SlideShare une entreprise Scribd logo
1  sur  38
Télécharger pour lire hors ligne
PDF-Version des Online-Dossiers
„Alles, nur nicht klassisch – Karrierewege von OJ-Absolventen“
Bachelorarbeit 2013
von Mirca Waldhecker
Studiengang Online-Journalismus
Betreuer: Prof. Dr. Thomas Pleil
2
Einführung
Was studierst du denn? – Online-Journalismus. – Aha, und was macht man da anders
als beim normalen Journalismus? – Aaalso…
Dieses Gespräch habe ich in den letzten drei Jahren oft geführt. Kaum jemand kann sich
etwas Konkretes unter Online-Journalismus vorstellen. Verwirrung herrscht auch, was die
späteren Arbeitsplätze von Absolventen des Studiengangs Online-Journalismus angeht.
Deshalb habe ich beschlossen, mit meiner Bachelorarbeit Licht ins Dunkel zu bringen.
Bis zum Sommersemester 2013 haben 354 Absolventen den Studiengang Online-
Journalismus abgeschlossen. In diesem Multimedia-Dossier lernen Sie acht dieser
Absolventen kennen. Ich habe sie an ihren Arbeitsplätzen besucht und zu ihrem Berufsleben
ausgefragt. Alle haben nach dem Studium ganz unterschiedliche Richtungen eingeschlagen.
Kersten Riechers etwa hat zusammen mit Kommilitonen eine Agentur gegründet, Julia
Schmid hat sich als Videojournalistin selbstständig gemacht, und Rafael Bujotzek arbeitet als
Redakteur und Reporter für das ZDF. Keiner von ihnen hat den ehemals klassischen Weg
beschritten, der viele Jahre so aussah: Studium, Volontariat, Redakteursstelle.
3
Außerdem habe ich den Leiter des Studiengangs, Professor Dr. Lorenz
Lorenz-Meyer, zur Entwicklung des Studiengangs und zu den
Berufschancen der Absolventen befragt. Er ist überzeugt: „Wenn man
hier eine gute Ausbildung hinlegt, sich wirklich reinhängt, sich
engagiert und die Chancen wahrnimmt, die wir Ihnen anbieten, ist es
fast ausgeschlossen, dann irgendwo als Hartz IV-Empfänger zu enden,
denn was wir hier ausbilden, ist genau das Segment, das weiterhin in
großem Maßstab nachgefragt wird.“
Ich wünsche viel Spaß beim Lesen – und freue mich über Feedback!
Mirca Waldhecker
Mai 2013
Zur Autorin
Mirca Waldhecker schließt mit diesem Dossier ihr Journalismus-Studium an
der Hochschule Darmstadt ab. Davor hat sie bei der Allgemeinen Zeitung
Mainz volontiert und eine Ausbildung zur Mediengestalterin für Digital-
und Printmedien bei der Axel Springer AG gemacht. Während des Studiums
hat sie unter anderem für das Internetportal T-Online, die Zeitschrift
Brigitte, den NDR Lübeck und das Darmstädter Echo gearbeitet. Privat
bloggt sie unter www.wichtigwitzigwunderlich.wordpress.com.
4
Interview
„Wenn man hier eine gute Ausbildung hinlegt, sich wirklich reinhängt, sich engagiert und
die Chancen wahrnimmt, die wir Ihnen anbieten, ist es fast ausgeschlossen, dann
irgendwo als Hartz IV-Empfänger zu enden, denn was wir hier ausbilden, ist genau das
Segment, das weiterhin in großem Maßstab nachgefragt wird.“
Prof. Dr. Lorenz Lorenz-Meyer | Foto: Tobias Krebs
Ein Interview mit Prof. Dr. Lorenz Lorenz-Meyer, Leiter des Studiengangs Online-
Journalismus, zur Entwicklung des Studiengangs und des Mediencampus Dieburg sowie
den Berufschancen der Absolventen.
Mirca Waldhecker: Herr Lorenz-Meyer, den Studiengang Online-Journalismus gibt es
seit 2001, seit 2004 sind Sie als Professor dabei, seit Ende 2012 sind Sie der Leiter des
Studiengangs. Sind Sie zufrieden damit, wie sich der Studiengang entwickelt hat?
Prof. Dr. Lorenz Lorenz-Meyer: Ja, unbedingt. Ich glaube, dass es uns gelungen ist, aus einem
Nischenprodukt einen wichtigen Player zu machen. Als wir angefangen haben, waren wir
mehr oder weniger die Einzigen, die Online-Journalismus als Studiengang angeboten haben.
Etwas später kam der Studiengang Online-Redakteur in Köln hinzu, aber ansonsten gab es
keine Ausbildungsgänge, die speziell auf das Internet als Plattform fokussiert haben. Insofern
waren wir schon was Besonderes. Allerdings waren wir auch in vielerlei Hinsicht sehr
unerfahren. Der Studiengang griff zwar aktuelle Entwicklungen auf, aber man hatte noch
nicht ganz die richtigen Lehrbeauftragten beisammen, das Curriculum stimmte noch nicht
hundertprozentig. Was man jetzt beobachten kann, ist, dass die Sachen sich von Jahrgang zu
Jahrgang zurechtgeruckelt haben und besser geworden sind. Und dadurch, dass dann auch die
ersten Absolventen rausgegangen sind und die Branche mitgekriegt hat: „Oh, da kommen
Leute, die kennen und können Sachen, die andere nicht können“, haben wir mit der Zeit auch
noch stärker motivierte Bewerber bekommen. Das heißt, dass auf ganz vielen Ebenen
5
Verbesserungsprozesse stattgefunden haben. Ich glaube auch, dass es uns durch die
Verzahnung mit der Praxis in den Semesterprojekten und durch die berufspraktische Phase,
diese ständige Interaktion zwischen den Studierenden und dem tatsächlichen Arbeitsmarkt,
gelungen ist, dass die Organisation als Ganze gelernt hat. Das ist das, worauf ich wirklich
stolz bin, dass wir diese Chance nicht an uns haben vorbeiziehen lassen, sondern in dem Maß,
das für uns möglich war, tatsächlich wahrgenommen haben.
Der Studiengang hat auch davon profitiert, dass Professoren und Lehrbeauftragte aus
der Praxis kommen. Sie waren vorher beim Spiegel, Professor Peter Schumacher bei der
F.A.Z., wen gibt es da noch?
Friederike Herrmann war beim Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatt (Anmerkung:
Friederike Herrmann ist zum Wintersemester an die Katholische Universität Eichstätt-
Ingolstadt gewechselt), Annette Leßmöllmann bei Spektrum – die Ausschreibungen bei
Fachhochschulprofessoren sehen ja regulär vor, dass man Berufspraxis außerhalb der
Hochschule vorzuweisen hat. Dieser Teil des Erfolgs hängt also auch am Konzept
Fachhochschule, dass die Praktiker in der Lehre eine größere Rolle spielen. Auf der anderen
Seite muss man dann darauf achten, dass die Wissenschaft und die Forschung nicht zu kurz
kommen. Aber auch da sind inzwischen mit der Gründung des Instituts für Kommunikation
und Medien und verschiedenen Forschungsprojekten Spielräume entstanden, die es in den
ersten vier, fünf Jahren so noch nicht gegeben hat. Und nochmal zur Frage Stolz, ich glaube,
dass wir inzwischen eine bundesweite Reputation haben. Man kennt uns und man sieht, hier
werden Inhalte gelehrt, die relevant und aktuell sind, und es kommen Leute dabei raus, die
man sehr breit einsetzen kann – von der alltäglichen Redaktions- und Kommunikationsarbeit
bis hin zur Konzeption und Entwicklung.
Welches waren denn die ersten Kooperationen oder Praxisprojekte?
Es gab schon sehr früh ein Projekt mit GEO, darauf waren die am Anfang auch sehr stolz. Es
gab ein Projekt mit dem Landkreis Darmstadt-Dieburg und es gab relativ früh Projekte mit
der lokalen Industrie wie zum Beispiel Merck. Mein zweites Semesterprojekt im Winter 2004
war ein Dossier für das Blog www.onlinejournalismus.de. Da ging es um den Einsatz von
Blogs im Journalismus und Social Media, die zu der Zeit noch ein bisschen anders aussahen.
Twitter gab es damals noch nicht, und Facebook war gerade erst gegründet worden,
stattdessen ging es um Wikis und Blogs. Das war unser erstes journalismustheoretisches
Projekt, wo die Studenten versucht haben, Guidelines darüber zu schreiben, wie Redaktionen
Social Media einsetzen können.
Diese Projekte, in denen die Studierenden vieles selbst entwickeln, machen offenbar
auch sehr selbstständig, wenn man sich anschaut, wie viele Studierende nach dem
Abschluss eigene Projekte starten oder sogar Unternehmen gründen.
Ja, ich habe beobachtet, dass diejenigen nach dem Abschluss des Studiums bei der Job-Suche
am erfolgreichsten sind, die schon während des Studiums eigene Projekte vorangetrieben
haben. Da spielen auch Blogs eine große Rolle. Seit wir die Studenten sehr früh dazu
bringen, eigene Blogs einzurichten, finden viele schon während des Studiums eine Plattform,
wo sie sich ausprobieren können, wo sie Themenpflege, Themenfindung, Recherche und
Schreiben auf eine Weise praktizieren, dass ihnen diese Erfahrungen nachher in der
Bewerbungssituation tatsächlich helfen.
6
Wie kam es denn überhaupt zur Gründung des Studiengangs?
Der Studiengang ist in einem Fachbereich gegründet worden, der damals noch Sozial- und
Kulturwissenschaften (SuK) hieß. Und dieser Fachbereich hat eine Art „Studium Generale“
für die Ingenieure angeboten…
Die Ingenieure?
Ja, man war der Meinung – und das galt für alle hessischen Fachhochschulen – dass diese
ganzen technischen Berufe auch etwas von Politik, Gesellschaft und Kultur verstehen sollten.
Deshalb hat man die Studenten dazu verdonnert, Seminare aus den sozial- und
kulturwissenschaftlichen Fachbereichen zu besuchen, wo es dann um politische,
gesellschaftliche oder ethische Themen ging. Dieses sogenannte „Begleitstudium“ ist im
Laufe der Zeit zunehmend unter Druck geraten, an anderen Hochschulen wurde es sogar
abgewickelt. Der Fachbereich an der Hochschule Darmstadt musste ebenfalls seine Existenz
rechtfertigen, und es wurden die zwei Studiengänge Informationsrecht und Online-
Journalismus gegründet mit dem Ehrgeiz, Zukunftsthemen zu besetzen und sich schick und
fancy und sexy zu präsentieren. Tatsächlich hat das Präsidium dann den Studiengang Online-
Journalismus dem Fachbereich SuK weggenommen und in den Fachbereich Media verpflanzt.
So sind wir hier in dieser etwas anderen und wahrscheinlich insgesamt auch passenderen
Umgebung gelandet.
Es muss doch unheimlich spannend und schön sein, als Professor in einem Fachbereich
und Studiengang zu arbeiten, der sich permanent so stark entwickelt. Das ist doch eine
wahnsinnige Herausforderung, oder?
Ja, das macht schon Spaß, aber auf der anderen Seite stehen dem gelegentlich auch
Widerstände entgegen. Da gibt es diese Schwerpunktskulturen, also diese kleinen Netzwerke,
die sich ziemlich abschotten und gerne unter sich bleiben. Das muss man überwinden.
Friederike Herrmann hat das in ihrer Zeit als Studiengangsleiterin sehr gut gemacht, die hat
ziemlich viel aufgebohrt an solchen versteckten Mauern zwischen den Fachgebieten und
Studienschwerpunkten. Das aktuelle Dekanat arbeitet ebenfalls intensiv an einer Integration.
Und wir setzen das mit Projekten wie Zeitraum TV fort.
Gibt es denn sonst schon konkrete Pläne für die Zukunft des Studiengangs?
Wir führen im Moment sehr konkrete Gespräche, was damit zu tun hat, dass der Bachelor-
Studiengang Online-Journalismus reakkreditiert werden muss. Die Reakkreditierung ist eine
Art Sollbruchstelle, an der man Dinge neu aufsetzen kann. Wir überlegen derzeit,
Wissenschaftsjournalismus und Online-Journalismus unter ein Dach zu bringen, also einen
Bachelor-Studiengang Journalismus anzubieten, in dem man verschiedene
Vertiefungsschwerpunkten wählen kann.
Also PR, Wissenschaft und Online?
Nein, der bisherige PR-Schwerpunkt wird im Zuge des Hochschulpakts 2020 zusammen mit
dem Schwerpunkt Online-Marketing aus der Informationswissenschaft ein eigener
Studiengang werden. Der wird Online-Kommunikation heißen und wird dann auch etwas
größer als der jetzige PR-Schwerpunkt. Damit hat dann Professor Thomas Pleil die
Möglichkeit, seine Projekte mehr auf eigene Füße zu stellen.
7
Kann man schon sagen, wann das passieren wird?
Der neue Studiengang geht im Jahr 2014 an den Start.
Das heißt, Sie werden noch ein paar Jahre weiter Personal suchen?
Ja, wir sind ununterbrochen dabei. Derzeit haben wir drei Berufungskommissionen für die
Professuren im Bereich Online-Kommunikation aufgesetzt.
Und wie genau soll sich der Studiengang Online-Journalismus in Zukunft entwickeln?
Wenn wir die PR mal ausklammern ist es so, dass wir am Mediencampus eine Form von
Journalismus ausbilden, die universeller ist als reiner Online-Journalismus. Die Online-
Kompetenz gehört zum Journalismus-Beruf überhaupt dazu, ob es nun um
Fernsehjournalisten geht oder um Printjournalisten oder was auch immer. Unsere Absolventen
müssen nicht zwangsläufig in einer Online-Redaktion arbeiten. Insofern haben wir hier so
eine Gesamtidee von Journalismus, die diese verschiedenen Ausspielplattformen und –kanäle
umfasst und in einer Art crossmedialem Gesamtgefüge sieht. Das wollen wir perspektivisch
noch mehr herausstellen, indem wir – also das ist jetzt noch nicht in trockenen Tüchern, aber
da gehen wir hin – indem wir sagen, es gibt einen Studiengang Journalismus, und dann gibt es
eine Vertiefungsrichtung Wissenschaftsjournalismus, eine Vertiefungsrichtung Social
Media/Online und vielleicht noch weitere. Ich kann mir zum Beispiel vorstellen, dass man
den Wissenschaftsjournalismus weiterentwickelt in Richtung Datenjournalismus, Umgang mit
großen Datenmengen, Visualisierung, was im Moment auch sehr gefragt ist.
Wenn man sich die Absolventen bisher ansieht, kann man schon sehen, dass es nach
diesem Studium sehr vielfältige Arbeitsmöglichkeiten gibt. Welche Studenten haben Sie
denn mit ihren späteren Jobs überrascht?
Es überrascht mich nicht, wenn jemand eine gute Stelle findet. Interessant ist, dass relativ
viele Leute aus dem dritten Jahrgang im Video-Bereich gelandet sind, die haben da so ein
Interesse mitgebracht. Viele Absolventen von uns arbeiten heute auch bei T-Online oder beim
Hessischen Rundfunk. Wir haben Leute bei der F.A.Z., wie Florian Siebeck, dann Leute wie
Daniel Rehn im PR-Bereich bei „achtung!“ oder Jan Söfjer, der sich als freier Journalist
profiliert hat, und Volker Bonacker, der als Spiele-Journalist sehr erfolgreich bei T-Online
gearbeitet hat… ich tue da sicher ganz vielen Unrecht, die ich jetzt vergesse, es sind wirklich
viele, die in interessanten Bereichen gelandet sind.
Sind Sie denn zufrieden mit der Resonanz der Medien-Branche auf die Absolventen?
Ja, wir hören sehr viel Positives. Wir sind noch nicht am Ziel, haben jetzt noch nicht den Ruf,
den eine Henri-Nannen-Schule hat. Aber das ist auch eine ganz andere Art von Ausbildung,
weil wir als offener Studiengang im Gegensatz zur Henri-Nannen-Schule nicht sagen, wir
nehmen nur die Leute, die unsere 137 Quizfragen mit 1A beantworten, sondern es kommen
Leute mit sehr unterschiedlichen Vorstellungen und auch sehr unterschiedlichen
Motivationslagen hier an, die teilweise auch noch nicht genau wissen, wo sie hin wollen. Das
alles mal vorausgesetzt, finde ich, wir machen einen sehr guten Job, und die Branche – gerade
die, die uns kennen – reagiert sehr positiv, und damit können wir sehr zufrieden sein.
8
Das ist ja was sehr Schönes an diesem Studiengang, dass es hier gewisse Grundkurse
gibt, aber man von da aus viele Möglichkeiten hat, sich durch Zusatz-Kurse und
Projekte seine Richtung zu suchen.
Wir waren eigentlich immer ein bisschen unzufrieden damit, dass wir zu wenig
Wahlpflichtveranstaltungen anbieten können, dass die Slots für die Electives nicht so groß
sind. Aber wie Sie gerade gesagt haben, ich glaube, die größte Wahlfreiheit besteht
tatsächlich in den Projekten. Da haben die Leute sehr viele Möglichkeiten, sich ihren
Interessen entsprechend zu engagieren, von der Technik über das Projektmanagement bis hin
zum eigentlichen Schreiben. Was auch immer mehr dazukommt, was ich ganz toll finde, ist
das Interesse für die fotografische Seite, für den Fotojournalismus. Es gibt viele Leute hier im
Studiengang, die gerne fotografieren, und die in den Projekten zunehmend fotografische
Kompetenz als journalistische Kompetenz mit einbringen. Wir kriegen in den Projekten
immer bessere Bilder, und die Leute gehen immer selbstbewusster an diese Aufgabe ran.
Warum sollten die Leute außerdem noch zum Mediencampus kommen?
Zunächst ist der Mediencampus mal ein Möglichkeitsraum mit vielen Vorteilen: Platz, Ruhe
und hervorragender Ausstattung. Er hat natürlich auch den Standortnachteil, das muss man
ganz klar sagen, und da bin ich nicht bereit, nur das Loblied zu singen. Es wäre nicht ganz so
schlimm, wenn man eine S-Bahn-Anbindung nach Frankfurt hätte oder wenigstens nach
Darmstadt. Das ist wirklich unser Handicap. Aber wenn man davon absieht, haben wir hier
Arbeitsbedingungen, von denen andere Hochschulen und Universitäten nur träumen. Und ich
glaube auch, dass die Fachbereichsumgebung mit diesen anderen Schwerpunkten, die ganz
andere Sachen machen, Game-Design, Sound-Experimente, Dokumentarfilme und so, dass
die sehr anregend ist, was von den Studenten auch immer mehr wahrgenommen wird.
Hat man nicht Sorge, wenn man die Leute in die Arbeitswelt rausschickt, während der
Journalismus so eine unsichere Zukunft hat?
Nein, überhaupt nicht. Das ist genau der Punkt. Wir schicken die Leute mit einem so auf die
Zukunftsmärkte geschärften Profil raus – ich meine, wir können natürlich für niemanden
garantieren, dass er einen Job findet. Aber wenn er keinen findet, liegt das normalerweise eher
an der persönlichen Performance als am Studiengangsprofil. Wenn man hier eine gute
Ausbildung hinlegt, sich wirklich reinhängt, sich engagiert und die Chancen wahrnimmt, die
wir Ihnen anbieten, ist es fast ausgeschlossen, dann irgendwo als Hartz IV-Empfänger zu
enden, denn was wir hier ausbilden, ist genau das Segment, das weiterhin in großem Maßstab
nachgefragt wird.
Das Interview wurde im April 2013 geführt.
9
Die Absolventen
Kersten Riechers ► Geschäftsführer quäntchen+glück
Julia Schmid ► selbstständige Videojournalistin
Daniel Rehn ► Junior Account Manager bei „achtung!“
Pia Sue Helferich ► Projektmanagerin & angehende Doktorandin
Florian Siebeck ► Freier Journalist bei der F.A.Z.
Sabine Stromberger ► Eventmanagerin bei Seat
Rafael Bujotzek ► Redakteur und Reporter beim ZDF
Stefan Köhler ► Chef vom Dienst bei „DASDING“
10
Kersten Riechers ► Geschäftsführer
Kersten Riechers vor dem Büro von quäntchen+glück. Foto: Waldhecker
Plötzlich Geschäftsführer: Geplant war das so nicht
Kersten Riechers wirkt gelassen und fröhlich. Das wird nicht nur an seinem Job liegen.
Aber ganz bestimmt auch, denn er arbeitet in einer jungen Agentur für Online-
Kommunikation und PR, die er zusammen mit Kommilitonen gegründet hat. Und wenn
man auf die Geschichte von „quäntchen + glück“ schaut, erklärt sich schnell, warum
der 26-Jährige so gute Laune hat, wenn er von der Entstehung des Unternehmens
berichtet.
Schon im ersten Semester am Mediencampus juckte es ein paar der Jung-
Journalisten gewaltig in den Fingern. Sie wollten recherchieren,
schreiben, gestalten, irgendwo mitmischen im Medienzirkus. Allerdings
fanden sie kein Unternehmen, in dem sie ihre Kreativität hätten austoben
können. So gründeten sie kurzerhand selbst eins: den „darmspiegel
Verlag“. Unter diesem Namen entstand zuerst ein innovatives
Studentenmagazin, später ein ganzes Buch, in dem die Studenten vom
Darmstädter Nachtleben berichteten – quer durch Blumenbeete,
Schlafzimmer und Spelunken.
„Beim darmspiegel waren wir 13 Leute, stundenlang saßen wir in einem
Wohnzimmer zusammen, diskutierten in dieser großen Runde jedes
kleinste Detail unserer Texte – das war Irrsinn“, erinnert sich Kersten.
Nachdem das Buch „nachts in darmstadt“ erschienen war, splittete sich die ursprüngliche
Gruppe auf, es entstanden neue Projekte. Was die jungen Leute damals nicht mehr los ließ,
war diese Ahnung davon, wie schön es sein kann, der eigene Chef zu sein, kreative Freiheit zu
leben und selbst die Grenzen des Machbaren zu setzen.
11
Außerdem hatten sie durch ihre Online-Aktivitäten rund um den „darmspiegel“ und das
Nacht-Projekt derart viel Aufmerksamkeit erregt, dass nun die Unternehmen auf sie zukamen.
„Die fragten: Hey, wollt ihr nicht was für uns machen? Hier habt ihr Geld“, berichtet Kersten,
wirkt immer noch etwas verblüfft.
Klar, diese Angebote waren so verlockend, da war kaum Nein zu sagen. Und so gründeten die
fünf noch studierenden Online-Journalisten Kersten Riechers, Tobias Reitz, Birte Frey, Pia
Hannappel und Jan-Kristian Jessen ein Jahr vor ihrem Abschluss, im Jahr 2010, die in
Darmstadt ansässige Agentur quäntchen + glück. Das Erkennungszeichen: zwei leuchtend
grüne Anführungszeichen. Allein die Farbe strahlt schon viel Leichtigkeit aus, diese Lust,
etwas Neues zu machen, die Medienwelt aufzurollen.
Jetzt erklären sie den Chefs wie Facebook funktioniert
Und genau das tun sie. Sie beraten Unternehmen wie Merck, Sony Music, oder das English
Theatre Frankfurt zu Online-PR und Kommunikation, erstellen Konzepte für die interne
Kommunikation oder Social-Media-Strategien. Sie erklären Facebook, Twitter und Blogs,
entwickeln den Aufbau von Redaktionen und realisieren Webseiten. Parallel dazu erstellen sie
auch noch konventionelle Printmedien wie Broschüren und Flyer und vermitteln ihr Wissen in
Workshops, beispielsweise zum Verfassen von Pressemitteilungen. Kersten erinnert sich:
„Klar, anfangs kamen wir uns komisch vor, wenn wir den großen Chefs was zu Facebook
erzählt haben. Aber irgendwann wird dir klar, dass du da eine wichtige Kompetenz entwickelt
hast, dass du den Kunden wirklich etwas Hilfreiches vermitteln kannst.“
Außerdem engagiert sich das Team immer wieder ehrenamtlich und organisiert Events wie
das Communication Camp, bei dem sie zusammen mit Studierenden der Hochschule
Darmstadt die Social Media-Auftritte von sozialen oder kulturellen Einrichtungen auffrischen.
Dass Kersten sich mal derart auf PR konzentrieren würde, hätte er übrigens nie gedacht. „Ich
wollte Journalist werden, zu einem von den großen Magazinen oder als Freelancer die
aufwendigen Reportagen machen.“ Gestartet hatte er seine Medien-Karriere in Ostfriesland,
wo er am Gymnasium Ulricianum in Aurich in gleich vier journalistischen Arbeitsgruppen
seine ersten Texte schrieb, Web- und Zeitungsseiten gestaltete. Anschließend sammelte er bei
den Ostfriesischen Nachrichten Erfahrungen im Lokaljournalismus. „Bei den Terminen gab es
jede Menge Tee und leckere Plätzchen, unterhalten wurde sich auf Platt, das hat schon Spaß
gemacht.“
Kersten wollte die Mechanismen der PR verstehen
Es folgten noch einige journalistische Praktika und Jobs, unter anderem bei Zeit Online, der
Offenbach Post, in der Online-Redaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sowie beim
