Gebäudes. Grundsätzlich sind die “kommunalen Dienste“ so weit wie möglich zu entkommunalisieren und zu entkommerzialisieren und in die Selbstverantwortung und Selbstorganisation der Bür- ger und Betriebe zurückzuführen. Die daraus erwachsenden Vorteile sind: Entlastung der öf- fentlichen Haushalte, Stärkung des informellen Arbeitssektors und dessen gesellschaftliche Aufwertung, Ausbau von tätigen Nachbarschaften und Problembewusstsein sowie Reduktion der Außenabhängigkeit. • Abkehr vom utilitaristischen Denken Es sollen verstärkt folgende Grundsätze Beachtung finden: “Das Schöne kommt vor dem Nur- Nützlichen“ und “das Beständige kommt vor dem Nur-Modernen“. Das heißt beispielsweise: Anknüpfen an und Weiterentwicklung von regionsspezifischen Siedlungstraditio- nen und Bauformen; Möglichst hoher Einsatz von regionsbürtigen Materialien; Verwendung natürlicher Materialien, die durch Altern an Qualität gewinnen und problemlos entsorgt werden können; Verwendung qualitativ hochwertiger, aber nicht teurer Materialien; Renovierung und Sanierung alten Bau- und Infrastrukturbestandes geht vor Abriss und Neubau; Propagierung der Ästhetik der Einfachheit und Sparsamkeit; Wertschätzung von kreativen Eigenleistungen und traditionellen (Handwerks-) Fertigkeiten. Ökosiedlung Dunkelsteiner Wald Lage: Das Projekt Ökosiedlung Dunkelsteiner Wald befindet sich an den südöstlichen Ausläufern des Niederösterrei- chischen Granithügellandes. Der Ort Obritzberg liegt zwischen 400m und 500m Seehöhe im Bezirk St. Pölten. Geprägt ist das Gebiet durch Waldwirtschaft und Viehzucht, weiter im Osten herrschen Ackerbau mit Viehhal- tung vor. Projektbetreiber: die Bewohner der Ökosiedlung Dunkelsteiner Wald Projektziel: Folgende Ziele sollen mit diesem Projekt erreicht werden: Leistung eines Beitrags zur Nachhaltigkeit und zum Klimaschutz Realisierung des neuesten Stands der Technik zu ökonomisch vertretbaren Kosten, basierend auf internatio- nalen Erfahrungen Entstehungsgeschichte des Projektes: 20
  • 21. Österreichisches Institut für Erwachsenenbildung www.oieb.at / TU-Wien – Ring-VO Lernende Regionen / SS 2005 Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung Begonnen hat dieses Projekt mit insgesamt 5 Familien, die den sie verbindenden Wunsch nach einer ökologi- schen und nachhaltigen Bauweise ihres Eigenheims verwirklichen wollten. Gemeinsam wurde die Idee formu- liert, alle zu dessen Realisierung notwendigen rechtlichen Fragen im Vorfeld abgeklärt und im Frühjahr 1993 ein geeignetes Grundstück zur Errichtung einer Siedlung aus Niedrigenergiehäusern gefunden. Anschließend wurde ein Architekt beauftragt und mit dem Projekt begonnen. Stand der Dinge: Die Ökosiedlung Dunkelsteiner Wald umfaßt 2 Gebäude mit 420m² Wohnfläche und insgesamt 6 Wohneinhei- ten, welche zur Verringerung des Energieverbrauchs in Form von Reihenhäusern mit kuppelförmigem Dach angelegt sind. Zur Ermöglichung einer optimalen passiven Sonnenenergienutzung wurden die exakt nach Süden ausgerichteten und am höchsten Punkt des Grundstücks erbauten Häuser zusätzlich noch um ein Geschoß in der Höhe versetzt. An ihrer Südseite dienen große Fenster und Wintergärten der Belichtung und der Wärmeaufnahme. Um Energieverluste aufgrund der exponierten Lage zu vermeiden, sind die Gebäude, mit Ausnahme der Südsei- te, in das Erdreich eingeschüttet und begrünt. In das Erdreich, das nicht nur als Windschutz, sondern auch als Wärmepuffer dient, wird Überschußwärme aus den Sonnenkollektoren und Wintergärten eingebracht. Dieser Erdkollektor dient als Energiespeicher, der zudem einen verringerten Aufwand an Isoliermaterial für die Haus- dämmung bedingt. Aufgrund der ausgeklügelten Bauweise sowie natürlicher Isolationsmaterialien werden die Transmissionsverluste auf ein Minimum reduziert und somit eine wichtige Maßnahme zur Einsparung der Ener- giekosten bewirkt. Zur Gewährleistung weiterer Energieeffizienz ist eine automatische Be- und Entlüftung der Wohnungen einge- baut, dessen Rohrkanalsystem einerseits der Lüftung, andererseits der Wärmerückgewinnung aus der Abluft dient. Umgekehrt wirkt dieses System im Sommer kühlend. Die am Dach angebrachte Sonnenkollektor-Anlage dient sowohl der Raumheizung als auch der Warmwasser- aufbereitung. Wand– und Fußbodenheizungen optimieren die Wärmeabgabe, aufgrund dessen wird schon bei vergleichsweise niedrigen Temperaturen Behaglichkeit empfunden. Durch den Einsatz stromsparender Geräte kann der jährliche Strombedarf niedrig gehalten werden. Auch im Bereich der Mobilität wurden energie- und klimaschonende Maßnahmen gesetzt, wie z.B. die Verringe- rung der Arbeitswege durch Integration von Arbeitsräumen in die Wohnsiedlung, Vermeidung weiterer Auto- fahrten aufgrund von Selbstversorger-Gärten, gemeinschaftlicher Einkäufe bzw. Lieferungen sowie des Mehrge- nerationen-Wohnens (Wegfall von Besuchsfahrten). Eine weitere Maßnahme zur Ressourcenschonung ist die Filterung und Sammlung des Niederschlagswassers, das für die Gartenbewässerung und (solar erwärmt) für die Waschmaschine verwendet wird. Das Abwasser aus Bädern, Küchen und Toiletten wird in einer Pflanzenkläranlage gereinigt und als „Grauwasser“ auf den Grünflä- chen verregnet sowie zur WC-Spülung verwendet. So findet auf dem gesamten Grundstück ein geschlossener Wasserkreislauf statt, der lediglich durch eine geringe Trinkwassereinspeisung ergänzt wird, jedoch kein Abwas- ser nach außen hin abgibt. Das