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Wissenschaftliches Institut
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                                                         HAUSANSCHRIFT Rosenthaler Str. 31 · D-10178 Berlin
Pressemitteilung                                          POSTANSCHRIFT Postfach 11 02 46 · D-10832 Berlin
                                                                TELEFON +49 30 34646-2393
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Berlin, 16. Februar 2011                                         E-MAIL wido@wido.bv.aok.de




Ergotherapeuten setzen auf Methodenvielfalt bei der Behandlung
von kindlichen Entwicklungsstörungen
WIdO plädiert für Studien zur Wirksamkeit einzelner Behandlungstechniken

Berlin. Die Zahl der Kinder, die Ergotherapie erhalten, steigt kontinuierlich. Angesichts
hoher Verordnungszahlen sprechen Kritiker von einer „Modebehandlung“. Therapie-
ziele und Methoden seien zu wenig transparent. Was Kinder in der Ergotherapie-
Praxis erwartet, zeigt jetzt eine gemeinsame Untersuchung des Wissenschaftlichen
Instituts der AOK (WIdO) und der Hochschule Magdeburg-Stendal. Sie stellt der Ergo-
therapie ein gutes Zeugnis aus: „Die Therapeutinnen und Therapeuten nutzen in allen
Phasen der Behandlung die zur Verfügung stehenden Methoden engagiert und kreativ
für eine individuelle Behandlung“, sagt der stellvertretende WIdO-Geschäftsführer
Helmut Schröder. Allerdings seien viele Behandlungstechniken bisher nicht hinrei-
chend wissenschaftlich untersucht.

Für ihre Untersuchung hatten das WIdO und die Hochschule Magdeburg-Stendal rund 1.400
Mitglieder des Deutschen Verbandes der Ergotherapeuten angeschrieben. Mit knapp 600
ausführlichen Antworten war die Rücklaufquote außerordentlich hoch. Anhand eines fiktiven
typischen Behandlungsfalles legten die Teilnehmer dar, wie sie Befunde erheben, welche
Therapie sie auswählen und wie sie den Behandlungserfolg messen.

„Wurde Ergotherapie einst für Kinder mit Behinderungen entwickelt, so geht es heute in der
Praxis eher um die Unterstützung bei Verhaltensauffälligkeiten oder Abweichungen von der
Entwicklungsnorm“, erläutert Helmut Schröder. Anhand von Daten der AOK lasse sich zei-
gen, dass dies auf 86 Prozent der ärztlichen Verordnungen für Kinder unter 14 Jahren zu-
trifft. „70 Prozent der Verordnungen werden für Jungen ausgestellt. Vor allem im Übergang
zur Grundschule brauchen sie besonders häufig therapeutische Unterstützung. Die Therapie
zielt darauf ab, Motorik, Koordination, Wahrnehmung oder Kommunikation zu verbessern –
insbesondere im Hinblick auf die Schulfähigkeit.“ So befinden sich von den sechsjährigen
Jungen jährlich ca.14 Prozent – mehr als in jedem anderen Lebensalter – in ergotherapeuti-
scher Behandlung.

Für die aktuelle Befragung wurde deshalb der „typische Fall“ des sechsjährigen Justin kon-
struiert. Er kann schlecht stillsitzen, tut sich schwer mit Schere, Stiften oder Reißverschluss,
fällt im Kindergarten durch körperliche Ungeschicklichkeit auf und gerät besonders oft mit
anderen Kindern in Streit.



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Das Ergebnis der Auswertung: Um den Entwicklungsstand von „Justin“ zu testen, verwenden
Ergotherapeuten im Schnitt drei verschiedene Methoden. Neun von zehn Therapeuten nut-
zen standardisierte Tests zur Befunderhebung. Der vielseitigen Befunderhebung folgt eine
ebenso vielseitige Behandlung mit durchschnittlich vier Methoden. 84 Prozent der Therapeu-
ten setzen dabei funktionelle, handwerkliche, spielerische und gestalterische Behandlungs-
techniken ein. Zumeist in Zusammenarbeit mit den Eltern formulieren die teilnehmenden
Ergotherapeuten im Schnitt fünf Therapieziele. Im Vordergrund steht dabei die Verbesserung
der Sensomotorik, der Gleichgewichtsfunktionen und der Haltung. Alle befragten Therapeu-
ten überprüfen ihren Therapieerfolg – 85 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf
der Basis der Tests, mit denen der Befund erhoben wurde.