Online-Portal Gründerszene, für das er bis heute als Redakteur arbeitet. Bei der Zeit kam
Kersten schon 2005 zum ersten Mal mit Blogs in Berührung. „Ich hatte vorher zwar auch
schon das getan, was man heute unter Bloggen versteht. Aber da wurde mir erst bewusst, dass
sich eine ganze Blog-Szene entwickelt hatte.“
Trotz all der positiven Erlebnisse im Journalismus wählte Kersten im Studium den
Schwerpunkt PR. „Wobei ich selbst da noch keine PR machen wollte. Ich wollte die
Mechanismen der PR verstehen, um besseren Journalismus zu machen.“
12
Das „quäntchen + glück“-Team: fast alle sind Online-Journalisten.
Von links nach rechts sehen Sie Birte Frey, Jan-Kristian Jessen, Jonas Stallmeister, Tobias
Reitz, Dennis Hingst, Pia Hannappel, Tobias Krebs und Kersten Riechers.
Foto: quäntchen + glück
Stattdessen sitzt er nun jeden Tag in dem neuen Büro in der Dieburger Straße: Beton-Boden,
Rohre an der Decke, grüne Kissen, zum Mittag gibt es auch mal selbstgekochte Suppe.
Kersten und seine Kollegen nennen es liebevoll „Industrie-Charme“. Und inmitten alldessen:
lauter junge Leute mit ihren Rechnern und jeder Menge Spaß an der Arbeit. „Am Anfang, als
wir noch in der Küche unserer WG gearbeitet haben, war es schon hart. Wir haben uns selbst
ausgebeutet, um quäntchen + glück aufzubauen. Aber wir haben es geschafft, ohne jemals
einen Kredit aufnehmen zu müssen.“
Inzwischen kommen die ersten Angestellten zum Kern-Team dazu, gerade hat ein
Webprogrammierer einen unbefristeten Vertrag bekommen. „Wir wollen kein großer
Kommerz-Betrieb werden. Wir können uns aber auch schon ausrechnen, dass wir noch etwas
wachsen müssen, damit unser Umsatz alle trägt, wir nicht mehr jeden Cent umdrehen
müssen.“ Und dann könnten sie sich vielleicht sogar die großen Autos leisten, in denen sie
jene vermuten, denen sie erzählen, dass sie Geschäftsführende Gesellschafter sind – auch
wenn sie solche Autos eigentlich gar nicht haben wollen.
Text: Mirca Waldhecker | März 2013
13
Julia Schmid ► Videojournalistin
Julia Schmid mit ihrer Kamera. Foto: Waldhecker
Ein Regenwurm brachte sie zum Filmen
Dass Julia mal in einem Fahrradkorb arbeiten oder mit blauen Flecken von der Arbeit
kommen würde, das hätte sie sich kaum träumen lassen. Doch ihr Job als selbstständige
Videojournalistin bringt oftmals ungewöhnliche Situationen mit sich.
2007 schloss die 30-Jährige ihr Studium an der Hochschule Darmstadt ab, in der Tasche ein
Diplom als Online-Journalistin und eine Abschlussarbeit, die ihr zahllose Türen öffnete. Über
drei Monate hatte sie in einem Blog die Entwicklung von Online-Videos in
Medienunternehmen beobachtet. Ihre Berichte brachten ihr viel Aufmerksamkeit – und
Jobangebote.
Der Bayerische Rundfunk (BR) bot ihr eine Stelle als Entwicklungsredakteurin für ein
multimediales Jugendformat an, der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV)
beauftragte sie mit einer weiteren Studie, in der sie sich auf die Video-Angebote von
deutschen Tageszeitungen konzentrierte. Diese ersten beiden Jobs kombinierte sie tageweise
miteinander.
Eines Tages rief der Spiegel bei Julia an
Nach der Zeit beim BR wurde Julia feste Freie bei Focus TV in der „WebVideoUnit“, wo sie
im Team verschiedene Formate für Focus, Focus TV und andere Ableger des Burda-Verlags
entwickelte, filmte und schnitt. Parallel dazu begann sie, Videos für Webseiten von
Unternehmen zu produzieren. Von 2008 bis 2012 betreute sie als Filmemacherin die Sendung
on3-Südwild im Bayerischen Fernsehen, wo sie zahlreiche Städte vorstellte.
14
Eines Tages kam dann ein Anruf, den viele junge Journalisten sich sehnlich wünschen. Der
Spiegel lud Julia zu einem Gespräch nach Hamburg ein. Man wollte sie als Redakteurin im
Video-Ressort einstellen. Schweren Herzens lehnte Julia ab, zu sehr hatte sie sich bis dahin
schon an die Vorteile der Selbstständigkeit gewöhnt. Dennoch entstand etwas später eine
regelmäßige freie Mitarbeit für die Multimedia Abteilung des Spiegel – bis heute liefert Julia
dem Magazin Videos aus dem süddeutschen Raum.
Doch wie kam es dazu, dass aus einer jungen Schreiberin eine begeisterte Video-Produzentin
wurde? „Ich wusste immer schon, was ich nicht wollte, und das war ein täglich gleicher Job“,
berichtet Julia. „Klar war, dass ich etwas mit der deutschen Sprache machen wollte, Schreiben
war immer meins.“ Praktika wie das beim Radio des SWR bestärkten sie in ihrem Interesse.
2002 machte Julia ihr Abitur und begann, Biologie zu studieren. Sie wollte zwar Journalistin
werden, aber sie hielt sich an die Empfehlung, erst etwas Fachliches zu studieren und
anschließend den Quereinstieg in den Journalismus zu versuchen.
Und dann kam der Regenwurm
Zwei Semester hielt sie durch, doch dann kam der Regenwurm. „Es war im Zoologie-
Sezierkurs. Wir sollten einen Regenwurm zerlegen, das war ja kein Problem. Doch dann
sollten wir auch noch seine Samenblase studieren. Da schoss mir durch den Kopf: Mei, so
genau wollte ich es dann doch nicht wissen!“ Nächtelang suchte Julia nach einer Studien-
Alternative. Dann stieß sie auf Dieburg, Online-Journalismus.
Julia mit Filmklappe. Foto: Waldhecker
Der erste Tag am Campus war für Julia ein Schock. Besonders schön
fand sie die Gebäude nicht.
„Trotzdem hatte ich eine großartige Zeit in Dieburg, wir hatten
einen tollen Zusammenhalt unter den Kommilitonen. Ich würde
dieses Studium sofort wieder machen, weil es so praktisch
orientiert ist und man diese mediale Vielfalt vermittelt bekommt,
das ist super!“
Die Video-Kurse, ein Semesterprojekt, in dem sie ein Video für
„Spektrum der Wissenschaft“ produzierte, und ein Dokumentarfilm,
den sie während ihres Auslandssemesters in Schottland gestaltete,
gaben schließlich den Ausschlag für ihren Weg Richtung Video. „Ich
fand die Grundidee des multimedialen Storytellings fantastisch, da
kann man sich kreativ austoben und kommt weg vom reinen
Schreiben.“
Den Weg in die Selbstständigkeit nach dem Studium fand Julia leicht. „Mit meiner
Diplomarbeit als Türöffner, meinem Blog, guten Kontakten aus Praktika und Jobs sowie viel
Eigeninitiative war der Übergang fließend.“ Außerdem war Julia noch nicht an einen
regelmäßigen Alltag oder ein festes Gehalt gewöhnt, was es ihr ebenfalls leichter machte.
15
Pendeln zwischen München und Karlsruhe
Inzwischen arbeitet Julia für ihr Unternehmen „websehen.net“ an den zwei Standorten in
Karlsruhe und München, reist von dort durch die ganze Republik, zuweilen auch ins Ausland.
Zu ihren Kunden gehören neben dem Spiegel der Bayerische Rundfunk, Psyma AG, die LSG
Sky Chefs und viele mehr. Journalistische Aufträge und PR-Spots wechseln sich ab. Ob Web,
TV oder Unternehmen, ihren Videoproduktionen sind kaum Grenzen gesetzt.
Ihre Erfahrungen gibt Julia außerdem als Coach weiter. Sie schult Projektgruppen oder
Schulklassen zu den Grundlagen der Videoproduktion, vermittelt Interviewtechniken, Licht-
Gestaltung, Bildaufbau sowie den Schnitt der Aufnahmen.
Vom Konzert bis zur Küche
Mal filmt sie für ein Portrait eine Pole-Dancerin, mal für eine Reportage die Produktion in
einer Sushi-Küche oder sie springt bei einem Rammstein-Konzert zwischen den
Flammensäulen herum, um festzuhalten, wie sehr ein blinder Konzertbesucher den Auftritt
genießt. Und wenn es in einer Reportage ums Handbiken geht, dann setzt sie sich eben auch
in den Fahrradkorb, um besonders spannende Bilder einzufangen. Von der ersten Idee bis zum
fertigen Film übernimmt sie alle Produktionsschritte.
Dreh für on3-südwild: Lightpainting-Aufnahmen am See. Foto: privat
„Man darf sich nicht verunsichern lassen“
Ob Julia ewig selbstständig arbeiten möchte? „Ich denke schon. Wenn ich mal einen Monat
beim Spiegel bin, mit den Kollegen zum Mittag gehen kann und immer jemanden zum
Austauschen habe, dann ist das zwar schön, aber grundsätzlich mag ich die Flexibilität als
Freie.“ Natürlich gab es auch Zeiten, in denen die Aufträge ausblieben. An ihrer
Entscheidung, freiberuflich zu arbeiten, hat sie aber nie gezweifelt. „Man darf sich da nicht
verunsichern lassen, nicht in Panik verfallen, sonst ist man falsch in der Selbstständigkeit.
Irgendetwas ergibt sich immer, und ich finde diese Abwechslung sehr reizvoll!“
Text: Mirca Waldhecker | März 2013
16
Daniel Rehn ► Junior Account Manager
Daniel Rehn im Hamburger Büro der Agentur „achtung!“. Foto: Waldhecker
Wenn er nicht schläft, ist er online
Daniel Rehn ist einer, der vollständig verwachsen ist mit der schönen, neuen Online-
Welt. Sobald er aufwacht, prüft er via Smartphone seine Mails, schickt schon mal den
ersten Tweet in die Welt hinaus. Im Büro geht es nahtlos weiter. Online-
Kommunikation ist sein Beruf. Seine Liebe zu den virtuellen Medien hat ihn bis in die
renommierte Agentur „achtung!“ in Hamburg gebracht.
„Wenn ich nur einen einzigen Account behalten dürfte, dann wäre das Twitter. Diesen
Kommunikationskanal möchte ich auf keinen Fall missen.“ Daniel Rehn liebt das Internet. Ob
WordPress, Xing, Facebook, Twitter, Foursquare, Google+ oder YouTube – überall hat er
mindestens einen Account und mehr. Und die existieren nicht nur, Daniel füllt sie alle mit
Leben. Allein auf Twitter hat er mehr als 3.000 Follower, in gut 30.000 Tweets hat er sie
schon an seinem Leben und Wissen teilhaben lassen. Und warum wollen diese Leute so viel
von Daniel wissen? Ich habe sie auf Twitter gefragt:
17
Mit einer solchen Affinität zur Online-Kommunikation und seinem Gespür für die neuesten
Trends in diesem Medium war Daniel prädestiniert für den Job, den er heute bei der
Hamburger Agentur „achtung!“ macht. Seit August 2012 berät er dort Unternehmen wie
Parship, Hornbach, Nestlé Deutschland, die Generali Versicherungen oder die Deutsche Bahn
zu ihrer Kommunikation im Social Web. Es sind große Namen, große Budgets. Daniel trägt
teilweise eine Menge Verantwortung. Eine stolze Leistung für seine gerade 27 Jahre.
2001 gegründet, zählt „achtung!“ zu den Top 25 der inhabergeführten Werbeagenturen und
den Top 5 der Social-Media-Agenturen in Deutschland. Die Arbeit der mehr als 100
Kommunikationsprofis wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Deutschen
PR-Preis und dem Neptun Crossmedia Award.
Kein Wunder, dass Daniel gerne in diese Agentur wollte. „Für mich musste es nicht die
tollste Stadt der Welt sein, wobei ich es mit Hamburg jetzt sehr gut getroffen habe. Ich
hatte bei dieser Agentur einfach ein sehr gutes Gefühl, wollte gerne mit interessanten
Kollegen wie Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach arbeiten und von ihnen lernen.“
Bei dem Wort Agentur, da denken viele Medien-Menschen an pausenlosen Stress. Doch
Daniel hat keine dunklen Augenringe. „Das Tempo in einer Agentur ist hoch, es gibt immer
viel zu tun. Und die drei Jahre Agenturerfahrung, die ich habe, kommen mir vor wie sechs,
weil die Arbeit so vielfältig ist. Aber es ist nicht so, als hätte man nie Feierabend“, berichtet
er. Auch das Gehalt stimme. Jedenfalls kann er sich eine hübsche 2,5-Zimmer-Wohnung im
Hamburger Stadtteil Wandsbek-Gartenstadt leisten. Zum Büro im Straßenbahnring braucht er
30 Minuten, immer mit der U3 am grandiosen Hafen-Panorama entlang.
Wer Daniel trifft und kleiner als 1,80 Meter ist, muss übrigens ganz schön hochschauen, denn
Daniel ist stolze 2,03 Meter groß. Der naheliegende Gedanke dazu: „Basketball!“ Und ja,
Daniel hat viele Jahre Basketball gespielt. Genau dieses Hobby hat ihn auch zum Schreiben
gebracht. Wie das? Es ging los beim TV Hersfeld 1848, wo er bei den „Hersfeld Titans“ in
den Jugendmannschaften und bei den Herren spielte. Dort wurde er vom Spieler zum Trainer
für Nachwuchsteams, dann Abteilungsleiter und übernahm parallel dazu immer mehr Presse-
und Marketingaufgaben.
Der erste Auftrag war ein Interview mit einem finnischen Nationalspieler
Für Daniel war es ein Glücksfall, denn nachdem er sich beim TV Hersfeld bewiesen hatte,
wollte ihn auch der Basketball-Bundesligist Frankfurt Skyliners haben. Nach seinem
Fachabitur für Gestaltung 2005 hatte er sich eigentlich nur um ein Praktikum in der
Presseabteilung der Skyliners beworben, letztlich wurden daraus acht Monate freie Mitarbeit.
Daniel schrieb Spielberichte, erstellte Informationspakete für Pressevertreter und interviewte
Spieler.
18
„Mein erster Job war ein Interview mit dem finnischen Nationalspieler Jukka Matinen.
Es war verrückt, stand ich doch drei Wochen vorher noch im Fan-Block und feuerte ihn
an. Diese Arbeit hat jedenfalls so viel Spaß gemacht, ich konnte Hobby und
Leidenschaft zusammenbringen. Irgendwann wurde mir klar: Das möchte ich
unbedingt weiterführen.“
Via Google suchte er nach einem passenden Studiengang und stieß auf Online-Journalismus
in Dieburg. Im Laufe des Studiums manifestierte sich Daniels Vorliebe für Public Relations,
und er wählte den entsprechenden Schwerpunkt. Letztlich arbeitete er sogar als Tutor in
diesem Bereich, sammelte dort seine ersten Lehrerfahrungen.
Den ersten Job nach dem Studienabschluss 2010 bekam er durch die Empfehlung eines
Professors. Seine erste berufliche Station führte ihn nach München, zur Agentur „talkabout
communications“, wo er als strategischer Berater Start-Ups wie die Mitfahrgelegenheit „flinc“
oder die Social-TV-App „Couchfunk“ betreute. Dort blieb er bis zu seinem Umzug nach
Hamburg im August 2012. Was ihn zu dem Agenturwechsel brachte? „Die Lust auf was
Neues, ich brauche Abwechslung.“ In Hamburg arbeitet er nun sowohl als Junior Account
Manager in der Agentur, als auch begleitend als Dozent im Studiengang Sport-, Event- und
Medienmanagement am Campus M21 sowie für die Bayerische Akademie für Werbung und
Marketing im Lehrgang „Social Media Management“ in München.
Schon seit Jahren schreibt Daniel für verschiedene Blogs
Natürlich bloggt Daniel auch schon seit Jahren, für Fach-Blogs wie
SocialMediaStatistik.de, aber vor allem privat über „digitales & reales“. Dort
hinterfragt er zum Beispiel die Entwicklung der Blogroll oder lässt seine Leser
an der schauerlichen Entwicklung seiner Handschrift teilhaben, seit er zum
Schreiben fast nur noch Tastaturen benutzt. Ansonsten sind es Social Media und
Online-PR, die ihn umtreiben.
Ein Paradebeispiel für gute journalistische Online-Kommunikation ist für
Daniel Richard Gutjahr. „Der macht alles richtig. Man denke nur daran, wie er
als erster Mensch in New York mit einem iPad aus dem Apple-Store kam oder
vom Arabischen Frühling berichtete, während alle anderen Journalisten im Hotel indisponiert
waren. Diese Entwicklung zu beobachten, ist unglaublich bereichernd.“ Und vorausgesetzt,
dass künftige Journalisten die neuen Medien ähnlich wertvoll zu nutzen lernen, glaubt er auch
fest daran, dass der Journalismus seine Daseinsberechtigung behält.
Vor dem Internet müsse man jedenfalls keine Angst haben, meint Daniel. „Wenn du etwas
postest, überleg dir vorher zwei Sachen: Kannst du es deiner Oma sagen, ohne dass sie
rot wird? Und, könntest du damit leben, wenn dein Post morgen auf Seite 1 der Bild-
Zeitung stehen würde? Wenn ja, dann raus damit.“ Zwar vergesse das Internet eventuelle
Fehltritte nicht, die Menschen hingegen schon. „Die Leute vergessen diese ganzen, zu
vermeintlichen Shitstorms hochstilisierten Krisen, nur wir Medien-Menschen behalten sie.“
Letztlich müsse auch nicht jeder Post oder Tweet der beste der Welt sein. „Im Grunde wollen
die Menschen einfach unterhalten werden, und das ist gar nicht so schwer.“
Text: Mirca Waldhecker | April 2013
19
Pia Sue Helferich ► Projektmanagerin & angehende
Doktorandin
Pia Sue Helferich an ihrem Arbeitsplatz.
Pias Herz schlägt für die Lehre
Es gibt auch Absolventen, die schließen den Mediencampus im kleinen Dieburg derart
ins Herz, dass sie gar nicht mehr weg wollen. Wobei sich nicht nur das Herz von Pia Sue
Helferich an der Hochschule wohlfühlt. Es ist besonders ihr Kopf, der sie dazu gebracht
hat, ihr Leben der Lehre widmen zu wollen.
Pia analysiert gerne und mag wirklich jeden Aspekt des
Lehrens. „Mir macht es schon unheimlich Spaß, den
Unterricht vorzubereiten, mir zu überlegen, wie ich etwas
vermitteln kann. Aber ich liebe auch den Kontakt mit den
Studenten und freue mich sehr, wenn wir über ein
Semester zusammenarbeiten und daraus tolle Konzepte
entstehen.“
Doch noch sind es nur einzelne Kurse, die Pia als
Projektbetreuerin anbietet. Bis die 30-Jährige eines Tages
tatsächlich Professorin ist, wird noch einige Zeit vergehen.
Gerade hat sie sich als Doktorandin am Cork Institute of
Technology (CIT) in Irland beworben, das mit der
Hochschule Darmstadt kooperiert. Es gilt, die Daumen zu
drücken, dass sie mit ihrem Exposé überzeugen kann. In
ihrer Dissertation möchte sie Lerngruppen als soziale
Netzwerke analysieren und ergründen, welchen Einfluss
sie auf unser Berufsleben haben.
20
Wer Pia sprechen hört und sieht, ahnt schnell, wie gerne sie Wissen vermittelt. Sie
unterstreicht all ihre Worte mit anschaulichen Gesten. Wenn sie erzählt, wie Freunde ihr
rieten, ihr Dissertations-Exposé umzuschreiben, macht sie eine Handbewegung, als würde sie
etwas packen und woanders einfach fallen lassen. „Plopp, mach besser nochmal neu.“ Dazu
ein schiefes Grinsen.
„Ja, es ist ein langer Weg bis zum Doktor, allein die Vorbereitung der Bewerbung hat mich
anderthalb Jahre gekostet. Das muss man echt wollen. Man läuft oft gegen Wände, muss sich
über lange Zeit immer wieder neu motivieren, da braucht es eine ordentliche Frusttoleranz,
eine gesunde Portion Neugier und ein klares Ziel.“ Dass Pia privat gerne Marathon läuft,
dürfte insofern wenig überraschen.
Sie wollte Fußball kommentieren
Nun ist ihr Weg in die Wissenschaft ohnehin schon ein seltener. Nur sehr wenige
Journalismus-Studenten bleiben nach dem Studium an der Hochschule. Umso erstaunlicher ist
ihre Entscheidung, wenn man weiß, was sie eigentlich machen wollte. „Ursprünglich hatte ich
den festen Plan, Sportreporterin zu werden, ich wollte unbedingt mal ein Fußballspiel
kommentieren.“ Es folgten ein schulisches Zeitungsprojekt, der erste Artikel, anschließend
die Suche nach einem geeigneten Studiengang, den Pia schließlich in Dieburg fand.
Im Studium entdeckte Pia die PR für sich
Doch im Studium von 2001 bis 2005 entdeckte sie schnell, dass die PR ihr viel mehr lag.
„Lokal-Journalismus oder in einer Wirtschaftsredaktion sitzen, das wäre nichts für mich
gewesen.“ Stattdessen entwickelte sie in einem Praktikum die Pressewebseiten von Jaguar
und Land Rover, baute eine Bilddatenbank auf. Anschließend wählte sie den Schwerpunkt PR
und widmete sich in ihrer Diplom-Arbeit dem Thema „Evaluation in der Online-PR“.
Ein paar Karrierestufen hat Pia noch vor sich.
21
Im Master-Studium entwickelte sie einen crossmedialen Studiengang
Nach dem Abschluss arbeitete sie fünf Jahre lang in der freien Wirtschaft, in der
Öffentlichkeitsabteilung des Chemieunternehmens BASF und beim Finanzdienstleister MLP.
Dort, und durch die Mitarbeit in der Multimedia-Agentur ihrer Eltern entdeckte sie ihr
heutiges Spezial-Thema: das E-Learning. „Damals hatte ich die Idee, PR und Journalismus
durch Erwachsenenbildung und E-Learning zu vermitteln. Das erschien mir eine reizvolle
Kombination.“ In dieser Zeit reifte in ihr der Wunsch, zu promovieren und in die Lehre zu
gehen. Schließlich begann sie parallel zur Arbeit ihr Master-Studium an der Universität
Duisburg-Essen. Dabei vertiefte sie ihre E-Learning-Kenntnisse, konzipierte zum Beispiel
einen crossmedialen Studiengang. „Dabei geht es um viel mehr, als nur ein PDF hochzuladen,
das die Studenten dann lesen können. Ich entwickle medial-didaktisch aufbereitete
Lernmaterialien.“
Als Projektmanagerin berät sie mittelständische Unternehmen
Aktuell nutzt sie diese Kenntnisse, parallel zur Dissertations-Vorbereitung, auch als
Projektmanagerin des „eBusiness-Lotsen“. Dabei berät sie mittelständische Unternehmen zum
Einsatz neuer Technologien zur Personalgewinnung, zum Wissensmanagement oder zum
Marketing. Was ist ein eBusiness-Hangout? Wie müssen Unternehmen ihre
Kommunikationsstrukturen verändern, um Social-Media-Anforderungen gerecht zu werden?
Und wie funktionieren eigentlich virtuelle Klassenräume? All diese Fragen beantwortet Pia
mit ihrem Team.
Bei diesen anspruchsvollen Karriereplänen stellt sich natürlich die Frage, wie da irgendwann
eine Familie dazu passen soll. Viele Journalistinnen tun sich schwer damit, lange
Arbeitszeiten und kurze Vertragslaufzeiten mit einer Familienplanung zu vereinbaren. Ist das
im wissenschaftlichen Bereich einfacher? „Nicht wirklich, die kurzen Verträge gibt es auch
hier. Aber dafür kann ich meine Arbeitszeiten recht frei gestalten, das käme einer Familie also
entgegen.“
In Zukunft würde Pia die Studierenden gerne mehr beraten
Gerade liegt Pias Fokus aber ohnehin auf der Karriere hin zur Professur. Was sie sich für ihre
berufliche Zukunft wünscht? „Ich hoffe, dass ich im Kopf flexibel und thematisch immer am
Ball bleibe. Außerdem möchte ich den Praxisbezug nicht verlieren, weshalb ich auch gerne an
der Hochschule bleiben möchte, wo grundsätzlich mehr anwendungsorientiert gearbeitet
wird.“ Ihre künftigen Studenten können sich jedenfalls freuen auf Pia als Professorin, denn
wer mit so viel Herz bei der Sache ist, der hat beste Chancen, andere mit seiner Begeisterung
mitzureißen. Außerdem hat Pia reichlich Ideen, wie man den Studiengang Online-
Journalismus noch verbessern könnte: „Ich würde die Studenten gerne mehr beraten und
ihnen so dabei helfen, ihre Richtung zu entdecken.“
Fotos & Text: Mirca Waldhecker | März 2013
22
Florian Siebeck ► Freier Journalist F.A.Z.
Florian Siebeck im Lifestyle-Outfit.
Eigentlich wollte er Gärtner werden
Rund 420 Stunden seines Lebens hat Florian Siebeck schon in Flugzeugen verbracht.
Er hat 30 Länder kennengelernt, spricht Chinesisch, kennt sich bestens mit Mode aus.
Dabei wollte Florian mal Gärtner werden. Stattdessen ist er jetzt freier Redakteur am
Online-Newsdesk der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, kurz F.A.Z. Sein Ressort:
Gesellschaft.

