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Understanding North America - Geschichte - Aggressives Wirtschaften
1. John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien
Wintersemester 2010/11
Abteilung Geschichte
Understanding North America (UNA-A)
Dozentin: Eva Bischoff
Diskutieren Sie folgende These: Der Konflikt zwischen Krone und Kolonisten, der schließlich in
die Amerikanische Revolution mündete, basierte ausschließlich auf einer wirtschaftlichen
Auseinandersetzung.
Aggressives Wirtschaften
Anhaltende Aggression führt unausweichlich zu offener Gewalt.
[...] only a bomb throwing lunatic would suggest that society doesn't need to be
organized in some way, and there's no problem with the idea of governance,
but this organization that can basically conduct "business" at the point of a gun
is really problematic and I think that's why we see a lot of the problems that we
see in government.
(Brett Veinotte)
Autor: Andreas Fischer
Kontakt: +49-30-8687027022, andifischer@zedat
Matrikelnummer: 4471900
Prüfungsleistung: 10 LP
Abgabe: 19.11.2010; Note 1,7 - nachträglich überarbeitet
2. Versteht man Wirtschaften als Handeln unter Einbezug von Gewaltanwendung, so gründete der
Konflikt zwischen Krone und Kolonisten, der in die Revolution mündete, ohne Zweifel auf
wirtschaftliche Auseinandersetzungen. Ist mit Wirtschaften jedoch jenes Handeln gemeint, das
Gewaltanwendung ausschließt, so ergibt sich ein anderes Bild. Gerne wird übersehen, dass es ein
Unterschied ist, ob man mittels physischer Gewalt einen Berg abbaut oder ob man unter
Anwendung von Gewalt jemanden zwingt selbiges zu tun. Letzteres bezeichne ich hier als
Aggression, da dies beutet gegen eine andere Person Gewalt anzuwenden—oder auch nur Leid
anzudrohen—, ohne dass diese Person unmittelbar zuvor gewaltsame Mittel gegen den Aggressor
aufwendete.
Rechtfertigungen Aggression gegen Andere zu richten, finden sich zu allen Zeiten. Bei genauer
Betrachtung variieren dabei lediglich die Ausprägungen physischer oder mentaler Gewalt—wobei
letztere einer Androhung von Leid entspricht, die mögliche Formen von Betrug oder Täuschung mit
einschließt. Schauen wir uns darum zuerst an, wie sich Handel begründen lässt.
Der dem Handeln zugrunde liegende englische Begriff ist trade, welcher epistemologisch aus tread
entstammt (vgl. Stormonth 1918, S. 924). Vereinfacht bedeutet tread auf oder gegen etwas zu
schreiten (vgl. ebd. S. 930), was sich auf eine Person oder Gruppe bezieht. Das sich daraus
entwickelte trade setzt dagegen die beiderseitige Übereinkunft zweier Handelspartner voraus, die
ausschließlich Wert gegen Wert tauschen. Von Ayn Rand ist dies trefflich beschrieben mit „[...] A
trader is a man who earns what he gets and does not give or take the undeserved [...]“ (zitiert in
Binswanger 1988, S. 504). Die gemeinsame Prämisse ist, ein von beiden Seiten gefundener
Kompromiss, den Wert des anderen anzuerkennen. Droht jedoch ein Partner dem anderen, so wird
nicht Wert gegen Wert getauscht, sondern der Wert des einen gegen das Unterlassen der Aggression
des anderen. Eine beiderseitige Übereinkunft kann hier nicht vorhanden sein, da eine existentielle
Bedrohung besteht—die nur entweder zur Unterwerfung oder zu Gegenwehr nebst Abwendung
führen kann (vgl. Compromise; ebd. S. 82).
Die Kolonien hatten wirtschaftlich betrachtet einen klaren Ausgangspunkt. Sie wurden alle Kraft
Autorität der Krone gelenkt. Entweder war der König direkt die bestimmende Autorität vor Ort
(vgl. Boyer 2007, S. 54), er bestimmte aus der Ferne einen Eigentümer—unter Vorbehalt von
„control of war and trade and [...] laws“ (ebd. S. 55)—was alles existenzielle beinhaltet—oder sie
konstituierten „themselves a [...] government, and claimed the land for [the] King [...]“ (ebd. S. 49)
—mit der entsprechenden Konsequenz zunehmender Militarisierung (vgl. ebd.).
Die Tatsache, dass es in Amerika mehrere Jahrtausende vor den besagten Kolonisten Handelsrouten
gab, lässt den aggressiven Habitus vieler Europäer in ungewohntem Licht erscheinen: „Trade linked
3. the Great Lakes to Florida, the Rockies to what is now New England“ (Loewen 2007, S. 74).
