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Positionspapier

VEREINFACHUNG DER MEHRWERTSTEUER


Die Komplexität des deutschen Steuersystems ist sprichwörtlich. Die Mehrwertsteuer bildet dabei kei-
ne Ausnahme: Weder Verbraucher noch Fachleute können die Systematik von normalen und ermäßig-
ten Steuersätzen nachvollziehen. Stets neue Ausnahmen und Branchensubventionen untergraben die
Loyalität und Steuerehrlichkeit der Bürger und verzerren die Wettbewerbsbedingungen der Unterneh-
men.

Eine Überarbeitung der Mehrwertsteuer – wie es die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag vom
Oktober 2009 verabredet haben – ist für Wachstum, Beschäftigung und langfristig stabile öffentliche
Finanzen alternativlos. Der Markenverband als Vertreter der deutschen Markenindustrie plädiert daher
für die Überarbeitung des Umsatzsteuerrechtes nach ordnungspolitischen Kriterien und warnt zugleich
vor einer Erhöhung der Belastung des Verbrauchers. Eingefügt in ein transparentes Gesamtbesteue-
rungskonzept muss sich die Mehrwertsteuer in erster Linie am Ziel der Nachvollziehbarkeit durch den
Verbraucher messen lassen.


Kriterien für eine maßvolle, tragfähige und nachvollziehbare Mehrwertsteuer

Die Wirtschafts- und Finanzpolitik darf den Bürger und Konsumenten nicht aus dem Blick verlieren und
muss ihm durch eine maßvolle Besteuerung Konsumspielräume und Wohlstandsperspektiven bieten.
Für eine zukunftsfeste Rahmenordnung bedarf es eines Abbaus der Subventionstatbestände, auch in
Form eines nachvollziehbaren Konzeptes zur Anwendung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes. Die-
ser sollte sich konsequent auf den Bereich der Daseinsvorsorge, d.h. auf Lebensmittel, den öffentlichen
Nahverkehr und kulturelle Leistungen beschränken. Hier muss ein qualitätsorientierter Konsum mög-
lich sein.

Die Überarbeitung der Mehrwertsteuer muss sich an folgenden Kriterien orientieren:
    •   Nachvollziehbarkeit für den Verbraucher: Die zweistufige Hierarchie von Ermäßigung und
        Vollbesteuerung muss klar und eindeutig gefasst sein. Der ermäßigte Satz sollte lediglich für
        Güter und Leistungen der Daseinsvorsorge gelten: Alle Lebensmittel, der öffentliche Nahver-
        kehr und kulturelle Leistungen sollten ermäßigt mit 7 % besteuert werden.
    •   Transparenz: Das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung muss der Verbraucher verglei-
        chen und beurteilen können. Nur eine transparente Umsatzbesteuerung stiftet Vertrauen in die
        Fairness des Steuersystems.
    •   Angemessene Höhe: Die Mehrwertsteuer hat eine sensible Wirkung auf Konsumneigung und
        Binnenkonjunktur. Im Sinne einer gleichmäßigen, dauerhaften Stützung der Konjunktur muss
        die Umsatzbesteuerung maßvoll sein.
•   Einbettung in Gesamtbesteuerungssystematik: Die Gestaltung der Mehrwertsteuer muss die
        Beschneidung der Konsumspielräume des Verbrauchers durch vielfältige Besteuerungsformen
        sowie evtl. gegenläufige Anreizwirkungen berücksichtigen.



Die Mehrwertsteuer heute: Aufkommen, Gestaltung und Wirkung

Die Bedeutung der Mehrwertsteuer für die Finanzierung der Öffentlichen Hand in Deutschland kann
kaum überschätzt werden. Ihr Aufkommen (ca. 180 Mrd. € 2009) trägt mit über 30 % einen überragen-
den Anteil an den staatlichen Einnahmen. Ihre Ergiebigkeit und Neutralität durch eine vergleichsweise
gleichmäßige Besteuerung der Bürger macht sie zu einem wichtigen Instrument der Finanzpolitik.

