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Rahmenprogramm Gesundheitsforschung
der Bundesregierung
Impressum

Herausgeber
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
Referat Gesundheitsforschung
11055 Berlin

Bestellungen
schriftlich an den Herausgeber
Postfach 30 02 35
53182 Bonn

oder per
Tel.: 01805 - 262 302
Fax: 01805 - 262 303
(Festnetzpreis 14 ct/Min., höchstens 42 ct/Min. aus Mobilfunknetzen)
E-Mail: books@bmbf.bund.de
Internet: www.bmbf.de

Gestaltung
Christiane Zay, W. Bertelsmann Verlag (wbv), Bielefeld, www.wbv.de

Druckerei
Möller Druck und Verlag GmbH, Ahrensfelde OT Blumberg

Bonn, Berlin 2010

Bildnachweis
Titelbild: Andersen Ross/Getty Images; S. 5: pra_zit/shutterstock; S. 7: thinkstock/
istockphoto; S. 8–9: lakeemotion/shutterstock; S. 10: Peter Dazeley/Getty Images;
S.  12: thinkstock/stockbyte; S. 14: Alex Raths/istock; S. 17: Jan Woitas/picture-
alliance; S.  18: thinkstock/Comstock Images; S. 21: Paul Burns/picture-alliance;
S.  23: Kay Chernush/Getty Images; S. 24: thinkstock/Jupiterimages; S. 26: image­        -
fruit/image­ roker/medialpicture; S.  28: Peter-Michael Petsch/medicalpicture;
               b
S.  29: Jan  Kranendonk/shutterstock; S. 30: Andreas Christians/medicalpicture;
S.  32: Bärbel  Högner/medicalpicture; S. 37: Jan-Peter Kaspar/picture-alliance;
S.  38:  Frank  Geisler/medicalpicure; S.   39: Olaf Heil/medicalpicture; S.  40: Hugh Sitton/
Corbis; S. 43: Bao  Feifei/Corbis; S.  45: Greg Pease/Getty Images; S. 46: thinkstock/
istockphoto; S. 12: thinkstock/stockbyte; Alle anderen Abbildungen: PT DLR/BMBF
Rahmenprogramm Gesundheitsforschung
der Bundesregierung
Vorwort




Vorwort




Alt zu werden und gesund zu bleiben ist ein             und außer­ niversitären Forschungseinrichtungen
                                                                   u
Menschheitstraum, dem wir in den vergangenen            arbeiten in diesen Zentren eng zusammen, um
Jahrzehnten durch verbesserte Lebensbedingun-           möglichst rasch wegweisende Erkenntnisgewinne
gen und eine gute medizinische Versorgung ein           zu erzielen und Therapiechancen zu eröffnen.
gutes Stück näher gekommen sind. Mit der wach-
senden Lebenserwartung steigt jedoch die Zahl              Darüber hinaus legt das Programm ein beson-
der Menschen, die an Krebs, neurodegenerativen          deres Augenmerk auf individualisierte Therapie-
oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden. Auch           ansätze, Präventions- und Ernährungsforschung,
die Häufigkeit von chronischen und Mehrfach­            Versorgungsforschung, Gesundheitswirtschaft
erkrankungen wächst.                                    und global vernetzte Forschungsansätze.

    Vor diesem Hintergrund setzt die Bundesregie-          Mit dem Rahmenprogramm Gesundheits­
rung mit dem neuen „Rahmenprogramm Gesund­              forschung leistet die Bundesregierung ihren
heitsforschung“ Prioritäten und definiert die strate­   Beitrag zur umfassenden Erforschung von Krank-
gische Ausrichtung der medizinischen Forschung          heiten. Aus der Zusammenarbeit von Wissen-
für die kommenden Jahre. Der Leitgedanke: Durch         schaftlerinnen und Wissenschaftlern entstehen
eine engere Verknüpfung der Kompetenzen, Dis­           die Ansätze, die bei entsprechender Weiterent-
ziplinen und Institutionen sollen Forschungsergeb-      wicklung und erfolgreicher Übertragung in die
nisse in Zukunft schneller aus der Grundlagen- und      medizinische Praxis den Menschen in unserem
der klinischen Forschung in die medizinische Ver­       Land ein beschwerdefreies, selbstbestimmtes und
sorgung und damit zu den Patienten gelangen.            langes Leben ermöglichen.

    Der inhaltliche Schwerpunkt des Programms
liegt auf der Erforschung der Volkskrankheiten.
Hier sind der Handlungsbedarf und die Hoff-
nung am größten, durch Forschung neue Wege              Prof. Dr. Annette Schavan, MdB
für Prävention und Behandlung zu finden. Die            Bundesministerin für Bildung und Forschung
Bundesregierung baut zu sechs Volkskrankheiten
Deutsche Zentren der Gesundheitsforschung auf:
Neben dem „Deutschen Zentrum für Neurode-
generative Erkrankungen“ und dem „Deutschen
Zentrum für Diabetesforschung“ werden Zentren
in den Bereichen Herz-Kreislauf-, Infektions-,          Dr. Philipp Rösler, MdB
Krebs- und Lungenforschung eingerichtet. Die            Bundesminister für Gesundheit
besten Forscher­ ruppen aus Hochschulmedizin
                 g
Inhalt                                                                                                                                                                      1




Inhalt
Zusammenfassung.............................................................................................................................................................	3


Ausgangsbedingungen....................................................................................................................................................	6


Aktionsfeld 1 – die strukturelle Herausforderung:
Gebündelte Erforschung von Volkskrankheiten.......................................................................................................	11


Aktionsfeld 2 – die Forschungsherausforderung:
Individualisierte Medizin................................................................................................................................................	19


Aktionsfeld 3 – die Vorsorgeherausforderung:
Präventions- und Ernährungsforschung.....................................................................................................................	25


Aktionsfeld 4 – die Systemherausforderung:
Versorgungsforschung.....................................................................................................................................................	31


Aktionsfeld 5 – die Innovationsherausforderung:
Gesundheitswirtschaft.....................................................................................................................................................	35


Aktionsfeld 6 – die globale Herausforderung:
Gesundheitsforschung in internationaler Kooperation.........................................................................................	41


Die förderpolitische Herausforderung:
Instrumente und Verfahren zur Förderung................................................................................................................	44
2   Zusammenfassung
Zusammenfassung                                                                                        3




Zusammenfassung
Aktionsfeld 1                                         einer Stufe des Innovationsprozesses zur nächsten
Die strukturelle Herausforderung:                     wird erleichtert. Die Erforschung seltener Krank-
                                                      heiten wird ebenfalls gefördert.
Gebündelte Erforschung von
Volkskrankheiten                                      Aktionsfeld 3
                                                      Die Vorsorge­heraus­forderung:
Der demografische Wandel lässt den Bedarf an
medizinischem Fortschritt steigen: Die Zahl der       Präventions- und Ernährungsforschung
Menschen wächst, die an Volkskrankheiten wie
Krebs, Herz-Kreislauf-, Stoffwechsel-, Infektions-,   Erkenntnisse über den Einfluss von Ernährung,
Lungen- oder neurodegenerativen Erkrankun-            Bewegung, sonstigem Verhalten und Umwelt auf
gen sowie an psychischen, muskuloskelettalen          die Aktivität von Genen eröffnen neue Möglich-
oder allergischen Erkrankungen leiden – oder          keiten, um die Entstehung von Volkskrankheiten
auch an mehreren dieser Erkrankungen. Zudem           wie Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen
dauert es oft noch zu lange, bis Ergebnisse aus       besser zu verstehen und ihnen vorzubeugen. Das
der Grund­agen- und der klinischen Forschung in
           l                                          Wissen darüber, ob und wie Prävention funktio-
die medizinische Regelversorgung gelangen und         niert, muss weiter wachsen.
Patienten von ihnen profitieren. Diesen als Trans­
lation bezeichneten Prozess schneller und effekti-        Unter dem Dach der nationalen Präventions-
ver zu gestalten ist ein Leitgedanke des Rahmen­      strategie entwickelt das BMBF einen Aktionsplan,
programms.                                            der die Forschungsförderung zu allen für Prä-
                                                      ventions- und Ernährungsforschung relevanten
    Daher gründet die Bundesregierung Deut-           Ansätzen – von der Epigenetik bis zur Epide-
sche Zentren der Gesundheitsforschung, um die         miologie  – zusammenführt und interdisziplinär
universitäre und außeruniversitäre Forschung zu       verknüpft.
eini­ en besonders bedeutsamen Volkskrankheiten
    g
zu bündeln und die Anwendung ihrer Ergebnisse         Aktionsfeld 4
zu beschleunigen. Zugleich wird die krankheits-       Die Systemherausforderung:
bezogene Projektförderung ausgebaut und auf
forschungs- und nachwuchsfreundliche Rahmen-          Versorgungsforschung
bedingungen und Strukturen hingewirkt.
                                                      Der Anspruch, jedem Menschen eine bestmög­
Aktionsfeld 2                                         liche und sichere Therapie zu ermöglichen, bleibt
Die Forschungs­herausforderung:                       von zentraler Bedeutung für die Gesundheits-
                                                      versorgung. Gleichzeitig steigt der Druck, auch
Individualisierte Medizin                             im Gesundheitssystem Kosten zu begrenzen;
                                                      gute Gesundheitsversorgung und wirtschaftliche
Das Verständnis grundlegender Krankheits­             Überlegungen müssen miteinander in Einklang
mechanismen wächst, eine auf die individuellen        gebracht werden.
Bedürfnisse und Voraussetzungen zugeschnittene
Medizin wird greifbar. Damit rückt auch das Errei-        Die Bundesregierung fördert den Aufbau
chen des Ziels näher, ein selbstbestimmtes Leben      einer leistungsstarken deutschen Versorgungs-
im Alter bei gutem Gesundheitszustand                 forschung und Gesundheitsökonomie und stellt
zu ermöglichen.                                       dabei Patientenorientierung und Patienten­
                                                      sicher­ eit in den Mittelpunkt. Hierzu werden der
                                                            h
   Die Bundesregierung unterstützt deshalb die        Auf­ au nachhaltiger Forschungsstrukturen und
                                                          b
Entwicklung von Diagnostika und Therapeutika          die Durchführung von Studien zur Bewertung
und spannt in der Förderung den Bogen entlang         des Nutzens etablierter und neuer Verfahren im
des Innovationsprozesses von der lebenswissen­        Versorgungsalltag, der Aufbau von Studienstruk-
schaftlichen Grundlagenforschung über die             turen, die Durchführung von Studien zur Pro­ ess­
                                                                                                   z
präklinische und klinisch-patientenorientierte        optimierung von Versorgungsabläufen und die
Forschung bis zur Marktreife. Der Übergang von        Nachwuchsförderung unterstützt.
4                                                                                      Zusammenfassung




Aktionsfeld 5                                           Aktionsfeld 6
Die Innovations­herausforderung:                        Die globale Heraus­ orderung:
                                                                          f

Gesundheitswirtschaft                                   Gesundheitsforschung in internationaler
                                                        Kooperation
Die Gesundheitswirtschaft ist eines der großen
Wachstumsfelder in den Industrienationen. Sie um-       Internationale Zusammenarbeit ermöglicht es,
fasst neben der Arzneimittelindustrie, der Biotechno­   Synergien für den medizinischen Fortschritt
logie sowie der Medizintechnik auch die Versorgung      freizusetzen. Forschungsinfrastrukturen können
mit medizinischen Dienstleistungen, wobei z. B.         in internationaler Arbeitsteilung gemeinsam auf-
mit der Telemedizin neue Dienstleistungsformen          gebaut und genutzt werden. Gleichzeitig steht die
entstehen. Bei der schnelleren Trans­ation von For­
                                     l                  Gesundheitsforschung auch in der Verantwortung
schungsergebnissen spielen forschungsintensive          für die weltweite Gesundheitsversorgung.
Unternehmen, insbesondere die der medizinischen
Biotechnologie, eine wichtige Rolle.                        Die Bundesregierung stärkt die Internationa-
                                                        lisierung der Gesundheitsforschung durch den
    Die Bundesregierung trägt dazu bei, die             gemeinsamen Aufbau von Forschungsinfrastruk-
Innovationskraft der Gesundheitswirtschaft zu           turen, verbindet Forschende und Institutionen
erhöhen. Dazu werden insbesondere neue Wege             über Grenzen hinweg und treibt die internatio-
des Wissens- und Technologietransfers erprobt           nale Koordinierung von Forschungsprogrammen
und rechtliche Rahmenbedingungen weiterhin              voran. Ein besonderer Fokus liegt auf der Erfor-
forschungs- und innovationsfreundlich gestaltet.        schung vernachlässigter und armutsbedingter
Forschungsintensive Unternehmen werden künf-            Krankheiten in Kooperation mit Entwicklungs-
tig gezielt in Translationsnetzwerke eingebunden.       ländern.
Zusammenfassung                                                                                            5




    Diesen Herausforderungen und Aufgaben stellt     setzt ebenfalls voraus, dass der Einsatz der For-
sich die Bundesregierung mit dem Rahmenpro-          schungsmittel zu strukturellen Verbesserungen –
gramm Gesundheitsforschung. Es gestaltet dabei       insbesondere in der Transla­ ion  – führt und einen
                                                                                  t
die Hightech-Strategie der Bundesregierung aus,      gesellschaftlichen Bedarf deckt.
in der Gesundheit/Ernährung eines von fünf
Bedarfsfeldern ist. Insbesondere formuliert die         Die Einbeziehung der Wirtschaft: Die
Hightech-Strategie für einzelne Aktionsfelder des    translationale Forschung, mit der Impulse aus
Rahmenprogramms Zukunftsprojekte, die kon-           der Wissenschaft in die praktische Verwertung
krete Ziele wissenschaftlicher, technologischer      durch das Gesundheitssystem und die Wirtschaft
und gesellschaftlicher Entwicklungen über einen      getragen werden, wird gestärkt. Die Förderung
Zeitraum von zehn bis fünfzehn Jahren verfolgen.     von strate­ ischen Partnerschaften über die
                                                               g
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung      Wert­ chöpfungskette hinweg ermöglicht es, im
                                                          s
plant, die Gesundheitsforschung im Zeitraum          Innovationsprozess alle relevanten Akteure auf
2011–2014 mit rund 5,5 Milliarden Euro zu fördern    ein Ziel oder Thema hin zu vernetzen.
(institutionelle Förderung, Projektförderung, Bun-
desanteil der DFG-Förderung; jeweils bezogen auf         Die Förderaktivitäten: Das Rahmenpro-
die Gesundheitsforschung). Hinzu kommen seitens      gramm Gesundheitsforschung ist ein lernendes,
des Bundes erhebliche Ausgaben anderer Ressorts.     sich selbst erneuerndes Programm. Kurzfristig
                                                     wird eine Reihe neuer Förderaktivitäten gestar-
Was ist neu am Rahmenprogramm                        tet: Deutsche Zentren der Gesundheitsforschung
Gesundheitsforschung?                                (Aktions­eld 1), Förderkonzept zur individualisier-
                                                              f
                                                     ten Medizin (Aktionsfeld 2), Studien in der Ver-
Der Ansatz: Die institutionenübergreifende           sorgungsforschung und Zentren der gesundheits­
Zusammenarbeit und Vernetzung wird in einer          ökonomischen Forschung (Aktions­eld 4) und
                                                                                        f
Gesundheitsforschung, die einer effizienten und      Klinische Innovationszentren in der Medizin­
schnellen Translation verpflichtet ist, immer        technik (Aktionsfeld 5). Weitere neue Förder­
wichtiger. Das Gesundheitsforschungsprogramm         aktivitäten werden folgen – u. a. zur Präventions-
gibt deshalb wegweisende Impulse zur struktu-        und Ernährungsforschung (Aktionsfeld  3), zur
rellen Verbesserung der deutschen medizinischen      Förderung strategischer Partnerschaften in der
Forschung. Deutlichster Ausdruck hierfür ist die     Gesundheitswirtschaft (Aktionsfeld 5) und zur
Gründung Deutscher Zentren der Gesundheitsfor-       Förderung von Produktentwicklungspartner-
schung, die in einem die bisherigen Grenzen des      schaften (Non-Profit-Organisationen, die sich die
deutschen Wissenschaftssystems überwindenden         Entwicklung von Impfstoffen, Diagnostika oder
Ansatz zu sechs Volkskrankheiten die jeweils bes-    Therapien für insbesondere Entwicklungsländer
ten Forschungsgruppen aus Hochschulmedizin           betreffende Krankheiten zum Ziel setzen
und außeruniversitären Forschungseinrichtungen       [Aktionsfeld 6]).
zusammenbringen. Weitere strukturelle Impulse
verbessern die Arbeitsbedingungen und Chancen
des wissenschaftlichen Nachwuchses und stärken
die klinische Forschung.

    Die Fokussierung: Erstmals wird ein deut­
licher Fokus auf die Erforschung derjenigen Krank-
heiten gelegt, die die meisten Menschen betreffen
– auf die Volkskrankheiten. Dieser Fokus spiegelt
sich auch in einer finanziellen Schwerpunktset-
zung zugunsten der neuen Deutschen Zentren der
Gesundheitsforschung wider, die in den kommen-
den Jahren von erheblichen zusätzlichen Mitteln
für die Gesundheitsforschung des Bundes profitie-
ren werden. Die Erforschung anderer Krankheiten
als der in den Deutschen Zentren bearbeiteten
6                                                                                 Ausgangsbedingungen




Ausgangsbedingungen
Der demografische Wandel und die rasche                Voraussetzungen und den Lebensstil einzelner
Zunahme der Volkskrankheiten stellen in                Menschen bzw. bestimmter Bevölkerungsgruppen
                                                       zugeschnittene Medizin rückt damit näher.
den kommenden Jahren die Gesundheits-
forschung und das Gesundheitssystem in                    Erkenntnisse über den Einfluss von Ernäh-
Deutschland vor große Herausforderungen.               rung, Bewegung, sonstigem Verhalten und
Bis zum Jahr 2050 wird die Zahl der Einwoh-            Umwelt auf die Aktivität von Genen (Epigenetik)
                                                       eröffnen neue Möglichkeiten, um die Entstehung
ner Deutschlands nach heutigem Kenntnis-               von Volkskrankheiten wie Diabetes oder Herz-
stand von über 80 Millionen auf ca. 70 Millio-         Kreislauf-Erkrankungen besser zu verstehen.
nen sinken. Gleichzeitig steigt der Anteil             Das evidenzbasierte Wissen darüber, ob und wie
der älteren Menschen an der Bevölkerung,               beispielsweise bewegungs- oder ernährungs­
                                                       bezogene Präventionsmaßnahmen funktionieren,
sodass von einem zunehmenden Bedarf und                wächst und muss weiter wachsen. Prävention und
einer zunehmenden Nachfrage nach me-                   Ernährung werden in den nächsten Jahren in der
dizinischen und pflegerischen Leistungen               Forschung an Bedeutung gewinnen.
auszugehen ist.
                                                          National wie international wächst die Gesund-
                                                       heitswirtschaft. Sie ist eines der großen Wachs-
Die Zahl der Menschen, die heute an Krebs, Herz-       tumsfelder in den Industrienationen. Neben der
Kreislauf-, Stoffwechsel-, Infektions-, Lungen- oder   Versorgung mit medizinischen Dienstleistungen
neurodegenerativen Erkrankungen sowie an psy-          gehören zu dieser Branche insbesondere die
chischen, muskuloskelettalen oder allergischen         Pharmaindustrie mit der medizinischen Biotech-
Erkrankungen leiden, steigt spürbar. Gleichzei-        nologie und die Medizintechnik. Global führende
tig erhöht sich – insbesondere im Kontext der          Anbieter im Arzneimittelbereich, in Diagnostik
Alterung unserer Gesellschaft – die Häufigkeit         und medizintechnischen Produkten haben
von chronischen und Mehrfacherkrankungen.              ihren Firmensitz bzw. Produktionsstandorte in
Deshalb sollen im Mittelpunkt der Gesundheits-         Deutschland. Zudem spielen in diesen Branchen
forschung diejenigen Krankheiten stehen, die die       in Deutschland kleine und mittlere Unternehmen
meisten Menschen betreffen und die eine große          eine wichtige Rolle. Um weiterhin weltweit wett-
Krankheitslast mit sich bringen.                       bewerbsfähige Produktion und damit Wertschöp-
                                                       fung in Deutschland zu ermöglichen, müssen
    Immer offensichtlicher wird, wie unterschied-      Innovationspotenziale für Behandlungsmethoden
lich die Voraussetzungen und Bedürfnisse von           und Produkte erschlossen werden. Es bedarf
verschiedenen Bevölkerungsgruppen bei der              klarer Normen und Standards sowie angemes-
Gesundheitsversorgung sind. So brauchen Kin-           sener Rahmenbedingungen für Forschung und
der und Jugendliche andere Therapieverfahren           Entwicklung.
als Erwachsene; Frauen und Männer reagieren
unterschiedlich auf manche Arzneimittel. Auch          Ziele des Rahmenprogramms
bedürfen multimorbide Menschen spezifisch              Gesundheitsforschung
angepasster Behandlungsverfahren – die für
Einzelkrankheiten konzipierten medizinischen           Primäres Ziel der Gesundheitsforschung ist es,
Leitlinien und Behandlungsverfahren stoßen hier        Qualität und Sicherheit der Gesundheitsversor-
an ihre Grenzen. Zudem werden Häufigkeit und           gung der Patientinnen und Patienten weiter
Verlauf von Krankheiten oft vom jeweiligen sozia­      zu steigern. Hierzu werden weitreichende For-
len Hintergrund beeinflusst. Gleichzeitig wächst       schungserkenntnisse benötigt und deren schnelle
das Verständnis grundlegender Krankheitsmecha-         Translation, also die effiziente Übertragung von
nismen, und die Identifizierung von krankheits-        Forschungsergebnissen in die breite medizinische
verursachenden bzw. ihre Träger vor Krankhei-          Versorgung. Dabei müssen auf folgende Fragen
ten schützenden individuellen physiologischen          Antworten gefunden werden: Wie schaffen bzw.
Voraussetzungen (z. B. Genvarianten) schreitet         erhalten wir in Deutschland eine international
voran. Eine auf die individuellen Bedürfnisse und      wettbewerbsfähige Forschung, um die wesent-
Ausgangsbedingungen                                                                                 7




lichen medizinischen Herausforderungen zu          effizient zu wirtschaften. Versorgungsforschung
identifizieren und in der Forschung prioritär zu   und Gesundheitsökonomie beschäftigen sich
bearbeiten? Welche Strukturen sind notwendig,      beispielsweise damit, wie eine bestmögliche Ge-
um Forschungsergebnisse aus dem Labor in die       sundheitsversorgung aussehen kann und wie sie
medizinische Versorgung der Patienten zu über-     mit wirtschaftlichen Überlegungen in Einklang
tragen und dauerhaft in eine sichere Versorgung    zu bringen ist. Expertinnen und Experten aus
zu integrieren?                                    verschiedenen Disziplinen – von der Ökonomie
                                                   über die Rechtswissenschaft und die Pflegewis-
   Dabei ist es auch ein wichtiges Anliegen,       senschaft bis hin zur Medizin – arbeiten in die-
Lösungsvorschläge für die vielfältigen sozialen,   sem Forschungsfeld zusammen und beantworten
rechtlichen und ethischen Herausforderungen zu     Fragen wie: Wie lässt sich die Gesundheitsversor-
erarbeiten, die sich durch neue Entwicklungen      gung evidenzbasiert lokal, regional und national
in der Gesundheitsforschung ergeben. Wie etwa      verbessern und sicherer machen? Wie kann ein
ändern neue, tief in das Wesen des Menschen        besseres Zusammenwirken der Strukturen im
eingreifende Diagnose- und Therapiemöglich­        Gesundheitssystem hierzu beitragen? Wie lassen
keiten unser Verständnis von Krankheit bzw.        sich gute Beispiele aus anderen Ländern auf deut-
das Selbstverständnis des Menschen? Die geistes-   sche Verhältnisse übertragen?
und sozialwissenschaftliche Forschung kann in
Ergänzung zu und in Kooperation mit der medi­         Des Weiteren soll die Gesundheitsforschung
zinischen Forschung Antworten auf diese und        auf eine wirtschaftliche Verwertbarkeit ihrer
weitere Fragen geben.                              Erkenntnisse hinarbeiten – und dies nicht erst
                                                   in den späten Phasen der klinischen Forschung,
    Die Gesundheitsforschung muss darüber          sondern schon in der Grundlagenforschung
hinaus die sozialstaatlichen Herausforderungen     und der präklinischen Forschung. Die zentralen
an das Gesundheitssystem thematisieren. Der        Fragen sind: Welche Voraussetzungen müssen
Anspruch, jedem Menschen eine bestmögliche         geschaffen werden, um die Innovationspotenziale
und sichere Therapie zu ermöglichen, bleibt auch   aus der Wissenschaft oder von jungen Biotech-
in Zukunft von zentraler Bedeutung. Gleichzeitig   nologieunternehmen zu heben? Wie kann die
steigt der Druck, auch im Gesundheitssystem        Zusammenarbeit von akademischer Forschung
                                                   und industrieller Entwicklung effizienter und
                                                   für beide Seiten erfolgreich gestaltet werden,
                                                   um Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt zu
                                                   ermöglichen? Wie sehen gemeinsam getragene
                                                   Strategien dafür aus? Wie gelingt es in allen Pha-
                                                   sen des Innovationsprozesses, den Patientennut-
                                                   zen zum zentralen Erfolgskriterium der Beteilig-
                                                   ten zu machen?