„Die Befragung hat transparent gemacht, wie Ergotherapeutinnen und -therapeuten arbei-
ten“, sagt Helmut Schröder. „Die Vielfalt der eingesetzten Befunderhebungen und Therapie-
ansatze bei dem zu Grunde gelegten typischen Fallbeispiel macht auch deutlich, dass es für
Kinder mit Entwicklungsstörungen keine standardisierten Abläufe gibt. Jeder Therapeut
sucht nach einem eigenen Königsweg in der Behandlung. Das liegt sicher auch daran, dass
nicht alle Behandlungstechniken hinreichend wissenschaftlich untersucht sind.“

Insgesamt zeigt die Studie, dass die ergotherapeutische Anwendung eine große Vielfalt an
ergotherapeutischen Behandlungen umfasst. Um die Ergotherapeuten bei ihrer Arbeit zu
unterstützen und die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Therapie zu gewährleisten, plädiert
das WIdO deshalb für eine systematische Untersuchung der Wirksamkeit einzelner Behand-
lungsansätze. Diese Studien sollten mit staatlicher Forschungsförderung an den universitä-
ren Lehrstühlen durchgeführt werden. Leitlinien können dann den verordnenden Ärzten hel-
fen, die Erwartungen der jungen Patienten und deren Eltern an die Behandlungen auch zu
erfüllen.

Diese und weiteren Ergebnisse stehen zur Verfügung unter:
http://www.wido.de/heilhilfsmittel_ergo.html



Pressekontakt:
Andrea Waltersbacher
Tel.: 030/ 3 46 46-2393
Fax.: 030/ 3 46 46-2144
heilmittel@wido.bv.aok.de
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Abbildung 1: Ergotherapeutische Leistungen der AOK für Kinder und Jugendliche 2009

                                         Leistungen                      AOK- Patienten
                                           je 1.000 AOK- Versicherte
                        700 600 500 400 300 200 100            0    100 200 300 400 500 600 700
                   14
                   13
                   12
                   11
                   10
  Alter in Jahre




                    9
                    8
                    7
                    6
                    5
                    4
                    3
                    2
                    1
                   <1     männlich                                                      weiblich
                        140 120 100 80   60     40      20     0    20   40   60   80 100 120 140
                                                       AOK- Versicherte in Tsd.

Quelle: AOK-Heilmittel-Informations-System (AOK-HIS)                                       © WIdO 2011
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Abbildung 2: Welches sind mögliche Therapieziele für den dargestellten Fall?*
     Entwicklung und Verbesserung der/Erlangung von....

                 Sensomotorik, der
          Gleichgewichtsfunktionen                                                                    74,4
                   und der Haltung


                        Graphomotorik                                                          67,0



                                Sonstige                                                      64,8



                       Geschicklichkeit                                                     62,5



                      Handlungs- und                                                   58,5
                  Alltagskompetenzen

            des situationsgerechten
     Verhaltens und der zwischen-                                                  55,1
        menschlichen Beziehungen

                        Ausdauer und
                                                                                  52,9
                  Belastungsfähigkeit

                                           0    10       20         30       40        50      60      70        80
                                                                         Anteil in %
* 1.923 Antworten; Mehrfachantworten möglich
                                                                                                             © WIdO 2011
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Abbildung 3: Welche Behandlungsmethode wenden Sie an?*

     Funktionelle, handwerkliche,
       spielerische, gestalterische                                                                 84,0
           Behandlungstechniken

Sensorische Integrationstherapie                                                                   81,5


      Graphomotorisches Training                                                            72,4


                                Sonstige                                             63,0


  Beratung zur Integration in das
                                                                              54,4
    häusliche und soziale Umfeld

         Wahrnehmungsfördernde
                                                               34,1
            Behandlungsmethode

      Vorschulisches Training und
            Belastungserprobung                            30,7


            Training mit Hilfsmittel               15,1

                                               0    10    20        30   40     50     60      70     80     90
                                                                         Anteil in %
* 1.923 Antworten; Mehrfachantworten möglich
                                                                                                      © WIdO 2011

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2011_02_16_ERGO_Befragung_WIdO_final.pdf

