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Wandel im wissenschaftlichen Publikationswesen
1. Wandel im wissenschaftlichen Publikationswesen
– Open-Access vers. Wissenschaftsverlag!
Vortrag bei der Konferenz “Wissens- und Technologietransfer zwischen Wissenschaft,
Wirtschaft, und Gesellschaft“ am Leibnitz-Institut für Nutztierbiologie am 28.4.2010
von Dr. Till Kreutzer
Büro für informationsrechtliche Expertise (www.ie-online.de)
http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/de/
2. AGENDA
1 Rechtsgrundlagen: Immaterialgüterrechte an wissenschaftlichen Publikationen
2 Grundlagen und Defizite des traditionellen wissenschaftlichen Publikationswesens
3 Der Trend: Open-Access bei wissenschaftlichen Publikationen
4 Vorteile und Herausforderungen bei Open-Access- und Open-Content-Publikationen
Dr. Till Kreutzer Seite 2
3. Schutz von wissenschaftlichen
Inhalten durch Immaterialgüterrechte
! An wissenschaftlichen Publikationen (Papers, Artikel, Grafiken,
sonstige Visualisierungen) bestehen in der Regel Urheberrechte.
! Geschützt ist das Werk als geistige Schöpfung = konkrete
Ausdrucksform (z. B. Text, Musikstück, Grafik)
! Kein Schutz für: Forschungsergebnisse an sich, Methoden, Stil,
Naturgesetze, Formeln, Know-How, überhaupt Inhalte und Ideen
! Schutz von Ideen und Know-How allenfalls durch Patentrecht (hat
andere Ziele, andere Voraussetzungen, anderen Schutzgegenstand)
Till Kreutzer Seite 3
5. Urheberrechte von Wissenschaftlern
! Arbeitnehmer, die bezahlt werden, um urheberrechtlich geschützte
Werke zu schaffen, verlieren ihre Nutzungrechte meist an die
Arbeitgeber.
! Anders bei Wissenschaftlern: Wegen der Freiheit von Wissenschaft
und Forschung (Art. 5 III GG) gilt hier das Hochschullehrerprivileg
! Folge: Publikationsfreiheit (ob, unter welchen Konditionen und wo)
gegenüber den Anstellungskörperschaften/Dienstherren, d.h. keine
Rechte, keine Entscheidungsbefugnis der Institutionen
Till Kreutzer Seite 5
6. AGENDA
1 Rechtsgrundlagen: Immaterialgüterrechte an wissenschaftlichen Publikationen
2 Grundlagen und Defizite des traditionellen wissenschaftlichen Publikationswesens
3 Der Trend: Open-Access bei wissenschaftlichen Publikationen
4 Vorteile und Herausforderungen bei Open-Access- und Open-Content-Publikationen
Dr. Till Kreutzer Seite 6
7. Das traditionelle wissenschaftliche
Publikationswesen
! Urheber (Wissenschaftler, Assistenten, Dozenten etc.) übertragen ihre
Nutzungsrechte auf Verlage
! Bedingungen für Verlagsverträge (Umfang, Konditionen, Kosten,
Vergütung, Dauer usw.) diktieren die Verlage
! Meist sehr weit reichende Rechteübertragungen: Exklusiv, zeitlich und
räumlich unbeschränkt, für alle Nutzungsarten – Ergebnis: „buy-out“,
Autorin behält keine eigene Rechtsposition, erhält meist keine oder
nur geringe Vergütung (v. a. bei Periodika)
! Heutige Situation: Zeitschriftenkrise – Massiver Anstieg der Kosten für
wiss. Periodika bei gleichbleibenden Bibliotheksetats führt zu
Unterversorgung mit Fachliteratur
Dr. Till Kreutzer Seite 7
8. Hintergrund: Das volkswirtschaftliche
Paradoxon des wiss. Publikationswesens
! Staat finanziert mit Steuergeldern Forschung und Erzeugung von wiss.
Werken durch Wissenschaftler (= Urheber)
! Staat finanziert mit Steuergeldern Aufbereitung der Inhalte für
Publikation, Lektorat usw. (machen Urheber selbst)
! Staat finanziert mit Steuergeldern Peer-Review-Prozesse (machen
staatlich angestellte Wissenschaftler kostenlos)
! Urheber verschenken ihre Werke an Verlage und schließen sich selbst
und den Staat von Verwertung aus („total-buy-out“)
! Staat bzw. Autoren kaufen Inhalte mit Steuergeldern zurück (meist
durch Bibliotheken), Verlage diktieren die Preise – Folge
„Zeitschriftenkrise“
Dr. Till Kreutzer Seite 8
9. Wie sieht das aus?
Quelle: Forschungszentrum Jülich
Dr. Till Kreutzer Seite 9
10. AGENDA
1 Rechtsgrundlagen: Immaterialgüterrechte an wissenschaftlichen Publikationen
2 Grundlagen und Defizite des traditionellen wissenschaftlichen Publikationswesens
3 Der Trend: Open-Access bei wissenschaftlichen Publikationen
4 Vorteile und Herausforderungen bei Open-Access- und Open-Content-Publikationen
Dr. Till Kreutzer Seite 10
11. Der Trend: Open-Access bei
wissenschaftlichen Publikationen
! Seit einigen Jahren lehnen sich Wissenschaftler und Institutionen
gegen das traditionelle wiss. Publikationswesen auf
! Berliner Erklärung zum Open-Access (2003): Alle großen
deutschen (und in anderen Erklärungen auch ausländische)
Forschungseinrichtungen sprechen sich für weitergehende
Open-Access-Strategien aus
! Open-Access (OA) = Verwertung geschützten wissenschaftlichen
Materials unter Umgehung der Verlagswirtschaft über das Internet
! Publikationsmittel: Primär- und oder Sekundärquellen, z. B.
staatlich geförderte Repositorien, OA-Journals usw.