                                                       Schließlich muss die Gesundheitsforschung
                                                   internationale Zusammenarbeit nutzen – um
                                                   Synergien für den medizinischen Fortschritt
                                                   freizusetzen, aber auch um ihrer Verantwortung
                                                   für die weltweite Gesundheitsversorgung gerecht
                                                   zu werden. Die entscheidenden Fragen lauten
                                                   hier: Welche Forschungsinfrastrukturen sollten
                                                   wir gemeinsam in internationaler Arbeitsteilung
                                                   aufbauen und nutzen? Welche Rolle kann die
                                                   Gesundheitsforschung in der Entwicklungszu-
                                                   sammenarbeit spielen? Welchen Beitrag sollte
                                                   Deutschland zur Erforschung von vor allem Ent-
                                                   wicklungsländer betreffenden Infektionskrank­
                                                   heiten leisten?
8   Die strukturelle Herausforderung: Gebündelte Erforschung von Volkskrankheiten
Die strukturelle Herausforderung: Gebündelte Erforschung von Volkskrankheiten   9
10   Die strukturelle Herausforderung: Gebündelte Erforschung von Volkskrankheiten
Die strukturelle Herausforderung: Gebündelte Erforschung von Volkskrankheiten                          11




Die strukturelle Herausforderung: 	
Gebündelte Erforschung von Volkskrankheiten
Aktionsfeld 1 des Rahmenprogramms                     winkel bleibt dabei nicht auf Deutschland
                                                      beschränkt. Auch sogenannte vernachläs-
Gesundheitsforschung
                                                      sigte und armutsassoziierte Krankheiten wie
Erkenntnisse der nationalen und internatio-           Malaria, die in tropischen Regionen sehr viele
nalen lebenswissenschaftlichen Forschung              Menschen betreffen, sind Volkskrankheiten.

ermöglichen innovative Strategien für Dia-
                                                     Innovationen entstehen oft in Forschungsge-
gnostik, Therapie und zunehmend auch für             bieten, die an den Schnittstellen verschiedener
Früherkennung und Prävention von Krank-              Fächer ansetzen. Ein Ineinandergreifen von
heiten. Gesundheitsforschung wird aber erst          Grundlagenforschung über klinische Forschung
dann zu Fortschritt, wenn Menschen von               bis zur patientenorientierten und bevölkerungs-
                                                     bezogenen Forschung setzt intensive Kooperatio­
ihr profitieren. Dies stellt die medizinischen       nen von Institutionen sowie Forscherinnen und
Forschungs- und Versorgungssysteme vor die           Forschern voraus. Auch die für die Gesundheits-
große Aufgabe, den Prozess der Translation           forschung benötigten Plattformtechnologien und
zu beschleunigen und dabei auf die For-              Forschungsinfrastrukturen, wie Hochdurchsatz­
                                                     technologien, aussagefähige Krankheitsmodelle,
schung zu fokussieren, die Patientinnen              Biomaterialbanken, Kohorten oder Kompetenzin-
und Patienten nutzt.                                 frastrukturen zur Planung und Durchführung
                                                     klinischer Studien, können oft nur im Zusam-
Der Standort Deutschland verfügt über ein be-        menwirken unterschiedlicher Partner aufgebaut,
achtliches Potenzial in der biomedizinischen und     getragen und effektiv genutzt werden. Hierbei
klinischen Forschung. Sowohl die universitäre als    kann durch ein enges Zusammengehen von
auch die außeruniversitäre und die industrielle      außeruniversitären und universitären Partnern
Gesundheitsforschung leisten viel beachtete Bei-     ein enormes Innovationspotenzial in der Gesund-
träge auf zahlreichen Feldern. Allerdings errei-     heitsforschung mobilisiert werden.
chen diese Aktivitäten oft nicht die erforderliche
kritische Größe. Die institutionenübergreifende          Die Bundesregierung hat deshalb gemein-
Zusammenarbeit und Vernetzung wird in einer          sam mit den Ländern begonnen, neue, koope-
Gesundheitsforschung, die einer effizienten und      rative Strukturen zur Erforschung der großen
schnellen Translation verpflichtet ist, deshalb      Volkskrankheiten zu schaffen. In einem wissen-
immer wichtiger. Dies gilt insbesondere für die      schaftsgeleiteten Prozess werden die führenden
Erforschung von Volkskrankheiten, da hier die        Forschungseinrichtungen und Gruppen, die zu
großen Fragen nur in einem interdisziplinären        einzelnen Krankheiten forschen, zu Deutschen
und langfristig angelegten Ansatz lösbar sind.       Zentren der Gesundheitsforschung vernetzt. In
                                                     diesen Deutschen Zentren arbeiten die beteiligten
 Was sind Volkskrankheiten?                          Partner gleichberechtigt zusammen. Die Qualität
                                                     der wissenschaftlichen Arbeit in einzelnen medi-
 Als Volkskrankheiten werden besonders weit­         zinischen Fakultäten, in Universitätsklinika und
 verbreitete Krankheiten oder Krankheitsfelder       in außeruniversitären Forschungseinrichtungen
 mit hoher Mortalitäts- bzw. Morbiditätslast         entscheidet über die Teilnahme und die Rolle in
 bezeichnet. Dies sind beispielsweise Krebs,         den Deutschen Zen­ ren. Es wird darüber hinaus
                                                                         t
 Herz-Kreislauf-, Stoffwechsel-, Infektions-,        eine enge Interak­ ion mit der Wirtschaft ange-
                                                                       t
 Lungen- oder neurodegenerative Erkrankun-           strebt.
 gen, aber auch psychische, muskuloskelettale
 oder allergische Erkrankungen. Es handelt              Bereits im Jahr 2009 hat die Bundesregierung
 sich dabei um sogenannte Zivilisationskrank­        zwei Deutsche Zentren der Gesundheitsforschung
 heiten, um Infektionskrankheiten oder um            gegründet: Das Deutsche Zentrum für Neuro-
 Erkrankungen, die erst mit gestiegenem              degenerative Erkrankungen (DZNE) und das
 Lebensalter sehr häufig auftreten. Der Blick-       Deutsche Zentrum für Diabetesforschung (DZD).
12                    Die strukturelle Herausforderung: Gebündelte Erforschung von Volkskrankheiten




Darüber hinaus sollen im Jahr 2011 vier weitere     von Forschungsergebnissen aus dem Labor in
Deutsche Zentren eingerichtet werden: das Deut-     die breite medizinische Versorgung, deutlich zu
sche Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung, das      beschleunigen. Damit soll eine neue Basis für
Deutsche Konsortium für Translationale Krebsfor-    translationale biomedizinische Spitzenforschung
schung, das Deutsche Zentrum für Infektionsfor-     gelegt werden, die im internationalen Vergleich
schung und das Deutsche Zentrum für Lungen-         sichtbar und konkurrenzfähig ist. Dabei werden
forschung.                                          die Deutschen Zentren die Gesundheitswirtschaft
                                                    bereichern und stärken.
   Mit diesen Zentren, die auch untereinander
eng kooperieren werden, sollen die Kapazitäten          Die gleichberechtigte Partnerschaft zwischen
und Qualitäten der deutschen Forschung gebün-       außeruniversitären Einrichtungen der Gesund-
delt werden, um aufbauend auf einer starken         heitsforschung und der Universitätsmedizin,
Grundlagenforschung und einer leistungsfähigen      die Auswahl der Partner durch ein transparen­  -
klinischen Forschung gemeinsam besser und           tes Begutachtungsverfahren durch international
erfolgreicher klinische Studien durchführen, die    renommierte Experten, die regelmäßige Eva-
Einführung neuer klinischer Ansätze analysieren     luation und Begleitung durch Expertenbeiräte
und deren Wirksamkeit überprüfen zu können.         sowie die längerfristige Finanzierung werden
Die Deutschen Zentren sollen entscheidend dazu      den Erfolg der Deutschen Zentren sicher­ tellen.
                                                                                             s
beitragen, die Translation, also den Transfer
Die strukturelle Herausforderung: Gebündelte Erforschung von Volkskrankheiten                          13




  eutsche Zentren der Gesundheits­
 D                                                   wie Alzheimer und Parkinson. Neben dem Kern-
 forschung                                           zentrum in Bonn gehören sechs leistungsstarke
                                                     Partnerstandorte in Rostock/Greifswald, Magde-
 Jedes Deutsche Zentrum besteht aus mehreren         burg, Göttingen, Witten-Herdecke, Tübingen und
 Partnerstandorten. Ein Partnerstandort kann aus     München dazu. Jeder Standort konzen­riert sich
                                                                                           t
 einer universitären oder einer außeruniversitä-     auf seine speziellen Stärken und hat dabei das
 ren Einrichtung bestehen, aber auch aus einem       gemeinsame Ziel der Verbesserung von Therapie
 regionalen Verbund von zwei oder mehreren           und Prävention neurodegenera­iver Erkrankungen
                                                                                    t
 dieser Einrichtungen. Die Finanzierung der Deut-    im Blick. Überdies beschränkt sich das Zentrum
 schen Zentren erfolgt zu 90 % durch den Bund.       nicht auf Grundlagenforschung, vielmehr ist die
 Die Bundesmittel werden im Wege der institu­        Übertragung in die therapeutische Praxis Teil des
 tionellen Förderung zur Verfügung gestellt. Jedes   Gründungsauftrags.
 Land finanziert die bei ihm ansässigen, an einem
 Deutschen Zentrum beteiligten Einrichtungen         Y  eutsches Zentrum für Diabetes­
                                                       D
 mit einem anteiligen Beitrag in Höhe von 10 %.        forschung
 Bei der Auswahl der Partnerstandorte und
 bei der Förderung der Deutschen Zentren der         Die modernen Lebens- und Ernährungsgewohn-
 Gesundheitsforschung wird Wert darauf gelegt,       heiten mit einer energiereichen Ernährung bei
 dass wegweisende Beispiele zur Behebung der         gleichzeitigem Bewegungsmangel begünstigen
 strukturellen Nachteile des deutschen Gesund-       zunehmend auch bei Kindern und Jugendlichen
 heitsforschungssystems (vgl. Seite 16) erarbeitet   die Entstehung von Übergewicht und Adiposi-
 und erprobt werden. Die Deutschen Zentren           tas. Diese werden oft als primäre Ursachen für
 stehen in der besonderen Verantwortung, die         die Entwicklung von Krankheiten wie Diabetes
 zur Verfügung stehenden Forschungsgelder            Typ  2, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und diversen
 konzentriert und effektiv zum Wohl der Patien-      Tumorarten genannt. In Deutschland werden für
 ten einzusetzen. Daher wird die Übertragung         das Jahr 2025 annähernd 10 Millionen Diabetes-
 wissenschaftlicher Erkenntnisse in die therapeu-    Patienten vorhergesagt. Angesichts der stetigen
 tische Praxis wesentlicher Bestandteil und auch     Zunahme der Erkrankungen ist eine wesentlich
 Evaluierungskrite­ ium der Deutschen Zentren
                   r                                 umfassendere Forschungsstrategie mit neuen
 sein.                                               Methoden zur individualisierten Diagnose, Prä-
                                                     vention und Therapie dringend erforderlich.
 Y  eutsches Zentrum für Neuro­
   D
   degenerative Erkrankungen                             Im Jahr 2009 wurde das Deutsche Zentrum
                                                     für Diabetesforschung gegründet. Es hat fünf
 Die Funktion des menschlichen Gehirns, seine        Partner: das Helmholtz Zentrum München für
 Entwicklung und seine Erkrankungen zu ver-          Gesundheit und Umwelt, das Deutsche Diabetes-
 stehen ist eine der größten Herausforderungen       Zentrum in Düsseldorf, das Deutsche Institut
 der Biowissenschaften. Durch Fortschritte in        für Ernährungsforschung Potsdam, die Univer-
 der Weiter- und Neuentwicklung von Untersu-         sität Tübingen sowie das Universitätsklinikum
 chungsmethoden und -geräten ist es möglich          Dresden. Durch diese Zusammenarbeit werden
 geworden, das gesunde menschliche Gehirn zu         Lücken in der Forschungskette geschlossen und
 studieren und damit weitreichende Erkenntnisse      die translationale Forschung in Deutschland auf
 über unser Denken, Fühlen und Verhalten und         diesem Forschungsgebiet gestärkt.
 entsprechende Störungen zu erlangen. Neurode-
 generative Erkrankungen, zu denen Parkinson         Y  eutsches Zentrum für Herz-Kreislauf­
                                                       D
 und Demenzen wie Alzheimer gehören, sind für          Forschung
 Betroffene und Angehörige eine extrem hohe
 Belastung.                                          Den unterschiedlichen Herz-Kreislauf-Erkran-
                                                     kungen liegen häufig gemeinsame Risikofakto-
    Das im Jahr 2009 gegründete Zentrum bündelt      ren wie Übergewicht, Diabetes oder Rauchen
 bundesweit die wissenschaftliche Kompetenz auf      zugrunde. Sie führen zu einer signifikanten
 dem Gebiet von neurodegenerativen Krankheiten       Verkürzung der Lebensdauer und beeinträchti-
14                     Die strukturelle Herausforderung: Gebündelte Erforschung von Volkskrankheiten




 gen über lange Zeit erheblich die Lebensqualität     Y  eutsches Zentrum für Infektions­
                                                        D
 der Betroffenen. Zur Bekämpfung von Herz-              forschung
 Kreislauf-Erkrankungen existieren zahlreiche
 therapeutische Konzepte. Häufig lässt sich damit     Jeden Tag sterben weltweit Tausende Menschen
 jedoch nur eine unzureichende Verbesserung           an HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria sowie
 der Organfunktion und der Gesamtsituation der        an weiteren, nicht minder lebensbedrohlichen
 Patienten erreichen. Umso wichtiger ist die Ent-     tropischen Infektionskrankheiten. Zu ihrer
 wicklung und Förderung von Konzepten, die auf        Bekämpfung fehlt es nach wie vor an sicheren
 eine frühzeitige, individualisierte Prävention und   und bezahlbaren Impfstoffen, Diagnosemetho-
 Therapie abzielen.                                   den und Therapien. Deutschland kann und
                                                      will zu ihrer erfolgreichen Bekämpfung einen
     Deutsche Forscherinnen und Forscher sind in      wichtigen Beitrag leisten.
 den für die Herz-Kreislauf-Forschung entscheiden-
 den Forschungsgebieten international erfolg-              Die Belastung durch Infektionserkrankun-
 reich und haben wesentliche Beiträge zu den          gen ist aber auch in Deutschland von enormer
 medizinischen Fortschritten geleistet. Durch die     medizinischer und ökonomischer Bedeutung.
 Zentrumsbildung wird die deutsche Herz-Kreislauf-    Dies betrifft auch die sogenannten Zoonosen,
 Forschung nachhaltig verzahnt – von der Grundla-     d.  h. Krankheiten, die von Tieren oder auch
 genforschung über die klinische Forschung bis zur    Lebensmitteln tierischer Herkunft auf den Men-
 Versorgungsforschung. Universitäre und außeruni-     schen übertragen werden können. Die schnell
 versitäre Einrichtungen werden überregional part-    anwachsende Weltbevölkerung, der demografi-
 nerschaftlich zusammenarbeiten, ihre Arbeiten        sche Wandel in der Bevölkerung, der Klimawan-
 koordinieren und Forschungsinfrastrukturen wie       del, die Veränderungen in den Essgewohnhei-
 z. B. Register gemeinsam nutzen.                     ten sowie die Globalisierung des Reiseverkehrs
Die strukturelle Herausforderung: Gebündelte Erforschung von Volkskrankheiten                        15




 und des Handels begünstigen dabei das               Bei verschiedenen Krebstherapien ist die
 Auftreten von Zoonosen und die Verbreitung          individualisierte Medizin nicht nur Visi-
 von Zoonosenerregern. Die Erforschung               on, sondern schon Realität. Hier gibt es
 dieses Gebiets erfordert die enge Zusammen-         eine Reihe von Arzneimitteln, für die vor
 arbeit von Humanmedizin und Veterinärme-            Therapiebeginn molekularbiologische dia-
 dizin. Aber auch eine andere Entwicklung            gnostische Tests durchgeführt werden, um
 erhöht die von Infektionskrankheiten aus-           Vorhersagen über Wirksamkeit, Nebenwir-
 gehenden Gefahren: Immer mehr bewährte              kungen und angemessene Dosierung der
 antiinfektive Substanzen wie Antibiotika,           Wirkstoffe für den einzelnen Patienten
 Antimykotika und Virostatika verlieren ihre         zu treffen. Insgesamt hat die Entwicklung
 Wirksamkeit, da die Keime Resistenzen               neuer Therapien und Diagnostika mit den
 entwickeln. Darüber hinaus treten immer             enorm wachsenden Erkenntnissen aus der
 wieder neue Krankheitserreger oder bekann-          Grundlagenforschung jedoch nicht Schritt
 te Erreger mit veränderten Eigenschaften            gehalten. Um neue Therapiekonzepte wei-
 auf, die Krankheiten mit hoher Morbidität           terzuentwickeln sowie die Heilungsraten
 und Mortalität auslösen und große Anforde-          und Überlebenschancen der Patienten zu
 rungen an die Erkennung, Vorbeugung und             verbessern, müssen die Erkenntnisse aus
 Behandlung stellen.                                 den Forschungslaboren in klinische Studien
                                                     und weiter in die medizinische Versorgung
    Im Deutschen Zentrum für Infektionsfor-          übertragen werden. Dies zählt zu den Kern-
 schung werden wissenschaftliche Expertisen,         aufgaben des Deutschen Konsortiums für
 Infrastrukturen und Ressourcen bundesweit           translationale Krebsforschung.
 gebündelt und die bestehenden universi-
 tären und nichtuniversitären Forschungs-            Y  eutsches Zentrum für Lungen-
                                                       D
 gruppen enger verbunden. Ziel künftiger               forschung
 Forschung ist es, die Mechanismen von
 Infektionskrankheiten und ihre Verlaufs-            Für Asthma und andere chronische Lungen-
 und Verbreitungsmuster sowie die mit der            krankheiten, aber auch für Bronchialkarzi-
 Behandlung der Krankheiten verbundenen              nome, Lungenemphyseme oder respiratori-
 Resistenzentwicklungen der Erreger besser           sche Allergien existieren keine hinreichend
 zu verstehen.                                       effektiven Therapiemöglichkeiten. Dies stellt
                                                     eine große Herausforderung für die Gesund-
 Y  eutsches Konsortium für translationale
   D                                                 heitsforschung dar, der nur durch wissen-
   Krebsforschung                                    schaftliche und strukturelle Koordinierung
                                                     der führenden deutschen Lungenforschungs-
 Die biomedizinische Grundlagenforschung             gruppen begegnet werden kann.
 hat in den vergangenen 30 Jahren zu den
 molekularen und zellulären Ursachen von                Um dies zu erreichen, werden im Deut-
 Krebserkrankungen wegweisende Erkennt-              schen Zentrum für Lungenforschung die
 nisse gewonnen und daraus neue Strategien           besten universitären und außeruniversitären
 zur Therapie entwickelt. Für Patienten mit          pneumologischen Forschungseinrichtungen
 bestimmten Krebserkrankungen, wie Leukä-            zusammengeführt. Die grundlagen- und
 mien oder bestimmte bösartige Tumore im             patientenorientierte Forschung auf dem Ge-
 Kindesalter, haben sich die Chancen auf eine        biet der Lungenerkrankungen wird koordi-
 dauerhafte Heilung in den vergangenen zehn          niert und auf internationales Spitzenniveau
 bis fünfzehn Jahren erheblich verbessert. Bei       angehoben, um so die Translation grundla-
 häufigen Tumoren wie Brust- und Darmkrebs           genwissenschaftlicher Erkenntnisse in neue
 stieg die Fünfjahresüberlebensrate auf über         klinische Konzepte zur Verbesserung der
 75 bzw. 55 %.                                       Patientenversorgung sicherzustellen.
16                      Die strukturelle Herausforderung: Gebündelte Erforschung von Volkskrankheiten