Zudem war es schon zu allen Zeiten üblich, dass sich Kulturen, selbst auf engstem Raum,
kooperativ, also aggressionsfrei, entwickelten, wie es Wes Bertrand über das Leben in Städten
zusammenfasst: „[...] cities are primarily about commerce—and commerce involve all kinds of
cooperation, collaboration, and interdependence, that is, voluntary trading of values [...]“ (Bertrand
2007, S. 37). Doch entgegen dieser naheliegenden Erkenntnis werden noch heute englische
Kolonisten meist harmlos Siedler genannt. Spanier dagegen werden gerne als Eroberer bezeichnet,
und das obwohl es nachweislich sowohl Eroberer als auch Siedler verschiedenster Ethnien gab,
einschließlich indigener Amerikaner. Die Nationalität stellt damit ein denkbar ungeeignetes
Kriterium dar, um das jeweilige Verhalten auf dem amerikanischen Kontinent zu differenzieren
(vgl. Loewen 2007, S. 71).
Was alle Eroberer sicherlich gemein hatten, ist die Art des eigenen Wirtschaftens, nämlich die
eigene Autorität über jene anderer zu stellen und sich damit anderer Menschen Verdienst ohne deren
Einwilligung zu Nutze zu machen—sofern keine entsprechende Gegenwehr zu erwarten war. Mich
führt das zurück zu der Frage, ob Wirtschaften als beliebige Interaktion ohne gemeinsame Prämisse
aller Beteiligter zu verstehen ist, oder in Abgrenzung zu nicht-wirtschaftlichen
Auseinandersetzungen; zu un-wirtschaftlichen. Wo Betteln oder Leidbekundungen lediglich an
Andere appellieren, so nimmt der Einsatz oder die Androhung von Gewalt jenen die Wahl.
Betrachtet man die zugrundeliegende wirtschaftliche Auseinandersetzung also schließlich aus rein
staatlicher Perspektive, so kann sicherlich die Rede von Ausschließlichkeit einer wirtschaftlichen
Auseinandersetzung sein—Gewaltanwendung mit eingenommen. Nimmt man jedoch die
Machenschaften einflussreicher Beteiligter in den Blick (vgl. hierzu z. B. ideologische Differenzen
zwischen Jefferson und Hamilton; Boyer, S. 191 f.; Skousen, S. 424) und unterscheidet dabei
aggressionsfreies Wirtschaften von aggressivem Verhalten, so zeichnet sich ein Bild von politischen
Intrigen ab, die in populären Geschichtsbüchern keinerlei Beachtung finden (was ich auch in
diesem Essay nicht weiter ausführen werde). Solche Intrigen hatten (und haben noch heute)
unzählige bewaffnete Übergriffe zur Konsequenz, die anschließend in die vergleichsweise langsame
Entstehung einer neuen—von England unabhängigen—Machtelite mündeten. Überspitzt ließe sich
sagen, dass sich eben jene Machtelite bis heute vom Volk legitimiert sieht, auf Grundlage der
damals entstandenen Amerikanischen Verfassung, dessen Interessen mittels aggressiven Verhaltens
zu lenken. Die für eine solche Behauptung nötigen Beweise sind ohne Zweifel komplex; zu
komplex, um auch diese hier auszuführen. Doch ein Beispiel möchte ich geben mit der
augenscheinlichen Tatsache, dass die von Jefferson formulierten, unveräußerlichen Menschenrechte
4. Aggression gegen Andere niemals recht machen können, solche Übergriffe jedoch zu allen Zeiten
als legitimiert bezeichnet werden—selbst durch eben jenen Jefferson, der—wie unzählige andere
Politiker—scharf zu trennen wusste zwischen Taten und Worten, seien es geschriebene oder
gesprochene; zur Zeit der Unabhängigkeitserklärung als Herr über rund 250 Versklavte (vgl.
Loewen, S. 147 f.) und später als legitimierter Vertreter der expandierenden Nation (vgl. Boyer, S.
219 ff.). Das macht Jefferson vielleicht nicht zu einem schlechten Menschen, doch es zeigt
beispielhaft, wie schmal der Grad ist zwischen aggressionsfreiem Wirtschaften und implizierter
Aggressivität.
Literatur
Bertrand, W 2007, Complete Liberty, The Demise of the State and the Rise of Voluntary America,
Public Domain, printed in Sweden.
Binswanger, H (ed.) 1988, The Ayn Rand Lexicon, Objectivism from A to Z, Penguin, USA.
Boyer, PS et al 2007, The enduring vision: a history of the American people, 7th edn, Wadsworth,
Boston.
Loewen, JW 2007, Lies My Teacher Told Me, Everything Your American History Textbook Got
Wrong, rev edn, Touchstone, New York.
Skousen, WC 1985, The making of America: The Substance and Meaning of the Constitution, Nat.
Center for Constitutional Studies, Washington D.C.
Stormonth, J & Bayne, W 1918, Etymological and pronouncing dictionary of the English language
including a very copious selection of scientific terms for use in schools and colleges and as a book
of general reference, rev edn, Blackwood, UK.