Projekt selbst ist bereits realisiert, jedoch findet zur Zeit eine wissenschaftliche Begleitforschung statt, die sich mit der Evaluierung der einzelnen Komponenten des Energiekonzeptes befaßt. Zukunftsperspektiven: Für die Zukunft sind diverse Verbesserungen, wie z.B. die Optimierung der Heizung geplant, da es immer wie- der kleinere Anfälligkeiten gibt. Weiters soll im Bereich des „Wasser-Moduls“ ein in Österreich zum ersten Mal verlegter Drainageschlauch zum Einsatz kommen, der das geklärte Abwasser wieder der Biosphäre zuführt. Bedeutung des Projektes für die Nachhaltigkeit: Das Projekt Ökosiedlung Dunkelsteiner Wald zeichnet sich durch den äußerst sparsamen Umgang mit Ressour- cen aus, ohne dabei die Lebensqualität der Siedlungsbewohner zu beeinträchtigen. Dieses Projekt ist somit der gelebte Beweis für die Aussage: „Reich ist nicht nur, wer viel hat, sondern auch, wer wenig braucht.“ Kontakt: Ökosiedlung Dunkelsteiner Wald / Wohnprojekt Hotzenplotz Company Ges.n.b.R Michael Bockhorni Tel.: 0043 / 2786 / 29 09 59 Neustift 26/2 Fax.: 0043 / 2786 / 31 05 314 A-3123 Obritzberg E-mail: m.bockhorni@netway.at Internetadresse: http://www.municipia.at Suchwort: „Ökolsiedlung Dunkelsteiner Wald“ 4.2.2 Städtische Siedlungsstrukturen 21
  • 22. Österreichisches Institut für Erwachsenenbildung www.oieb.at / TU-Wien – Ring-VO Lernende Regionen / SS 2005 Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung Da die weitgehende Bestandsschonung vorhandener Baustrukturen sowohl aus ökologischen (Ressourcenschonung), finanziellen (sparsamer Mitteleinsatz), sozialen (Schonung ange- stammter Interessen) und rechtlichen Gründen (Eigentumsschutz) ein Ziel nachhaltiger Stadt- entwicklung ist, heißt das, dass es auch unter dem Paradigma der Nachhaltigkeit keine “ho- mogene“ Stadt geben kann. Realistischerweise muss an die derzeitige stadträumliche Nut- zungsverteilung in den einschlägigen Überlegungen angeknüpft und innerhalb dieses sehr starren Rahmens nach kleinen, meist unspektakulären Verbesserungen Ausschau gehalten werden: a) Citybezogene Maßnahmen durch Dachgeschossausbauten Rückholung der stark verdrängten Wohnnutzung: keine weitere Umnutzung von Wohnungen; Einsatz aktiver und passiver Sonnenenergienutzung; Begünstigung der Versickerung und Verdunstung von Regenwasser; Optimale Ausnutzung der oft minimalen Grünraumpotenziale (Fassaden-, Hof- und Dachbegrünungen). b) Alltagsstadtbezogene Maßnahmen • weitere Zurückdrängung des motorisierten Individualverkehrs absoluter Baustopp von Einkaufszentren in Agglomerationsrandlage, um das autoab- hängige Einkaufen und den weiteren Kaufkraftabfluss “auf die grüne Wiese“ zu ver- hindern; Schaffung positiver Nutzungsanreize für leerstehende Wohnungen und Unterstützung des Wohnungstausches; Forcierung der Umnutzung, der Bebauung und der baulichen Sanierung von brachge- fallenen innerstädtischen Arealen; Sicherstellung der Nutzungsmischung bei der Nachnutzung. • (Re-) Integration innerstädtischer Grünoasen Innenhof-, Fassaden-, Dach- und Tiefgaragenbegrünungen; Nutzung von Baulücken als (temporäre) öffentliche Erholungsflächen; Verbesserung der Wohnraum-Freiraumrelationen durch Umwidmung und -gestaltung von Verkehrsräumen zu Ruhe-, Spiel- und Sportflächen; Reintegration offener Wasserläufe in das Stadtgefüge. • Ressourceneinsatz und Außenabhängigkeit reduzieren Nachbesserung beim baulichen Wärmeschutz forcieren; Solarenergienutzung und Abwärmenutzung anstreben; Möglichkeit stadtteilbezogener Kompostierung prüfen. • Stadterweiterung nach innen begünstigen Anlage von Baulückenkatastern; aktives Baulückenmanagement verfolgen; Dachgeschossausbauten, maßvolle Aufstockungen und Standardverbesserungen von Altbauwohnungen forcieren; 22
  • 23. Österreichisches Institut für Erwachsenenbildung www.oieb.at / TU-Wien – Ring-VO Lernende Regionen / SS 2005 Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung Gezielter Abbau städtebaulicher Barrieren wie Überbauung von Bahnanlagen, Einhau- sung bzw. Überplattung hochfrequentierter Straßenzüge, Eröffnung von Passagen; keinen Perfektionismus anstreben, sondern die entsprechenden Spielräume für ein allmähliches Anwachsen, Verändern und Aneignen zulassen; Einsatz von Materialien mit möglichst kleinem “ökologischen Rucksack“; Realisierung von Demonstrationsprojekten zur Nachhaltigkeit, die zeigen, dass nach- haltige Raumstrukturen nicht nur “ökologisches Flickwerk“ sind, sondern ein umfas- sendes städtebauliches Konzept mit hoher individueller und gemeinschaftlicher Le- bensqualität. c) Stadtrandbezogene Maßnahmen Wesensgemäß setzen die großflächig spezialisierten Stadtteile am Stadtrand einer Verände- rung in Richtung Nachhaltigkeit den größten siedlungsstrukturellen Widerstand entgegen. • Beschränkung des ungezügelten Stadtwachstums Festlegen eines robusten Freiraumgerüsts um den Stadtkörper und rechtliche wie fak- tische Tabuisierung dieser Flächen; Vorrangiges Ausschöpfen der Nachverdichtungsmöglichkeiten nach innen; Verzicht auf weitere Großprojekte “auf der grünen Wiese“, wie Einkaufszentren, Frei- zeitparks, große monofunktionale Wohn, respektive Gewerbesiedlungen. • Maßnahmen bei monofunktionalen Gebieten mit Geschosswohnungsanlagen Nachverdichtungspotenziale, verbunden mit einer Aufwertung der betreffenden Ge- biete beteiligungsorientiert prüfen und bei Akzeptanz der angestammten Bewohner nützen; Anlage von Mietergärten auf den verbleibenden