John Lennon hat mal gesungen: Leben ist das, was passiert,
während du eifrig dabei bist, andere Pläne zu machen.“ Genau so
war das bei Florian Siebeck. Schon als Kind wollte er Gärtner
werden, als Jugendlicher in Berlin war er stolzer Besitzer einer
Jahreskarte für den Botanischen Garten, eine der größten solcher
Anlagen weltweit. Doch noch in seiner Schulzeit schlich sich der
Journalismus in sein Leben ein.
Die existierende Schülerzeitung dümpelte vor sich hin,
kurzerhand entwickelte Florian zusammen mit Freunden eine
Konkurrenzzeitung. In der gab es Home-Stories von Lehrern,
pikante Berichte über deren Privatleben.
Viele liebten die Berichte von Florian, „böse-humorig“ bezeichnet er den Stil, manche Lehrer
störten sich aber auch derart daran, dass er schlechtere Noten bekam. Sein Triumph war die
Auszeichnung als „beste Schülerzeitung Berlins“ durch die Berliner Morgenpost.
23
Von der Botanik zum Journalismus
Bei einem außerschulischen Projekt lernte er einen Online-Journalisten von der Hochschule
Darmstadt kennen. Auf gut Glück bewarb er sich daraufhin um einen Studienplatz. Er
rechnete nicht mit einer Zusage, dachte immer noch an ein Botanik-Studium. „Aber dann
wurde ich angenommen. Ich muss sagen, damals war ich etwas ratlos und skeptisch. Dann
machst du jetzt also Journalismus, dachte ich“, berichtet Florian.
Die Skepsis verflog schnell, Florian kniete sich rein in sein neues Metier. Er wurde
Chefredakteur des mit Kommilitonen gegründeten Magazins „darmspiegel“, Mitherausgeber
des Buchs „nachts in darmstadt“, absolvierte seine Praxisphase bei der China International
Publishing Group in Peking und war Bildredakteur und Mitherausgeber des preisgekrönten
Mode-Bookazines „Circus“. Mitte 2011 schloss er sein Studium mit einer Diplomarbeit über
kollaborative Wissenskonstruktion durch Wikis im journalistischen Umfeld ab.
Die F.A.Z. machte ihm ein verlockendes Angebot
Heute, mit gerade mal 24 Jahren, schreibt Florian als fester freier Journalist für die F.A.Z.
Bei anderen löst dieser Name ehrfürchtige Aufmerksamkeit aus, Florian sieht seine
Anstellung dort pragmatisch. Er hatte nicht jahrelang davon geträumt, für eine Zeitung zu
arbeiten. Es war einfach nur eine Stellenanzeige, auf die er sich bewarb. In das Gespräch ging
er entspannt, in der Hinterhand hatte er schon eine Zusage von einer großen Werbe-Agentur.
Doch die bekannteste deutsche Zeitung machte ihm ein Angebot, das er nicht ausschlagen
wollte: Zwei Wochen im Monat arbeitet er in der Frankfurter Redaktion, die anderen zwei
Wochen hat er zur freien Verfügung. Und diese Freizeit, die nutzt Florian, um durch die
ganze Welt zu reisen und dort Geschichten einzusammeln, die er für die F.A.Z. und andere
Medien aufschreibt.
Florian will ein Buch über Island schreiben
“Es ist schon fast wie eine Sucht“, sagt er über seine Reisefreude. Amerika, Norwegen,
Libanon, China, Russland, überall war er schon. Am meisten angetan hat es ihm aber Island.
„Island ist ein magischer Ort, wenn ich irgendwann mal sterbe, dann da.“ Da bis dahin aber
noch reichlich Zeit ist, will Florian erst mal ein Buch über die eisige Insel schreiben. Und
außerdem promovieren. Das aber auch nicht sofort. Dort draußen warten noch viel zu viele
Geschichten. Wie die von der Klofrau auf der Berliner Fashion Week.
„Im Vergleich zum Leben dieser Frau finde ich
meine bisherige Leistung schmal“
Da sollte Florian eigentlich über die Schauen
berichten. Aber nebenbei unterhielt er sich eben
auch mit der Toilettenfrau, die er schon seit einigen
Saisons kennt, schrieb ihre Lebensgeschichte auf –
und erntete dafür viel Lob. Sogar fremde
Journalisten schrieben ihm, gratulierten zu dem
gelungenen Text.
Florian mit Model Hanne Brüning.
24
Florian freute sich über die Anerkennung, nahm aus der Episode aber eine viel wichtigere
Erkenntnis mit: „Im Vergleich zum Leben dieser Frau finde ich meine bisherige Leistung
schmal. Da führe ich geradezu ein Kuschel-Leben.“ Es sind die Erlebnisse auf seinen Reisen,
die ihn alles so relativ sehen lassen, sein Journalisten-Dasein als Luxus schätzen lassen.
Jeder Text beginnt mit Ratlosigkeit
Es gibt ehemalige Kommilitonen, die sagen, Florian Siebeck sei ein begnadeter Schreiber. Er
selbst sieht das allerdings gar nicht so: „Ich habe immer das Gefühl, unzureichend zu sein,
teilweise arbeite ich ein Dreivierteljahr an einem Text und bin immer noch nicht zufrieden.
Jeder Text beginnt bei mir damit, dass ich ratlos vor dem Computer sitze und keine Ahnung
habe, was ich schreiben soll.“
Zu seinem Job gehört ständige Erreichbarkeit
Insofern ist es für ihn eine angenehme Abwechslung, wenn er im Großraumbüro der F.A.Z.
sitzt und Agenturmeldungen zusammenfasst, was mittlerweile auch zum journalistischen
Alltag gehört. Weniger entspannt ist es, wenn nachts um 23 Uhr Florians Handy klingelt und
zum Beispiel ein Interviewpartner aus dem Ausland mit ihm sprechen möchte. „Zu meinem
Job gehört Erreichbarkeit rund um die Uhr. Das ist schon ab und an anstrengend, und meine
Freunde kritisieren diese Dauer-Verfügbarkeit auch oft. Aber dafür lässt mir dieser Job sehr
viel Freiheit, und ich liebe diese Flexibilität!“
„Ein Wahnsinns-Gefühl, auf der Titelseite angekündigt zu werden“
Überhaupt, selbst wenn ihn das Medium zuweilen den Schlaf kostet: Online zu publizieren, ist
für Florian das Beste. „Weil es so vielfältig ist.“ Dennoch freute es ihn sehr, als die F.A.Z.
einen Text von ihm über den Internetdienst „Instagram“ samt Foto auf der gedruckten
Titelseite ankündigte: „Das war ein Wahnsinns-Gefühl, da hab ich mich schon sehr gefreut.“
Und was wünscht sich einer für die Zukunft, der schon dort ist, wo viele andere mal
hinkommen wollen? „Ich würde gerne wieder nach Peking gehen, eine Zeit lang dort leben
und arbeiten.“ Und irgendwann, da hätte Florian auch gerne wieder einen großen Garten.
Denn die Freude an der Natur, die ist ihm trotz all der Schreiberei noch nicht
abhandengekommen.
Text: Mirca Waldhecker | März 2013
Fotos: privat
25
Sabine Stromberger ► Eventmanagerin Seat
Glücks-Gefühle mit Autos von Seat
Es ist April und Sabine Stromberger hat diese schöne Bräune, die man nach ein paar
Tagen in der Sonne hat. Urlaub? Fehlanzeige. Sabine fliegt zwar alle zwei Wochen nach
Spanien, da liegt sie aber nicht am Strand. Stattdessen arbeitet sie und macht den Rest
der Welt mit den Autos von Seat bekannt. Als PR-Managerin des spanisch-deutschen
Automobilherstellers betreut sie sowohl die klassische PR als auch die Organisation der
nationalen und internationalen Presse-Events.
Sabine Stromberger.
Als vor vielen Jahren ihr Vater seine kleine Tochter mitnahm zu
den Oldtimer-Rennen und den Auto-Ausstellungen, ahnte er
wohl kaum, dass er damit den Lebensweg seiner Tochter
bestimmen würde. Doch in dieser Zeit wuchs in Sabine die Liebe
zu Autos, die Faszination für die Technik und die spektakulären
Events. Heute müssen Bekannte von Sabine damit rechnen,
spontan als Model für eine Auto-Kampagne gebucht zu werden.
Hin und wieder, wenn zum Beispiel für eine Produktion einer
Zeitschrift wie der InStyle noch ein Model fehlt, schaut sich die
30-Jährige nämlich in ihrem Bekanntenkreis um. Und dann geht
es spontan an den Flughafen. Reiseziel: Ein wunderschöner Ort
wie zum Beispiel Malaga mit hoffentlich viel Sonne und
grandioser Kulisse für Model und Auto.
26
Ein besonderer Coup: Ein nächtliches Shooting in Barcelona
Solche Kooperationen mit Fashion-Magazinen kommen in der Regel durch persönliche
Kontakte zustande. „Ich kenne wohl Hunderte Journalisten, zu vielen Redakteurinnen habe
ich inzwischen auch ein lockeres, privates Verhältnis. Wenn wir ein neues Produkt haben, wie
jetzt den Seat Ibiza Cupra, frage ich die, was wir machen können, um bei ihnen
stattzufinden.“ Aus solchen Absprachen entstehen zum Beispiel Fotostrecken wie das
Supplement „Best Dressed 100“ in dem Männer-Magazin GQ mit den Markenbotschaftern
Christian Deerberg (Model), Tom Beck und David Kross (beide Schauspieler). Wenn Sabine
sich diese Bilder ansieht, strahlt sie übers ganze Gesicht. Ein gelungener Coup und tolle
Promotion für die Autos in einer grandiosen Kulisse.
Sabine sucht ständig nach schönen Kulissen
Die Suche nach besonderen Orten ist auch für die Presse-Events elementar. Ob national oder
international, stets gilt es, einen Ort zu finden, an dem die Autos perfekt zur Geltung kommen
und gute Testrecken schnell erreichbar sind. „Wenn eine Produktpräsentation ansteht, gehen
wir auf Deutschland-Tour und suchen nach schönen Orten. Kürzlich haben wir eine tolle
Location über den Dächern von München entdeckt. Da war vorher noch niemand, wir konnten
das Auto auf einer Dachterrasse präsentieren, im Hintergrund die Skyline, da freue ich mich
wirklich, dass das geklappt hat!“
Teststrecken rund um Barcelona machen Journalisten glücklich
Für die internationalen Events geht es schon weiter weg. Mexiko, China und Russland waren
schon Schauorte für Presse-Events von Seat. Meistens geht es für die maximal 150
Journalisten aber nach Spanien, denn Seat gehört zwar zum deutschen VW-Konzern, ist aber
eine spanische Marke. Der Firmensitz mit der Entwicklungsabteilung und dem großen
Design-Center befindet sich in Martorell, in der Nähe von Barcelona. „Das Schöne an den
Events in Spanien ist, dass wir rund um Barcelona eine wunderschöne Landschaft und Küste
haben, die zugleich alles an Teststrecken bietet, was Auto-Journalisten wollen, ob Landstraße,
Autobahn oder Berge. Außerdem gibt es hier tolle Hotels, was für uns sehr wichtig ist, denn
Seat steht für emotionales Design, dazu soll die Ausstattung des Hotels passen.“
27
Test-Fahrt an der spanischen Küste.
Eine spezielle Datenbank hilft bei der Organisation der Events
Überhaupt gibt Sabine sich bei jedem Event viel Mühe, um den Journalisten angenehme
Arbeitsstunden zu bereiten. „Das ist ganz wichtig, denn wenn die Leute gestresst hier
ankommen, haben sie keine Muße, sich mit dem Produkt zu beschäftigen. Sie sollen sich wohl
fühlen und in positiver Stimmung unsere Autos testen.“ Dazu gehört natürlich die Übernahme
der Reiseplanung, aber Seat geht noch weiter. In einem internen System werden alle Events,
alle Journalisten, ihre Testwagen sowie ihre speziellen Wünsche und Vorlieben gespeichert.
„Wenn einer ein buntes Auto für seine Fotos braucht, werden wir ihm immer einen bunten
Wagen reservieren. Und wenn einer vegan isst, werden wir ihm immer veganes Essen
anbieten. Dieses System ist super und macht die Arbeit für beide Seiten angenehm.“
Jedes Medium braucht ein anderes Programm
Bei den Events werden die Medien in Gruppen aufgeteilt, damit das Seat-Team den
jeweiligen Anforderungen besser gerecht werden kann. Los geht es mit Fachmedien wie
ADAC Motorwelt, Auto Bild und Auto Motor Sport. Deren Programm ist technikorientiert,
oft ist auch ein Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden gewünscht. Die TV-Leute brauchen
mehr Zeit, die Lifestyle-Reporter freuen sich über die Gesellschaft von Promis, die Print-
Leute brauchen oft schöne Fotos von Reporter und Auto, also einen professionellen
Fotografen.
Über Facebook werden Test-Fahrten an die Fans verlost
Parallel zu der Event-Organisation plant Sabine gemeinsam mit den Kollegen aus dem
Marketing zum Beispiel Gewinnspiele für den Facebook-Auftritt. „Vor kurzem haben wir ein
„Enjoy 2 Drive“-Wochenende verlost. Da haben wir einige unserer Fans nach Barcelona
eingeladen, wo sie den Cupra testen durften. Außerdem waren die Schauspielerinnen und
Seat-Markenbotschafterinnen Laura Oswald und Janina Uhse dabei und haben ihnen die Stadt
gezeigt. Zum Abschluss haben wir eine Art Harlem Shake gemacht, mit weißem Cupra, Film-
Team und Farb-Puder. So was vergessen die Leute nicht, alle waren bei ihrer Abreise sehr
glücklich“. Und genau solche Aktionen zu organisieren, macht Sabine besonders viel Spaß.
28
Sabine kreiert gerne das Image zu einem Produkt
Zwar hatte sie im Studium auch das journalistische Arbeiten ausprobiert, doch für sie stand
schnell fest, dass es PR sein sollte. „Wenn ich von einem Produkt überzeugt bin, fällt es mir
leicht, darüber zu sprechen und die Leute davon zu begeistern. Ich überlege mir gerne etwas
rundherum um ein Produkt und kreiere damit ein bestimmtes Image.“
Wunderschöne Autos und spannende Reisen
Dass Sabine nun PR für einen Automobilhersteller macht, ist ursprünglich natürlich ihrem
Vater zu verdanken, so richtig entflammt haben sie allerdings die Praktika während ihres
Studiums. Ihr Praxissemester absolvierte sie bei Fiat, dort arbeitete sie bis zum Studiumsende
auch als Werksstudentin. Außerdem hospitierte sie in der Presseabteilung von Ferrari in
Wiesbaden und der Marketingabteilung von BMW in München. „Das waren wunderschöne
Autos, spannende Erlebnis wie eine Pressereise nach China und die Internationale
Automobilausstellung, da konnte ich zwei meiner größten Interessen, Autos und Mode, durch
die Kooperationen mit Fashion-Magazinen kombinieren, ich war im Himmel.“
Angefangen hat Sabine als Technische Referentin
Als sie nach dem Studium im Dezember 2006 das Jobangebot von Seat bekam, sagte sie
sofort zu, denn Seat bietet inzwischen genau solche design-orientierten Autos an, die
Verbindungen zum Fashion-Metier möglich machen. Eingestellt wurde Sabine übrigens als
Technische Referentin, erst im Laufe der Zeit baute sie ihre Stelle aus und übernahm die
Event-Organisation.
Man muss kein Auto-Fachmann sein
Technische Referentin? „Ja, für einen PR-Job bei einem Automobilhersteller sollte man schon
Know-how in Sachen Autos mitbringen. Ich kenne mich jetzt auch nicht total tiefgehend
technisch aus, aber was der Unterschied zwischen einem Automatikgetriebe und einem
Doppelkupplungsgetriebe ist, kann ich schon erklären. Das ist sehr hilfreich, denn gerade
wenn man optisch nicht wie der Auto-Fachmann aussieht, muss man etwas kämpfen, um ernst
genommen zu werden. Umso schöner ist, wenn man merkt, dass die Fachleute einen
akzeptieren, weil sie merken, da ist wirklich Wissen und nicht nur Blabla.“
Für diesen Job muss man brennen
Außerdem muss man sich damit anfreunden, nicht so oft zu Hause zu sein. Wenn Sabine in
einer Woche drei Tage in ihrer Wohnung in Darmstadt ist, ist das schon viel. „Diesen Job
kann man nicht machen, wenn man am Wochenende grundsätzlich frei haben will. Man muss
gerne reisen, gerne neue Leute kennenlernen und sich bewusst sein, das gilt generell bei Jobs
in PR und Journalismus, es ist ein toller Job, aber er geht nicht von 9 to 5. Aber wenn du für
die Sache brennst, dann macht dir das auch nicht so viel aus, weil du darin aufgehst.“
Text: Mirca Waldhecker | April 2013
Fotos: Seat Mediacenter & privat
29
Rafael Bujotzek ► Reporter ZDF
Rafael Bujotzek ist Redakteur und Reporter beim ZDF heute journal.
Mit Rafael durch die grüne Hölle
Es ist das meistgesehene Nachrichtenmagazin Deutschlands: Das ZDF heute journal.
Claus Kleber und Gundula Gause berichten den Fernsehzuschauern die Nachrichten
des Tages. Vom Mainzer Lerchenberg senden sie aus dem vollanimierten
Nachrichtenstudio. Hinter den Kulissen hat Rafael Bujotzek den spannenden Job, die
Sendung von der Idee bis zur Ausstrahlung zu realisieren. Er ist Redakteur und
Reporter beim ZDF heute journal und dem ZDF Mittagsmagazin. Einen Tag lang habe
ich ihn bei seiner Arbeit im ZDF begleitet.
Ostermontag, der 1. April 2013. Nicht irgendein Tag für das ZDF. Auf den Tag genau vor 50
Jahren ging ein kleiner Fernsehsender als zweites Programm Deutschlands auf Sendung.
Inzwischen ist das ZDF der größte Fernsehsender Europas. Das Sendezentrum auf dem
Lerchenberg am Rand der Stadt Mainz mit unzähligen Redaktionsgebäuden, dem ZDF-
Fernsehgarten und riesigen Satellitenschüsseln hat die Ausmaße eines Freizeitparks.
17.45 Uhr: Begrüßung vor dem Sendebetriebsgebäude
Um 17.45 Uhr holt mich Rafael Bujotzek am Sendebetriebsgebäude ab. Rafael trägt eine
türkisfarbene Hose, Hemd und Sakko. Er begrüßt mich freundlich: „Willkommen im ZDF!
Komm rein, ich zeig dir alles. Bis zur Konferenz mit Claus Kleber haben wir noch eine
Viertelstunde.“ Wir gehen in das Gebäude, das aussieht wie eine große bunte Schlange. In
seinen verschlungenen Gängen ist neben den großen Fernsehstudios auch die
Nachrichtenredaktion des heute journals untergebracht. Der „Newshighway“ des ZDF, so
nennen sie das Großraumbüro der Nachrichten, ist rund um die Uhr besetzt.
30
Der Personaleingang zum Sendebetriebsgebäude des ZDF. Links das neue Nachrichtenstudio, aus
dem das ZDF heute journal gesendet wird.
Die Büros sind nüchtern eingerichtet
Der erste Blick ist ernüchternd: Glamourös sieht es im ZDF nicht aus. Eher funktional. Rafael
führt mich durchs Gebäude. Hier arbeitet also Claus Kleber, der bekannte Moderator des
heute journals. Er wechselt sich ab mit Marietta Slomka oder Christian Sievers. Zum
Moderatoren-Team gehören außerdem Gundula Gause, Heinz Wolf und Kay-Sölve Richter.
Sie präsentieren in der täglichen Abendsendung die Nachrichten-Überblicke. Die
Arbeitsplätze der bekannten Fernsehmacher sind einfach Schreibtische mit Computern darauf.
Überall hängen Flatscreen-Fernseher, es läuft CNN, N-TV, BBC, Phoenix und natürlich das
eigene Programm. Alle möglichen Live-Bilder prasseln auf die Redakteure ein, und es piepst
pausenlos. „Das sind Eilmeldungen, die uns erreichen“, erklärt Rafael.
Informiert zu sein ist elementar für Rafael
In seinem Büro gibt es drei Schreibtische, Computer, einen großen Fernseher. Daneben Stapel
von Zeitungen, Magazinen und jede Menge Bücher. „Ich bin ein unheimlich neugieriger
Mensch“, sagt Rafael. „Bescheid zu wissen und die komplizierten Themen erklären zu
können, das war schon immer mein Ding.“ Als in Fukushima das Atomkraftwerk brannte,
gingen ein paar Redakteure vom heute journal als erstes in die Bibliothek und besorgten sich
dicke Wälzer zur Atomphysik. „Wir sind ja auch nicht bei jedem Thema die Experten. Aber
ich habe schon den Anspruch, die Dinge so genau wie möglich zu erklären. Und da fängt man
am besten an der Basis an.“
Rafael lotst mich durch die grau-roten Flure, die an eine
Feuerwehrwache erinnern: „Lass uns erst mal einen Kaffee holen.
Heute wird es spät.“ Selbst die Kaffeetassen sind rot. Charmantes
Detail: Alle Becher sind mit den Namen der Redakteure graviert.
Claus. Marietta. Gundula. Und Rafael. Seine Tasse wurde rund um
den Namen mit kleinen Sternchen verziert. Vielleicht ja für einen
aufsteigenden Stern. Denn Rafael Bujotzek, geboren im November
1984, ist mit Abstand der Jüngste im Team des heute journals.
31
Den Job beim ZDF bekam er durch jahrelange harte Arbeit
Es war harte Arbeit, über viele Jahre hinweg, die den heute 28-Jährigen zu diesem Job
gebracht hat. Als er sein Online-Journalismus-Studium an der Hochschule Darmstadt begann,
arbeitete er schon lange als Journalist. Er hatte zu diesem Zeitpunkt schon reichlich Erfahrung
mit Zeitung, Radio und Fernsehen gesammelt. Mit zehn Jahren, 1995, nahm Rafael am
Kinderradiotag des Hessischen Rundfunks teil. Es folgten zahlreiche Jobs als Reporter beim
hr und NDR. Bald moderierte er seine eigene Radiosendung im Vormittagsprogramm des
Hessischen Rundfunks. Schließlich wechselte er dort zum Fernsehen. Doch Radio ist immer
Rafaels Liebling geblieben: „Es ist immer noch das schnellste Medium. Schneller als Twitter
und die Fernsehnachrichten. Du brauchst nur das Mikrofon anzumachen und zu erzählen.
Außerdem muss man sich dafür nicht rasieren, es sieht einen ja keiner.“
Warum Fernsehen? „Filme sind Kunstwerke“
Was ihn letztlich doch überzeugte, zum Fernsehen zu gehen? „Filme sind Kunstwerke. Bild,
Ton, Informationen, da müssen so viele Ebenen harmonisieren. Es ist schön, so etwas
abzustimmen.“ Neben all den Jobs für Radio und Fernsehen fand Rafael außerdem noch Zeit,
eine eigene Firma für IT-Dienstleistungen zu gründen. Er berät Mittelständler und Privatleute
und hilft ihnen bei Computerproblemen. – „glisco internet services“ existiert auch heute noch.
Die Computerfirma ist für ihn ein zweites Standbein neben der Karriere beim ZDF.
Rafael checkt an seinem Arbeitsplatz im ZDF Newshighway den Nachrichtenticker. CNN auf dem
Fernseher, Manuskripte auf dem Tisch.
Rafael rät zu viel Praxis-Erfahrung
Das Interesse für Computer und die Leidenschaft für Medien brachten ihn auch zum Online-
Journalismus-Studium. Aber er würde jedem raten, sich nicht nur auf das Studium zu
verlassen: „Als Journalist musst du recherchieren können, und dieses Handwerk lernt man
nicht alleine in der Uni.“ Sein Studium finanziert er sich bei Skyradio Hessen, der Berliner
32
Netzeitung, der Deutschen Welle, beim SWR und der ARD. Bei seiner Heimatzeitung
Offenbach-Post gründete Rafael 2008 eine Online-Videoredaktion.
18 Uhr: Konferenz mit den Moderatoren
Um 18 Uhr trifft sich das heute journal zu einer der vielen Konferenzen. Heute nimmt nur
eine Handvoll Redakteure teil. Das ist die Feiertagsbesetzung der Nachrichtensendung.
Gundula Gause ist schon da. Als letzter rauscht Claus Kleber ins Zimmer. Lässig sieht er aus,
die gelbe Krawatte nur eben um den Hals geworfen. Rafael erklärt mir, dass an normalen
Werktagen gut 20 Mitarbeiter im Konferenzraum mit den Glaswänden sitzen. Sie nennen ihn
das „Aquarium“. Passenderweise haben sie ein riesiges Plüschtier des Filmfischs Nemo
hinein gehängt.
Letzte Absprachen vor der Sendung: Rafael und Claus Kleber sind hoch konzentriert.
Scherze sind auch bei der Konferenz erlaubt
„Habt ihr die nordkoreanische Nachrichtensprecherin gesehen?“, fragt Claus Kleber in die
Runde. „Die klingt doch ein bisschen wie Gundula, wenn sie ihre Meldungen in die Kamera
schreit.“ Gundula Gause nimmt es mit Humor. Doch bei allem Spaß werden die Themen der
Sendung sehr gezielt besprochen. Nordkorea ist heute der Aufmacher. Rafael wirft Hinweise
zu aktuellen Entwicklungen ein. Als Redakteur muss er immer die Agenturmeldungen im
Blick behalten, um auf dem neusten Stand zu sein. Nach der Konferenz sind die Aufgaben
verteilt. Rafael besorgt fehlendes Bildmaterial aus dem Archiv, telefoniert mit Autoren und
aktualisiert den Ablauf der Sendung. Dann wird es hektisch: Rafael muss in einem der
Schnitträume noch einen kurzen Bericht schneiden. Die Cutterin montiert die Bilder, während
er nach Formulierungen für den Text sucht. Die Zeit bis zur Livesendung wird immer
knapper. Alle sind hochkonzentriert.
Rafael macht sich in seiner Praxisphase einen Ruf
Rafael kam direkt nach seinem Studium zum ZDF heute journal. Einen Teil seiner
Praxisphase hatte er schon als Reporter im ZDF verbracht. Das gefiel ihm so gut, dass er in
33
den folgenden Semesterferien ins Landesstudio Hessen ging: „Das wurde ganz schön
hektisch. Die Finanzkrise brach aus, in Hessen stand die Landtagswahl an und die Bahn
streikte wochenlang. Alles im Zuständigkeitsbereich unseres Landesstudios“, erzählt Rafael.
Ausgerechnet dann wurden Kollegen krank. Rafael sprang ein, bekam Aufträge, die ein
Praktikant sonst nicht bekommt. Als die damalige Chefin des Landesstudios Jahre später zum
heute journal wechselte, rief sie ihn an. Am Montag nach Abgabe seiner Diplomarbeit fing
Rafael als Redakteur und Reporter beim ZDF heute journal an.
Jeden Tag hat er eine andere Aufgabe in der Redaktion
Gerade kriecht Rafael aber auf dem Fußboden unter den Schreibtischen herum. An Gundula
Gauses Computer hat sich ein Kabel gelockert: „Er verweigert die Arbeit.“ Glücklicherweise
ist Rafael da und kann helfen. Als der Rechner dann wieder piept, lächelt auch Gundula
wieder: „Vielen Dank, Rafael!“
„Als Redakteur habe ich hier jeden Tag eine andere Funktion. Mal bin ich Researcher,
sammle Informationen für die Moderatoren und helfe ihnen dabei, ihre Texte zu schreiben,
ich telefoniere mit unseren Reportern und sorge dafür, dass die Berichte rechtzeitig zur
Sendung eintreffen.“ Regelmäßig ist er selbst als Reporter unterwegs. Das heute journal
schickte ihn zuletzt auf die CeBIT nach Hannover. Für ZDFinfo besuchte er den
Bestsellerautor David Nicholls in London, für das Mittagsmagazin testete er Spielekonsolen
auf ihren Spaß-Faktor.
19 Uhr: Umzug ins Großraumbüro
Inzwischen ist es kurz nach 19 Uhr. Die Redakteure sind aus ihren Büros ins Großraumbüro
umgezogen, um sich schneller mit den Mitarbeitern der Bildredaktion, der Online-Redaktion
und den Infografikern absprechen zu können. Jeder arbeitet konzentriert an seinem Rechner.
Das einzige störende Geräusch: Das Rascheln einer herumgereichten Chipstüte.
Nervennahrung für das Team des heute journals.
Die Moderatoren sind auf dem Weg in die „grüne Hölle“
Claus Kleber und Gundula Gause sind inzwischen in der Maske. Rafael zeigt mir das
berühmte Nachrichtenstudio: Kein Wunder, dass sie es die „grüne Hölle“ nennen. Alles hier
ist grasgrün angemalt. Die teure Farbe muss geschont werden, nur mit Plastiküberzügen auf
unseren Schuhen dürfen wir dort hinein. Die Wände, der Boden und sogar einige Holzkisten,
die als Podeste dienen – alles grün. Darin selbstfahrende Roboterkameras und ein „3D-
Erklärraum“. Hier werden später virtuelle Objekte eingefügt, an denen Claus Kleber etwas
erklären kann. „Echt“ ist in diesem riesigen grünen Raum nur der elf Meter lange Holztisch
mit den Laptops darauf. Und natürlich die Moderatoren, die sich jetzt hinter dem Tisch
einrichten.
2009 wurde das Studio gebaut, über 30 Millionen Euro – so die offizielle Angabe – hat sich
der Sender das neue Studio kosten lassen. Auf fast 700 Quadratmetern. Wir gehen nach
nebenan. Der Regieraum wirkt wie die Kommandozentrale eines Ufos. So kurz vor der
Sendung ist hier viel los. Letzte Proben. Hunderte Bildschirme und Kontrollknöpfe flackern
auf, an mindestens fünf Uhren wird die Zeit angezeigt.
34
22 Uhr: Gleich geht die Sendung los
Nur noch 15 Minuten bis zur Sendung. Alle sind angespannt. Rafael ist schon längst wieder
im Großraumbüro. Er kontrolliert den Ablauf der Sendung. Sind alle Berichte da? Stimmt die
Nummerierung? Passen Moderationen und Beiträge zueinander? Dann Musik. Claus Kleber
wünscht einen „Guten Abend“. Doch so richtig kann Rafael nicht zuhören. Während die
Nachrichten laufen, schaut er immer wieder auf seinen Computer. Hier bearbeitet er jetzt das
„heute journal plus“.
Seit anderthalb Jahren können sich die Zuschauer zusätzlich zur Sendung zahlreiche
Zusatzinformationen ansehen, die dort in das Video der Sendung integriert werden. „heute
journal plus“ nennt sich dieses Internetformat. Rafael war an der Entwicklung beteiligt: „Das
war so ein Projekt, bei dem ich mein Wissen als Online-Journalist einbringen konnte.“
Erklärberichte oder Landkarten tauchen dort auf, und Zuschauer können die Themen der
Sendung diskutieren. Über die heute.de-App des ZDF ist das heute journal so weltweit
empfangbar und deutlich umfangreicher als die halbstündige Fernsehsendung.
22.30 Uhr: Zum Abschluss gibt es Schelte im Flur
22.30 Uhr: Geschafft, die Sendung ist vorbei, die Anspannung lässt nach. Im Flur vor dem
Studio trifft sich das Team zur sogenannten „Flur-Schelte“. Bei dieser Kritik wird
besprochen, was gut war, was falsch lief und was dafür die Gründe waren. Heute war alles
gut. Feierabend. Nur für Rafael noch nicht. Bis das „heute journal plus“ fertig ist, wird er
noch etwas bleiben müssen.
Im Aufzug fahren wir mit Gundula Gause und Claus Kleber vom Studio zurück ins
Großraumbüro. Claus Kleber lächelt mich entspannt an: „Na, und? War doch nur halb so
wild, oder?“ Das kann man wohl nur sagen, wenn man schon seit Jahren in dieser Redaktion
arbeitet. Sonst ist das alles ziemlich aufregend. Rafael bestätigt: „Wenn man hier eines
entwickelt, dann ist es eine hohe Stresstoleranz.“ Tatsächlich hat jeder hier hunderte
Katastrophen miterlebt. Das schweißt das Team zusammen. Rafael und seine Kollegen
werden morgen an einer neuen Nachrichtensendung arbeiten. Um 8.30 Uhr fängt der
Frühredakteur mit der Planung an. Doch die endgültigen Themen der Sendung sind bis 21.45
Uhr unsicher. Routine gibt es im heute journal nicht. Keiner weiß, was in der Welt passieren
wird. Für Rafael ist das elementar: „Das macht es ja so spannend.“
Text & Fotos: Mirca Waldhecker | April 2013
35
Stefan Köhler ► Chef vom Dienst / SWR
Unser Team? Jung und anarchistisch!
Wenn der Papst durchdreht und wild tanzt, dann passiert das höchstwahrscheinlich in
der Redaktion von DASDING in Baden-Baden. In der Redaktion des jüngsten Radio-
Programms vom Südwestrundfunk (SWR) geht es um Musik und Lifestyle. Das
Programm ist rund um die Uhr in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz
empfangbar, dazu gibt es einen Live-Stream auf der Internetseite und eine eigene
Fernsehsendung. In der Redaktion geht es grundsätzlich turbulent zu – und mittendrin:
Stefan Köhler, der als Chef vom Dienst für „DASDING vor Ort“ für Ordnung sorgt.
Zumindest meistens.
J’Lo’s Hintern ist wichtig für die Jungs und Mädels von „DASDING“. Vor allem, wenn die
Popsängerin genau da zwei Kilo zunimmt. „Ich frag‘ mich echt, wie man das feststellt, gibt’s
da 'ne Extra-Waage, oder was?“ „Ja, da stellt man sich drauf, und dann gibt’s so spezielle
Sensoren…“ Themen-Konferenz in der Redaktion in Baden-Baden. Es geht um Musiker,
Foodsharing, Mai-Traditionen, das Ende des Netzwerks Schüler-VZ und um die Frage, wie
viele Muskeln bei Frauen sexy sind. Alle stehen mitten im Großraumbüro, wer vorträgt, ist
laut. Man merkt, das sind alles Radio-Moderatoren oder Live-Reporter. Ansagen klingen hier
so: „Uuuund jetzt: DIE NACHRICHTEN!“ Die Musik-Redaktion spielt mal eben den Trend-
Song des Tages ein, und überhaupt ist alles ausgesprochen locker, eben „Live. Laut. Lässig.“,
wie das Motto der Redaktion lautet. Und wenn durch das Internet ein Hype wie der Harlem
Shake geistert, dann macht das Team den auch gern mal mit.
36
Stefan koordiniert die Inhalte für die Internetseite
Glänzende Lederschuhe gibt es hier nicht zu sehen. Dafür abgewetzte Chucks, Turnschuhe,
Kapuzenpullis, Jeans. Stefan Köhler mit seinem Hemd unter dem Pulli wirkt schon fast
konservativ. Aber der 27-Jährige ist ja auch einer von denen, die hier für Ordnung
sorgen: „Ich koordiniere die Inhalte aus den Studios in Kaiserslautern, Mainz, Trier und
Koblenz. Was unsere Reporter dort produzieren, landet anschließend bei mir und dann auf
unserer Internetseite.“ Außer Stefan gibt es noch einen weiteren CvD, der für die Studios in
Baden-Württemberg zuständig ist. Die beiden sitzen zusammen mit der Online-Redakteurin
vom Dienst und dem Multimedia-Redakteur an einem Tisch.
Eine Konferenz jagt die nächste
Stefans Job bedeutet für ihn vor allem: an vielen Konferenzen teilnehmen. Um 8.55 Uhr geht
es los mit der ersten Telefonschalte mit den Studios, um 9 Uhr folgt die Absprache mit der
Redaktionsleitung und den Radio-CvDs, um 9.30 Uhr die große Redaktions-Konferenz, um
11 Uhr die Themen-Sitzung mit TV- und Wort-Chefs… und immer so weiter. Zum
Nachmittag hin trudeln die Audio-Stücke, Videos oder Bilder von den Reportern ein, und
Stefan sorgt dafür, dass sie an der richtigen Stelle im richtigen Kanal landen. „Das klingt so
simpel“, meint Stefan, „aber genau das ist es, was crossmediales Arbeiten für mich ausmacht.
Gemeinsam Themen besprechen und diese auf möglichst vielen Kanälen passend
veröffentlichen.“
Vor allem bunt: die Internetseite von DASDING.
„Ich kann mir keinen angenehmeren Arbeitsplatz vorstellen“
Außerdem checkt Stefan den ganzen Tag über Twitter und Nachrichten-Agenturen auf neue
Meldungen, überprüft Teaserbilder, formuliert Überschriften oder schreibt Texte um, damit
sie noch besser zum Image von DASDING passen. Zwischendrin wird er regelmäßig
abgelenkt von den Kollegen um ihn herum, die für ihr Leben gern Blödsinn machen und zum
Beispiel lustige Grimassen für die Web-Cam ziehen. Es ist eben ein junges Team, das mit viel
Spaß bei der Sache ist. Stefan fühlt sich hier extrem wohl: „Ich habe echt witzige Kollegen,
37
man könnte unser Team wohl als jung und anarchistisch beschreiben. Ich kann mir jedenfalls
keinen angenehmeren Arbeitsplatz vorstellen.“
Über einen Radio-Workshop kam Stefan zum Journalismus
Dabei wollte er sich ursprünglich ganz anderen Aspekten der Medienwelt widmen. Nach dem
Abitur 2005 bewarb er sich für das Studium „Medientechnologie“. Doch dann entdeckte er in
einer Zeitung eine Anzeige für einen Radio-Workshop in Königstein im Taunus. Es ging
darum, das Stadtfest multimedial zu begleiten, und Stefan leckte dabei ordentlich Blut. „Am
Ende hat mir der Leiter des Workshops ein Praktikum in der Multimediaredaktion der
Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau angeboten. Daraus wurde schließlich eine freie
Mitarbeit und schließlich ein Volontariat.“ Das Studium blies er ab und produzierte
stattdessen von 2007 bis 2009 in Frankfurt Radiobeiträge, Filme und Online-Inhalte, die bei
Hit Radio FFH ausgestrahlt wurden. „Meine Eltern fanden das ein bisschen seltsam, was ich
damals getrieben habe“, erinnert sich Stefan. „Der Redaktionsleiter ist sogar zu mir nach
Hause gekommen, um sie davon zu überzeugen, dass dieses Volontariat eine gute Idee ist.
Aber für mich hat sich dieser Weg immer richtig angefühlt.“
Stefan Köhler an seinem Arbeitsplatz.
Und dann kam die Liebe ins Spiel
Die Eltern gaben schließlich nach – und dann kam die Liebe ins Spiel. Bei einem der
Seminare für die Volontäre lernte Stefan seine Freundin kennen. „Da sie aus Karlsruhe kam,
wollte ich von da an natürlich in ihrer Nähe arbeiten. Allerdings hatte ich mich da schon
entschieden, nach dem Volontariat noch in Dieburg zu studieren. Also musste ich einen
Kompromiss finden.“ Von 2009 an pendelte Stefan also zwischen Dieburg und Baden-Baden,
wo er eine Woche pro Monat in der Redaktion von DASDING arbeitete. „Mein großes Glück
war, dass die Professoren an der Hochschule sehr verständnisvoll waren, wenn ich mal an
einem Kurs nicht teilnehmen konnte, weil ich arbeiten musste. Da sie alle selbst Journalisten
38
waren und wussten, wie flexibel man da zuweilen sein muss, haben sie mir viel Freiheit
gelassen. Das habe ich mit am meisten geschätzt in diesem Studium.“
Die Zeit bei „DASDING“ ist begrenzt
Seine Praxisphase absolvierte Stefan ebenfalls beim SWR in Baden-Baden. In dieser Zeit
durchlief er alle Stationen, vom Radio bis zur Online-Redaktion. Als er dann Mitte 2012
seinen Bachelor-Abschluss in der Tasche hatte, bot ihm der SWR eine Stelle als Radio-CvD
an. Nach einem halben Jahr auf dieser Position bewarb er sich als CvD für DASDING vor
Ort. Für Stefan ist es die die ideale Position, um seine Kenntnisse aus den Bereichen Radio
und Online zu kombinieren. „Natürlich werde ich hier nicht ewig bleiben können, denn
irgendwann ist man zu alt, um in einer Redaktion zu arbeiten, deren Zielgruppe zwischen 14
und 29 Jahre alt ist. Aber im Moment ist alles so super, da denke nicht über die ferne Zukunft
nach.“
In diesem Gebäude in Baden-Baden sitzt die Redaktion von DASDING. Davor steht das mobile
Hörfunk-Studio, ein auffälliger Bus.
„Jeder muss seinen ganz eigenen Weg finden“
Angehenden Journalisten, die sich für das Medium Radio interessieren, kann Stefan ein
Praktikum bei DASDING nur empfehlen: „Man hat hier sehr viele Möglichkeiten sich
auszuprobieren, vom Moderatoren-Job bis zum Reporter, und es ist eine gute Chance, bei
einem öffentlich-rechtlichen Sender einen Fuß in die Tür zu kriegen.“ Und wenn Stefan in
seiner Ausbildungszeit eins gelernt hat, dann dass es zwingend notwendig ist, praktische
Erfahrungen zu sammeln und sich auszuprobieren: „Es gibt keinen festgeschriebenen Weg.
Jeder muss seinen ganz eigenen Weg finden und die Möglichkeiten nutzen, die sich ihm
bieten.“
Text & Fotos: Mirca Waldhecker | Mai 2013