Forschungs- und nachwuchsfreundliche                   Klinische Studienzentren, die Translationszentren
Rahmenbedingungen und Strukturen                       für Regenerative Medizin oder die Etablierung
                                                       gesonderter Nachwuchsforschungsgruppen wid-
Strukturelle Probleme der medizinischen For-           men sich dieser Herausforderung. Folgende Ziele
schung in Deutschland wurden schon oft in Denk-        stehen dabei besonders im Blickfeld:
schriften thematisiert und mit Fördermaßnahmen
der Bundesregierung angegangen. Es gibt zwar           ●●   eine fundierte wissenschaftliche Qualifizie-
punktuelle Erfolge, aber noch keine in die Fläche           rung des Nachwuchses in der Medizin, den
gehenden, nachhaltigen Verbesserungen.                      Naturwissenschaften und in Gesundheits-
                                                            berufen wie Pflegewissenschaft, Logopädie,
   Dies ist insbesondere für die Situation des wis-         Ergotherapie, Physiotherapie und dem Hebam-
senschaftlichen Nachwuchses nachteilig. Gerade in           menwesen,
der Hochschulmedizin steht der wissenschaftliche
Nachwuchs in einem besonderen Spannungsfeld.           ●●   eine angemessene Verankerung wissenschaft-
Das bisherige Leitbild des deutschen Hochschulme-           licher Arbeitsweise in allen Phasen der medi-
diziners geht davon aus, dass exzellente Leistun-           zinischen Ausbildung, z. B. durch Integration
gen in Forschung, Lehre und Krankenversorgung               einer wissenschaftlichen Grundausbildung in
durch ein und dieselbe Person erbracht werden.              das Studium, durch Forschungsstipendien für
Die medizinische Ausbildung an den deutschen                Studierende, zeitlich begrenzte Freistellungen
Hochschulen ist jedoch auf die praktische ärztliche         von der Krankenversorgung oder durch höhe-
Tätigkeit ausgerichtet und bietet kaum Qualifizie-          re wissenschaftliche Ansprüche an medizini-
rungsinhalte für wissenschaftliches Arbeiten. Die           sche Doktorarbeiten,
wachsende Bedeutung der patientenorientierten
Forschung darf die Arbeitsbelastung engagierter        ●●   eine frühe wissenschaftliche und finanzielle
Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissen-                  Selbstständigkeit für die Arbeit von Nach-
schaftler nicht weiter erhöhen; Forschung sollte            wuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchs-
nicht in die „Freizeit“ verschoben, sondern als Teil        wissenschaftlern,
der ärztlichen Aufgaben verstanden werden und
einen dementsprechenden Stellenwert erhalten.          ●●   die Erhaltung des Interesses an Forschung nach
                                                            der ärztlichen Ausbildung, u. a. durch eine
   Aus dem Dreiklang von Forschung, Lehre und               stärkere Berücksichtigung von Forschungs­
Krankenversorgung ergibt sich eine weitere struk-           leistungen in der beruflichen Karriere an Uni-
turelle Problematik: Die für die Erfüllung dieser           versitätsklinika und durch adäquate Beschäfti-
drei hochschulmedizinischen Aufgaben erfor-                 gungssituationen für den wissenschaftlichen
derlichen Mittel stammen aus unterschied­ichen
                                           l                Mittelbau,
Quellen, sind aber jeweils zweckgebunden. Auch
wenn die Tätigkeit eines einzelnen ärzt­ichen
                                        l              ●●   die Vermittlung eines Grundverständnisses
Mitarbeiters oder einer einzelnen ärztlichen Mit-           für industrielle Forschung und Entwicklung
arbeiterin nicht minutengenau Forschung, Lehre              und der für Industriekooperationen relevanten
oder Krankenversorgung zugeordnet werden                    regulatorischen Standards für Postgraduierte,
kann, müssen die hochschulmedizinischen Stand-
orte doch mit einer funktionierenden Trennungs-        ●●   die Verbesserung der beruflichen Chancen
rechnung sicherstellen, dass Forschungsmittel               für naturwissenschaftliche Forscherinnen und
vollständig der Forschung zugutekommen.                     Forscher in der Gesundheitsforschung.

    Von den Deutschen Zentren der Gesundheits-         Unter dem Dach des Rahmenprogramms Gesund-
forschung werden wegweisende Impulse zur               heitsforschung werden diese Ziele in den genann-
Schaffung forschungs- und nachwuchsfreund-             ten, besonders auf die Schaffung forschungs- und
licher Rahmenbedingungen und Strukturen                nachwuchsfreundlicher Rahmenbedingungen
erwartet. Auch andere Förderaktivitäten des            und Strukturen ausgerichteten Fördermaßnah-
Rahmenprogramms Gesundheitsforschung wie               men verfolgt, aber auch als Querschnittsziele in
Integrierte Forschungs- und Behandlungszentren,        allen anderen Maßnahmen (vgl. Seite 45).
Die strukturelle Herausforderung: Gebündelte Erforschung von Volkskrankheiten                      17




Krankheitsbezogene Projektförderung                     Die Projektförderung außerhalb des thema­
                                                    tischen Bereichs der Deutschen Zentren wird mit
Krankheitsbezogene Förderung erfolgt im Rah-        verschiedenen Förderinstrumenten die Erfor-
menprogramm Gesundheitsforschung einerseits         schung anderer wichtiger Krankheiten als der in
mit den Deutschen Zentren der Gesundheitsfor-       Deutschen Zentren bearbeiteten Volkskrankhei-
schung, andererseits mit der Projektförderung       ten ermöglichen. Dazu zählen andere häufige
des Bundes. Die krankheitsbezogene Projektförde-    Erkrankungen, aber auch weniger häufige und
rung wird künftig die Forschungsschwerpunkte        seltene Erkrankungen mit gesellschaftlicher Re-
der Deutschen Zentren komplementär ergänzen.        levanz. Der Einsatz der Forschungsmittel erfolgt
Projektförderung im thematischen Bereich eines      dabei so, dass er zu strukturellen Verbesserungen
Deutschen Zentrums wird zwei zentrale Ziele         führt, einen gesellschaftlichen Bedarf deckt und
haben: im Deutschen Zentrum zu der jeweiligen       zu Innovationen und Wertschöpfung in Deutsch-
Volkskrankheit nicht bearbeitete Forschungsfra-     land beiträgt. Entlang dieser Kriterien wird die
gen zu verfolgen und das Deutsche Zentrum mit       Bundesregierung ihre krankheitsbezogene Pro-
weiteren wissenschaftlichen Partnern und der        jektförderung weiter profilieren.
Wirtschaft zu verbinden.
18   Die Forschungsherausforderung: Individualisierte Medizin
Die Forschungsherausforderung: Individualisierte Medizin                                               19




Die Forschungsherausforderung: 	
Individualisierte Medizin
Aktionsfeld 2 des Rahmenprogramms                       Neben der Auswahl geeigneter Arzneimittel
Gesundheitsforschung                                 bietet die individualisierte Medizin auch ein großes
                                                     Potenzial für patientenspezifische Medizinprodukte.
Eine der zentralen Herausforderungen der Ge-         Sogenannte therapeutische Unikate, die passgenau
sundheitsforschung ist es, für jeden Patienten       für den einzelnen Patienten angefertigt werden,
und jede Patientin das höchstmögliche Maß            sind in der Prothetik bereits Routine.

an therapeutischer Wirksamkeit bei gleich­               In Zukunft wird auch die regenerative Medi-
zeitiger Minimierung der Nebenwirkungen              zin Verfahren entwickeln und bereitstellen, die
zu erreichen. Die großen Fortschritte in der         patientenspezifisch sind. Erste Therapieverfahren
Erforschung von Krankheitsursachen und               befinden sich bereits in der klinischen Anwendung,
                                                     z. B. bei der Regeneration des Immunsystems oder
neue diagnostische Technologien lassen die-          von Knorpeln und Haut. Einen wichtigen Beitrag
ses Ziel näher rücken – wir befinden uns auf         leisten Untersuchungen zu den sogenannten
dem Weg zu einer individualisierten Medizin.         Advanced Therapies mit gewebebasierten Metho-
                                                     den (Tissue Engineering), mit Zellen (Zelltherapie)
Im Rahmen der individualisierten Medizin wer-        und genbasierten Ansätzen (Gentherapie). Bis zur
den auch die unterschiedlichen Voraussetzungen       Routineanwendung müssen jedoch noch Fragen zu
und Bedürfnisse von verschiedenen Bevölkerungs-      Wirksamkeit, Nutzen, Wirtschaftlichkeit, Sicherheit,
gruppen bei der Gesundheitsversorgung und der        Normung und Standardisierung durch entspre-
Prävention besonders berücksichtigt. So brauchen     chende Studien beantwortet werden. Des Weiteren
etwa Kinder und Jugendliche andere Therapiever-      müsste das Potenzial an Chancen und Risiken im
fahren als erwachsene oder alte Menschen; Frauen     Bereich der individualisierten Medizin im Hinblick
und Männer reagieren verschieden auf manche          auf Patientenautonomie, Nichtdiskriminierung und
Arzneimittel, und multimorbide Menschen bedür-       Verteilungsgerechtigkeit untersucht werden.
fen individuell angepasster Behandlungsverfahren.
Zudem werden Häufigkeit und Verlauf von Krank-           Erste Schritte auf dem Weg zur individualisier-
heiten oft vom jeweiligen sozialen Hintergrund       ten Medizin sind das Verständnis grundlegender
beeinflusst.                                         Krankheitsmechanismen und die Identifizierung
                                                     molekularer Schaltstellen für die Ausprägung einer
    In der Vision der individualisierten Medizin     Erkrankung. Wichtig sind Diagnostik und darauf
wird es bereits vor Beginn der Behandlung mög-       aufbauend die Entwicklung geeigneter Therapien.
lich sein, das für den Einzelnen optimale thera-     Die meisten Volkskrankheiten haben viele Ursachen;
peutische Verfahren auszuwählen. So wird sich        häufig spielen Ernährung, Bewegung und individu-
vorab feststellen lassen, ob der Patient oder eine   elle genetische und physische Ausprägungen mit
bestimmte Patientengruppe ein Arzneimittel gut       Umwelteinflüssen zusammen. Viele der sogenannten
vertragen wird oder ob das Arzneimittel bei der      seltenen Erkrankungen entstehen dagegen durch die
jeweiligen individuellen Veranlagung und dem         Mutation einzelner Gene. Von den ca. drei Milliarden
Erkrankungstyp tatsächlich wirksam werden kann.      genetischen Bausteinen ist etwa jeder tausendste von
Krankheits- und therapierelevante Gene, Proteine     Mensch zu Mensch verschieden. Ein wesentliches
und andere Moleküle werden für eine spezifische      Ziel der Forschung ist es, diejenigen Genvarianten
Diagnose und eine maßgeschneiderte Therapie          zu identifizieren, die Krankheiten verursachen bzw.
genutzt. Therapien lassen sich gezielt und damit     ihre Träger vor Krankheiten schützen. Basis für die
wirksamer einsetzen und führen somit zu besseren     Identifizierung krankheitsrelevanter Gene, deren
Ergebnissen für Patientinnen und Patienten. Dabei    Funktionsanalysen oder die Beschreibung der kom-
wird es für die Übertragung der Forschungsergeb-     plexen Wechselwirkungen ist die lebenswissenschaft-
nisse in medizinische Produkte und Verfahren und     liche Grundlagenforschung, zu der in diesem Kontext
in die allgemeine Versorgung darauf ankommen,        insbesondere die medizinische Genomforschung, die
Wirksamkeit und Nutzen der neuen Möglichkeiten       Systembiologie, die Computational Neuroscience und
genau zu bewerten.                                   die Stammzellforschung gehören.
20                                                         Die Forschungsherausforderung: Individualisierte Medizin




 Die Forschungsförderung                                             unter Nachweis ihres Nutzens für den Patienten
 zur individua­isierten Medizin
              l                                                      rasch zur Marktreife gelangen.

 In der Förderung wird indikationsoffen der                               Gesonderte Schwerpunkte liegen auf der
 Bogen von der Grundlagenforschung über die                          Erforschung der seltenen Krankheiten und auf
 präklinische und klinisch-patientenorientierte                      der Erforschung von Krankheitsaspekten, die für
 Forschung bis in die Gesundheitswirtschaft                          bestimmte Bevölkerungsgruppen spezifisch sind
 gespannt und so – mit dem Ziel einer schnellen                      (z. B. Frauen/Männer, Menschen mit Migrations-
 und effektiven Translation – die systematische                      hintergrund, Kinder). Zu Prävention vgl. Aktions-
 Entwicklung von Produkten und Verfahren ent-                        feld 3, zu Versorgungsforschung Aktionsfeld 4.
 lang des Innovationsprozesses ermöglicht.
                                                                     Y  ebenswissenschaftliche Grundlagen­
                                                                       L
     Hierzu wird ein aufeinander abgestimmtes                          forschung
 Spektrum an Förderaktivitäten angeboten und
 weiterentwickelt, das die Stufen des Innovations-                   Umfangreiche, aufeinander abgestimmte Förder-
 prozesses adressiert. Regelmäßige Ausschreibun-                     aktivitäten zielen insbesondere auf vier Bereiche
 gen dieser Förderaktivitäten geben Wissenschaft                     der lebenswissenschaftlichen Grundlagenfor-
 und Wirtschaft Verlässlichkeit und ermöglichen                      schung:
 es, nach erfolgreichem Projektabschluss die Arbeit
 konsequent in einer nachfolgenden Stufe des                            Medizinische Genomforschung – Die Zusam-
 Innovationsprozesses fortzusetzen. Bei der Ent-                     menführung von struktur- und funktionsbezoge-
 wicklung von Produkten und Verfahren ist häufig                     nen Daten mit Informationen über die Krank-
 gerade der Übergang von einer Stufe des Innovati-                   heitsentstehung und ihren Verlauf ermöglicht
 onsprozesses zur nächsten problematisch. Deshalb                    Rückschlüsse auf den Einfluss des Genoms,
 wird zusätzlich zu den Fördermaßnahmen, die                         seiner Produkte sowie von Umwelteinflüssen
 einzelne dieser Stufen adressieren, ein neues För-                  bei multifaktoriell bedingten Krankheiten.
 derinstrument entwickelt, das über mehrere Stu-                     Durch die Fördermaßnahmen des Nationalen
 fen hinweg strategische Partnerschaften zwischen                    Genomforschungsnetzes und der Medizinischen
 Wissenschaft, Wirtschaft und Anwendern im Ge-                       Infektionsgenomik, aber auch mithilfe der
 sundheitssystem entlang des Innovationsprozesses                    Beteiligung an internationalen Aktivitäten wie
 unterstützt. So wird es möglich, dass innovative                    dem International Human Epigenome Consorti-
 Ideen für neue Diagnose- und Therapieverfahren                      um (IHEC) und dem ERA-NET on Genomics and



     Wie entstehen diagnostische und therapeutische Produkte und Verfahren?




                                                                                    5. Klinische
                                             3. Klinische                              Stu­­dien
                                                Studien            4.  linische
                                                                      K                 Phase  IV (nach
      1.  ebenswissen­
         L                                      Phase I/II:           Studien           Einfüh­rung in    6. Versorgungs­
         schaftliche      2. Präklinische      Verträglichkeit       Phase  III:       die Routine­          forschung,
         Grundlagen­          Forschung         und Sicherheit        Nachweis          versorgung):          Gesundheits­
         forschung                              und erste Unter­      der Wirk­         Therapiever-          ökonomie
                                                suchungen zur         samkeit           gleichsstudien,
                                                Wirksamkeit                             Therapie­
                                                                                        optimierung
Die Forschungsherausforderung: Individualisierte Medizin                                                 21




 Genetic Epidemiology of Multifactorial Disease        übergreifend von der Neurobiologie sowie
 (GenERA) wird die Förderung im Rahmen die-            der Kognitionsforschung, Systembiologie und
 ses Programms dazu in den kommenden Jahren            Informationstechnologie genutzt werden kann.
 wichtige Beiträge leisten.                            Die Aktivitäten des Bernstein Netzwerks liefern
                                                       wichtige Forschungsimpulse für die Computa­
    Systembiologie – Molekularbiologische              tional Neuroscience.
 Methoden der Genom-, Proteom- und Meta-
 bolomforschung werden mit mathematischen                  Stammzellforschung – Wegen ihrer Regenera-
 Konzepten der Datenanalyse und Modellierung           tions- und Entwicklungsfähigkeit sind Stammzel-
 verknüpft. Dadurch wird es möglich, biologi-          len ein hervorragendes Forschungsobjekt, um
 sche Systeme in ihren funktionellen Eigenschaf-       die Steuerung und Entwicklung von Zellen sowie
 ten zu verstehen und Vorhersagen über ihr             die Regenerationsmechanismen des Körpers zu
 Verhalten zu ermöglichen, wie beispielsweise          untersuchen. Neben den gewebespezifischen
 bei Stoffwechselwegen, Zellorganellen, ganzen         (adulten) und den embryonalen sind in den ver-
 Zellen, Organen oder Organismen. Mit einem            gangenen Jahren die induzierten pluripotenten
 Innova­ ionswettbewerb Systembiologie werden
        t                                              Stammzellen in den Mittelpunkt des Interesses
 die bisherigen Aktivitäten gebündelt, das             der Stammzellforschung gerückt. Ein besseres
 Potenzial des systembiologischen Forschungs-          Verständnis der Eigenschaften und Entwicklungs-
 ansatzes für die Grundlagenforschung gestärkt         prozesse von Stammzellen erlaubt eine effiziente
 und gleichzeitig Brücken hin zur Anwendung            Nutzung als Testsysteme für die Entwicklung von
 geschlagen.                                           Therapien und erleichtert eine spätere Nutzung
                                                       in der regenerativen Medizin.
     Computational Neuroscience – Konzeptio-
 neller Forschungsansatz in der Hirnforschung,         Y  räklinische Forschung
                                                         P
 der Experiment, Datenanalyse und Computersi-
 mulation auf der Grundlage definierter theore-        Ein kritischer Schritt in der Entwicklung neuer
 tischer Konzepte verbindet und so ein besseres        Therapeutika, Diagnostika oder Impfstoffe ist
 Verständnis der neuronalen Grundlagen kog-            die Identifizierung von potenziellen Andock-
 nitiver Leistungen ermöglicht. Die Computa­           punkten, möglichen Wirkstoffen und deren
 tional Neuroscience stellt eine wissenschaftliche     erste Überprüfung auf therapeutische oder
 Sprache zur Verfügung, die fach- und ebenen-          diagnostische Wirksamkeit im Labor.
22                                             Die Forschungsherausforderung: Individualisierte Medizin




 Individuelle Behandlungen erfordern neben              Y  trategische Partnerschaften
                                                          S
 diagnostischen Verfahren zur Unterscheidung              für Translation
 der Patienten die Existenz alternativer Thera-
 pieoptionen. Dabei kristallisiert sich heraus,         Effiziente Translation soll das Ziel verfol-
 dass immer weniger innovative Substanzen               gen, medizinischen Fortschritt, d. h. die
 mit den klassischen Methoden der Pharmafor-            Übertragung der Forschungsergebnisse in
 schung gefunden werden. Stattdessen kommen             das Gesundheitswesen, zu beschleunigen,
 immer häufiger biotechnologische Verfahren             damit neue Erkenntnisse schneller als bisher
 zum Einsatz. Auch wurde aufbauend auf Er-              den Menschen zugutekommen. Aus der
 gebnissen der Grundlagenforschung ein großes           synergistischen Zusammenarbeit von Wis-
 Potenzial an molekularen Markern erschlos-             senschaft, Biotechnologiefirmen, Kliniken,
 sen. Eines der wesentlichen Probleme ist die           Pharmafirmen und – soweit zulässig – von
 Überprüfung ihres konkreten Nutzens für The-           Regulierungsbehörden ergeben sich dabei
 rapieentscheidungen. Derartige Forschungs-             neue Möglichkeiten für Translation; neuar-
 arbeiten werden ebenso wie die Forschung               tige Ansätze für innovative Produkte und
 zur Erweiterung der Therapiemöglichkeiten              Dienstleistungen können entstehen. Diese
 gefördert. Zudem wird künftig die Erforschung          Ziele werden durch die Förderung strategi-
 der Kombination neuer Diagnostik- mit Thera-           scher Partnerschaften zur individualisierten
 pieverfahren unterstützt, denn erst durch diese        Medizin verfolgt.
 Kombination erfolgt die eigentliche Individua­
 lisierung der Behandlungskonzepte. Die prä-            Y  rforschung seltener Krankheiten
                                                          E
 klinische Forschung greift diese Ergebnisse auf
 und bringt sie in ein Stadium der Entwicklung,         Von der Individualisierung der Medizin profi-
 in dem sie gefahrlos am Menschen angewandt             tiert auch die Erforschung seltener Krankhei-
 werden können.                                         ten. Eine Erkrankung gilt nach der in der EU
                                                        gültigen Definition als selten, wenn weniger
 Y  linische Studien
   K                                                    als eine von 2.000 Personen darunter leidet.
                                                        Zu den seltenen Krankheiten werden zwischen
 Klinische Studien sind Motor für Innovationen          5.000 und 8.000 Krankheiten gezählt; an ihnen
 in der Gesundheitsforschung und im Gesund-             leiden in Deutschland insgesamt etwa 2,5 bis
 heitswesen. Klinische Studien aller Prüfphasen         5 Millionen Menschen. Die Forschung zu sel-
 sind aber mit einem hohen wissenschaftlichen,          tenen Erkrankungen – besonders die klinische
 logistischen und finanziellen Aufwand ver-             Forschung – ist mit erschwerten Ausgangsbe-
 bunden, der vor allem der Patientensicherheit          dingungen konfrontiert. Dazu zählen vordring-
 dient. Durch die Förderung der klinischen For-         lich die geringe Anzahl an Patienten, eine die
 schung in Koordinierungszentren für klinische          Durchführung von Studien erschwerende über-
 Studien, Studienzentren und Kompetenznet-              regionale Verteilung und eine geringe Zahl
 zen hat das BMBF in den vergangenen Jahren             von Wissenschaftlern, die an einer seltenen Er-
 die Voraussetzungen für bundesweite und                krankung arbeiten. Im Rahmen des von BMG,
 internationale Studiennetze geschaffen, um             BMBF und Achse e.V. etablierten Nationalen
 Forschungsergebnisse schneller in der Praxis           Aktionsbündnisses für Menschen mit seltenen
 anwenden zu können. Damit hat sich Deutsch-            Erkrankungen (NAMSE) wird daher gezielt die
 land im internationalen Vergleich eine sehr            kooperative Forschung und Vernetzung von
 gute Position erarbeitet. Deutschland nimmt            Wissenschaft und Klinik gefördert. Da etliche
 seit dem Jahr 2006 bei der absoluten Zahl der          Erkrankungen auch durch Bündelung nationa-
 Studien innerhalb der EU die Spitzenposition           ler Kapazitäten nicht adäquat erforschbar sind,
 ein. Dies lässt Rückschlüsse zu auf die Zahl           werden die nationalen Fördermaßnahmen zu-
 der Studien durchführenden Zentren und auf             dem europäisch und international abgestimmt
 die gute Infrastruktur für klinische Prüfungen         und ergänzt.
 in Deutschland insgesamt. Außerdem fördern
 BMBF und DFG gemeinsam nicht kommerzielle
 multizentrische klinische Studien.
Die Forschungsherausforderung: Individualisierte Medizin   23
24   Die Vorsorgeherausforderung: Präventions- und Ernährungsforschung
Die Vorsorgeherausforderung: Präventions- und Ernährungsforschung                                    25