Seit dem Jahr 2007 beträgt der Normalsatz in Deutschland 19%, der ermäßigte Satz 7%. In der Praxis
wird darüber hinaus auch ein 0%-Satz (Steuerbefreiung) gewährt, etwa bei Post- und Finanzdienstleis-
tungen. Steuermäßigungen werden teilweise aus sozialpolitischen (z.B. für Nahrungsmittel) oder aus
wirtschaftspolitischen Erwägungen (etwa zur Exportförderung), in vielen Fällen jedoch für eine Bran-
chensubventionierung gewährt. Zu den derzeit ermäßigten Gütern und Dienstleistungen gehören unter
anderem landwirtschaftliche Erzeugnisse, Zeitungen und Zeitschriften, Kunstgegenstände und kultu-
relle Leistungen, orthopädische Hilfsmittel, Zahntechnikerleistungen, Services und Produkte gemein-
nütziger Einrichtungen, der Personennahverkehr, Seilbahnfahrten und Futtermittel.

Eine Struktur bei der Gewährung von Ausnahmen ist durch den Verbraucher nicht zu erkennen, denn
während etwa Taxifahrten, Opernbesuche, der Blumenstrauß oder die Hotelübernachtung ermäßigt
sind, müssen für Mineralwasser, Arzneimittel, Pampers oder das Frühstück im Hotel 19% Mehrwert-
steuer entrichtet werden. Der McDonald’s-Kaffee ist ermäßigt besteuert, sofern er aus dem Auto im
McDrive bestellt wird – an der Theke im Restaurant gilt der reguläre Steuersatz.

Intransparenz und scheinbare Willkürlichkeit untergraben die Loyalität und Steuerehrlichkeit der Bür-
ger und fördern die Schwarzarbeit. Steuerermäßigungen und -befreiungen werfen zudem Abgren-
zungsprobleme, Anreizverzerrungen und Missbrauchsmöglichkeiten auf. Sie erhöhen die Komplexität
und sind zur Erreichung von sozial-, umwelt- und kulturpolitischen Zeilen nur bedingt geeignet. Gleich-
wohl können differenzierte Besteuerungsregeln ein zulässiges und unter Umständen sinnvolles Steue-
rungsinstrument der Wirtschaftspolitik sein, das jedoch an steuersystematischen und ordnungspoliti-
schen Gesichtspunkten auszurichten ist.



Forderungen des Markenverbandes

Keine Erhöhung der Mehrwertsteuersätze
Der Markenverband warnt in aller Deutlichkeit vor einer erneuten Erhöhung der Mehrwertsteuersätze,
von der eine erhebliche Gefährdung der Konjunktur ausgehen würde. Die stärkste Erhöhung der Mehr-
wertsteuer in der Geschichte der Bundesrepublik liegt gerade drei Jahre zurück. Mit dem Anheben des
Normalsatzes von 16% auf 19% im Jahr 2007 gingen nach Schätzungen des Instituts der Deutschen
Wirtschaft etwa 470.000 Arbeitsplätze verloren. Nur der allgemeine Wachstumstrend im Boomjahr
2007 konnte die Verteuerung von Konsum- und Gebrauchsgütern sowie von Dienstleistungen einiger-
maßen auffangen und das Land vor einem Rückfall in die Rezession bewahren. Heute wäre diese Ge-


                                                                                                        2
fahr, insbesondere vor dem Hintergrund einer weiterhin unsicheren Konjunkturentwicklung auf den
Weltmärkten, um ein Vielfaches höher.

Eine Mehrwertsteuererhöhung würde die Preisstabilität gefährden und könnte die Stabilität des Euros
in Mitleidenschaft ziehen. Durch ansteigende Preise und zurückgehenden Konsum würden tausende
Arbeitsplätze in Gefahr gebracht. Schwarzarbeit und Schattenwirtschaft würde sich weiter ausbreiten
und die Staatseinnahmen durch fehlende Beiträge an die Sozial- und Rentenkassen zurückgehen.