Contenu connexe

Similaire à OJ Absolventen

MCM Marketing Centrum Münster-news auszug mit tui und ibm artikel april 2012
MCM Marketing Centrum Münster-news auszug mit tui und ibm artikel april 2012MCM Marketing Centrum Münster-news auszug mit tui und ibm artikel april 2012
MCM Marketing Centrum Münster-news auszug mit tui und ibm artikel april 2012Friedel Jonker
 
Mit Social Media die digitalisierten Bestände bewerben
Mit Social Media die digitalisierten Bestände bewerbenMit Social Media die digitalisierten Bestände bewerben
Mit Social Media die digitalisierten Bestände bewerbenMarkus Trapp
 
Web Literacy in der Lehre - Erfahrungen und Beispiele
Web Literacy in der Lehre - Erfahrungen und BeispieleWeb Literacy in der Lehre - Erfahrungen und Beispiele
Web Literacy in der Lehre - Erfahrungen und BeispieleThomas Pleil
 
Impulse 10 Jahre „Medianetz Trier“
Impulse 10 Jahre „Medianetz Trier“Impulse 10 Jahre „Medianetz Trier“
Impulse 10 Jahre „Medianetz Trier“Björn Rohles
 
Angebot Zertifikatsprogramm WS 12/13
Angebot Zertifikatsprogramm WS 12/13Angebot Zertifikatsprogramm WS 12/13
Angebot Zertifikatsprogramm WS 12/13BennoV23
 
eAustausch Giessen-Hongkong. Die Lernerperspektive
eAustausch Giessen-Hongkong. Die LernerperspektiveeAustausch Giessen-Hongkong. Die Lernerperspektive
eAustausch Giessen-Hongkong. Die Lernerperspektivetushk
 
Grell 2019 Bildung im Kontext der Digitalisierung - Veränderungen verstehen u...
Grell 2019 Bildung im Kontext der Digitalisierung - Veränderungen verstehen u...Grell 2019 Bildung im Kontext der Digitalisierung - Veränderungen verstehen u...
Grell 2019 Bildung im Kontext der Digitalisierung - Veränderungen verstehen u...Petra Grell
 
Angebot zertifikatsprogramm ws 12-13_final
Angebot zertifikatsprogramm ws 12-13_finalAngebot zertifikatsprogramm ws 12-13_final
Angebot zertifikatsprogramm ws 12-13_finalBennoV23
 
Grell Regionalkonferenz der Weiterbildung Düsseldorf 9 Okt. 2019
Grell Regionalkonferenz der Weiterbildung Düsseldorf 9 Okt. 2019Grell Regionalkonferenz der Weiterbildung Düsseldorf 9 Okt. 2019
Grell Regionalkonferenz der Weiterbildung Düsseldorf 9 Okt. 2019Petra Grell
 
Senioren ans Netz - Ein Silversurfer Imagefilm
Senioren ans Netz - Ein Silversurfer ImagefilmSenioren ans Netz - Ein Silversurfer Imagefilm
Senioren ans Netz - Ein Silversurfer ImagefilmThomas Hoffmann
 
Arbeitsheft zu "Gratis Online Lernen" (2016, Edition LISUM) - #GOL16
Arbeitsheft zu "Gratis Online Lernen" (2016, Edition LISUM) - #GOL16Arbeitsheft zu "Gratis Online Lernen" (2016, Edition LISUM) - #GOL16
Arbeitsheft zu "Gratis Online Lernen" (2016, Edition LISUM) - #GOL16Sandra Schön (aka Schoen)
 
Studentische Beteiligung online ermöglichen (didaktische Sicht)
Studentische Beteiligung online ermöglichen (didaktische Sicht)Studentische Beteiligung online ermöglichen (didaktische Sicht)
Studentische Beteiligung online ermöglichen (didaktische Sicht)Ass.-Prof. Dr. Sandra Hofhues
 
Exposé zur Master Thesis
Exposé  zur Master ThesisExposé  zur Master Thesis
Exposé zur Master Thesisheiko.vogl
 
Vom Archiv in die Kopfhörer. Der Einsatz von Podcasts zur Wissensvermittlung
Vom Archiv in die Kopfhörer. Der Einsatz von Podcasts zur Wissensvermittlung Vom Archiv in die Kopfhörer. Der Einsatz von Podcasts zur Wissensvermittlung
Vom Archiv in die Kopfhörer. Der Einsatz von Podcasts zur Wissensvermittlung Nele Heise
 

Similaire à OJ Absolventen (20)

MCM Marketing Centrum Münster-news auszug mit tui und ibm artikel april 2012
MCM Marketing Centrum Münster-news auszug mit tui und ibm artikel april 2012MCM Marketing Centrum Münster-news auszug mit tui und ibm artikel april 2012
MCM Marketing Centrum Münster-news auszug mit tui und ibm artikel april 2012
 
Wozu (digitale) Medien in der Lehre?
Wozu (digitale) Medien in der Lehre?Wozu (digitale) Medien in der Lehre?
Wozu (digitale) Medien in der Lehre?
 