Die Vorsorgeherausforderung: 	
Präventions- und Ernährungsforschung
Aktionsfeld 3 des Rahmenprogramms                   Maßnahmen dienen im Regelfall der generellen
Gesundheitsforschung                                Gesundheitsförderung, in ihrem Mittelpunkt ste-
                                                    hen häufig Bewegung, Ernährung und Stressbe-
Die Entstehung oder der Verlauf von Krank­          wältigung. Maßnahmen der Sekundärprävention
heiten kann durch Ernährung, Bewegung,              haben zum Ziel, Krankheiten besonders früh zu
Verhaltensweisen oder Umweltfaktoren                erkennen. Dadurch soll der Verlauf der Krankheit
                                                    günstig beeinflusst oder ihr Auftreten sogar ganz
beeinflusst werden. Bei der Aufklärung der          verhindert werden. In diesen Bereich fallen bei-
Wechselwirkungen zwischen krankheits­               spielsweise die Maßnahmen zur Früherkennung
auslösenden Genmutationen und externen              bei Krebs. Tertiäre Präventionsmaßnahmen sollen
Faktoren sind jedoch noch vielfältige For­          Rückfällen vorbeugen, haben also beispielsweise
                                                    zum Ziel, dass kein weiterer Schlaganfall eintritt.
schungsfragen zu klären. Bekannt ist, dass          Die tertiäre Prävention ist eine wichtige Kompo-
verschiedene Ansätze vorbeugend wirken              nente in der Rehabilitation, mit deren Hilfe nicht
können: regelmäßiger Sport, gesunde Er­             nur Rückfälle, sondern auch Komplikationen oder
nährung, Impfungen, aber auch umweltbe­             Folgeerkrankungen vermieden werden können.
                                                    Bis vor wenigen Jahren galt, dass Präventions-
zogene Maßnahmen wie die Reduzierung                maßnahmen häufig ohne ausreichenden wissen-
von Feinstäuben oder allergieauslösenden            schaftlichen Nachweis ihrer Wirksamkeit, aber
Stoffen. Dabei bewirkt erfolgreiche Präven­         auch ihrer möglichen unerwünschten Effekte
tion zweierlei: Sie steigert Wohlbefinden und       durchgeführt wurden, da nur wenige entspre-
                                                    chende Studien vorlagen. Da sich z. B. sekundär-
Gesundheit und birgt zugleich erhebliche            präventive Maßnahmen der Krankheitsfrüher-
Einsparpotenziale für die Sozialsysteme.            kennung an klinisch gesunde, beschwerdefreie
                                                    Menschen richten, ist es besonders wichtig, den
Nicht jeder Raucher erkrankt an Krebs, und nicht    Nutzen dieser Maßnahmen (z. B. bessere Prognose
jeder Nichtraucher ist davor geschützt. Nichtrau-   aufgrund der früheren Krankheitsentdeckung)
chen reduziert aber die Wahrscheinlichkeit einer    gegen mögliche Risiken (z. B. psychische Belas-
Krebserkrankung – selbst wenn eine Veranlagung      tung durch falsch-positive Diagnosen, Überdiag-
für Krebs vorliegt. Prädisposition einerseits und   nose und Übertherapie) abwägen zu können.
Verhalten, Ernährung, Bewegung und weitere
Lebensstilfaktoren andererseits beeinflussen also       Für die Planung und Durchführung einer
gemeinsam die Gesundheit des Menschen. Das          Präventionsmaßnahme wie auch einer Therapie
wahre Ausmaß dieser Wechselwirkungen wird           ist eine belastbare Datengrundlage unerlässlich.
erst seit einigen Jahren deutlich. Die Erkennt-     Hierzu dienen beim gesunden Menschen die
nis, dass durch Umweltfaktoren hervorgerufene       populationsbezogene Epidemiologie sowie beim
chemische Veränderungen der Erbsubstanz an          kranken Menschen die klinische Epidemiologie.
die nächste Generation weitergegeben werden         In der klinischen und bevölkerungsbezogenen
können, ist der Ausgangspunkt für die For-          Epidemiologie gewinnen prospektive Langzeitun-
schungsrichtung der Epigenetik. Erkenntnisse aus    tersuchungen, die Entwicklungen im Krankheits-
der Epigenetik tragen entscheidend dazu bei, die    geschehen sowie den Einfluss von positiven und
Funktionsweise von Prävention besser zu verste-     negativen Faktoren evaluieren, immer mehr an
hen. Das Verständnis der Zusammenhänge von          Bedeutung.
Prädisposition, Ernährung und Umwelt ist auch
für die Erforschung von Allergien bedeutend.           Der Gesundheitsstatus des Menschen wird
                                                    auch durch die Ernährung beeinflusst. Mit einer
    Präventionsmaßnahmen werden drei Katego-        frühzeitigen Ernährungsumstellung werden
rien zugeordnet, wobei die Übergänge in der Pra-    oftmals Stabilisierungen oder Verbesserungen des
xis fließend sind: Primärprävention, Sekundärprä-   Gesundheitsstatus erreicht. Zunehmend sind auch
vention und Tertiärprävention. Primärpräventive     Kinder und Jugendliche von ernährungsmitbe-
26                                Die Vorsorgeherausforderung: Präventions- und Ernährungsforschung




dingten Erkrankungen betroffen, in Deutschland          Der demografische Wandel und geänderte
sind ca. 2 Millionen von ihnen übergewichtig. Bei    Lebensumstände stellen die Präventions- und
den Erwachsenen sind es ca. 37 Millionen. Zwar       Ernährungsforschung auch in Hinblick auf die
werden beinahe täglich neue Ernährungsemp-           Lebensmittelsicherheit vor große Herausforderun-
fehlungen und Diätratgeber veröffentlicht, aber      gen – beispielsweise in Hinblick auf eine infolge
nach wie vor sind grundlegende Fragen über die       hohen Alters oder Multimorbidität geschwächte
Zusammenhänge zwischen Ernährung, Bewe-              Immunabwehr oder auf lebensmittelbedingte
gung und deren Wirkungsweise im menschlichen         zoonotische Krankheiten.
Körper ungeklärt. Wodurch wird das Ernährungs-
verhalten des Einzelnen bestimmt? Welche Unter-          Für den eindrucksvollen Anstieg der Lebens­
schiede gibt es in der Metabolisierung (Verstoff-    erwartung und das deutliche Sinken der Kinder-
wechselung) zwischen den einzelnen Menschen?         sterblichkeit sind die Erfolge der Impfstoffent-
Wann und aus welchen Gründen isst der Mensch?        wicklung mit verantwortlich. So konnten allein
Nach welchen molekularen Mechanismen wirken          durch die globale Initiative zur Impfung gegen
Inhaltsstoffe der Nahrung beim Menschen auf          Masern die weltweiten Masern-Todesfälle von
das Immun-, Hormon- und Verdauungssystem             733.000 Menschen im Jahr 2000 auf 164.000 im
sowie die Hirnfunktion? Der Beantwortung dieser      Jahr 2008 gesenkt werden. Während einigen
Fragen, die für eine funktionierende Prävention      Krankheiten durch Impfungen also effektiv vor-
ganz entscheidend ist, widmet sich die Ernäh-        gebeugt werden kann, fehlt es für diverse chro-
rungsforschung.                                      nische Infektionen wie HIV/Aids, Hepatitis oder
                                                     Tuberkulose nach wie vor an Impfstoffen.
Die Vorsorgeherausforderung: Präventions- und Ernährungsforschung                                     27




 Die Förderung der Präventions- und                 gangsweg erfolgt, wie die persönliche Anspra-
 Ernährungsforschung                                che durch den Hausarzt. Die Förderung dieser
                                                    Forschung soll in Umfang und Themenbreite
 Unter dem Dach der Nationalen Präventions-         ausgeweitet und systematisiert werden. Künftig
 strategie entwickelt das BMBF einen Aktions-       sollen Effektivität, Effizienz und unerwünschte
 plan zur Präventions- und Ernährungsfor-           Effekte von Maßnahmen der Primär-, Sekun-
 schung, der die für beide Bereiche relevanten      där- und Tertiärprävention erforscht werden,
 Forschungsansätze zusammenführt und inter-         insbesondere ihre längerfristige Wirksamkeit.
 disziplinär verknüpft.                             Auch die Entwicklung neuer evidenzbasierter
                                                    Präventionskonzepte ist eine wichtige Aufgabe
 Y  pigenetische Forschung zu Prävention
   E                                                für die Zukunft.
   und Ernährung
                                                    Y  pidemiologische Forschung
                                                      E
 Ergebnis bisheriger Forschung ist, dass schon
 im Mutterleib durch Ernährung und toxische         Die deutsche epidemiologische Forschung
 Einflüsse erbliche Faktoren für den Rest des Le-   nimmt im internationalen Vergleich bisher
 bens an- oder abgeschaltet werden. Gerade bei      keine herausragende Rolle ein. Ein nachhalti-
 Krankheiten wie Diabetes und Adipositas zeigt      ger Ausbau der Epidemiologie setzt struktur-
 sich die Bedeutung dieser sogenannten metabo-      fördernde Maßnahmen voraus. Hierzu gehören
 lischen Programmierung im Jugendalter. Aber        spezifisch epidemiologisch ausgerichtete
 auch in späteren Lebensabschnitten können          Lehrstühle an den Hochschulen, um sowohl
 Umwelteinflüsse erbliche Faktoren nachhaltig       exzellente Forschung zu betreiben als auch
 beeinflussen. Forschungsbedarf besteht auch        qualifizierten wissenschaftlichen Nachwuchs
 bei der Klärung, welche Umwelteinwirkungen         auszubilden. Aber auch der Aufbau von epide-
 welche epigenetischen Modulationen zur Folge       miologischen Nachwuchs-Forschungsgruppen
 haben und welche Konsequenz daraus für die         ist erforderlich. Des Weiteren wird unter der
 menschliche Gesundheit folgt.                      Bezeichnung „Deutsche Studie für Gesundheit
                                                    und Prävention“ eine nationale Kohorte mit
    Diesbezügliche Forschungsprojekte werden        200.000 gesunden Studienteilnehmern im Alter
 künftig in enger Abstimmung mit der For-           zwischen 20 und 70 Jahren geplant. Dabei soll
 schungsförderung zur individualisierten Medi-      der Gesundheitsstatus von Männern und Frau-
 zin ermöglicht.                                    en aus verschiedenen Regionen Deutschlands
                                                    über einen längeren Zeitraum verfolgt werden,
 Y  rforschung des Nutzens
   E                                                um Zusammenhänge zwischen Genen, Verhal-
   von Präventionsmaßnahmen                         ten, Ernährung, Bewegung und Umwelt bei der
                                                    Entstehung von Krankheiten aufzudecken.
 Das BMBF fördert schon seit einigen Jahren
 Projekte zur Erforschung des Nutzens von           Y  rnährungsforschung
                                                      E
 Maßnahmen der Primärprävention. Die bislang
 vorliegenden Forschungsergebnisse weisen           Die nationale akademische Ernährungsfor-
 darauf hin, dass Präventionsmaßnahmen nur          schung wird so aufgestellt, dass sie in stärkerem
 dann erfolgreich sein können, wenn sie auf die     Maße als bisher Lösungen für die aktuellen
 jeweilige Zielgruppe (etwa Frauen, Männer,         ernährungsbedingten Gesundheitsprobleme
 Eltern, Betriebsangehörige, Menschen mit           entwickelt. Darüber hinaus können neue
 Migrationshintergrund) zugeschnitten und der       wissenschaftliche Erkenntnisse im Ernährungs-
 jeweils optimale Zugangsweg (z. B. persönliche     bereich zur Entwicklung innovativer, konsu-
 Ansprache durch den Hausarzt, Tageszeitung,        mentenfreundlicher und gesundheitsfördern-
 Internet) genutzt wurde. Auch für alte Men-        der Produkte und Dienstleistungen beitragen.
 schen sind gesundheitsfördernde Maßnahmen          Forschung und Entwicklung in Wissenschaft
 von Vorteil, aber nur, wenn diese ihrem Alter      und Wirtschaft werden durch Profilbildung
 entsprechend gestaltet sind, und nur, wenn die     der Forschungsstandorte gestärkt und so ein
 Aufforderung dazu über einen adäquaten Zu-         international kompetitives Niveau erreicht,
28                                Die Vorsorgeherausforderung: Präventions- und Ernährungsforschung




 Synergieeffekte erzielt und Ressourcen effi-         und die Weiterentwicklung des Human-Biomo-
 zienter eingesetzt. Die Innovationsfähigkeit         nitorings. Gleichzeitig sollte die Forschung zu
 der deutschen Ernährungsindustrie und der            Fein- und Ultrafeinstaub ( 100 Nanometer) vor-
 Nachwuchs werden gezielt unterstützt (capacity       angetrieben werden. Gesundheitliche Fragestel-
 building).                                           lungen zu synthetischen Nanomaterialien, die
                                                      zunehmend in neuen Technologien eingesetzt
 Deutschland wird zudem aktiv an der gemein-          werden, werden unter dem Dach des Aktions-
 samen Planung der Forschungsprogramme                plans Nanotechnologie bearbeitet.
 in Europa (Joint Programming) im Bereich
 Gesundheit, Ernährung und Prävention ernäh-          Y  mpfstoffentwicklung
                                                        I
 rungsbedingter Krankheiten mitwirken und so
 die Stärkung der deutschen Forschungsland-           Um die Schwierigkeiten bei der Entwicklung
 schaft und deren Einbindung in den europäi-          von Impfstoffen gegen HIV oder Tropen-
 schen Forschungsraum vorantreiben.                   krankheiten wie Malaria zu lösen, müssen die
                                                      anwendungsorientierte Grundlagenforschung
 Y  mweltbezogene Gesundheitsforschung
   U                                                  intensiviert und neue Verfahren zur Impf-
                                                      stoffentwicklung erforscht werden. Gleichzei-
 Die umweltbezogene Gesundheitsforschung              tig ist eine enge Zusammenarbeit zwischen
 vermeidet langfristig Krankheitskosten. Bislang      Wissenschaft und Wirtschaft notwendig, um
 fehlt es an einer Bewertung der relativen            in Deutschland nicht nur die grundlegenden
 Bedeutung verschiedener Umweltlasten für             Erkenntnisse zu gewinnen, sondern auch die
 einzelne Krankheiten (Environmental Burden of        darauf basierende Impfstoffentwicklung und
 Disease, EBD). Außerdem müssen Daten gene-           wirtschaftliche Verwertung zu ermöglichen.
 riert werden, die rechtzeitig über die Belastung     Deutschland steht zu seiner Mitverantwortung
 der Bevölkerung informieren (Frühwarnsystem),        für Länder, die die Kosten für die Entwicklung
 und es muss ermittelt werden, ob umweltge-           neuer Impfstoffe gegen Tropenkrankheiten
 richtete Maßnahmen Erfolg haben (Monito-             allein nicht aufbringen können, und beteiligt
 ring). Geeignete Instrumente hierfür sind die        sich deshalb auf europäischer Ebene an der
 Fortführung der Umweltsurveys, die Einbezie-         Zusammenarbeit mit Afrika bei der klinischen
 hung von Geburtskohorten bei neuen Studien           Entwicklung und Erprobung neuer Impfstoffe.
Die Vorsorgeherausforderung: Präventions- und Ernährungsforschung   29
30   Die Systemherausforderung: Versorgungsforschung
Die Systemherausforderung: Versorgungsforschung                                                      31




Die Systemherausforderung: 	
Versorgungsforschung
Aktionsfeld 4 des Rahmenprogramms                    insbesondere im Versorgungsalltag unter Berück-
Gesundheitsforschung                                 sichtigung aller Bevölkerungsgruppen belegen
                                                     lassen. Wegen der starken Abhängigkeit des Ge-
Das Gesundheitssystem steht vor der Her-             sundheitssystems von nationalen Gegebenheiten
ausforderung, medizinische und organisa-             und aufgrund der Komplexität des Versorgungs-
torische Verbesserungen für alle Menschen            geschehens lassen sich internationale Forschungs-
                                                     ergebnisse jedoch nur begrenzt übertragen. Des-
nutzbar zu machen und gleichzeitig die               halb ist auch in Deutschland eine leistungsfähige
Leistungen bezahlbar zu halten. Der An-              Versorgungsforschung erforderlich.
teil chronisch kranker und multimorbider
Menschen wächst, während die finanziellen               Versorgungsforschung wird hier verstan-
                                                     den als die Wissenschaft, die die Kranken- und
Ressourcen für die Deckung eines wach-               Gesundheitsversorgung und ihre Rahmenbedin-
senden medizinischen und pflegerischen               gungen beschreibt und erklärt, unter Alltags-
Bedarfs begrenzt sind. Zudem entsteht Aus-           bedingungen evaluiert und davon ausgehend
gabendynamik durch immer mehr und bes-               Versorgungskonzepte entwickelt. Dies schließt
                                                     unterschiedliche Disziplinen ein, wie z. B. die
sere Behandlungsmöglichkeiten in vielen              Rehabilitationswissenschaften, die Pflegefor-
Bereichen der Versorgung, beispielsweise             schung, Forschung zur allgemeinmedizinischen
durch Innovationen in der diagnostischen             Versorgung und Palliativmedizin sowie die
Bildgebung, durch neue Arzneimittel oder             Gesundheitsökonomie. Als Grundvoraussetzung
                                                     für eine effiziente Versorgungsforschung muss
durch neue Hightech-Lösungen in Strahlen-            auch die Verfügbarkeit und Nutzbarkeit von
therapie, Chirurgie oder Intensivmedizin.            Versorgungsdaten verbessert werden. Die Versor-
Weniger sichtbar, aber ebenso bedeut-                gungsforschung dient im Gesundheitswesen zur
sam wie der medizinische und technische              Orientierung über Qualität, Therapiesicherheit,
                                                     Nutzen und Nachhaltigkeit der Versorgung.
Fortschritt sind die verbesserten Behand-
lungsmöglichkeiten in der Psychotherapie                 Im Unterschied zu anderen Ländern fand
und die Gesundheitsdienstleistungen wie              in Deutschland eine systematische und wissen-
z. B. Ergotherapie, Physiotherapie, Logopä-          schaftliche Analyse des Versorgungsgesche-
                                                     hens und der Patientensicherheit im Versor-
die, pflegerische Therapien. Diese spielen           gungsalltag sowie der sich daraus ergebenden
für die Lebensqualität der Patienten eine            Fragestellungen lange Zeit kaum statt. Die
besondere Rolle, z. B. bei Herz-Kreislauf-           Bundesregierung hat hier mit ihren bisherigen
Erkrankungen, Diabetes, psychischen Er-              Fördermaßnahmen (z. B. Public Health, Rehabi-
                                                     litationswissenschaften, Versorgungsforschung
krankungen, Demenzen und muskuloskelet-              und Allgemeinmedizin) wesentliche Aufbauhilfe
talen Erkrankungen.                                  geleistet, sodass der Anschluss an die interna­
                                                     tionale Spitzenforschung punktuell gelungen
In unserem solidarisch finanzierten Gesundheits-     ist. Diese Initiativen werden oft in Partnerschaft
system sind die finanziellen Ressourcen begrenzt,    mit Kostenträgern im Gesundheitswesen durch-
daher haben Kosten-Nutzen-Erwägungen in der          geführt. Das ermöglicht einen größeren Praxis-
Medizin in den letzten Jahren erheblich an Bedeu-    bezug der Forschungsprojekte und eine raschere
tung gewonnen. Eine entsprechende Bewertung          Umsetzung der Ergebnisse in den Versorgungs-
neuer, aber auch bereits etablierter Verfahren ist   alltag.
unerlässlich, damit durch das Gesundheitssystem
nur sinnvolle und wirksame Maßnahmen erstattet
werden. Dabei muss sich der Nutzen von Behand-
lungen nicht nur in klinischen Studien, sondern
32                                               Die Systemherausforderung: Versorgungsforschung




 Die Förderung der Versorgungsforschung             gung zu erbringen. So werden die Grundlagen
                                                    für neue Lösungsstrategien zu Gestaltung,
 Ziel der Forschungsförderung der Bundesregie-      Organisation und Finanzierbarkeit des Gesund-
 rung zur Versorgungsforschung ist es, wissen-      heitswesens geschaffen. Dabei stehen in der
 schaftliche Evidenz für die Verbesserung von       Versorgungsforschung in besonderem Maße
 Qualität und Sicherheit, des Nutzens und der       Patientenorientierung und Patientensicherheit
 Nachhaltigkeit der gesundheitlichen Versor-        im Mittelpunkt.
Die Systemherausforderung: Versorgungsforschung                                                       33