Dr. Till Kreutzer Seite 11
12. Einsatz von Open-Content-Lizenzen
für wissenschaftliche Publikationen
! Ideal für weit reichendes OA: Veröffentlichung als Open Content
(z. B. unter CC, DiPP-Lizenz etc.) – Bestandteil der OA-Definition
der Berliner Erklärung (Nr. 1)
! Open Content basiert auf den Open-Source-Prinzipien: Autor
erteilt weit reichende, nicht-exklusive Nutzungsrechte an jeden
Interessenten
! Nutzer (= jeder!) erhalten uneingeschränkte Rechte zur
Vervielfältigung, Verbreitung und öffentlichen Wiedergabe (z.
B. online stellen), teilweise Bearbeitung und auch kommerzielle
Nutzung (je nach Lizenz)
! Rechte werden lizenzgebührenfrei eingeräumt ! nicht-
kommerziell
Dr. Till Kreutzer Seite 12
13. Einsatz von Open-Content-Lizenzen
für wissenschaftliche Publikationen
! Open Content ! freie Werke. Urheberrecht besteht fort, darauf
kann ohnehin nicht verzichtet werden.
! Ohne Urheberrecht können Open-Content-Lizenzen nicht
funktionieren!
! Kein Widerspruch zwischen Urheberrecht und Open Content!
! Unterschied nur in der Handhabung des Urheberrechts: Statt „all
rights reserved“, „some rights reserved“
Dr. Till Kreutzer Seite 13
14. Einsatz von Open-Content-Lizenzen
für wissenschaftliche Publikationen
! Lizenzen sind Verträge und rechtlich wirksam
! Lizenzerwerb und Vertragsschluss automatisch durch Vornahme
lizenzpflichtiger Nutzungen
! Bei Lizenzverletzung automatischer Rechteverlust. Folge:
Nutzer = Urheberrechtsverletzer und kann rechtlich (wegen
Urheberrechtsverletzung) belangt werden
Dr. Till Kreutzer Seite 14
15. AGENDA
1 Rechtsgrundlagen: Immaterialgüterrechte an wissenschaftlichen Publikationen
2 Grundlagen und Defizite des traditionellen wissenschaftlichen Publikationswesens
3 Der Trend: Open-Access bei wissenschaftlichen Publikationen
4 Vorteile und Herausforderungen bei Open-Access- und Open-Content-Publikationen
Dr. Till Kreutzer Seite 15
16. Vorteile von Open Content
Publikationen für die Nutzer
! Erhalten Zugriff auf Inhalte, Materialien, die sonst kostenpflichtig
und/oder nicht verfügbar wären („Zeitschriftenkrise“)
! Open Content Lizenz eröffnet wesentlich weiter gehende
Nutzungsfreiheiten als Urheberrecht
! Schwierigkeiten bei der Nutzung (z. B. zu wissenschaftlichen oder
Lehrzwecken) wesentlich geringer, Fragen weniger komplex als bei
urheberrechtlichen Schrankenbestimmungen
! Kein individueller Lizenzerwerb nötig: Rechte werden bei Nutzung
automatisch eingeräumt
! Auch Wissenschaftler sind Nutzer!
Till Kreutzer Seite 16
17. Herausforderungen für/
Anforderungen an die Nutzer
! Rechte und Pflichten aus der Lizenz müssen eingehalten werden
! Auslegung von Begriffen wie „nicht-kommerziell“, „keine Bearbeitung“,
Copyleft/Share-Alike mitunter schwierig (aber weniger komplex als
Urheberrecht)
Till Kreutzer Seite 17
18. Vorteile von Open Content
Publikationen für Autoren
! Freie und weite Verbreitung erleichtert
! Große Vorteile v. a. für Inhalte, an denen kommerzielle Interessen
nachrangig und Reputationsgewinn, Rezeption und Verbreitung
vorrangig – insbesondere also bei wiss. Publikationen
! Löst langfristig das volkswirtschaftliche Paradoxon und
Zeitschriftenkrise
Till Kreutzer Seite 18
19. Herausforderungen für Autoren und
Institutionen
! Grundlegende Veränderungen im wissenschaftlichen
Publikationswesen erforderlich
! OA-Publikationen in Bezug auf Reputation, pers. Eitelkeit und
Evaluationen noch immer zweitrangig
! Probleme mit „hybriden Veröffentlichungen“: OA geht neben
Verlagspublikationen nur bei eingeschränkter Rechtsübertragung an
Verlag – viele Verlage lassen sich darauf nicht ein
! Hinweis: Bei OA geht es nicht um Einschränkungen der
Publikationsfreiheit! Grundsätzlich wird (und kann wg. der
Wissenschaftsfreiheit auch nicht) niemand gezwungen, sich für OA zu
entscheiden!
Till Kreutzer Seite 19
20. Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Dr. Till Kreutzer Seite 20