1. Die Losgelassenheit des Pferdes
„Ausbilden und reiten ohne Zwang“
Von Anne Schmatelka
Reiten und Ausbilden sind komplexe Systeme bei denen dass eine auf das andere
systematisch aufbaut. Jedes Pferd, ob Freizeitpartner oder Sportpferd, sollte eine
systematische Grundausbildung erfahren. Nur dadurch lernt ein Pferd fein auf die
Hilfen des Reiters reagieren. Dies wiederum bildet die Grundlage für harmonisches
Reiten.
Die Losgelassenheit steht am Anfang und am Ende. Sie ist die Basis für die
Durchlässigkeit und das Ergebnis aus ihr. Nur ein psychisch und physisch
entspanntes Pferd kann losgelassen gehen. Wer ehrliche Losgelassenheit beim
Reiten und im Umgang mit seinem Pferd erreichen kann, wird sein Pferd bis in ein
hohes Alter gesund erhalten und gemeinsam mit ihm Freude haben.
- Was ist „Losgelassenheit“ überhaupt und wozu brauche ich sie?
Grundlegendes zur systematischen und pferdefreundlichen Reitausbildung
- Die Losgelassenheit im Alltag
Hilfestellungen und Anleitungen für das tägliche Training mit Ihrem Pferd. Mit
Übungen für Pferd und Reiter!
- Förderer oder Störfaktor?
So schaffen Sie eine optimale Trainingsatmosphäre für Pferd und Reiter.
… ein Auszug
Ein Reiten und Ausbilden, wie
es die Skala der Ausbildung
vorsieht, ist heute in vielen
Fällen nicht mehr gegeben. Zu
sehr stehen die eigenen
reiterlichen Erfolge in direktem
Zusammenhang mit der
schnellen oft übereilten
Entwicklung eines Pferdes. Das
bedeutet, dass schon junge
Pferde meist
außergewöhnliche Leistungen
erbringen müssen. Ist das
richtig? Früher war die junge
Remonte vier bis fünf Jahre alt,
2. wenn man begann sie unter dem Reiter auszubilden. Die Pferde hatten die
Möglichkeit, sich durch eine vielseitige Ausbildung, die auch zu einem
großen Teil im Gelände stattfand, körperlich und mental zu stärken. Sie
waren »cool« und von jedermann zu handhaben. Wenn der Ausbilder das
Gefühl hatte, es ist Zeit mit ersten Dressurlektionen zu beginnen, dann
wurde dies mit aller Ruhe getan. Diese Grundausbildung konnte je nach
Pferd und Veranlagung, Leistungs- und Lernbereitschaft ein bis zwei Jahre
dauern. Man hatte Zeit.
Heute entscheidet der Sponsor, der Kunde, der Reitschüler, der
wirtschaftliche Druck oder die Eitelkeit des Einzelnen, wie viel Zeit ein
Pferd hat, um Lektionen zu erlernen, hohe Hindernisse zu überwinden oder
auch schwere Geländestrecken zu absol-vieren. Kaum ein Reiter oder
Ausbilder kann es sich leisten, einen solchen Ausbil-dungsweg abzulehnen.
Zu sehr hängen davon das eigene wirtschaftliche und soziale Wohlergehen
ab.
Wenn man sich aktuelle Diskussionen in Öffentlichkeit und Fachkreisen
näher be-trachtet, fallen einem gleich mehrere Dinge gleichzeitig auf:
Jahrhunderte alte und immer für richtig befundene und medizinisch
nachweisbare Erkenntnisse werden auf einmal in Frage gestellt oder gar
als veraltet deklariert. Schon vor Jahrhunderten wurden Methoden wie
Rollkur oder LDR (low deep round) abgelehnt, da nachweisbar ist, dass ihr
Einsatz immer zu dauerhaften Schädigungen beim Pferd führt. Sie wurden
zur damaligen Zeit jedoch nicht unter diesen Begriffen abgehandelt. Heute
hat sich eine neue Reitweise etabliert, bei der dieses Vorgehen zwar auf
der einen Seite als tierschutzrechtlich relevant erkannt wird, aber über die
Methode LDR gleich wieder salonfähig gemacht wird. Rausreden kann man
sich (leider) immer!
Auch ist es bekannt, das Reitweisen, die in absoluter Aufrichtung – also
von Hand herbeigeführt – enden, für das Pferd langfristig mit massiven
gesundheitlichen Pro-blemen verbunden sind. Trotzdem werden sie heute
wieder von vielen Menschen an-gewandt und mit aller Überzeugung
vertreten.
Man weiß seit Jahrhunderten, dass junge Pferde viel Zeit brauchen, um
sich richtig zu entwickeln und zu stabilisieren. Trotzdem gibt es immer
mehr Prüfungen für junge
Pferde, bei denen schon
Übungen, Leistungen und
Lektionen gefordert
werden, die die Remonte
bei genauer Betrachtung
körperlich und mental
nicht leisten kann. Wenn
dann einige wenige
Ausnahmepferde diese
Belastungen überstehen,
werden sie zur Regel
gemacht …