 Y Studien in der Versorgungsforschung              Forschungsmethoden erforderlich. Wissen-
                                                    schaftliche Arbeitsgruppen, die hochwertige
 Jahrelange medizinische Versorgung ist bei         gesundheitsökonomische Forschungsprojekte
 chronisch Kranken und bei älteren Patienten        durchführen können, existieren bisher nur
 die Regel. Die Abgrenzung zwischen statio-         an vergleichsweise wenigen Institutionen in
 närer und ambulanter Behandlung, zwischen          Deutschland. Zudem präsentiert sich das For-
 akuter Versorgung, Rehabilitation und Pflege       schungsfeld „Gesundheitsökonomie“ insgesamt
 sowie die traditionelle Abgrenzung zwischen        sehr heterogen und ist in der nationalen wie
 ärztlicher und nichtärztlicher Behandlung          internationalen Forschungslandschaft noch
 sind für einen koordinierten und kontinuier-       nicht ausreichend sichtbar. Eine qualifizierte,
 lichen Behandlungsverlauf häufig hinderlich.       interdisziplinäre und anerkannte gesundheits-
 Zur Überwindung der traditionellen Grenzen         ökonomische Forschung ist in Deutschland nur
 zwischen diesen Versorgungssektoren werden         dann zu erreichen, wenn Forschungsstrukturen
 bereits integrative Versorgungskonzepte umge-      für diesen Fachbereich weiter auf- und ausge-
 setzt, beispielsweise der Aufbau medizinischer     baut werden. Dies ist Voraussetzung dafür, dass
 Versorgungszentren, Verträge zur integrierten      gesundheitsökonomische Fragen frühzeitig
 Versorgung, Disease-Management-Programme           auch bei der Entwicklung neuer Therapien
 und Case Management. Gegenstand einer              berücksichtigt werden.
 wissenschaftlich fundierten Evaluation können
 z. B. Prozessabläufe, Nachhaltigkeit oder Zusam-   Y Förderung des wissenschaftlichen
                                                      
 menspiel der einzelnen Akteure sein. Gefördert        Nachwuchses
 werden mit einem thematisch offenen Ansatz
 Projekte aus einzelnen Bereichen z. B. der         Versorgungsforschung und Gesundheitssys-
 Pflegeforschung, der palliativmedizinischen        temforschung sind in Deutschland noch junge
 Forschung, der Rehabilitationsforschung und        Disziplinen. Damit die Versorgungsforschung
 der Allgemeinmedizin, aber auch sektorüber-        international sichtbar und konkurrenzfähig
 greifende Ansätze.                                 wird und die wissenschaftliche Basis für ein
                                                    zukunftsfähiges Gesundheitssystem legen kann,
    Nebenwirkungen von Arzneimitteltherapien        wird eine systematische und attraktive Karriere-
 führen in relevantem Umfang zu vermeid­ arer
                                            b       optionen aufzeigende Förderung des Nach-
 Morbidität und Mortalität. Dies ist in allen       wuchses in der Versorgungsforschung erfolgen.
 Ländern belegt, aus denen hierzu Untersuchun-
 gen vorliegen. Ansätze zur Verbesserung der        Y Förderung von Studienstrukturen
                                                      