Digitale Medien für Studium und Lehre
Digitale Medien für Studium und LehreDigitale Medien für Studium und Lehre
Digitale Medien für Studium und Lehre
 
Mit Social Media die digitalisierten Bestände bewerben
Mit Social Media die digitalisierten Bestände bewerbenMit Social Media die digitalisierten Bestände bewerben
Mit Social Media die digitalisierten Bestände bewerben
 
ScienceWednesday im Sommersemester 2014
ScienceWednesday im Sommersemester 2014ScienceWednesday im Sommersemester 2014
ScienceWednesday im Sommersemester 2014
 
Ws09 manuel fuchs_de
Ws09 manuel fuchs_deWs09 manuel fuchs_de
Ws09 manuel fuchs_de
 
Web Literacy in der Lehre - Erfahrungen und Beispiele
Web Literacy in der Lehre - Erfahrungen und BeispieleWeb Literacy in der Lehre - Erfahrungen und Beispiele
Web Literacy in der Lehre - Erfahrungen und Beispiele
 
Impulse 10 Jahre „Medianetz Trier“
Impulse 10 Jahre „Medianetz Trier“Impulse 10 Jahre „Medianetz Trier“
Impulse 10 Jahre „Medianetz Trier“
 
Angebot Zertifikatsprogramm WS 12/13
Angebot Zertifikatsprogramm WS 12/13Angebot Zertifikatsprogramm WS 12/13
Angebot Zertifikatsprogramm WS 12/13
 
eAustausch Giessen-Hongkong. Die Lernerperspektive
eAustausch Giessen-Hongkong. Die LernerperspektiveeAustausch Giessen-Hongkong. Die Lernerperspektive
eAustausch Giessen-Hongkong. Die Lernerperspektive
 
Medien. Machen. Schule. (Kongress 'Kids & Marke')
Medien. Machen. Schule. (Kongress 'Kids & Marke')Medien. Machen. Schule. (Kongress 'Kids & Marke')
Medien. Machen. Schule. (Kongress 'Kids & Marke')
 
Grell 2019 Bildung im Kontext der Digitalisierung - Veränderungen verstehen u...
Grell 2019 Bildung im Kontext der Digitalisierung - Veränderungen verstehen u...Grell 2019 Bildung im Kontext der Digitalisierung - Veränderungen verstehen u...
Grell 2019 Bildung im Kontext der Digitalisierung - Veränderungen verstehen u...
 
Angebot zertifikatsprogramm ws 12-13_final
Angebot zertifikatsprogramm ws 12-13_finalAngebot zertifikatsprogramm ws 12-13_final
Angebot zertifikatsprogramm ws 12-13_final
 
Smcdu skompakt 1-15
Smcdu skompakt 1-15Smcdu skompakt 1-15
Smcdu skompakt 1-15
 
Grell Regionalkonferenz der Weiterbildung Düsseldorf 9 Okt. 2019
Grell Regionalkonferenz der Weiterbildung Düsseldorf 9 Okt. 2019Grell Regionalkonferenz der Weiterbildung Düsseldorf 9 Okt. 2019
Grell Regionalkonferenz der Weiterbildung Düsseldorf 9 Okt. 2019
 
Senioren ans Netz - Ein Silversurfer Imagefilm
Senioren ans Netz - Ein Silversurfer ImagefilmSenioren ans Netz - Ein Silversurfer Imagefilm
Senioren ans Netz - Ein Silversurfer Imagefilm
 
Arbeitsheft zu "Gratis Online Lernen" (2016, Edition LISUM) - #GOL16
Arbeitsheft zu "Gratis Online Lernen" (2016, Edition LISUM) - #GOL16Arbeitsheft zu "Gratis Online Lernen" (2016, Edition LISUM) - #GOL16
Arbeitsheft zu "Gratis Online Lernen" (2016, Edition LISUM) - #GOL16
 
Studentische Beteiligung online ermöglichen (didaktische Sicht)
Studentische Beteiligung online ermöglichen (didaktische Sicht)Studentische Beteiligung online ermöglichen (didaktische Sicht)
Studentische Beteiligung online ermöglichen (didaktische Sicht)
 
Exposé zur Master Thesis
Exposé  zur Master ThesisExposé  zur Master Thesis
Exposé zur Master Thesis
 
Vom Archiv in die Kopfhörer. Der Einsatz von Podcasts zur Wissensvermittlung
Vom Archiv in die Kopfhörer. Der Einsatz von Podcasts zur Wissensvermittlung Vom Archiv in die Kopfhörer. Der Einsatz von Podcasts zur Wissensvermittlung
Vom Archiv in die Kopfhörer. Der Einsatz von Podcasts zur Wissensvermittlung
 

Plus de mediencampus (h_da Darmstadt University of Applied Sciences)

Plus de mediencampus (h_da Darmstadt University of Applied Sciences) (20)

Der neue Studiengang Onlinekommunikation
Der neue Studiengang OnlinekommunikationDer neue Studiengang Onlinekommunikation
Der neue Studiengang Onlinekommunikation
 
Der neue Studiengang Onlinekommunikation
Der neue Studiengang OnlinekommunikationDer neue Studiengang Onlinekommunikation
Der neue Studiengang Onlinekommunikation
 
Compliance Studie
Compliance StudieCompliance Studie
Compliance Studie
 
Fachbereichsflyer Media Hochschule Darmstadt
Fachbereichsflyer Media Hochschule DarmstadtFachbereichsflyer Media Hochschule Darmstadt
Fachbereichsflyer Media Hochschule Darmstadt
 
Mediencampus: Info für Studienanfänger
Mediencampus: Info für StudienanfängerMediencampus: Info für Studienanfänger
Mediencampus: Info für Studienanfänger
 
Course Information Animation and Game
Course Information Animation and GameCourse Information Animation and Game
Course Information Animation and Game
 
STATION HEIMAT - Medien | Landschaften | Umwelten
STATION HEIMAT - Medien | Landschaften | UmweltenSTATION HEIMAT - Medien | Landschaften | Umwelten
STATION HEIMAT - Medien | Landschaften | Umwelten
 
ScienceWednesday im Wintersemester 2014/15
ScienceWednesday im Wintersemester 2014/15ScienceWednesday im Wintersemester 2014/15
ScienceWednesday im Wintersemester 2014/15
 
Studieninformation Onlinekommunikation
Studieninformation OnlinekommunikationStudieninformation Onlinekommunikation
Studieninformation Onlinekommunikation
 
Studieninformation Master Medienentwicklung
Studieninformation Master MedienentwicklungStudieninformation Master Medienentwicklung
Studieninformation Master Medienentwicklung
 
Studieninformation Master Leadership in the Creative Industries
Studieninformation Master Leadership in the Creative IndustriesStudieninformation Master Leadership in the Creative Industries
Studieninformation Master Leadership in the Creative Industries
 
CommunicationCamp 2014: Das Barcamp für Teilzeithelden
CommunicationCamp 2014: Das Barcamp für TeilzeitheldenCommunicationCamp 2014: Das Barcamp für Teilzeithelden
CommunicationCamp 2014: Das Barcamp für Teilzeithelden
 
Torsten Schaefer: Die Krise der Auslandsrecherche
Torsten Schaefer: Die Krise der AuslandsrechercheTorsten Schaefer: Die Krise der Auslandsrecherche
Torsten Schaefer: Die Krise der Auslandsrecherche
 
Erstsemestereinfuehrung am Mediencampus im WS 2013/14
Erstsemestereinfuehrung am Mediencampus im WS 2013/14Erstsemestereinfuehrung am Mediencampus im WS 2013/14
Erstsemestereinfuehrung am Mediencampus im WS 2013/14
 
Studieninformation Medienentwicklung
Studieninformation MedienentwicklungStudieninformation Medienentwicklung
Studieninformation Medienentwicklung
 
Erasmustag Dieburg
Erasmustag DieburgErasmustag Dieburg
Erasmustag Dieburg
 
Master: Leadership in the Creative Industries
Master: Leadership in the Creative IndustriesMaster: Leadership in the Creative Industries
Master: Leadership in the Creative Industries
 
ScienceWednesday im Sommersemester 2013
ScienceWednesday im Sommersemester 2013ScienceWednesday im Sommersemester 2013
ScienceWednesday im Sommersemester 2013
 
Studieninformation Sound & Music Production
Studieninformation Sound & Music ProductionStudieninformation Sound & Music Production
Studieninformation Sound & Music Production
 
Studieninformation Interactive Media Design
Studieninformation Interactive Media DesignStudieninformation Interactive Media Design
Studieninformation Interactive Media Design
 