Die Verteuerung von Produkten und Dienstleistungen beschränkt die Möglichkeiten des Verbrauchers
zu qualitätsorientiertem Konsum. Die von Markengütern und –dienstleistungen transportierte Qualität
und Kultur würde voraussichtlich zu Gunsten kurzlebiger Billigware zurückgedrängt werden. Damit
wären eine große Anzahl hochwertiger Arbeitsplätze in der Markenindustrie in Gefahr. Zudem würde
der Verteilungskampf zwischen Industrie und Handel um ohnehin geringe Gewinnspannen weiter ver-
schärft
werden. Die Marktmacht der Einzelhandelsketten würde befördert und damit die bestehende Produkt-
und Markenvielfalt in Deutschland zurückgehen.

Überarbeitung des Ausnahmekatalogs der Mehrwertsteuer
 Die Mehrwertsteuer muss anhand der Kriterien Nachvollziehbarkeit für den Verbraucher, Transparenz,
angemessene Höhe und Einbettung in Gesamtbesteuerungssystematik überarbeitet und vereinfacht wer-
den. Nur mit einer ordnungspolitisch klaren Gestaltung dieser gleichermaßen für die öffentlichen Kas-
sen wie für Wirtschaft und Verbraucher bedeutsamen Steuer lässt sich der Wachstumspfad des Landes
weiter verfolgen und eine feste Grundlage für zukünftigen Wohlstand und Beschäftigung legen. Dafür
ist vor allem der Blickwinkel des Bürgers als Steuerzahler und Konsument vielfältigster Produkte und
Dienstleistungen einzunehmen.




Berlin, 15. Oktober 2010

Ansprechpartner:
Dr. Dominik Klepper
Leiter Wirtschaftspolitik/Umwelt/Nachhaltigkeit
Tel.: 030/20 61 68 15
d.klepper@markenverband.de
Markenverband e.V.
Unter den Linden 42
10117 Berlin
http://www.markenverband.de