Freiflächen; Nutzerfreundliche Umgestaltung der Freiflächen; Zur Verfügungstellung von Gemeinschaftsräumen (Werkstätten, Musikproberäume, Jugendtreffs); Gezielte Ansiedlung von Arbeitsplätzen; Umrüsten in der Energieversorgung und Energiesparmaßnahmen konsequent verfol- gen. Generell sind jene Nachbesserungen in den monofunktionalen Wohngebieten zu forcieren, die - den Selbstorganisationsgrad der Bewohner fördern - die Außenabhängigkeit bei der Ver- und Entsorgung abbauen - den Material- und Energiedurchsatz verringern und - die Multifunktionalität fördern. Ökologisch Wohnen Lage: Das Projekt mit dem Namen Ökologisch Wohnen befindet sich in Österreich, im Bundesland Salzburg. Die Landschaftsformen und die damit verbunden Seehöhen variieren in diesem Bundesland sehr stark. Im Norden beträgt die Seehöhe zwischen 400m und 500m und steigt Richtung Süden bis über 3000m an. Geprägt ist das Bundesland Salzburg sowohl durch die Land- und Forstwirtschaft als auch durch den Tourismus. Projektbetreiber: die Umwelt-Abteilung der Salzburger Landesregierung 23
  • 24. Österreichisches Institut für Erwachsenenbildung www.oieb.at / TU-Wien – Ring-VO Lernende Regionen / SS 2005 Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung Projektziel: Folgende Ziele sollen mit diesem Projekt erreicht werden: Reduktion des Strom-, Heizenergie- und Wasserverbrauchs Verringerung der Abfallmenge (konsumbedingter Müll) Reduktion der Betriebskosten Erhöhung der Lebensqualität Das eigentliche, übergeordnete Ziel dieses Projektes ist: Breite Bewußtseinsbildung durch Aufzeigen der Realisierbarkeit der oben angeführten Zielrichtungen Projektentwicklung: Begonnen wurde dieses Projekt 1999 mit einer Ausschreibung in der Regionalzeitung (Gratiszeitschrift) „Salz- burger Fenster“. Gesucht waren Familien, die in Modellhaushalten aufgrund einfacher Maßnahmen den Verbrauch von Energieträgern, Wasser sowie der kosumbedingten Abfallmenge meßbar verringern sollten. In Folge meldeten sich 15 Familien, die daraufhin zu den Themen Wohnraum, Heizung, Haushaltsgeräte, Ener- gie- und Wasserverbrauch, Mobilität, Konsum sowie Abfall befragt wurden. Aus dem Bewerberkreis wurden Ende Oktober 1999 4 „Teilnehmer-Familien“ ausgewählt, wobei auf eine mög- lichst repräsentative Mischung von Familiengröße, Wohnort, Hausform und –alter sowie genutzten Energieträ- gern geachtet wurde. Zu Beginn der einjährigen Aufzeichnungsperiode (1.1. - 31.12.2000) erhielten die Teilnehmer-Familien neben schriftlichen Unterlagen eine umfassende Energiesparberatung sowie von Firmen zur Verfügung gestellte Ener- giesparlampen und Wassersparprodukte (Wasserspareinsätze an Armaturen und in Spülkästen). Während des Jahres 2000 notierten die Teilnehmer-Familien wöchentlich ihre Verbrauchszahlen, um sie mit den Vorjahreswerten zu vergleichen. Diese Aufzeichnungen dokumentierten tatsächlich meßbare Einsparungen, insbesondere bei Strom und Frischwasser. Erstaunlich gering waren die wöchentlich anfallenden Abfallmengen, verglichen mit den Durchschnittswerten pro Einwohner im Bundesland Salzburg. Stand der Dinge: Durch laufende Berichterstattung in der Zeitschrift „Salzburger Fenster“ sollen möglichst viele Haushalte dazu motiviert werden, dem Beispiel der Projekt-Teilnehmer zu folgen und aktiven Umweltschutz, verbunden mit finanziellen Vorteilen, zu betreiben. Zukunftsperspektiven: Nach Abschluß des Projektes und Auswertung der Aufzeichnungen ist für Anfang 2001 eine Präsentation der Ergebnisse der Bewußtseins-Kampagne „Ökologisch Wohnen“ vorgesehen. Bedeutung des Projektes für die Nachhaltigkeit: Dieses Projekt ist bezüglich der Nachhaltigkeit von besonderer Bedeutung, da es folgende Merkmale aufweist: Geringere Betriebskosten: der Einspareffekt ist direkt und für jeden einzelnen Haushalt spürbar Entlastung der Umwelt: die Schonung der Ressourcen kommt der Umwelt zugute Mehr Wohlbefinden: Bemühungen um Verbrauchseinsparungen führen oft auch zur Steigerung der Behag- lichkeit im Wohnraum, da zugleich störende Effekte wie etwa Zugluft, zu niedrige Oberflächentemperaturen der Außenwände, Schimmelbildung, unnötiger Lärm oder blendendes Licht beseitigt werden. Kontakt: Dipl.-Ing. Dr. Robert Gross Tel: 0043 / 662 / 8042-4415 Land Salzburg, Umweltschutz Fax: 0043 / 662 / 8042-4167 Postfach 527, A-5010 Salzburg E-mail: robert.gross@land-sbg.gv.at Internetadresse: http://www.land-sbg.gv.at • Maßnahmen bei monofunktionalen Industrie- und Gewerbegebieten Primat der Bestandsschonung bei der Umnutzung; Verwendung gut dämmender, alterungsfähiger und recyclebarer Baumaterialen mit möglichst kleinem “ökologischen Rucksack“; “Durchlässigkeit“ monofunktionaler Betriebsbaugebiete für andere Nutzungen forcie- ren, wie Öffnung von Kantinen, Parkplätzen, Versammlungssälen und Besprechungs- räumen für betriebsfremde Nutzer; Durchmischung mit verträglichen Nutzungen forcieren; Bündelung von Unternehmen zwecks gemeinsamer Nutzung von Know-how und Inf- rastruktur; Handwerkerhöfe, Gewerbeparks, Intelligence-Centers u.a.m.; 24