OJ Absolventen

  • 1. PDF-Version des Online-Dossiers „Alles, nur nicht klassisch – Karrierewege von OJ-Absolventen“ Bachelorarbeit 2013 von Mirca Waldhecker Studiengang Online-Journalismus Betreuer: Prof. Dr. Thomas Pleil
  • 2. 2 Einführung Was studierst du denn? – Online-Journalismus. – Aha, und was macht man da anders als beim normalen Journalismus? – Aaalso… Dieses Gespräch habe ich in den letzten drei Jahren oft geführt. Kaum jemand kann sich etwas Konkretes unter Online-Journalismus vorstellen. Verwirrung herrscht auch, was die späteren Arbeitsplätze von Absolventen des Studiengangs Online-Journalismus angeht. Deshalb habe ich beschlossen, mit meiner Bachelorarbeit Licht ins Dunkel zu bringen. Bis zum Sommersemester 2013 haben 354 Absolventen den Studiengang Online- Journalismus abgeschlossen. In diesem Multimedia-Dossier lernen Sie acht dieser Absolventen kennen. Ich habe sie an ihren Arbeitsplätzen besucht und zu ihrem Berufsleben ausgefragt. Alle haben nach dem Studium ganz unterschiedliche Richtungen eingeschlagen. Kersten Riechers etwa hat zusammen mit Kommilitonen eine Agentur gegründet, Julia Schmid hat sich als Videojournalistin selbstständig gemacht, und Rafael Bujotzek arbeitet als Redakteur und Reporter für das ZDF. Keiner von ihnen hat den ehemals klassischen Weg beschritten, der viele Jahre so aussah: Studium, Volontariat, Redakteursstelle.
  • 3. 3 Außerdem habe ich den Leiter des Studiengangs, Professor Dr. Lorenz Lorenz-Meyer, zur Entwicklung des Studiengangs und zu den Berufschancen der Absolventen befragt. Er ist überzeugt: „Wenn man hier eine gute Ausbildung hinlegt, sich wirklich reinhängt, sich engagiert und die Chancen wahrnimmt, die wir Ihnen anbieten, ist es fast ausgeschlossen, dann irgendwo als Hartz IV-Empfänger zu enden, denn was wir hier ausbilden, ist genau das Segment, das weiterhin in großem Maßstab nachgefragt wird.“ Ich wünsche viel Spaß beim Lesen – und freue mich über Feedback! Mirca Waldhecker Mai 2013 Zur Autorin Mirca Waldhecker schließt mit diesem Dossier ihr Journalismus-Studium an der Hochschule Darmstadt ab. Davor hat sie bei der Allgemeinen Zeitung Mainz volontiert und eine Ausbildung zur Mediengestalterin für Digital- und Printmedien bei der Axel Springer AG gemacht. Während des Studiums hat sie unter anderem für das Internetportal T-Online, die Zeitschrift Brigitte, den NDR Lübeck und das Darmstädter Echo gearbeitet. Privat bloggt sie unter www.wichtigwitzigwunderlich.wordpress.com.
  • 4. 4 Interview „Wenn man hier eine gute Ausbildung hinlegt, sich wirklich reinhängt, sich engagiert und die Chancen wahrnimmt, die wir Ihnen anbieten, ist es fast ausgeschlossen, dann irgendwo als Hartz IV-Empfänger zu enden, denn was wir hier ausbilden, ist genau das Segment, das weiterhin in großem Maßstab nachgefragt wird.“ Prof. Dr. Lorenz Lorenz-Meyer | Foto: Tobias Krebs Ein Interview mit Prof. Dr. Lorenz Lorenz-Meyer, Leiter des Studiengangs Online- Journalismus, zur Entwicklung des Studiengangs und des Mediencampus Dieburg sowie den Berufschancen der Absolventen. Mirca Waldhecker: Herr Lorenz-Meyer, den Studiengang Online-Journalismus gibt es seit 2001, seit 2004 sind Sie als Professor dabei, seit Ende 2012 sind Sie der Leiter des Studiengangs. Sind Sie zufrieden damit, wie sich der Studiengang entwickelt hat? Prof. Dr. Lorenz Lorenz-Meyer: Ja, unbedingt. Ich glaube, dass es uns gelungen ist, aus einem Nischenprodukt einen wichtigen Player zu machen. Als wir angefangen haben, waren wir mehr oder weniger die Einzigen, die Online-Journalismus als Studiengang angeboten haben. Etwas später kam der Studiengang Online-Redakteur in Köln hinzu, aber ansonsten gab es keine Ausbildungsgänge, die speziell auf das Internet als Plattform fokussiert haben. Insofern waren wir schon was Besonderes. Allerdings waren wir auch in vielerlei Hinsicht sehr unerfahren. Der Studiengang griff zwar aktuelle Entwicklungen auf, aber man hatte noch nicht ganz die richtigen Lehrbeauftragten beisammen, das Curriculum stimmte noch nicht hundertprozentig. Was man jetzt beobachten kann, ist, dass die Sachen sich von Jahrgang zu Jahrgang zurechtgeruckelt haben und besser geworden sind. Und dadurch, dass dann auch die ersten Absolventen rausgegangen sind und die Branche mitgekriegt hat: „Oh, da kommen Leute, die kennen und können Sachen, die andere nicht können“, haben wir mit der Zeit auch noch stärker motivierte Bewerber bekommen. Das heißt, dass auf ganz vielen Ebenen
  • 5. 5 Verbesserungsprozesse stattgefunden haben. Ich glaube auch, dass es uns durch die Verzahnung mit der Praxis in den Semesterprojekten und durch die berufspraktische Phase, diese ständige Interaktion zwischen den Studierenden und dem tatsächlichen Arbeitsmarkt, gelungen ist, dass die Organisation als Ganze gelernt hat. Das ist das, worauf ich wirklich stolz bin, dass wir diese Chance nicht an uns haben vorbeiziehen lassen, sondern in dem Maß, das für uns möglich war, tatsächlich wahrgenommen haben. Der Studiengang hat auch davon profitiert, dass Professoren und Lehrbeauftragte aus der Praxis kommen. Sie waren vorher beim Spiegel, Professor Peter Schumacher bei der F.A.Z., wen gibt es da noch? Friederike Herrmann war beim Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatt (Anmerkung: Friederike Herrmann ist zum Wintersemester an die Katholische Universität Eichstätt- Ingolstadt gewechselt), Annette Leßmöllmann bei Spektrum – die Ausschreibungen bei Fachhochschulprofessoren sehen ja regulär vor, dass man Berufspraxis außerhalb der Hochschule vorzuweisen hat. Dieser Teil des Erfolgs hängt also auch am Konzept Fachhochschule, dass die Praktiker in der Lehre eine größere Rolle spielen. Auf der anderen Seite muss man dann darauf achten, dass die Wissenschaft und die Forschung nicht zu kurz kommen. Aber auch da sind inzwischen mit der Gründung des Instituts für Kommunikation und Medien und verschiedenen Forschungsprojekten Spielräume entstanden, die es in den ersten vier, fünf Jahren so noch nicht gegeben hat. Und nochmal zur Frage Stolz, ich glaube, dass wir inzwischen eine bundesweite Reputation haben. Man kennt uns und man sieht, hier werden Inhalte gelehrt, die relevant und aktuell sind, und es kommen Leute dabei raus, die man sehr breit einsetzen kann – von der alltäglichen Redaktions- und Kommunikationsarbeit bis hin zur Konzeption und Entwicklung. Welches waren denn die ersten Kooperationen oder Praxisprojekte? Es gab schon sehr früh ein Projekt mit GEO, darauf waren die am Anfang auch sehr stolz. Es gab ein Projekt mit dem Landkreis Darmstadt-Dieburg und es gab relativ früh Projekte mit der lokalen Industrie wie zum Beispiel Merck. Mein zweites Semesterprojekt im Winter 2004 war ein Dossier für das Blog www.onlinejournalismus.de. Da ging es um den Einsatz von Blogs im Journalismus und Social Media, die zu der Zeit noch ein bisschen anders aussahen. Twitter gab es damals noch nicht, und Facebook war gerade erst gegründet worden, stattdessen ging es um Wikis und Blogs. Das war unser erstes journalismustheoretisches Projekt, wo die Studenten versucht haben, Guidelines darüber zu schreiben, wie Redaktionen Social Media einsetzen können. Diese Projekte, in denen die Studierenden vieles selbst entwickeln, machen offenbar auch sehr selbstständig, wenn man sich anschaut, wie viele Studierende nach dem Abschluss eigene Projekte starten oder sogar Unternehmen gründen. Ja, ich habe beobachtet, dass diejenigen nach dem Abschluss des Studiums bei der Job-Suche am erfolgreichsten sind, die schon während des Studiums eigene Projekte vorangetrieben haben. Da spielen auch Blogs eine große Rolle. Seit wir die Studenten sehr früh dazu bringen, eigene Blogs einzurichten, finden viele schon während des Studiums eine Plattform, wo sie sich ausprobieren können, wo sie Themenpflege, Themenfindung, Recherche und Schreiben auf eine Weise praktizieren, dass ihnen diese Erfahrungen nachher in der Bewerbungssituation tatsächlich helfen.
  • 6. 6 Wie kam es denn überhaupt zur Gründung des Studiengangs? Der Studiengang ist in einem Fachbereich gegründet worden, der damals noch Sozial- und Kulturwissenschaften (SuK) hieß. Und dieser Fachbereich hat eine Art „Studium Generale“ für die Ingenieure angeboten… Die Ingenieure? Ja, man war der Meinung – und das galt für alle hessischen Fachhochschulen – dass diese ganzen technischen Berufe auch etwas von Politik, Gesellschaft und Kultur verstehen sollten. Deshalb hat man die Studenten dazu verdonnert, Seminare aus den sozial- und kulturwissenschaftlichen Fachbereichen zu besuchen, wo es dann um politische, gesellschaftliche oder ethische Themen ging. Dieses sogenannte „Begleitstudium“ ist im Laufe der Zeit zunehmend unter Druck geraten, an anderen Hochschulen wurde es sogar abgewickelt. Der Fachbereich an der Hochschule Darmstadt musste ebenfalls seine Existenz rechtfertigen, und es wurden die zwei Studiengänge Informationsrecht und Online- Journalismus gegründet mit dem Ehrgeiz, Zukunftsthemen zu besetzen und sich schick und fancy und sexy zu präsentieren. Tatsächlich hat das Präsidium dann den Studiengang Online- Journalismus dem Fachbereich SuK weggenommen und in den Fachbereich Media verpflanzt. So sind wir hier in dieser etwas anderen und wahrscheinlich insgesamt auch passenderen Umgebung gelandet. Es muss doch unheimlich spannend und schön sein, als Professor in einem Fachbereich und Studiengang zu arbeiten, der sich permanent so stark entwickelt. Das ist doch eine wahnsinnige Herausforderung, oder? Ja, das macht schon Spaß, aber auf der anderen Seite stehen dem gelegentlich auch Widerstände entgegen. Da gibt es diese Schwerpunktskulturen, also diese kleinen Netzwerke, die sich ziemlich abschotten und gerne unter sich bleiben. Das muss man überwinden. Friederike Herrmann hat das in ihrer Zeit als Studiengangsleiterin sehr gut gemacht, die hat ziemlich viel aufgebohrt an solchen versteckten Mauern zwischen den Fachgebieten und Studienschwerpunkten. Das aktuelle Dekanat arbeitet ebenfalls intensiv an einer Integration. Und wir setzen das mit Projekten wie Zeitraum TV fort. Gibt es denn sonst schon konkrete Pläne für die Zukunft des Studiengangs? Wir führen im Moment sehr konkrete Gespräche, was damit zu tun hat, dass der Bachelor- Studiengang Online-Journalismus reakkreditiert werden muss. Die Reakkreditierung ist eine Art Sollbruchstelle, an der man Dinge neu aufsetzen kann. Wir überlegen derzeit, Wissenschaftsjournalismus und Online-Journalismus unter ein Dach zu bringen, also einen Bachelor-Studiengang Journalismus anzubieten, in dem man verschiedene Vertiefungsschwerpunkten wählen kann. Also PR, Wissenschaft und Online? Nein, der bisherige PR-Schwerpunkt wird im Zuge des Hochschulpakts 2020 zusammen mit dem Schwerpunkt Online-Marketing aus der Informationswissenschaft ein eigener Studiengang werden. Der wird Online-Kommunikation heißen und wird dann auch etwas größer als der jetzige PR-Schwerpunkt. Damit hat dann Professor Thomas Pleil die Möglichkeit, seine Projekte mehr auf eigene Füße zu stellen.
  • 7. 7 Kann man schon sagen, wann das passieren wird? Der neue Studiengang geht im Jahr 2014 an den Start. Das heißt, Sie werden noch ein paar Jahre weiter Personal suchen? Ja, wir sind ununterbrochen dabei. Derzeit haben wir drei Berufungskommissionen für die Professuren im Bereich Online-Kommunikation aufgesetzt. Und wie genau soll sich der Studiengang Online-Journalismus in Zukunft entwickeln? Wenn wir die PR mal ausklammern ist es so, dass wir am Mediencampus eine Form von Journalismus ausbilden, die universeller ist als reiner Online-Journalismus. Die Online- Kompetenz gehört zum Journalismus-Beruf überhaupt dazu, ob es nun um Fernsehjournalisten geht oder um Printjournalisten oder was auch immer. Unsere Absolventen müssen nicht zwangsläufig in einer Online-Redaktion arbeiten. Insofern haben wir hier so eine Gesamtidee von Journalismus, die diese verschiedenen Ausspielplattformen und –kanäle umfasst und in einer Art crossmedialem Gesamtgefüge sieht. Das wollen wir perspektivisch noch mehr herausstellen, indem wir – also das ist jetzt noch nicht in trockenen Tüchern, aber da gehen wir hin – indem wir sagen, es gibt einen Studiengang Journalismus, und dann gibt es eine Vertiefungsrichtung Wissenschaftsjournalismus, eine Vertiefungsrichtung Social Media/Online und vielleicht noch weitere. Ich kann mir zum Beispiel vorstellen, dass man den Wissenschaftsjournalismus weiterentwickelt in Richtung Datenjournalismus, Umgang mit großen Datenmengen, Visualisierung, was im Moment auch sehr gefragt ist. Wenn man sich die Absolventen bisher ansieht, kann man schon sehen, dass es nach diesem Studium sehr vielfältige Arbeitsmöglichkeiten gibt. Welche Studenten haben Sie denn mit ihren späteren Jobs überrascht? Es überrascht mich nicht, wenn jemand eine gute Stelle findet. Interessant ist, dass relativ viele Leute aus dem dritten Jahrgang im Video-Bereich gelandet sind, die haben da so ein Interesse mitgebracht. Viele Absolventen von uns arbeiten heute auch bei T-Online oder beim Hessischen Rundfunk. Wir haben Leute bei der F.A.Z., wie Florian Siebeck, dann Leute wie Daniel Rehn im PR-Bereich bei „achtung!“ oder Jan Söfjer, der sich als freier Journalist profiliert hat, und Volker Bonacker, der als Spiele-Journalist sehr erfolgreich bei T-Online gearbeitet hat… ich tue da sicher ganz vielen Unrecht, die ich jetzt vergesse, es sind wirklich viele, die in interessanten Bereichen gelandet sind. Sind Sie denn zufrieden mit der Resonanz der Medien-Branche auf die Absolventen? Ja, wir hören sehr viel Positives. Wir sind noch nicht am Ziel, haben jetzt noch nicht den Ruf, den eine Henri-Nannen-Schule hat. Aber das ist auch eine ganz andere Art von Ausbildung, weil wir als offener Studiengang im Gegensatz zur Henri-Nannen-Schule nicht sagen, wir nehmen nur die Leute, die unsere 137 Quizfragen mit 1A beantworten, sondern es kommen Leute mit sehr unterschiedlichen Vorstellungen und auch sehr unterschiedlichen Motivationslagen hier an, die teilweise auch noch nicht genau wissen, wo sie hin wollen. Das alles mal vorausgesetzt, finde ich, wir machen einen sehr guten Job, und die Branche – gerade die, die uns kennen – reagiert sehr positiv, und damit können wir sehr zufrieden sein.
  • 8. 8 Das ist ja was sehr Schönes an diesem Studiengang, dass es hier gewisse Grundkurse gibt, aber man von da aus viele Möglichkeiten hat, sich durch Zusatz-Kurse und Projekte seine Richtung zu suchen. Wir waren eigentlich immer ein bisschen unzufrieden damit, dass wir zu wenig Wahlpflichtveranstaltungen anbieten können, dass die Slots für die Electives nicht so groß sind. Aber wie Sie gerade gesagt haben, ich glaube, die größte Wahlfreiheit besteht tatsächlich in den Projekten. Da haben die Leute sehr viele Möglichkeiten, sich ihren Interessen entsprechend zu engagieren, von der Technik über das Projektmanagement bis hin zum eigentlichen Schreiben. Was auch immer mehr dazukommt, was ich ganz toll finde, ist das Interesse für die fotografische Seite, für den Fotojournalismus. Es gibt viele Leute hier im Studiengang, die gerne fotografieren, und die in den Projekten zunehmend fotografische Kompetenz als journalistische Kompetenz mit einbringen. Wir kriegen in den Projekten immer bessere Bilder, und die Leute gehen immer selbstbewusster an diese Aufgabe ran. Warum sollten die Leute außerdem noch zum Mediencampus kommen? Zunächst ist der Mediencampus mal ein Möglichkeitsraum mit vielen Vorteilen: Platz, Ruhe und hervorragender Ausstattung. Er hat natürlich auch den Standortnachteil, das muss man ganz klar sagen, und da bin ich nicht bereit, nur das Loblied zu singen. Es wäre nicht ganz so schlimm, wenn man eine S-Bahn-Anbindung nach Frankfurt hätte oder wenigstens nach Darmstadt. Das ist wirklich unser Handicap. Aber wenn man davon absieht, haben wir hier Arbeitsbedingungen, von denen andere Hochschulen und Universitäten nur träumen. Und ich glaube auch, dass die Fachbereichsumgebung mit diesen anderen Schwerpunkten, die ganz andere Sachen machen, Game-Design, Sound-Experimente, Dokumentarfilme und so, dass die sehr anregend ist, was von den Studenten auch immer mehr wahrgenommen wird. Hat man nicht Sorge, wenn man die Leute in die Arbeitswelt rausschickt, während der Journalismus so eine unsichere Zukunft hat? Nein, überhaupt nicht. Das ist genau der Punkt. Wir schicken die Leute mit einem so auf die Zukunftsmärkte geschärften Profil raus – ich meine, wir können natürlich für niemanden garantieren, dass er einen Job findet. Aber wenn er keinen findet, liegt das normalerweise eher an der persönlichen Performance als am Studiengangsprofil. Wenn man hier eine gute Ausbildung hinlegt, sich wirklich reinhängt, sich engagiert und die Chancen wahrnimmt, die wir Ihnen anbieten, ist es fast ausgeschlossen, dann irgendwo als Hartz IV-Empfänger zu enden, denn was wir hier ausbilden, ist genau das Segment, das weiterhin in großem Maßstab nachgefragt wird. Das Interview wurde im April 2013 geführt.
  • 9. 9 Die Absolventen Kersten Riechers ► Geschäftsführer quäntchen+glück Julia Schmid ► selbstständige Videojournalistin Daniel Rehn ► Junior Account Manager bei „achtung!“ Pia Sue Helferich ► Projektmanagerin & angehende Doktorandin Florian Siebeck ► Freier Journalist bei der F.A.Z. Sabine Stromberger ► Eventmanagerin bei Seat Rafael Bujotzek ► Redakteur und Reporter beim ZDF Stefan Köhler ► Chef vom Dienst bei „DASDING“
  • 10. 10 Kersten Riechers ► Geschäftsführer Kersten Riechers vor dem Büro von quäntchen+glück. Foto: Waldhecker Plötzlich Geschäftsführer: Geplant war das so nicht Kersten Riechers wirkt gelassen und fröhlich. Das wird nicht nur an seinem Job liegen. Aber ganz bestimmt auch, denn er arbeitet in einer jungen Agentur für Online- Kommunikation und PR, die er zusammen mit Kommilitonen gegründet hat. Und wenn man auf die Geschichte von „quäntchen + glück“ schaut, erklärt sich schnell, warum der 26-Jährige so gute Laune hat, wenn er von der Entstehung des Unternehmens berichtet. Schon im ersten Semester am Mediencampus juckte es ein paar der Jung- Journalisten gewaltig in den Fingern. Sie wollten recherchieren, schreiben, gestalten, irgendwo mitmischen im Medienzirkus. Allerdings fanden sie kein Unternehmen, in dem sie ihre Kreativität hätten austoben können. So gründeten sie kurzerhand selbst eins: den „darmspiegel Verlag“. Unter diesem Namen entstand zuerst ein innovatives Studentenmagazin, später ein ganzes Buch, in dem die Studenten vom Darmstädter Nachtleben berichteten – quer durch Blumenbeete, Schlafzimmer und Spelunken. „Beim darmspiegel waren wir 13 Leute, stundenlang saßen wir in einem Wohnzimmer zusammen, diskutierten in dieser großen Runde jedes kleinste Detail unserer Texte – das war Irrsinn“, erinnert sich Kersten. Nachdem das Buch „nachts in darmstadt“ erschienen war, splittete sich die ursprüngliche Gruppe auf, es entstanden neue Projekte. Was die jungen Leute damals nicht mehr los ließ, war diese Ahnung davon, wie schön es sein kann, der eigene Chef zu sein, kreative Freiheit zu leben und selbst die Grenzen des Machbaren zu setzen.
  • 11. 11 Außerdem hatten sie durch ihre Online-Aktivitäten rund um den „darmspiegel“ und das Nacht-Projekt derart viel Aufmerksamkeit erregt, dass nun die Unternehmen auf sie zukamen. „Die fragten: Hey, wollt ihr nicht was für uns machen? Hier habt ihr Geld“, berichtet Kersten, wirkt immer noch etwas verblüfft. Klar, diese Angebote waren so verlockend, da war kaum Nein zu sagen. Und so gründeten die fünf noch studierenden Online-Journalisten Kersten Riechers, Tobias Reitz, Birte Frey, Pia Hannappel und Jan-Kristian Jessen ein Jahr vor ihrem Abschluss, im Jahr 2010, die in Darmstadt ansässige Agentur quäntchen + glück. Das Erkennungszeichen: zwei leuchtend grüne Anführungszeichen. Allein die Farbe strahlt schon viel Leichtigkeit aus, diese Lust, etwas Neues zu machen, die Medienwelt aufzurollen. Jetzt erklären sie den Chefs wie Facebook funktioniert Und genau das tun sie. Sie beraten Unternehmen wie Merck, Sony Music, oder das English Theatre Frankfurt zu Online-PR und Kommunikation, erstellen Konzepte für die interne Kommunikation oder Social-Media-Strategien. Sie erklären Facebook, Twitter und Blogs, entwickeln den Aufbau von Redaktionen und realisieren Webseiten. Parallel dazu erstellen sie auch noch konventionelle Printmedien wie Broschüren und Flyer und vermitteln ihr Wissen in Workshops, beispielsweise zum Verfassen von Pressemitteilungen. Kersten erinnert sich: „Klar, anfangs kamen wir uns komisch vor, wenn wir den großen Chefs was zu Facebook erzählt haben. Aber irgendwann wird dir klar, dass du da eine wichtige Kompetenz entwickelt hast, dass du den Kunden wirklich etwas Hilfreiches vermitteln kannst.“ Außerdem engagiert sich das Team immer wieder ehrenamtlich und organisiert Events wie das Communication Camp, bei dem sie zusammen mit Studierenden der Hochschule Darmstadt die Social Media-Auftritte von sozialen oder kulturellen Einrichtungen auffrischen. Dass Kersten sich mal derart auf PR konzentrieren würde, hätte er übrigens nie gedacht. „Ich wollte Journalist werden, zu einem von den großen Magazinen oder als Freelancer die aufwendigen Reportagen machen.“ Gestartet hatte er seine Medien-Karriere in Ostfriesland, wo er am Gymnasium Ulricianum in Aurich in gleich vier journalistischen Arbeitsgruppen seine ersten Texte schrieb, Web- und Zeitungsseiten gestaltete. Anschließend sammelte er bei den Ostfriesischen Nachrichten Erfahrungen im Lokaljournalismus. „Bei den Terminen gab es jede Menge Tee und leckere Plätzchen, unterhalten wurde sich auf Platt, das hat schon Spaß gemacht.“ Kersten wollte die Mechanismen der PR verstehen Es folgten noch einige journalistische Praktika und Jobs, unter anderem bei Zeit Online, der Offenbach Post, in der Online-Redaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sowie beim Online-Portal Gründerszene, für das er bis heute als Redakteur arbeitet. Bei der Zeit kam Kersten schon 2005 zum ersten Mal mit Blogs in Berührung. „Ich hatte vorher zwar auch schon das getan, was man heute unter Bloggen versteht. Aber da wurde mir erst bewusst, dass sich eine ganze Blog-Szene entwickelt hatte.“ Trotz all der positiven Erlebnisse im Journalismus wählte Kersten im Studium den Schwerpunkt PR. „Wobei ich selbst da noch keine PR machen wollte. Ich wollte die Mechanismen der PR verstehen, um besseren Journalismus zu machen.“
  • 12. 12 Das „quäntchen + glück“-Team: fast alle sind Online-Journalisten. Von links nach rechts sehen Sie Birte Frey, Jan-Kristian Jessen, Jonas Stallmeister, Tobias Reitz, Dennis Hingst, Pia Hannappel, Tobias Krebs und Kersten Riechers. Foto: quäntchen + glück Stattdessen sitzt er nun jeden Tag in dem neuen Büro in der Dieburger Straße: Beton-Boden, Rohre an der Decke, grüne Kissen, zum Mittag gibt es auch mal selbstgekochte Suppe. Kersten und seine Kollegen nennen es liebevoll „Industrie-Charme“. Und inmitten alldessen: lauter junge Leute mit ihren Rechnern und jeder Menge Spaß an der Arbeit. „Am Anfang, als wir noch in der Küche unserer WG gearbeitet haben, war es schon hart. Wir haben uns selbst ausgebeutet, um quäntchen + glück aufzubauen. Aber wir haben es geschafft, ohne jemals einen Kredit aufnehmen zu müssen.“ Inzwischen kommen die ersten Angestellten zum Kern-Team dazu, gerade hat ein Webprogrammierer einen unbefristeten Vertrag bekommen. „Wir wollen kein großer Kommerz-Betrieb werden. Wir können uns aber auch schon ausrechnen, dass wir noch etwas wachsen müssen, damit unser Umsatz alle trägt, wir nicht mehr jeden Cent umdrehen müssen.“ Und dann könnten sie sich vielleicht sogar die großen Autos leisten, in denen sie jene vermuten, denen sie erzählen, dass sie Geschäftsführende Gesellschafter sind – auch wenn sie solche Autos eigentlich gar nicht haben wollen. Text: Mirca Waldhecker | März 2013
  • 13. 13 Julia Schmid ► Videojournalistin Julia Schmid mit ihrer Kamera. Foto: Waldhecker Ein Regenwurm brachte sie zum Filmen Dass Julia mal in einem Fahrradkorb arbeiten oder mit blauen Flecken von der Arbeit kommen würde, das hätte sie sich kaum träumen lassen. Doch ihr Job als selbstständige Videojournalistin bringt oftmals ungewöhnliche Situationen mit sich. 2007 schloss die 30-Jährige ihr Studium an der Hochschule Darmstadt ab, in der Tasche ein Diplom als Online-Journalistin und eine Abschlussarbeit, die ihr zahllose Türen öffnete. Über drei Monate hatte sie in einem Blog die Entwicklung von Online-Videos in Medienunternehmen beobachtet. Ihre Berichte brachten ihr viel Aufmerksamkeit – und Jobangebote. Der Bayerische Rundfunk (BR) bot ihr eine Stelle als Entwicklungsredakteurin für ein multimediales Jugendformat an, der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) beauftragte sie mit einer weiteren Studie, in der sie sich auf die Video-Angebote von deutschen Tageszeitungen konzentrierte. Diese ersten beiden Jobs kombinierte sie tageweise miteinander. Eines Tages rief der Spiegel bei Julia an Nach der Zeit beim BR wurde Julia feste Freie bei Focus TV in der „WebVideoUnit“, wo sie im Team verschiedene Formate für Focus, Focus TV und andere Ableger des Burda-Verlags entwickelte, filmte und schnitt. Parallel dazu begann sie, Videos für Webseiten von Unternehmen zu produzieren. Von 2008 bis 2012 betreute sie als Filmemacherin die Sendung on3-Südwild im Bayerischen Fernsehen, wo sie zahlreiche Städte vorstellte.