 Arzneimitteltherapiesicherheit gehören zum            für die Versorgungsforschung
 Spektrum der Versorgungsforschung.
                                                    Studien der Versorgungsforschung sind un-
 Y Zentren der gesundheitsökonomischen
                                                   verzichtbarer Bestandteil der medizinischen
    Forschung                                       und medizinsoziologischen Forschung. Die
                                                    Durchführung von Studien der Versorgungsfor-
 Die Bedeutung der gesundheitsökonomischen          schung erfordert hohe methodische Kompetenz
 Forschung hat in den vergangenen Jahren            und Kooperation unterschiedlicher wissen-
 erheblich zugenommen. Der Bedarf an fun-           schaftlicher Disziplinen sowie die Koopera-
 dierten wissenschaftlichen Erkenntnissen für       tion von Wissenschaftlern mit Akteuren des
 die Steuerung und effiziente Gestaltung des        Gesundheitswesens in der Breite des Versor-
 Gesundheitssystems auf der Makro-, Meso- und       gungsalltags. Daher wird die Etablierung von
 Mikroebene wird immer dringlicher. Forschung       Strukturen für die Koordination der Versor-
 kann hierfür konsistente Entscheidungsgrundla-     gungsforschung und für eine Erschließung der
 gen schaffen.                                      Forschungspotenziale des jeweiligen Standortes
                                                    gefördert.
    Um ökonomische Zusammenhänge in der
 Gesundheitsversorgung zu analysieren, sind
 umfassende Fachkenntnisse und spezifische
34   Die Innovationsherausforderung: Gesundheitswirtschaft
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  • 2. Impressum Herausgeber Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) Referat Gesundheitsforschung 11055 Berlin Bestellungen schriftlich an den Herausgeber Postfach 30 02 35 53182 Bonn oder per Tel.: 01805 - 262 302 Fax: 01805 - 262 303 (Festnetzpreis 14 ct/Min., höchstens 42 ct/Min. aus Mobilfunknetzen) E-Mail: books@bmbf.bund.de Internet: www.bmbf.de Gestaltung Christiane Zay, W. Bertelsmann Verlag (wbv), Bielefeld, www.wbv.de Druckerei Möller Druck und Verlag GmbH, Ahrensfelde OT Blumberg Bonn, Berlin 2010 Bildnachweis Titelbild: Andersen Ross/Getty Images; S. 5: pra_zit/shutterstock; S. 7: thinkstock/ istockphoto; S. 8–9: lakeemotion/shutterstock; S. 10: Peter Dazeley/Getty Images; S.  12: thinkstock/stockbyte; S. 14: Alex Raths/istock; S. 17: Jan Woitas/picture- alliance; S.  18: thinkstock/Comstock Images; S. 21: Paul Burns/picture-alliance; S.  23: Kay Chernush/Getty Images; S. 24: thinkstock/Jupiterimages; S. 26: image­ - fruit/image­ roker/medialpicture; S.  28: Peter-Michael Petsch/medicalpicture; b S.  29: Jan  Kranendonk/shutterstock; S. 30: Andreas Christians/medicalpicture; S.  32: Bärbel  Högner/medicalpicture; S. 37: Jan-Peter Kaspar/picture-alliance; S.  38:  Frank  Geisler/medicalpicure; S.   39: Olaf Heil/medicalpicture; S.  40: Hugh Sitton/ Corbis; S. 43: Bao  Feifei/Corbis; S.  45: Greg Pease/Getty Images; S. 46: thinkstock/ istockphoto; S. 12: thinkstock/stockbyte; Alle anderen Abbildungen: PT DLR/BMBF
  • 4.
  • 5. Vorwort Vorwort Alt zu werden und gesund zu bleiben ist ein und außer­ niversitären Forschungseinrichtungen u Menschheitstraum, dem wir in den vergangenen arbeiten in diesen Zentren eng zusammen, um Jahrzehnten durch verbesserte Lebensbedingun- möglichst rasch wegweisende Erkenntnisgewinne gen und eine gute medizinische Versorgung ein zu erzielen und Therapiechancen zu eröffnen. gutes Stück näher gekommen sind. Mit der wach- senden Lebenserwartung steigt jedoch die Zahl Darüber hinaus legt das Programm ein beson- der Menschen, die an Krebs, neurodegenerativen deres Augenmerk auf individualisierte Therapie- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden. Auch ansätze, Präventions- und Ernährungsforschung, die Häufigkeit von chronischen und Mehrfach­ Versorgungsforschung, Gesundheitswirtschaft erkrankungen wächst. und global vernetzte Forschungsansätze. Vor diesem Hintergrund setzt die Bundesregie- Mit dem Rahmenprogramm Gesundheits­ rung mit dem neuen „Rahmenprogramm Gesund­ forschung leistet die Bundesregierung ihren heitsforschung“ Prioritäten und definiert die strate­ Beitrag zur umfassenden Erforschung von Krank- gische Ausrichtung der medizinischen Forschung heiten. Aus der Zusammenarbeit von Wissen- für die kommenden Jahre. Der Leitgedanke: Durch schaftlerinnen und Wissenschaftlern entstehen eine engere Verknüpfung der Kompetenzen, Dis­ die Ansätze, die bei entsprechender Weiterent- ziplinen und Institutionen sollen Forschungsergeb- wicklung und erfolgreicher Übertragung in die nisse in Zukunft schneller aus der Grundlagen- und medizinische Praxis den Menschen in unserem der klinischen Forschung in die medizinische Ver­ Land ein beschwerdefreies, selbstbestimmtes und sorgung und damit zu den Patienten gelangen. langes Leben ermöglichen. Der inhaltliche Schwerpunkt des Programms liegt auf der Erforschung der Volkskrankheiten. Hier sind der Handlungsbedarf und die Hoff- nung am größten, durch Forschung neue Wege Prof. Dr. Annette Schavan, MdB für Prävention und Behandlung zu finden. Die Bundesministerin für Bildung und Forschung Bundesregierung baut zu sechs Volkskrankheiten Deutsche Zentren der Gesundheitsforschung auf: Neben dem „Deutschen Zentrum für Neurode- generative Erkrankungen“ und dem „Deutschen Zentrum für Diabetesforschung“ werden Zentren in den Bereichen Herz-Kreislauf-, Infektions-, Dr. Philipp Rösler, MdB Krebs- und Lungenforschung eingerichtet. Die Bundesminister für Gesundheit besten Forscher­ ruppen aus Hochschulmedizin g
  • 6.
  • 7. Inhalt 1 Inhalt Zusammenfassung............................................................................................................................................................. 3 Ausgangsbedingungen.................................................................................................................................................... 6 Aktionsfeld 1 – die strukturelle Herausforderung: Gebündelte Erforschung von Volkskrankheiten....................................................................................................... 11 Aktionsfeld 2 – die Forschungsherausforderung: Individualisierte Medizin................................................................................................................................................ 19 Aktionsfeld 3 – die Vorsorgeherausforderung: Präventions- und Ernährungsforschung..................................................................................................................... 25 Aktionsfeld 4 – die Systemherausforderung: Versorgungsforschung..................................................................................................................................................... 31 Aktionsfeld 5 – die Innovationsherausforderung: Gesundheitswirtschaft..................................................................................................................................................... 35 Aktionsfeld 6 – die globale Herausforderung: Gesundheitsforschung in internationaler Kooperation......................................................................................... 41 Die förderpolitische Herausforderung: Instrumente und Verfahren zur Förderung................................................................................................................ 44
  • 8. 2 Zusammenfassung
  • 9. Zusammenfassung 3 Zusammenfassung Aktionsfeld 1 einer Stufe des Innovationsprozesses zur nächsten Die strukturelle Herausforderung: wird erleichtert. Die Erforschung seltener Krank- heiten wird ebenfalls gefördert. Gebündelte Erforschung von Volkskrankheiten Aktionsfeld 3 Die Vorsorge­heraus­forderung: Der demografische Wandel lässt den Bedarf an medizinischem Fortschritt steigen: Die Zahl der Präventions- und Ernährungsforschung Menschen wächst, die an Volkskrankheiten wie Krebs, Herz-Kreislauf-, Stoffwechsel-, Infektions-, Erkenntnisse über den Einfluss von Ernährung, Lungen- oder neurodegenerativen Erkrankun- Bewegung, sonstigem Verhalten und Umwelt auf gen sowie an psychischen, muskuloskelettalen die Aktivität von Genen eröffnen neue Möglich- oder allergischen Erkrankungen leiden – oder keiten, um die Entstehung von Volkskrankheiten auch an mehreren dieser Erkrankungen. Zudem wie Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen dauert es oft noch zu lange, bis Ergebnisse aus besser zu verstehen und ihnen vorzubeugen. Das der Grund­agen- und der klinischen Forschung in l Wissen darüber, ob und wie Prävention funktio- die medizinische Regelversorgung gelangen und niert, muss weiter wachsen. Patienten von ihnen profitieren. Diesen als Trans­ lation bezeichneten Prozess schneller und effekti- Unter dem Dach der nationalen Präventions- ver zu gestalten ist ein Leitgedanke des Rahmen­ strategie entwickelt das BMBF einen Aktionsplan, programms. der die Forschungsförderung zu allen für Prä- ventions- und Ernährungsforschung relevanten Daher gründet die Bundesregierung Deut- Ansätzen – von der Epigenetik bis zur Epide- sche Zentren der Gesundheitsforschung, um die miologie  – zusammenführt und interdisziplinär universitäre und außeruniversitäre Forschung zu verknüpft. eini­ en besonders bedeutsamen Volkskrankheiten g zu bündeln und die Anwendung ihrer Ergebnisse Aktionsfeld 4 zu beschleunigen. Zugleich wird die krankheits- Die Systemherausforderung: bezogene Projektförderung ausgebaut und auf forschungs- und nachwuchsfreundliche Rahmen- Versorgungsforschung bedingungen und Strukturen hingewirkt. Der Anspruch, jedem Menschen eine bestmög­ Aktionsfeld 2 liche und sichere Therapie zu ermöglichen, bleibt Die Forschungs­herausforderung: von zentraler Bedeutung für die Gesundheits- versorgung. Gleichzeitig steigt der Druck, auch Individualisierte Medizin im Gesundheitssystem Kosten zu begrenzen; gute Gesundheitsversorgung und wirtschaftliche Das Verständnis grundlegender Krankheits­ Überlegungen müssen miteinander in Einklang mechanismen wächst, eine auf die individuellen gebracht werden. Bedürfnisse und Voraussetzungen zugeschnittene Medizin wird greifbar. Damit rückt auch das Errei- Die Bundesregierung fördert den Aufbau chen des Ziels näher, ein selbstbestimmtes Leben einer leistungsstarken deutschen Versorgungs- im Alter bei gutem Gesundheitszustand forschung und Gesundheitsökonomie und stellt zu ermöglichen. dabei Patientenorientierung und Patienten­ sicher­ eit in den Mittelpunkt. Hierzu werden der h Die Bundesregierung unterstützt deshalb die Auf­ au nachhaltiger Forschungsstrukturen und b Entwicklung von Diagnostika und Therapeutika die Durchführung von Studien zur Bewertung und spannt in der Förderung den Bogen entlang des Nutzens etablierter und neuer Verfahren im des Innovationsprozesses von der lebenswissen­ Versorgungsalltag, der Aufbau von Studienstruk- schaftlichen Grundlagenforschung über die turen, die Durchführung von Studien zur Pro­ ess­ z präklinische und klinisch-patientenorientierte optimierung von Versorgungsabläufen und die Forschung bis zur Marktreife. Der Übergang von Nachwuchsförderung unterstützt.
  • 10. 4 Zusammenfassung Aktionsfeld 5 Aktionsfeld 6 Die Innovations­herausforderung: Die globale Heraus­ orderung: f Gesundheitswirtschaft Gesundheitsforschung in internationaler Kooperation Die Gesundheitswirtschaft ist eines der großen Wachstumsfelder in den Industrienationen. Sie um- Internationale Zusammenarbeit ermöglicht es, fasst neben der Arzneimittelindustrie, der Biotechno­ Synergien für den medizinischen Fortschritt logie sowie der Medizintechnik auch die Versorgung freizusetzen. Forschungsinfrastrukturen können mit medizinischen Dienstleistungen, wobei z. B. in internationaler Arbeitsteilung gemeinsam auf- mit der Telemedizin neue Dienstleistungsformen gebaut und genutzt werden. Gleichzeitig steht die entstehen. Bei der schnelleren Trans­ation von For­ l Gesundheitsforschung auch in der Verantwortung schungsergebnissen spielen forschungsintensive für die weltweite Gesundheitsversorgung. Unternehmen, insbesondere die der medizinischen Biotechnologie, eine wichtige Rolle. Die Bundesregierung stärkt die Internationa- lisierung der Gesundheitsforschung durch den Die Bundesregierung trägt dazu bei, die gemeinsamen Aufbau von Forschungsinfrastruk- Innovationskraft der Gesundheitswirtschaft zu turen, verbindet Forschende und Institutionen erhöhen. Dazu werden insbesondere neue Wege über Grenzen hinweg und treibt die internatio- des Wissens- und Technologietransfers erprobt nale Koordinierung von Forschungsprogrammen und rechtliche Rahmenbedingungen weiterhin voran. Ein besonderer Fokus liegt auf der Erfor- forschungs- und innovationsfreundlich gestaltet. schung vernachlässigter und armutsbedingter Forschungsintensive Unternehmen werden künf- Krankheiten in Kooperation mit Entwicklungs- tig gezielt in Translationsnetzwerke eingebunden. ländern.
  • 11. Zusammenfassung 5 Diesen Herausforderungen und Aufgaben stellt setzt ebenfalls voraus, dass der Einsatz der For- sich die Bundesregierung mit dem Rahmenpro- schungsmittel zu strukturellen Verbesserungen – gramm Gesundheitsforschung. Es gestaltet dabei insbesondere in der Transla­ ion  – führt und einen t die Hightech-Strategie der Bundesregierung aus, gesellschaftlichen Bedarf deckt. in der Gesundheit/Ernährung eines von fünf Bedarfsfeldern ist. Insbesondere formuliert die Die Einbeziehung der Wirtschaft: Die Hightech-Strategie für einzelne Aktionsfelder des translationale Forschung, mit der Impulse aus Rahmenprogramms Zukunftsprojekte, die kon- der Wissenschaft in die praktische Verwertung krete Ziele wissenschaftlicher, technologischer durch das Gesundheitssystem und die Wirtschaft und gesellschaftlicher Entwicklungen über einen getragen werden, wird gestärkt. Die Förderung Zeitraum von zehn bis fünfzehn Jahren verfolgen. von strate­ ischen Partnerschaften über die g Das Bundesministerium für Bildung und Forschung Wert­ chöpfungskette hinweg ermöglicht es, im s plant, die Gesundheitsforschung im Zeitraum Innovationsprozess alle relevanten Akteure auf 2011–2014 mit rund 5,5 Milliarden Euro zu fördern ein Ziel oder Thema hin zu vernetzen. (institutionelle Förderung, Projektförderung, Bun- desanteil der DFG-Förderung; jeweils bezogen auf Die Förderaktivitäten: Das Rahmenpro- die Gesundheitsforschung). Hinzu kommen seitens gramm Gesundheitsforschung ist ein lernendes, des Bundes erhebliche Ausgaben anderer Ressorts. sich selbst erneuerndes Programm. Kurzfristig wird eine Reihe neuer Förderaktivitäten gestar- Was ist neu am Rahmenprogramm tet: Deutsche Zentren der Gesundheitsforschung Gesundheitsforschung? (Aktions­eld 1), Förderkonzept zur individualisier- f ten Medizin (Aktionsfeld 2), Studien in der Ver- Der Ansatz: Die institutionenübergreifende sorgungsforschung und Zentren der gesundheits­ Zusammenarbeit und Vernetzung wird in einer ökonomischen Forschung (Aktions­eld 4) und f Gesundheitsforschung, die einer effizienten und Klinische Innovationszentren in der Medizin­ schnellen Translation verpflichtet ist, immer technik (Aktionsfeld 5). Weitere neue Förder­ wichtiger. Das Gesundheitsforschungsprogramm aktivitäten werden folgen – u. a. zur Präventions- gibt deshalb wegweisende Impulse zur struktu- und Ernährungsforschung (Aktionsfeld  3), zur rellen Verbesserung der deutschen medizinischen Förderung strategischer Partnerschaften in der Forschung. Deutlichster Ausdruck hierfür ist die Gesundheitswirtschaft (Aktionsfeld 5) und zur Gründung Deutscher Zentren der Gesundheitsfor- Förderung von Produktentwicklungspartner- schung, die in einem die bisherigen Grenzen des schaften (Non-Profit-Organisationen, die sich die deutschen Wissenschaftssystems überwindenden Entwicklung von Impfstoffen, Diagnostika oder Ansatz zu sechs Volkskrankheiten die jeweils bes- Therapien für insbesondere Entwicklungsländer ten Forschungsgruppen aus Hochschulmedizin betreffende Krankheiten zum Ziel setzen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen [Aktionsfeld 6]). zusammenbringen. Weitere strukturelle Impulse verbessern die Arbeitsbedingungen und Chancen des wissenschaftlichen Nachwuchses und stärken die klinische Forschung. Die Fokussierung: Erstmals wird ein deut­ licher Fokus auf die Erforschung derjenigen Krank- heiten gelegt, die die meisten Menschen betreffen – auf die Volkskrankheiten. Dieser Fokus spiegelt sich auch in einer finanziellen Schwerpunktset- zung zugunsten der neuen Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung wider, die in den kommen- den Jahren von erheblichen zusätzlichen Mitteln für die Gesundheitsforschung des Bundes profitie- ren werden. Die Erforschung anderer Krankheiten als der in den Deutschen Zentren bearbeiteten
  • 12. 6 Ausgangsbedingungen Ausgangsbedingungen Der demografische Wandel und die rasche Voraussetzungen und den Lebensstil einzelner Zunahme der Volkskrankheiten stellen in Menschen bzw. bestimmter Bevölkerungsgruppen zugeschnittene Medizin rückt damit näher. den kommenden Jahren die Gesundheits- forschung und das Gesundheitssystem in Erkenntnisse über den Einfluss von Ernäh- Deutschland vor große Herausforderungen. rung, Bewegung, sonstigem Verhalten und Bis zum Jahr 2050 wird die Zahl der Einwoh- Umwelt auf die Aktivität von Genen (Epigenetik) eröffnen neue Möglichkeiten, um die Entstehung ner Deutschlands nach heutigem Kenntnis- von Volkskrankheiten wie Diabetes oder Herz- stand von über 80 Millionen auf ca. 70 Millio- Kreislauf-Erkrankungen besser zu verstehen. nen sinken. Gleichzeitig steigt der Anteil Das evidenzbasierte Wissen darüber, ob und wie der älteren Menschen an der Bevölkerung, beispielsweise bewegungs- oder ernährungs­ bezogene Präventionsmaßnahmen funktionieren, sodass von einem zunehmenden Bedarf und wächst und muss weiter wachsen. Prävention und einer zunehmenden Nachfrage nach me- Ernährung werden in den nächsten Jahren in der dizinischen und pflegerischen Leistungen Forschung an Bedeutung gewinnen. auszugehen ist. National wie international wächst die Gesund- heitswirtschaft. Sie ist eines der großen Wachs- Die Zahl der Menschen, die heute an Krebs, Herz- tumsfelder in den Industrienationen. Neben der Kreislauf-, Stoffwechsel-, Infektions-, Lungen- oder Versorgung mit medizinischen Dienstleistungen neurodegenerativen Erkrankungen sowie an psy- gehören zu dieser Branche insbesondere die chischen, muskuloskelettalen oder allergischen Pharmaindustrie mit der medizinischen Biotech- Erkrankungen leiden, steigt spürbar. Gleichzei- nologie und die Medizintechnik. Global führende tig erhöht sich – insbesondere im Kontext der Anbieter im Arzneimittelbereich, in Diagnostik Alterung unserer Gesellschaft – die Häufigkeit und medizintechnischen Produkten haben von chronischen und Mehrfacherkrankungen. ihren Firmensitz bzw. Produktionsstandorte in Deshalb sollen im Mittelpunkt der Gesundheits- Deutschland. Zudem spielen in diesen Branchen forschung diejenigen Krankheiten stehen, die die in Deutschland kleine und mittlere Unternehmen meisten Menschen betreffen und die eine große eine wichtige Rolle. Um weiterhin weltweit wett- Krankheitslast mit sich bringen. bewerbsfähige Produktion und damit Wertschöp- fung in Deutschland zu ermöglichen, müssen Immer offensichtlicher wird, wie unterschied- Innovationspotenziale für Behandlungsmethoden lich die Voraussetzungen und Bedürfnisse von und Produkte erschlossen werden. Es bedarf verschiedenen Bevölkerungsgruppen bei der klarer Normen und Standards sowie angemes- Gesundheitsversorgung sind. So brauchen Kin- sener Rahmenbedingungen für Forschung und der und Jugendliche andere Therapieverfahren Entwicklung. als Erwachsene; Frauen und Männer reagieren unterschiedlich auf manche Arzneimittel. Auch Ziele des Rahmenprogramms bedürfen multimorbide Menschen spezifisch Gesundheitsforschung angepasster Behandlungsverfahren – die für Einzelkrankheiten konzipierten medizinischen Primäres Ziel der Gesundheitsforschung ist es, Leitlinien und Behandlungsverfahren stoßen hier Qualität und Sicherheit der Gesundheitsversor- an ihre Grenzen. Zudem werden Häufigkeit und gung der Patientinnen und Patienten weiter Verlauf von Krankheiten oft vom jeweiligen sozia­ zu steigern. Hierzu werden weitreichende For- len Hintergrund beeinflusst. Gleichzeitig wächst schungserkenntnisse benötigt und deren schnelle das Verständnis grundlegender Krankheitsmecha- Translation, also die effiziente Übertragung von nismen, und die Identifizierung von krankheits- Forschungsergebnissen in die breite medizinische verursachenden bzw. ihre Träger vor Krankhei- Versorgung. Dabei müssen auf folgende Fragen ten schützenden individuellen physiologischen Antworten gefunden werden: Wie schaffen bzw. Voraussetzungen (z. B. Genvarianten) schreitet erhalten wir in Deutschland eine international voran. Eine auf die individuellen Bedürfnisse und wettbewerbsfähige Forschung, um die wesent-
  • 13. Ausgangsbedingungen 7 lichen medizinischen Herausforderungen zu effizient zu wirtschaften. Versorgungsforschung identifizieren und in der Forschung prioritär zu und Gesundheitsökonomie beschäftigen sich bearbeiten? Welche Strukturen sind notwendig, beispielsweise damit, wie eine bestmögliche Ge- um Forschungsergebnisse aus dem Labor in die sundheitsversorgung aussehen kann und wie sie medizinische Versorgung der Patienten zu über- mit wirtschaftlichen Überlegungen in Einklang tragen und dauerhaft in eine sichere Versorgung zu bringen ist. Expertinnen und Experten aus zu integrieren? verschiedenen Disziplinen – von der Ökonomie über die Rechtswissenschaft und die Pflegewis- Dabei ist es auch ein wichtiges Anliegen, senschaft bis hin zur Medizin – arbeiten in die- Lösungsvorschläge für die vielfältigen sozialen, sem Forschungsfeld zusammen und beantworten rechtlichen und ethischen Herausforderungen zu Fragen wie: Wie lässt sich die Gesundheitsversor- erarbeiten, die sich durch neue Entwicklungen gung evidenzbasiert lokal, regional und national in der Gesundheitsforschung ergeben. Wie etwa verbessern und sicherer machen? Wie kann ein ändern neue, tief in das Wesen des Menschen besseres Zusammenwirken der Strukturen im eingreifende Diagnose- und Therapiemöglich­ Gesundheitssystem hierzu beitragen? Wie lassen keiten unser Verständnis von Krankheit bzw. sich gute Beispiele aus anderen Ländern auf deut- das Selbstverständnis des Menschen? Die geistes- sche Verhältnisse übertragen? und sozialwissenschaftliche Forschung kann in Ergänzung zu und in Kooperation mit der medi­ Des Weiteren soll die Gesundheitsforschung zinischen Forschung Antworten auf diese und auf eine wirtschaftliche Verwertbarkeit ihrer weitere Fragen geben. Erkenntnisse hinarbeiten – und dies nicht erst in den späten Phasen der klinischen Forschung, Die Gesundheitsforschung muss darüber sondern schon in der Grundlagenforschung hinaus die sozialstaatlichen Herausforderungen und der präklinischen Forschung. Die zentralen an das Gesundheitssystem thematisieren. Der Fragen sind: Welche Voraussetzungen müssen Anspruch, jedem Menschen eine bestmögliche geschaffen werden, um die Innovationspotenziale und sichere Therapie zu ermöglichen, bleibt auch aus der Wissenschaft oder von jungen Biotech- in Zukunft von zentraler Bedeutung. Gleichzeitig nologieunternehmen zu heben? Wie kann die steigt der Druck, auch im Gesundheitssystem Zusammenarbeit von akademischer Forschung und industrieller Entwicklung effizienter und für beide Seiten erfolgreich gestaltet werden, um Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt zu ermöglichen? Wie sehen gemeinsam getragene Strategien dafür aus? Wie gelingt es in allen Pha- sen des Innovationsprozesses, den Patientennut- zen zum zentralen Erfolgskriterium der Beteilig- ten zu machen? Schließlich muss die Gesundheitsforschung internationale Zusammenarbeit nutzen – um Synergien für den medizinischen Fortschritt freizusetzen, aber auch um ihrer Verantwortung für die weltweite Gesundheitsversorgung gerecht zu werden. Die entscheidenden Fragen lauten hier: Welche Forschungsinfrastrukturen sollten wir gemeinsam in internationaler Arbeitsteilung aufbauen und nutzen? Welche Rolle kann die Gesundheitsforschung in der Entwicklungszu- sammenarbeit spielen? Welchen Beitrag sollte Deutschland zur Erforschung von vor allem Ent- wicklungsländer betreffenden Infektionskrank­ heiten leisten?
  • 14. 8 Die strukturelle Herausforderung: Gebündelte Erforschung von Volkskrankheiten
  • 15. Die strukturelle Herausforderung: Gebündelte Erforschung von Volkskrankheiten 9
  • 16. 10 Die strukturelle Herausforderung: Gebündelte Erforschung von Volkskrankheiten
  • 17. Die strukturelle Herausforderung: Gebündelte Erforschung von Volkskrankheiten 11 Die strukturelle Herausforderung: Gebündelte Erforschung von Volkskrankheiten Aktionsfeld 1 des Rahmenprogramms winkel bleibt dabei nicht auf Deutschland beschränkt. Auch sogenannte vernachläs- Gesundheitsforschung sigte und armutsassoziierte Krankheiten wie Erkenntnisse der nationalen und internatio- Malaria, die in tropischen Regionen sehr viele nalen lebenswissenschaftlichen Forschung Menschen betreffen, sind Volkskrankheiten. ermöglichen innovative Strategien für Dia- Innovationen entstehen oft in Forschungsge- gnostik, Therapie und zunehmend auch für bieten, die an den Schnittstellen verschiedener Früherkennung und Prävention von Krank- Fächer ansetzen. Ein Ineinandergreifen von heiten. Gesundheitsforschung wird aber erst Grundlagenforschung über klinische Forschung dann zu Fortschritt, wenn Menschen von bis zur patientenorientierten und bevölkerungs- bezogenen Forschung setzt intensive Kooperatio­ ihr profitieren. Dies stellt die medizinischen nen von Institutionen sowie Forscherinnen und Forschungs- und Versorgungssysteme vor die Forschern voraus. Auch die für die Gesundheits- große Aufgabe, den Prozess der Translation forschung benötigten Plattformtechnologien und zu beschleunigen und dabei auf die For- Forschungsinfrastrukturen, wie Hochdurchsatz­ technologien, aussagefähige Krankheitsmodelle, schung zu fokussieren, die Patientinnen Biomaterialbanken, Kohorten oder Kompetenzin- und Patienten nutzt. frastrukturen zur Planung und Durchführung klinischer Studien, können oft nur im Zusam- Der Standort Deutschland verfügt über ein be- menwirken unterschiedlicher Partner aufgebaut, achtliches Potenzial in der biomedizinischen und getragen und effektiv genutzt werden. Hierbei klinischen Forschung. Sowohl die universitäre als kann durch ein enges Zusammengehen von auch die außeruniversitäre und die industrielle außeruniversitären und universitären Partnern Gesundheitsforschung leisten viel beachtete Bei- ein enormes Innovationspotenzial in der Gesund- träge auf zahlreichen Feldern. Allerdings errei- heitsforschung mobilisiert werden. chen diese Aktivitäten oft nicht die erforderliche kritische Größe. Die institutionenübergreifende Die Bundesregierung hat deshalb gemein- Zusammenarbeit und Vernetzung wird in einer sam mit den Ländern begonnen, neue, koope- Gesundheitsforschung, die einer effizienten und rative Strukturen zur Erforschung der großen schnellen Translation verpflichtet ist, deshalb Volkskrankheiten zu schaffen. In einem wissen- immer wichtiger. Dies gilt insbesondere für die schaftsgeleiteten Prozess werden die führenden Erforschung von Volkskrankheiten, da hier die Forschungseinrichtungen und Gruppen, die zu großen Fragen nur in einem interdisziplinären einzelnen Krankheiten forschen, zu Deutschen und langfristig angelegten Ansatz lösbar sind. Zentren der Gesundheitsforschung vernetzt. In diesen Deutschen Zentren arbeiten die beteiligten Was sind Volkskrankheiten? Partner gleichberechtigt zusammen. Die Qualität der wissenschaftlichen Arbeit in einzelnen medi- Als Volkskrankheiten werden besonders weit­ zinischen Fakultäten, in Universitätsklinika und verbreitete Krankheiten oder Krankheitsfelder in außeruniversitären Forschungseinrichtungen mit hoher Mortalitäts- bzw. Morbiditätslast entscheidet über die Teilnahme und die Rolle in bezeichnet. Dies sind beispielsweise Krebs, den Deutschen Zen­ ren. Es wird darüber hinaus t Herz-Kreislauf-, Stoffwechsel-, Infektions-, eine enge Interak­ ion mit der Wirtschaft ange- t Lungen- oder neurodegenerative Erkrankun- strebt. gen, aber auch psychische, muskuloskelettale oder allergische Erkrankungen. Es handelt Bereits im Jahr 2009 hat die Bundesregierung sich dabei um sogenannte Zivilisationskrank­ zwei Deutsche Zentren der Gesundheitsforschung heiten, um Infektionskrankheiten oder um gegründet: Das Deutsche Zentrum für Neuro- Erkrankungen, die erst mit gestiegenem degenerative Erkrankungen (DZNE) und das Lebensalter sehr häufig auftreten. Der Blick- Deutsche Zentrum für Diabetesforschung (DZD).