  • 25. Österreichisches Institut für Erwachsenenbildung www.oieb.at / TU-Wien – Ring-VO Lernende Regionen / SS 2005 Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung durchgrünte, sorgfältige Freiraumgestaltung; Aufbau von Stadt-Land-Partnerschaften zwischen Industrie- und Gewerbebetrieben einerseits und nahen Lebensmittel- bzw. Rohstoffproduzenten anderseits; Einsatz erneuerbarer Energieformen forcieren und Energiesparmaßnahmen ausschöp- fen. 4.3 Nachhaltige Entwicklung der Arbeitsstättenstruktur Die Orientierung der Arbeitsplatzpolitik am Anspruch der Nachhaltigkeit strebt nach einer Dezentralisierung des Wirtschaftsgeschehens und bedeutet, jene Weichenstellungen tenden- ziell zu begünstigen, die eine Aufwertung der regionalen Wirtschaftsebene erwarten lassen. Eine Regionalisierung des Wirtschaftsgeschehens heißt, dass ein weitaus größerer Teil des regionalen Bedarfs als derzeit an Gütern und Dienstleistungen durch Nutzung regionaler Ar- beitskraftpotenziale und regionaler Ressourcen (insbesondere in den Bereichen Dienstleistun- gen, Energieversorgung, Lebensmittelversorgung, Bauwesen) gedeckt wird und dass ein grö- ßerer Teil des regionalen Einkommens vor Ort zirkuliert, anstatt aus der Region abzufließen. Eine Regionalisierung der Arbeitsstättenstruktur lässt sich durch kurz-, mittel- und langfristig anzusteuernde Maßnahmen umsetzen. Sie zielen insgesamt darauf ab, den gegenwärtigen Trend der zunehmenden Konzentration des Wirtschaftsgeschehens auf die Ballungsräume entgegenzuwirken und ländliche Räume ökonomisch zu stärken. Insbesondere sind hier zu nennen: • Ökologische Steuerreform Die mit einer ökologischen Steuerreform ausgelöste Verteuerung von Energie zieht auch ei- nen Anstieg der Transportkosten nach sich, was kurze Wege im Wirtschaftsgeschehen ten- denziell begünstigen würde. Von einer ökologischen Steuerreform wäre auch zu erwarten, dass sie die erneuerbaren Energieträger gegenüber den fossilen begünstigt. Dies würde zusätz- lich Arbeitsplätze in der Biomassegewinnung und –verwertung bedeuten. • Sicherung einer leistungsstarken Land- und Forstwirtschaft Im Streben nach einer nachhaltigen Entwicklung kommt der Agrarwirtschaft eine Schlüssel- funktion zu, indem sie wichtige Versorgungs-, Erholungs- und Ausgleichsleistungen für die Gesellschaft erbringt. Ziel muss es deshalb sein, die bäuerlichen Einkommen zu sichern und gleichzeitig eine naturverträgliche Bewirtschaftung zu gewährleisten. Bausteine auf dem Weg dazu sind: Erhöhung des Wertschöpfungsanteils bei der Produktionsfunktion durch Veredelung, Verarbeitung und Aufbau neuer Absatzwege für Lebensmittel; Aufbau von Erwerbskombinationen landwirtschaftlicher und nichtlandwirtschaftlicher Betriebszweige (z.B. Altenbetreuung am Hof, Kombination Holzgewinnung mit Holz- verarbeitung); Forcierung der touristischen und freizeitorientierten Dienstleistungen (Urlaub am Bauernhof, Reiterhof, Bauerncafé); Durchführung von kommunalen Diensten (Schneeräumung, Grünraumpflege, entgelt- liche Landschaftspflege); Nahwärmeversorgung (Energiedienstleister); Erzeugung von erneuerbaren Rohstoffen (Holz, Flachs, Hanf). 25
  • 26. Österreichisches Institut für Erwachsenenbildung www.oieb.at / TU-Wien – Ring-VO Lernende Regionen / SS 2005 Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung • Förderung des Dienstleistungssektors In ländlichen Räumen gibt es – außerhalb der Tourismusgebiete – erhebliche Tertiärisie- rungsdefizite. Dies führt oft zur Abwanderung der jungen, qualifizierten Bevölkerung, da die- se in der Regel zu Dienstleistern ausgebildet sind, das heißt Qualifikationen haben, die derzeit auf dem Land noch zuwenig nachgefragt werden. Das sind beispielsweise gesellschaftlich wertvolle Tätigkeiten, die durch ihre Bindung an Orte, Anlässe und Personen nicht exportier- bar sind, nicht wegrationalisiert werden können und dezentral anfallen. Dazu zählen folgende zukunftsträchtige Aufgabenbereiche: Soziale Aufgabenbereiche: Hilfen für Haushalte bzw. landwirtschaftliche Betriebe, Alten-, Behinderten-, Kinder- und Krankenbetreuung; Ausbildnerische Aufgabenbereiche: berufliche Weiterbildung, postgraduale Ausbil- dung, Erwachsenenbildung; Landespflegerische Aufgabenbereiche: Pflege, Sicherung, Sanierung von Böden, Landschaftsräumen, Wäldern, Ökosystemen, Wasserreserven u.ä.m.; Aufgaben aus dem Bereich der Ressourcenschonung: Energieberatung, Aufbau von Alternativenergieversorgungen etc.; Kulturpflegerische Aufgaben: Stadt- und Dorferneuerung, Denkmalpflege. Ökofit.kmu Feldbach Lage: Das Projekt Ökofit.kmu Feldbach befindet sich in Österreich, im Oststeirischen Hügelland, etwa. 35km von der Landeshauptstadt Graz entfernt. Die Gemeinde Feldbach liegt zwischen 300m und 400m Seehöhe im gleichna- migen Bezirk. Geprägt ist dieses Gebiet neben der Land- und Forstwirtschaft durch kleinere und mittlere Wirt- schaftsunternehmen. Projektbetreiber: STENUM GmbH, Graz Projektziel: Ziel dieses Projektes ist es, einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung der Region Feldbach in eine „ökologi- sche Musterregion“ zu leisten. Entstehungsgeschichte des Projektes: Das Projekt Ökofit.kmu (Ökologischer Bezirk Feldbach durch integrierte Technik. kleine und mittlere Unter- nehmen) verstand sich als konsequente Fortführung des zuvor abgeschlossenen Projektes „ÖKOFIT I“. In die- sem wurde versucht, die Grundlagen einer ökologisch und ökonomisch nachhaltigen Regionalentwicklung zu erarbeiten und aufzuzeigen. Das Projekt „ÖKOFIT I“ erzielte über den Bezirk hinaus folgende wirksame Ergeb- nisse: - Eine Systematik der Analyse von Regionen in der Größe eines Bezirkes im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung - ein Konzept für ökologische Industrie- und Gewerbeparks als Entscheidungsgrundlage für zukünftige Be- triebsansiedlungen, die sich in die ökonomische