  • 14. 14 Eines Tages kam dann ein Anruf, den viele junge Journalisten sich sehnlich wünschen. Der Spiegel lud Julia zu einem Gespräch nach Hamburg ein. Man wollte sie als Redakteurin im Video-Ressort einstellen. Schweren Herzens lehnte Julia ab, zu sehr hatte sie sich bis dahin schon an die Vorteile der Selbstständigkeit gewöhnt. Dennoch entstand etwas später eine regelmäßige freie Mitarbeit für die Multimedia Abteilung des Spiegel – bis heute liefert Julia dem Magazin Videos aus dem süddeutschen Raum. Doch wie kam es dazu, dass aus einer jungen Schreiberin eine begeisterte Video-Produzentin wurde? „Ich wusste immer schon, was ich nicht wollte, und das war ein täglich gleicher Job“, berichtet Julia. „Klar war, dass ich etwas mit der deutschen Sprache machen wollte, Schreiben war immer meins.“ Praktika wie das beim Radio des SWR bestärkten sie in ihrem Interesse. 2002 machte Julia ihr Abitur und begann, Biologie zu studieren. Sie wollte zwar Journalistin werden, aber sie hielt sich an die Empfehlung, erst etwas Fachliches zu studieren und anschließend den Quereinstieg in den Journalismus zu versuchen. Und dann kam der Regenwurm Zwei Semester hielt sie durch, doch dann kam der Regenwurm. „Es war im Zoologie- Sezierkurs. Wir sollten einen Regenwurm zerlegen, das war ja kein Problem. Doch dann sollten wir auch noch seine Samenblase studieren. Da schoss mir durch den Kopf: Mei, so genau wollte ich es dann doch nicht wissen!“ Nächtelang suchte Julia nach einer Studien- Alternative. Dann stieß sie auf Dieburg, Online-Journalismus. Julia mit Filmklappe. Foto: Waldhecker Der erste Tag am Campus war für Julia ein Schock. Besonders schön fand sie die Gebäude nicht. „Trotzdem hatte ich eine großartige Zeit in Dieburg, wir hatten einen tollen Zusammenhalt unter den Kommilitonen. Ich würde dieses Studium sofort wieder machen, weil es so praktisch orientiert ist und man diese mediale Vielfalt vermittelt bekommt, das ist super!“ Die Video-Kurse, ein Semesterprojekt, in dem sie ein Video für „Spektrum der Wissenschaft“ produzierte, und ein Dokumentarfilm, den sie während ihres Auslandssemesters in Schottland gestaltete, gaben schließlich den Ausschlag für ihren Weg Richtung Video. „Ich fand die Grundidee des multimedialen Storytellings fantastisch, da kann man sich kreativ austoben und kommt weg vom reinen Schreiben.“ Den Weg in die Selbstständigkeit nach dem Studium fand Julia leicht. „Mit meiner Diplomarbeit als Türöffner, meinem Blog, guten Kontakten aus Praktika und Jobs sowie viel Eigeninitiative war der Übergang fließend.“ Außerdem war Julia noch nicht an einen regelmäßigen Alltag oder ein festes Gehalt gewöhnt, was es ihr ebenfalls leichter machte.
  • 15. 15 Pendeln zwischen München und Karlsruhe Inzwischen arbeitet Julia für ihr Unternehmen „websehen.net“ an den zwei Standorten in Karlsruhe und München, reist von dort durch die ganze Republik, zuweilen auch ins Ausland. Zu ihren Kunden gehören neben dem Spiegel der Bayerische Rundfunk, Psyma AG, die LSG Sky Chefs und viele mehr. Journalistische Aufträge und PR-Spots wechseln sich ab. Ob Web, TV oder Unternehmen, ihren Videoproduktionen sind kaum Grenzen gesetzt. Ihre Erfahrungen gibt Julia außerdem als Coach weiter. Sie schult Projektgruppen oder Schulklassen zu den Grundlagen der Videoproduktion, vermittelt Interviewtechniken, Licht- Gestaltung, Bildaufbau sowie den Schnitt der Aufnahmen. Vom Konzert bis zur Küche Mal filmt sie für ein Portrait eine Pole-Dancerin, mal für eine Reportage die Produktion in einer Sushi-Küche oder sie springt bei einem Rammstein-Konzert zwischen den Flammensäulen herum, um festzuhalten, wie sehr ein blinder Konzertbesucher den Auftritt genießt. Und wenn es in einer Reportage ums Handbiken geht, dann setzt sie sich eben auch in den Fahrradkorb, um besonders spannende Bilder einzufangen. Von der ersten Idee bis zum fertigen Film übernimmt sie alle Produktionsschritte. Dreh für on3-südwild: Lightpainting-Aufnahmen am See. Foto: privat „Man darf sich nicht verunsichern lassen“ Ob Julia ewig selbstständig arbeiten möchte? „Ich denke schon. Wenn ich mal einen Monat beim Spiegel bin, mit den Kollegen zum Mittag gehen kann und immer jemanden zum Austauschen habe, dann ist das zwar schön, aber grundsätzlich mag ich die Flexibilität als Freie.“ Natürlich gab es auch Zeiten, in denen die Aufträge ausblieben. An ihrer Entscheidung, freiberuflich zu arbeiten, hat sie aber nie gezweifelt. „Man darf sich da nicht verunsichern lassen, nicht in Panik verfallen, sonst ist man falsch in der Selbstständigkeit. Irgendetwas ergibt sich immer, und ich finde diese Abwechslung sehr reizvoll!“ Text: Mirca Waldhecker | März 2013
  • 16. 16 Daniel Rehn ► Junior Account Manager Daniel Rehn im Hamburger Büro der Agentur „achtung!“. Foto: Waldhecker Wenn er nicht schläft, ist er online Daniel Rehn ist einer, der vollständig verwachsen ist mit der schönen, neuen Online- Welt. Sobald er aufwacht, prüft er via Smartphone seine Mails, schickt schon mal den ersten Tweet in die Welt hinaus. Im Büro geht es nahtlos weiter. Online- Kommunikation ist sein Beruf. Seine Liebe zu den virtuellen Medien hat ihn bis in die renommierte Agentur „achtung!“ in Hamburg gebracht. „Wenn ich nur einen einzigen Account behalten dürfte, dann wäre das Twitter. Diesen Kommunikationskanal möchte ich auf keinen Fall missen.“ Daniel Rehn liebt das Internet. Ob WordPress, Xing, Facebook, Twitter, Foursquare, Google+ oder YouTube – überall hat er mindestens einen Account und mehr. Und die existieren nicht nur, Daniel füllt sie alle mit Leben. Allein auf Twitter hat er mehr als 3.000 Follower, in gut 30.000 Tweets hat er sie schon an seinem Leben und Wissen teilhaben lassen. Und warum wollen diese Leute so viel von Daniel wissen? Ich habe sie auf Twitter gefragt:
  • 17. 17 Mit einer solchen Affinität zur Online-Kommunikation und seinem Gespür für die neuesten Trends in diesem Medium war Daniel prädestiniert für den Job, den er heute bei der Hamburger Agentur „achtung!“ macht. Seit August 2012 berät er dort Unternehmen wie Parship, Hornbach, Nestlé Deutschland, die Generali Versicherungen oder die Deutsche Bahn zu ihrer Kommunikation im Social Web. Es sind große Namen, große Budgets. Daniel trägt teilweise eine Menge Verantwortung. Eine stolze Leistung für seine gerade 27 Jahre. 2001 gegründet, zählt „achtung!“ zu den Top 25 der inhabergeführten Werbeagenturen und den Top 5 der Social-Media-Agenturen in Deutschland. Die Arbeit der mehr als 100 Kommunikationsprofis wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Deutschen PR-Preis und dem Neptun Crossmedia Award. Kein Wunder, dass Daniel gerne in diese Agentur wollte. „Für mich musste es nicht die tollste Stadt der Welt sein, wobei ich es mit Hamburg jetzt sehr gut getroffen habe. Ich hatte bei dieser Agentur einfach ein sehr gutes Gefühl, wollte gerne mit interessanten Kollegen wie Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach arbeiten und von ihnen lernen.“ Bei dem Wort Agentur, da denken viele Medien-Menschen an pausenlosen Stress. Doch Daniel hat keine dunklen Augenringe. „Das Tempo in einer Agentur ist hoch, es gibt immer viel zu tun. Und die drei Jahre Agenturerfahrung, die ich habe, kommen mir vor wie sechs, weil die Arbeit so vielfältig ist. Aber es ist nicht so, als hätte man nie Feierabend“, berichtet er. Auch das Gehalt stimme. Jedenfalls kann er sich eine hübsche 2,5-Zimmer-Wohnung im Hamburger Stadtteil Wandsbek-Gartenstadt leisten. Zum Büro im Straßenbahnring braucht er 30 Minuten, immer mit der U3 am grandiosen Hafen-Panorama entlang. Wer Daniel trifft und kleiner als 1,80 Meter ist, muss übrigens ganz schön hochschauen, denn Daniel ist stolze 2,03 Meter groß. Der naheliegende Gedanke dazu: „Basketball!“ Und ja, Daniel hat viele Jahre Basketball gespielt. Genau dieses Hobby hat ihn auch zum Schreiben gebracht. Wie das? Es ging los beim TV Hersfeld 1848, wo er bei den „Hersfeld Titans“ in den Jugendmannschaften und bei den Herren spielte. Dort wurde er vom Spieler zum Trainer für Nachwuchsteams, dann Abteilungsleiter und übernahm parallel dazu immer mehr Presse- und Marketingaufgaben. Der erste Auftrag war ein Interview mit einem finnischen Nationalspieler Für Daniel war es ein Glücksfall, denn nachdem er sich beim TV Hersfeld bewiesen hatte, wollte ihn auch der Basketball-Bundesligist Frankfurt Skyliners haben. Nach seinem Fachabitur für Gestaltung 2005 hatte er sich eigentlich nur um ein Praktikum in der Presseabteilung der Skyliners beworben, letztlich wurden daraus acht Monate freie Mitarbeit. Daniel schrieb Spielberichte, erstellte Informationspakete für Pressevertreter und interviewte Spieler.
  • 18. 18 „Mein erster Job war ein Interview mit dem finnischen Nationalspieler Jukka Matinen. Es war verrückt, stand ich doch drei Wochen vorher noch im Fan-Block und feuerte ihn an. Diese Arbeit hat jedenfalls so viel Spaß gemacht, ich konnte Hobby und Leidenschaft zusammenbringen. Irgendwann wurde mir klar: Das möchte ich unbedingt weiterführen.“ Via Google suchte er nach einem passenden Studiengang und stieß auf Online-Journalismus in Dieburg. Im Laufe des Studiums manifestierte sich Daniels Vorliebe für Public Relations, und er wählte den entsprechenden Schwerpunkt. Letztlich arbeitete er sogar als Tutor in diesem Bereich, sammelte dort seine ersten Lehrerfahrungen. Den ersten Job nach dem Studienabschluss 2010 bekam er durch die Empfehlung eines Professors. Seine erste berufliche Station führte ihn nach München, zur Agentur „talkabout communications“, wo er als strategischer Berater Start-Ups wie die Mitfahrgelegenheit „flinc“ oder die Social-TV-App „Couchfunk“ betreute. Dort blieb er bis zu seinem Umzug nach Hamburg im August 2012. Was ihn zu dem Agenturwechsel brachte? „Die Lust auf was Neues, ich brauche Abwechslung.“ In Hamburg arbeitet er nun sowohl als Junior Account Manager in der Agentur, als auch begleitend als Dozent im Studiengang Sport-, Event- und Medienmanagement am Campus M21 sowie für die Bayerische Akademie für Werbung und Marketing im Lehrgang „Social Media Management“ in München. Schon seit Jahren schreibt Daniel für verschiedene Blogs Natürlich bloggt Daniel auch schon seit Jahren, für Fach-Blogs wie SocialMediaStatistik.de, aber vor allem privat über „digitales & reales“. Dort hinterfragt er zum Beispiel die Entwicklung der Blogroll oder lässt seine Leser an der schauerlichen Entwicklung seiner Handschrift teilhaben, seit er zum Schreiben fast nur noch Tastaturen benutzt. Ansonsten sind es Social Media und Online-PR, die ihn umtreiben. Ein Paradebeispiel für gute journalistische Online-Kommunikation ist für Daniel Richard Gutjahr. „Der macht alles richtig. Man denke nur daran, wie er als erster Mensch in New York mit einem iPad aus dem Apple-Store kam oder vom Arabischen Frühling berichtete, während alle anderen Journalisten im Hotel indisponiert waren. Diese Entwicklung zu beobachten, ist unglaublich bereichernd.“ Und vorausgesetzt, dass künftige Journalisten die neuen Medien ähnlich wertvoll zu nutzen lernen, glaubt er auch fest daran, dass der Journalismus seine Daseinsberechtigung behält. Vor dem Internet müsse man jedenfalls keine Angst haben, meint Daniel. „Wenn du etwas postest, überleg dir vorher zwei Sachen: Kannst du es deiner Oma sagen, ohne dass sie rot wird? Und, könntest du damit leben, wenn dein Post morgen auf Seite 1 der Bild- Zeitung stehen würde? Wenn ja, dann raus damit.“ Zwar vergesse das Internet eventuelle Fehltritte nicht, die Menschen hingegen schon. „Die Leute vergessen diese ganzen, zu vermeintlichen Shitstorms hochstilisierten Krisen, nur wir Medien-Menschen behalten sie.“ Letztlich müsse auch nicht jeder Post oder Tweet der beste der Welt sein. „Im Grunde wollen die Menschen einfach unterhalten werden, und das ist gar nicht so schwer.“ Text: Mirca Waldhecker | April 2013
  • 19. 19 Pia Sue Helferich ► Projektmanagerin & angehende Doktorandin Pia Sue Helferich an ihrem Arbeitsplatz. Pias Herz schlägt für die Lehre Es gibt auch Absolventen, die schließen den Mediencampus im kleinen Dieburg derart ins Herz, dass sie gar nicht mehr weg wollen. Wobei sich nicht nur das Herz von Pia Sue Helferich an der Hochschule wohlfühlt. Es ist besonders ihr Kopf, der sie dazu gebracht hat, ihr Leben der Lehre widmen zu wollen. Pia analysiert gerne und mag wirklich jeden Aspekt des Lehrens. „Mir macht es schon unheimlich Spaß, den Unterricht vorzubereiten, mir zu überlegen, wie ich etwas vermitteln kann. Aber ich liebe auch den Kontakt mit den Studenten und freue mich sehr, wenn wir über ein Semester zusammenarbeiten und daraus tolle Konzepte entstehen.“ Doch noch sind es nur einzelne Kurse, die Pia als Projektbetreuerin anbietet. Bis die 30-Jährige eines Tages tatsächlich Professorin ist, wird noch einige Zeit vergehen. Gerade hat sie sich als Doktorandin am Cork Institute of Technology (CIT) in Irland beworben, das mit der Hochschule Darmstadt kooperiert. Es gilt, die Daumen zu drücken, dass sie mit ihrem Exposé überzeugen kann. In ihrer Dissertation möchte sie Lerngruppen als soziale Netzwerke analysieren und ergründen, welchen Einfluss sie auf unser Berufsleben haben.
  • 20. 20 Wer Pia sprechen hört und sieht, ahnt schnell, wie gerne sie Wissen vermittelt. Sie unterstreicht all ihre Worte mit anschaulichen Gesten. Wenn sie erzählt, wie Freunde ihr rieten, ihr Dissertations-Exposé umzuschreiben, macht sie eine Handbewegung, als würde sie etwas packen und woanders einfach fallen lassen. „Plopp, mach besser nochmal neu.“ Dazu ein schiefes Grinsen. „Ja, es ist ein langer Weg bis zum Doktor, allein die Vorbereitung der Bewerbung hat mich anderthalb Jahre gekostet. Das muss man echt wollen. Man läuft oft gegen Wände, muss sich über lange Zeit immer wieder neu motivieren, da braucht es eine ordentliche Frusttoleranz, eine gesunde Portion Neugier und ein klares Ziel.“ Dass Pia privat gerne Marathon läuft, dürfte insofern wenig überraschen. Sie wollte Fußball kommentieren Nun ist ihr Weg in die Wissenschaft ohnehin schon ein seltener. Nur sehr wenige Journalismus-Studenten bleiben nach dem Studium an der Hochschule. Umso erstaunlicher ist ihre Entscheidung, wenn man weiß, was sie eigentlich machen wollte. „Ursprünglich hatte ich den festen Plan, Sportreporterin zu werden, ich wollte unbedingt mal ein Fußballspiel kommentieren.“ Es folgten ein schulisches Zeitungsprojekt, der erste Artikel, anschließend die Suche nach einem geeigneten Studiengang, den Pia schließlich in Dieburg fand. Im Studium entdeckte Pia die PR für sich Doch im Studium von 2001 bis 2005 entdeckte sie schnell, dass die PR ihr viel mehr lag. „Lokal-Journalismus oder in einer Wirtschaftsredaktion sitzen, das wäre nichts für mich gewesen.“ Stattdessen entwickelte sie in einem Praktikum die Pressewebseiten von Jaguar und Land Rover, baute eine Bilddatenbank auf. Anschließend wählte sie den Schwerpunkt PR und widmete sich in ihrer Diplom-Arbeit dem Thema „Evaluation in der Online-PR“. Ein paar Karrierestufen hat Pia noch vor sich.
  • 21. 21 Im Master-Studium entwickelte sie einen crossmedialen Studiengang Nach dem Abschluss arbeitete sie fünf Jahre lang in der freien Wirtschaft, in der Öffentlichkeitsabteilung des Chemieunternehmens BASF und beim Finanzdienstleister MLP. Dort, und durch die Mitarbeit in der Multimedia-Agentur ihrer Eltern entdeckte sie ihr heutiges Spezial-Thema: das E-Learning. „Damals hatte ich die Idee, PR und Journalismus durch Erwachsenenbildung und E-Learning zu vermitteln. Das erschien mir eine reizvolle Kombination.“ In dieser Zeit reifte in ihr der Wunsch, zu promovieren und in die Lehre zu gehen. Schließlich begann sie parallel zur Arbeit ihr Master-Studium an der Universität Duisburg-Essen. Dabei vertiefte sie ihre E-Learning-Kenntnisse, konzipierte zum Beispiel einen crossmedialen Studiengang. „Dabei geht es um viel mehr, als nur ein PDF hochzuladen, das die Studenten dann lesen können. Ich entwickle medial-didaktisch aufbereitete Lernmaterialien.“ Als Projektmanagerin berät sie mittelständische Unternehmen Aktuell nutzt sie diese Kenntnisse, parallel zur Dissertations-Vorbereitung, auch als Projektmanagerin des „eBusiness-Lotsen“. Dabei berät sie mittelständische Unternehmen zum Einsatz neuer Technologien zur Personalgewinnung, zum Wissensmanagement oder zum Marketing. Was ist ein eBusiness-Hangout? Wie müssen Unternehmen ihre Kommunikationsstrukturen verändern, um Social-Media-Anforderungen gerecht zu werden? Und wie funktionieren eigentlich virtuelle Klassenräume? All diese Fragen beantwortet Pia mit ihrem Team. Bei diesen anspruchsvollen Karriereplänen stellt sich natürlich die Frage, wie da irgendwann eine Familie dazu passen soll. Viele Journalistinnen tun sich schwer damit, lange Arbeitszeiten und kurze Vertragslaufzeiten mit einer Familienplanung zu vereinbaren. Ist das im wissenschaftlichen Bereich einfacher? „Nicht wirklich, die kurzen Verträge gibt es auch hier. Aber dafür kann ich meine Arbeitszeiten recht frei gestalten, das käme einer Familie also entgegen.“ In Zukunft würde Pia die Studierenden gerne mehr beraten Gerade liegt Pias Fokus aber ohnehin auf der Karriere hin zur Professur. Was sie sich für ihre berufliche Zukunft wünscht? „Ich hoffe, dass ich im Kopf flexibel und thematisch immer am Ball bleibe. Außerdem möchte ich den Praxisbezug nicht verlieren, weshalb ich auch gerne an der Hochschule bleiben möchte, wo grundsätzlich mehr anwendungsorientiert gearbeitet wird.“ Ihre künftigen Studenten können sich jedenfalls freuen auf Pia als Professorin, denn wer mit so viel Herz bei der Sache ist, der hat beste Chancen, andere mit seiner Begeisterung mitzureißen. Außerdem hat Pia reichlich Ideen, wie man den Studiengang Online- Journalismus noch verbessern könnte: „Ich würde die Studenten gerne mehr beraten und ihnen so dabei helfen, ihre Richtung zu entdecken.“ Fotos & Text: Mirca Waldhecker | März 2013
  • 22. 22 Florian Siebeck ► Freier Journalist F.A.Z. Florian Siebeck im Lifestyle-Outfit. Eigentlich wollte er Gärtner werden Rund 420 Stunden seines Lebens hat Florian Siebeck schon in Flugzeugen verbracht. Er hat 30 Länder kennengelernt, spricht Chinesisch, kennt sich bestens mit Mode aus. Dabei wollte Florian mal Gärtner werden. Stattdessen ist er jetzt freier Redakteur am Online-Newsdesk der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, kurz F.A.Z. Sein Ressort: Gesellschaft.
 John Lennon hat mal gesungen: Leben ist das, was passiert, während du eifrig dabei bist, andere Pläne zu machen.“ Genau so war das bei Florian Siebeck. Schon als Kind wollte er Gärtner werden, als Jugendlicher in Berlin war er stolzer Besitzer einer Jahreskarte für den Botanischen Garten, eine der größten solcher Anlagen weltweit. Doch noch in seiner Schulzeit schlich sich der Journalismus in sein Leben ein. Die existierende Schülerzeitung dümpelte vor sich hin, kurzerhand entwickelte Florian zusammen mit Freunden eine Konkurrenzzeitung. In der gab es Home-Stories von Lehrern, pikante Berichte über deren Privatleben. Viele liebten die Berichte von Florian, „böse-humorig“ bezeichnet er den Stil, manche Lehrer störten sich aber auch derart daran, dass er schlechtere Noten bekam. Sein Triumph war die Auszeichnung als „beste Schülerzeitung Berlins“ durch die Berliner Morgenpost.
  • 23. 23 Von der Botanik zum Journalismus Bei einem außerschulischen Projekt lernte er einen Online-Journalisten von der Hochschule Darmstadt kennen. Auf gut Glück bewarb er sich daraufhin um einen Studienplatz. Er rechnete nicht mit einer Zusage, dachte immer noch an ein Botanik-Studium. „Aber dann wurde ich angenommen. Ich muss sagen, damals war ich etwas ratlos und skeptisch. Dann machst du jetzt also Journalismus, dachte ich“, berichtet Florian. Die Skepsis verflog schnell, Florian kniete sich rein in sein neues Metier. Er wurde Chefredakteur des mit Kommilitonen gegründeten Magazins „darmspiegel“, Mitherausgeber des Buchs „nachts in darmstadt“, absolvierte seine Praxisphase bei der China International Publishing Group in Peking und war Bildredakteur und Mitherausgeber des preisgekrönten Mode-Bookazines „Circus“. Mitte 2011 schloss er sein Studium mit einer Diplomarbeit über kollaborative Wissenskonstruktion durch Wikis im journalistischen Umfeld ab. Die F.A.Z. machte ihm ein verlockendes Angebot Heute, mit gerade mal 24 Jahren, schreibt Florian als fester freier Journalist für die F.A.Z. Bei anderen löst dieser Name ehrfürchtige Aufmerksamkeit aus, Florian sieht seine Anstellung dort pragmatisch. Er hatte nicht jahrelang davon geträumt, für eine Zeitung zu arbeiten. Es war einfach nur eine Stellenanzeige, auf die er sich bewarb. In das Gespräch ging er entspannt, in der Hinterhand hatte er schon eine Zusage von einer großen Werbe-Agentur. Doch die bekannteste deutsche Zeitung machte ihm ein Angebot, das er nicht ausschlagen wollte: Zwei Wochen im Monat arbeitet er in der Frankfurter Redaktion, die anderen zwei Wochen hat er zur freien Verfügung. Und diese Freizeit, die nutzt Florian, um durch die ganze Welt zu reisen und dort Geschichten einzusammeln, die er für die F.A.Z. und andere Medien aufschreibt. Florian will ein Buch über Island schreiben “Es ist schon fast wie eine Sucht“, sagt er über seine Reisefreude. Amerika, Norwegen, Libanon, China, Russland, überall war er schon. Am meisten angetan hat es ihm aber Island. „Island ist ein magischer Ort, wenn ich irgendwann mal sterbe, dann da.“ Da bis dahin aber noch reichlich Zeit ist, will Florian erst mal ein Buch über die eisige Insel schreiben. Und außerdem promovieren. Das aber auch nicht sofort. Dort draußen warten noch viel zu viele Geschichten. Wie die von der Klofrau auf der Berliner Fashion Week. „Im Vergleich zum Leben dieser Frau finde ich meine bisherige Leistung schmal“ Da sollte Florian eigentlich über die Schauen berichten. Aber nebenbei unterhielt er sich eben auch mit der Toilettenfrau, die er schon seit einigen Saisons kennt, schrieb ihre Lebensgeschichte auf – und erntete dafür viel Lob. Sogar fremde Journalisten schrieben ihm, gratulierten zu dem gelungenen Text. Florian mit Model Hanne Brüning.
  • 24. 24 Florian freute sich über die Anerkennung, nahm aus der Episode aber eine viel wichtigere Erkenntnis mit: „Im Vergleich zum Leben dieser Frau finde ich meine bisherige Leistung schmal. Da führe ich geradezu ein Kuschel-Leben.“ Es sind die Erlebnisse auf seinen Reisen, die ihn alles so relativ sehen lassen, sein Journalisten-Dasein als Luxus schätzen lassen. Jeder Text beginnt mit Ratlosigkeit Es gibt ehemalige Kommilitonen, die sagen, Florian Siebeck sei ein begnadeter Schreiber. Er selbst sieht das allerdings gar nicht so: „Ich habe immer das Gefühl, unzureichend zu sein, teilweise arbeite ich ein Dreivierteljahr an einem Text und bin immer noch nicht zufrieden. Jeder Text beginnt bei mir damit, dass ich ratlos vor dem Computer sitze und keine Ahnung habe, was ich schreiben soll.“ Zu seinem Job gehört ständige Erreichbarkeit Insofern ist es für ihn eine angenehme Abwechslung, wenn er im Großraumbüro der F.A.Z. sitzt und Agenturmeldungen zusammenfasst, was mittlerweile auch zum journalistischen Alltag gehört. Weniger entspannt ist es, wenn nachts um 23 Uhr Florians Handy klingelt und zum Beispiel ein Interviewpartner aus dem Ausland mit ihm sprechen möchte. „Zu meinem Job gehört Erreichbarkeit rund um die Uhr. Das ist schon ab und an anstrengend, und meine Freunde kritisieren diese Dauer-Verfügbarkeit auch oft. Aber dafür lässt mir dieser Job sehr viel Freiheit, und ich liebe diese Flexibilität!“ „Ein Wahnsinns-Gefühl, auf der Titelseite angekündigt zu werden“ Überhaupt, selbst wenn ihn das Medium zuweilen den Schlaf kostet: Online zu publizieren, ist für Florian das Beste. „Weil es so vielfältig ist.“ Dennoch freute es ihn sehr, als die F.A.Z. einen Text von ihm über den Internetdienst „Instagram“ samt Foto auf der gedruckten Titelseite ankündigte: „Das war ein Wahnsinns-Gefühl, da hab ich mich schon sehr gefreut.“ Und was wünscht sich einer für die Zukunft, der schon dort ist, wo viele andere mal hinkommen wollen? „Ich würde gerne wieder nach Peking gehen, eine Zeit lang dort leben und arbeiten.“ Und irgendwann, da hätte Florian auch gerne wieder einen großen Garten. Denn die Freude an der Natur, die ist ihm trotz all der Schreiberei noch nicht abhandengekommen. Text: Mirca Waldhecker | März 2013 Fotos: privat
  • 25. 25 Sabine Stromberger ► Eventmanagerin Seat Glücks-Gefühle mit Autos von Seat Es ist April und Sabine Stromberger hat diese schöne Bräune, die man nach ein paar Tagen in der Sonne hat. Urlaub? Fehlanzeige. Sabine fliegt zwar alle zwei Wochen nach Spanien, da liegt sie aber nicht am Strand. Stattdessen arbeitet sie und macht den Rest der Welt mit den Autos von Seat bekannt. Als PR-Managerin des spanisch-deutschen Automobilherstellers betreut sie sowohl die klassische PR als auch die Organisation der nationalen und internationalen Presse-Events. Sabine Stromberger. Als vor vielen Jahren ihr Vater seine kleine Tochter mitnahm zu den Oldtimer-Rennen und den Auto-Ausstellungen, ahnte er wohl kaum, dass er damit den Lebensweg seiner Tochter bestimmen würde. Doch in dieser Zeit wuchs in Sabine die Liebe zu Autos, die Faszination für die Technik und die spektakulären Events. Heute müssen Bekannte von Sabine damit rechnen, spontan als Model für eine Auto-Kampagne gebucht zu werden. Hin und wieder, wenn zum Beispiel für eine Produktion einer Zeitschrift wie der InStyle noch ein Model fehlt, schaut sich die 30-Jährige nämlich in ihrem Bekanntenkreis um. Und dann geht es spontan an den Flughafen. Reiseziel: Ein wunderschöner Ort wie zum Beispiel Malaga mit hoffentlich viel Sonne und grandioser Kulisse für Model und Auto.
  • 26. 26 Ein besonderer Coup: Ein nächtliches Shooting in Barcelona Solche Kooperationen mit Fashion-Magazinen kommen in der Regel durch persönliche Kontakte zustande. „Ich kenne wohl Hunderte Journalisten, zu vielen Redakteurinnen habe ich inzwischen auch ein lockeres, privates Verhältnis. Wenn wir ein neues Produkt haben, wie jetzt den Seat Ibiza Cupra, frage ich die, was wir machen können, um bei ihnen stattzufinden.“ Aus solchen Absprachen entstehen zum Beispiel Fotostrecken wie das Supplement „Best Dressed 100“ in dem Männer-Magazin GQ mit den Markenbotschaftern Christian Deerberg (Model), Tom Beck und David Kross (beide Schauspieler). Wenn Sabine sich diese Bilder ansieht, strahlt sie übers ganze Gesicht. Ein gelungener Coup und tolle Promotion für die Autos in einer grandiosen Kulisse. Sabine sucht ständig nach schönen Kulissen Die Suche nach besonderen Orten ist auch für die Presse-Events elementar. Ob national oder international, stets gilt es, einen Ort zu finden, an dem die Autos perfekt zur Geltung kommen und gute Testrecken schnell erreichbar sind. „Wenn eine Produktpräsentation ansteht, gehen wir auf Deutschland-Tour und suchen nach schönen Orten. Kürzlich haben wir eine tolle Location über den Dächern von München entdeckt. Da war vorher noch niemand, wir konnten das Auto auf einer Dachterrasse präsentieren, im Hintergrund die Skyline, da freue ich mich wirklich, dass das geklappt hat!“ Teststrecken rund um Barcelona machen Journalisten glücklich Für die internationalen Events geht es schon weiter weg. Mexiko, China und Russland waren schon Schauorte für Presse-Events von Seat. Meistens geht es für die maximal 150 Journalisten aber nach Spanien, denn Seat gehört zwar zum deutschen VW-Konzern, ist aber eine spanische Marke. Der Firmensitz mit der Entwicklungsabteilung und dem großen Design-Center befindet sich in Martorell, in der Nähe von Barcelona. „Das Schöne an den Events in Spanien ist, dass wir rund um Barcelona eine wunderschöne Landschaft und Küste haben, die zugleich alles an Teststrecken bietet, was Auto-Journalisten wollen, ob Landstraße, Autobahn oder Berge. Außerdem gibt es hier tolle Hotels, was für uns sehr wichtig ist, denn Seat steht für emotionales Design, dazu soll die Ausstattung des Hotels passen.“