  • 18. 12 Die strukturelle Herausforderung: Gebündelte Erforschung von Volkskrankheiten Darüber hinaus sollen im Jahr 2011 vier weitere von Forschungsergebnissen aus dem Labor in Deutsche Zentren eingerichtet werden: das Deut- die breite medizinische Versorgung, deutlich zu sche Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung, das beschleunigen. Damit soll eine neue Basis für Deutsche Konsortium für Translationale Krebsfor- translationale biomedizinische Spitzenforschung schung, das Deutsche Zentrum für Infektionsfor- gelegt werden, die im internationalen Vergleich schung und das Deutsche Zentrum für Lungen- sichtbar und konkurrenzfähig ist. Dabei werden forschung. die Deutschen Zentren die Gesundheitswirtschaft bereichern und stärken. Mit diesen Zentren, die auch untereinander eng kooperieren werden, sollen die Kapazitäten Die gleichberechtigte Partnerschaft zwischen und Qualitäten der deutschen Forschung gebün- außeruniversitären Einrichtungen der Gesund- delt werden, um aufbauend auf einer starken heitsforschung und der Universitätsmedizin, Grundlagenforschung und einer leistungsfähigen die Auswahl der Partner durch ein transparen­ - klinischen Forschung gemeinsam besser und tes Begutachtungsverfahren durch international erfolgreicher klinische Studien durchführen, die renommierte Experten, die regelmäßige Eva- Einführung neuer klinischer Ansätze analysieren luation und Begleitung durch Expertenbeiräte und deren Wirksamkeit überprüfen zu können. sowie die längerfristige Finanzierung werden Die Deutschen Zentren sollen entscheidend dazu den Erfolg der Deutschen Zentren sicher­ tellen. s beitragen, die Translation, also den Transfer
  • 19. Die strukturelle Herausforderung: Gebündelte Erforschung von Volkskrankheiten 13 eutsche Zentren der Gesundheits­ D wie Alzheimer und Parkinson. Neben dem Kern- forschung zentrum in Bonn gehören sechs leistungsstarke Partnerstandorte in Rostock/Greifswald, Magde- Jedes Deutsche Zentrum besteht aus mehreren burg, Göttingen, Witten-Herdecke, Tübingen und Partnerstandorten. Ein Partnerstandort kann aus München dazu. Jeder Standort konzen­riert sich t einer universitären oder einer außeruniversitä- auf seine speziellen Stärken und hat dabei das ren Einrichtung bestehen, aber auch aus einem gemeinsame Ziel der Verbesserung von Therapie regionalen Verbund von zwei oder mehreren und Prävention neurodegenera­iver Erkrankungen t dieser Einrichtungen. Die Finanzierung der Deut- im Blick. Überdies beschränkt sich das Zentrum schen Zentren erfolgt zu 90 % durch den Bund. nicht auf Grundlagenforschung, vielmehr ist die Die Bundesmittel werden im Wege der institu­ Übertragung in die therapeutische Praxis Teil des tionellen Förderung zur Verfügung gestellt. Jedes Gründungsauftrags. Land finanziert die bei ihm ansässigen, an einem Deutschen Zentrum beteiligten Einrichtungen Y eutsches Zentrum für Diabetes­ D mit einem anteiligen Beitrag in Höhe von 10 %. forschung Bei der Auswahl der Partnerstandorte und bei der Förderung der Deutschen Zentren der Die modernen Lebens- und Ernährungsgewohn- Gesundheitsforschung wird Wert darauf gelegt, heiten mit einer energiereichen Ernährung bei dass wegweisende Beispiele zur Behebung der gleichzeitigem Bewegungsmangel begünstigen strukturellen Nachteile des deutschen Gesund- zunehmend auch bei Kindern und Jugendlichen heitsforschungssystems (vgl. Seite 16) erarbeitet die Entstehung von Übergewicht und Adiposi- und erprobt werden. Die Deutschen Zentren tas. Diese werden oft als primäre Ursachen für stehen in der besonderen Verantwortung, die die Entwicklung von Krankheiten wie Diabetes zur Verfügung stehenden Forschungsgelder Typ  2, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und diversen konzentriert und effektiv zum Wohl der Patien- Tumorarten genannt. In Deutschland werden für ten einzusetzen. Daher wird die Übertragung das Jahr 2025 annähernd 10 Millionen Diabetes- wissenschaftlicher Erkenntnisse in die therapeu- Patienten vorhergesagt. Angesichts der stetigen tische Praxis wesentlicher Bestandteil und auch Zunahme der Erkrankungen ist eine wesentlich Evaluierungskrite­ ium der Deutschen Zentren r umfassendere Forschungsstrategie mit neuen sein. Methoden zur individualisierten Diagnose, Prä- vention und Therapie dringend erforderlich. Y eutsches Zentrum für Neuro­ D degenerative Erkrankungen Im Jahr 2009 wurde das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung gegründet. Es hat fünf Die Funktion des menschlichen Gehirns, seine Partner: das Helmholtz Zentrum München für Entwicklung und seine Erkrankungen zu ver- Gesundheit und Umwelt, das Deutsche Diabetes- stehen ist eine der größten Herausforderungen Zentrum in Düsseldorf, das Deutsche Institut der Biowissenschaften. Durch Fortschritte in für Ernährungsforschung Potsdam, die Univer- der Weiter- und Neuentwicklung von Untersu- sität Tübingen sowie das Universitätsklinikum chungsmethoden und -geräten ist es möglich Dresden. Durch diese Zusammenarbeit werden geworden, das gesunde menschliche Gehirn zu Lücken in der Forschungskette geschlossen und studieren und damit weitreichende Erkenntnisse die translationale Forschung in Deutschland auf über unser Denken, Fühlen und Verhalten und diesem Forschungsgebiet gestärkt. entsprechende Störungen zu erlangen. Neurode- generative Erkrankungen, zu denen Parkinson Y eutsches Zentrum für Herz-Kreislauf­ D und Demenzen wie Alzheimer gehören, sind für Forschung Betroffene und Angehörige eine extrem hohe Belastung. Den unterschiedlichen Herz-Kreislauf-Erkran- kungen liegen häufig gemeinsame Risikofakto- Das im Jahr 2009 gegründete Zentrum bündelt ren wie Übergewicht, Diabetes oder Rauchen bundesweit die wissenschaftliche Kompetenz auf zugrunde. Sie führen zu einer signifikanten dem Gebiet von neurodegenerativen Krankheiten Verkürzung der Lebensdauer und beeinträchti-
  • 20. 14 Die strukturelle Herausforderung: Gebündelte Erforschung von Volkskrankheiten gen über lange Zeit erheblich die Lebensqualität Y eutsches Zentrum für Infektions­ D der Betroffenen. Zur Bekämpfung von Herz- forschung Kreislauf-Erkrankungen existieren zahlreiche therapeutische Konzepte. Häufig lässt sich damit Jeden Tag sterben weltweit Tausende Menschen jedoch nur eine unzureichende Verbesserung an HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria sowie der Organfunktion und der Gesamtsituation der an weiteren, nicht minder lebensbedrohlichen Patienten erreichen. Umso wichtiger ist die Ent- tropischen Infektionskrankheiten. Zu ihrer wicklung und Förderung von Konzepten, die auf Bekämpfung fehlt es nach wie vor an sicheren eine frühzeitige, individualisierte Prävention und und bezahlbaren Impfstoffen, Diagnosemetho- Therapie abzielen. den und Therapien. Deutschland kann und will zu ihrer erfolgreichen Bekämpfung einen Deutsche Forscherinnen und Forscher sind in wichtigen Beitrag leisten. den für die Herz-Kreislauf-Forschung entscheiden- den Forschungsgebieten international erfolg- Die Belastung durch Infektionserkrankun- reich und haben wesentliche Beiträge zu den gen ist aber auch in Deutschland von enormer medizinischen Fortschritten geleistet. Durch die medizinischer und ökonomischer Bedeutung. Zentrumsbildung wird die deutsche Herz-Kreislauf- Dies betrifft auch die sogenannten Zoonosen, Forschung nachhaltig verzahnt – von der Grundla- d.  h. Krankheiten, die von Tieren oder auch genforschung über die klinische Forschung bis zur Lebensmitteln tierischer Herkunft auf den Men- Versorgungsforschung. Universitäre und außeruni- schen übertragen werden können. Die schnell versitäre Einrichtungen werden überregional part- anwachsende Weltbevölkerung, der demografi- nerschaftlich zusammenarbeiten, ihre Arbeiten sche Wandel in der Bevölkerung, der Klimawan- koordinieren und Forschungsinfrastrukturen wie del, die Veränderungen in den Essgewohnhei- z. B. Register gemeinsam nutzen. ten sowie die Globalisierung des Reiseverkehrs
  • 21. Die strukturelle Herausforderung: Gebündelte Erforschung von Volkskrankheiten 15 und des Handels begünstigen dabei das Bei verschiedenen Krebstherapien ist die Auftreten von Zoonosen und die Verbreitung individualisierte Medizin nicht nur Visi- von Zoonosenerregern. Die Erforschung on, sondern schon Realität. Hier gibt es dieses Gebiets erfordert die enge Zusammen- eine Reihe von Arzneimitteln, für die vor arbeit von Humanmedizin und Veterinärme- Therapiebeginn molekularbiologische dia- dizin. Aber auch eine andere Entwicklung gnostische Tests durchgeführt werden, um erhöht die von Infektionskrankheiten aus- Vorhersagen über Wirksamkeit, Nebenwir- gehenden Gefahren: Immer mehr bewährte kungen und angemessene Dosierung der antiinfektive Substanzen wie Antibiotika, Wirkstoffe für den einzelnen Patienten Antimykotika und Virostatika verlieren ihre zu treffen. Insgesamt hat die Entwicklung Wirksamkeit, da die Keime Resistenzen neuer Therapien und Diagnostika mit den entwickeln. Darüber hinaus treten immer enorm wachsenden Erkenntnissen aus der wieder neue Krankheitserreger oder bekann- Grundlagenforschung jedoch nicht Schritt te Erreger mit veränderten Eigenschaften gehalten. Um neue Therapiekonzepte wei- auf, die Krankheiten mit hoher Morbidität terzuentwickeln sowie die Heilungsraten und Mortalität auslösen und große Anforde- und Überlebenschancen der Patienten zu rungen an die Erkennung, Vorbeugung und verbessern, müssen die Erkenntnisse aus Behandlung stellen. den Forschungslaboren in klinische Studien und weiter in die medizinische Versorgung Im Deutschen Zentrum für Infektionsfor- übertragen werden. Dies zählt zu den Kern- schung werden wissenschaftliche Expertisen, aufgaben des Deutschen Konsortiums für Infrastrukturen und Ressourcen bundesweit translationale Krebsforschung. gebündelt und die bestehenden universi- tären und nichtuniversitären Forschungs- Y eutsches Zentrum für Lungen- D gruppen enger verbunden. Ziel künftiger forschung Forschung ist es, die Mechanismen von Infektionskrankheiten und ihre Verlaufs- Für Asthma und andere chronische Lungen- und Verbreitungsmuster sowie die mit der krankheiten, aber auch für Bronchialkarzi- Behandlung der Krankheiten verbundenen nome, Lungenemphyseme oder respiratori- Resistenzentwicklungen der Erreger besser sche Allergien existieren keine hinreichend zu verstehen. effektiven Therapiemöglichkeiten. Dies stellt eine große Herausforderung für die Gesund- Y eutsches Konsortium für translationale D heitsforschung dar, der nur durch wissen- Krebsforschung schaftliche und strukturelle Koordinierung der führenden deutschen Lungenforschungs- Die biomedizinische Grundlagenforschung gruppen begegnet werden kann. hat in den vergangenen 30 Jahren zu den molekularen und zellulären Ursachen von Um dies zu erreichen, werden im Deut- Krebserkrankungen wegweisende Erkennt- schen Zentrum für Lungenforschung die nisse gewonnen und daraus neue Strategien besten universitären und außeruniversitären zur Therapie entwickelt. Für Patienten mit pneumologischen Forschungseinrichtungen bestimmten Krebserkrankungen, wie Leukä- zusammengeführt. Die grundlagen- und mien oder bestimmte bösartige Tumore im patientenorientierte Forschung auf dem Ge- Kindesalter, haben sich die Chancen auf eine biet der Lungenerkrankungen wird koordi- dauerhafte Heilung in den vergangenen zehn niert und auf internationales Spitzenniveau bis fünfzehn Jahren erheblich verbessert. Bei angehoben, um so die Translation grundla- häufigen Tumoren wie Brust- und Darmkrebs genwissenschaftlicher Erkenntnisse in neue stieg die Fünfjahresüberlebensrate auf über klinische Konzepte zur Verbesserung der 75 bzw. 55 %. Patientenversorgung sicherzustellen.
  • 22. 16 Die strukturelle Herausforderung: Gebündelte Erforschung von Volkskrankheiten Forschungs- und nachwuchsfreundliche Klinische Studienzentren, die Translationszentren Rahmenbedingungen und Strukturen für Regenerative Medizin oder die Etablierung gesonderter Nachwuchsforschungsgruppen wid- Strukturelle Probleme der medizinischen For- men sich dieser Herausforderung. Folgende Ziele schung in Deutschland wurden schon oft in Denk- stehen dabei besonders im Blickfeld: schriften thematisiert und mit Fördermaßnahmen der Bundesregierung angegangen. Es gibt zwar ●● eine fundierte wissenschaftliche Qualifizie- punktuelle Erfolge, aber noch keine in die Fläche rung des Nachwuchses in der Medizin, den gehenden, nachhaltigen Verbesserungen. Naturwissenschaften und in Gesundheits- berufen wie Pflegewissenschaft, Logopädie, Dies ist insbesondere für die Situation des wis- Ergotherapie, Physiotherapie und dem Hebam- senschaftlichen Nachwuchses nachteilig. Gerade in menwesen, der Hochschulmedizin steht der wissenschaftliche Nachwuchs in einem besonderen Spannungsfeld. ●● eine angemessene Verankerung wissenschaft- Das bisherige Leitbild des deutschen Hochschulme- licher Arbeitsweise in allen Phasen der medi- diziners geht davon aus, dass exzellente Leistun- zinischen Ausbildung, z. B. durch Integration gen in Forschung, Lehre und Krankenversorgung einer wissenschaftlichen Grundausbildung in durch ein und dieselbe Person erbracht werden. das Studium, durch Forschungsstipendien für Die medizinische Ausbildung an den deutschen Studierende, zeitlich begrenzte Freistellungen Hochschulen ist jedoch auf die praktische ärztliche von der Krankenversorgung oder durch höhe- Tätigkeit ausgerichtet und bietet kaum Qualifizie- re wissenschaftliche Ansprüche an medizini- rungsinhalte für wissenschaftliches Arbeiten. Die sche Doktorarbeiten, wachsende Bedeutung der patientenorientierten Forschung darf die Arbeitsbelastung engagierter ●● eine frühe wissenschaftliche und finanzielle Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissen- Selbstständigkeit für die Arbeit von Nach- schaftler nicht weiter erhöhen; Forschung sollte wuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchs- nicht in die „Freizeit“ verschoben, sondern als Teil wissenschaftlern, der ärztlichen Aufgaben verstanden werden und einen dementsprechenden Stellenwert erhalten. ●● die Erhaltung des Interesses an Forschung nach der ärztlichen Ausbildung, u. a. durch eine Aus dem Dreiklang von Forschung, Lehre und stärkere Berücksichtigung von Forschungs­ Krankenversorgung ergibt sich eine weitere struk- leistungen in der beruflichen Karriere an Uni- turelle Problematik: Die für die Erfüllung dieser versitätsklinika und durch adäquate Beschäfti- drei hochschulmedizinischen Aufgaben erfor- gungssituationen für den wissenschaftlichen derlichen Mittel stammen aus unterschied­ichen l Mittelbau, Quellen, sind aber jeweils zweckgebunden. Auch wenn die Tätigkeit eines einzelnen ärzt­ichen l ●● die Vermittlung eines Grundverständnisses Mitarbeiters oder einer einzelnen ärztlichen Mit- für industrielle Forschung und Entwicklung arbeiterin nicht minutengenau Forschung, Lehre und der für Industriekooperationen relevanten oder Krankenversorgung zugeordnet werden regulatorischen Standards für Postgraduierte, kann, müssen die hochschulmedizinischen Stand- orte doch mit einer funktionierenden Trennungs- ●● die Verbesserung der beruflichen Chancen rechnung sicherstellen, dass Forschungsmittel für naturwissenschaftliche Forscherinnen und vollständig der Forschung zugutekommen. Forscher in der Gesundheitsforschung. Von den Deutschen Zentren der Gesundheits- Unter dem Dach des Rahmenprogramms Gesund- forschung werden wegweisende Impulse zur heitsforschung werden diese Ziele in den genann- Schaffung forschungs- und nachwuchsfreund- ten, besonders auf die Schaffung forschungs- und licher Rahmenbedingungen und Strukturen nachwuchsfreundlicher Rahmenbedingungen erwartet. Auch andere Förderaktivitäten des und Strukturen ausgerichteten Fördermaßnah- Rahmenprogramms Gesundheitsforschung wie men verfolgt, aber auch als Querschnittsziele in Integrierte Forschungs- und Behandlungszentren, allen anderen Maßnahmen (vgl. Seite 45).
  • 23. Die strukturelle Herausforderung: Gebündelte Erforschung von Volkskrankheiten 17 Krankheitsbezogene Projektförderung Die Projektförderung außerhalb des thema­ tischen Bereichs der Deutschen Zentren wird mit Krankheitsbezogene Förderung erfolgt im Rah- verschiedenen Förderinstrumenten die Erfor- menprogramm Gesundheitsforschung einerseits schung anderer wichtiger Krankheiten als der in mit den Deutschen Zentren der Gesundheitsfor- Deutschen Zentren bearbeiteten Volkskrankhei- schung, andererseits mit der Projektförderung ten ermöglichen. Dazu zählen andere häufige des Bundes. Die krankheitsbezogene Projektförde- Erkrankungen, aber auch weniger häufige und rung wird künftig die Forschungsschwerpunkte seltene Erkrankungen mit gesellschaftlicher Re- der Deutschen Zentren komplementär ergänzen. levanz. Der Einsatz der Forschungsmittel erfolgt Projektförderung im thematischen Bereich eines dabei so, dass er zu strukturellen Verbesserungen Deutschen Zentrums wird zwei zentrale Ziele führt, einen gesellschaftlichen Bedarf deckt und haben: im Deutschen Zentrum zu der jeweiligen zu Innovationen und Wertschöpfung in Deutsch- Volkskrankheit nicht bearbeitete Forschungsfra- land beiträgt. Entlang dieser Kriterien wird die gen zu verfolgen und das Deutsche Zentrum mit Bundesregierung ihre krankheitsbezogene Pro- weiteren wissenschaftlichen Partnern und der jektförderung weiter profilieren. Wirtschaft zu verbinden.
  • 24. 18 Die Forschungsherausforderung: Individualisierte Medizin
  • 25. Die Forschungsherausforderung: Individualisierte Medizin 19 Die Forschungsherausforderung: Individualisierte Medizin Aktionsfeld 2 des Rahmenprogramms Neben der Auswahl geeigneter Arzneimittel Gesundheitsforschung bietet die individualisierte Medizin auch ein großes Potenzial für patientenspezifische Medizinprodukte. Eine der zentralen Herausforderungen der Ge- Sogenannte therapeutische Unikate, die passgenau sundheitsforschung ist es, für jeden Patienten für den einzelnen Patienten angefertigt werden, und jede Patientin das höchstmögliche Maß sind in der Prothetik bereits Routine. an therapeutischer Wirksamkeit bei gleich­ In Zukunft wird auch die regenerative Medi- zeitiger Minimierung der Nebenwirkungen zin Verfahren entwickeln und bereitstellen, die zu erreichen. Die großen Fortschritte in der patientenspezifisch sind. Erste Therapieverfahren Erforschung von Krankheitsursachen und befinden sich bereits in der klinischen Anwendung, z. B. bei der Regeneration des Immunsystems oder neue diagnostische Technologien lassen die- von Knorpeln und Haut. Einen wichtigen Beitrag ses Ziel näher rücken – wir befinden uns auf leisten Untersuchungen zu den sogenannten dem Weg zu einer individualisierten Medizin. Advanced Therapies mit gewebebasierten Metho- den (Tissue Engineering), mit Zellen (Zelltherapie) Im Rahmen der individualisierten Medizin wer- und genbasierten Ansätzen (Gentherapie). Bis zur den auch die unterschiedlichen Voraussetzungen Routineanwendung müssen jedoch noch Fragen zu und Bedürfnisse von verschiedenen Bevölkerungs- Wirksamkeit, Nutzen, Wirtschaftlichkeit, Sicherheit, gruppen bei der Gesundheitsversorgung und der Normung und Standardisierung durch entspre- Prävention besonders berücksichtigt. So brauchen chende Studien beantwortet werden. Des Weiteren etwa Kinder und Jugendliche andere Therapiever- müsste das Potenzial an Chancen und Risiken im fahren als erwachsene oder alte Menschen; Frauen Bereich der individualisierten Medizin im Hinblick und Männer reagieren verschieden auf manche auf Patientenautonomie, Nichtdiskriminierung und Arzneimittel, und multimorbide Menschen bedür- Verteilungsgerechtigkeit untersucht werden. fen individuell angepasster Behandlungsverfahren. Zudem werden Häufigkeit und Verlauf von Krank- Erste Schritte auf dem Weg zur individualisier- heiten oft vom jeweiligen sozialen Hintergrund ten Medizin sind das Verständnis grundlegender beeinflusst. Krankheitsmechanismen und die Identifizierung molekularer Schaltstellen für die Ausprägung einer In der Vision der individualisierten Medizin Erkrankung. Wichtig sind Diagnostik und darauf wird es bereits vor Beginn der Behandlung mög- aufbauend die Entwicklung geeigneter Therapien. lich sein, das für den Einzelnen optimale thera- Die meisten Volkskrankheiten haben viele Ursachen; peutische Verfahren auszuwählen. So wird sich häufig spielen Ernährung, Bewegung und individu- vorab feststellen lassen, ob der Patient oder eine elle genetische und physische Ausprägungen mit bestimmte Patientengruppe ein Arzneimittel gut Umwelteinflüssen zusammen. Viele der sogenannten vertragen wird oder ob das Arzneimittel bei der seltenen Erkrankungen entstehen dagegen durch die jeweiligen individuellen Veranlagung und dem Mutation einzelner Gene. Von den ca. drei Milliarden Erkrankungstyp tatsächlich wirksam werden kann. genetischen Bausteinen ist etwa jeder tausendste von Krankheits- und therapierelevante Gene, Proteine Mensch zu Mensch verschieden. Ein wesentliches und andere Moleküle werden für eine spezifische Ziel der Forschung ist es, diejenigen Genvarianten Diagnose und eine maßgeschneiderte Therapie zu identifizieren, die Krankheiten verursachen bzw. genutzt. Therapien lassen sich gezielt und damit ihre Träger vor Krankheiten schützen. Basis für die wirksamer einsetzen und führen somit zu besseren Identifizierung krankheitsrelevanter Gene, deren Ergebnissen für Patientinnen und Patienten. Dabei Funktionsanalysen oder die Beschreibung der kom- wird es für die Übertragung der Forschungsergeb- plexen Wechselwirkungen ist die lebenswissenschaft- nisse in medizinische Produkte und Verfahren und liche Grundlagenforschung, zu der in diesem Kontext in die allgemeine Versorgung darauf ankommen, insbesondere die medizinische Genomforschung, die Wirksamkeit und Nutzen der neuen Möglichkeiten Systembiologie, die Computational Neuroscience und genau zu bewerten. die Stammzellforschung gehören.
  • 26. 20 Die Forschungsherausforderung: Individualisierte Medizin Die Forschungsförderung unter Nachweis ihres Nutzens für den Patienten zur individua­isierten Medizin l rasch zur Marktreife gelangen. In der Förderung wird indikationsoffen der Gesonderte Schwerpunkte liegen auf der Bogen von der Grundlagenforschung über die Erforschung der seltenen Krankheiten und auf präklinische und klinisch-patientenorientierte der Erforschung von Krankheitsaspekten, die für Forschung bis in die Gesundheitswirtschaft bestimmte Bevölkerungsgruppen spezifisch sind gespannt und so – mit dem Ziel einer schnellen (z. B. Frauen/Männer, Menschen mit Migrations- und effektiven Translation – die systematische hintergrund, Kinder). Zu Prävention vgl. Aktions- Entwicklung von Produkten und Verfahren ent- feld 3, zu Versorgungsforschung Aktionsfeld 4. lang des Innovationsprozesses ermöglicht. Y ebenswissenschaftliche Grundlagen­ L Hierzu wird ein aufeinander abgestimmtes forschung Spektrum an Förderaktivitäten angeboten und weiterentwickelt, das die Stufen des Innovations- Umfangreiche, aufeinander abgestimmte Förder- prozesses adressiert. Regelmäßige Ausschreibun- aktivitäten zielen insbesondere auf vier Bereiche gen dieser Förderaktivitäten geben Wissenschaft der lebenswissenschaftlichen Grundlagenfor- und Wirtschaft Verlässlichkeit und ermöglichen schung: es, nach erfolgreichem Projektabschluss die Arbeit konsequent in einer nachfolgenden Stufe des Medizinische Genomforschung – Die Zusam- Innovationsprozesses fortzusetzen. Bei der Ent- menführung von struktur- und funktionsbezoge- wicklung von Produkten und Verfahren ist häufig nen Daten mit Informationen über die Krank- gerade der Übergang von einer Stufe des Innovati- heitsentstehung und ihren Verlauf ermöglicht onsprozesses zur nächsten problematisch. Deshalb Rückschlüsse auf den Einfluss des Genoms, wird zusätzlich zu den Fördermaßnahmen, die seiner Produkte sowie von Umwelteinflüssen einzelne dieser Stufen adressieren, ein neues För- bei multifaktoriell bedingten Krankheiten. derinstrument entwickelt, das über mehrere Stu- Durch die Fördermaßnahmen des Nationalen fen hinweg strategische Partnerschaften zwischen Genomforschungsnetzes und der Medizinischen Wissenschaft, Wirtschaft und Anwendern im Ge- Infektionsgenomik, aber auch mithilfe der sundheitssystem entlang des Innovationsprozesses Beteiligung an internationalen Aktivitäten wie unterstützt. So wird es möglich, dass innovative dem International Human Epigenome Consorti- Ideen für neue Diagnose- und Therapieverfahren um (IHEC) und dem ERA-NET on Genomics and Wie entstehen diagnostische und therapeutische Produkte und Verfahren? 5. Klinische 3. Klinische Stu­­dien Studien 4. linische K Phase  IV (nach 1. ebenswissen­ L Phase I/II: Studien Einfüh­rung in 6. Versorgungs­ schaftliche 2. Präklinische Verträglichkeit Phase  III: die Routine­ forschung, Grundlagen­ Forschung und Sicherheit Nachweis versorgung): Gesundheits­ forschung und erste Unter­ der Wirk­ Therapiever- ökonomie suchungen zur samkeit gleichsstudien, Wirksamkeit Therapie­ optimierung