und ökologische Situation von Gemeinden und Regionen einpassen bzw. diese verbessern - eine Dokumentation des Potenzials der Region in ökologischer und ökonomischer Hinsicht für eine nachhal- tige Entwicklung. Die an diesem Projekt teilnehmenden 15 kleinen und mittleren Betriebe wurden in einem ersten Schritt zu Mus- terbetrieben, sowohl in ihrer Branche als auch in ihrer Region, entwickelt. Sie geben jährlich eine Bilanz über erbrachte Umweltleistungen sowie eine Vorausschau der nächsten Umweltvorhaben des Betriebes ab. Durch die Zusammenführung dieser Betriebe in gemeinsamen Workshops wurde ein branchenintegrierendes Diskussions- und Problemlösungsforum geschaffen, das in einem zweiten Schritt des Projektes die Basis für betriebliche Netzwerke und Kooperationen bildete. Die Bezeichnung als „Pilotprojekt“ war für Ökofit.kmu deshalb so zutreffend, da ein Projektansatz verfolgt wur- de, der in folgenden Punkten innovativ war: - Herstellung eines Regionalbezuges unter den einzelnen Betrieben - Anwendung eines Workshopmodells, an dem 15 Betriebe aus unterschiedlichen Branchen teilnahmen - Implementierung des „Vorsorgenden Umweltschutzes“ als wesentliches Handlungsprinzip in den Betrieben 26
  • 27. Österreichisches Institut für Erwachsenenbildung www.oieb.at / TU-Wien – Ring-VO Lernende Regionen / SS 2005 Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung - Erstmalige Anregung von Netzwerken und Kooperationen unter den Betrieben im Zusammenhang mit um- weltrelevanten Projekten - Erstmalige Aufnahme von Entsorgungs- und Energieversorgungsunternehmen in die Projektgruppe eines umweltrelevanten Projektes - Parallele Einrichtung eines projektbegleitenden Netzwerkes mit wichtigen regionalen Akteuren (z.B. Kam- mern), zwecks Informationsaustausches. Stand der Dinge: Das Projekt wurde 1999 mit einer Veranstaltung abgeschlossen. Die Laufzeit betrug 2 Jahre (1997 bis 1999). Zukunftsperspektiven: Aufgrund der positiven Projektergebnisse sowie der guten persönlichen Kontakte, die mit den Unternehmen in der Region aufgebaut werden konnten, soll ein „ÖKOFIT-Klub“ installiert werden, um die Betriebe auf dem bereits eingeschlagenen Kurs der Nachhaltigkeit zu halten und weiter zu betreuen. Bedeutung des Projektes für die Nachhaltigkeit: Ökofit.kmu war ein Pilotprojekt, das durch die Anwendung einer neuen Projektmethode – regionalbezogen, branchenübergreifend, betriebliche und überbetriebliche Ansätze in einem Workshopmodell vereinend – und durch die Anbindung an die Prinzipien der lokalen Agenda 21 (Integration wichtiger Akteure, wie Entsorger und Versorger in das Projektteam sowie Bildung eines regionalen Begleitnetzwerkes) die Region Feldbach zu einer Insel der Nachhaltigkeit ansatzweise entwickelte. Kontakt: Dr. Heinz Peter Wallner Tel.: 0043 / 316 / 367156-50 Geidorfgürtel 21 Fax: 0043 / 316 / 367156-13 A-8010 Graz E-mail: office@stenum.at bzw. h.p.wallner@stenum.at Internetadresse: http://www.stenum.at • Herausbildung neuer Arbeitsformen Langfristig zielt die nachhaltige Entwicklung auf die ausgewogene Mischung von Erwerbs- und Eigenarbeit ab. In der Praxis läuft dieser Anspruch auf erheblich verkürzte Erwerbszeiten, auf eine deutliche Aufwertung informeller Arbeit und eine Auflösung der Grenzen zwischen Erwerbsarbeit, Eigenarbeit und Freizeit hinaus. Diese Entwicklung besteht beispielsweise aus folgenden Bausteinen: Entstehung neuer Formen der Selbstständigkeit; Mischung von Ausbildungs-, Selbstversorgungs- und Jobphasen über das Leben; Entstehung neuer Formen der Subsistenzwirtschaft, des Tausches, der gegenseitigen Hilfe jenseits der Geldwirtschaft; teilweise Entkoppelung von Erwerbsarbeit und Einkommen. Insgesamt würde diese Entwicklung mehrere Effekte nach sich ziehen: - Entlastung der Arbeitsmärkte - Positive ökologische Effekte durch Substitution von Ressourcen durch Arbeit - Steigerung der individuellen und gesellschaftlichen Lebensqualität - Kostenentlastung der öffentlichen Hand. • Dezentralisierung von Arbeitsplätzen durch Einsatz von Informationstechnologien Aus Sicht der nachhaltigen Entwicklung erweist sich ein Aspekt der Telearbeit als von beson- derer Relevanz: Es handelt sich um eine Arbeitsform, die einen Beitrag zur Dematerialisie- rung der Wertschöpfung durch Substitution von Produkten durch Dienstleistung leistet. Dies 27
  • 28. Österreichisches Institut für Erwachsenenbildung www.oieb.at / TU-Wien – Ring-VO Lernende Regionen / SS 2005 Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung allerdings mit der Einschränkung, dass die erforderliche Hardware in Herstellung und Entsor- gung material- und energieintensiv ist. Folgende für die Raumentwicklung relevante Erwartungen knüpfen sich an den Einsatz der Informationstechnologien: Ermöglichung von Arbeitsleistungen, unabhängig von einem Betriebsstandort und kann daher den Arbeits- und Familienbereich wieder zusammenführen; Stärkung regionaler Arbeitsplatzvielfalt; Stärkung des Dienstleistungssektors im ländlichen Raum; Abbau der Schere zwischen angebotenen und nachgefragten Qualifikationen vor allem in ländlichen Gebieten, womit Pendelvolumen und Abwanderungsdruck reduziert werden. Telearbeit und Tele-Service-Center Lage: Das Projekt Telearbeit und Tele-Service-Center befindet sich im Süden der Bundesrepublik Deutschland, im baden-württembergischen Dorf Sternenfels auf einer Seehöhe von ca. 300m. Die Landschaft ist geprägt durch Wald und