  • 1. Wissenschaftliches Institut der AOK HAUSANSCHRIFT Rosenthaler Str. 31 · D-10178 Berlin Pressemitteilung POSTANSCHRIFT Postfach 11 02 46 · D-10832 Berlin TELEFON +49 30 34646-2393 FAX +49 30 34646-2144 INTERNET www.wido.de Berlin, 16. Februar 2011 E-MAIL wido@wido.bv.aok.de Ergotherapeuten setzen auf Methodenvielfalt bei der Behandlung von kindlichen Entwicklungsstörungen WIdO plädiert für Studien zur Wirksamkeit einzelner Behandlungstechniken Berlin. Die Zahl der Kinder, die Ergotherapie erhalten, steigt kontinuierlich. Angesichts hoher Verordnungszahlen sprechen Kritiker von einer „Modebehandlung“. Therapie- ziele und Methoden seien zu wenig transparent. Was Kinder in der Ergotherapie- Praxis erwartet, zeigt jetzt eine gemeinsame Untersuchung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) und der Hochschule Magdeburg-Stendal. Sie stellt der Ergo- therapie ein gutes Zeugnis aus: „Die Therapeutinnen und Therapeuten nutzen in allen Phasen der Behandlung die zur Verfügung stehenden Methoden engagiert und kreativ für eine individuelle Behandlung“, sagt der stellvertretende WIdO-Geschäftsführer Helmut Schröder. Allerdings seien viele Behandlungstechniken bisher nicht hinrei- chend wissenschaftlich untersucht. Für ihre Untersuchung hatten das WIdO und die Hochschule Magdeburg-Stendal rund 1.400 Mitglieder des Deutschen Verbandes der Ergotherapeuten angeschrieben. Mit knapp 600 ausführlichen Antworten war die Rücklaufquote außerordentlich hoch. Anhand eines fiktiven typischen Behandlungsfalles legten die Teilnehmer dar, wie sie Befunde erheben, welche Therapie sie auswählen und wie sie den Behandlungserfolg messen. „Wurde Ergotherapie einst für Kinder mit Behinderungen entwickelt, so geht es heute in der Praxis eher um die Unterstützung bei Verhaltensauffälligkeiten oder Abweichungen von der Entwicklungsnorm“, erläutert Helmut Schröder. Anhand von Daten der AOK lasse sich zei- gen, dass dies auf 86 Prozent der ärztlichen Verordnungen für Kinder unter 14 Jahren zu- trifft. „70 Prozent der Verordnungen werden für Jungen ausgestellt. Vor allem im Übergang zur Grundschule brauchen sie besonders häufig therapeutische Unterstützung. Die Therapie zielt darauf ab, Motorik, Koordination, Wahrnehmung oder Kommunikation zu verbessern – insbesondere im Hinblick auf die Schulfähigkeit.“ So befinden sich von den sechsjährigen Jungen jährlich ca.14 Prozent – mehr als in jedem anderen Lebensalter – in ergotherapeuti- scher Behandlung. Für die aktuelle Befragung wurde deshalb der „typische Fall“ des sechsjährigen Justin kon- struiert. Er kann schlecht stillsitzen, tut sich schwer mit Schere, Stiften oder Reißverschluss, fällt im Kindergarten durch körperliche Ungeschicklichkeit auf und gerät besonders oft mit anderen Kindern in Streit. Seite 1 von 5
  • 2. W is s en s ch af t li ch e s I n st it u t d e r AO K ( W Id O ) Seite 2 von 5 P re s se mit t e ilu n g v o m 16 . F eb ru a r 2 01 1 Das Ergebnis der Auswertung: Um den Entwicklungsstand von „Justin“ zu testen, verwenden Ergotherapeuten im Schnitt drei verschiedene Methoden. Neun von zehn Therapeuten nut- zen standardisierte Tests zur Befunderhebung. Der vielseitigen Befunderhebung folgt eine ebenso vielseitige Behandlung mit durchschnittlich vier Methoden. 