  • 27. Die Forschungsherausforderung: Individualisierte Medizin 21 Genetic Epidemiology of Multifactorial Disease übergreifend von der Neurobiologie sowie (GenERA) wird die Förderung im Rahmen die- der Kognitionsforschung, Systembiologie und ses Programms dazu in den kommenden Jahren Informationstechnologie genutzt werden kann. wichtige Beiträge leisten. Die Aktivitäten des Bernstein Netzwerks liefern wichtige Forschungsimpulse für die Computa­ Systembiologie – Molekularbiologische tional Neuroscience. Methoden der Genom-, Proteom- und Meta- bolomforschung werden mit mathematischen Stammzellforschung – Wegen ihrer Regenera- Konzepten der Datenanalyse und Modellierung tions- und Entwicklungsfähigkeit sind Stammzel- verknüpft. Dadurch wird es möglich, biologi- len ein hervorragendes Forschungsobjekt, um sche Systeme in ihren funktionellen Eigenschaf- die Steuerung und Entwicklung von Zellen sowie ten zu verstehen und Vorhersagen über ihr die Regenerationsmechanismen des Körpers zu Verhalten zu ermöglichen, wie beispielsweise untersuchen. Neben den gewebespezifischen bei Stoffwechselwegen, Zellorganellen, ganzen (adulten) und den embryonalen sind in den ver- Zellen, Organen oder Organismen. Mit einem gangenen Jahren die induzierten pluripotenten Innova­ ionswettbewerb Systembiologie werden t Stammzellen in den Mittelpunkt des Interesses die bisherigen Aktivitäten gebündelt, das der Stammzellforschung gerückt. Ein besseres Potenzial des systembiologischen Forschungs- Verständnis der Eigenschaften und Entwicklungs- ansatzes für die Grundlagenforschung gestärkt prozesse von Stammzellen erlaubt eine effiziente und gleichzeitig Brücken hin zur Anwendung Nutzung als Testsysteme für die Entwicklung von geschlagen. Therapien und erleichtert eine spätere Nutzung in der regenerativen Medizin. Computational Neuroscience – Konzeptio- neller Forschungsansatz in der Hirnforschung, Y räklinische Forschung P der Experiment, Datenanalyse und Computersi- mulation auf der Grundlage definierter theore- Ein kritischer Schritt in der Entwicklung neuer tischer Konzepte verbindet und so ein besseres Therapeutika, Diagnostika oder Impfstoffe ist Verständnis der neuronalen Grundlagen kog- die Identifizierung von potenziellen Andock- nitiver Leistungen ermöglicht. Die Computa­ punkten, möglichen Wirkstoffen und deren tional Neuroscience stellt eine wissenschaftliche erste Überprüfung auf therapeutische oder Sprache zur Verfügung, die fach- und ebenen- diagnostische Wirksamkeit im Labor.
  • 28. 22 Die Forschungsherausforderung: Individualisierte Medizin Individuelle Behandlungen erfordern neben Y trategische Partnerschaften S diagnostischen Verfahren zur Unterscheidung für Translation der Patienten die Existenz alternativer Thera- pieoptionen. Dabei kristallisiert sich heraus, Effiziente Translation soll das Ziel verfol- dass immer weniger innovative Substanzen gen, medizinischen Fortschritt, d. h. die mit den klassischen Methoden der Pharmafor- Übertragung der Forschungsergebnisse in schung gefunden werden. Stattdessen kommen das Gesundheitswesen, zu beschleunigen, immer häufiger biotechnologische Verfahren damit neue Erkenntnisse schneller als bisher zum Einsatz. Auch wurde aufbauend auf Er- den Menschen zugutekommen. Aus der gebnissen der Grundlagenforschung ein großes synergistischen Zusammenarbeit von Wis- Potenzial an molekularen Markern erschlos- senschaft, Biotechnologiefirmen, Kliniken, sen. Eines der wesentlichen Probleme ist die Pharmafirmen und – soweit zulässig – von Überprüfung ihres konkreten Nutzens für The- Regulierungsbehörden ergeben sich dabei rapieentscheidungen. Derartige Forschungs- neue Möglichkeiten für Translation; neuar- arbeiten werden ebenso wie die Forschung tige Ansätze für innovative Produkte und zur Erweiterung der Therapiemöglichkeiten Dienstleistungen können entstehen. Diese gefördert. Zudem wird künftig die Erforschung Ziele werden durch die Förderung strategi- der Kombination neuer Diagnostik- mit Thera- scher Partnerschaften zur individualisierten pieverfahren unterstützt, denn erst durch diese Medizin verfolgt. Kombination erfolgt die eigentliche Individua­ lisierung der Behandlungskonzepte. Die prä- Y rforschung seltener Krankheiten E klinische Forschung greift diese Ergebnisse auf und bringt sie in ein Stadium der Entwicklung, Von der Individualisierung der Medizin profi- in dem sie gefahrlos am Menschen angewandt tiert auch die Erforschung seltener Krankhei- werden können. ten. Eine Erkrankung gilt nach der in der EU gültigen Definition als selten, wenn weniger Y linische Studien K als eine von 2.000 Personen darunter leidet. Zu den seltenen Krankheiten werden zwischen Klinische Studien sind Motor für Innovationen 5.000 und 8.000 Krankheiten gezählt; an ihnen in der Gesundheitsforschung und im Gesund- leiden in Deutschland insgesamt etwa 2,5 bis heitswesen. Klinische Studien aller Prüfphasen 5 Millionen Menschen. Die Forschung zu sel- sind aber mit einem hohen wissenschaftlichen, tenen Erkrankungen – besonders die klinische logistischen und finanziellen Aufwand ver- Forschung – ist mit erschwerten Ausgangsbe- bunden, der vor allem der Patientensicherheit dingungen konfrontiert. Dazu zählen vordring- dient. Durch die Förderung der klinischen For- lich die geringe Anzahl an Patienten, eine die schung in Koordinierungszentren für klinische Durchführung von Studien erschwerende über- Studien, Studienzentren und Kompetenznet- regionale Verteilung und eine geringe Zahl zen hat das BMBF in den vergangenen Jahren von Wissenschaftlern, die an einer seltenen Er- die Voraussetzungen für bundesweite und krankung arbeiten. Im Rahmen des von BMG, internationale Studiennetze geschaffen, um BMBF und Achse e.V. etablierten Nationalen Forschungsergebnisse schneller in der Praxis Aktionsbündnisses für Menschen mit seltenen anwenden zu können. Damit hat sich Deutsch- Erkrankungen (NAMSE) wird daher gezielt die land im internationalen Vergleich eine sehr kooperative Forschung und Vernetzung von gute Position erarbeitet. Deutschland nimmt Wissenschaft und Klinik gefördert. Da etliche seit dem Jahr 2006 bei der absoluten Zahl der Erkrankungen auch durch Bündelung nationa- Studien innerhalb der EU die Spitzenposition ler Kapazitäten nicht adäquat erforschbar sind, ein. Dies lässt Rückschlüsse zu auf die Zahl werden die nationalen Fördermaßnahmen zu- der Studien durchführenden Zentren und auf dem europäisch und international abgestimmt die gute Infrastruktur für klinische Prüfungen und ergänzt. in Deutschland insgesamt. Außerdem fördern BMBF und DFG gemeinsam nicht kommerzielle multizentrische klinische Studien.
  • 30. 24 Die Vorsorgeherausforderung: Präventions- und Ernährungsforschung
  • 31. Die Vorsorgeherausforderung: Präventions- und Ernährungsforschung 25 Die Vorsorgeherausforderung: Präventions- und Ernährungsforschung Aktionsfeld 3 des Rahmenprogramms Maßnahmen dienen im Regelfall der generellen Gesundheitsforschung Gesundheitsförderung, in ihrem Mittelpunkt ste- hen häufig Bewegung, Ernährung und Stressbe- Die Entstehung oder der Verlauf von Krank­ wältigung. Maßnahmen der Sekundärprävention heiten kann durch Ernährung, Bewegung, haben zum Ziel, Krankheiten besonders früh zu Verhaltensweisen oder Umweltfaktoren erkennen. Dadurch soll der Verlauf der Krankheit günstig beeinflusst oder ihr Auftreten sogar ganz beeinflusst werden. Bei der Aufklärung der verhindert werden. In diesen Bereich fallen bei- Wechselwirkungen zwischen krankheits­ spielsweise die Maßnahmen zur Früherkennung auslösenden Genmutationen und externen bei Krebs. Tertiäre Präventionsmaßnahmen sollen Faktoren sind jedoch noch vielfältige For­ Rückfällen vorbeugen, haben also beispielsweise zum Ziel, dass kein weiterer Schlaganfall eintritt. schungsfragen zu klären. Bekannt ist, dass Die tertiäre Prävention ist eine wichtige Kompo- verschiedene Ansätze vorbeugend wirken nente in der Rehabilitation, mit deren Hilfe nicht können: regelmäßiger Sport, gesunde Er­ nur Rückfälle, sondern auch Komplikationen oder nährung, Impfungen, aber auch umweltbe­ Folgeerkrankungen vermieden werden können. Bis vor wenigen Jahren galt, dass Präventions- zogene Maßnahmen wie die Reduzierung maßnahmen häufig ohne ausreichenden wissen- von Feinstäuben oder allergieauslösenden schaftlichen Nachweis ihrer Wirksamkeit, aber Stoffen. Dabei bewirkt erfolgreiche Präven­ auch ihrer möglichen unerwünschten Effekte tion zweierlei: Sie steigert Wohlbefinden und durchgeführt wurden, da nur wenige entspre- chende Studien vorlagen. Da sich z. B. sekundär- Gesundheit und birgt zugleich erhebliche präventive Maßnahmen der Krankheitsfrüher- Einsparpotenziale für die Sozialsysteme. kennung an klinisch gesunde, beschwerdefreie Menschen richten, ist es besonders wichtig, den Nicht jeder Raucher erkrankt an Krebs, und nicht Nutzen dieser Maßnahmen (z. B. bessere Prognose jeder Nichtraucher ist davor geschützt. Nichtrau- aufgrund der früheren Krankheitsentdeckung) chen reduziert aber die Wahrscheinlichkeit einer gegen mögliche Risiken (z. B. psychische Belas- Krebserkrankung – selbst wenn eine Veranlagung tung durch falsch-positive Diagnosen, Überdiag- für Krebs vorliegt. Prädisposition einerseits und nose und Übertherapie) abwägen zu können. Verhalten, Ernährung, Bewegung und weitere Lebensstilfaktoren andererseits beeinflussen also Für die Planung und Durchführung einer gemeinsam die Gesundheit des Menschen. Das Präventionsmaßnahme wie auch einer Therapie wahre Ausmaß dieser Wechselwirkungen wird ist eine belastbare Datengrundlage unerlässlich. erst seit einigen Jahren deutlich. Die Erkennt- Hierzu dienen beim gesunden Menschen die nis, dass durch Umweltfaktoren hervorgerufene populationsbezogene Epidemiologie sowie beim chemische Veränderungen der Erbsubstanz an kranken Menschen die klinische Epidemiologie. die nächste Generation weitergegeben werden In der klinischen und bevölkerungsbezogenen können, ist der Ausgangspunkt für die For- Epidemiologie gewinnen prospektive Langzeitun- schungsrichtung der Epigenetik. Erkenntnisse aus tersuchungen, die Entwicklungen im Krankheits- der Epigenetik tragen entscheidend dazu bei, die geschehen sowie den Einfluss von positiven und Funktionsweise von Prävention besser zu verste- negativen Faktoren evaluieren, immer mehr an hen. Das Verständnis der Zusammenhänge von Bedeutung. Prädisposition, Ernährung und Umwelt ist auch für die Erforschung von Allergien bedeutend. Der Gesundheitsstatus des Menschen wird auch durch die Ernährung beeinflusst. Mit einer Präventionsmaßnahmen werden drei Katego- frühzeitigen Ernährungsumstellung werden rien zugeordnet, wobei die Übergänge in der Pra- oftmals Stabilisierungen oder Verbesserungen des xis fließend sind: Primärprävention, Sekundärprä- Gesundheitsstatus erreicht. Zunehmend sind auch vention und Tertiärprävention. Primärpräventive Kinder und Jugendliche von ernährungsmitbe-
  • 32. 26 Die Vorsorgeherausforderung: Präventions- und Ernährungsforschung dingten Erkrankungen betroffen, in Deutschland Der demografische Wandel und geänderte sind ca. 2 Millionen von ihnen übergewichtig. Bei Lebensumstände stellen die Präventions- und den Erwachsenen sind es ca. 37 Millionen. Zwar Ernährungsforschung auch in Hinblick auf die werden beinahe täglich neue Ernährungsemp- Lebensmittelsicherheit vor große Herausforderun- fehlungen und Diätratgeber veröffentlicht, aber gen – beispielsweise in Hinblick auf eine infolge nach wie vor sind grundlegende Fragen über die hohen Alters oder Multimorbidität geschwächte Zusammenhänge zwischen Ernährung, Bewe- Immunabwehr oder auf lebensmittelbedingte gung und deren Wirkungsweise im menschlichen zoonotische Krankheiten. Körper ungeklärt. Wodurch wird das Ernährungs- verhalten des Einzelnen bestimmt? Welche Unter- Für den eindrucksvollen Anstieg der Lebens­ schiede gibt es in der Metabolisierung (Verstoff- erwartung und das deutliche Sinken der Kinder- wechselung) zwischen den einzelnen Menschen? sterblichkeit sind die Erfolge der Impfstoffent- Wann und aus welchen Gründen isst der Mensch? wicklung mit verantwortlich. So konnten allein Nach welchen molekularen Mechanismen wirken durch die globale Initiative zur Impfung gegen Inhaltsstoffe der Nahrung beim Menschen auf Masern die weltweiten Masern-Todesfälle von das Immun-, Hormon- und Verdauungssystem 733.000 Menschen im Jahr 2000 auf 164.000 im sowie die Hirnfunktion? Der Beantwortung dieser Jahr 2008 gesenkt werden. Während einigen Fragen, die für eine funktionierende Prävention Krankheiten durch Impfungen also effektiv vor- ganz entscheidend ist, widmet sich die Ernäh- gebeugt werden kann, fehlt es für diverse chro- rungsforschung. nische Infektionen wie HIV/Aids, Hepatitis oder Tuberkulose nach wie vor an Impfstoffen.
  • 33. Die Vorsorgeherausforderung: Präventions- und Ernährungsforschung 27 Die Förderung der Präventions- und gangsweg erfolgt, wie die persönliche Anspra- Ernährungsforschung che durch den Hausarzt. Die Förderung dieser Forschung soll in Umfang und Themenbreite Unter dem Dach der Nationalen Präventions- ausgeweitet und systematisiert werden. Künftig strategie entwickelt das BMBF einen Aktions- sollen Effektivität, Effizienz und unerwünschte plan zur Präventions- und Ernährungsfor- Effekte von Maßnahmen der Primär-, Sekun- schung, der die für beide Bereiche relevanten där- und Tertiärprävention erforscht werden, Forschungsansätze zusammenführt und inter- insbesondere ihre längerfristige Wirksamkeit. disziplinär verknüpft. Auch die Entwicklung neuer evidenzbasierter Präventionskonzepte ist eine wichtige Aufgabe Y pigenetische Forschung zu Prävention E für die Zukunft. und Ernährung Y pidemiologische Forschung E Ergebnis bisheriger Forschung ist, dass schon im Mutterleib durch Ernährung und toxische Die deutsche epidemiologische Forschung Einflüsse erbliche Faktoren für den Rest des Le- nimmt im internationalen Vergleich bisher bens an- oder abgeschaltet werden. Gerade bei keine herausragende Rolle ein. Ein nachhalti- Krankheiten wie Diabetes und Adipositas zeigt ger Ausbau der Epidemiologie setzt struktur- sich die Bedeutung dieser sogenannten metabo- fördernde Maßnahmen voraus. Hierzu gehören lischen Programmierung im Jugendalter. Aber spezifisch epidemiologisch ausgerichtete auch in späteren Lebensabschnitten können Lehrstühle an den Hochschulen, um sowohl Umwelteinflüsse erbliche Faktoren nachhaltig exzellente Forschung zu betreiben als auch beeinflussen. Forschungsbedarf besteht auch qualifizierten wissenschaftlichen Nachwuchs bei der Klärung, welche Umwelteinwirkungen auszubilden. Aber auch der Aufbau von epide- welche epigenetischen Modulationen zur Folge miologischen Nachwuchs-Forschungsgruppen haben und welche Konsequenz daraus für die ist erforderlich. Des Weiteren wird unter der menschliche Gesundheit folgt. Bezeichnung „Deutsche Studie für Gesundheit und Prävention“ eine nationale Kohorte mit Diesbezügliche Forschungsprojekte werden 200.000 gesunden Studienteilnehmern im Alter künftig in enger Abstimmung mit der For- zwischen 20 und 70 Jahren geplant. Dabei soll schungsförderung zur individualisierten Medi- der Gesundheitsstatus von Männern und Frau- zin ermöglicht. en aus verschiedenen Regionen Deutschlands über einen längeren Zeitraum verfolgt werden, Y rforschung des Nutzens E um Zusammenhänge zwischen Genen, Verhal- von Präventionsmaßnahmen ten, Ernährung, Bewegung und Umwelt bei der Entstehung von Krankheiten aufzudecken. Das BMBF fördert schon seit einigen Jahren Projekte zur Erforschung des Nutzens von Y rnährungsforschung E Maßnahmen der Primärprävention. Die bislang vorliegenden Forschungsergebnisse weisen Die nationale akademische Ernährungsfor- darauf hin, dass Präventionsmaßnahmen nur schung wird so aufgestellt, dass sie in stärkerem dann erfolgreich sein können, wenn sie auf die Maße als bisher Lösungen für die aktuellen jeweilige Zielgruppe (etwa Frauen, Männer, ernährungsbedingten Gesundheitsprobleme Eltern, Betriebsangehörige, Menschen mit entwickelt. Darüber hinaus können neue Migrationshintergrund) zugeschnitten und der wissenschaftliche Erkenntnisse im Ernährungs- jeweils optimale Zugangsweg (z. B. persönliche bereich zur Entwicklung innovativer, konsu- Ansprache durch den Hausarzt, Tageszeitung, mentenfreundlicher und gesundheitsfördern- Internet) genutzt wurde. Auch für alte Men- der Produkte und Dienstleistungen beitragen. schen sind gesundheitsfördernde Maßnahmen Forschung und Entwicklung in Wissenschaft von Vorteil, aber nur, wenn diese ihrem Alter und Wirtschaft werden durch Profilbildung entsprechend gestaltet sind, und nur, wenn die der Forschungsstandorte gestärkt und so ein Aufforderung dazu über einen adäquaten Zu- international kompetitives Niveau erreicht,
  • 34. 28 Die Vorsorgeherausforderung: Präventions- und Ernährungsforschung Synergieeffekte erzielt und Ressourcen effi- und die Weiterentwicklung des Human-Biomo- zienter eingesetzt. Die Innovationsfähigkeit nitorings. Gleichzeitig sollte die Forschung zu der deutschen Ernährungsindustrie und der Fein- und Ultrafeinstaub ( 100 Nanometer) vor- Nachwuchs werden gezielt unterstützt (capacity angetrieben werden. Gesundheitliche Fragestel- building). lungen zu synthetischen Nanomaterialien, die zunehmend in neuen Technologien eingesetzt Deutschland wird zudem aktiv an der gemein- werden, werden unter dem Dach des Aktions- samen Planung der Forschungsprogramme plans Nanotechnologie bearbeitet. in Europa (Joint Programming) im Bereich Gesundheit, Ernährung und Prävention ernäh- Y mpfstoffentwicklung I rungsbedingter Krankheiten mitwirken und so die Stärkung der deutschen Forschungsland- Um die Schwierigkeiten bei der Entwicklung schaft und deren Einbindung in den europäi- von Impfstoffen gegen HIV oder Tropen- schen Forschungsraum vorantreiben. krankheiten wie Malaria zu lösen, müssen die anwendungsorientierte Grundlagenforschung Y mweltbezogene Gesundheitsforschung U intensiviert und neue Verfahren zur Impf- stoffentwicklung erforscht werden. Gleichzei- Die umweltbezogene Gesundheitsforschung tig ist eine enge Zusammenarbeit zwischen vermeidet langfristig Krankheitskosten. Bislang Wissenschaft und Wirtschaft notwendig, um fehlt es an einer Bewertung der relativen in Deutschland nicht nur die grundlegenden Bedeutung verschiedener Umweltlasten für Erkenntnisse zu gewinnen, sondern auch die einzelne Krankheiten (Environmental Burden of darauf basierende Impfstoffentwicklung und Disease, EBD). Außerdem müssen Daten gene- wirtschaftliche Verwertung zu ermöglichen. riert werden, die rechtzeitig über die Belastung Deutschland steht zu seiner Mitverantwortung der Bevölkerung informieren (Frühwarnsystem), für Länder, die die Kosten für die Entwicklung und es muss ermittelt werden, ob umweltge- neuer Impfstoffe gegen Tropenkrankheiten richtete Maßnahmen Erfolg haben (Monito- allein nicht aufbringen können, und beteiligt ring). Geeignete Instrumente hierfür sind die sich deshalb auf europäischer Ebene an der Fortführung der Umweltsurveys, die Einbezie- Zusammenarbeit mit Afrika bei der klinischen hung von Geburtskohorten bei neuen Studien Entwicklung und Erprobung neuer Impfstoffe.
  • 35. Die Vorsorgeherausforderung: Präventions- und Ernährungsforschung 29
  • 36. 30 Die Systemherausforderung: Versorgungsforschung
  • 37. Die Systemherausforderung: Versorgungsforschung 31 Die Systemherausforderung: Versorgungsforschung Aktionsfeld 4 des Rahmenprogramms insbesondere im Versorgungsalltag unter Berück- Gesundheitsforschung sichtigung aller Bevölkerungsgruppen belegen lassen. Wegen der starken Abhängigkeit des Ge- Das Gesundheitssystem steht vor der Her- sundheitssystems von nationalen Gegebenheiten ausforderung, medizinische und organisa- und aufgrund der Komplexität des Versorgungs- torische Verbesserungen für alle Menschen geschehens lassen sich internationale Forschungs- ergebnisse jedoch nur begrenzt übertragen. Des- nutzbar zu machen und gleichzeitig die halb ist auch in Deutschland eine leistungsfähige Leistungen bezahlbar zu halten. Der An- Versorgungsforschung erforderlich. teil chronisch kranker und multimorbider Menschen wächst, während die finanziellen Versorgungsforschung wird hier verstan- den als die Wissenschaft, die die Kranken- und Ressourcen für die Deckung eines wach- Gesundheitsversorgung und ihre Rahmenbedin- senden medizinischen und pflegerischen gungen beschreibt und erklärt, unter Alltags- Bedarfs begrenzt sind. Zudem entsteht Aus- bedingungen evaluiert und davon ausgehend gabendynamik durch immer mehr und bes- Versorgungskonzepte entwickelt. Dies schließt unterschiedliche Disziplinen ein, wie z. B. die sere Behandlungsmöglichkeiten in vielen Rehabilitationswissenschaften, die Pflegefor- Bereichen der Versorgung, beispielsweise schung, Forschung zur allgemeinmedizinischen durch Innovationen in der diagnostischen Versorgung und Palliativmedizin sowie die Bildgebung, durch neue Arzneimittel oder Gesundheitsökonomie. Als Grundvoraussetzung für eine effiziente Versorgungsforschung muss durch neue Hightech-Lösungen in Strahlen- auch die Verfügbarkeit und Nutzbarkeit von therapie, Chirurgie oder Intensivmedizin. Versorgungsdaten verbessert werden. Die Versor- Weniger sichtbar, aber ebenso bedeut- gungsforschung dient im Gesundheitswesen zur sam wie der medizinische und technische Orientierung über Qualität, Therapiesicherheit, Nutzen und Nachhaltigkeit der Versorgung. Fortschritt sind die verbesserten Behand- lungsmöglichkeiten in der Psychotherapie Im Unterschied zu anderen Ländern fand und die Gesundheitsdienstleistungen wie in Deutschland eine systematische und wissen- z. B. Ergotherapie, Physiotherapie, Logopä- schaftliche Analyse des Versorgungsgesche- hens und der Patientensicherheit im Versor- die, pflegerische Therapien. Diese spielen gungsalltag sowie der sich daraus ergebenden für die Lebensqualität der Patienten eine Fragestellungen lange Zeit kaum statt. Die besondere Rolle, z. B. bei Herz-Kreislauf- Bundesregierung hat hier mit ihren bisherigen Erkrankungen, Diabetes, psychischen Er- Fördermaßnahmen (z. B. Public Health, Rehabi- litationswissenschaften, Versorgungsforschung krankungen, Demenzen und muskuloskelet- und Allgemeinmedizin) wesentliche Aufbauhilfe talen Erkrankungen. geleistet, sodass der Anschluss an die interna­ tionale Spitzenforschung punktuell gelungen In unserem solidarisch finanzierten Gesundheits- ist. Diese Initiativen werden oft in Partnerschaft system sind die finanziellen Ressourcen begrenzt, mit Kostenträgern im Gesundheitswesen durch- daher haben Kosten-Nutzen-Erwägungen in der geführt. Das ermöglicht einen größeren Praxis- Medizin in den letzten Jahren erheblich an Bedeu- bezug der Forschungsprojekte und eine raschere tung gewonnen. Eine entsprechende Bewertung Umsetzung der Ergebnisse in den Versorgungs- neuer, aber auch bereits etablierter Verfahren ist alltag. unerlässlich, damit durch das Gesundheitssystem nur sinnvolle und wirksame Maßnahmen erstattet werden. Dabei muss sich der Nutzen von Behand- lungen nicht nur in klinischen Studien, sondern
  • 38. 32 Die Systemherausforderung: Versorgungsforschung Die Förderung der Versorgungsforschung gung zu erbringen. So werden die Grundlagen für neue Lösungsstrategien zu Gestaltung, Ziel der Forschungsförderung der Bundesregie- Organisation und Finanzierbarkeit des Gesund- rung zur Versorgungsforschung ist es, wissen- heitswesens geschaffen. Dabei stehen in der schaftliche Evidenz für die Verbesserung von Versorgungsforschung in besonderem Maße Qualität und Sicherheit, des Nutzens und der Patientenorientierung und Patientensicherheit Nachhaltigkeit der gesundheitlichen Versor- im Mittelpunkt.
  • 39. Die Systemherausforderung: Versorgungsforschung 33 Y Studien in der Versorgungsforschung Forschungsmethoden erforderlich. Wissen- schaftliche Arbeitsgruppen, die hochwertige Jahrelange medizinische Versorgung ist bei gesundheitsökonomische Forschungsprojekte chronisch Kranken und bei älteren Patienten durchführen können, existieren bisher nur die Regel. Die Abgrenzung zwischen statio- an vergleichsweise wenigen Institutionen in närer und ambulanter Behandlung, zwischen Deutschland. Zudem präsentiert sich das For- akuter Versorgung, Rehabilitation und Pflege schungsfeld „Gesundheitsökonomie“ insgesamt sowie die traditionelle Abgrenzung zwischen sehr heterogen und ist in der nationalen wie ärztlicher und nichtärztlicher Behandlung internationalen Forschungslandschaft noch sind für einen koordinierten und kontinuier- nicht ausreichend sichtbar. Eine qualifizierte, lichen Behandlungsverlauf häufig hinderlich. interdisziplinäre und anerkannte gesundheits- Zur Überwindung der traditionellen Grenzen ökonomische Forschung ist in Deutschland nur zwischen diesen Versorgungssektoren werden dann zu erreichen, wenn Forschungsstrukturen bereits integrative Versorgungskonzepte umge- für diesen Fachbereich weiter auf- und ausge- setzt, beispielsweise der Aufbau medizinischer baut werden. Dies ist Voraussetzung dafür, dass Versorgungszentren, Verträge zur integrierten gesundheitsökonomische Fragen frühzeitig Versorgung, Disease-Management-Programme auch bei der Entwicklung neuer Therapien und Case Management. Gegenstand einer berücksichtigt werden. wissenschaftlich fundierten Evaluation können z. B. Prozessabläufe, Nachhaltigkeit oder Zusam- Y Förderung des wissenschaftlichen menspiel der einzelnen Akteure sein. Gefördert Nachwuchses werden mit einem thematisch offenen Ansatz Projekte aus einzelnen Bereichen z. B. der Versorgungsforschung und Gesundheitssys- Pflegeforschung, der palliativmedizinischen temforschung sind in Deutschland noch junge Forschung, der Rehabilitationsforschung und Disziplinen. Damit die Versorgungsforschung der Allgemeinmedizin, aber auch sektorüber- international sichtbar und konkurrenzfähig greifende Ansätze. wird und die wissenschaftliche Basis für ein zukunftsfähiges Gesundheitssystem legen kann, Nebenwirkungen von Arzneimitteltherapien wird eine systematische und attraktive Karriere- führen in relevantem Umfang zu vermeid­ arer b optionen aufzeigende Förderung des Nach- Morbidität und Mortalität. Dies ist in allen wuchses in der Versorgungsforschung erfolgen. Ländern belegt, aus denen hierzu Untersuchun- gen vorliegen. Ansätze zur Verbesserung der Y Förderung von Studienstrukturen Arzneimitteltherapiesicherheit gehören zum für die Versorgungsforschung Spektrum der Versorgungsforschung. Studien der Versorgungsforschung sind un- Y Zentren der gesundheitsökonomischen verzichtbarer Bestandteil der medizinischen Forschung und medizinsoziologischen Forschung. Die Durchführung von Studien der Versorgungsfor- Die Bedeutung der gesundheitsökonomischen schung erfordert hohe methodische Kompetenz Forschung hat in den vergangenen Jahren und Kooperation unterschiedlicher wissen- erheblich zugenommen. Der Bedarf an fun- schaftlicher Disziplinen sowie die Koopera- dierten wissenschaftlichen Erkenntnissen für tion von Wissenschaftlern mit Akteuren des die Steuerung und effiziente Gestaltung des Gesundheitswesens in der Breite des Versor- Gesundheitssystems auf der Makro-, Meso- und gungsalltags. Daher wird die Etablierung von Mikroebene wird immer dringlicher. Forschung Strukturen für die Koordination der Versor- kann hierfür konsistente Entscheidungsgrundla- gungsforschung und für eine Erschließung der gen schaffen. Forschungspotenziale des jeweiligen Standortes gefördert. Um ökonomische Zusammenhänge in der Gesundheitsversorgung zu analysieren, sind umfassende Fachkenntnisse und spezifische
  • 40. 34 Die Innovationsherausforderung: Gesundheitswirtschaft