Weinberge. Projektbetreiber: die Gemeinde Sternenfels in Baden-Württemberg (BRD) Projektziel: Das übergeordnete Ziel dieses Projektes ist Die Entwicklung der Orte Diefenbach und Sternenfels zu lebendigen Gemeinwesen mit einer guten, öffent- lichen Infrastruktur und Versorgung in einer intakten, lebenswerten Umwelt Dies bedeutet im Detail: Die Schaffung neuer Arbeitsplätze im Dorf bzw. in der näheren Umgebung Die Verhinderung der Abwanderung von Dienstleistungen aus dem ländlichen Raum sowie die Entwicklung neuer Lösungen für die Kooperation von Verwaltung und Wirtschaft Entstehungsgeschichte/Projektentwicklung: Die Gemeinde Sternenfels wurde 1974 im Zuge der Gemeindereform aus den Orten Sternenfels (1800 Einwoh- ner) und Diefenbach (950 Einwohner) gebildet. Diefenbach war bzw. ist durch die Landwirtschaft und den Weinbau geprägt, Sternenfels durch seine gewerbliche Vergangenheit. Innerhalb von 15 Jahren gingen in Sternenfels fast drei Viertel aller gewerblichen Arbeitsplätze verloren. Das Dorf drohte, bedingt durch die strukturelle Veränderung in der Landwirtschaft und den allgemeinen Verlust von Arbeitsplätzen im produzierenden Bereich, mehr und mehr zu einer „Pendlergemeinde“ zu werden Um der Gefahr, ein reines Schlaf- und Wohndorf zu werden, zu begegnen, beschäftigte sich die Gemeinde Ster- nenfels intensiv mit der innerörtlichen Erneuerung. Aufgrund der Erkenntnis, dass Informations- und Kommuni- kationstechniken derzeit große Zukunftschancen haben, konzentrierte man sich beim Bemühen um neue Arbeits- plätze auf diese Technologie. Derzeitiger Stand: Die Bausteine des wirtschaftlichen Lebens in Sternenfels stellen derzeit vier Einrichtungen dar: Das Innovations- und Gründungszentrum dient als Anlaufstelle für Personen, die an einer Existenzgründung interessiert sind. Neben geeigneten Räumlichkeiten für junge Unternehmen bietet es die notwendige technische Infrastruktur und eine Reihe von Serviceleistungen (Beratung in der Gründungsphase, kompetente Begleitung in den ersten Jahren des Unternehmens, Vermittlung von Kontakten zu regionalen Wirtschaftsunternehmen sowie zu Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung und die Nutzung neuer Ebenen der Vermarktung durch den gemeinsamen Auftritt auf Messen und Ausstellungen). Das Tele-Service-Center versteht sich als Dienstleister für kleinere und mittlere Unternehmen sowie Existenz- gründer. Unter anderem werden Telemarketing, Kundenberatung, Telefonservice und Erledigung von Sekretari- atsleistungen geboten. Dabei wird modernste Technologie eingesetzt. 28
  • 29. Österreichisches Institut für Erwachsenenbildung www.oieb.at / TU-Wien – Ring-VO Lernende Regionen / SS 2005 Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung Die Akademie Sternenfels begleitet die Menschen im ländlichen Raum mit einem breiten Angebot an Kursen, Seminaren sowie Trainingsmaßnahmen unter Einsatz neuer Lernformen wie Tele-Lernen, um Lernen unabhän- gig von Zeit und Ort zu ermöglichen. Das „Komm-in“-Konzept ist als ein Informations-, Kommunikations- und Dienstleistungsmittelpunkt zu verste- hen, der virtuelle und persönliche Kontakte ermöglicht. Kompetenz aus den Zentren wird erstmals virtuell durch Videokonferenz-Technik in den ländlichen Raum transferiert, um den Bürgern Fahrten und Zeit bei Behörden- gängen und sonstigen Erledigungen zu ersparen und überhaupt bestimmte Dienste im Ort erstmals zu ermögli- chen. Hier finden die Bürger Arbeitsamt, Kommunalverwaltung, Post, Landratsamt, Tageszeitungen, Bank, Immobilien, Reisebüro, Telefondienstleistungen, Versicherungsdienste und Polizei. Zukunftsperspektiven: Mit den oben erwähnten Einrichtungen des „TeleGIS Innovationscenters“ nimmt Sternenfels eine Vorreiterrolle für den ländlichen Raum ein. Jene Einrichtungen sollen daher als Modell für andere ländliche Gemeinden dienen und zur Nachahmung anregen. Ziel ist die Schaffung von 1000 Arbeitsplätzen, wovon bereits zwei Drittel einge- richtet sind. Bedeutung des Projektes für die Nachhaltigkeit: Alle Aktivitäten, die im Zuge der Dorfentwicklung in Sternenfels durch den Gemeinderat umgesetzt wurden (dazu gehören neben dem Thema „Arbeiten“ auch noch die Bereiche „Wohnen“ und „Erholen“), sind im Vorfeld mit der Bevölkerung entwickelt worden. Für viele Entwicklungsfragen im ländlichen Raum ist die Gemeinde Sternenfels seit 1977 Modellgemeinde. Tradition und Fortschritt, Ökologie und Ökonomie, Dorf und Landschaft sind die Wurzeln der ganzheitlichen Dorfentwicklung, einer nachhaltigen Entwicklung im Sinne der Agenda 21. Kontakt: Gemeindeverwaltung Sternenfels Maulbronner Str.7, A-75447 Sternenfels Tel: 0049 / 7045 / 970 4000 Internetadresse: http://www.sternenfels.org/flash.htm 4.4 Nachhaltige Entwicklung der Landschaftsstruktur 4.4.1 Integrierter Naturschutz Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung folgt dem Konzept des integrierten Naturschut- zes, das sich mit der Frage auseinandersetzt, wie die Erfordernisse des Schutzes der Natur von vornherein bei allen Planungen, Entscheidungen und Handlungen in allen Lebensbereichen und auf allen Konkretisierungsebenen der Naturnutzung mitbedacht werden können. Dieser Ansatz knüpft an die Einsicht an, dass weder der Staat noch die Industrie alleine die Umwelt- probleme zu lösen imstande sind. Vielmehr muss jedem Bürger bewusst werden, dass er durch seinen Lebensstil unmittelbar auf die Umwelt einwirkt. Bausteine des Umbaues einer nachsorgend-additiven zu einer vorsorgend-integrierten Natur- schutzpolitik sind beispielsweise: Integration des Naturschutzes in das staatliche Handeln: Der neue Naturschutz ist kein Verhinderungsinstrument mehr, sondern eine “Strategie der besseren Lösung“. Jedes Ressort, jede Abteilung berücksichtigt den Schutz der Natur in allen ihren Entschei- dungen mit; Integration des Naturschutzes in das Alltagshandeln: Ein integrierter Naturschutz ist auf breiter gesellschaftlicher Ebene nur zu erreichen, wenn deutlich gemacht wird, dass Umweltqualität auch Lebensqualität bedeutet. Um dies zu erreichen, müssen so- wohl die entsprechenden ökonomischen Anreize als auch bewusstseinsbildende Maß- nahmen gesetzt werden, wie beispielsweise: - Internalisierung der negativen externen Kosten in das Wirtschaftsgeschehen 29