                                                                                                      3

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  • 1. Positionspapier VEREINFACHUNG DER MEHRWERTSTEUER Die Komplexität des deutschen Steuersystems ist sprichwörtlich. Die Mehrwertsteuer bildet dabei kei- ne Ausnahme: Weder Verbraucher noch Fachleute können die Systematik von normalen und ermäßig- ten Steuersätzen nachvollziehen. Stets neue Ausnahmen und Branchensubventionen untergraben die Loyalität und Steuerehrlichkeit der Bürger und verzerren die Wettbewerbsbedingungen der Unterneh- men. Eine Überarbeitung der Mehrwertsteuer – wie es die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag vom Oktober 2009 verabredet haben – ist für Wachstum, Beschäftigung und langfristig stabile öffentliche Finanzen alternativlos. Der Markenverband als Vertreter der deutschen Markenindustrie plädiert daher für die Überarbeitung des Umsatzsteuerrechtes nach ordnungspolitischen Kriterien und warnt zugleich vor einer Erhöhung der Belastung des Verbrauchers. Eingefügt in ein transparentes Gesamtbesteue- rungskonzept muss sich die Mehrwertsteuer in erster Linie am Ziel der Nachvollziehbarkeit durch den Verbraucher messen lassen. Kriterien für eine maßvolle, tragfähige und nachvollziehbare Mehrwertsteuer Die Wirtschafts- und Finanzpolitik darf den Bürger und Konsumenten nicht aus dem Blick verlieren und muss ihm durch eine maßvolle Besteuerung Konsumspielräume und Wohlstandsperspektiven bieten. Für eine zukunftsfeste Rahmenordnung bedarf es eines Abbaus der Subventionstatbestände, auch in Form eines nachvollziehbaren Konzeptes zur Anwendung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes. Die- ser sollte sich konsequent auf den Bereich der Daseinsvorsorge, d.h. auf Lebensmittel, den öffentlichen Nahverkehr und kulturelle Leistungen beschränken. Hier muss ein qualitätsorientierter Konsum mög- lich sein. Die Überarbeitung der Mehrwertsteuer muss sich an folgenden Kriterien orientieren: • Nachvollziehbarkeit für den Verbraucher: Die zweistufige Hierarchie von Ermäßigung und Vollbesteuerung muss klar und eindeutig gefasst sein. Der ermäßigte Satz sollte lediglich für Güter und Leistungen der Daseinsvorsorge gelten: Alle Lebensmittel, der öffentliche Nahver- kehr und kulturelle Leistungen sollten ermäßigt mit 7 % besteuert werden. • Transparenz: Das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung muss der Verbraucher verglei- chen und beurteilen können. Nur eine transparente Umsatzbesteuerung stiftet Vertrauen in die Fairness des Steuersystems. • Angemessene Höhe: Die Mehrwertsteuer hat eine sensible Wirkung auf Konsumneigung und Binnenkonjunktur. Im Sinne einer gleichmäßigen, dauerhaften Stützung der Konjunktur muss die Umsatzbesteuerung maßvoll sein.
  • 2. Einbettung in Gesamtbesteuerungssystematik: Die Gestaltung der Mehrwertsteuer muss die Beschneidung der Konsumspielräume des Verbrauchers durch vielfältige Besteuerungsformen sowie evtl. gegenläufige Anreizwirkungen berücksichtigen. Die Mehrwertsteuer heute: Aufkommen, Gestaltung und Wirkung Die Bedeutung der Mehrwertsteuer für die Finanzierung der Öffentlichen Hand in Deutschland kann kaum überschätzt werden. Ihr Aufkommen (ca. 180 Mrd. € 2009) trägt mit über 30 % einen überragen- den Anteil an den staatlichen Einnahmen. Ihre Ergiebigkeit und Neutralität durch eine vergleichsweise gleichmäßige Besteuerung der Bürger macht sie zu einem wichtigen Instrument der Finanzpolitik. Seit dem Jahr 2007 beträgt der Normalsatz in Deutschland 19%, der ermäßigte Satz 7%. In der Praxis wird darüber hinaus auch ein 0%-Satz (Steuerbefreiung) gewährt, etwa bei Post- und Finanzdienstleis- tungen. Steuermäßigungen werden teilweise aus sozialpolitischen (z.B. für Nahrungsmittel) oder aus wirtschaftspolitischen Erwägungen (etwa zur Exportförderung), in vielen Fällen jedoch für eine Bran- chensubventionierung gewährt. Zu den derzeit ermäßigten Gütern und Dienstleistungen gehören unter anderem landwirtschaftliche Erzeugnisse, Zeitungen und Zeitschriften, Kunstgegenstände und kultu- relle