  • 27. 27 Test-Fahrt an der spanischen Küste. Eine spezielle Datenbank hilft bei der Organisation der Events Überhaupt gibt Sabine sich bei jedem Event viel Mühe, um den Journalisten angenehme Arbeitsstunden zu bereiten. „Das ist ganz wichtig, denn wenn die Leute gestresst hier ankommen, haben sie keine Muße, sich mit dem Produkt zu beschäftigen. Sie sollen sich wohl fühlen und in positiver Stimmung unsere Autos testen.“ Dazu gehört natürlich die Übernahme der Reiseplanung, aber Seat geht noch weiter. In einem internen System werden alle Events, alle Journalisten, ihre Testwagen sowie ihre speziellen Wünsche und Vorlieben gespeichert. „Wenn einer ein buntes Auto für seine Fotos braucht, werden wir ihm immer einen bunten Wagen reservieren. Und wenn einer vegan isst, werden wir ihm immer veganes Essen anbieten. Dieses System ist super und macht die Arbeit für beide Seiten angenehm.“ Jedes Medium braucht ein anderes Programm Bei den Events werden die Medien in Gruppen aufgeteilt, damit das Seat-Team den jeweiligen Anforderungen besser gerecht werden kann. Los geht es mit Fachmedien wie ADAC Motorwelt, Auto Bild und Auto Motor Sport. Deren Programm ist technikorientiert, oft ist auch ein Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden gewünscht. Die TV-Leute brauchen mehr Zeit, die Lifestyle-Reporter freuen sich über die Gesellschaft von Promis, die Print- Leute brauchen oft schöne Fotos von Reporter und Auto, also einen professionellen Fotografen. Über Facebook werden Test-Fahrten an die Fans verlost Parallel zu der Event-Organisation plant Sabine gemeinsam mit den Kollegen aus dem Marketing zum Beispiel Gewinnspiele für den Facebook-Auftritt. „Vor kurzem haben wir ein „Enjoy 2 Drive“-Wochenende verlost. Da haben wir einige unserer Fans nach Barcelona eingeladen, wo sie den Cupra testen durften. Außerdem waren die Schauspielerinnen und Seat-Markenbotschafterinnen Laura Oswald und Janina Uhse dabei und haben ihnen die Stadt gezeigt. Zum Abschluss haben wir eine Art Harlem Shake gemacht, mit weißem Cupra, Film- Team und Farb-Puder. So was vergessen die Leute nicht, alle waren bei ihrer Abreise sehr glücklich“. Und genau solche Aktionen zu organisieren, macht Sabine besonders viel Spaß.
  • 28. 28 Sabine kreiert gerne das Image zu einem Produkt Zwar hatte sie im Studium auch das journalistische Arbeiten ausprobiert, doch für sie stand schnell fest, dass es PR sein sollte. „Wenn ich von einem Produkt überzeugt bin, fällt es mir leicht, darüber zu sprechen und die Leute davon zu begeistern. Ich überlege mir gerne etwas rundherum um ein Produkt und kreiere damit ein bestimmtes Image.“ Wunderschöne Autos und spannende Reisen Dass Sabine nun PR für einen Automobilhersteller macht, ist ursprünglich natürlich ihrem Vater zu verdanken, so richtig entflammt haben sie allerdings die Praktika während ihres Studiums. Ihr Praxissemester absolvierte sie bei Fiat, dort arbeitete sie bis zum Studiumsende auch als Werksstudentin. Außerdem hospitierte sie in der Presseabteilung von Ferrari in Wiesbaden und der Marketingabteilung von BMW in München. „Das waren wunderschöne Autos, spannende Erlebnis wie eine Pressereise nach China und die Internationale Automobilausstellung, da konnte ich zwei meiner größten Interessen, Autos und Mode, durch die Kooperationen mit Fashion-Magazinen kombinieren, ich war im Himmel.“ Angefangen hat Sabine als Technische Referentin Als sie nach dem Studium im Dezember 2006 das Jobangebot von Seat bekam, sagte sie sofort zu, denn Seat bietet inzwischen genau solche design-orientierten Autos an, die Verbindungen zum Fashion-Metier möglich machen. Eingestellt wurde Sabine übrigens als Technische Referentin, erst im Laufe der Zeit baute sie ihre Stelle aus und übernahm die Event-Organisation. Man muss kein Auto-Fachmann sein Technische Referentin? „Ja, für einen PR-Job bei einem Automobilhersteller sollte man schon Know-how in Sachen Autos mitbringen. Ich kenne mich jetzt auch nicht total tiefgehend technisch aus, aber was der Unterschied zwischen einem Automatikgetriebe und einem Doppelkupplungsgetriebe ist, kann ich schon erklären. Das ist sehr hilfreich, denn gerade wenn man optisch nicht wie der Auto-Fachmann aussieht, muss man etwas kämpfen, um ernst genommen zu werden. Umso schöner ist, wenn man merkt, dass die Fachleute einen akzeptieren, weil sie merken, da ist wirklich Wissen und nicht nur Blabla.“ Für diesen Job muss man brennen Außerdem muss man sich damit anfreunden, nicht so oft zu Hause zu sein. Wenn Sabine in einer Woche drei Tage in ihrer Wohnung in Darmstadt ist, ist das schon viel. „Diesen Job kann man nicht machen, wenn man am Wochenende grundsätzlich frei haben will. Man muss gerne reisen, gerne neue Leute kennenlernen und sich bewusst sein, das gilt generell bei Jobs in PR und Journalismus, es ist ein toller Job, aber er geht nicht von 9 to 5. Aber wenn du für die Sache brennst, dann macht dir das auch nicht so viel aus, weil du darin aufgehst.“ Text: Mirca Waldhecker | April 2013 Fotos: Seat Mediacenter & privat
  • 29. 29 Rafael Bujotzek ► Reporter ZDF Rafael Bujotzek ist Redakteur und Reporter beim ZDF heute journal. Mit Rafael durch die grüne Hölle Es ist das meistgesehene Nachrichtenmagazin Deutschlands: Das ZDF heute journal. Claus Kleber und Gundula Gause berichten den Fernsehzuschauern die Nachrichten des Tages. Vom Mainzer Lerchenberg senden sie aus dem vollanimierten Nachrichtenstudio. Hinter den Kulissen hat Rafael Bujotzek den spannenden Job, die Sendung von der Idee bis zur Ausstrahlung zu realisieren. Er ist Redakteur und Reporter beim ZDF heute journal und dem ZDF Mittagsmagazin. Einen Tag lang habe ich ihn bei seiner Arbeit im ZDF begleitet. Ostermontag, der 1. April 2013. Nicht irgendein Tag für das ZDF. Auf den Tag genau vor 50 Jahren ging ein kleiner Fernsehsender als zweites Programm Deutschlands auf Sendung. Inzwischen ist das ZDF der größte Fernsehsender Europas. Das Sendezentrum auf dem Lerchenberg am Rand der Stadt Mainz mit unzähligen Redaktionsgebäuden, dem ZDF- Fernsehgarten und riesigen Satellitenschüsseln hat die Ausmaße eines Freizeitparks. 17.45 Uhr: Begrüßung vor dem Sendebetriebsgebäude Um 17.45 Uhr holt mich Rafael Bujotzek am Sendebetriebsgebäude ab. Rafael trägt eine türkisfarbene Hose, Hemd und Sakko. Er begrüßt mich freundlich: „Willkommen im ZDF! Komm rein, ich zeig dir alles. Bis zur Konferenz mit Claus Kleber haben wir noch eine Viertelstunde.“ Wir gehen in das Gebäude, das aussieht wie eine große bunte Schlange. In seinen verschlungenen Gängen ist neben den großen Fernsehstudios auch die Nachrichtenredaktion des heute journals untergebracht. Der „Newshighway“ des ZDF, so nennen sie das Großraumbüro der Nachrichten, ist rund um die Uhr besetzt.
  • 30. 30 Der Personaleingang zum Sendebetriebsgebäude des ZDF. Links das neue Nachrichtenstudio, aus dem das ZDF heute journal gesendet wird. Die Büros sind nüchtern eingerichtet Der erste Blick ist ernüchternd: Glamourös sieht es im ZDF nicht aus. Eher funktional. Rafael führt mich durchs Gebäude. Hier arbeitet also Claus Kleber, der bekannte Moderator des heute journals. Er wechselt sich ab mit Marietta Slomka oder Christian Sievers. Zum Moderatoren-Team gehören außerdem Gundula Gause, Heinz Wolf und Kay-Sölve Richter. Sie präsentieren in der täglichen Abendsendung die Nachrichten-Überblicke. Die Arbeitsplätze der bekannten Fernsehmacher sind einfach Schreibtische mit Computern darauf. Überall hängen Flatscreen-Fernseher, es läuft CNN, N-TV, BBC, Phoenix und natürlich das eigene Programm. Alle möglichen Live-Bilder prasseln auf die Redakteure ein, und es piepst pausenlos. „Das sind Eilmeldungen, die uns erreichen“, erklärt Rafael. Informiert zu sein ist elementar für Rafael In seinem Büro gibt es drei Schreibtische, Computer, einen großen Fernseher. Daneben Stapel von Zeitungen, Magazinen und jede Menge Bücher. „Ich bin ein unheimlich neugieriger Mensch“, sagt Rafael. „Bescheid zu wissen und die komplizierten Themen erklären zu können, das war schon immer mein Ding.“ Als in Fukushima das Atomkraftwerk brannte, gingen ein paar Redakteure vom heute journal als erstes in die Bibliothek und besorgten sich dicke Wälzer zur Atomphysik. „Wir sind ja auch nicht bei jedem Thema die Experten. Aber ich habe schon den Anspruch, die Dinge so genau wie möglich zu erklären. Und da fängt man am besten an der Basis an.“ Rafael lotst mich durch die grau-roten Flure, die an eine Feuerwehrwache erinnern: „Lass uns erst mal einen Kaffee holen. Heute wird es spät.“ Selbst die Kaffeetassen sind rot. Charmantes Detail: Alle Becher sind mit den Namen der Redakteure graviert. Claus. Marietta. Gundula. Und Rafael. Seine Tasse wurde rund um den Namen mit kleinen Sternchen verziert. Vielleicht ja für einen aufsteigenden Stern. Denn Rafael Bujotzek, geboren im November 1984, ist mit Abstand der Jüngste im Team des heute journals.
  • 31. 31 Den Job beim ZDF bekam er durch jahrelange harte Arbeit Es war harte Arbeit, über viele Jahre hinweg, die den heute 28-Jährigen zu diesem Job gebracht hat. Als er sein Online-Journalismus-Studium an der Hochschule Darmstadt begann, arbeitete er schon lange als Journalist. Er hatte zu diesem Zeitpunkt schon reichlich Erfahrung mit Zeitung, Radio und Fernsehen gesammelt. Mit zehn Jahren, 1995, nahm Rafael am Kinderradiotag des Hessischen Rundfunks teil. Es folgten zahlreiche Jobs als Reporter beim hr und NDR. Bald moderierte er seine eigene Radiosendung im Vormittagsprogramm des Hessischen Rundfunks. Schließlich wechselte er dort zum Fernsehen. Doch Radio ist immer Rafaels Liebling geblieben: „Es ist immer noch das schnellste Medium. Schneller als Twitter und die Fernsehnachrichten. Du brauchst nur das Mikrofon anzumachen und zu erzählen. Außerdem muss man sich dafür nicht rasieren, es sieht einen ja keiner.“ Warum Fernsehen? „Filme sind Kunstwerke“ Was ihn letztlich doch überzeugte, zum Fernsehen zu gehen? „Filme sind Kunstwerke. Bild, Ton, Informationen, da müssen so viele Ebenen harmonisieren. Es ist schön, so etwas abzustimmen.“ Neben all den Jobs für Radio und Fernsehen fand Rafael außerdem noch Zeit, eine eigene Firma für IT-Dienstleistungen zu gründen. Er berät Mittelständler und Privatleute und hilft ihnen bei Computerproblemen. – „glisco internet services“ existiert auch heute noch. Die Computerfirma ist für ihn ein zweites Standbein neben der Karriere beim ZDF. Rafael checkt an seinem Arbeitsplatz im ZDF Newshighway den Nachrichtenticker. CNN auf dem Fernseher, Manuskripte auf dem Tisch. Rafael rät zu viel Praxis-Erfahrung Das Interesse für Computer und die Leidenschaft für Medien brachten ihn auch zum Online- Journalismus-Studium. Aber er würde jedem raten, sich nicht nur auf das Studium zu verlassen: „Als Journalist musst du recherchieren können, und dieses Handwerk lernt man nicht alleine in der Uni.“ Sein Studium finanziert er sich bei Skyradio Hessen, der Berliner
  • 32. 32 Netzeitung, der Deutschen Welle, beim SWR und der ARD. Bei seiner Heimatzeitung Offenbach-Post gründete Rafael 2008 eine Online-Videoredaktion. 18 Uhr: Konferenz mit den Moderatoren Um 18 Uhr trifft sich das heute journal zu einer der vielen Konferenzen. Heute nimmt nur eine Handvoll Redakteure teil. Das ist die Feiertagsbesetzung der Nachrichtensendung. Gundula Gause ist schon da. Als letzter rauscht Claus Kleber ins Zimmer. Lässig sieht er aus, die gelbe Krawatte nur eben um den Hals geworfen. Rafael erklärt mir, dass an normalen Werktagen gut 20 Mitarbeiter im Konferenzraum mit den Glaswänden sitzen. Sie nennen ihn das „Aquarium“. Passenderweise haben sie ein riesiges Plüschtier des Filmfischs Nemo hinein gehängt. Letzte Absprachen vor der Sendung: Rafael und Claus Kleber sind hoch konzentriert. Scherze sind auch bei der Konferenz erlaubt „Habt ihr die nordkoreanische Nachrichtensprecherin gesehen?“, fragt Claus Kleber in die Runde. „Die klingt doch ein bisschen wie Gundula, wenn sie ihre Meldungen in die Kamera schreit.“ Gundula Gause nimmt es mit Humor. Doch bei allem Spaß werden die Themen der Sendung sehr gezielt besprochen. Nordkorea ist heute der Aufmacher. Rafael wirft Hinweise zu aktuellen Entwicklungen ein. Als Redakteur muss er immer die Agenturmeldungen im Blick behalten, um auf dem neusten Stand zu sein. Nach der Konferenz sind die Aufgaben verteilt. Rafael besorgt fehlendes Bildmaterial aus dem Archiv, telefoniert mit Autoren und aktualisiert den Ablauf der Sendung. Dann wird es hektisch: Rafael muss in einem der Schnitträume noch einen kurzen Bericht schneiden. Die Cutterin montiert die Bilder, während er nach Formulierungen für den Text sucht. Die Zeit bis zur Livesendung wird immer knapper. Alle sind hochkonzentriert. Rafael macht sich in seiner Praxisphase einen Ruf Rafael kam direkt nach seinem Studium zum ZDF heute journal. Einen Teil seiner Praxisphase hatte er schon als Reporter im ZDF verbracht. Das gefiel ihm so gut, dass er in
  • 33. 33 den folgenden Semesterferien ins Landesstudio Hessen ging: „Das wurde ganz schön hektisch. Die Finanzkrise brach aus, in Hessen stand die Landtagswahl an und die Bahn streikte wochenlang. Alles im Zuständigkeitsbereich unseres Landesstudios“, erzählt Rafael. Ausgerechnet dann wurden Kollegen krank. Rafael sprang ein, bekam Aufträge, die ein Praktikant sonst nicht bekommt. Als die damalige Chefin des Landesstudios Jahre später zum heute journal wechselte, rief sie ihn an. Am Montag nach Abgabe seiner Diplomarbeit fing Rafael als Redakteur und Reporter beim ZDF heute journal an. Jeden Tag hat er eine andere Aufgabe in der Redaktion Gerade kriecht Rafael aber auf dem Fußboden unter den Schreibtischen herum. An Gundula Gauses Computer hat sich ein Kabel gelockert: „Er verweigert die Arbeit.“ Glücklicherweise ist Rafael da und kann helfen. Als der Rechner dann wieder piept, lächelt auch Gundula wieder: „Vielen Dank, Rafael!“ „Als Redakteur habe ich hier jeden Tag eine andere Funktion. Mal bin ich Researcher, sammle Informationen für die Moderatoren und helfe ihnen dabei, ihre Texte zu schreiben, ich telefoniere mit unseren Reportern und sorge dafür, dass die Berichte rechtzeitig zur Sendung eintreffen.“ Regelmäßig ist er selbst als Reporter unterwegs. Das heute journal schickte ihn zuletzt auf die CeBIT nach Hannover. Für ZDFinfo besuchte er den Bestsellerautor David Nicholls in London, für das Mittagsmagazin testete er Spielekonsolen auf ihren Spaß-Faktor. 19 Uhr: Umzug ins Großraumbüro Inzwischen ist es kurz nach 19 Uhr. Die Redakteure sind aus ihren Büros ins Großraumbüro umgezogen, um sich schneller mit den Mitarbeitern der Bildredaktion, der Online-Redaktion und den Infografikern absprechen zu können. Jeder arbeitet konzentriert an seinem Rechner. Das einzige störende Geräusch: Das Rascheln einer herumgereichten Chipstüte. Nervennahrung für das Team des heute journals. Die Moderatoren sind auf dem Weg in die „grüne Hölle“ Claus Kleber und Gundula Gause sind inzwischen in der Maske. Rafael zeigt mir das berühmte Nachrichtenstudio: Kein Wunder, dass sie es die „grüne Hölle“ nennen. Alles hier ist grasgrün angemalt. Die teure Farbe muss geschont werden, nur mit Plastiküberzügen auf unseren Schuhen dürfen wir dort hinein. Die Wände, der Boden und sogar einige Holzkisten, die als Podeste dienen – alles grün. Darin selbstfahrende Roboterkameras und ein „3D- Erklärraum“. Hier werden später virtuelle Objekte eingefügt, an denen Claus Kleber etwas erklären kann. „Echt“ ist in diesem riesigen grünen Raum nur der elf Meter lange Holztisch mit den Laptops darauf. Und natürlich die Moderatoren, die sich jetzt hinter dem Tisch einrichten. 2009 wurde das Studio gebaut, über 30 Millionen Euro – so die offizielle Angabe – hat sich der Sender das neue Studio kosten lassen. Auf fast 700 Quadratmetern. Wir gehen nach nebenan. Der Regieraum wirkt wie die Kommandozentrale eines Ufos. So kurz vor der Sendung ist hier viel los. Letzte Proben. Hunderte Bildschirme und Kontrollknöpfe flackern auf, an mindestens fünf Uhren wird die Zeit angezeigt.
  • 34. 34 22 Uhr: Gleich geht die Sendung los Nur noch 15 Minuten bis zur Sendung. Alle sind angespannt. Rafael ist schon längst wieder im Großraumbüro. Er kontrolliert den Ablauf der Sendung. Sind alle Berichte da? Stimmt die Nummerierung? Passen Moderationen und Beiträge zueinander? Dann Musik. Claus Kleber wünscht einen „Guten Abend“. Doch so richtig kann Rafael nicht zuhören. Während die Nachrichten laufen, schaut er immer wieder auf seinen Computer. Hier bearbeitet er jetzt das „heute journal plus“. Seit anderthalb Jahren können sich die Zuschauer zusätzlich zur Sendung zahlreiche Zusatzinformationen ansehen, die dort in das Video der Sendung integriert werden. „heute journal plus“ nennt sich dieses Internetformat. Rafael war an der Entwicklung beteiligt: „Das war so ein Projekt, bei dem ich mein Wissen als Online-Journalist einbringen konnte.“ Erklärberichte oder Landkarten tauchen dort auf, und Zuschauer können die Themen der Sendung diskutieren. Über die heute.de-App des ZDF ist das heute journal so weltweit empfangbar und deutlich umfangreicher als die halbstündige Fernsehsendung. 22.30 Uhr: Zum Abschluss gibt es Schelte im Flur 22.30 Uhr: Geschafft, die Sendung ist vorbei, die Anspannung lässt nach. Im Flur vor dem Studio trifft sich das Team zur sogenannten „Flur-Schelte“. Bei dieser Kritik wird besprochen, was gut war, was falsch lief und was dafür die Gründe waren. Heute war alles gut. Feierabend. Nur für Rafael noch nicht. Bis das „heute journal plus“ fertig ist, wird er noch etwas bleiben müssen. Im Aufzug fahren wir mit Gundula Gause und Claus Kleber vom Studio zurück ins Großraumbüro. Claus Kleber lächelt mich entspannt an: „Na, und? War doch nur halb so wild, oder?“ Das kann man wohl nur sagen, wenn man schon seit Jahren in dieser Redaktion arbeitet. Sonst ist das alles ziemlich aufregend. Rafael bestätigt: „Wenn man hier eines entwickelt, dann ist es eine hohe Stresstoleranz.“ Tatsächlich hat jeder hier hunderte Katastrophen miterlebt. Das schweißt das Team zusammen. Rafael und seine Kollegen werden morgen an einer neuen Nachrichtensendung arbeiten. Um 8.30 Uhr fängt der Frühredakteur mit der Planung an. Doch die endgültigen Themen der Sendung sind bis 21.45 Uhr unsicher. Routine gibt es im heute journal nicht. Keiner weiß, was in der Welt passieren wird. Für Rafael ist das elementar: „Das macht es ja so spannend.“ Text & Fotos: Mirca Waldhecker | April 2013
  • 35. 35 Stefan Köhler ► Chef vom Dienst / SWR Unser Team? Jung und anarchistisch! Wenn der Papst durchdreht und wild tanzt, dann passiert das höchstwahrscheinlich in der Redaktion von DASDING in Baden-Baden. In der Redaktion des jüngsten Radio- Programms vom Südwestrundfunk (SWR) geht es um Musik und Lifestyle. Das Programm ist rund um die Uhr in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz empfangbar, dazu gibt es einen Live-Stream auf der Internetseite und eine eigene Fernsehsendung. In der Redaktion geht es grundsätzlich turbulent zu – und mittendrin: Stefan Köhler, der als Chef vom Dienst für „DASDING vor Ort“ für Ordnung sorgt. Zumindest meistens. J’Lo’s Hintern ist wichtig für die Jungs und Mädels von „DASDING“. Vor allem, wenn die Popsängerin genau da zwei Kilo zunimmt. „Ich frag‘ mich echt, wie man das feststellt, gibt’s da 'ne Extra-Waage, oder was?“ „Ja, da stellt man sich drauf, und dann gibt’s so spezielle Sensoren…“ Themen-Konferenz in der Redaktion in Baden-Baden. Es geht um Musiker, Foodsharing, Mai-Traditionen, das Ende des Netzwerks Schüler-VZ und um die Frage, wie viele Muskeln bei Frauen sexy sind. Alle stehen mitten im Großraumbüro, wer vorträgt, ist laut. Man merkt, das sind alles Radio-Moderatoren oder Live-Reporter. Ansagen klingen hier so: „Uuuund jetzt: DIE NACHRICHTEN!“ Die Musik-Redaktion spielt mal eben den Trend- Song des Tages ein, und überhaupt ist alles ausgesprochen locker, eben „Live. Laut. Lässig.“, wie das Motto der Redaktion lautet. Und wenn durch das Internet ein Hype wie der Harlem Shake geistert, dann macht das Team den auch gern mal mit.
  • 36. 36 Stefan koordiniert die Inhalte für die Internetseite Glänzende Lederschuhe gibt es hier nicht zu sehen. Dafür abgewetzte Chucks, Turnschuhe, Kapuzenpullis, Jeans. Stefan Köhler mit seinem Hemd unter dem Pulli wirkt schon fast konservativ. Aber der 27-Jährige ist ja auch einer von denen, die hier für Ordnung sorgen: „Ich koordiniere die Inhalte aus den Studios in Kaiserslautern, Mainz, Trier und Koblenz. Was unsere Reporter dort produzieren, landet anschließend bei mir und dann auf unserer Internetseite.“ Außer Stefan gibt es noch einen weiteren CvD, der für die Studios in Baden-Württemberg zuständig ist. Die beiden sitzen zusammen mit der Online-Redakteurin vom Dienst und dem Multimedia-Redakteur an einem Tisch. Eine Konferenz jagt die nächste Stefans Job bedeutet für ihn vor allem: an vielen Konferenzen teilnehmen. Um 8.55 Uhr geht es los mit der ersten Telefonschalte mit den Studios, um 9 Uhr folgt die Absprache mit der Redaktionsleitung und den Radio-CvDs, um 9.30 Uhr die große Redaktions-Konferenz, um 11 Uhr die Themen-Sitzung mit TV- und Wort-Chefs… und immer so weiter. Zum Nachmittag hin trudeln die Audio-Stücke, Videos oder Bilder von den Reportern ein, und Stefan sorgt dafür, dass sie an der richtigen Stelle im richtigen Kanal landen. „Das klingt so simpel“, meint Stefan, „aber genau das ist es, was crossmediales Arbeiten für mich ausmacht. Gemeinsam Themen besprechen und diese auf möglichst vielen Kanälen passend veröffentlichen.“ Vor allem bunt: die Internetseite von DASDING. „Ich kann mir keinen angenehmeren Arbeitsplatz vorstellen“ Außerdem checkt Stefan den ganzen Tag über Twitter und Nachrichten-Agenturen auf neue Meldungen, überprüft Teaserbilder, formuliert Überschriften oder schreibt Texte um, damit sie noch besser zum Image von DASDING passen. Zwischendrin wird er regelmäßig abgelenkt von den Kollegen um ihn herum, die für ihr Leben gern Blödsinn machen und zum Beispiel lustige Grimassen für die Web-Cam ziehen. Es ist eben ein junges Team, das mit viel Spaß bei der Sache ist. Stefan fühlt sich hier extrem wohl: „Ich habe echt witzige Kollegen,
  • 37. 37 man könnte unser Team wohl als jung und anarchistisch beschreiben. Ich kann mir jedenfalls keinen angenehmeren Arbeitsplatz vorstellen.“ Über einen Radio-Workshop kam Stefan zum Journalismus Dabei wollte er sich ursprünglich ganz anderen Aspekten der Medienwelt widmen. Nach dem Abitur 2005 bewarb er sich für das Studium „Medientechnologie“. Doch dann entdeckte er in einer Zeitung eine Anzeige für einen Radio-Workshop in Königstein im Taunus. Es ging darum, das Stadtfest multimedial zu begleiten, und Stefan leckte dabei ordentlich Blut. „Am Ende hat mir der Leiter des Workshops ein Praktikum in der Multimediaredaktion der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau angeboten. Daraus wurde schließlich eine freie Mitarbeit und schließlich ein Volontariat.“ Das Studium blies er ab und produzierte stattdessen von 2007 bis 2009 in Frankfurt Radiobeiträge, Filme und Online-Inhalte, die bei Hit Radio FFH ausgestrahlt wurden. „Meine Eltern fanden das ein bisschen seltsam, was ich damals getrieben habe“, erinnert sich Stefan. „Der Redaktionsleiter ist sogar zu mir nach Hause gekommen, um sie davon zu überzeugen, dass dieses Volontariat eine gute Idee ist. Aber für mich hat sich dieser Weg immer richtig angefühlt.“ Stefan Köhler an seinem Arbeitsplatz. Und dann kam die Liebe ins Spiel Die Eltern gaben schließlich nach – und dann kam die Liebe ins Spiel. Bei einem der Seminare für die Volontäre lernte Stefan seine Freundin kennen. „Da sie aus Karlsruhe kam, wollte ich von da an natürlich in ihrer Nähe arbeiten. Allerdings hatte ich mich da schon entschieden, nach dem Volontariat noch in Dieburg zu studieren. Also musste ich einen Kompromiss finden.“ Von 2009 an pendelte Stefan also zwischen Dieburg und Baden-Baden, wo er eine Woche pro Monat in der Redaktion von DASDING arbeitete. „Mein großes Glück war, dass die Professoren an der Hochschule sehr verständnisvoll waren, wenn ich mal an einem Kurs nicht teilnehmen konnte, weil ich arbeiten musste. Da sie alle selbst Journalisten
  • 38. 38 waren und wussten, wie flexibel man da zuweilen sein muss, haben sie mir viel Freiheit gelassen. Das habe ich mit am meisten geschätzt in diesem Studium.“ Die Zeit bei „DASDING“ ist begrenzt Seine Praxisphase absolvierte Stefan ebenfalls beim SWR in Baden-Baden. In dieser Zeit durchlief er alle Stationen, vom Radio bis zur Online-Redaktion. Als er dann Mitte 2012 seinen Bachelor-Abschluss in der Tasche hatte, bot ihm der SWR eine Stelle als Radio-CvD an. Nach einem halben Jahr auf dieser Position bewarb er sich als CvD für DASDING vor Ort. Für Stefan ist es die die ideale Position, um seine Kenntnisse aus den Bereichen Radio und Online zu kombinieren. „Natürlich werde ich hier nicht ewig bleiben können, denn irgendwann ist man zu alt, um in einer Redaktion zu arbeiten, deren Zielgruppe zwischen 14 und 29 Jahre alt ist. Aber im Moment ist alles so super, da denke nicht über die ferne Zukunft nach.“ In diesem Gebäude in Baden-Baden sitzt die Redaktion von DASDING. Davor steht das mobile Hörfunk-Studio, ein auffälliger Bus. „Jeder muss seinen ganz eigenen Weg finden“ Angehenden Journalisten, die sich für das Medium Radio interessieren, kann Stefan ein Praktikum bei DASDING nur empfehlen: „Man hat hier sehr viele Möglichkeiten sich auszuprobieren, vom Moderatoren-Job bis zum Reporter, und es ist eine gute Chance, bei einem öffentlich-rechtlichen Sender einen Fuß in die Tür zu kriegen.“ Und wenn Stefan in seiner Ausbildungszeit eins gelernt hat, dann dass es zwingend notwendig ist, praktische Erfahrungen zu sammeln und sich auszuprobieren: „Es gibt keinen festgeschriebenen Weg. Jeder muss seinen ganz eigenen Weg finden und die Möglichkeiten nutzen, die sich ihm bieten.“ Text & Fotos: Mirca Waldhecker | Mai 2013