  • 30. Österreichisches Institut für Erwachsenenbildung www.oieb.at / TU-Wien – Ring-VO Lernende Regionen / SS 2005 Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung - Besteuerung umweltschädigender Aktivitäten - Umweltbildung auf allen Bildungs- und Ausbildungsstufen - Propagierung eines Naturschutzaspekte berücksichtigenden Lebensstils durch die Medien. Steinbacher Dörrobst und Natursäfte Lage: Das Projekt Steinbacher Dörrobst und Natursäfte befindet sich in Österreich, in der Oberösterreichischen Ge- meinde Steinbach an der Steyr. Sie liegt am Nordrand der Alpen, zwischen 380m und 1200m Seehöhe im Bezirk Kirchberg an der Steyr. Geprägt ist die Landschaft dieses Gebietes vor allem durch Ackerbau mit Viehhaltung, aber auch durch Wald. Projektbetreiber: die Gemeinde Seinbach an der Steyr Projektziel: Folgende Ziele sollen mit den Projekten „Steinbacher Dörrobst“ und „“Steinbacher Natursäfte“ erreicht werden: Sicherung der landschaftsprägenden Streuobstgärten und Obstbaumreihen Erhaltung alter regionaler Obstsorten Verbesserung der bäuerlichen Wertschöpfung Entwicklung neuer Produkte für eine gesunde Ernährung Entstehungsgeschichte des Projektes: Die Grundlage für die Projekte Steinbacher Dörrobst und Steinbacher Natursäfte bilden die umfangreichen Obstbaumbestände und die Vielzahl der noch vorhandenen alten Obstbaumsorten. Im Rahmen der Vorbereitung einer Apfelausstellung konnten mehr als 120 verschiedene Apfelsorten im Gemeindegebiet entdeckt werden, die es daraufhin durch neue Formen der wirtschaftlichen Nutzung dauerhaft zu sichern galt. Damit war die Idee für diese beiden Projekte geboren. Stand der Dinge: Die beiden Projekte Steinbacher Dörrobst und Natursäfte sind zwei von etwa 50 Projekten, die in Steinbach an der Steyr im Zuge der seit 1987 stattfindenden Dorferneuerung realisiert wurden. Die dabei anhand eines brillan- ten Entwicklungskonzeptes umgesetzte, wertorientierte Gemeindeentwicklung, die gleichzeitig Basis für eine innovative, nachhaltige Regionalentwicklung darstellte, ist bekannt unter dem Namen „Der Steinbacher Weg“. Diesem Entwicklungskonzept liegt das Prinzip der Ganzheitlichkeit zugrunde, womit gemeint ist, dass soziales Miteinander, Arbeiten und Wirtschaften sowie Erhalten des kulturellen Erbes und der intakten natürlichen Um- welt eine innere Einheit bilden. Die Gemeindeentwicklung basiert daher auf folgenden vier gleichermaßen un- verzichtbaren Säulen, auf die sich alle Projekte und Umsetzungsaktivitäten beziehen: „Dorfgemeinschaft und Lebensqualität“, „Kultur“, „Arbeit und Wirtschaft“ sowie „Umwelt“. Die Projekte Steinbacher Dörrobst und Steinbacher Natursäfte sind im Themenbereich „Arbeit und Wirtschaft“ beinhaltet, dessen Aufgabe die Verbesserung der dörflichen Wertschöpfung ist. Zur Erreichung dieses Zieles sind folgende Maßnahmen vorgesehen: - Förderung kleiner Kreisläufe sowie Nutzung eigener Stärken und Ressourcen - Stärkung der Kooperation der Wirtschaftsträger (Produzenten-Nahversorgung-Konsumenten) - Vorrang der Nähe bei Menschen und Gütern - Schaffung eigener Arbeitsplätze sowie Gründung neuer zukunftsorientierter Betriebe. Gleichzeitig wird mit den beiden Projekten Steinbacher Dörrobst und Natursäfte auch das Ziel des Themenbe- reiches bzw. der Säule „Umwelt“ erfüllt, in der die Sicherung des natürlichen Erbes im Vordergrund steht. Die Umsetzung erfolgt durch Erhaltung sowohl der kleinstrukturierten naturnahen Kulturlandschaft als auch der na- turnahen bäuerlichen Landwirtschaft. Projekt „Steinbacher Dörrobst“: Nach dem Zusammenschluß von 8 Bauern zur „ Arge Steinbacher Dörrobst“ 1990 und Errichtung von drei Dörrobstkammern, einem Arbeits- und Verkaufsraum sowie einem Lagerraum werden seit 1991 Äpfel, Birnen und Zwetschken – ungespritzt und handgepflückt – zu „Steinbacher Dörrobst“ verarbeitet. Hauptabnehmer sind Seminar- und Gasthäuser, Fachgeschäfte, Bauernmärkte und Sporteinrichtun- gen. Projekt „Steinbacher Natursäfte“, das aufgrund der Erfolge des Steinbacher Dörrobstes entstanden ist. Seit dem Zusammenschluß von 12 Bauern zur gemeinsamen Erzeugung und Vermarktung von „Steinbacher Natursäften“ im Jahr 1996 werden Fruchtsäfte in fünf Sorten erzeugt: Apfel naturtrüb, Birne naturtrüb, Apfel- Holunder, Apfel Johannisbeere und Birne-Johannisbeere. Diese Säfte werden naturrein, ohne Zucker und chemi- 30