84 Prozent der Therapeu- ten setzen dabei funktionelle, handwerkliche, spielerische und gestalterische Behandlungs- techniken ein. Zumeist in Zusammenarbeit mit den Eltern formulieren die teilnehmenden Ergotherapeuten im Schnitt fünf Therapieziele. Im Vordergrund steht dabei die Verbesserung der Sensomotorik, der Gleichgewichtsfunktionen und der Haltung. Alle befragten Therapeu- ten überprüfen ihren Therapieerfolg – 85 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf der Basis der Tests, mit denen der Befund erhoben wurde. „Die Befragung hat transparent gemacht, wie Ergotherapeutinnen und -therapeuten arbei- ten“, sagt Helmut Schröder. „Die Vielfalt der eingesetzten Befunderhebungen und Therapie- ansatze bei dem zu Grunde gelegten typischen Fallbeispiel macht auch deutlich, dass es für Kinder mit Entwicklungsstörungen keine standardisierten Abläufe gibt. Jeder Therapeut sucht nach einem eigenen Königsweg in der Behandlung. Das liegt sicher auch daran, dass nicht alle Behandlungstechniken hinreichend wissenschaftlich untersucht sind.“ Insgesamt zeigt die Studie, dass die ergotherapeutische Anwendung eine große Vielfalt an ergotherapeutischen Behandlungen umfasst. Um die Ergotherapeuten bei ihrer Arbeit zu unterstützen und die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Therapie zu gewährleisten, plädiert das WIdO deshalb für eine systematische Untersuchung der Wirksamkeit einzelner Behand- lungsansätze. Diese Studien sollten mit staatlicher Forschungsförderung an den universitä- ren Lehrstühlen durchgeführt werden. Leitlinien können dann den verordnenden Ärzten hel- fen, die Erwartungen der jungen Patienten und deren Eltern an die Behandlungen auch zu erfüllen. Diese und weiteren Ergebnisse stehen zur Verfügung unter: http://www.wido.de/heilhilfsmittel_ergo.html Pressekontakt: Andrea Waltersbacher Tel.: 030/ 3 46 46-2393 Fax.: 030/ 3 46 46-2144 heilmittel@wido.bv.aok.de
  • 3. W is s en s ch af t li ch e s I n st it u t d e r AO K ( W Id O ) Seite 3 von 5 P re s se mit t e ilu n g v o m 16 . F eb ru a r 2 01 1 Abbildung 1: Ergotherapeutische Leistungen der AOK für Kinder und Jugendliche 2009 Leistungen AOK- Patienten je 1.000 AOK- Versicherte 700 600 500 400 300 200 100 0 100 200 300 400 500 600 700 14 13 12 11 10 Alter in Jahre 9 8 7 6 5 4 3 2 1 <1 männlich weiblich 140 120 100 80 60 40 20 0 20 40 60 80 100 120 140 AOK- Versicherte in Tsd. Quelle: AOK-Heilmittel-Informations-System (AOK-HIS) © WIdO 2011
  • 4. W is s en s ch af t li ch e s I n st it u t d e r AO K ( W Id O ) Seite 4 von 5 P re s se mit t e ilu n g v o m 16 . F eb ru a r 2 01 1 Abbildung 2: Welches sind mögliche Therapieziele für den dargestellten Fall?* Entwicklung und Verbesserung der/Erlangung von.... Sensomotorik, der Gleichgewichtsfunktionen 74,4 und der Haltung Graphomotorik 67,0 Sonstige 64,8 Geschicklichkeit 62,5 Handlungs- und 58,5 Alltagskompetenzen des situationsgerechten Verhaltens und der zwischen- 55,1 menschlichen Beziehungen Ausdauer und 52,9 Belastungsfähigkeit 0 10 20 30 40 50 60 70 80 Anteil in % * 1.923 Antworten; Mehrfachantworten möglich © WIdO 2011
  • 5. W is s en s ch af t li ch e s I n st it u t d e r AO K ( W Id O ) Seite 5 von 5 P re s se mit t e ilu n g v o m 16 . F eb ru a r 2 01 1 Abbildung 3: Welche Behandlungsmethode wenden Sie an?* Funktionelle, handwerkliche, spielerische, gestalterische 84,0 Behandlungstechniken Sensorische Integrationstherapie 81,5 Graphomotorisches Training 72,4 Sonstige 63,0 Beratung zur Integration in das 54,4 häusliche und soziale Umfeld Wahrnehmungsfördernde 34,1 Behandlungsmethode Vorschulisches Training und Belastungserprobung 30,7 Training mit Hilfsmittel 15,1 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 Anteil in % * 1.923 Antworten; Mehrfachantworten möglich © WIdO 2011