Leistungen, orthopädische Hilfsmittel, Zahntechnikerleistungen, Services und Produkte gemein- nütziger Einrichtungen, der Personennahverkehr, Seilbahnfahrten und Futtermittel. Eine Struktur bei der Gewährung von Ausnahmen ist durch den Verbraucher nicht zu erkennen, denn während etwa Taxifahrten, Opernbesuche, der Blumenstrauß oder die Hotelübernachtung ermäßigt sind, müssen für Mineralwasser, Arzneimittel, Pampers oder das Frühstück im Hotel 19% Mehrwert- steuer entrichtet werden. Der McDonald’s-Kaffee ist ermäßigt besteuert, sofern er aus dem Auto im McDrive bestellt wird – an der Theke im Restaurant gilt der reguläre Steuersatz. Intransparenz und scheinbare Willkürlichkeit untergraben die Loyalität und Steuerehrlichkeit der Bür- ger und fördern die Schwarzarbeit. Steuerermäßigungen und -befreiungen werfen zudem Abgren- zungsprobleme, Anreizverzerrungen und Missbrauchsmöglichkeiten auf. Sie erhöhen die Komplexität und sind zur Erreichung von sozial-, umwelt- und kulturpolitischen Zeilen nur bedingt geeignet. Gleich- wohl können differenzierte Besteuerungsregeln ein zulässiges und unter Umständen sinnvolles Steue- rungsinstrument der Wirtschaftspolitik sein, das jedoch an steuersystematischen und ordnungspoliti- schen Gesichtspunkten auszurichten ist. Forderungen des Markenverbandes Keine Erhöhung der Mehrwertsteuersätze Der Markenverband warnt in aller Deutlichkeit vor einer erneuten Erhöhung der Mehrwertsteuersätze, von der eine erhebliche Gefährdung der Konjunktur ausgehen würde. Die stärkste Erhöhung der Mehr- wertsteuer in der Geschichte der Bundesrepublik liegt gerade drei Jahre zurück. Mit dem Anheben des Normalsatzes von 16% auf 19% im Jahr 2007 gingen nach Schätzungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft etwa 470.000 Arbeitsplätze verloren. Nur der allgemeine Wachstumstrend im Boomjahr 2007 konnte die Verteuerung von Konsum- und Gebrauchsgütern sowie von Dienstleistungen einiger- maßen auffangen und das Land vor einem Rückfall in die Rezession bewahren. Heute wäre diese Ge- 2
  • 3. fahr, insbesondere vor dem Hintergrund einer weiterhin unsicheren Konjunkturentwicklung auf den Weltmärkten, um ein Vielfaches höher. Eine Mehrwertsteuererhöhung würde die Preisstabilität gefährden und könnte die Stabilität des Euros in Mitleidenschaft ziehen. Durch ansteigende Preise und zurückgehenden Konsum würden tausende Arbeitsplätze in Gefahr gebracht. Schwarzarbeit und Schattenwirtschaft würde sich weiter ausbreiten und die Staatseinnahmen durch fehlende Beiträge an die Sozial- und Rentenkassen zurückgehen. Die Verteuerung von Produkten und Dienstleistungen beschränkt die Möglichkeiten des Verbrauchers zu qualitätsorientiertem Konsum. Die von Markengütern und –dienstleistungen transportierte Qualität und Kultur würde voraussichtlich zu Gunsten kurzlebiger Billigware zurückgedrängt werden. Damit wären eine große Anzahl hochwertiger Arbeitsplätze in der Markenindustrie in Gefahr. Zudem würde der Verteilungskampf zwischen Industrie und Handel um ohnehin geringe Gewinnspannen weiter ver- schärft werden. Die Marktmacht der Einzelhandelsketten würde befördert und damit die bestehende Produkt- und Markenvielfalt in Deutschland zurückgehen. Überarbeitung des Ausnahmekatalogs der Mehrwertsteuer Die Mehrwertsteuer muss anhand der Kriterien Nachvollziehbarkeit für den Verbraucher, Transparenz, angemessene Höhe und Einbettung in Gesamtbesteuerungssystematik überarbeitet und vereinfacht wer- den. Nur mit einer ordnungspolitisch klaren Gestaltung dieser gleichermaßen für die öffentlichen Kas- sen wie für Wirtschaft und Verbraucher bedeutsamen Steuer lässt sich der Wachstumspfad des Landes weiter verfolgen und eine feste Grundlage für zukünftigen Wohlstand und Beschäftigung legen. Dafür ist vor allem der Blickwinkel des Bürgers als Steuerzahler und Konsument vielfältigster Produkte und Dienstleistungen einzunehmen. Berlin, 15. Oktober 2010 Ansprechpartner: Dr. Dominik Klepper Leiter Wirtschaftspolitik/Umwelt/Nachhaltigkeit Tel.: 030/20 61 68 15 d.klepper@markenverband.de Markenverband e.V. Unter den Linden 42 10117 Berlin http://www.markenverband.de 3