  • 31. Österreichisches Institut für Erwachsenenbildung www.oieb.at / TU-Wien – Ring-VO Lernende Regionen / SS 2005 Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung sche Zusätze, durch Pasteurisieren haltbar gemacht. Aufgrund ihres „märchenhaft“ guten Geschmacks ist das Rotkäppchen ihr Markenzeichen. Zukunftsperspektiven: Durch weitere Investitionen, wie beispielsweise Produktionsanlagen und Vermarktungseinrichtungen, ist eine künftige Steigerung der Wertschöpfung im Dorf zu erwarten. Außerdem sollen diese beiden Projekte (im Zuge des Gesamtprojektes „Der Steinbacher Weg“) anderen Ge- meinden als Vorbild dienen und zur Nachahmung anregen. Bedeutung des Projektes für die Nachhaltigkeit: Die Besonderheit der Projekte Steinbacher Dörrobst und Natursäfte bezüglich der Nachhaltigkeit läßt sich an den Projektergebnissen ablesen: Erhaltung der Kulturlandschaft sowie der Landwirtschaft: durch die dauerhafte Sicherung von 160 ha bzw. 800 ha naturnaher Kulturlandschaft wird eine jährliche Verarbeitung von 15.000 kg Frischobst zu Dörrobst sowie 350.000 kg Obst zu Natursäften ermöglicht Verbesserung der bäuerlichen Wertschöpfung: aufgrund des oben genannten Umsatzes kam es zur Schaf- fung eines Zusatzeinkommens für 8 bzw. 50 Bauern durch höhere Obstpreise Nutzung eigener Stärken und Ressourcen sowie Kommunikation und Kooperation in der Bevölkerung: durch Vermarktung der erzeugten Obst-Produkte wurde für den Ort ein beachtlicher Werbeeffekt erzielt. Die weitere Bedeutung für die Nachhaltigkeit stellt jedoch der Umstand dar, dass durch diese beiden Projekte alle oben erwähnten (auf Nachhaltigkeit aufbauenden) Ziele erreicht wurden. Kontakt: Oberösterreichischer Verein für Entwicklungsförderung Gabriele Preundler Pfarrhofstraße 1 Tel.: 0043 / 7257 / 84 11 A-4594 Steinbach an der Steyr Fax.: 0043 / 7257 / 84 55 Internetadresse: http://www.municipia.at Suchwort: „Steinbacher Weg“ 4.4.2 Extensivierung der Landbewirtschaftung Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung setzt auf eine Neuausrichtung der Agrarpolitik, die sich zum Ziel setzt, zu einer flächendeckenden Nutzungsextensivierung zu kommen und dabei besonderes Augenmerk auf die ökosystemaren Zusammenhänge zu richten. Bausteine der Extensivierung der landwirtschaftlichen Produktion sind beispielsweise: Einschränkung des Einsatzes von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln durch - Abgabe auf mineralische Stickstoffdünger - Erweiterung der Fruchtfolge - Mechanische Bekämpfung von Wildkräutern - Verbesserung der Lebensbedingungen für Nützlinge. Forcierung der Umstellung auf eine ökologische Landbewirtschaftung, was heißt: - maximale Nutzung des betriebseigenen Stoffkreislaufes - prinzipieller oder zumindest weitgehender Verzicht auf chemisch synthetisierte Produktionsmittel - Verwendung von Hilfs- und Pflegemitteln, die natürlichen Ursprungs sind. Eine Umstellung auf den ökologischen Landbau setzt einen entsprechenden Wertewandel voraus. Daher spielen eine auf den Werten der nachhaltigen Entwicklung ausgerichtete Aus- und Weiterbildung, eine einschlägige Information der in der Landwirtschaft tätigen Personen und Initialförderungen eine wichtige Rolle. 31
  • 32. Österreichisches Institut für Erwachsenenbildung www.oieb.at / TU-Wien – Ring-VO Lernende Regionen / SS 2005 Gerlind Weber – Nachhaltige Raumentwicklung Flächenstilllegungen: Ziel von Flächenstilllegungsprogrammen müsste es sein, insbesondere die ökologisch wertvollen Biotope (z.B. für den Grundwasser- oder Artenschutz) aus jeglicher wirt- schaftlichen Nutzung herauszunehmen und eine langfristige Stilllegung zu garantieren. Errichtung von Biotopverbundsystemen Die als Folge der intensiven Agrarbewirtschaftung mit naturnahen Landschaftselemen- ten kaum mehr ausgestatteten Agrarlandschaften müssen mit jenen naturnahen Ele- menten wieder “eingeräumt“ werden, die in Quantität und Qualität einen intakten Landschaftshaushalt versprechen. Dabei ist ein ökologisches Verbundsystem anzu- streben, was heißt, dass die unterschiedlichen naturnahen Biotope untereinander ver- netzt sein sollen. Solide “Ökobrücken“ sorgen für eine Verbesserung der agrarökolo- gischen Situation, eine Verbesserung des Lokalklimas sowie des Erosionsschutzes und bedeuten eine Bereicherung des Landschaftsbildes. Umstellung der Tierhaltungen - Senkung des gesetzlichen Obergrenzen für Massentierhaltungen - Koppelung der Tierhaltung an die Fläche (maximal 2 Großvieheinheiten/ha land- wirtschaftliche Nutzfläche) - generelles Verbot des Einsatzes von Wachstumsförderern und Antibiotika - Umstellung auf Tierhaltungsformen, die auch eine Verwertung extensiv genutzter Futterflächen ermöglichen. Genereller Verzicht auf ertragsfördernde Meliorationsmaßnahmen wie Fluss- und Bachregulierungen, Ent- oder Bewässerungsmaßnahmen, Wirtschaftswegebau, Gelän- dekorrekturen, Zerstörung naturnaher Landschaftselemente, Vergrößerung der Schläge u.a.m.; Verbesserung der Effektivität des Maschineneinsatzes - Aufbau von landwirtschaftlichen Maschinenringen - bevorzugter Einsatz kleinerer, multifunktioneller Landwirtschaftsmaschinen. 4.4.3 Integrativer Tourismus Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung setzt auf eine qualitative Tourismusentwicklung, deren Eckpunkte sind: - die Lebensqualität der Einheimischen - das Wohlbefinden der Gäste - die Achtung der natürlichen Umwelt - die wirtschaftliche Entwicklung der betreffenden Region. Ein an den Grundsätzen der Nachhaltigkeit orientierter Tourismus geht ferner davon aus, dass ein sozial- und umweltgerechter Fremdenverkehr in eine neue Art der Lebensführung insge- samt eingebettet sein muss. Denn nur ein entsprechend sensibilisierter und konditionierter 32